Der Buchdruck in der frühen Neuzeit. - Michael Giesecke
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<strong>Der</strong> <strong>Buchdruck</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>frühen</strong> <strong>Neuzeit</strong><br />
Schon Gutenberg betrieb se<strong>in</strong>e Druckerei als e<strong>in</strong> kommerzielles Gewerbe. Die ausgedruckten<br />
Bücher wurden damit zu e<strong>in</strong>er Ware wie jede an<strong>der</strong>e auch. Für sie mußte, je länger gedruckt<br />
wurde, desto mehr geworben werden. "Freundtlicher lieber Leser", heißt es z. B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Ausgabe <strong>der</strong> Wundarznei des Paracelsus, "wende das blat herumb / so erfarestu was dies<br />
Buechl<strong>in</strong>s <strong>in</strong>halt ist / wirdt dich gewißlich solchen grossen Schatz / mit kle<strong>in</strong>em geldt<br />
zuokauffen / nicht gerewen." 4 Nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Stand o<strong>der</strong> Profession, son<strong>der</strong>n das Geld<br />
soll für<strong>der</strong>h<strong>in</strong> <strong>der</strong> Mechanismus se<strong>in</strong>, nach dem Informationen verteilt werden. Wer Geld<br />
besaß, konnte drucken lassen und die Druckerzeugnisse kaufen. Das Buch wendet sich von<br />
daher auch nicht zunächst an den 'Leser', son<strong>der</strong>n, wie es z. B. auf dem Titelblatt <strong>der</strong><br />
'Dialektika' des Ortolf Fuchsperger heißt, an den 'Koeuffer'. (Augsburg 1533 u.ö.)<br />
Das Druckgewerbe wird also <strong>in</strong> das sich gerade entwickelnde marktwirtschaftliche System<br />
e<strong>in</strong>gebaut und es stärkt dieses.<br />
Wor<strong>in</strong> unterscheidet sich nun die marktwirtschaftliche Verbreitungsform von jener <strong>der</strong><br />
Manuskripte im Mittelalter?<br />
Auf den allgeme<strong>in</strong>sten - und deshalb für e<strong>in</strong>zelne Fälle wohl nicht zutreffenden - Nenner<br />
gebracht, kann man sagen, daß die Handschriften im christlichen Abendland nicht i<br />
öffentlichen (marktwirtschaftlichen) gesellschaftlichen Netzen, son<strong>der</strong>n entwe<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
Interaktionssystemen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Institutionen genutzt und weitergegeben wurden. Bis <strong>in</strong>s 16.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> blieb die Handschrift, um e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Bild zu gebrauchen, 'die Magd <strong>der</strong><br />
Rede': Sie diente <strong>der</strong> Vorbereitung, Durchstrukturierung und Nachbereitung des mündlichen<br />
Vortrags. Die Handschriften fungierten eher als Gedächtnisstütze für den Sprecher denn als<br />
e<strong>in</strong> selbständiges Medium <strong>der</strong> Interaktion mit an<strong>der</strong>en.<br />
In den Institutionen, den städtischen und überregionalen Verwaltungen, den Orden und<br />
Glaubensgeme<strong>in</strong>schaften, wurden die schriftlichen Texte gemäß <strong>der</strong> hierarchischen Bahnen<br />
weitergegeben. Die Abbildung 2 zeigt exemplarisch die Baumstruktur dieser <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Netze.<br />
An <strong>der</strong> Spitze des Netzes stehen die jeweiligen Repräsentanten o<strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> Institutionen,<br />
also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Römischen Kirche <strong>der</strong> Papst, die Fürsten und Bürgermeister <strong>in</strong> den Verwaltungen<br />
o<strong>der</strong> die Zunftmeister <strong>in</strong> den Handwerkerkooperationen. An <strong>der</strong> Basis f<strong>in</strong>den wir die Priester,<br />
die Beamten und Büttel, die Gesellen und Lehrl<strong>in</strong>ge. Sowohl von oben nach unten als auch<br />
von unten nach oben quälten sich die Informationen (z. B. Bullen, Petitionen, Memoranden,<br />
Kommentare) durch den Instanzenweg. Die Schriften e<strong>in</strong>es Mönches etwa mußten vom Abt<br />
gelesen und gebilligt werden, bis sie e<strong>in</strong>en Ordensoberen erreichen konnten. Und erst wenn sie<br />
von jenem approbiert wurden, gelangten sie vielleicht <strong>in</strong> die Hände des Bischofs usf. Auch<br />
diejenigen Werke, die an den Universitäten von den Stationarii vertrieben wurden, mußten<br />
zuvor von den universitären Gremien gebilligt se<strong>in</strong>. Erst was den Segen <strong>der</strong> oberen Etagen <strong>in</strong><br />
diesen Institutionen erhalten hatte, konnte dann durch die verschiedenen Verästelungen <strong>der</strong><br />
Pyramide wie<strong>der</strong> nach unten verteilt werden. Je höher die Instanz, umso breiter die Basis, <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> jeweilige Text bekannt wird. Nur das, was die jeweilige Spitze <strong>in</strong><br />
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