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Arbeitnehmer, Heft 8, Dezember 2007 zum gesamten Projekt

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<strong>Arbeitnehmer</strong> onlinehttp://www.arbeitnehmer-online.de/cgi-bin/sys/struktur.dante?back_id=29003&parent...Page 1 of 319.02.2008Ausdruck vom: 19.2.2008 um 21:54 UhrAusgabe: <strong>Heft</strong> 8 - <strong>Dezember</strong> <strong>2007</strong>Dörrenbach plant Nahwärmenetz in EigenregieBiogas statt teurer StromBiogasanlage auf dem Sonnenhof inDörrenbach.Foto: Claudia Ziegler izes gGmbHDer kleine Ort im Ostertal will sich unabhängig von Kohle, Öl und Gasmachen. Das bedeutet Klimaschutz, Versorgungssicherheit und niedrigeEnergiekosten – ein im Saarland bislang einzigartiges Vorhaben.„Ganz Gallien ist von Cäsar besetzt... Ganz Gallien? Nein, ein kleines Dorf leistetnach wie vor den Römern heftigen Widerstand. Dank eines Zaubertranks, den derDruide Miraculix zusammenbraut, sind die Dorfbewohner praktisch unbesiegbar.“Man fühlt sich ganz schnell an diese Zeilen aus Asterix und Obelix erinnert, wennman sich auf den Weg nach Dörrenbach – einem kleinen Ortsteil von St. Wendel –im Ostertal macht. Die etwa 500 Einwohner des kleinen Ortes sind dabei,saarländische Geschichte zu schreiben. Sie wollen durch den Bau einesNahwärmenetzes ihre Häuser mit Abwärme aus einer Biogasanlage heizen.Bereits 1998 wurde in Dörrenbach auf einem Bauernhof (Sonnenhof ) eineBiogasanlage gebaut, die 2005/2006 erweitert wurde. In der Anlage entstehtunter Ausschluss von Licht und Sauerstoff aus organischer Masse Biogas, dashauptsächlich aus Methan und Kohlendioxid besteht. Meistens wird die benötigteBiomasse durch den Anbau sogenannter Energiepflanzen – in der Regel Mais –gewonnen. In Dörrenbach hingegen hat man einen anderen Weg eingeschlagen.Dort werden pro Jahr ca. 9.000 Tonnen hygienisierte (gekochte) Essensreste ausGroßküchen und Betriebskantinen und nochmals 9.000 Tonnen Mist von Pferdenund Rindern zusammen mit Grassilage in einem großen Behälter (Fermenter) zuBiogas umgewandelt. Was bei diesem Prozess übrig bleibt, kommt in einensogenannten Nachgärer, in dem auch schwerer abbaubare Stoffe noch zu Biogaswerden. Was dann noch übrig bleibt, wird als wertvoller Dünger auf die Felderausgebracht. Das gewonnene Biogas wird in einem Motor verbrannt, der einenGenerator zur Stromerzeugung antreibt. Der erzeugte Strom wird zu einemkleinen Teil zur Deckung des Strombedarfs auf dem Hof selbst eingesetzt, dergrößte Teil wird jedoch ins öffentliche Stromnetz eingespeist.Die Biogasanlage in Dörrenbach verfügt heute über eine elektrische Leistung von700 KW und eine thermische Leistung von 900 KW. Die bei der Stromerzeugungals Nebenprodukt anfallende Wärme kann bislang nur teilweise auf dem Bauernhofund in der angeschlossenen Metzgerei genutzt werden. Die restliche Wärme –umgerechnet in Heizöl eine Menge von 400.000 Liter – muss zur Zeit ungenutztan die Umgebung abgegeben werden. Gelingt es, diese überschüssige Wärme über


<strong>Arbeitnehmer</strong> onlinehttp://www.arbeitnehmer-online.de/cgi-bin/sys/struktur.dante?back_id=29003&parent...Page 2 of 319.02.2008ein Leitungsnetz in die Häuser von Dörrenbach zu bringen, könnte damit fast dergesamte Wärmebedarf im Ort gedeckt werden. Der größte Vorteil für dieDörrenbacher ist dabei, dass der Sonnenhof garantiert, die überschüssige Wärmefür 20 Jahre kostenlos abzugeben, da er zurzeit keine andere Verwendung dafürhat. Der Dorfgemeinschaft fällt nun die Aufgabe zu, die Planung, die Finanzierung,den Bau und den Betrieb des erforderlichen Nahwärmenetzes zu bewerkstelligen.Im Ort hat sich inzwischen eine Bürgerinitiative gebildet, die dieses ehrgeizigeVorhaben zusammen mit ihrem Ortsvorsteher Edwin Stoll voranbringen will.Derzeit läuft eine Befragung der Dörrenbacher Bürgerinnen und Bürger, umherauszufinden, wie hoch die Bereitschaft ist, sich an ein Nahwärmenetzanzuschließen. Nach Auskunft von Edwin Stoll haben bereits 70 Familien Interessean der Realisierung des <strong>Projekt</strong>es gezeigt. Nach ersten groben Schätzungen sollensich die Baukosten für das Nahwärmenetz auf 2 Millionen Euro belaufen. Werdendiese Kosten umgelegt auf 70 Familien, ergibt sich pro Haushalt ein Betrag vonrund 28.500 Euro. Öffentliche Fördermittel könnten die Kosten für dieDörrenbacher gegebenenfalls senken. Der Sonnenhof garantiert die kostenloseBereitstellung der Wärme über 20 Jahre.Heizölpreis hat sich in vier Jahren verdoppeltFür Sabine Simmet-Raber, die sich von Anfang an aktiv für das <strong>Projekt</strong> einsetzt,ergibt sich daraus eine einfache Rechnung. „28.500 Euro über 20 Jahre bedeutet,ich kann für nicht mal 1.500 Euro pro Jahr mein Haus heizen.“ Blickt man auf diestetig steigenden Kosten für Heizöl oder Gas, so wird der wirtschaftliche Vorteildes Nahwärmenetzes schnell deutlich. Gab es 2003 den Liter Heizöl noch für 35Cent, so muss man heute, gerade vier Jahre später, bereits 70 Cent dafürbezahlen, eine glatte Verdopplung. Der weltweit wachsende Energiebedarf lässterwarten, dass sich diese Preisentwicklung auch in den kommenden Jahrenfortsetzt.Für Edwin Stoll hat die Arbeit für die Bürgerinitiative aber erst angefangen. „Es istnoch viel Überzeugungsarbeit notwendig, wir müssen den Leuten zeigen, dasshinter der Biogasanlage eine hochmoderne und zuverlässige Technik steckt“. Er istfroh, dass er dabei von Claudia Ziegler, Ingenieurin und Umweltwissenschaftlerinbeim IZES – Institut für ZukunftsEnergieSysteme – unterstützt wird. Im Rahmender Umsetzung des EU-Programms Leader+ fällt dem IZES die Aufgabe zu, nebender technischen Machbarkeit der Nahwärmeversorgung auch die ökonomischen undrechtlichen Rahmenbedingungen zu klären.Es gibt aber nicht nur technische Probleme zu lösen. Viel spannender ist dieFrage, mit welchen Strukturen und Zuständigkeiten das <strong>Projekt</strong> realisiert werdenkann. Soll das Netz in eigener Regie betrieben werden? Kooperiert man mit einemerfahrenen Stadt- oder Gemeindewerk? Soll der Wärmebezug in Abhängigkeit vomVerbrauch berechnet werden? Muss man Rücklagen bilden? Alles Fragen, die inden nächsten Monaten beantwortet werden müssen.Doch diese Arbeit wird sich lohnen, nicht nur für die Dörrenbacher, die durch das<strong>Projekt</strong> in den kommenden 20 Jahren Versorgungssicherheit haben und Heizkostensparen können. Auch andere saarländische Gemeinden, die ein ähnliches <strong>Projekt</strong>auf die Beine stellen wollen, könnten von den Erfahrungen und dem Wissen deszukünftigen „Bioenergiedorfs“ Dörrenbach profitieren. Verlockend dürfte aber auchdie Aussicht sein, dass in 20 Jahren die Kinder und Enkelkinder der Dörrenbacherimmer noch stolz sind auf ihre Eltern und Großeltern, die rechtzeitig nicht nurüber die drohende Klimakatastrophe geredet haben, sondern ganz konkret einenBeitrag <strong>zum</strong> Schutz der Erde geleistet haben.Jürgen Meyer, Arbeitskammer


<strong>Arbeitnehmer</strong> onlinehttp://www.arbeitnehmer-online.de/cgi-bin/sys/struktur.dante?back_id=29003&parent...Page 3 of 319.02.2008Die aktuelle Version dieses Textes finden Sie unter:http://www.arbeitnehmer-online.de/cgi-bin/sys/struktur.dante?node_id=29003&aid=3210© copyright 2008 Arbeitskammer des Saarlandes - erstellt mit dem dante ® CMS

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