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Alerta Suhl/Zella-Mehlis #2 - AGST

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Kundgebung in <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> für einen im niedersächsischenStadt Weye ermordeten jungenMann. Danach ebbten sämtliche Aktivitäten derGruppe ab.Weitere Aktivitäten von Neonazis in der Regiongingen meist von Neonazis außerhalb desSpektrums des »Infoportals <strong>Suhl</strong>/<strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>«aus. So wurden im April in <strong>Suhl</strong> Flyer für die Nazidemoam 1. Mai in Erfurt von Michael Fischer ausdem Weimarer Land verteilt. Verantwortlich dafürsind Neonazis aus dem Raum Schleusingen undHildburghausen bzw. aus der eher unbedeutenden»Aktionsgruppe Hildburghausen/Schleusingen«.Sachbeschädigungen und BedrohungenJedoch gab es nicht nur organisierte und durchGruppen oder NPD koordinierte Aktionen. In<strong>Suhl</strong> kam es immer wieder zu Sprühereien vonNeonazis, speziell in Stadtteilen wie der <strong>Suhl</strong>erAue und dem Himmelreich. Im Mai 2013 wurde in<strong>Suhl</strong> ein Auto beschädigt, in dessen Tür Neonazisein 5 ˆ 5 Zentimeter großes Hakenkreuz ritzten.Solche Aktionen können meistens unorganisiertenund übermotivierten Jungnazis, sowie denaltbekannten »Suffnazis« zugeordnet werden.Neben den Sachbeschädigungen gab es auchimmer wieder Bedrohungen durch Neonazis, dieim Internet gegen politische Gegner hetzten unddiese auf der Straße verbal bedrohten.Die NPD im WahlkampfHauptsächlich sorgte die NPD für weitereAktionen in der Region. Besonderskurz vor der Bundestagswahl am 22. Septemberverteilte die NPD in <strong>Suhl</strong> und <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> vermehrtihre Regionalzeitung und Wahlwerbeflyer.Ebenfalls beginnt sie mit Plakatieraktionen zurBundestagswahl. Eine ausführliche Analyse desNPD Wahlkampfes und des Ergebnisses vom22. September findet ihr ab Seite 6.Ein gewisse Kontinuität, wie sie noch in denletzten zwei Jahren zu beobachten war, ist nichtmehr zu erkennen, jedoch ist dies noch lange keinGrund sich beruhigt zurückzulehnen. Geradejetzt sollten antifaschistische Positionen folgenund weiterhin gegen die Nazis vorgegangenwerden.[3] vgl. <strong>Alerta</strong> <strong>Suhl</strong>/<strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> #1, Seite 3–5[4] Die gesamte Chronik über die Naziaktivitäten, sowie die PDF-Version der ersten <strong>Alerta</strong> <strong>Suhl</strong>-<strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>, findet ihr unteragst.afaction.info5


Bundestagswahl 2013: Starke Zugewinne für dieThüringer RechteDie Bundestagswahl bescherte der politischen Rechten in Thüringen einen phänomenalesErgebnis. Mehr als 10 % der Wählerinnen und Wähler machten ihre Kreuzchen bei einer Partei,die für die Verschärfung der Ausgrenzung von sozial Schwachen, für soziale Kälte und für deutschenChauvinismus steht. Das Potential dieser Klientel dürfte noch um ein Vielfaches höher sein.Was ist die Rechte?Der Begriff der »Rechten« ist zunächstgenauer zu bestimmen. Nicht ohne weiteres wollenwir die eh schon hegemoniale Extremismusdoktrin,also das Bild einer sauberen demokratischen Mitte,die gegen irgendwelche extremen rechten undlinken Ränder zu schützen sei, befeuern. Wennwir hier also nachfolgend von der politischenRechten sprechen, dann meinen wir eine politischeStrömung, deren gemeinsame Eigenschaft etwa in derBefürwortung sozialer und ökonomischer Ungleichheitbesteht – ganz egal, ob diese Ungleichheit nunden kapitalistischen Verhältnissen geschuldetist, die solche notwendig produziert oder obdie kapitalistische Wirklichkeit gewissermaßenvorkapitalistische Formen der Ungleichheit recycelthat (z. B. Patriarchat). Die politische Rechte stehtfür eine hierarchisch organisierte Gesellschaft,welche Ungleichheit auf der radikaleren Seiteetwa durch vermeintliche Rassenunterschiederechtfertigt. Die liberale Rechte wünscht sich einesozioökonomische Abstufung durch den ökonomischenWettbewerb. Beiden gemeinsam ist die blindeAffirmation der Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischenVergesellschaftung, die sie, wie Teile der Linkenübrigens auch, als Naturverhältnisse missversteht undnicht als Resultat einer historisch-gesellschaftlichenEntwicklung. Die politische Rechte verherrlicht dieZuordnung der Menschen in Kollektive (Familie, Volk,Nation), derer sich die Einzelnen unterzuordnen habenund die gegen Fremde abzuschirmen sind. Deswegenist sowohl die liberale als auch die radikale Rechte ineiner je spezifischen Weise fremdenfeindlich bzw.rassistisch.Gerade die Position der liberalen Rechten, dienationalstaatlich zu organisierende Klassifikation derMenschen durch den ökonomischen Wettbewerb, ist indieser Gesellschaft gewissermaßen Staatsräson. DurchErziehung und Sozialisation wird das Bild verbreitet,dass in der »sozialen Marktwirtschaft« – einEuphemismus für Kapitalismus mit rudimentäremSozialsystem – ein jeder seines Glückes Schmiedist und dass die empfangene soziale Kälte derMitmenschen und Institution ganz natürlich seien.Insofern ist es ganz richtig von einer rechtenGesellschaft zu sprechen und die Frage, welchenZweck der Begriff etwa in Abgrenzung zu den von derCDU oder der SPD vertretenen Positionen nochhaben soll, gerechtfertigt. Schließlich ist beispielsweisedas Recht auf Asyl 1993 maßgeblich durch Zutun derSPD abgeschafft worden. Die politische Rechte, diesich gewissermaßen, was die Aggressivität ihresAuftretens gegen Ausländer, sozial Schwache undLinke angeht, rechts von der CDU sammelt, istgefährlich, weil ihre radikaleren Fraktionen mituntermilitant gegen genannte Gruppen losgehen und derenLeben und Gesundheit bedrohen. Sie sind weiterhingefährlich, weil sie die herrschende Rechte zukonsequenterer rechter Politik drängen. D.h. dieRechte drängt darauf, dass Deutsche ihre Privilegienvor den Ausländern verteidigen, diese, wo sie nichtvon Nutzen sind, noch stärker ausgrenzen, ihreVerantwortung gegenüber dem Ausland stärkerablehnen. Die politische Rechte steht, kurz gesagt, füreine Politik der sozialen Kälte, der Ausgrenzung vonsozial Schwachen, der Verewigung gesellschaftlicherUngleichheitsverhältnisse. Die Begrifflichkeiten derpolitischen Rechten und Linken sollen also nicht dazudienen das falsche vorherrschende Bild einer sauberengesellschaftlichen Mitte im Kampf gegen Extremistennachzuzeichnen. Denn gerade das, was als rechts zubezeichnen ist, ist einerseits in dieser Gesellschafthegemonial und bildet andererseits oft negativ ab, waslinke oder emanzipatorische Politik zu sein hätte.6


Ein neuer Akteur kommt ins SpielSpätestens mit dem Fast-Einzug in den Bundestagim September 2013 hat sich die »Alternativefür Deutschland« (AfD) als neue Größe in derpolitischen Parteienlandschaft etabliert. Die Partei istvon rechten Euro-Skeptikern ins Leben gerufen worden,die es sich zum Ziel gesetzt haben, Deutschland genauin dem Augenblick aus der politischen Verantwortungfür den Euro-Raum zu lösen, als dieses Gefahr lief, fürdie Profite, die es jahrelang durch den Euro einfuhr,einstehen zu müssen. Keine Volkswirtschaft profitiertevon der Gemeinschaftswährung so stark wie diedeutsche. Heute ist eine Situation eingetreten, an derdie deutsche Politik mit Garantien ihre ehemaligenExportmärkte vor dem Zusammenbruch bewahrenmuss. Die chauvinistische AfD macht gegen dieseHilfen nun Stimmung und die fremdenfeindlichen Töne,die sie dabei anschlägt, sind keine Ausrutscher, sondernnur die logische Folge des politischen Programms. Dawundert es kein Stück, dass beispielsweise in Arnstadtgroße Teile der örtlichen Protofaschisten um diekommunale Wählergemeinschaft »Pro Arnstadt«mittlerweile zur AfD übergelaufen sind. Noch vorein paar Jahren waren es die selben Leute, umStadt-Stürmer-Herausgeber Hans-Joachim König, diesich bei »Pro Deutschland« versucht haben, bis sieeinsehen mussten, dass sich für dieses Projekt keinErfolg einstellen wird. In Thüringen kam nun dieseMelange aus Protofaschisten und Sozialchauvinistenbei der Bundestagswahl auf 6,2 Prozent und damitnochmal 1,5 Prozent über das eh schon überraschendeBundesergebnis hinaus. Damit ist die AfD inThüringen vor Grünen, NPD und FDP viertstärksteKraft. Insgesamt erreichte die Thüringer Rechte (NPD,REP, AfD, Teile der Freien Wähler) über 10 Prozent,ein Rekordwert. Trotz der neuen Konkurrenz auf derpolitischen Rechten und einem Wahlkampf, dervielerorts auf Sparflamme lief, erreichte die NPDthüringenweit 3,2 Prozent der Zweit- und 3,7 Prozentder Erststimmen. Für die im kommenden Jahranstehende Landtagswahl verheißt das nichts Gutes,da sowohl AfD als auch NPD in der Lage seinkönnten, die Fünfprozenthürde zu nehmen und in denThüringer Landtag einzuziehen. Für die politischeKultur im Bundesland hieße das eine Verschärfung derHetze gegen Migranten, Linke und sozial Schwache.Wer das nicht will, tut gut daran, sich antifaschistischzu organisieren.[5][5] siehe dazu auch »Das Elend im antifaschistischen Milieu«, S. 157


Von Urgesteinen, Institutionen, Originalen undEingeborenen. . .Wer die Kleinstadt <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> schon einmal besucht hat oder gar dort geboren undaufgewachsen ist, dürfte vielleicht mitbekommen haben, dass ein Großteil der dortigen»Eingeborenen« ziemlich einen an der Waffel haben. So kommt es in der Kleinstadt auchmal vor, dass ein ganzer Fussballverein zum Großteil aus Nazis besteht, insgesamt 400 Bürgergemeinsam mit Neonazis durch <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> marschieren oder eine fragwürdige Kneipe und dessenBetreiberin abgefeiert werden.Hyper! Hyper!Dass die <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>er Volksgemeinschaftzu kollektiver Blödheit neigt, hat sie bereitsmehrmals eindrucksvoll bewiesen. Eineweitere Bestätigung wurde im Juli diesen Jahresnachgelegt. Die Betreiberin der (Nazi-)Gaststätte»Einsiedel« Berta Ruck, oder besser bekanntals »Püppe«, feierte ihren 70. Geburtstag. EinGrund für alle Umnachteten aus ihren Löchernzu kommen. Als erstes kam die Lokalpresse vom»Freien Wort«. Da man in der Lokalredaktiongenerell das Problem hat nicht zu wissen, worüberman berichten sollte, kommt es ganz recht, wennein »<strong>Mehlis</strong>er Original« Geburtstag feiert.[6]Ein ganzer Schwall an Informationen überdie »Wirtin mit Herz«.[7] Jedoch kein Wortzu den geduldeten Kameradschaftsabenden imEinsiedel zu Zeiten der »Kameradschaft <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>«. Kein Wort zu den prügelnden Neonazis,zum regionalen Vernetzungsort für Neonazis,rechtsoffenen Besuchern oder Nazikonzerten.Aber das hätte ja auch die Stimmung versaut undnatürlich ist es doch gar nicht so, wie man sehroft zu hören bekommt.Aber neben der Lokalpresse wollten auchandere <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>er nicht fehlen um »Püppe«zu gratulieren. So z. B. der Bürgermeister von<strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> Richard Rossel. Er gratulierte »Püppe«persönlich zum Geburtstag. Für so vieleJahre Unterstützung der Neonaziszene kann mandas ja schon mal machen. Es blieb aber nicht nurbei der Gratulation. Auf der Facebookseite derStadt <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> wurde »Püppe« ebenfallsgratuliert. So heißt es dann wörtlich: »Auch derBürgermeister hat ihr heute zum 70. gratuliertund ihr gesagt, wie sehr er ihre Arbeit schätzt.Gerade ihre Art, alle Menschen, so unterschiedlichsie auch sein mögen, ohne Streit und Zank inihrem Haus zu bewirten, macht das Einsiedelund damit auch die Bübbe aus.« Wer das Einsiedeloder die Geschichten dazu kennt, weißwie »unterschiedlich« das Klientel ist, welchesdas Einsiedel besucht. Leute, die nicht in dentanzenden Volksmob von Nazis, Karnevalsvereinund DaCapo Mitgliedern passen, werden ebenkurzer Hand verprügelt, bedroht oder bespuckt.Eine Handarbeit, die der Bürgermeister wohl zuschätzen weiß. Neben der Gratulation am Tagselber, trafen sich der begeisterte Bürgermeisterund die »Institution« wieder.[8]Bürgermeister Richard Rossel und EinsiedelbetreiberinBerta Ruck in fröhlicher Eintracht.Fröhlich strahlend übergab Richard Rossel13 Seiten Papier mit allen Facebook Kommentaren,die es zum Facebookeintrage zu ihremGeburtstag gab. Da sie ja das Internet nicht nutzt,sollte sie es doch wissen, wie viele Leute siemögen. In <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> hält man eben seineeigene Dummheit gerne auch auf Papier fest.Doch der Hype um das »Urgestein« wollte immernoch nicht abreißen.[9]8


Selbst der CDUler und gescheiterte Bürgermeisterkandidataus <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> Thorsten Widder istbegeistert von »unserer Püppe«.Der falsche FackelmarschAm Samstag nach »Püppes« Geburtstagfand wieder eine der berüchtigten »Onkelz-Partys« im Einsiedel statt. Doch vorher ließeneinige der besonders schweren Fälle es sichnicht nehmen, sich auf der Straße zu zeigen. Soversammelten sich am Abend ca. 40–50 Leuteauf dem <strong>Mehlis</strong>er Markt. Unter ihnen auchbekannte Neonazis, sowie deren Freunde undBekannte. Mit Fackeln und mit Transparentenzogen sie durch <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> um »Püppe« zuhuldigen. Ein Fackelmarsch, der in <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>besonders bei Nazidemos Tradition hat, wärenur verständlich, wenn das Ziel auch stimmenwürde und zwar diesem »Schuppen« an derSchönauer Straße endlich sein verdientes Ende zubereiten. Leider konnten die Nazis wieder einmalan diesem Abend in Ruhe feiern und höchstenssich untereinander die Köpfe einschlagen.»Schmutzartikel« und »linke Schwanzlutscher«Als auf der Portalseite der »AntifaschistischenGruppen Südthüringen« ein Artikelmit einem »Geburtstagsgruß« der Antifa<strong>Suhl</strong>/<strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> erschien, war der Volksmobaußer sich.[10]Im Internet wurde gegen die »linken Schweine«und »linken Schwanzlutscher« gehetzt.[11]Nun ließ sich das Einsiedelklientel zu Äußerungenhinreißen, die sonst nur auf den »Onkelz-Partys« und den Nazikonzerten zum Vorscheinkommen. Man fand nun ein Ventil, dass sonst eherin Gewalt gegen Linke und Ausländer mündet.Besonders auffällig ist dabei, dass die sichtlichgetroffenen »Einsiedler«, wie sie sich auf Facebooknennen, dass Ausrufezeichen oder auchFragezeichen mindestens fünfmal vorkommenmüssen.[12]Sicherlich dürften Hans Jürgen Reinhardtund der Rest der »Einsiedler« bei der nächsten»Onkelz-Party« ordentlich mit den Kameradenund Trinkernazis über die »linken Schweine«abgehetzt haben. Aber das ist in <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>eigentlich nichts großartig Neues.Zu guter Letzt lässt sich nur das wiederholen,was bereits im Juli gesagt wurde: »Wir hoffenauf ein baldiges Ende der Gaststätte und ihresKlientels.«[6] »<strong>Mehlis</strong>er Original« – Wortwendung der <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>er, die sich mittels solcher Ausdrücke immer wieder gegenseitigbestätigen wollen, wie sehr sie miteinander verbunden sind. Meistens von den Betroffenen auf die lokale »Verwurzelung« bezogen,jedoch nicht mehr als die Bestätigung der gemeinsamen Zusammenkunft in der kollektiven Verblödung.[7] »Wirtin mit Herz« – <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>er Wortwendung für »Schläger hinterm Tresen«[8] »Die bübbe ist eine Institution« – schrieb Jens Häckel auf Facebook. Es bedarf hier wohl kein weiteren Kommentar. Nur einVerweis auf den ersten Satz des Artikels.[9] »Urgestein« – bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie »Jahrelanger Indikator für unsere eigene Ignoranz«[10] http://www.agst.afaction.info/index.php?menu“news&aid“591[11] Hans Jürgen Reinhardt aus <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> schien sichtlich getroffen vom Geburtstagsgruß der Antifa <strong>Suhl</strong>/<strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> und ließseiner Homophobie und seinem Hass auf Linke im Internet freien Lauf.[12] »!!!!!!!« oder »???????« – vermutlich Ausdrücke der Unfähigkeit die eigene Ignoranz zu artikulieren.9


Ilmenau: Bericht zur Hausbesetzung am19. OktoberMehr als acht Stunden war die Langewiesener Straße 17 in Ilmenau am Samstag,dem 19. Oktober, besetzt. Die Besetzer_innen kämpfen für sozialen Wohnraum und alternativeProjekte. Nachdem die Polizei sich Stunden nur sporadisch blicken ließ, brachte sie gegen Abendihre Schlägereinheiten in Anschlag und erzwang so die Räumung des Gebäudes. Später demonstriertenca. 40 Besetzer_innen und Unterstützer_innen spontan durch die Innenstadt.Als am Morgen des 19. Oktober in Ilmenau dasGeschäftsleben erwachte und die ersten Leute mitausdruckslosen Gesichtern die Langewiesener StraßeRichtung Kaufland entlang trotteten, schien derKleinstadt ein gewöhnlicher Samstag in derSüdthüringer Ödnis bevorzustehen. Dass dieserSamstag allerdings für einige Aufregung sorgte, istdas Verdienst einer Gruppe von Hausbesetzer_innen,die ein leerstehendes Gebäude öffneten, begehbarmachten und dort mit den Planungen und Arbeitenfür sozialen Wohnraum und kulturelle Projektebegannen. Aus den Fenstern der Langewiesener Straße17 hingen ab 9 Uhr zahlreiche Transparente, dieklar machten, was sich hier abspielte. Die Türwar einladend weit geöffnet. Vor dem Gebäudesammelte sich eine Gruppe von mehr und mehrUnterstützer_innen. Es gab Kaffee, Kuchen, warmesEssen und allerlei Infomaterial, das auch anPassant_innen und Anwohner_innen verteilt odervom Wind durch die halbe Stadt getragen wurde.Bei Sonnenschein und milden Temperaturen machtees sich eine schwarz-bunte Menge auf Teppichenund Bordsteinkanten gemütlich.Die Polizei ließ sich das erste Mal nach mehrals einer Stunde blicken, erkundigte sich nachdem Sachstand und fuhr dann wieder weg, denBesetzer_innen viel Erfolg bei ihrem Projektwünschend. Die Situation war kurz gesagt entspanntund unwirklich zugleich. Anstatt, wie etwa in Erfurt,sofort einen Kessel ums Gebäude zu ziehen und dieMenschen vor dem und im Haus zu drangsalieren,schien die Staatsmacht gänzlich uninteressiert amTreiben der Besetzer_innen. Es entstand derEindruck, als könnte das Gebäude zumindest überdas Wochenende hinweg gehalten werden. Warumdie Polizei gegen Abend umschwenkte undsich doch entschloss die heilige kapitalistischeEigentumsordnung durchzusetzen, die besagt, dassLeerstand lieber vergammeln soll als für soziale undkulturelle Projekte genutzt zu werden, wissen wirnicht. Fakt ist, dass spätestens ab 16.30 Uhr imBereich der Polizeiinspektion etwa ein dutzend mitverbeamteten Schlägern voll beladene Wannenzusammengezogen wurden. Die Polizei bautesukzessive ein Bedrohungsszenario gegen dieBesetzer_innen auf. Ab etwa 17 Uhr kam eineDelegation aus Polizeichef, Vertretern von Stadt,Ordnungsamt und Immobilienverwaltung zum Haus,um vor Ort die gesetzliche Lage zu erläutern unddie Räumung anzukündigen, sollte nicht innerhalbkurzer Frist das Gebäude »freiwillig« verlassenwerden. Als Grund wurde die Sicherheit derLeute im und vorm Haus angeführt, wegen derangeblichen Baufälligkeit des Hauses und einemSchwamm im Gebälk. Dass die vermeintlicheSicherheit der Menschen dann in Konsequenz mitphysischer Gewalt und ohne Rücksicht auf diekörperliche Unversehrtheit der Besetzer_innendurchgesetzt werden sollte, ist nur die logische Folgeder Lüge von der Baufälligkeit als Räumungsgrund.10


Nach kurzer Beratung entschlossen sich dieBesetzer_innen dem Druck nachzugeben und denKompromiss (ein Verhandlungsangebot seitens derStadt) anzunehmen. Gegen 18 Uhr war das Hausgeräumt und wurde von Angestellten der Stadtwieder verschlossen. Nach Auskunft der Behördensoll das Gebäude demnächst abgerissen werden. Diemeisten Besetzer_innen und Unterstützer_innenkamen davon, ohne ihre Personalien abzugeben.Wer im Anschluss an die Aktion Vorladungen,Strafbefehle oder derlei erhält, den bitten wir mitder Roten Hilfe Südthüringen Kontakt aufzunehmen.Niemand soll auf den Kosten allein sitzen bleiben.Gegen 19 Uhr versammelten sich noch einmalca. 40 Besetzer_innen und Unterstützer_innen amWetzlarer Platz, um gegen die Räumung und fürdas Anliegen, sozialen Wohnraum und Platzfür kulturelle Projekte zu schaffen, spontan zudemonstrieren. Lautstark zog die Demonstrationdurch die Innenstadt, die in Ilmenau um diese Zeitleider so tot war, wie das alternative Kulturleben derStadt.Im Zuge der Besetzung solidarisierten sich nichtnur zahlreiche Anwohner_innen, sondern auch vielelinke Gruppen und Projekte aus Thüringen,wie etwa die Genoss_innen vom JU.W.E.L. inGotha oder die FAU Thüringen. Die erfahreneSolidarität, das brachte ein Vertreter der Initiativezur Abschlusskundgebung zum Ausdruck, machtMut, weiter zu kämpfen. Besetzen fetzt!Spontandemonstration nach dem polizeilich erzwungenem Ende der Besetzung11


Aufruf zur Demonstration in Friedrichroda:Volkstrauertag abschaffen!Gegen NS-Verharmlosung, Naziaufmärsche und deutsche Opfermythen!IntroAls am 5. Mai 1985 der damalige US-Präsident Reagan von Helmut Kohl aufden Soldatenfriedhof in Bitburg eingeladen wurde, auf dem auch Gräber vonSS-Leuten stehen, stand ein Paradigmenwechsel in der deutschen Gedenkpolitik an.Kohl und der deutschen Rechten ging es nicht um weniger, als um die Rehabilitierungder deutschen Vernichtungstruppen. Die Mitglieder von Wehrmacht und Waffen-SSsollten zu gewöhnlichen Soldaten, der Zweite Weltkrieg als gewöhnlicher Kriegdargestellt und damit ein Schlussstrich unter die Geschichte gezogen werden. DieLegitimation für diesen Schritt sollte der amerikanische Präsident liefern, der sich aufden symbolträchtigen Auftritt einließ. Die damalige deutsche Linke realisierte dieTragweite dieser Symbolik nicht. Dass diese unverschämte Rehabilitierung der deutschenVernichtungstruppen, diese Verharmlosung der deutschen Barbarei heute immer nochzentraler Bestandteil deutscher Gedenkpolitik ist, zeigt sich an keinem Tag so klar wieam jährlich zwei Sonntage vor dem ersten Advent begangenen Volkstrauertag.Der Volkstrauertag und die deutsche Gedenkpolitik»Was für Deutsche gilt: dass für die Deutschen die Geschichte der Nazis ihr Problem ist undnicht bloß das Problem der Opfer des Nazismus.« (Moishe Postone)Die Geschichte des Volkstrauertages begann bereits in der Weimarer Republik.Im Jahr 1926 wurde der erste Volkstrauertag begangen, um den deutschenGefallenen des Ersten Weltkriegs zu gedenken. Was damals schon seinen Zweck in einermehr oder weniger intensiven Kriegshetze fand, trat zur Zeit des Nationalsozialismusoffen zu Tage. Die Nazis begingen den Volkstrauertag als sogenanntes »Heldengedenken«und auch die heutigen Nazis knüpfen nicht nur terminologisch an diese Traditionan. Nach der militärischen Niederschlagung Nazideutschlands und dem Abbruchder Shoah durch die Anti-Hitler-Koalition wurde der Volkstrauertag in der altenBundesrepublik wieder eingeführt. Heute soll ausdrücklich den Toten beider Weltkriegeund den Opfern der Gewaltherrschaft aller Nationen gedacht, für Frieden, Versöhnungund Verständigung gemahnt werden. Jeder spezifische historische Charakter jener»Gewaltherrschaft[en]«, die durchaus inzwischen auch den Staatskapitalismus der DDReinschließt, geht in einem solchen Gedenken verloren. Die deutschen Täter, dieMillionen Menschen ausrotteten, stehen in einer Reihe mit den Mauertoten, dengefallenen Alliierten und den Opfern der Deutschen. Ein solches nivellierendes, alsozwischen Opfern und Tätern nicht mehr unterscheidendes, Gedenken im Land der Täterist für die politische Linke und für alle Menschen problematisch, die dafür eintreten,dass die Bedingungen der deutschen Barbarei, die Bedingungen des eliminatorischenAntisemitismus in diesem Land und weltweit beseitigt werden. Die gleichmachendedeutsche Gedenkpolitik zum Volkstrauertag ist Ausdruck eines Bewusstseins, das diewirkliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus ablehnt, verdrängt bzw. diesenüberhaupt vergessen machen will. Sie bestätigt nur immer wieder den Satz Paul12


Spiegels, wonach sich hinter den Rufen nach Frieden die Mörder verschanzen. Einesolche Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit hätte u.a. die Kontinuität jenerBedingungen, die nach Auschwitz führten und die bis in die Gegenwart fortdauern, zuthematisieren und zum Gegenstand politischer Kämpfe zu machen. Im Sinne einessolchen antifaschistischen Kampfes ist ein Gedenken an die deutschen Täter nichthinnehmbar. Wir gedenken den ermordeten Jüdinnen und Juden, den Kommunistinnenund Kommunisten, den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, den Sinti und Romasowie all den anderen unzähligen Opfern, die aufgrund einer menschenverachtendenIdeologie ihr Leben lassen mussten. Wir gedenken auch den Widerstandskämpferinnenund Widerstandskämpfern, den Partisaninnen und Partisanen sowie den Soldatinnenund Soldaten der Anti-Hitler-Koalition. Für dieses Erinnern und Gedenken bedarfes keines Volkstrauertages, der im Begriff des Volkes ein Denken mitführt, das inDeutschland immer mit der Blut- und Bodenideologie verknüpft war, für welcheRassismus und Antisemitismus wesentliche Bestandteile sind. Eine Gemeinschaft, die aufAusgrenzung und Abwertung basiert, lehnen wir ab. Wir kämpfen für ein solidarischesMiteinander aller Menschen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung, Hautfarbe oderHerkunft, für eine Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutung und Zurichtung.Friedrichroda begrüßt seine KinderWenn also jedes Jahr zum Volkstrauertag vielerorts Personen und Gruppenzusammenkommen, die die deutschen Verbrechen verharmlosen, offen leugnenoder die deutsche Kriegsschuld bestreiten, dann kann es nicht verwundern, wenn andiesen Zusammenkünften auch Nazis beiwohnen. Dass Nazis diesen Tag nutzen,ist keine Instrumentalisierung des Tages für andere Zwecke, sondern die logischeKonsequenz seiner politischen Bestimmung. Zum elften Mal findet nun das zentraleThüringer »Heldengedenken« am 17. November 2013 in der westthüringischen Provinz,in Friedrichroda, statt. Bereits am Vormittag legen die organisierten Thüringer Nazis inihren jeweiligen Heimatgemeinden Kränze vor den Kriegsdenkmälern ab, oftmalszusammen mit dem dortigen Bürgertum. Zum abendlichen Fackelmarsch versammelnsich dann Nazis aus ganz Thüringen am Kriegsdenkmal in Friedrichroda. Im Stein desDenkmals ist die Inschrift »Für Heimat und Vaterland« eingeprägt. Die Zahl derTeilnehmer stieg in den letzten Jahren auf bis zu 140 Personen. Angemeldet wird dieDemonstration seit 2009 vom Kreisvorsitzenden der NPD Gotha, Sebastian Reiche. MitFackeln bewaffnet begehen die anwesenden Nazis dann ihr ritualisiertes Gedenken andie gefallenen deutschen Soldaten. In gespenstiger Atmosphäre werden dann dieGeister der Soldaten des Heeres, der Kriegsmarine, der Luftwaffe, der Waffen-SSund des Volkssturms von Reiche zurück in die Reihen ihrer Kameraden gerufen.Auferstanden ist zwar bis heute noch keiner, doch der Gruselfaktor in Friedrichroda istenorm. Zum Abschluss der Zeremonie singen die Nazis noch Soldatenlieder undbegehen eine Schweigeminute für die Verbrecher, die Auschwitz, Treblinka und all dieanderen Konzentrations- und Vernichtungslager möglich gemacht haben, die MillionenMenschen ermordet und Europa in Schutt und Asche gelegt haben.13


OutroProtest gegen den Naziaufmarsch und das Volkstrauertagsgedenken gabes in den vergangenen Jahren nur von Seiten der Antifa. Die Mehrheitsbevölkerungvon Friedrichroda versteckt sich in ihren Häusern, vermutlich wegen einer Mischungaus Desinteresse und heimlicher Sympathie für die Nazis. Die Verantwortlichen derStadtpolitik verschweigen das Thema, mit dem Resultat, dass sich Friedrichroda zueinem festen Event im Terminkalender der Thüringer Nazis entwickelt hat. Wir wollenam 17. November nicht nur gegen diese Strategie der Ignoranz und den Aufmarsch derNPD auf die Straße gehen, sondern gegen eine deutsche Gedenkpolitik, die die Opfer derdeutschen Vernichtungspraxis wie die Kämpfenden gegen das faschistische Deutschlandverhöhnt, indem sie sie mit ihren Mördern in das gleiche Gedenken einbegreift. DerKampf gegen den Volkstrauertag und seine Verfechter ist also ein Kampf gegen dasVergessen, gegen die deutsche Version von Versöhnung, gegen alles was sich mit derMacht der Herrschenden Geltung verschafft: Gegen Deutschland und seine Nazis!Antifaschistisches Bündnis Gotha, Oktober 2013Mehr zum Ablauf der Demonstration, zur Veranstaltungsreihe und die dazugehörigen Neuigkeitenfindet ihr unter www.volkstrauertag-abschaffen.tkAufruf zum 23. antifaschistischen undantirassistischen RatschlagSeit 1990 findet in Thüringen jährlich der antifaschistische und antirassistischeRatschlag statt. Primäres Ziel war es den Kampf gegen die damals erstarkendenfaschistischen Tendenzen voranzutreiben, die Aktiven zu vernetzen und Positionensowie Strategien im Bereich des Antifaschismus und Antirassismus zu diskutieren. DerRatschlag findet wie jedes Jahr um den 9. November herum statt, um an den Jahrestagder Reichspogromnacht 1938 zu erinnern, als Deutsche landesweit Synagogen undandere jüdische Einrichtungen niederbrannten und Jagd auf Jüdinnen und Judenmachten. [. . . ]Den vollständigen Aufruf, Workshopbeschreibungen und mehr findet ihr auf der Seite des Ratschlagsunter www.ratschlag-thueringen.deZwei der angebotenen Workshops wollen wir euch im Folgenden näher vorstellen.14


Das Elend im antifaschistischen MilieuEine Einladung zum Streit mit der Antifa <strong>Suhl</strong>/<strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>.Radikale Sprüche ohne Theorie, Anti-Nazi-Demos ohne Inhalt, selbstzweckhafte Spontandemosim Nirgendwo, Recherche-Vorarbeit für die Staatsantifa, Unterstützung für Heimatschutzund Elendsverwaltung. Die antifaschistische Linke ist in einem erbärmlichen Zustand. Anstattdas Kampffeld Antifaschismus auf seine bürgerlichen Bedingungen zurückzuführen und den Kampfgegen Nazis zum Kampf gegen die die Nazis hervorbringende Gesellschaftsordnung zu machen, bleibtes meist bei radikalen Glaubensbekenntnissen und eifrigem Aktionismus. Fehlende Theoriearbeit wirdkompensiert, wenn in der nächsten Nazihochburg umso doller auf die Kacke gehauen wird oder einBedrohungsszenario aufgemalt wird, wonach die Machtübernahme der Nazis nur noch eine Frage derZeit sei. Längst ist antifaschistische Praxis hier blind geworden und nicht nur dort, wo sie vonBürgerbündnissen getragen wird, die gar keinen Hehl daraus machen, dass sie den Ruf der Heimatschützen wollen und nicht die Verhältnisse abschaffen, die die Naziideologie produzieren.Die linksradikale Antifa, die sich insolchen Konstellationen als Zuarbeiter fürdie Staatsantifa oder als Kettenhund der zivilgesellschaftlichenStandortschützer wiederfindet, musssich fragen lassen, was sie dort will und ob siedem Anspruch, eine grundlegende Veränderungder Verhältnisse zumindest denkbar erscheinenzu lassen, noch gerecht wird. Statt jedem NPD-Infostand noch im abgelegensten Wohnviertelhinterherzuprotestieren und dabei im besten Fallwieder die Leute aufklären zu wollen, die sich vonder Geschichte des Nationalsozialismus schonnicht belehren lassen wollten, sollte sich die Antifa,wo keine faschistische Machtübernahme insHaus steht, mal die Zeit nehmen sich theoretisch(neu) zu bestimmen. Diese Selbstbestimmunghätte das Ziel, sich selbst über die Verhältnisseaufzuklären, in denen man die Nazis zuvorderstbekämpfen möchte. Das Denken, als mehr oderweniger organisierter Antifaschist wäre manquasi automatisch auf dem richtigen Weg undwüsste über die gesellschaftliche WirklichkeitBescheid, war schon immer Idiotie. Wer die bestehendeGesellschaft richtigerweise als Ursache fürfaschistische Ideologie und Strukturen begreift,tut gut daran, sie zu verstehen und sich vomrichtigen Verständnis des Gegenstandes zuraufhebenden Praxis vorzuarbeiten.In den gegenwärtigen Auseinandersetzungen(in Thüringen) sehen wir solche Reflexionen nurnoch vereinzelt und wo sie stattfinden, neigen die(Antifa)-Gruppen dazu, sich in die eigene Isolationzurückzuziehen und ihr Klientel in den Studentenstädtenmit polemischen Verrissen der eigenenVergangenheit zu unterhalten. Währenddessenkümmert sich die Zivilgesellschaft, wo es sie gibt,ohne die Antifa um das Naziproblem. Die Antifasteht zwischen der falschen Alternative vomresignativen Rückzug, ob mit Theoriezirkel oderohne, und der eigenen Aufreibung in praktischerAnti-Nazi-Arbeit, in blindem Aktionismus. DerWeg dazwischen hieße wohl eine theoretischreflektierte Praxis zu betreiben, die sich ihreOhnmacht den übermächtigen Verhältnissen gegenüberbewusst macht. Wie der Kommunismus,mit Marx verstanden nicht als Zustand, sondernals wirkliche Bewegung, welche die bestehendenVerhältnisse aufhebt, ist solche Praxis, in denWorten Brechts, »das Einfache, das schwer zumachen ist.«Wem an solcher Standortbestimmung der Antifagelegen ist oder wer auch einfach nur wissenwill, was Antifa eigentlich ist, gegen wen und fürwas sie eintritt, den möchten wir am 02. Novemberherzlich nach <strong>Suhl</strong> zum 23. Antifaschistischen& Antirassistischen Ratschlag einladen. Nachder Auftakt-Podiumsdiskussion zum Thema»Ansätze antifaschistischer Praxis und antifaschistischeBündnispolitik«, gehen wir in denWorkshop »Was heißt Antifa?« und setzen dieoben provokativ begonnene Auseinandersetzungfort.Infos unter ratschlag-thueringen.de Ñ»Workshops« Ñ Nr. 2 – »Was heißt Antifa?«15


Dokumentation: Zur Zukunft antifaschistischerBündnispolitikAm 10. September 2010 verlas die Antifa Arnstadt auf einer Demonstration in Jena einenRedebeitrag, der die Perspektiven antifaschistischer Bündnispolitik umriss. Mit der Demonstrationkündigte das Thüringer Antifa-Bündnis die bis dahin noch bestehende Zusammenarbeit mit derhiesigen Zivilgesellschaft auf, die in den breiten Bündnissen eine radikale Gesellschaftskritik zunehmendverunmöglichte. Unmittelbarer Anlass waren die Mobilisierungen gegen das Fest der Völker und einigeMonate zuvor gegen einen Naziaufmarsch zum 1. Mai in Erfurt. Seit diesem Krach hat sich die Antifa inThüringen vielfach aus der Mobilisierung gegen Nazi-Events zurückgezogen oder unabhängig von derZivilgesellschaft Demonstrationen und Veranstaltungen organisiert. Zu einer Klärung des Dissenses odereinem Kompromiss kam es bisher nicht, er schwelte weiter und entlud sich beispielsweise vor gut einem Jahrin Meiningen, als ein Antifa-Bündnis zu einer eigenen Demonstration gegen das Nazifest »Thüringentag dernationalen Jugend« aufrief und die Zivilgesellschaft im Aufruf kritisierte, was Empörung und Unverständnisauslöste. Beim diesjährigen Ratschlag am 02. November in <strong>Suhl</strong> soll der Bruch zwischen Antifa-Gruppen undden Bürgerbündnissen thematisiert werden. Aus diesem Anlass halten wir es für angemessen, denRedebeitrag von 2010 an dieser Stelle noch einmal zu dokumentieren – nicht weil wir uns heute nochmaljede seiner Formulierungen zu eigen machen würden, sondern weil er zu einer konfliktgeladenen Zeit aufden Punkt brachte, worin das Problem lag und immer noch liegt.Die Geschichte der Antifa im postfaschstischen Deutschland ist die Geschichte einesAbwehrkampfes. Es geht und ging im Wesentlichen darum, Schlimmeres als das Jetzige zuverhindern und den unzähligen Aufmärschen, Angriffen und Anschlägen durch NeonazisEinhalt zu gebieten. Ziel von Bündnispolitik war und ist es, neben der Verhinderung vonNaziaufmärschen, kritisch in die Bündniszusammenhänge hineinzuwirken und zur kritischenBewusstseinsbildung beizutragen. Leider tritt und trat dieses Ziel zu oft hinter das der bloßenVerhinderung von Naziaufmärschen zurück. Die Kritik an der Gesellschaft, die die Nazishervorbringt, und damit auch an den eigenen potenziellen Bündnismitgliedern zurückzustellen,halten wir für einen Fehler. Der Rückzug radikaler Gesellschaftskritik aus Protesten gegenNazis hat nicht zur Stärkung der Antifa beigetragen, sondern zu ihrer Marginalisierung.Längst haben zivilgesellschaftliche Akteure die Deutungshoheit über gemeinsameVeranstaltungen und ihre politische Stoßrichtung. Aus dem Protest gegen Nazis, als einWiderstand gegen die regressivsten Elemente der Gesellschaft und damit auch gegen die siehervorbringende Gesellschaft, macht die Zivilgesellschaft in Thüringen und anderswo eineVerteidigung des Grundgesetzes, jüngst von Thüringer Akteuren auf den Punkt gebracht, alsinsistiert wurde, man betreibe hier Verfassungsschutz.In solchen Bündnissen hat die Antifa, die sich als Ort radikaler Gesellschaftskritik versteht,nichts mehr verloren. Längst weiß man nicht mehr über welche Erscheinungsform manangewiderter sein soll, über Nazis oder die teils deutschtümmelnde Zivilgesellschaft. EinBeispiel aus dem Südthüringer Raum soll das kurz illustrieren. In Hildburghausen führten einbekannter Nazi-Kader und seine Gefolgschaft jüngst eine Kundgebung durch, um gegen dasAsylbewerberheim zu demonstrieren. Der Protest aus den Reihen der Demokraten brachte esdazu, in seinem Aufruf positiven Bezug auf den Nationalwahn zur Fußballweltmeisterschaftund die Nation an sich zu nehmen. Dass deutscher Nationalismus und Naziideologie nichtssind, was sich ausschließt, sondern etwas das zusammengehört, blieb hier natürlich unbemerkt.Was Nazis und die deutschtümmelnden Demokraten noch unterscheidet, ist, dass die einenalle Nicht-Deutschen ausweisen wollen und die anderen nur die, die dieser Gesellschaft keinen17


18Nutzen bringen. Günther Beckstein, ehemaliger bayerischer Ministerpräsident, brachte daseinst auf den Punkt, als er in einem Interview sagte: »Wir brauchen weniger Ausländer, dieuns ausnützen, und mehr, die uns nützen.« Facharbeiter ja, Hilfesuchende nein – so heißt dasCredo. Und selbst wenn die zivilgesellschaftlich orientierten Sozialdemokraten, Grünen undChristen jetzt widersprechen wollen, es ist die reale Politik eines Staates bei dem siekonstruktiv mitarbeiten.Die deutsche Politik ist, wie die jeder fortgeschrittenen kapitalistischen Demokratienotwendigerweise zutiefst rassistisch und nationalistisch. Die Krisenideologie, die eshervorbringt, heißt Antisemitismus. Das kapitalistische System selber ist das eigentlicheProblem, es bringt nicht nur die Nazis hervor, sondern auch ihre Ideologie. Die Nazis stehennicht vor der Machtübernahme in Deutschland. Sie sind kleine marginalisierte Minderheiten,was deren Gefährdung für zahlreiche Menschengruppen nicht relativieren darf. Ja, Nazismorden auch heute, aber sie übernehmen in absehbarer Zeit nicht die Macht. Was von ihrerIdeologie nicht behauptet werden kann. Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus,Sexismus und andere Ideologien der Ungleichheit sind fest verankert in der deutschenMehrheitsgesellschaft. Sie kommen genau dann zum Ausdruck, wenn kein Zivilgesellschafterund längst kein kulturindustriell zugerichteter Normaldeutscher aufschreit, wenn täglichMenschen in Hunger, Folter und Tod abgeschoben werden – abgeschoben aus Deutschland,wenn täglich tausende an den Folgen von Hunger sterben, weil der Kapitalismus dieAusnutzung der Ressourcen verweigert, wo es um die Abschaffung des Hungers geht, wennTransferleistungsempfänger von Behörden drangsaliert werden, weil die Produktivität desSystem Arbeitsplätze überflüssig macht und die Arbeitspflicht trotzdem festschreibt.Die hier beschriebenen Zustände sind eine kurze beispielhafte Aufzählung, der denunmenschlichen Gesamtzustand und seine Ursachen sichtbar machen soll. Wer meint, seinenProtest gegen Nazis, als Einsatz für ein besseres Deutschland zu erklären und nicht als dieAbschaffung dieser Zwangseinrichtung, der hat all das nicht verstanden. Und wer dasAufklären und Bewusstmachen dieser Katastrophe zurückstellen will, weil er oder sie meint, esgelte erstmal schlimmeres zu verhindern, der oder die wird einsehen müssen, dass hier gegenWindmühlen angerannt wird. Bloße Anti-Nazi-Politik ist das Abarbeiten an Symptomen einesProblems, das Kapitalismus heißt und damit ist nicht lediglich die Wirtschaftsweise als solchegemeint, sondern die Ideologie, die sich ins gesellschaftliche Bewusstsein als »zweite Natur«eingebrannt hat.Die Antifa muss Bündnisse aufkündigen, in denen ein gesellschaftskritischer Standpunktnicht vertreten werden kann oder dort, wo er untergeht. Sie muss, anstatt sich an Nazi-Eventsabzuarbeiten, die radikale Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse vorantreiben, in derHoffnung zur kritischen Bewusstseinsbildung vieler Einzelner beizutragen. Für Bündnispolitikheißt das, sich Bündnisse zu suchen, in denen die Mitglieder auf inhaltliche Kritik nichtnarzistisch gekränkt reagieren, sondern sie als Chance zur Reflexion des eigenen Standpunkteswahrnehmen. Sinnvoll ist es, auf einen Zustand hinzuarbeiten, in dem sich jederBündnisteilnehmer nur noch einem Zwang freiwillig beugt, nämlich dem zwanglosen Zwangdes besseren Arguments. Die Veränderung des Ganzen erfordert immer auch dieEmanzipation der Einzelnen von den Anforderungen einer von Konkurrenz und Profitstrebendurchdrungenen Gesellschaft. Wer diese Zurichtungsmaschinerie zerstören will, muss sieerstmal verstehen lernen. Dazu gehört es, zu begreifen, dass Nazievents vielleicht geeigneteAnlässe sind radikale Gesellschaftskritik zu betreiben, dass aber etwas gewaltig schief läuft,wenn die Verhinderung dieser Aufläufe zum einzigen Ziel, zum Selbstzweck, verkommt.


Kloss-Fritz ins Atommüll-Endlager!Er verbreitet Angst und Schrecken, seineAnhänger sind lebende Tote und seine Musikist ein Anschlag aufs Gehör. Der Kloß-Fritzaus <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong> sorgte mit seinem ThüringerKlöße-Song für Furore unter Rentnern und Alt-Geborenen im Thüringer Wald. Das schunkelndeDeutschtum dieses Jungen brennt sich in denKopf, ob man will oder nicht. Seine Musik ist wieein chronischer Tinnitus, seine Performance wieein schrecklicher Autounfall: man möchte nichthinschauen, kann aber auch nicht weg sehen. Mitder Vermarktung des Rennsteig-Ayatollah gelangden Thüringern der furchtbarste Exportschlagerseit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe. Gerüchtenzufolge soll die US-Armee schon Interesse geäußerthaben. Fritz soll für die amerikanischenStreitkräfte in Guantanamo Geständnisse erpressen.Doch Fritz lehnte ab, er quält lieberseine Landsleute. Aber die Lösung ist nahe! Eineverdienstvolle Initiative, deren Internetauftrittzwischenzeitlich gehackt und als Studentenstreichabgetan wurde, fordert das Atommüll-Endlagernach <strong>Suhl</strong> zu holen. Dass sich so ein Endlager nebender Müllverbrennungsanlage in <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>prima machen würde, steht außer Frage. Auchdie nach Arbeit lechzenden Südthüringer, dieals Bedürfnis nach außen tragen, was ihnen alsZwang auferlegt wurde, werden an dem LagerGefallen finden. Sie dürfen künftig den Müll inSchächte stopfen, den der Kapitalismus produziert,um die Leute mit dem neuesten Schund zu versorgen.Apropos Schund! Auch eine Verwendungfür Kloß-Fritz und die mit ihm produziertenTonträger, die nicht zu nachhaltigen Gehör- oderBewusstseinsschäden in seinem Umfeld führt,würde dabei abfallen. Fritz kämpft künftig imStollen gegen die Strahlung. Bei diesem Gesangwird es sich die Halbwertszeit gut überlegen, obsie einige hundert Jahre dauern oder sich nichtfrüher aus dem Staub machen will! Also: Her mitdem Endlager und rein mit den Untoten!Im Atommüll-Endlager <strong>Suhl</strong> wird nicht nur das radioaktiveNachleben der kapitalistischen Produktion vor derAußenwelt abgeschirmt. Auch der <strong>Zella</strong>-<strong>Mehlis</strong>er Bub’Fritz kann sich hier ausnahmsweise nützlich machen.19

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