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langsamen Rhythmus des Wanderns wahrzunehmen.<br />

Zu Fuß mit jeder neuen Region, ob Navarra, Aragón,<br />

die Rioja, Castilla y León oder Galicien, ein ganz an-<br />

deres – genau genommen fünf verschiedene – Spa-<br />

nien kennenzulernen. Dieses Gefühl, immer wieder<br />

mitten durch das Mittelalter zu wandern, dabei die<br />

Existenz mobiler Fortbewegungsmittel derart auszu-<br />

blenden, dass nach vier Wochen die Geschwindigkeit<br />

der ersten motorisierten Fahrt beinahe schwindlig<br />

machte.<br />

Doch nicht nur meine Wahrnehmung veränderte sich,<br />

auch ich selbst wurde anders gesehen. Mit welcher<br />

Freundlichkeit und Neugierde die Menschen am Weg<br />

diesen »Touristen«, die sich die Mühe machten, ihr<br />

Land mit Wanderstiefeln und Rucksack zu erkunden,<br />

begegneten! Angesichts der Pilgermassen der vergan-<br />

genen Jahre ist dieses Interesse zwar teilweise etwas<br />

ermüdet, aber ganz verschwunden ist es nicht.<br />

Und dann waren da nicht zuletzt die nie vorherseh-<br />

baren, aber gerade deshalb immer wieder spannen-<br />

Das Kreuz des Santiago-Ritterordens am Weg in der Meseta.<br />

den Begegnungen mit den Mitpilgern. Menschen aus<br />

aller Welt, mit denen einen die Bereitschaft verbin-<br />

det, aus welchen Gründen auch immer, für einige<br />

Zeit Komfort und Bequemlichkeit gegen ein wan-<br />

derndes Dasein einzutauschen. Von dieser Mischung<br />

aus individuellem Erleben und Wir-Gefühl geht viel-<br />

leicht die größte Ansteckungsgefahr des Jakobsweges<br />

aus.<br />

Sobald die Rede auf den Jakobsweg kommt, fällt<br />

zwanghaft die Floskel vom Weg, der das Ziel sei. Da-<br />

bei stimmt das gar nicht. Wer losgeht, will irgend-<br />

wann irgendwo ankommen, ob an einem konkret auf<br />

der Landkarte verankerten oder einem ideellen Ziel.<br />

Dann doch lieber Antonio Machado: »Der Weg ent-<br />

steht im Gehen.«<br />

Und jeder Weg ist anders. Deshalb fasziniert er. Im-<br />

mer wieder.<br />

Cordula Rabe<br />

Caminante, son tus huellas<br />

el camino, y nada más;<br />

caminante, no hay camino,<br />

se hace camino al andar.<br />

Al andar se hace camino,<br />

y al volver la vista atrás,<br />

se ve la senda que nunca<br />

se ha de volver a pisar.<br />

Caminante, no hay camino,<br />

Sino estelas en el mar.<br />

Antonio Machado<br />

6 7<br />

Wanderer, deine Spuren<br />

sind der Weg, sonst nichts;<br />

Wanderer, es gibt keinen Weg,<br />

Weg entsteht im Gehen.<br />

Im Gehen entsteht der Weg,<br />

und im Blick zurück<br />

sieht man den Pfad,<br />

den man nie mehr betreten sollte.<br />

Wanderer, es gibt keinen Weg,<br />

nur eine Kielspur im Meer.<br />

(Übersetzung: Cordula Rabe)

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