In Holz geformte Bewegung

IngenieurholzbauSporthalleIn Holz geformte BewegungDas neue Bewegungszentrum im österreichischen Klagenfurt ist gebautes Sinnbildfür das, was darin stattfindet: Bewegung. Bei dem architektonischen Aushängeschild desSportverbandes ASKÖ folgen tragende Bauteile schwungvollen Linien.28 mikado 11.2008

IngenieurholzbauMit dem neuen Bewegungszentrumder ASKÖ, Arbeitsgemeinschaftfür Sport und Körperkulturin Österreich, strebte der Verbandein architektonisches Vorzeigeobjektan. In Klagenfurt benötigte die Vereinigungeine neue Turn- und Bewegungshallemit Büroräumen für Organisationund Verwaltung.Dass der Bauherr ein Gebäude ausHolz haben wollte, war die einzigeVorgabe. Welche Gestalt es habenkönnte, war zu Beginn dagegen noch▴ Wie eineSchleife wird derDachüberstandvor derFassade wiedernach obengeführt.Einweihungfeierten dieKlagenfurter am17. Mai 2008völlig offen. Das Projekt sollte allerdingsdas Thema „Bewegung“ umsetzen,das schon im Leitsatz der Vereinigung„Wir bewegen Österreich“zum Ausdruck kommt.Alles ist in BewegungUm die architektonischen Gestaltungsmöglichkeitenauszuloten, ließsich der Bauherr von einem Team auserfahrenen Architekten und Tragwerksplanern,die auf Holzbau spezialisiertsind, beraten. Heraus kamein Bauwerk, dessen Erscheinungsbildaußen widerspiegelt, was innenstattfindet: Bewegung. Wellenförmigeund unterschiedlich geneigteDachflächen und Wände bilden dieausgefallene Gebäudegeometrie undstellten die Tragwerksplaner vor einegroße Herausforderung.Der etwa 52 m lange und 22 mbreite Neubau gliedert sich in zweiTeile: den vorderen etwa 30 m langenzweigeschossigen Büro- und Umklei-www.mikado-online.de 29

Ingenieurholzbau◂ DreigelenkstabzügemitGelenkpunkt Nr. 2.Daranangehängt sinddie Bögenfür die Ausbildungder Dachform▸ AnschlussBS-Holz-Binderan StahlbetonstützeüberStahlprofilmit Zugstab123◂ DreigelenkstabzugmitaußermittigemFirstgelenk(Punkt 2) undEinfeldträgermit Kragarm rechts▸ AnschlussBS-Holz-Binderan StahlbetonstützeSteckbriefBauherr:ASKÖ KlagenfurtA-9020 Klagenfurtwww.askoe.atArchitektenhalm kaschnig architektenA-8010 Grazwww.halm-kaschnig.atTragwerksplanungDipl.-Ing. Kurt Pock,Dipl.-Ing. Gerolf UrbanA-9800 Spittal a.d. Drauwww.holz-tragwerk.atBeratungDr.-Ing. Andreas TrummerA-8010 GrazAusführende HolzbaufirmaBuchacher HolzleimbauA-9620 Hermagorwww.buchacher.atBauzeit: 12 MonateFertigstellung: Mai 2008Baukosten: ca. 1,95 Mio Eurodebereich und den hinteren mit 22 mLänge und 22 m Breite wie ein Parallelogrammangelegten Turnhallenbereich.Das Erdgeschoss des vorderenGebäudeteils wurde komplettin Stahlbeton ausgeführt, inklusiveder Trennwand zwischen den beidenBereichen zur Unterteilung derBrandabschnitte. Ergänzend zu diesemmassiven Gebäudekern erhieltaußerdem die dem Eingang abgewandteLängsseite des Gebäudes einendurchgehenden Stahlbetonbalkenauf schrägen Stützen. Eine Holzkonstruktionüberdacht das Ganze.Gekrümmte BS-Holz-Binder fürdie TurnhalleBrettschichtholz-Binder (BS 14) überspannenim Abstand von 5,0 m bzw.5,50 m das gesamte Gebäude undbilden das Dachtragwerk. Für denBürotrakt und die Turnhalle konzipiertendie Planer zwei verschiedeneTragsysteme.Das Haupttragwerk der Dachkonstruktionüber der Turnhalle bildendrei unsymmetrisch gekrümmteBrettschichtholz-Binder, deren Höhesich von 169 cm zum Auflager hinauf 80 cm bzw. auf 132 cm verjüngt.Im gekrümmten Bereich verstärkteneingeschraubte Gewindestangen dieBinder, um den auftretenden Querzugabzufangen. Auf der hohen Seiteder Turnhalle lagern die Brettschichtholz-Binderauf Pendelstützen; eingeschlitzteStahlbleche und Stabdübelverbinden die 24 cm breitenBauteile miteinander.Auf der niedrigeren Seite sind dieBinder über L-förmige Stahlschuhean den Stahlbetonbalken angeschlossen.Selbstschneidende Stabdübelverstärken den unteren Trägerrandim horizontalen Auflagerbereich desStahlschuhs, wo sie die Zugkräfte ausdem Versatzmoment aufnehmen. Dervertikale Bereich des Auflagers istals Elastomerlager ausgebildet undnimmt die Anteile der horizontalen30 mikado 11.2008

IngenieurholzbauKomponenten aus Querkraft undNormalkraft über Pressung auf.Da die extreme Geometrie des Bauwerksbesondere Anforderungen andie Anschlüsse stellt, kamen hauptsächlichselbstschneidende Stabdübelund Doppelgewindeschraubenzum Einsatz. Diese Verbindungsmittelermöglichen hohen Kraftschlussbei gleichzeitigem Formschluss.Dreigelenkstabzüge undEinfeldträger mit KragarmDen Bürobereich überspannen fünfBrettschichtholz-Binder, die alsDreigelenkstabzug mit außermittigemFirstgelenk (Punkt 2) ausgebildetsind. Die gegenüber dem Turnhallenbereichgrößere Neigung derStrebe zwischen den Gelenkpunkten1 und 2 begünstigt die Lastabtragung.Die auftretenden Horizontalkräftewerden durch die Zugstäbe,die am Stahlbetonmassivbau angeschlossensind, aufgenommen.Besonders knifflig war der Anschlussder Dreigelenkstabzüge andie Stahlbetonstützen, da die Zugstäbemit einem Versatz von etwa einemhalben Meter zur Systemachse derBrettschichtholz-Träger einbinden.Das daraus resultierende Momentnehmen Stahlteile von den spezielldafür bewehrten Stahlbetonstützenauf. Der Auflagerbereich des Holzträgersist mit Doppelgewindeschraubenbewehrt, um die Auflagerlänge möglichstgering zu halten.▴ Quer zumHaupttragwerkverlegteBrettlamellenwurdenspäter oberseitigbeplankt.Gemeinsambilden sieaussteifendeScheiben▸ Isometrie desTragwerks:links der Bürotraktmit Vordach,rechts steht dieTurnhalleDas Vordach über dem Eingangsbereichbilden Einfeldträger mitKragarm. Die Auflagerlasten werdenüber Stahlbetonstützen in Außenwandebeneund über Holzstützenim Freibereich abgeleitet.Aussteifende Scheiben umhüllendas DachtragwerkDas Dach, das teilweise nahtlos indie Wandflächen übergeht, wurdesowohl aus vorgefertigten Elementenhergestellt, als auch direkt aufder Baustelle errichtet. Bei der handwerklichenVersion hat man Holzlamellenquer auf den Hauptträgernverlegt und sie oberseitig mit 22 mmdicken OSB-Platten beplankt. Un-ter- bzw. raumseitig wurden sie gedämmtund mit Dreischichtplattengeschlossen. Die Dach- bzw. Wandkonstruktionenbilden aussteifendeScheiben. Sie sind über schräg eingedrehteDoppelgewindeschraubendurch die innenliegenden Lamellenhindurch an die Hauptträger angeschlossen.Die Verbindungen müssendie Lasten in die Scheiben einleitenund den Verbund zu den Hauptträgernherstellen.Die Scheibenwirkung wurde nachder Schubfeldtheorie der DIN 1052nachgewiesen. Maßgebend dafürwar der Dach- und Wandflächenbereichüber der Turnhalle. Die Scheibenübernehmen drei Funktionen:Sie sichern die Hauptträger gegenKippen, ersetzen die Windverbändeund übernehmen einen Anteil derschiefen Biegung der Holzlamellen inder Scheibenebene im geneigten Bereichdes Daches. Dabei nehmen dieOSB-Platten drei Beanspruchungenauf: Biegung in Plattenebene (Biegeträger),Biegung normal zur Platte(Platte) und die eigentliche Scheibenbeanspruchungals Schubfeld.Auftretende Horizontalkräfte übernehmendie umlaufenden Stahlbetonwändebzw. der massive Erdgeschosskerndes Bürobereichs. Dipl.-Ing. (FH) Susanne Jacob-Freitag,Karlsruhe ▪Fotos und Zeichnungen: Dipl.-Ing. Kurt Pock; halm kaschnig architekten,Dipl.-Ing. Architekt Rainer Wührerwww.mikado-online.de 31