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862 <strong>Patricia</strong> <strong>Purtschert</strong>, Jenseits des NaturzustandesTheorie“ 2 mutiert, beginnt De Cive mit einer Kritik am griechischen Konzept des zoon politikon:„Dieses Axiom [des von Natur aus gesellschaftlichen Menschen] ist jedoch trotz seinerweitverbreiteten Geltung falsch; es ist ein Irrtum, der aus einer allzu oberflächlichen Betrachtungder menschlichen Natur herrührt.“ 3 Rousseau teilt mit Hobbes – dessen Schriften er inseine Kritik einschließt – die Einsicht, dass die Natur des Menschen bislang unzureichendbestimmt worden sei: „Die Philosophen, welche die Grundlagen der Gesellschaft untersuchthaben, haben alle die Notwendigkeit gefühlt, bis zum Naturzustand zurückzugehen, aber keinervon ihnen ist bei ihm angelangt.“ 4 Im Anschluss daran listet er eine Reihe von Fehlschlüssenauf, die in Bezug auf die Bestimmung des natürlichen Menschen gemacht worden sind. 5Allen gemeinsam, und darin kulminiert Rousseaus Vorwurf, ist die Verbindung von Vorstellungen,die der eigenen Gesellschaft entnommen worden waren, mit dem Naturzustand: „Siesprachen vom wilden Menschen und beschrieben den bürgerlichen Menschen.“ 6 Von Hobbesdistanziert er sich damit nicht nur, wie Klaus-Gert Lutterbeck ausführt, durch eine Absagean die geometrische Methode. Er betont neben der Bedeutung der politischen Organisationdiejenige gesellschaftlicher und historischer Formationsprozesse, die zur Entstehung desjeweiligen Menschen beitragen: „Rousseau kritisiert, dass [die von Hobbes ausgehende resolutiv-kompositiveMethode] allein vom Staat abstrahiere, nicht aber von den Sozialisationseffekten,die die menschliche Natur in spezifischer Weise transformierten.“ 7 Dieses Beharrenauf der gestalterischen Kraft der Gesellschaft und der Geschichte führt ihn, wie zu zeigen seinwird, im Unterschied zu Hobbes zu der Einsicht, dass die menschliche Natur nur hypothetischerkannt werden kann. Sie stellt gleichsam eine notwendige und nie gänzlich verifizierbareAnnahme der politischen Theorie dar.Beide Denker aber, so lässt sich festhalten, konstatieren eine systematische Verkennungder menschlichen Natur durch ihre Vorgänger und stehen demgegenüber für ein philosophischesVerfahren ein, das in einem ersten Schritt die menschliche Natur frei legen soll, umdarauf aufbauend die Prozesse der Vergesellschaftung darstellen und verstehen zu können.Beide weisen auch auf die Gefahren hin, die dieses Vorgehen mit sich bringt: Ungenau durchgeführteBestimmungen der menschlichen Natur seien, so Hobbes, ungeprüft übernommenworden und zur Denkgewohnheit geronnen. Beides, die Oberflächlichkeit der menschlichenErforschung und die Autorität des von langer Tradition gestützten Verständnisses, gelte esaufzubrechen.Somit gehen beide, Hobbes und Rousseau, davon aus, dass es der genauen Kenntnisseder menschlichen Natur bedarf, um ein Fundament der politischen Theorie erstellen zu können.Um zu verstehen, wie Menschen in der von ihnen geschaffenen Welt nach Maßgabeder Vernunft zusammenleben sollen, muss in einem ersten Schritt begriffen sein, wie diemenschliche Gattung von Natur aus beschaffen ist. In der Einleitung zum Leviathan schreibtHobbes: „Wer eine ganze Nation zu regieren hat, muss in sich selbst lesen – nicht in diesen234567Ders. (1973), 39.Hobbes (1642/1994), 76.Rousseau (1755/2001), 69.So haben die einen behauptet, den Begriff des Gerechten und Ungerechten zu kennen, ohne dassdeutlich wird, woher diese Unterscheidung genommen würde. Andere haben vom natürlichen Rechtauf Besitz gesprochen, ohne den Begriff des Besitzes zu klären. Dritte haben den Stärkeren dasRecht auf die Regierung von Schwächeren zugesprochen, ohne zu erläutern, wie die Menschen denSinn von Begriffen wie Autorität und Regierung erhalten haben sollen (vgl. ebd., 69–71).Ebd., 69–71.Lutterbeck (2005), 373.

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