Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. - Michael Giesecke
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<strong>Der</strong> <strong>Buchdruck</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>frühen</strong> <strong>Neuzeit</strong><br />
"Es se<strong>in</strong>d auch zuo den selbigen zeyten die kreüter buecher nit geme<strong>in</strong> gese<strong>in</strong>/ auch nicht so<br />
vil kreüter bekant/ son<strong>der</strong>n hat ym e<strong>in</strong>er dißes/. e<strong>in</strong> an<strong>der</strong> e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>s für die handt genommen."<br />
(a6r)<br />
In <strong>der</strong> gedruckten Fachliteratur wird dieses Wissen von verschiedenen Personen und<br />
Berufsgruppen nun zunächst veröffentlicht und damit allgeme<strong>in</strong> zugänglich und vergleichbar<br />
gemacht. Es kann dann überprüft und schließlich neu geordnet werden. Ohne diese<br />
Datensammlung wäre die neuzeitliche beschreibende Naturwissenschaft ganz undenkbar<br />
gewesen. 15<br />
Es verwun<strong>der</strong>t nicht, daß anfangs viele die Versprachlichung und Vergesellschaftung <strong>der</strong><br />
'Arkana' mit Mißtrauen betrachteten. So hat etwa <strong>der</strong> Tüb<strong>in</strong>ger Schreibmeister Valent<strong>in</strong> Boltz<br />
'ke<strong>in</strong> zweifel', "es werd(e) etliche mißgünstige Kuenstler [...] dis me<strong>in</strong> e<strong>in</strong>feltige anleitung <strong>in</strong><br />
die Illum<strong>in</strong>ierunge/ sehr bekuemmern". Sie me<strong>in</strong>en, wie er <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorrede <strong>in</strong> se<strong>in</strong> 1550 <strong>in</strong><br />
Frankfurt erschienenes 'Illum<strong>in</strong>ierbuch künstlich alle Farben zu machen und bereiten' schreibt,<br />
solche Bücher würden die Handwerker um ihre Kunden und somit auch um Lohn und Bro<br />
('narung') br<strong>in</strong>gen. Sie "verme<strong>in</strong>en man solt die d<strong>in</strong>ge nicht geme<strong>in</strong> machen/ zu verkle<strong>in</strong>erung<br />
<strong>der</strong> Kunst" (S. 2). Zu se<strong>in</strong>er Rechtfertigung führt er die Wachstums- und<br />
Fortschrittsargumente an, die für die neuzeitliche Gesellschaft typisch wer den: Ziel <strong>der</strong><br />
schriftstellerischen Tätigkeit ist nicht <strong>der</strong> Erhalt, son<strong>der</strong>n die Erweiterung des Wissens.<br />
Deswegen reicht es nicht aus, wenn <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne se<strong>in</strong> Wissen nur se<strong>in</strong>en Gesellen und<br />
Nachfahren weitergibt, er muß es <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit zur öffentlichen Überprüfung 'preisgeben'.<br />
Fehler sollen die Klügeren 'reizen', es besser zu machen. Erst <strong>in</strong> diesem Wettbewerb wächs<br />
die Erkenntnis. Nur frei zugängliche, <strong>in</strong>tersubjektiv wahrnehmbare und überprüfbare<br />
Informationen gelten fortan als 'wahres' Wissen. 16<br />
<strong>Der</strong> Vergleich und die Überprüfung des typographisch gespeicherten Wissens ist die Aufgabe<br />
von speziellen Prozessoren, die ich 'Kritiker' genannt habe. (Vgl. Abb. 1) Mit ihnen entsteh<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terner Regelkreis im typographischen Informationssystem, auf den ich an dieser Stell<br />
nicht ausführlicher e<strong>in</strong>gehen kann.<br />
Bücher, die mit den Informationen des neuen Typs gefüllt s<strong>in</strong>d, werden zu nützlichen<br />
Programmen, an denen man sich <strong>in</strong> vielen Lebenslagen orientieren kann. Sie f<strong>in</strong>den E<strong>in</strong>gang<br />
nicht nur <strong>in</strong> das <strong>in</strong>stitutionelle, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong> das alltägliche Handeln des 'geme<strong>in</strong> mans'.<br />
Zugleich standardisieren sie damit se<strong>in</strong> Handeln und Erleben. Immer mehr Menschen richten<br />
sich nach den gleichen Beschreibungen <strong>in</strong> den Büchern.<br />
<strong>Der</strong> typographische Kreislauf schließt sich <strong>in</strong> dem Augenblick, <strong>in</strong> dem die Leser ihre Umwel<br />
mithilfe des Buchwissens identifizieren und <strong>in</strong>terpretieren, um dann als Autoren über<br />
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