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Der Naturschutzbund und die Geschichte der Naturschutzbewegung ...

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GESCHICHTEFoto: Archiv Haus <strong>der</strong> Natur/Sammlung TratzBei <strong>der</strong> 1. Naturschutzkonferenzin Innsbruck 1923 kamen unterdem Vorsitz von Schlesinger <strong>die</strong>Vertreter <strong>der</strong> LandesnaturschutzfachstellenÖsterreichszusammen. Beraten wurde u. a.über <strong>die</strong> Schaffung einer Großorganisationdes österr. Naturschutzesunter dem Titel „Österr.Naturschutzverband“. Schlesingererhielt <strong>die</strong> Vollmacht, „allesNötige zu veranlassen, um denVerband im Verlaufe des Winters1923/24 über ganz Österreichausdehnen zu können.“Dr. h. c. Eduard Paul Tratz, Prof.Dr. Günther Schlesinger, OberstGustav Schulz-Döpfner, RudolfAmon (1. Reihe v.l.)Stud. Rat Prof. Dr. Viktor Paschinger,Prof. Josef Blumenreich,Karl Steinparz, Mus.Dir. Dr.Theodor Kerschner (2. Reihe v.l.)12UMRISSE EINER GESCHICHTE DER NATURSCHUTZBEWEGUNG BIS 1970<strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>UND DIE GESCHICHTE DER NATURSCHUTZBEWEGUNGDie <strong>Naturschutzbewegung</strong> in Österreich beruht auf den Aktivitätenverschiedenster Vereine <strong>und</strong> Verbände. Sie steht wie allesozialen Bewegungen mit <strong>der</strong> Ausformung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Zivilgesellschaftin Verbindung. Damit hat sie Anteil an Prozessen<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne wie <strong>der</strong> Demokratisierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Herausbildungunserer pluralistischen Gesellschaft. Dieser Beitrag konzentriertsich auf jene organisatorischen Entwicklungslinien, <strong>die</strong>zu einem Österreichischen <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> geführt haben.VON REINHARD FARKASDie <strong>Naturschutzbewegung</strong>entstand aus mehrerenElementen: Zum einenaus <strong>der</strong> Heimatschutzbewegung,<strong>die</strong> sich um <strong>die</strong> Kulturlandschaftbemühte <strong>und</strong> <strong>die</strong>man am ehesten mit den heutein Großbritannien <strong>und</strong> Irland sosegensreichen Heritage-Verbändenvergleichen kann. Zuman<strong>der</strong>n aus Alpinismus bzw.Tourismus, aus <strong>der</strong> Tier- <strong>und</strong>Artenschutzbewegung sowie<strong>der</strong> naturwissenschaftlichenForschung. Die Kooperation mitBehörden <strong>und</strong> staatlichen Institutionenist hier beson<strong>der</strong>sausgeprägt.Jubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013


Die Breite Föhre auf dem AnningerKogel im Wienerwald war Vorbildfür das Signet <strong>der</strong> Blätter <strong>und</strong>heute für Natur & Land. Unter <strong>der</strong>mächtigen Schirmföhre sollenschon Schubert <strong>und</strong> Schönberggeruht haben. Sie musste 1997aus Sicherheitsgründen im Altervon 450 Jahren gefällt werden.Teile wurden im Nie<strong>der</strong>österreichischenLandesmuseum wie<strong>der</strong>zusammengesetzt.Gemälde von Ludwig FerdinandSchnorr von Caroldsfeld, 1838Österreichische Galerie im OberenBelve<strong>der</strong>e (Foto: Kurt Zukrigl)Die BreiteFöhre aufdem Titelbild<strong>der</strong> Blättervon 1937Die 1. Satzungendes<strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es192414den, um letztlich zur Stärkungdes Landes- <strong>und</strong> Heimatbewusstseinsbeizutragen.Hervorgegangen sind <strong>die</strong>Blätter im Jahre 1913 ausdem Monatsblatt des Vereinsfür Landesk<strong>und</strong>e von Nie<strong>der</strong>österreich,also noch in Friedenszeiten<strong>der</strong> Donaumonarchie.Die neue Zeitschrift solltesich ausschließlich <strong>der</strong> Naturwidmen. Sie stand unter <strong>der</strong> Leitung vonGünther Schlesinger <strong>und</strong> erschien zuerst in monatlichem,dann in zweimonatlichem <strong>und</strong> größeremAbstand durchgehend bis zum Jahre1944, als sie kriegsbedingt eingestellt wurde.Das Medium war zunächst Organ <strong>der</strong> NÖ Landesfachstellefür Naturschutz <strong>und</strong> ab 1921 <strong>der</strong>Fachstelle für Naturschutz in Österreich.Die Kopfleiste zeigte <strong>die</strong> auf dem Anninger Kogel(Wienerwald) gelegene Breite Föhre. DieseSchwarzföhre mit ihrem charakteristischenSchirmwuchs wurde 1838 von Schnorr von Caroldsfeldgemalt <strong>und</strong> sollte 1928 zum Naturdenkmalerklärt werden; heute besteht sie nichtmehr.Prominente Mitarbeiter waren neben Schlesinger<strong>und</strong> August Ginzberger <strong>der</strong> Hydrologe GustavGötzinger, <strong>der</strong> Pflanzensoziologe Friedrich Morton,Hans Rebel, Kustos am NaturhistorischenHofmuseum <strong>und</strong> schließlich <strong>der</strong> „Schlangenmajor“Georg Veit. Schon das Maiheft 1914 wurdean alle Schulen Nie<strong>der</strong>österreichs versandt. In<strong>der</strong> Folge wird <strong>die</strong>ser pädagogische Akzent sogarnoch stärker, <strong>und</strong> im Jahre 1921 wurden <strong>die</strong>Blätter auch zum Organ des ÖsterreichischenLehrervereins für Naturk<strong>und</strong>e, einem Verein mitetwa 1.000 Mitglie<strong>der</strong>n. Ab Mitte <strong>der</strong> 1930er Jahreschickte man <strong>die</strong> Zeitschrift an alle österreichischenVolks- <strong>und</strong> Hauptschulen. Am 3. Juni1935 erteilte das B<strong>und</strong>eskanzleramt <strong>der</strong> Zeitschriftdas Recht zur Führung des Staatswappens.Zwischen Erster Republik<strong>und</strong> ,Anschluss‘ (1924-1938)Anfangsjahre des „Österreichischen<strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es“Am 4. 2. 1924 benannte sich <strong>der</strong> Verein Naturschutzparkum in Österreichischer <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>.Sein Sitz war das Nie<strong>der</strong>österreichischeLandesmuseum, <strong>und</strong> seine Aktivitäten konzen-Jubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013


GESCHICHTEtrierten sich auf Nie<strong>der</strong>österreich,Wien <strong>und</strong> dasBurgenland.Man trachtete, <strong>die</strong> Mitglie<strong>der</strong>basiszu erweitern<strong>und</strong> neue Zweigstellen zugründen. Im Jahre 1928gründete Viktor Paschinger<strong>die</strong> Kärntner Landesgruppe.Als organisatorischeBehelfe wurden sogenannte„Aussprachen“, zwangloseZusammenkünfte, eingerichtet.Nach außenwirkte man durch Veranstaltungen,Naturführungen<strong>und</strong> <strong>die</strong> Vereinszeitschrift,<strong>die</strong> Blätter.Vom Verein Naturschutzpark zumÖsterreichischen <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong><strong>Der</strong> GletscherforscherViktor Paschingergilt als„Vater <strong>der</strong> Pasterze“.Er leitete <strong>die</strong>Kärntner Naturschutzfachstelle<strong>und</strong> gründete denersten Kärntner <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>.Die Position des Ersten Vorsitzenden bekleidetennach Günther Schlesinger (1924-1926) zweiim Naturschutz wenig profilierte pensionierte Offiziere,Generalmajor Oswald Irlweck sowie einGeneral Schnei<strong>der</strong> (1926-1933), nach ihnen wie<strong>der</strong>ein Fachmann, <strong>der</strong> Universitätslehrer AugustGinzberger (1933-1935), sodann bis zur Auflösungdes Vereins nach dem „Anschluss“ 1938<strong>der</strong> ambitionierte Tierschützer Viktor Schnei<strong>der</strong>,ein Wiener Beamter. Führend tätig waren <strong>der</strong>ehemalige Lehrer Lothar Machura, <strong>der</strong> OrnithologeOtto Feninger, <strong>der</strong> 1938 nach Südamerikaemigrierte, <strong>und</strong> <strong>der</strong> pensionierte Major Ernst Uiberacker.Eine beson<strong>der</strong>e Rolle als Partner Schlesingerswie als Initiator <strong>und</strong> Mitverfasser des nie<strong>der</strong>österreichischenNaturschutzgesetzes (1924)nahm Adolf Julius Merkl (1890-1970) ein. 1920 an<strong>der</strong> Wiener Juridischen Fakultät habilitiert, übernahmer 1932 seine ordentliche Professur in <strong>der</strong>Nachfolge Hans Kelsens. 1938 aus politischenGründen pensioniert, erlangte Merkl 1943 eineProfessur in Tübingen <strong>und</strong> war zwischen 1950<strong>und</strong> 1960 wie<strong>der</strong>um in Wien tätig.Einen Überblick über <strong>die</strong> Vorstandsmitglie<strong>der</strong>des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es 1933 zeigt dessenWienzentrierung:Foto l. Naturwiss. Verein KärntensDas 1. NÖ Naturschutzgesetzstammtevon Schlesinger<strong>und</strong> Merkl.VORSTAND DES NATURSCHUTZBUNDES 1933August Ginzberger, Dr., 1. Vorsitzen<strong>der</strong>, WienViktor Schnei<strong>der</strong>, Dr., 2. Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Schriftführer, WienJosef Martinkowitsch, Dr., Kassier, WienAlois Berger, Vorstandsmitglied, RodaunOswald Irlweck, Gen.major i. R., Vorstandsmitglied, St. PöltenRichard Kapeller, Dr., Vorstandsmitglied, WienMargarethe Kremer, Vorstandsmitglied, WienAdolf Merkl, Univ.-Prof. Dr. Vorstandsmitglied, WienAlois Preschnofsky, Vorstandsmitglied, WienKonrad Rumpf, Vorstandsmitglied, WienJosef Schwarz, Prof., Vorstandsmitglied, WienFranz Lazar, Oberbahnrat i. R., Rechnungsprüfer, MödlingJubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-201315


GESCHICHTE16Das war 1921<strong>Der</strong> „ÖsterreichischeNaturschutzverband“1927 entwickelte sich aus dem 1922 vonSchlesinger gegründeten Landesverband Wien-Nie<strong>der</strong>österreich zum Schutz <strong>der</strong> heimischen Naturschätze<strong>der</strong> Österreichische Naturschutzverband.Ihm gehörten <strong>die</strong> sozialdemokratischenNaturfre<strong>und</strong>e, <strong>der</strong> Österreichische <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong><strong>und</strong> <strong>der</strong> Wiener Tierschutzverein an. Im Vereinwirkten Sektionen für Natur- <strong>und</strong> Heimatschutz,Touristik <strong>und</strong> Fremdenverkehr, Waidwerk<strong>und</strong> Jagdk<strong>und</strong>e, Kynologie, Fischerei sowieLand- <strong>und</strong> Forstwirtschaft.Damit war eine breite Plattform geschaffen,<strong>die</strong> 1931, anlässlich <strong>der</strong> Überreichung einerDenkschrift zur Erhaltung <strong>der</strong> Wiener Grünflächen,auf einen Mitglie<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> beteiligtenOrganisationen von etwa 200.000 verweisenkonnte. Diese eindrucksvolle Zahl bedeutet jedochnicht, dass beträchtliche organisatorischeRessourcen aus den Mitgliedsvereinen auf <strong>die</strong>Verbandsebene verlagert wurden. 1938 wurde<strong>der</strong> Verein als eigenständige Organisation gelöscht<strong>und</strong> in <strong>die</strong> Donauländischen Gesellschaftfür Naturschutz <strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>e eingeglie<strong>der</strong>t.„<strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>“ versus„Österreichische Gesellschaft fürNaturschutz <strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>e“In den dreißiger Jahren erlangte Viktor Schnei<strong>der</strong>,damals im Wiener Patentamt tätig, bestimmendenEinfluss auf den <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>. Dieserbegeisterte Tierschützer konnte einer Kooperationmit Jagd- <strong>und</strong> Zuchtverbänden wenigabgewinnen – es werden wohl auch persönlicheQuerelen mit dem einflussreichen<strong>und</strong> bestimmendenSchlesinger dazugekommen sein. Wieauch immer: Ende 1933trennte man sich von denBlättern <strong>und</strong> baute eineeigene Vereinszeitschriftauf. In <strong>der</strong> Folge drifteten<strong>der</strong> von Schlesinger geleitete Naturschutzverband<strong>und</strong> Schnei<strong>der</strong>s <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> weiterauseinan<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Vorstand des Vereins wurdefast völlig ausgetauscht.1934 gründete Schlesinger, um den Konflikt zuüberwinden, einen Verein Österreichischer Naturschutz,<strong>der</strong> ab nun <strong>die</strong> Blätter herausgab. Diesenmachte er in Nie<strong>der</strong>österreich zum einzigenAnsprechpartner <strong>der</strong> Naturschutzbehörden.Nach einer Klage des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es beimWiener Landesgericht, <strong>der</strong> ein Vergleich folgte,„…Vollkommen unberührte Naturgibt es hier wie in Europa nur nochin den wildesten ursprünglichen Gebirgsteilen,wenigen Urwaldstücken,desgleichen Sumpf- <strong>und</strong> Moorgebieten“,schreibt <strong>der</strong> Botaniker AugustGinzberger in den „Blättern“ Nr. 6.Von 1934-1938 gab<strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>eine eigene Zeitschriftheraus: denHain sowie denJunghain für Kin<strong>der</strong>.benannte sich <strong>die</strong> Organisationin ÖsterreichischeGesellschaftfür Naturschutz<strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>e(ÖGNN) um.<strong>Der</strong> Konflikt zwischen den beiden Vereinenging so weit, dass auf <strong>der</strong> Hauptversammlungdes Naturschutzverbandes vom 6. Juni 1935 <strong>der</strong><strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> ausgeschlossen wurde.In <strong>der</strong> Folge fand <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> im Verbandösterreichischer Tierschutzvereine einenneuen, mitglie<strong>der</strong>starken Partner. An seinerHauptversammlung 1936 nahmen dessen PräsidentEduard Melkus <strong>und</strong> Präsident Josef Kupkafür den Wiener Tierschutzverein teil. Gemeinsamforcierte man Vogelschutzprojekte im Seewinkel<strong>und</strong> auf <strong>der</strong> Deutsch-Altenburger Donauinsel.1936 trat <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> als korrespon<strong>die</strong>rendesMitglied dem Internationalen Naturschutzbüroin Brüssel bei <strong>und</strong> wurde in den Verbandösterreichischer Tierschutzvereine aufgenommen.Um den <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> auf eine bessere finanzielle<strong>und</strong> öffentlichkeitswirksame Gr<strong>und</strong>lagestellen zu können, legte man eine neue Zeitschriftauf, den Hain. Sie erschien vom Frühjahrdes Jahres 1934 bis zum „Anschluss“ 1938 invierteljährlichem Abstand, teils in einer beträchtlichenAuflage bis zu 50.000 Stück. Ebensowie mit den Blättern suchte man dabei aufSchulen einzuwirken.Die Zeitschrift wurde durch eine für Kin<strong>der</strong> entworfene,durch Zeichnungen illustrierte BeilageJunghain begleitet (13 Folgen), durch das Unterrichtsministeriumapprobiert <strong>und</strong> über <strong>die</strong>Schulen verbreitet. Sie enthält Erzählungen <strong>und</strong>Gedichte, eine Serie „Wir wan<strong>der</strong>n“, <strong>die</strong> ReiheJubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013


GESCHICHTE„Naturschutz fängt daheim an“ (zum Thema <strong>der</strong>Haustierhaltung), ferner Leserpost von Kin<strong>der</strong>n<strong>und</strong> Lehrkräften.Totalitäre Phase (1938-1945)Ausschaltung des „<strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es“<strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> musste trotz einiger Verbeugungenvor <strong>der</strong> Diktatur für <strong>die</strong>se ein Dorn imAuge sein. Die Märznummer des Hain begrüßte„das mächtige Deutsche Reich“ <strong>und</strong> erklärte sichbereit, „den deutschen Lebensraum bewahren<strong>und</strong> schützen zu helfen“.Man rückte ein Zitat AdolfHitlers ein <strong>und</strong> schrieb anden Leiter <strong>der</strong> Reichsstellefür Naturschutz, WalterSchoenichen, <strong>der</strong> mit einerkaum verstecktenDrohung antwortete,„dass wir nunmehr in Zukunftganz einheitlich indemselben Sinne arbeitenkönnen“. Schon ein OffenerBrief an ReichsforstmeisterGöring zeigt jedochSkepsis gegenüber<strong>der</strong> nationalsozialistischenWirtschaftspolitik:„Nicht ohne Sorge freilichhaben <strong>die</strong> Hüter desösterreichischen Naturschutzeszur Kenntnisgenommen, dass <strong>der</strong>Vierjahrplan <strong>die</strong> österreichischeLandschaft, <strong>die</strong>österreichische Natur schwerste Opfer kostenwird. Herr Generalfeldmarschall, Sie haben zu denWienern, zu den Österreichern [!] als Leiter desVierjahrplanes, als Wirtschafter gesprochen. <strong>Der</strong>Österreichische <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> ruft in Ihnenden Reichsforstmeister, den Reichsjägermeister,den ersten Naturschützer des Dritten Reichesauf, den Mann, dessen Name unter so vielen Verordnungenzum Schütze deutscher Natur steht,wenn er Sie bittet, seine Sorgen zu den Ihrigen zumachen.“Das Ende nahte im Sauseschritt. Die damalsletzten, nach Redaktionsschluss eingefügtenZeilen des Hain lauteten: „Die Stillhaltekommissionfür Organisationen <strong>und</strong> Verbände hat HerrnHofrat Prof. Dr. Günther Schlesinger zum kommissarischenLeiter sämtlicher NaturschutzvereineÖsterreichs bestellt. <strong>Der</strong> Genannte hat <strong>die</strong>Führung unseres Vereines selbst übernommen.“Jubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013Damit beginnt <strong>die</strong> siebenjährige totalitäre Phase,<strong>die</strong> zugleich einer Verstaatlichung des Naturschutzesgleichkam.Günther Schlesinger <strong>und</strong> <strong>die</strong> „DonauländischeGesellschaft für Naturschutz<strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>e“Am 11. August 1938 wandelte <strong>der</strong> Stillhaltekommissärfür Vereine, Organisationen <strong>und</strong> Verbände<strong>die</strong> ÖGNN in eine Donauländische Gesellschaftfür Naturschutz <strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>e um. <strong>Der</strong>Naturschutzverband wurde am 2. September1938 im Vereinskatastergelöscht <strong>und</strong>, unterAufhebung seinerRechtspersönlichkeit,<strong>der</strong> DonauländischenGesellschaft eingeglie<strong>der</strong>t.<strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>wurde am30. Jänner 1939 aufgelöst.<strong>Der</strong> neue Zwangsvereinstagnierte, wohlauch angesichts <strong>der</strong>Kriegsbedingungen; erumfasste 1944 gerade340 Mitglie<strong>der</strong> in Wien<strong>und</strong> 180 in den ,Alpenlän<strong>der</strong>n‘.Günther Schlesingerwurde zunächst Son<strong>der</strong>beauftragterdesReichsforstmeisters fürNaturschutz in Österreich,ab 1941 wirkte erals Referent <strong>und</strong> Beauftragterfür Naturschutz in den Gauen Nie<strong>der</strong>donau<strong>und</strong> Wien.Wie<strong>der</strong>geburt <strong>und</strong> aufbau (1945-1960)Die „Österreichische Gesellschaft fürNaturschutz <strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>e“(ÖGNN, 1946-1948)Nach dem tragischen Selbstmord Schlesingersam 3. April 1945 ergriff Viktor Schnei<strong>der</strong> <strong>die</strong> Initiativezu einer Besprechung, <strong>die</strong> im Juni stattfand<strong>und</strong> an <strong>der</strong> außer ihm <strong>der</strong> GartenbauarchitektAlois Berger, Clotilde Clam-Gallas, HansFranke, Karl Hagen, Otto Koenig, Lothar Machura,Karl Müllner <strong>und</strong> Leo Schreiner teilnahmen. WöchentlicheGesprächsr<strong>und</strong>en folgten. Die einstVerfeindeten saßen nunmehr friedlich vereint,von einem Nebeneinan<strong>der</strong> zweier Vereine konntekeine Rede mehr sein. Am 1. August leitete17


Lothar Machura anlässlicheiner Präsidialsitzung1953 inSalzburg; links außen<strong>der</strong> damalige PräsidentKarl F. Fügener, danebenGustav Wendelberger.In späterenJahren hat sich Machuraals Gutachterbei Kraftwerksplanungengegen <strong>die</strong> Interessendes Naturschutzeseingesetzt <strong>und</strong> wurdedeshalb vom <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>im Präsidiumabgewählt.Foto: Archiv <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> Wien18Schnei<strong>der</strong> <strong>die</strong> erste Sitzung des provisorischenAusschusses, <strong>die</strong> im Kulturamt des Rathausesstattfand <strong>und</strong> eine kommissarische Leitung einsetzte.Am 21. August wurde Hubert Sidak zumGeschäftsführer bestellt, er erhielt eine Wochespäter <strong>die</strong> Mitglie<strong>der</strong>kartei <strong>der</strong> DonauländischenGesellschaft ausgehändigt.Im Herbst nahm ein provisorischer Ausschussseine Arbeit auf, dem neben Sidak Karl Hagen,Otto Koenig, Karl Müllner <strong>und</strong> Viktor Schnei<strong>der</strong>angehörten; Lothar Machura wurde zum Verwalterdes Vereinsvermögens bestellt. Am 26. Februarerklärte sich das Magistrat mit <strong>der</strong> Umbenennung<strong>der</strong> Donauländischen Gesellschaft ineine Gesellschaft für Naturschutz <strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>eeinverstanden-ERSTER VORSTAND DES NATURSCHUTZBUNDES NACH 1945Karl Hagen, DI, 1. Vorsitzen<strong>der</strong>Augustin Meisinger, 2. Vorsitzen<strong>der</strong>Viktor Schnei<strong>der</strong>, Dr., 3. Vorsitzen<strong>der</strong>Helmut Gams, Univ.-Prof., Dr. 4. Vorsitzen<strong>der</strong>Bruno Muck, SchriftführerLeopold Swatony, KassierDieter Bauer, StellvertreterHelmut GamsFranz Jagr, Dr., Referent für VortragswesenMoritz Sassi, Dr., Referent Fachwissenschaften <strong>und</strong> DruckschriftenFranz Klecka, Referent für WerbungLeo Schreiner, OrganisationsfragenKarl Kreitschi, Vertreter <strong>der</strong> ArbeiterfischereivereineAnna König, RechnungsprüferinAlexan<strong>der</strong> Bachzelt, Dr., RechnungsprüferKarl Franz Fügener, Delegierter des Jagdb<strong>und</strong>esAm 7. Juni 1946 fand eine erste Sitzung desVereins, am 11. Juli <strong>die</strong> erste ordentliche Vollversammlungstatt. Gewählt wurden drei Vorsitzende,Karl Hagen, Forstdirektor <strong>der</strong> Stadt Wien; WilhelmMarin, Leiter <strong>der</strong> Abteilung für Morphologieam Zoologischen Institut <strong>und</strong> schließlich <strong>der</strong>ehemalige Straßenbahnschaffner <strong>und</strong> spätereMitarbeiter Schlesingers im Landesmuseum, AugustinMeisinger, <strong>der</strong> erst 1946 aus <strong>der</strong> Kriegsgefangenschaftzurückgekehrt war. Schon imOktober 1946 erschienen <strong>die</strong> Blätter unter demneuen Namen Natur <strong>und</strong> Land.Erste Schritte nach außen:Die Schladminger NaturschutzkonferenzAls ein Auftakt kann <strong>die</strong> Schladminger Naturschutzkonferenzverstanden werden, <strong>die</strong> imFrühjahr 1946 stattfand. Vertreten waren <strong>die</strong>amtlichen Naturschutzstellen aller B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>(außer Oberösterreichs <strong>und</strong> Vorarlbergs), dasBM für Unterricht <strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esdenkmalamt,ferner <strong>die</strong> Hochschule für Bodenkultur <strong>und</strong> dasNaturhistorische Museum. Man beriet über neuePerspektiven <strong>der</strong> <strong>Naturschutzbewegung</strong>, einenAlpennaturschutzpark <strong>und</strong> einen Park am NeusiedlerSee.Im Februar 1947 wurde dem Verein das B<strong>und</strong>eswappenverliehen; im März 1947 wählte manals neuen Vereinssitz das <strong>der</strong> SPÖ nahestehendeWiener Institut für Wissenschaft <strong>und</strong> Kunst.<strong>Der</strong> „<strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>“ neuAm 20. Jänner 1948 wurde <strong>die</strong> ÖsterreichischeGesellschaft für Naturschutz <strong>und</strong> Naturk<strong>und</strong>e inÖsterreichischer <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> umbenannt<strong>und</strong> führte den Untertitel Gesellschaft für Naturk<strong>und</strong>e<strong>und</strong> Naturschutz, womit <strong>die</strong> einstigenJubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013


GESCHICHTEKonkurrenzvereine endgültig sinnhaft vereintwaren.Zugleich wurde ein wissenschaftlicher Beirateingerichtet, bestehend aus Erich Bandl, HansFranke, Lothar Machura, Wilhelm Marinelli <strong>und</strong>Franz Zimmer. Eine breite Basis erhielt <strong>der</strong> Vereindurch den Anschluss des Verbands <strong>der</strong>Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Vereine sowiedes B<strong>und</strong>es österreichischer Jagdvereinemit 26 Vereinen <strong>und</strong> Klubs.Die Satzungen des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es von1953 <strong>und</strong> <strong>die</strong> Neufassung 1960 gehen vom Leitbildeines heimatbezogenen Naturverständnissesaus. Sie erklären als Wirkungsbereich Schul<strong>und</strong>Jugen<strong>der</strong>ziehung, fachliche Beratung, Kooperationenmit dem behördlichen Naturschutz<strong>und</strong> <strong>die</strong> Einrichtung von Forschungs- <strong>und</strong> Schulungsstätten.Von 1948 bis 1961 stiegen <strong>die</strong> Mitglie<strong>der</strong>zahlenvon 3.000 auf kapp 41.000 (neueMitgliedsvereine).Die Zeitschrift Natur <strong>und</strong> Landlag zunächst im Verantwortungsbereichdes Instituts fürNaturschutz. Im Jahre 1960betrug <strong>die</strong> Auflage knapp2.500 Stück – etwa je einViertel davon erhielten Mitglie<strong>der</strong>,<strong>die</strong> Landesschulräte,Mittelschulen, HöhereLehranstalten <strong>und</strong> Lehrerbildungsanstaltensowie weitereBezieher.KooperationenInteressantGeorg Thurn-Valsassinasetzte sich sehr für den Schutzdes Braunbären auf seinemGr<strong>und</strong>besitz in den Kärntner Karawankenein. Er verbot seinen Jägern,den Braunbären zu schießen,weil <strong>die</strong>sem auch ein Lebensraumzustünde.(aus: NL 1-1967)Angeregt durch <strong>die</strong> Internationale Union fürNaturschutz (IUCN), entstand 1952 eine InternationaleKommission für den Schutz alpiner Bereiche(CIPRA), <strong>die</strong> als unabhängiges Mitglied in <strong>die</strong>IUCN aufgenommen wurde <strong>und</strong> aus losen nationalenGruppen ohne Vereinsstatus besteht.In den sechziger Jahren entwickelte <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>seine Scharnierfunktion zum behördlichenNaturschutz weiter. Dies zeigt <strong>die</strong>personelle Verflechtung in den Vereinseliten <strong>und</strong><strong>die</strong> zunehmende Rolle des Instituts für Naturschutz(Kasten nächste Seite). An vielen Konferenzen<strong>und</strong> Versammlungen nahmen auch Vertretervon Behörden teil: So waren an <strong>der</strong> 14. ordentlichenHauptversammlung des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>esin Schladming im Oktober 1960<strong>die</strong> BM für Handel <strong>und</strong> Wie<strong>der</strong>aufbau, Land- <strong>und</strong>Forstwirtschaft <strong>und</strong> Unterricht sowie sämtlicheLän<strong>der</strong> vertreten.Jubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013DIE VORSITZENDEN DES NATURSCHUTZBUNDES…VOR 1945Prof. Dr. Günther Schlesinger (1924-1926)Generalmajor Oswald Irlweck sowieGeneral Schnei<strong>der</strong> (1926-1933)Prof. Dr. August Ginzberger (1933-1935)Dr. Viktor Schnei<strong>der</strong> (1935-1938)…NACH 1945DI Karl Hagen (1946-1951)Karl Franz Fügener (1951-1959) 1BM a.D. DDDr. Udo Illig (1959-1963)Manfred Mautner-Markhof (1963-1965) 2Georg Thurn-Valsassina (1965-1967) 3Prof. Dr. h. c. Eduard Paul Tratz (1967-1972) 4Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Stüber (1972-2011) 5Univ.-Prof. i. R. Dr. Roman Türk (seit 2011) 6<strong>die</strong> Phase <strong>der</strong> RegionalisierungDie neue VereinsstrukturNun setzte <strong>die</strong> Phase autonomer Landesorganisationenein. <strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> verzweigtsich, <strong>und</strong> umso komplexer wird <strong>die</strong> Mission desForschers, alle relevanten Entwicklungen <strong>und</strong>Marksteine aufzuzeigen. Mit <strong>der</strong> 1960 beschlossenenFö<strong>der</strong>alisierung entstand eine neue Organisationsstruktur.Ziel war es, ein gesamtösterreichischesOrganisationsnetz aufzubauen, dasden Län<strong>der</strong>behörden als Partner autonome Vereinepräsentieren <strong>und</strong> sich auf <strong>die</strong> unterschiedlichenLandesgesetze einstimmen sollte. Gegeneinige Wi<strong>der</strong>stände zentraler Funktionäre wurde<strong>die</strong> neue Struktur des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es bis1965 umgesetzt <strong>und</strong> konnten sich <strong>die</strong> neuenLandesorganisationen erfolgreich etablieren.Mitte <strong>der</strong> sechziger Jahre bestand <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>aus den Landesgruppen <strong>und</strong> <strong>der</strong>önj, den angeschlossenen Vereinen o<strong>der</strong> Verbänden,den ordentlichen Mitglie<strong>der</strong>n des Insti-41235 619


NATURSCHUTZINSTITUT1: Grün<strong>der</strong> des Inst. f. Naturschutz,Lothar Machura (l.) <strong>und</strong><strong>der</strong> 1. Leiter, Augustin Meisinger(r.), dokumentierten um1950 als begeisterte Fotografen<strong>die</strong> Natur <strong>und</strong> beginnendeUmweltzerstörungen in Österreich.Eine Auswahl davon istnun im Buch „Blick ins Land“von Erich Steiner, dem Leiterdes NÖ Landesmuseums erschienen(Besprechung aufSeite 82). Das Bild entstand1953 in Karlsstift.2: Bernd Lötsch war dabei, alsam 6. 1. 1985 <strong>der</strong> „Donauauen-Friedenspakt“ zwischen K. Lorenz<strong>und</strong> Kanzler F. Sinowatz(außerhalb des Bildes) zustandekam. Nun sollte auch <strong>die</strong>Möglichkeit eines Auen-Nationalparksuntersucht werden(vgl. Fototext S. 50).Tipptuts für Naturschutz, Einzelpersonen als Ehrenmitglie<strong>der</strong>n<strong>und</strong> schließlich Einzelpersonen,juristischen Personen <strong>und</strong> öffentlichrechtlichenKörperschaften als För<strong>der</strong>er <strong>und</strong>Stifter. Ein System <strong>der</strong> individuellen <strong>und</strong> kollektivenRepräsentanz tarierte <strong>die</strong> Interessendes fö<strong>der</strong>al geglie<strong>der</strong>ten <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>esaus.AusblickIn markanten Konturen <strong>und</strong> notwendigenDetails sind hier <strong>die</strong> organisatorischen Markierungen<strong>der</strong> <strong>Naturschutzbewegung</strong> dargestelltworden. Ohne sie kann man <strong>die</strong> spätereEntwicklung nicht verstehen, auf siebaut <strong>die</strong> Erfolgsgeschichte des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es<strong>und</strong> auch <strong>der</strong> Zeitschrift Natur<strong>und</strong> Land auf. Was <strong>die</strong> ÖsterreichischeNaturschutzjugend betrifft, <strong>die</strong> EberhardStüber 1952 in Salzburg gründete, so ist ihrein eigener Beitrag in <strong>die</strong>sem Heft gewidmet.Text:Ass.-Prof. Mag. Dr. ReinhardFarkas, Institut für<strong>Geschichte</strong>, Karl-Franzens-Universität, 8010 Grazreinhard.farkas@uni-graz.atDie gesamte Organisationsgeschichte, <strong>die</strong>Wechselwirkung zwischen Vereins- <strong>und</strong> behördlichemNaturschutz, <strong>die</strong> Differenzierungdes staatlichen Naturschutzes, <strong>die</strong> Entwicklung<strong>der</strong> komplexen Naturschutzgesetzgebung<strong>und</strong> <strong>die</strong> Konzepte, Projekte <strong>und</strong> Programmewerden vom Verfasser in einer eigenenMONOGRAPHIE 2014 erscheinen:Von <strong>der</strong> Heimat zur Umwelt.<strong>Geschichte</strong> des Naturschutzes inÖsterreich, Reinhard Farkas1 2DAS INSTITUT FÜR NATURSCHUTZAls Organ des fachlichen Naturschutzes <strong>und</strong> mit <strong>der</strong>Funktion einer Naturschutzfachstelle richtete <strong>der</strong><strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> 1948 ein Institut für Naturschutzein, das Anfang <strong>der</strong> fünfziger Jahre seine Tätigkeitaufnahm. Die Finanzierung erfolgte zunächst seitensdes Unterrichtsministeriums, durch das Landwirtschaftsministerium.Es war in den Räumlichkeitendes Wiener Naturhistorischen Museums untergebracht.Wendelberger wurde 1966 als Beamterdes B<strong>und</strong>esdenkmalamtes angestellt. Die Einrichtungwurde 1960 als Österreichisches Institut fürNaturschutz <strong>und</strong> Landschaftspflege neu konstitutiert.<strong>Der</strong> Architekt Clemens Holzmeister <strong>und</strong> <strong>der</strong> NaturwissenschaftlerUniv.-Prof. Dr. Wilhelm Marinellileiteten ein neu gegründetes Kuratorium.Das Institut war ab 1964 dem Protektorat <strong>der</strong> Akademie<strong>der</strong> Wissenschaften unterstellt <strong>und</strong> wurde 1972in <strong>die</strong> Ludwig Boltzmann-Gesellschaft integriert –nach <strong>der</strong> Berufung Wendelbergers an das Institutfür Pflanzenphysiologie <strong>der</strong> Universität Wien. Zu <strong>die</strong>semZeitpunkt waren im Rahmen des Instituts vierPersonen tätig. 1973 erfolgte eine Teilung in einWiener Institut, unter <strong>der</strong> Leitung von Bernd Lötsch,das an <strong>die</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften angeglie<strong>der</strong>twurde. In Graz entstand das Institut für Naturschutz<strong>und</strong> Landschaftsökologie in <strong>der</strong> Steiermark(Franz Wolkinger, Johannes Gepp), als Einrichtungdes Landes Steiermark.FUNKTION UND AKTIVITÄTENDas Institut war als zentrale Koordinationsinstanzzur Vermittlung zwischen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n, Ministerien<strong>und</strong> sonstigen amtlichen Stellen von Bedeutung;analog zum seinerzeitigen Naturschutzverbandsollte es zur Vernetzung beitragen. Weitere20Jubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013


3 4Fotos v.l.: Archiv NÖ Landesmuseum (1); Archiv Bernd Lötsch (2-4)Funktionen waren <strong>die</strong> Herausgabe <strong>der</strong> ZeitschriftNATUR & LAND sowie einer Schriftenreihe, <strong>die</strong> Vertretungdes <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es im Ausland, Organisierungvon Führungen, Vorträgen, Referaten<strong>und</strong> Seminaren, Unterstützung beim Aufbau vonLandesgruppen sowie Abhaltung von Delegiertenkonferenzenzu konkreten Naturschutzfragen (Naturschutztage).Die Entwicklung zeigt eine Loslösung von den administrativenAufgaben im Rahmen des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>essowie <strong>die</strong> Konzentration auf fachlicheAufgaben. Diese bezogen sich auf Beantragung,Verwirklichung <strong>und</strong> Untersuchung vonSchutzgebieten. Dabei wurden wissenschaftliche<strong>und</strong> organisatorische Gr<strong>und</strong>lagen zur Schaffungösterreichischer Nationalparke gelegt (Hohe Tauern,Neusiedler See) <strong>und</strong> eine Reihe an<strong>der</strong>erSchutzgebiete beantragt (Seewinkel, Marchfeld,Perchtoldsdorfer Heide etc.). Eine Zentralkarteiüber Objekte des Flächen- <strong>und</strong> Objektschutzeswurde aufgebaut.Als Fachstelle des österreichischen Naturschutzesverfasste das Institut zahlreiche Gutachten fürdas gesamte B<strong>und</strong>esgebiet <strong>und</strong> unterstützte damitden behördlichen <strong>und</strong> vereinsmäßigen Naturschutz.Vielfach gingen vom Institut koordinierendeImpulse in Fragen des praktischen Naturschutzesauf. Insgesamt schuf man Gr<strong>und</strong>lagen zur Entwicklungdes Naturschutzes als einer wissenschaftlichenDisziplin. Voraussetzungen bildeten<strong>die</strong> Untersuchung über <strong>die</strong> Stellung des Naturschutzesim Rahmen <strong>der</strong> Raumordnung sowie <strong>die</strong>Erstellung von Landschaftsschutzinventarenschutzwürdiger Gebiete.3: Prof. Dr. Elfrune (führendeAuen-Ökologin) <strong>und</strong> Univ.-Prof. Dr. Gustav Wendelberger(langjähriger Leiter desInstituts) in den Donauauenim Zuge <strong>der</strong> Nationalparkplanung.Das wichtigste <strong>der</strong>vielen Gutachten des „Begrün<strong>der</strong>sdes wiss. Naturschutzes“war jenes gegeneine Staumauer in <strong>der</strong> Wachau.5 64: 1974 holte Lötsch denStrahlenbiologen PeterWeish (l.) ins Wiener Institut.Im Bild um 1985, vordem Aufgang zum Institutmit Friedensreich H<strong>und</strong>ertwasser,dessen voller Einsatzbei <strong>der</strong> Besetzung <strong>der</strong>Donauauen wesentlich für<strong>der</strong>en Erhaltung war. ImHintergr<strong>und</strong> Kurt Fritscher,<strong>der</strong> damalige Vorsitzendedes <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es NÖ.LEITER DES INSTITUTS:Augustin Meisinger 1 (1948-1949)HR Dr. Moritz Sassi (1949-1950)Prof. Dr. Lothar Machura 1 (1950-1959)Univ.-Prof. Dr. Gustav Wendelberger 3 (1959-1972)Univ.-Prof. Dr. Bernd Lötsch 2 (1973-1990 Leiterdes Wiener Teilinstitutes); wiss. Mitarbeiter ab1974 Dr. Peter WeishUniv.-Prof. Dr. Franz Wolkinger 5 (1973-1990; bis1978 hieß es Grazer Institut für Umweltwissenschaften<strong>und</strong> Naturschutz <strong>der</strong> Ludwig BoltzmannGesellschaft, danach bis 1990 war es ein Institut<strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften)Prof. Univ.-Doz. Dr. Johannes Gepp 6 (ab 1991 Abteilungsleiter,seit 1994 Leiter des Instituts für Naturschutz<strong>der</strong> Landesgruppe Steiermark)Jubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013 21


GESCHICHTE11 „Selbst handeln“ war das Motto des Umweltschutzwettbewerbes1974 von önj <strong>und</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> für<strong>die</strong> Jugend Österreichs. Die Jury setzte sich zusammenaus E. Stüber, Direktor Badzura (Shell Austria AG), BerndLötsch, Otto Koenig, Konrad Lorenz (Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong>Jury), MR Fin<strong>der</strong>, SC Pindur, Walter Kofler (v. l.). DasSponsoring <strong>der</strong> Fa. Shell wurde letztlich nicht wahrgenommen.2 <strong>Der</strong> Österreichische Naturschutztag stand 1976 unterdem Motto „<strong>Der</strong> Ländliche Raum“ <strong>und</strong> zog Persönlichkeitenaus Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Naturschutz an: v.l. Hr.Steininger (B<strong>und</strong> Naturschutz), Otto Koenig, Bgm. Märtl(Villach), Ktn. LH Leopold Wagner, BM Ingrid Leodolter.2In <strong>der</strong> 3. Reihe (Pfeil) sieht man den Kulturtechniker DI WernerGamerith, <strong>der</strong> mit Bernd Lötsch das Gr<strong>und</strong>satzmanifest fürden Biologischen Landbau „Villacher Manifest“ des<strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es zu <strong>die</strong>sem Anlass verfasste.<strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>im Umwelt-ZeitalterIM ZEITRAFFER VON 1970 BIS HEUTEIn den vergangenen vier Jahrzehnten entwickeltesich erstmals in <strong>der</strong> Menschheitsgeschichteein weltweites Umweltgewissen.Wie keine an<strong>der</strong>e Natur- <strong>und</strong>Umweltschutzorganisation ist <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>landesweit, regional <strong>und</strong> lokalvertreten. Durch <strong>die</strong> zahlreichen Vernetzungenversteht er sich in vielen Themenbereichenauch als Sprachrohr Gleichgesinnter,<strong>die</strong> gemeinsam für den Schutz unserervielfältigen Natur eintreten <strong>und</strong> gemeinsamfriedliche Lösungen für belastendeUmweltschutzprobleme anstreben.VON JOHANNES GEPPOhne <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> hätten wir wahrscheinlichkeine Umbalfälle, Moore o<strong>der</strong>Trockenrasen, keinen Biber o<strong>der</strong> Fischotter,dafür eine aufgestaute Wachau, eineBrücke über den Neusiedler See, eine Autobahndurch das Ennstal, Gentechnik in <strong>der</strong> Landwirtschaft,Gondeln zu je<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Bergspitzemit verhüttelten Almmatten. Worin liegen unsereVer<strong>die</strong>nste?1970-1995: Vom Europäischen Naturschutzjahrbis zu den EU-NaturschutzrichtlinienDie Europäische Naturschutzkonferenz inStraßburg leitete 1970 das Europäische Naturschutzjahr<strong>und</strong> den Beginn eines europäischenNaturschutzbewusstseins ein. Die Deklaration<strong>die</strong>ser Naturschutzkonferenz hob vor allem denvernünftigen Gebrauch <strong>und</strong> <strong>die</strong> Nutzung <strong>der</strong> Um-22Jubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013


GESCHICHTEFotos v. l.: Eberhard Stüber; Archiv <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>; Archiv Bernd Lötsch (2)3 43 Von seiner Frau, <strong>der</strong> Künstlerin <strong>und</strong> Konrad-Lorenz-Staatspreisträgerin(gemeinsam mit ihrem Mann) Tatjana Gamerith,stammt das Gemälde mit H<strong>und</strong>ertwassers Wahlspruch vonHainburg „Die freie Natur ist unsere Freiheit“.4 Konrad Lorenz mit Peter Weish (r.) auf dem Lautsprecherwagen<strong>der</strong> großen Anti-Atom-Demonstration vordem Parlament (um 1977)Was haben wir erreicht?welt in <strong>die</strong> klare Verantwortung <strong>der</strong> Regierungsebenen.Die Politik sollte gegen <strong>die</strong> Verunreinigungvon Wasser, Luft <strong>und</strong> Boden wirksam einschreitensowie Gesetze <strong>und</strong> Verordnungen zumSchutz <strong>der</strong> natürlichen Umwelt auf europäischemNiveau erlassen. Positiv war, dass Presse,R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Fernsehen über Umweltproblemeverstärkt berichteten <strong>und</strong> sich erstmals eineUmweltpolitik etablierte. 1974 veranstaltete <strong>die</strong>önj-Tirol mit ihrem damaligen Leiter, Walter Kofler,das 1. Europäische Naturschutzsymposion,dem <strong>der</strong> Umweltschutzwettbewerb „Selbst handeln“für <strong>die</strong> Jugend Österreichs folgte.Durch Aufschrei bewahrt!Anfang <strong>der</strong> Siebzigerjahre schien den Planern<strong>und</strong> Politikern jede Umweltzerstörung akzeptabel.Proteste des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es musstendaher mit Mut <strong>und</strong> Vehemenz vorangetriebenwerden. Die 1971 gestartete Unterschriftenaktion„Rettet den Neusiedler See“ gegen eine geplanteBrücke erbrachte 195.375 Unterschriftenaus 46 Staaten. Als 1971 das BenediktinerstiftAdmont ein Kraftwerksprojekt am Gesäuseeingangöstlich des heutigen Nationalparks Gesäuseeinreichte, bildete <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> eineJubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013breite Front zum Schutz <strong>der</strong> berühmten Kataraktstrecke<strong>der</strong> Enns. Die Erhaltung <strong>der</strong> KrimmlerWasserfälle wurde 1979 durch Übergabe einerResolution an <strong>die</strong> Salzburger Landesregierungbesiegelt. Zuvor sammelte <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>120.000 Unterschriften gegen ihre Ableitung. DieBeschleunigung <strong>der</strong> Fließgewässer durch Begradigungbrachte <strong>die</strong> Kritik an harten Regulierungen<strong>und</strong> läutete den „naturnahen Wasserbau“ein. An <strong>der</strong> burgenländisch-steirischen Lafnitzwurde <strong>die</strong> Regulierung durch Erwerb von „Sperrgr<strong>und</strong>stücken“verhin<strong>der</strong>t – heute ein Ramsar-Gebiet. <strong>Der</strong> Wienerwald schließlich wurde durcheine Resolution vor intensiver Zersiedlung bewahrt.<strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> beteiligte sich anzahlreichen Großk<strong>und</strong>gebungen, z. B. zumSchutz <strong>der</strong> Lobau, gegen unnötige Autobahnenim Ennstal, im Lafnitztal, gegen den Verbau <strong>der</strong>Welser Heide etc. 1985 fand das Konrad-Lorenz-Volksbegehren unter dem Schlagwort „Wohlstandohne Zerstörung“ statt. Einer <strong>der</strong> Ausgangspunktewar <strong>die</strong> drohende Vernichtung <strong>der</strong>Donauauen bei Hainburg zugunsten eines Wasserkraftwerkes<strong>und</strong> generell <strong>der</strong> oberflächlicheUmgang <strong>der</strong> Wirtschaft mit den Kostbarkeitenunserer Natur.23


GESCHICHTEHohe Tauern: Die Demonstration gegen das geplante Großkraftwerkim Oberpinzgau um 1981/82 im Sbg. Kongresshaus(Foto), <strong>der</strong> unermüdliche Einsatz von Eberhard Stüber<strong>und</strong> vor allem <strong>die</strong> Initiativen von Erika <strong>und</strong> Wolfgang Retterfür das Dorfertal, <strong>die</strong> Umbalfälle, <strong>die</strong> Isel <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e OsttirolerBäche waren <strong>und</strong> sind bedeutende Meilensteine imKampf um lebende Flüsse für Mensch <strong>und</strong> Natur.Großdemo gegen <strong>die</strong> Müllverbrennung in Wien 1989 – <strong>der</strong>Naturschutztag <strong>der</strong> Wiener Landesgruppe widmete sichdem Thema „Müllvermeidung-Abfallverwertung-Müllverhin<strong>der</strong>ung“.24Richtungsweisende UmweltmanifesteDie 1970iger <strong>und</strong> 1980iger Jahre zeigten, dassLuft <strong>und</strong> Böden untragbar von Schadstoffen belastet<strong>und</strong> <strong>die</strong> Gewässer verschmutzt <strong>und</strong> überreguliertwaren. Noch heute ist das Villacher Manifestvon Bernd Lötsch <strong>und</strong> Werner Gamerith„<strong>Der</strong> ländliche Raum – Lebensgr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Industriegesellschaft“Gr<strong>und</strong>lage für das Konzepteiner ökosozialen Marktwirtschaft, <strong>die</strong> über Vizekanzlera. D. Josef Riegler hinaus bis zuden Vereinten Nationen ihren WegDas war 1982…<strong>Der</strong> von <strong>der</strong> VÖEST geplanteKanonenschießplatz im ReichramingerHintergebirge wird nachmassiven Protesten des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es,alpiner Vereine <strong>und</strong>fand. <strong>Der</strong> Österreichische Naturschutzkurs(ÖNK) in Salzburgfor<strong>der</strong>te 1985 das Ende <strong>der</strong>weiteren Zerstörung des alpinenRaumes. Naturschutzphilosophenwie Walter Kofler, PeterWeish <strong>und</strong> Franz Wolkingerist es zu verdanken, dass <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>Manifeste auflegte,<strong>die</strong> Österreich zu einer <strong>der</strong> führenden UmweltnationenEuropas werden ließen. Die Anti-Zwentendorfkampagne war wohl eine <strong>der</strong> spektakulärstenAktionen, an denen sich <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>mit Vehemenz <strong>und</strong> vollem Einsatzbeteiligte. Die in <strong>der</strong> Öffentlichkeit herausragendenVordenker waren Konrad Lorenz, BerndLötsch, Alfred Tisserand sowie Friedrich Witzany.Hildegard Breiner, Obfrau des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>esVorarlberg, erhielt 2004 den Nuclear-free-Future-Award im indischen Jaipur – <strong>der</strong> weltweitwichtigste Anti-Atom-Preis.<strong>der</strong> lokalen Bürgerinitiativefallen gelassen.Anstoss zu National- <strong>und</strong> NaturparkenDie Schaffung von Natur- <strong>und</strong> Nationalparkenist eine Gründungsidee <strong>und</strong> eines <strong>der</strong> Hauptzieledes <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es, <strong>die</strong> auf seinen Vorläufer-VereinÖsterreichischer Naturschutzparkzurückgehen. Schon in dessen Gründungsjahr1912 wurde ein steirisches Parkprojekt „Nie<strong>der</strong>eTauern“ diskutiert, mittlerweile eines <strong>der</strong> größtenEuropaschutzgebiete Österreichs. Die Wegezur Verwirklichung <strong>der</strong> Nationalparks Hohe Tauern<strong>und</strong> Neusiedler See-Seewinkel waren dementsprechendlangwierig (siehe Beiträge Seite28 <strong>und</strong> 34). Anstelle des Donaukraftwerkes Hainburgwurde vom Wiener <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> <strong>die</strong> Errichtungeines Nationalparks Donau-March-Auenpropagiert (Natur & Land 1983, Heft 6). <strong>Der</strong><strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> NÖ setzte sich zwischen 1984<strong>und</strong> 1999 maßgeblich für den grenzüberschreitendenNationalpark Thayatal ein. Als im Mai1984 im Reichraminger Hintergebirge ein Son<strong>die</strong>rstollenerrichtet wurde, <strong>der</strong> we<strong>der</strong> bau- nochwasserrechtlich bewilligt war, führte eine Notwehrreaktion– <strong>die</strong> Besetzung des Stollengeländes– zum Abbruch des Projektes. Das Grazer Naturschutz-Institutkonstatierte <strong>die</strong> Unverträglichkeitvon Wasserkraftwerken im ReichramingerHintergebirge. Anstelle <strong>der</strong> Wasserkraftnutzungstellte <strong>die</strong> Landesgruppe Oberösterreichden Antrag, <strong>die</strong> „Große Klause“ <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schluchtdes „Großen Baches“ unter Naturschutz zu stellen– erste Schritte zum zukünftigen NationalparkKalkalpen (1997). Auch <strong>die</strong> Vorarbeiten zumJubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013


1970 BIS HEUTEFotos v. l.: Eberhard Stüber (2); Hans-Werner Mackwitz; Fritz WitzanyGroßeinsatz des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es gegen <strong>die</strong> Wie<strong>der</strong>aufbereitungsanlageim bayerischen Wackersdorf 1986.Besetzung des Reichraminger Hintergebirges 1984, bei<strong>der</strong> wie in Hainburg auch <strong>die</strong> önj stark vertreten war.Nationalpark Gesäuse beruhen auf <strong>der</strong> Abwehreines Wasserkraftwerkes am Gesäuseeingangdurch <strong>die</strong> Landesgruppe Steiermark (1978) sowie<strong>der</strong> Gesäuse-Resolution 1990 mit den Alpinverbänden.Umweltanwaltschaften <strong>und</strong>UmweltverträglichkeitsprüfungenAuch bei <strong>der</strong> Etablierung <strong>der</strong> Landesumweltanwaltschaftenwar <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> beteiligt.Aus seinen Reihen kam 1997 <strong>der</strong> 1. LandesumweltanwaltSalzburgs in <strong>der</strong> Person von EberhardStüber, damaliger <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>-Präsident.2003 folgte Hermann Frühstück für dasBurgenland, <strong>der</strong> zuvor für <strong>die</strong> Landesgruppe Burgenlandals Obmann tätig war. In Kärnten hatLandesobmann Klaus Kugi einen Sitz im Naturschutzbeirat.Die Landesgruppen sind täglichgefor<strong>der</strong>t, im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungeno<strong>der</strong> über <strong>die</strong> Tagespresse sowiedurch direkte Kontakte zu Entscheidungsträgernunersetzbare Naturräume retten zu müssen.Internationale Projektbeteiligung<strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> nutzt auch <strong>die</strong> Gelegenheit,sich an EU-geför<strong>der</strong>ten Forschungs- <strong>und</strong>Naturschutzprojekten zu beteiligen - allein <strong>die</strong>Landesgruppe Burgenland tut <strong>die</strong>s <strong>der</strong>zeit mitsechs internationalen Naturschutzprojekten. Dasmit 1.218 km Grenzlänge bedeutendste internationaleNaturschutzprojekt ist „Das Grüne BandÖsterreichs“, das fünf B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> ebensoJubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013viele Nachbarstaaten betrifft. Zwei Grüne-Band-Zentren des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es gibt es bereits– in Leopoldschlag an <strong>der</strong> Maltsch (OÖ) <strong>und</strong> inGosdorf an <strong>der</strong> Mur (Stmk). <strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>ist Mitglied <strong>der</strong> IUCN, <strong>der</strong> Internationalen Naturschutz-Unionsowie <strong>der</strong> CIPRA, <strong>der</strong> InternationalenAlpenschutzkommission – <strong>der</strong>en Präsident<strong>der</strong> steirische Obmann Curt Fossel von 1976-1983war. In Slowenien <strong>und</strong> Bosnien-Herzegowina bietenwir nationalen Naturschutzverbänden Hilfestellungan.Wasserkraft nicht um jeden PreisDie Nutzung <strong>der</strong> Wasserkraft gilt oberflächlichbetrachtet als „grüne“ Energieform. Was in denAnfängen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts schonend angelegtertragbar schien, ist heute – nachdem estausende Wasserkraftwerke in Österreich gibt –für <strong>die</strong> Natur längst nicht mehr akzeptabel – <strong>die</strong>Landschaft ist nicht erneuerbar! <strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>stemmt sich gegen Wasserkraftwerksprojektean den wenigen letzten wertvollenFlussabschnitten Österreichs. Die Staumauernunterbrechen das Kontinuum, <strong>die</strong> Ableitungenlassen Gewässerabschnitte vertrocknen,<strong>die</strong> Stauräume selbst binden für den Flusslaufwertvolle Sedimente, aber auch Schlämme, <strong>die</strong>Methangas verströmen. Österreichs Beitrag zurWasserkraftnutzung wurde längst übererfüllt; ihrökologischer Schaden ist größer als ihr Nutzenfür das Gemeinwohl. Wir kämpfen an unzähligenFronten gegen Ausleitungspläne an Isel <strong>und</strong>25


1970 BIS HEUTETauernbach in Osttirol, gegen problematischeKraftwerkspläne an Salzach, Salzburger Mur <strong>und</strong>Schwarzer Sulm wie auch gegen Kraftwerkskettenan <strong>der</strong> steirischen Mur.Von den zahllosen Artenschutzprojekten seienhier nur einige genannt: 1977 wurde von EberhardStüber <strong>der</strong> zuvor ausgerottete Biber in Salzburgwie<strong>der</strong> eingebürgert. Die Landesgruppen Burgenland<strong>und</strong> NÖ schützen Trappen (1987), Ziesel(1990) <strong>und</strong> Feldhamster. Mit <strong>der</strong> Jägerschaft <strong>und</strong>Antal Festetics wurden 1976 auf <strong>der</strong> Turrachmehrere Luchse ausgesiedelt. Heute arbeitet <strong>die</strong>Landesgruppe OÖ gemeinsam mit <strong>der</strong> Jägerschaft,dem NP Kalkalpen <strong>und</strong> dem WWF erfolgreichim Luchsschutz zusammen. Vorarlberg istseit langem aktiv für Fluss-Seeschwalben, Kiebitze<strong>und</strong> Brachvögel, Salzburg für Biber <strong>und</strong>Fischotter, <strong>die</strong> Steiermark sorgt für den nötigenLebensraum des Osterluzeifalters, Kärnten für jenen<strong>der</strong> Hornotter <strong>und</strong> betreibt auch erfolgreich<strong>die</strong> Nachzucht <strong>der</strong> Urforelle.Österreichweite Heckenpflanz- <strong>und</strong> -schutzaktionenwurden bereits 1994 von JohannesGepp mit 50.000 Heckenbroschüren vorbereitet.1998 initiierte <strong>der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong> <strong>die</strong> Kampagne100-km-Hecken-bis-zum-Jahr-2000. Gewordensind es mehr als 600 km, <strong>die</strong> gemeinsammit Partnern wie <strong>der</strong> Jägerschaft gepflanzt wurden.Einzigartig ist unsere aufgelassene 11,3 kmlange Sulmtalbahn-Strecke (Stmk), <strong>die</strong> längsteHecke Österreichs.2001 erbrachte <strong>die</strong> Kampagne WasSerleben 12Best-Practice-Beispiele, 2004 folgte gemeinsammit dem Lebensministerium <strong>die</strong> Kampagne „Naturfindet Stadt“. Zahlreiche bedrohte Arten standenunter beson<strong>der</strong>em Schutz des <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>es.2006 startete <strong>die</strong> Artenschutzkampagne„überLeben“ gemeinsam mit dem Lebensministerium<strong>und</strong> den Österreichischen B<strong>und</strong>esforsten.Die Kampagne vielfaltleben (Projektphase 2009-Mit dem „Bienenschutzfonds“helfenwir Wildbienenbeim Überleben.<strong>Der</strong> <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>Salzburgunterstütztgemeinsammit BerndLötsch <strong>und</strong>Eberhard Stüber<strong>die</strong> Bürgerinitiative„LebenswerteMur“ vonJosef Holzer(M.).26Projekte <strong>und</strong> Kampagnen2010) war eine <strong>der</strong> umfassendsten in Sachen biologischerVielfalt, <strong>die</strong> es je in Österreich gab! 21Leitarten, fünf Großlebensräume <strong>und</strong> vierSchwerpunktregionen standen für zwei Jahre imMittelpunkt des Biotop- <strong>und</strong> Artenschutzes. Dievom <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>, dem WWF <strong>und</strong> BirdLifedurchgeführte Kampagne wurde von <strong>der</strong> EuropäischenKommission als beste europäische Kampagneim Umweltbereich ausgezeichnet. Auch in<strong>der</strong> laufenden Projektphase (2011-13) geht es umdas Gemeindenetz, das weiter ausgebaut wird.Aktuelles österreichweites Thema sind Aktivitätenzum Schutz <strong>der</strong> letzten verbliebenen Auenlandschaften:Auf Basis eines „Aueninventars“wird in nächster Zeit mit den zuständigen Landesfachstellenüber notwendige Maßnahmendiskutiert. Zusammen mit den B<strong>und</strong>esforstenwurden bereits <strong>die</strong> selten gewordenen Schwarzpappelnauf geeigneten Standorten gepflanzt.Auch in Sachen „Bienen“ <strong>und</strong> „Bestäubung“ werdenwir aktiv: Mit Hilfe des LebensmittelkonzernsHofer hat <strong>die</strong> B<strong>und</strong>esgrschäftsstelle einen Bienenschutzfondseingerichtet, um ausgewählteProjekte zur För<strong>der</strong>ung von Wildbienen zu unterstützen.Was in unseren Landesgruppen allesgeleistet wird, lesen Sie ab Seite 54.Text: Prof. Univ.-Doz. Dr. Johannes Gepp, <strong>Naturschutzb<strong>und</strong></strong>-Vizepräsident,Präsid. <strong>der</strong> LandesgruppeSteiermark <strong>und</strong> Leiter des Inst. f.Naturschutz, 8010 Grazjohannes.gepp@naturschutzb<strong>und</strong>.atJubiläumsheft | NATUR &LAND | 99. JG. – Heft 1/2-2013Fotos v. l.: Wolfgang Weber/Archiv Bernd Lötsch; piclease/Ingrid Altmann

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