Jahresbericht 2010 - Hackhauser Hof
Jahresbericht 2010 - Hackhauser Hof
Jahresbericht 2010 - Hackhauser Hof
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<strong>Jahresbericht</strong> <strong>2010</strong>
Hackhausen 5b · 42697 Solingen<br />
Fon 0212 22201-0 · Fax 0212 22201-20<br />
jubi@hackhauser-hof.de · www.hackhauser-hof.de<br />
Redaktion: Anja Franke, Elke Petrikat<br />
Konzept und Design: Bosbach Kommunikation & Design
inhalt<br />
Vorstellung evangelische Jugendbildungsstätte hackhauser hof e. V. 04<br />
Karl Hesse<br />
Von haus und hof 06<br />
Jahresrückblick <strong>2010</strong><br />
Anja Franke<br />
Fünf gute Gründe für eine ganzheitliche sexualpädagogik 10<br />
Standpunkt der Evangelischen Jugendbildungsstätte <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> e. V.<br />
Luise Pawlowsky<br />
Feuer fangen für eine idee 14<br />
<strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> on Tour mit dem Cafe ZeitReich<br />
Dr. Wilfried Drews<br />
Gruppen leiten lernen 16<br />
Juleica Diversity mit Verbänden Junger MigrantInnen<br />
Karl Hesse<br />
Nicht hinnehmbare Langeweile 20<br />
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst<br />
Dr. Wilfried Drews<br />
Gepflanzt wie ein baum ans Wasser 23<br />
Erlebnispädagogik in der Konfirmandenarbeit: Arbeiten mit Metaphern<br />
Luise Pawlowsky<br />
Kurzzeitpädagogik konkret 27<br />
Auszeit und Lernzeit für Kinder und jüngere Jugendliche<br />
Karl Hesse<br />
tut mit leid – keine Zeit! 30<br />
Erstes <strong>Hackhauser</strong> Kamingespräch mit Politikern und Jugendlichen ein voller Erfolg<br />
Vorstellung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des hackhauser hofs 32
4 Vorstellung<br />
evangelische Jugendbildungsstätte<br />
hackhauser hof e. V.<br />
Die Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhau-<br />
ser <strong>Hof</strong> e. V. ist eine von der Evangelischen Kirche<br />
im Rheinland und dem Land NRW geförderte<br />
Bildungsstätte und widmet sich besonders der<br />
Förderung und Qualifizierung von Ehrenamtlichen<br />
im Bereich der Evangelischen Jugend im Rheinland.<br />
Die Bildungsarbeit des <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>es wird<br />
verantwortet von einem pädagogisch-theologischen<br />
Team. Sie hat das Ziel,<br />
> ehrenamtliche Jugendliche in der Arbeit mit<br />
Kindern und Jugendlichen in den Gemeinden<br />
zu qualifizieren, Erfahrungsaustausch über<br />
Gemeinde- und Kirchenkreisgrenzen hinweg<br />
anzuregen und Verbindungen zu knüpfen,<br />
um eine Identität als Evangelische Jugend zu<br />
fördern.<br />
> hauptamtlichen Fachkräften ein Forum für<br />
Austausch, Reflexion und Anregung durch<br />
Studientage, Fortbildungen sowie durch<br />
vielfältige Beratungsangebote zu bieten.<br />
> Integrierte Fortbildung zu fördern durch Angebote<br />
für verschiedene mit Jugendarbeit oder<br />
besonderen Projekten befasste ehrenamtliche<br />
und hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
in den Gemeinden.<br />
Die Angebote des Teams<br />
des <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>es sind:<br />
1. Team- und Gruppenseminare an Wochenen-<br />
den für MitarbeiterInnen-Gruppen aus einer<br />
Gemeinde oder einem Kirchenkreis.<br />
2. Seminare zu jugendarbeitsrelevanten Themen.<br />
3. Grundkurse und Aufbaukurse für die Grup-<br />
penarbeit in den Gemeinden (Juleica) sowie<br />
Kurse für Freizeitleitung.<br />
4. Beratung und Entwicklung von Konzeptionen<br />
in Gemeinden und Kirchenkreisen.<br />
5. GuT DRAuF Angebote zu Themen wie<br />
Ernährung, Bewegung und Entspannung.<br />
6. Kooperationen mit Schulen.<br />
Die Angebote des <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>es werden<br />
in einem Jahresprogramm veröffentlicht, das<br />
jeweils im November des Vorjahres erscheint.
Der hackhauser hof stellt sich vor<br />
Die Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhau-<br />
ser <strong>Hof</strong> e. V. arbeitet in der Rechtsform eines ein-<br />
getragenen Vereins mit Mitgliederversammlung<br />
und Vorstand. Zum Vorstand gehören:<br />
Rüdiger Maschwitz (Vorsitzender)<br />
Heinrich Fucks (stellvertretender Vorsitzender)<br />
Yvonne Göckemeyer (Schatzmeisterin)<br />
Svenja Weitzig (weiteres Vorstandsmitglied)<br />
Das team für Jugendarbeit<br />
Vorstellung<br />
Die Jugendbildungsstätte – ein altes Landhaus,<br />
ein Gästehaus mit max. 78 Betten, ein Tagungshaus<br />
und ein Andachtspavillon in einem weitläufigen<br />
Park – liegt in landschaftlich reizvoller Lage<br />
in der Ohligser Heide und bietet sich an für<br />
> Tagungen<br />
> Seminare und Studientage<br />
> MitarbeiterInnen-Klausuren<br />
> Freizeiten<br />
> Schulklassentage und - wochen<br />
Anja Franke<br />
Leitung, Diplompädagogin, Sexualpädagogin<br />
Schwerpunkte: Sexualpädagogik, inklusive Arbeit, aktuelle Jugendforschung,<br />
systemische Beratung<br />
Karl Hesse<br />
Leitung, Landespfarrer für Jugendarbeit, Gemeindeberater, Organisationsentwickler<br />
Schwerpunkte: Jugendkirche und Jugendgottesdienst, Lebenswelt –<br />
Glaubenswelt – Mitmachwelt, Jungenarbeit / Genderfragen, Konzeptionsberatung<br />
für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Gemeinden<br />
Dr. Wilfried Drews<br />
Diplompädagoge, Religionspädagoge<br />
Schwerpunkte: Rassismuskritische Bildung und Diversity Lernen,<br />
Konfliktbearbeitung / Gewaltdeeskalation<br />
Luise Pawlowsky<br />
Sozialpädagogin<br />
Schwerpunkte: Arbeit mit Mädchen und Frauen, musisch-kulturelle Bildung,<br />
Arbeit mit Kindern, Jugendleitercard, lösungsorientierte Beratung<br />
5
6<br />
Jahresrückblick <strong>2010</strong><br />
Von haus und hof – ein Jahresrückblick<br />
Als ich ein kleiner Junge war, war es ein leich -<br />
tes und ein feines, in Spielzeugwelten einzutauchen.<br />
So war das Plastik-Parkhaus mit integrierter<br />
Tank stelle, Hebebühne und Autofahrstuhl zweite<br />
Hei mat für meine Matchbox-Autos und mich,<br />
um als Spielleiter von allen Seiten zugegen zu<br />
sein und zugleich en miniature in den veritablen<br />
Rennern damaliger Zeit erstaunlichste Aben teuer<br />
zu erfahren und zu überleben.<br />
Allein eine Tatsache überschattete mein Herz:<br />
Wa rum in Herrgotts Namen waren alle Autos<br />
»Made in England« und kein eines aus Deutschland?<br />
Selbst die nicht, welche mit einem Stern,<br />
einer Niere oder dem Wolfsburg-Emblem fuhren?!<br />
Merkwürdig, nicht? Da wird man in einem roten<br />
Pfarrerhaushalt nach bestem Elterngewissen<br />
antirassistisch, antichauvinistisch und superpazifistisch<br />
erzogen, und ich undankbare Göre von<br />
sieben Jah ren bin bis in die tiefste Seele betrübt,<br />
dass Mat chbox-Autos nicht »Made in Germany«<br />
sind, aber lassen wir das mal für dieses Vorwort<br />
auf sich beruhen…<br />
Denn wie dem auch sei, meine große Stunde<br />
schlug, als die Stiefmutter, ihres Zeichens Lehrerin,<br />
von einer mehrtägigen Klassenfahrt zurückkam.<br />
Im Gepäck Geschenke für die drei Kleinen.<br />
Für den einen Kleinen ein rechteckiger Karton.<br />
Im Karton ein motorisiertes Gerät. Das Gerät<br />
feuerrot. Zweigeschossig. Ein Doppeldecker-Bus.<br />
Wunderschön. Ich fuhr direkt los. und nach einer<br />
ersten erfolgreichen Spritztour kam der Bus,<br />
wie es sich gehört, in die Inspektion. Auf die<br />
Hebe bühne. unter dem Chassis stand: »Made in<br />
London«.<br />
Da seufzte ich glücklich und erleichtert, und<br />
dachte mir: Endlich mal ein Fahrzeug, das in<br />
einer deutschen Stadt gebaut wird.<br />
Liebe Freunde, Förderer und Interessierte<br />
unserer Evangelischen Jugendbildungsstätte<br />
<strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>,<br />
sich erinnern zu können, kann viel Freude bereiten.<br />
Weil im Rückblick als Eindampfung langer<br />
Prozesse in kurze Episoden deutlich wird, was<br />
wichtig war und was weniger. Wo Veränderung<br />
geschah, und wo etwas blieb, wie es war.<br />
Nun ist eine Lehrerin nicht typisch als Referentin<br />
unserer hauseigenen Seminare, aber es geht um<br />
die Mitarbeitenden, die hier tätig sind und ein Leben<br />
und Lernen am <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> ermöglichen.<br />
Nun ist ein Plastik – Parkhaus keine Jugendbildungsstätte,<br />
aber es geht um Räume und Orte,<br />
in denen sich Leben und Lernen ereignet.<br />
Nun ist ein siebenjähriges Kind nicht unsere<br />
Haupt zielgruppe, aber es geht um Menschenkinder,<br />
die unsere Räume und Orte aufsuchen,<br />
um hier zu le ben und spielerisch (spielend?) zu<br />
lernen.
Es geht um den Dreiklang von Menschen,<br />
Steinen und Bildung. Von ihnen handelt der<br />
<strong>Jahresbericht</strong>.<br />
und so ist von den Mitarbeitenden zu berichten:<br />
Auch weiterhin sind 20 Mitarbeitende in Hauswirtschaft,<br />
Haustechnik, Verwaltung und als<br />
ReferentInnen für den <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> und die<br />
Menschen, die ihn besuchen, tätig.<br />
Jeweils zweifach ereignete sich dabei das folgende:<br />
Ihre 10-jährigen Betriebsjubiläen begingen die<br />
Leiterinnen der Hauswirtschaft, Birgit Voos, und<br />
der Verwaltung, Astrid Block. Ihre 15-jährige Zu -<br />
gehörigkeit feierten Jasmin Schneiders aus der<br />
Verwaltung und Meggi Ganser aus der Hauswirtschaft.<br />
In den langen Betriebszugehörigkeiten<br />
sehen wir einen Hinweis auf das gute Arbeitsklima<br />
und die Verbundenheit der Mitarbeitenden zu<br />
unserem Haus.<br />
Personelle Veränderungen ergaben sich zum<br />
einen dadurch, dass Mandy Fürst ihre Prüfung<br />
zur Hauswirtschafterin erfolgreich abschloss –<br />
sie arbeitet inzwischen auf einer vollen Stelle in<br />
einem Mönchengladbacher Heim – und wir in<br />
Miriam Schötz im August eine neue Auszubil-<br />
Betriebsausflug nach Antwerpen<br />
Jahresrückblick <strong>2010</strong><br />
dende begrüßen konnten. Zum anderen orientierte<br />
sich Astrid Block im April beruflich neu.<br />
Nach einem langen Bewerbungsverfahren gelang<br />
es uns, in Reinhard ullrich die vakante Verwaltungsleiterstelle<br />
neu zu besetzen. Frau Block gilt<br />
unser herzlicher Dank für ihre akribische Arbeit<br />
und ihr aufwändiges Kümmern rund um die<br />
Belegung. In ihre Zeit fällt die für den Verein so<br />
wichtige Phase der Schließung eines Kooperationsvertrages<br />
mit der Evangelischen Kirche im<br />
Rheinland sowie der um– und Erweiterungsbau<br />
der Bildungsstätte.<br />
In Reinhard ullrich haben wir einen Nachfolger<br />
gefunden, der 26 Jahre in der Verwaltung und<br />
kommissarischen Leitung der Volkshochschule<br />
Mettmann-Wülfrath tätig war. Er hat die erste<br />
und zweite Verwaltungsprüfung absolviert, ist 53<br />
Jahre alt, verheiratet und Vater einer Tochter. Seit<br />
dem 01. Januar arbeitet er am <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>.<br />
Die Schnelligkeit, mit welcher er sich eingearbeitet<br />
hat, verblüfft und beglückt ebenso wie seine<br />
freundliche, verbindliche, zielstrebige, humorvolle<br />
und loyale Herangehensweise an die zu erledigenden<br />
Aufgaben.<br />
7
8<br />
Jahresrückblick <strong>2010</strong><br />
Alle Mitarbeitenden gemeinsam arbeiteten auf<br />
einem Fortbildungstag zu den Möglichkeiten, sich<br />
für die »Stiftung <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>« zu engagieren.<br />
Beschlossen wurde auch das Wiederaufleben<br />
gemeinsamer, regelmäßig stattfindender Hausandachten.<br />
Schließlich wurde auf einem zweitägigen Mitar-<br />
beiterausflug die Stadt Antwerpen gemeinsam<br />
entdeckt.<br />
So ist vom Haus, den »Steinen«, zu berichten:<br />
Frisch renoviert wurde der Freizeitbereich unter<br />
einem unserer Gästehäuser im vergangenen<br />
Sommer. Die Farbwahl nimmt das <strong>Hackhauser</strong><br />
Grün auf, die Drei-Raum-Gestaltung folgt ihrer<br />
Funktion: Ein Bewegungsraum mit Zuschauerbänken,<br />
ein Spielcafe und ein Lounge-Bereich<br />
mit Theke erwarten unsere Gäste.<br />
Auch organisatorisch hat sich im Haus einiges<br />
getan. Neu aufgestellt hat sich die Verwaltung.<br />
Ihre sechs Mitarbeitenden bilden drei Duos,<br />
welche sich ergänzen, vertreten, miteinander<br />
arbeiten. Neben dem »Empfang« gibt es die<br />
Teams »Belegung und Referentensekretariat«<br />
sowie »Finanzen und Personal«. Den Mitarbeiterinnen<br />
gelang durch die gehörige Aufstockung<br />
ihrer Arbeitszeiten sehr gut, die Vakanzzeit der<br />
Verwaltungsleitung zu kompensieren. Mit der<br />
erfolgreichen Einführung des »Hausmanagers«<br />
werden nun alle Arbeiten rund um die Belegung<br />
elektronisch bearbeitet.<br />
Komplett neu gestaltet wurde außerdem der<br />
Internetauftritt unserer Bildungsstätte. Das<br />
Ergebnis lädt unter der bekannten Adresse<br />
»www.hackhauser-hof.de« zu Besichtigung<br />
und Gebrauch ein.<br />
In einem für Tagungshäuser schwierigem Ge-<br />
schäfts jahr ist es uns gelungen, die Zahl der Ver-<br />
pflegungs tage nach einer deutlichen Steigerung<br />
2009 (plus 1.399) nahezu konstant zu halten:<br />
Einem minimalen Plus auf 2.329 Verpflegungs-<br />
tage bei den hauseigenen Seminaren (plus<br />
11) steht ein minimaler Rückgang auf 14.380<br />
Verpflegungstage insgesamt entgegen (minus<br />
54). Wie sich der Abschied vom Wehr- und<br />
Zivildienst und der neu geschaffene Freiwilligendienst<br />
auf unsere Belegungszahlen auswirken<br />
werden, bleibt abzuwarten.<br />
Von der Bildung ist schließlich zu schreiben:<br />
Die Bildungsarbeit im Jahr <strong>2010</strong> konnte mit 26<br />
thematischen Seminaren (plus 14), 13 Team –<br />
und Gruppenseminaren (minus 1) einen deutlichen<br />
Ausbau verzeichnen und erfolgreich ge -<br />
staltet werden. Insgesamt fanden 75 (plus 8)<br />
vom Team verantwortete Bildungsmaßnahmen,<br />
Arbeitstagungen und Fachgremien statt.<br />
Neben vielen bewährten Angeboten wie Kin-<br />
derplanet, Juleica-Schulungen in ihren Ausfor-<br />
mungen und dem exemplarischen Arbeiten mit<br />
Schulen und Erzieherinnen war die Vorbereitung<br />
des Jugendcamps der Evangelischen Jugend im<br />
Rheinland prägend. Wie bei jedem Camp, war<br />
auch diesmal der <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> mit einem<br />
großen Team ehrenamtlicher Jugendlicher als<br />
Café ZeitReich auf dem Jugendcamp.<br />
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 14<br />
Zudem scheinen sich neue Schwerpunkte unserer<br />
Bildungsarbeit herauszukristallisieren. Der<br />
theologische und religionspädagogische Bereich<br />
ist kräftig ausgebaut.<br />
Neben der Juleica-Schulung mit dem Netzwerk<br />
Jugendkirche wurde in Kooperation mit dem<br />
Päda gogisch-Theologischen Institut in Bonn Bad-<br />
Godesberg zum ersten Mal eine Juleica-Schulung<br />
für Ehrenamtliche in der Konfirmandenarbeit<br />
angeboten. Diese Schulung erfährt 2011 ihre<br />
Wiederholung und im Seminar »Erlebnispädagogik<br />
in der Konfirmandenarbeit« eine erstmalige<br />
Ergänzung.<br />
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 23
Auch fanden in Kooperation mit dem <strong>Hackhauser</strong><br />
<strong>Hof</strong> mehrtägige Jugendgottesdienstwerkstätten<br />
zu Jugendhausjubiläen, dem 400. Geburtstag<br />
der Duisburger Generalsynode und als offenes<br />
Seminar statt. Ein Werkstatttag an der KiHo<br />
Wuppertal gemeinsam mit dem Amt für Jugendarbeit<br />
und den Arbeitsstellen für Gottesdienst und<br />
Kindergottesdienst unterstreichen den Befund<br />
eines Aus baus dieses Bereiches und die Wichtigkeit,<br />
sich intensiv mit der Erarbeitung attraktiver<br />
Gottesdienstmodelle zu beschäftigen<br />
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 20<br />
Stark gefragt ist auch, in Kooperation mit der<br />
Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend Ehren -<br />
amtliche kleiner Verbände auszubilden: Die<br />
Kopten waren und sind zu Gast, die alevitische<br />
Jugend, der Bund orthodoxer Jugend sowie Koreaner.<br />
Mit dieser Arbeit wird unsere Bildungsarbeit<br />
im interreligiösen und interkulturellen Kontext<br />
abermals akzentuiert.<br />
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 16<br />
Schließlich beschäftigt der Bereich »Sexualpädagogik«<br />
zunehmend. Sexualität ist ein bestimmendes<br />
Thema im Kindes- und Jugendalter. Hinzu<br />
kommt die mediale Präsens, hervorgerufen durch<br />
die Fälle sexueller Gewalt in öffentlichen Einrichtungen,<br />
und die sich anschließende Debatte, wie<br />
die Evangelische Kirche und die Evangelische<br />
Jugend im Rheinland darauf rea gieren wollen.<br />
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 10<br />
Mit Sorge bemerken wir lediglich, dass die Bereitschaft,<br />
sich als Ehrenamtliche speziell für das<br />
Leiten und Begleiten von Freizeiten zu qualifizieren,<br />
sinkt. Zugleich bleibt die Anzahl an von<br />
Gemeinden angebotenen Freizeiten gleich hoch;<br />
ebenso der Betreuungsschlüssel der Teilnehmenden<br />
durch Ehrenamtliche. Die Kombination<br />
beider Befunde legt die Vermutung nahe, dass<br />
ein Qualitätsmerk mal Evangelischer Jugendarbeit<br />
bröckelt: die Kom bination aus gutem Betreu-<br />
ungsschlüssel mit qualifiziertem Personal.<br />
Jahresrückblick <strong>2010</strong><br />
Zum Ende ein kleiner Ausblick auf das<br />
laufende 2011:<br />
Strukturell beschäftigt ist der Verein mit dem durch<br />
die Landeskirche initiierten Sparprozess, welcher alle<br />
landeskirchlichen Einrichtungen einer Aufgabenkritik<br />
mit dem Ziel unterzieht, bis 2022 insgesamt 10bis<br />
max. 30 % an Kosten eingespart zu haben.<br />
In der inhaltlichen Ausrichtung der hauseigenen<br />
Seminarangebote und Gestaltung der Hausführung<br />
wird ein Maßstab der sein, inwiefern unsere<br />
Arbeit den Kriterien, missionarisch Volkskirche zu<br />
sein, entspricht.<br />
Inhaltlich wirft der Kirchentag in Dresden seine<br />
Schatten voraus. Nach einer erfolgreichen Bewerbung<br />
um die Teilnahme am Zentrum für die Jugend<br />
nimmt unser Themencafé Café HerzSchlag<br />
Konturen an und Fahrt auf. Hilfreich wird hierbei<br />
unsere Erfahrung vom Jugendcamp <strong>2010</strong> mit dem<br />
Café HerzSchlag sein.<br />
Leben und lernen im Grünen. Dabei die Bewegung<br />
einer Ellipse mit zwei Brennpunkten aufnehmen,<br />
nämlich sowohl als Teil unserer Landeskirche<br />
»missionarische Volkskirche« sein, als auch als<br />
außerschulische Bildungsstätte den Ideen und<br />
Rahmenbedingungen des Kinder- und Jugendplanes<br />
entsprechen – das wird die Aufgabe der<br />
Evangelischen Jugendbildungsstätte <strong>Hackhauser</strong><br />
<strong>Hof</strong> e. V. sein.<br />
Karl Hesse<br />
9
10<br />
Standpunkt<br />
standpunkt der evangelischen Jugendbildungsstätte<br />
Der öffentliche Diskurs zum Kindes- und Jugend-<br />
schutz ist vor dem Hintergrund der Berichter-<br />
stattung grenzüberschreitender Vorfälle gegen-<br />
wärtig von einer erhöhten Sensibilisierung, aber<br />
auch einer tiefen Verunsicherung geprägt. In<br />
diesem Zusammenhang rückt das die professionelle<br />
pädagogische Arbeit durchweg kennzeichnende<br />
Spannungsfeld von Nähe und Distanz<br />
in den Fokus des öffentlichen, aber auch des<br />
fachspezifischen Interesses. Sich diesem Diskurs<br />
zu stellen, ist für die Kinder- und Jugendarbeit<br />
unabdingbar. Es ist eine Herausforderung. und<br />
es ist eine Chance.<br />
Fünf gute Gründe für eine ganzheitliche<br />
sexualpädagogik<br />
1. Die sexuelle Entwicklung von Kindern<br />
und Jugendlichen ernst nehmen<br />
Sexualpädagogisches Arbeiten liegt in der Tatsache<br />
begründet, dass Kinder und Jugendliche<br />
eine psychosexuelle Entwicklung durchlaufen,<br />
während derer sie genau wie für andere Bereiche<br />
körperlichen, seelischen, geistigen, sozialen und<br />
spirituellen Wachstums, der unterstützung und<br />
Förderung durch Erwachsene bedürfen. Sexualität<br />
wird gelernt. Sexualität ist Lebensenergie und<br />
in allen Phasen des Lebens aktiv.<br />
Kinder und Jugendliche brauchen eine sexual-<br />
freundliche Begleitung, die sie in ihren Erfah-<br />
rungen im umgang mit Bedürfnissen, Sexualität,<br />
Körper, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Beziehungen,<br />
Geschlechtlichkeit und unterschiedlich heftigen<br />
Gefühlen wahrnimmt und ernst nimmt. Diese<br />
Erfahrungen sind sexuelle Lernfelder, denn sie<br />
schaffen ein bestimmtes Körper- und Lebensgefühl<br />
und fördern die Beziehungs- und Liebesfähigkeit.<br />
Eine Sexualpädagogik, die sich im Schutzauftrag<br />
vor sexuellen Grenzüberschreitungen erschöpft<br />
wird den Lebens- und Liebesthemen von Jungen<br />
und Mädchen nicht gerecht. Sie gaukelt lediglich<br />
trügerische Sicherheit vor. Wir müssen mehr<br />
leisten. Das bedeutet, auch die lebensbejahende,<br />
persönlichkeitsfördernde Begleitung von psychosexuellen<br />
Themen in den Blick zu nehmen. Für<br />
unseren Jugendverband und unsere Kirche liegt<br />
die Chance folgerichtig in der Installation und Etablierung<br />
einer ganzheitlichen Sexualpädagogik,<br />
die Kinder und Jugendliche in der Balance von<br />
Begleiten, Ermutigen und Schützen wahrnimmt.<br />
Unsere Aufgabe ist es, diese Themen mit all den<br />
Zwischentönen, unsicherheiten, Widersprüchlichkeiten<br />
und unvollkommenheiten kommunizierbar<br />
zu machen, um eine Kultur zu etablieren, in der<br />
über Sexualität gesprochen werden kann. 1 Denn<br />
ein solch enttabuisiertes Feld wirkt präventiv.<br />
2. Missbrauchsprävention ist ohne<br />
Sexualpädagogik nicht möglich<br />
Infrastrukturmaßnahmen wie Krisenmanagement<br />
und Entwicklung von Qualitätsstandards<br />
sind notwendige und sinnvolle Reaktionen auf<br />
den momentanen Missbrauchsdiskurs. Prävention<br />
kann nicht ohne Intervention stattfinden,<br />
es bedarf einer Einbettung in Netzwerke und<br />
Hilfsmaßnahmen. 2<br />
um die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen zu<br />
gewährleisten, ist die Installation einer ganzheitlichen<br />
Sexualpädagogik notwendig. Es geht
darum, eine Kultur von Aufmerksamkeit und<br />
Kommunikation zu schaffen - eine Kultur des Hin -<br />
schauens und des Miteinandersprechens über Sex -<br />
ualität in ihrer Vielschichtigkeit zu entwickeln. 3<br />
Prävention ist eher eine pädagogische Haltung<br />
als eine zeitlich begrenzte Maßnahme.<br />
»Präventionskonzepte, die gegen sexuellen<br />
Missbrauch arbeiten, aber ohne explizit sexuelle<br />
Bezüge aufzuklären, erreichen alles Mögliche, aber<br />
keine erfolgreiche Präventionsarbeit gegen sexuellen<br />
Missbrauch. Deshalb sollte die Erfassung des<br />
Sexualwissens, die konkrete und korrekte Bezeichnung<br />
der Genitalien ebenso Standard sein wie die<br />
kindliche Sexualität und Jugendsexualität.« 4<br />
Es geht darum, die sexuelle Selbstbestimmung von<br />
Kindern und Jugendlichen zu fördern, ihren verantwortlichen<br />
umgang mit sich selbst und anderen,<br />
sie sprachfähig mit sexuellen Themen werden zu<br />
lassen, sie sexuell aufzuklären. Dies ist nicht nur im<br />
Kontext zur Prävention von sexueller Gewalt von<br />
Bedeutung, sondern zielt gleichzeitig auf den Erwerb<br />
von Lebenskompetenz. Eine ganzheitliche Sexualpädagogik<br />
legt die Basis für diese Lernprozesse.<br />
Sie spricht Sexualitätsthemen umfassend in ihren<br />
Facetten an: die schönen und lustvollen und die<br />
Schattenseiten. Sexualität als bloßes Schreckensfeld<br />
und potentielle Gefahr darzustellen ist nicht nur<br />
falsch und läuft den menschlichen Grundbedürfnissen<br />
zuwider, sondern wird Kinder und Jugendliche<br />
außerdem noch mehr verunsichern, als zu ihrem<br />
Schutz beitragen. Das Spannungsfeld von sexueller<br />
Selbstbestimmung und gleichzeitigem Schutz vor<br />
Gefahren ist für die pädagogische Begleitung eine<br />
besondere Herausforderung. Festzuhalten ist, dass<br />
keine noch so gute Missbrauchsprävention die Verantwortung<br />
für den Schutz an die Opfer delegieren<br />
kann und darf. Kinder und Jugendliche sind Schutzbefohlene.<br />
Die Verantwortung für die Verhinderung<br />
sexuellen Missbrauchs liegt einzig und allein bei den<br />
Erwachsenen. 5<br />
Unsere Aufgabe ist es, den Fokus auf die<br />
Selbstwirksamkeit und die Stärkung des Selbst-<br />
Sexualpädagogik<br />
wertgefühls von Kindern und Jugendlichen zu<br />
legen. Dabei ist eine kontinuierliche, altersangemessene<br />
und strukturell verankerte präventive<br />
Pädagogik notwendig.<br />
3. Theologische Überlegungen<br />
Nach evangelischem Verständnis ist Sexualität<br />
eine gute Gabe Gottes und gehört zum Menschen<br />
in jeder Phase seines Lebens. In den Texten<br />
der Bibel wird der Mensch als Einheit von Körper,<br />
Seele und Geist gesehen. Sexualität ist eine von<br />
Gott geschenkte Lebenslust – eine Macht, die<br />
das Leben reicher, voller und schöner machen<br />
kann. Sie bietet eine kraftvolle Möglichkeit zur<br />
zwischenmenschlichen Beziehung. Sexualität<br />
kann aber auch zum Instrument von unterdrückung,<br />
Ausbeutung und Missbrauch werden. Zu<br />
einer erfüllenden Sexualität gehört immer auch<br />
die Wahrnehmung von Verantwortung gegenüber<br />
sich selbst und dem anderen. Das Gebot Jesu<br />
»Liebe deinen nächsten wie dich selbst« ist der<br />
Maßstab für verantwortlich gelebte Sexualität. 6<br />
Nach evangelischem Verständnis geht es in<br />
Konsequenz der theologischen und anthropologischen<br />
Voraussetzungen von Welt um die Freiheit<br />
der Kinder Gottes und damit um den Geist<br />
der Liebe, der Freiheit und des Vertrauens. 7<br />
Aus diesem Grundverständnis ist es<br />
unsere Aufgabe, Kinder und Jugendliche in<br />
einem ganzheitlichen Verständnis von Sexualität,<br />
welches sowohl Körper, Geist und Seele als<br />
Einheit wahrnimmt, zu fördern und sie auf ihrem<br />
Weg zu sexueller Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit<br />
zu begleiten und zu unterstützen.<br />
4. Sexuelle Rechte – eine Grundlage für<br />
Sexualpädagogik<br />
Rechte und Schutz von Kindern und Jugendlichen<br />
Das Recht auf Selbstbestimmung ist im Grundgesetz<br />
in Artikel 1 verankert. Das gilt auch für das<br />
Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Schutz<br />
vor Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung<br />
(StGB). Das Rechtsgut ist die ungestörte<br />
11
12 Sexualpädagogik<br />
sexuelle Entwicklung. In der Definition der sexu-<br />
ellen Rechte der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) von 2006 ist auch das Recht auf Sexualaufklärung<br />
und -erziehung explizit benannt.<br />
Sexualerziehung ist in Deutschland Teil des schu-<br />
lischen Erziehungsauftrages und in allen Lehrplä-<br />
nen fester Bestandteil (gesetzliche Grundlegung<br />
1977). Heute bildet das Schwangeren- und Familienhilfegesetz<br />
(SFHG) von 1992 die entscheidende<br />
gesetzliche Grundlage für schulische und<br />
außerschulische Sexualaufklärung.<br />
»Sexualaufklärung … soll mehr sein als nur Wis-<br />
sensvermittlung über biologische Vorgänge und<br />
die Technik der Verhütung, sie muss emotional<br />
ansprechend sein und die vielfältigen Beziehungsaspekte,<br />
Lebensstile, Lebenssituationen<br />
und Werthaltungen berücksichtigen. [ … ] Um<br />
vielfältige und vielseitige personale Kommunikation<br />
zu praktizieren, bedarf es qualifizierter<br />
Multiplikatoren in den Kontaktfeldern der anzusprechenden<br />
Zielgruppen.« 8<br />
Im unterschied zur Schule sind sexualpädagogische<br />
Bildungsangebote im Jugendverband kein<br />
eigenständiges öffentliches Erziehungsrecht. Das<br />
heißt, die Teilnahme an den Angeboten hängt<br />
von der Zustimmung der Eltern ab. Daraus ergibt<br />
sich ein Konfliktpotential:<br />
Als Jugendverband der sich der Selbstbestimmung<br />
von und der Parteilichkeit für Jugendliche<br />
verpflichtet fühlt, stellt sich uns die Frage,<br />
warum es Jugendlichen ab 14 Jahren im Prinzip<br />
gestattet ist, über ihre Sexualität frei zu verfügen,<br />
über ihre Religionszugehörigkeit zu entscheiden<br />
sowie sie wegen eines Verstoßes gegen<br />
das Strafgesetzbuch zu bestrafen, ihnen zugleich<br />
aber nicht zu gestatten, selbst zu entscheiden,<br />
ob und an welchem sexualpädagogischen Angebot<br />
sie teilnehmen möchten. 9<br />
Unser Bildungsauftrag, verankert im Kinder- und<br />
Jugendhilfe Gesetz (KJHG), bezieht ausdrücklich<br />
auch das Recht auf sexuelle Bildung mit ein.<br />
5. Sexualpädagogik: eine elementare<br />
Aufgabe unseres Jugendverbandes und<br />
unserer Kirche<br />
Außerschulische Bildungsorte sind von Kinder<br />
und Jugendlichen mitgestaltete, freiwillig besuchte<br />
und gestaltungsoffene Räume. In ihnen<br />
treten Mädchen und Jungen aktiv in Beziehung:<br />
Der erste Kuss auf einer Ferienfreizeit, der Austausch<br />
mit den Freunden und Freundinnen über<br />
sexuelle Themen, jenseits von elterlicher oder<br />
schulischer Aufklärungsinitiative, das Ausprobieren<br />
der eigenen Geschlechterrolle und -identität.<br />
Jugendverbände bieten wichtige Übungsfelder<br />
für »Nähesuchen und Distanzfinden, für die Reflexion<br />
über das, was einem in Partnerschaft und<br />
in der Sexualität wichtig ist« 10 und eignen sich in<br />
diesem Sinne hervorragend als selbstgestalteter<br />
Raum für sexuelle Bildungsprozesse.<br />
»So kann sexuelle Bildung als Selbsttätigkeit<br />
begriffen werden, bei der Mädchen und Jungen<br />
einen wichtigen Teil ihrer Kernidentität entwickeln.<br />
Sie erfahren ihren Körper als kraftvoll,<br />
üben sinnlichen Umgang mit sich selbst und<br />
anderen, der das Selbstwertgefühl stärkt, sie<br />
erfahren und setzen dabei zugleich Grenzen, bilden<br />
Resilienz, also Widerstandsfähigkeit aus. Mit<br />
anderen Worten: Kinder bilden sich in diesem<br />
Sinne von Anfang an und legen die körperliche,<br />
emotionale und soziale Basis für weitergehende<br />
Lernprozesse in und mit ihrer Umgebung.« 11<br />
Dies gelingt durch fachliches Wissen und Fortbildung,<br />
Selbstreflexion, Wissen um eigene Ängste,<br />
unsicherheiten und Stärken als auch durch die<br />
richtige Verschränkung von Nähe und Distanz.<br />
Professionalität im umgang mit Nähe und<br />
Distanz kann und darf sich nicht einseitig auf<br />
das Einhalten von Distanz beschränken, weil zu<br />
tragfähigen pädagogischen Beziehungen ebenso<br />
das sich Einlassen, sowie das Freilassen und das<br />
reflektierte Abstandhalten gehören.<br />
um diesen Bildungsauftrag wahrzunehmen, bedarf<br />
es einer Verankerung sexualpädagogischer Aus- und
Fortbildung für die haupt- und ehrenamtlich Täti-<br />
gen in der Kinder- und Jugendarbeit. unsere Auf-<br />
gabe ist es, Sexualpädagogik als elementaren<br />
Auftrag in unserer Arbeit konzeptionell zu<br />
verankern und durch Fortbildung zu sichern.<br />
Anja Franke<br />
Literatur<br />
> Barabas, Friedrich (2008): Jugendrecht und Sexualerziehung.<br />
In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, uwe (Hrsg.):<br />
Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung.<br />
Weinheim: Juventa-Verlag<br />
> Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (<strong>2010</strong>):<br />
Jugendsexualität. Repräsentative Wiederholungsbefragung<br />
von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern, Köln<br />
> Damrow, Miriam K. (<strong>2010</strong>): Was macht Prävention erfolgreich?<br />
Zur Kritik klassischer Präventionsansätze und deren Überwindung.<br />
In: BZgA Forum Sexualaufklärung und Familienplanung 3-<strong>2010</strong>.<br />
Köln<br />
> Evangelische Kirche im Rheinland (2007):<br />
Mit der Frau nicht gegen sie. Schwangerschaftskonfliktberatung,<br />
Schwangerenberatung und Sexualpädagogik aus Evangelischer<br />
Sicht. Düsseldorf<br />
> Gnielka, Martin (2011): Sexualpädagogik in der katholischen<br />
Jugend(verbands)arbeit. Eine Standortbestimmung im Kontext<br />
der neuen Missbrauchsdebatte. In: deutsche jugend 4-2011.<br />
Weinheim: Juventa-Verlag<br />
> Institut für Sexualpädagogik (<strong>2010</strong>): Standpunkt des Instituts<br />
für Sexualpädagogik zur Debatte um den sexuellen Missbrauch.<br />
Dortmund<br />
> Keil, Siegfried (2008): Evangelische Sexualethik und sexuelle<br />
Bildung. In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, uwe (Hrsg.):<br />
Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung.<br />
Weinheim: Juventa-Verlag<br />
> Sielert, uwe (2005): Einführung in die Sexualpädagogik.<br />
Weinheim und Basel: Beltz Verlag<br />
Sexualpädagogik<br />
Sexualpäd. Fortbildungen im <strong>Hackhauser</strong><br />
<strong>Hof</strong> 2011/2012<br />
für Hauptberufliche<br />
> 16. – 18. März 2011<br />
Sexualpädagogik der Vielfalt<br />
> 19. Oktober 2011<br />
Vom Hohen Lied der Liebe oder<br />
Sexualpädagogik meets Theologie<br />
> September 2012 bis März 2013<br />
Sexualpädagogik in der Kinder- und<br />
Jugendarbeit: eine mehrteilige<br />
Basisqualifikation in Kooperation mit<br />
dem isp (Institut für Sexualpädagogik)<br />
Für Ehrenamtliche<br />
> 21. – 23. Oktober 2011<br />
Grabbelsack, Kondomführerschein & Co –<br />
ein sexualpädagogisches Methodenseminar<br />
> 10. – 12. Februar 2012<br />
Kindeswohl – Kindesschutz<br />
> Sielert, uwe (<strong>2010</strong>): Kontrolle allein reicht nicht – vom umgang<br />
mit Nähe und Distanz, Macht und Erotik in pädagogischen Beziehungen.<br />
> Thoss, Elke (2008): Sexuelle Rechte – eine Grundlage weltweiter<br />
sexueller Bildung. In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, uwe (Hrsg.):<br />
Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim:<br />
Juventa-Verlag<br />
> Wanzeck-Sielert, Christa (2009): Sexuelle Bildung und Erziehung<br />
in der Grundschule.<br />
In: BZgA Forum Sexualaufklärung und Familienplanung 3-2009. Köln<br />
Fußnoten<br />
1 Vgl.Gnielka (2011), S. 154<br />
2 Die Evangelische Jugend hat hierzu einen Katalog für strukturelle<br />
Maßnahmen entwickelt: Eindeutige Positionierung der Organisation<br />
gegen sexuelle Gewalt, Klare Regeln zum umgang mit<br />
Mädchen und Jungen (freiwillige Selbstverpflichtung), Leitlinien<br />
zum Vorgehen im Verdachtsfall, Schulung und Fortbildung für alle<br />
Mitarbeiter/innen, Beschwerdestrukturen, z. B. Ansprechstellen<br />
(intern und extern).<br />
3 vgl. Standpunkt des isp zur Debatte um den sexuellen<br />
Missbrauch (<strong>2010</strong>)<br />
4 Damrow (<strong>2010</strong>), S. 26.<br />
5 vgl. Damrow (<strong>2010</strong>)<br />
6 Evangelische Kirche im Rheinland (2007), S. 30<br />
7 Keil (2008), S. 174<br />
8 Ausführung durch das urteil des Bundesverfassungsgerichts vom<br />
28. Mai 1993 zum Paragrafen 218 StGB<br />
9 vgl. Barabas (2008), S. 522<br />
10 Gnielka (2011), S. 155<br />
11 Wanzeck-Sielert (2009), S. 22<br />
13
14 Jugendcamp in Idar-Oberstein<br />
Feuer fangen für eine idee – hackhauser hof on tour<br />
mit dem cafe Zeitreich<br />
Es war klar, dass der <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> beim Ju-<br />
gendcamp in Idar Oberstein vom 3. – 6. Juni wie-<br />
der ein Angebot macht. Seit dem ersten Camp in<br />
Altenkirchen haben wir immer ein Themencafe<br />
und darauf bezogene Aktionen gewählt. Gleich -<br />
wie in den Jahren zuvor - war auch das Konzept,<br />
mit Ehrenamtlichen gemeinsam ein Team zu<br />
bilden. Diese Kombination ermöglicht uns als<br />
Jugendbildungsstätte das, was unser Tagewerk<br />
ist, weiterzutragen und erlebbar zu machen,<br />
nämlich aufmerksame und zugewandte GastgeberInnen<br />
eines Treffpunktes zu sein, Angebote<br />
zu machen, bei denen Inhalte mit Methoden<br />
verknüpft werden und so Ideen für die Praxis vor<br />
Ort zu multiplizieren.<br />
Aller Anfang ist schwer<br />
Für das im Programm ausgeschriebene Planungsseminar<br />
gab es kaum Anmeldungen. Deshalb<br />
nutzte das Dreierteam Anja Franke, Karl Hesse<br />
und Luise Pawlowsky das angesetzte Wochenende<br />
für eine Ideenfindungs- und Organisationswerkstatt,<br />
um dann anschließend gezielt ehren -<br />
amtliche MitstreiterInnen zu gewinnen und<br />
vorzubereiten.<br />
Die Magie einer Idee<br />
Das Motto des Camps »facettenreich und felsenfest«,<br />
das dem Veranstaltungsort abgespürt<br />
war, inspirierte uns nur insofern, dass wir den<br />
Facettenreichtum eines Themas durchspielen<br />
wollten. Mit unserem Titel »Cafe ZeitReich«<br />
fanden wir ein Thema, das uns ermöglichte, von<br />
der Speisekarte über die Dekoration bis zu den<br />
Workshops einen Themenfaden zu spinnen. Die<br />
Selbstreflexion und Inspiration im umgang mit<br />
Zeit, war uns ein Anliegen, weil wir uns mit den<br />
sich verändernden Zeitbudgets von Jugendlichen<br />
als BesucherInnen und Mitwirkenden in der<br />
Kinder- und Jugendarbeit ständig beschäftigen.<br />
Slow food, fast food, Eiszeit, Brotzeit … wenn es<br />
konkret wurde, sprudelten die Ideen: Zeitgärten<br />
basteln und damit auf Gedankenreise gehen,<br />
Rhythmus- und Tanzworkshop, slow motion -<br />
Wanderungen bei Tag und bei Nacht, Materialund<br />
Textcollagen zu verschiedenen Zeit-Themen<br />
und nicht zuletzt die chill-out-zone.<br />
Mit den Zeit-Themen-Tafeln, die wir zum Ge-<br />
stalten an verschiedene Jugendgruppen wei-<br />
tergaben, und die anschließend als Ausstellung<br />
in unserem Cafe zusammenfanden, gab es die<br />
Chance zu kreativen O-Tönen aus dem Alltag<br />
von Jugendlichen (man findet sie jetzt im Treppenhaus<br />
und im Büroflur unseres Altbaus).<br />
Ein Super Team<br />
In Mönchengladbach, Heiligenhaus und Leverkusen<br />
fanden wir dann ehrenamtliche MitstreiterInnen,<br />
die sich für die Idee begeisterten, ein<br />
großes Zeit-Budget zur Verfügung stellten und<br />
ihre vielfältigen Talente mit in den Ring warfen.<br />
Einen Küchenbetrieb managen, eine Service-<br />
Kultur entwickeln, die musikalischen Talente in<br />
Workshops und in einen Auftritt einbringen,<br />
kleine Themenwanderungen zu inszenieren, das<br />
alles machte mit hoch motivierten, engagierten<br />
und belastbaren Jugendlichen und jungen<br />
Erwachsenen viel Spaß.<br />
Wir als Leitungsteam waren neben der Mitwir-<br />
kung in der Küche und der Workshopleitung für<br />
Planung, Organisation, Logistik, Finanzen, Equipment,<br />
Einkauf und Dekoration zuständig – und<br />
nicht zuletzt für das unvorhersehbare.<br />
Die Magie des Ortes<br />
Was unseren Veranstaltungsort anging, klopften<br />
wir an viele Türen und fünf vor zwölf öffnete<br />
sich dann doch noch das Bistro in der Mercator<br />
Veranstaltungshalle mit Terrasse. Das war eine<br />
Top-Location und unser Glück. Günstige Lage in
der Nähe anderer Veranstaltungsorte des Camps,<br />
gut ausgestattet mit Küche, Geschirr und Möbeln.<br />
Direkt am Waldrand – der Kontrast Betonstadt /<br />
Zivilisation und Natur / Gebirge passte zu unserem<br />
Anliegen, und prägt ja auch die Stadt Idar-<br />
Oberstein. Der Ort ist der dritte Lehrer – das kennen<br />
wir gut, und bei durchgehendem Sonnenschein<br />
erst recht.<br />
Fazit<br />
Das Konzept hat gegriffen, wir hatten viele,<br />
mehr als zufriedene BesucherInnen. Alle Workshops<br />
fanden statt. Am Abschlussabend platzte<br />
unser Cafe beim spontan organisierten Konzert<br />
der Gruppe »Megamania« aus allen Nähten.<br />
Wir haben als Team eine Lektion in Sachen Pro-<br />
jektmanagement gelernt und werden das know<br />
how beim Kirchentag in Dresden nutzen, wo<br />
Jugendcamp in Idar-Oberstein<br />
wir ein »Cafe HerzSchlag« mit (fast) demselben<br />
Team anbieten werden.<br />
Natürlich haben wir den umgang mit unseren<br />
eigenen Zeitbudgets vor während und nach<br />
Idar-Oberstein kritisch reflektiert. Ein Cafe<br />
ZeitReich war ein Zeitschlucker, nicht nur weil<br />
es von 10:00 – 24:00 uhr durchgehend geöffnet<br />
war. Aber wenn so ein Laden erst mal läuft und<br />
angenommen wird, dann überwiegt das Gefühl<br />
von gewonnener Zeit. und dieses Gefühl teilten<br />
wir mit vielen unserer BesucherInnen.<br />
Hinweis<br />
Die Methode: Mit »Zeitgärten« arbeiten,<br />
kann man auf www.hackhauser-hof.de<br />
unter Downloads nachlesen.<br />
Luise Pawlowsky<br />
15
16 Juleica Diversity<br />
Gruppen leiten lernen – Juleica Diversity mit<br />
Verbänden Junger Migrantinnen (VJM)<br />
Der vorliegende Beitrag stellt in einem ersten Teil<br />
Erfahrungen mit Methoden aus der Juleica-Schulung<br />
mit Verbänden Junger MigrantInnen (VJM)<br />
vor. Reflektiert werden Erfahrungen, die sich auf<br />
Qualifikationsmaßnahmen der Evangelischen<br />
Jugendbildungsstätte <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> beziehen,<br />
an denen zu gleichen Teilen junge Ehrenamtliche<br />
der Evangelischen Jugend im Rheinland und angehende<br />
Imame des Verbands Islamischer Kulturzentren<br />
teilgenommen haben. Die Ausführungen<br />
gehen weiterführend auf Juleica-Kurse von<br />
Mitarbeitenden des orthodoxen Jugendbundes<br />
und der Koptischen Jugend ein.<br />
In einem zweiten Teil werden konzeptionelle<br />
Überlegungen angeführt, den Ansatz von<br />
Juleica Diversity auf die Grundschulungen von<br />
Mitarbeitenden aus VJMs zu beziehen.<br />
Kinder- und Jugendgruppen im Blick<br />
Was habe ich als Mädchen im Alter von 6 bis 10<br />
Jahren gern gemacht? Was habe ich als Junge in<br />
dem gleichen Alter gern gespielt? und weiterführend:<br />
Was habe ich von wem gebraucht? So<br />
lautet während des Juleica Grundkurses die Aufgabenstellung<br />
der Übung »Die Gruppe im Blick<br />
haben und den / die TeilnehmerIn nicht aus dem<br />
Auge verlieren« 1 . Mit ihr reflektieren angehende<br />
GruppenleiterInnen einen eigenen Lebensabschnitt.<br />
Erlebnisse und Erfahrungen in der<br />
Rückbesinnung noch einmal lebendig werden zu<br />
lassen, beabsichtigt, eine empathische Haltung<br />
gegenüber den altersspezifischen Bedürfnissen<br />
von Kindergruppen zu entwickeln. Sind die<br />
Mitarbeitenden im Kontakt mit der eigenen<br />
Kindheit, können sie sensibel wahrnehmen, was<br />
Kindern und Jugendlichen gut tut und was sie<br />
an Orientierung, Freiheit, Fürsorge, Geborgenheit,<br />
Selbstständigkeit, Zumutung, Beteiligung<br />
und Mitbestimmung brauchen. Die Gegenüberstellung<br />
der Ergebnisse ermöglicht einerseits<br />
die Sozialisation von Jungen und Mädchen zu<br />
vergleichen. Sie ermöglicht andererseits die Entwicklungen<br />
von der Alterstufe im Grundschulalter<br />
zur Vorpubertät und Pubertät (11 bis 14<br />
Jahre) zu realisieren. Auf einer zweiten Ebene<br />
bietet die Methode die Chance, zwischen<br />
Jungen- und Mädchensozialisation, zwischen<br />
mit und ohne Migrationshintergrund, Vergleiche<br />
anzustellen. Dabei können gleiche und unterschiedliche<br />
Erfahrungen thematisiert, reflektiert<br />
und bewertet werden. In einem weiteren Schritt<br />
setzen sich die Ehrenamtlichen dann mit der Gegenüberstellung<br />
ihrer eigenen Kindheit und der<br />
Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen<br />
heute auseinander: »Was sagt ihr, wenn ihr an<br />
eure eigene Kindheit denkt und an die Kinder im<br />
Alter von 6 bis 10 Jahren heute?« Die Leistung<br />
der Übung besteht in der Schulung eines differenzierten<br />
Blicks. Sinn der Übung ist es, Mitarbeitende<br />
für die anvertrauten Zielgruppen zu sensibilisieren,<br />
um auf Kinder- und Jugendgruppen<br />
sowohl als soziale Größe als auch individuell auf<br />
Einzelne eingehen zu können und eine aufmerksame<br />
zugewandte Haltung zu entwickeln.<br />
Das Trainieren und Erproben, Gruppen zu mo-<br />
derieren, nämlich einen Ausflug gemeinsam mit<br />
einer Gruppe planen oder ein Spiel anzuleiten,<br />
gehört als Weiteres zum Übungsfeld der Juleica<br />
Ausbildung. Ein Beispiel: Zwei Teilnehmende bekommen<br />
die Aufgabenstellung, mit einer Gruppe<br />
eine Willkommensparty zu organisieren. Neben<br />
der Herausforderung der Gesprächsstruktur<br />
geht es im Rollenspiel um die Berücksichtigung<br />
einzelner Interessen und deren Einflussnahme.<br />
In der Auswertung lernen die Teilnehmenden im<br />
umgang mit dem Feedback, ihr eigenes Leitungsverhalten<br />
zu beurteilen.<br />
Für Verbände Junger MigrantInnen (VJM) aus<br />
dem Bereich der Koptischen Jugend sowie des
Orthodoxen Jugendbundes sind Katechese<br />
und Gottesdienst in der Arbeit mit Kindern<br />
und Jugendlichen von großer Bedeutung. Im<br />
Juleica-Grundkurs können die Mitarbeitenden<br />
freizeitpädagogischen Fragestellungen, wie den<br />
kindlichen Bedürfnissen nach Erholung, Bewegung<br />
und Ruhe sowie den Möglichkeiten von<br />
Partizipation und altersgemäßer Bildungsanregung<br />
nachgehen. 2<br />
Aufgrund weitläufiger Einzugsbereiche der<br />
Gemeinden und erheblichen Entfernungen<br />
zwischen einzelnen Standorten stehen die<br />
VJMs vor besonderen organisatorischen Herausforderungen.<br />
Die praktische Jugendarbeit<br />
der Koptischen Jugend und des Orthodoxen<br />
Jugendbundes konzentriert sich hauptsächlich<br />
auf Veranstaltungen am Wochenende und in<br />
den Ferien. Es gibt zweitägige Jugendtreffen und<br />
Freizeitmaßnahmen. Hier sind eigene Konzepte<br />
und Praxiselemente gefragt. Für die GruppenleiterInnenschulung<br />
bedeutet dies, die Aufgabenstellung<br />
beispielsweise bei der Arbeitseinheit<br />
Programmplanung und -entwicklung entsprechend<br />
der Bedingungen der VJM im Sinne eines<br />
eigenen Projektmanagements zu formulieren. 3<br />
Ein Beispiel lautet: Plant gemeinsam mit einer<br />
Gruppe einen Grillabend mit Programm.<br />
Während in Juleica-Grundschulungen mit<br />
Teilnehmenden aus der evangelischen Jugend<br />
im Baustein umgang mit schwierigen Situationen<br />
– Konfliktbearbeitung Fallbeispiele aus der<br />
konkreten Praxis der Gruppenarbeit thematisiert<br />
werden, geht es bei den sich im Aufbau befindenden<br />
Verbänden um Klärung von schwierigen<br />
Situationen im Bereich von Struktur, Organisation,<br />
Kommunikation und Finanzierung. Die Mitarbeitenden<br />
müssen ohne unterstützung durch<br />
hauptberufliche Kräfte zurechtkommen. Alle<br />
Arbeiten, ob pädagogisch oder administrativ, leisten<br />
sie ehrenamtlich. Zudem sind die im Aufbau<br />
befindlichen VJMs, was Ausstattung, Material<br />
und Sachmittel betrifft, bislang finanziell sehr begrenzt<br />
ausgestattet. Die Ehrenamtlichen sind in<br />
Juleica Diversity<br />
ganz besonderem Maße auch auf die ideelle unterstützung<br />
der Priester und leitenden Gemeindemitglieder<br />
angewiesen. Das bedeutet, dass<br />
bei den Jugendlichen vor allem kommunikative<br />
Kompetenzen gefragt sind, um Menschen zu gewinnen,<br />
die sie in ihrem Anliegen unterstützen.<br />
Kommunikation in der Gruppenleitung macht<br />
sich nicht nur auf die Bedingungen gelingenden<br />
umgangs mit Gruppen deutlich. Die Arbeitseinheit<br />
vermittelt grundlegende Fähigkeiten<br />
der Gesprächsführung. Diese sind auch auf der<br />
strukturellen Ebene hilfreich. Schließlich geht es<br />
darum, den Aufbau und die Etablierung eines<br />
Jugendverbands politisch zu realisieren. Auf<br />
gesellschaftspolitischer Ebene handelt es sich um<br />
die Anerkennung als gleichberechtigter Jugendverband<br />
unter anderen Verbänden beispielsweise<br />
bei der Partizipation an finanziellen Mitteln.<br />
Was heißt Diversity in der Grundschulung<br />
von Ehrenamtlichen aus VJMs?<br />
Bei dem hier vorliegenden Ansatz der Juleica Diversity<br />
geht es um eine Pädagogik der Anerkennung,<br />
die man in Anlehnung an Paul Mecheril<br />
als Pädagogik der kritischen Differenzsensibilität<br />
bezeichnen könnte. Als Kennzeichen einer solchen<br />
Pädagogik wären eine Reflexive Pädagogik<br />
der (nicht verhindernden) Mehrfachanerkennung<br />
und eine Didaktik der Differenzsensibilität auf<br />
dem Hintergrund eines Gleichheitsgrundsatz 4 zu<br />
benennen.<br />
Dieser Ansatz einer Pädagogik der Sozio-Diver-<br />
sität 5 verschränkt das Prinzip der Gleichheit mit<br />
dem der unterschiedlichkeit. Die Verbindung<br />
beider Prinzipien ist reflexiv auf ihre Diskrimi-<br />
nierungs-, Ausgrenzungs- und Machtvertei-<br />
lungsaspekte zu untersuchen. So könnte die<br />
Frage lauten: Wie wird den Beteiligten Respekt<br />
entgegengebracht, wie werden Autonomie,<br />
Partizipation und Selbstachtung ermöglicht,<br />
wie verhindert? Weitergehend könnte sich die<br />
Frage anschließen: Welche Folgen ergeben sich<br />
daraus? Zudem lassen sich die Fragen personell,<br />
institutionell und gesellschaftsstrukturell<br />
17
18 Juleica Diversity<br />
durchdeklinieren. Es geht in der Analyse um die<br />
Reflexion von Machtverhältnissen deren Reproduktion<br />
und deren Konsequenzen. So kann der<br />
Grundsatz der Gleichheit in ungleichheit umschlagen,<br />
wenn eine Gleichbehandlung lediglich<br />
einer Bestätigung bestehender Dominanzverhältnisse<br />
dient. Zum Beispiel: Alle bekommen das<br />
gleiche Essen, obwohl es in der Seminargruppe<br />
TeilnehmerInnen gibt, die aus religiösen Gründen<br />
kein Schweinefleisch oder aus ethischen<br />
Gründen kein Fleisch essen oder aus gesundheitlichen<br />
Gründen eine andere Kost brauchen.<br />
»Gerechtigkeit … muss an eine Achtsamkeit für<br />
unterschiede geknüpft sein, weil ansonsten jene<br />
benachteiligt werden, die nicht der dominanten<br />
Lebensform zugehören.« 6 Gleichzeitig ist die<br />
Sensibilität für unterschiede auf den Gleichheitsgrundsatz<br />
angewiesen, um zu verhindern,<br />
dass unter Hinweis auf die Anerkennung von<br />
Vielfältigkeit gerade bestehende ungerechtigkeiten<br />
gerechtfertigt werden. Zum Beispiel:<br />
Einige Mitarbeitende sind älter. Sie stehen mitten<br />
im Beruf und haben bereits längere Erfahrungen<br />
in der Arbeit mit Gruppen gesammelt. Andere<br />
werden gerade 16 Jahre alt und gehen noch zur<br />
Schule. Sie stehen auf dem Sprung, Gruppen zu<br />
übernehmen, verfügen aber noch nicht über die<br />
Erfahrungen, Gruppen zu moderieren und zu leiten.<br />
Das Alter und die Erfahrungen prädestinieren<br />
jedoch nicht von vornherein für die Leitung<br />
einer Gruppe. unabhängig davon sind zudem<br />
andere Faktoren, die eine Rolle spielen können.<br />
Beispielweise gibt es extrovertierte Mitarbeiter-<br />
Innen, denen es leicht fällt, auf Menschen einzugehen<br />
und introvertierte, denen es nicht so<br />
leicht fällt, Gruppen zu moderieren.<br />
Sensibilität bedeutet Wahrnehmung von Differ-<br />
enzlinien, die in Privilegierte und Nicht-Privile-<br />
gierte teilen. Diese Differenzlinien sind bei-<br />
spielsweise Alter, Aussehen, Milieu, arm / reich,<br />
Gender, sexuelle Orientierung, Staatsangehö-<br />
rigkeit, Religion, Sprache, Behinderung / Nicht-<br />
behinderung, Bildung und Intellekt. Zudem<br />
können sie sich überlagern oder quer zueinander<br />
verlaufen. Dies erfordert eine Grundhaltung der<br />
Seminarleitung, die dies realisiert und im Blick<br />
hat. Strukturell sollte die Sozio-Diversität auch im<br />
Leitungsteam vertreten sein, zum Beispiel Mann<br />
und Frau, mit und ohne Migrationshintergrund.<br />
Anstatt eines Fazits: Sozio-Diversity als<br />
Grundhaltung in der Seminarleitung und in<br />
der Auswahl der Methoden.<br />
Worauf es in der Leitung der Qualifikationsmaßnahme<br />
primär ankommt, ist die Selbstauseinandersetzung<br />
und Reflexion der Seminarleitung.<br />
Welche Einstellungen, Verhaltensweisen und<br />
Erfahrungen beeinträchtigen oder verhindern<br />
eine differenzsensible Wahrnehmung der Seminargruppe,<br />
welche fördern sie? Ist der Gleichheitsgrundsatz<br />
gewahrt ohne abzuwerten oder<br />
auszugrenzen? Es gilt eine rassismuskritische<br />
Haltung 7 durch Selbst-Reflexion einzunehmen.<br />
Die Haltung bewährt sich in der Interaktion mit<br />
der Gruppe und dem/der Einzelnen. Sie hat für<br />
die Gruppe Vorbildcharakter und kann in das<br />
Repertoire des Leitungsverhaltens der Ehrenamtlichen<br />
übernommen werden.<br />
In der Zusammenarbeit mit der Koptischen Ju-<br />
gend und dem Orthodoxen Jugendbund geht es<br />
im Juleica Grundkurs auf personeller Ebene um<br />
die Anerkennung der Person als Mann, Frau, orthodox,<br />
StudentIn, Ärztin, Single, Ehefrau, Vater,<br />
ehrenamtliche MitarbeiterIn, Mehrsprachigkeit,<br />
Bildungsstand und Milieuzugehörigkeit.<br />
Neben dem Verhalten der Seminarleitung tragen<br />
entsprechende didaktische Bausteine dazu<br />
bei, die Anerkennung der Person zu fördern.<br />
Dies realisiert sich im Seminar beispielsweise<br />
durch die Vereinbarung von Seminarregeln zum<br />
respektvollen umgang. 8 Für die Einstiegsphase<br />
der Gruppe liegt bereits eine Reihe von methodischen<br />
Materialien vor, auf die zurückgegriffen<br />
werden kann, um Sensibilität für Gleichheit und<br />
Einmaligkeit bereits in der Kennenlernphase zu<br />
fördern. 9 Bei allen anderen Themen der Juleica<br />
Grundschulung lassen sich in der Planung wie
in der Durchführung methodische Bausteine<br />
daraufhin befragen, wie sie der Sozio-Diversität<br />
dienen beziehungsweise wie sie zu modifizieren<br />
sind, um dem Ansatz gerecht zu werden.<br />
Fußnoten<br />
1 Siehe Drews, W. Juleica Grundkurs Diversity: »Gruppen leiten &<br />
unterschiede (be-) achten«<br />
In: Evangelische Jugend im Rheinland. (hrsg.) 2009. Vielfalt<br />
bereichert. Juleica Diversity Arbeitshilfe., S. 14. Bezug Amt für<br />
Jugendarbeit der EKiR, Graf-Recke-Str. 209, Düsseldorf.<br />
2 Siehe uN-Kinderrechtskonvention insbesondere Artikel 29 – 31.<br />
3 Siehe Drews, W. Juleica Grundkurs Diversity: »Gruppen leiten &<br />
unterschiede (be-) achten«.<br />
A.a.O., S. 25. Die Übung »Programmentwicklung« ist dort<br />
spezifisch für eine Seminargruppe erstellt worden, die paritätisch<br />
aus Ehrenamtlichen der Evangelischen Jugend im Rheinland und<br />
angehenden Imamen des Verbands Islamischer Kulturzentren<br />
zusammengesetzt war.<br />
4 Mecheril, P.: Pädagogik der Anerkennung. Eine programmatische<br />
Kritik. In: Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit<br />
in Nordrhein-Westfalen. (Hrsg.) Überblick. 16. Jg., Nr.<br />
3., S. 8 – 12.<br />
5 Der Begriff Sozio-Diversity wird hier eingeführt, um den vorgestellten<br />
Ansatz von Diversity Management Konzeptionen abzugrenzen,<br />
bei denen es letztendlich um ökonomische Effizienz geht.<br />
6 Ebd., S. 9.<br />
Juleica Diversity<br />
Hinweis<br />
Der Bericht wurde für die Arbeitsgemeinschaft<br />
Evangelische Jugend Deutschland (aej) als Beitrag<br />
zur Abschlusspublikation – Coaching-Projekt<br />
mit evangelisch-ökumenischen-VJM erstellt.<br />
Dr. Wilfried Drews<br />
7 Siehe Mecheril, P.: Vom antirassistischen zum rassismuskritischen<br />
Ansatz. In: Ders. Einführung in die Migrationspädagogik.<br />
o. Auf. 2004., S. 200-212. DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.<br />
(Hrsg.) Baustein zur nichtrassistischen Bildungsarbeit. O. Aufl.,<br />
S.16.<br />
8 Siehe beispielsweise Gewaltakademie im Amt für Jugendarbeit der<br />
EKvW. Impulse und Übungen zur Thematisierung von Gewalt und<br />
Rassismus, Schule und Bildungsarbeit Band 2. 2002., S.20 f.<br />
9 Siehe beispielsweise: Handschuck, S., Klawe, W.: Interkulturelle<br />
Verständigung in der Sozialen Arbeit.<br />
3. Aufl. <strong>2010</strong>. Arbeitskreis Interkulturelles Lernen, Diakonisches<br />
Werk Württemberg (Hrsg.):Trainings- und Methodenhandbuch.<br />
Bausteine zur interkulturellen Öffnung. 1. Auf. 2001.<br />
Gilsdorf, R. Kistner, G.: Kooperative Abenteuerpädagogik.<br />
5. korrigierte Auf. 1998. diese.: Kooperative Abenteuerspiele 2. 2.<br />
Aufl. 2002.<br />
19
20 Konfirmandenarbeit und Gottesdienst<br />
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst –<br />
nicht hinnehmbare Langeweile<br />
Hier abgedruckt ist die Originalversion eines<br />
Artikels, der in geänderter Fassung auch in der<br />
von der Landessynode 2011 verabschiedeten<br />
neuen Handreichung »Konfirmandenarbeit und<br />
Konfirmation« erscheint.<br />
Einerseits ist in vielen Gemeinden der Besuch<br />
des Gottesdienstes für Jugendliche verbindlicher<br />
Bestandteil in der Konfirmandenzeit, andererseits<br />
berücksichtigen die Gottesdienste in der Regel in<br />
Inhalt, Form, Sprache, Thema und Vollzug die Lebensbezüge<br />
von Jugendlichen dieses Alters nicht<br />
genügend. Häufig stehen auch Konfirmandenarbeit<br />
und Gottesdienst nebeneinander; lediglich<br />
der Vorstellungsgottesdienst wird als Chance<br />
begriffen, den unterricht und seine Ergebnisse<br />
gottesdienstlich zu transformieren. So erstaunt es<br />
nicht, dass Jugendliche Gottesdienste langweilig<br />
finden und der Anteil derer, die dies nach Ablauf<br />
der unterrichtszeit äußern, sogar noch um 54 %<br />
auf über 60 % aller Jugendlichen steigt. 1 Wird<br />
allerdings der durchschnittliche Sonntagsbesuch<br />
von Gottesdiensten berücksichtigt (3,8% laut<br />
EKD 2009), ist »das Problem, das Konfirmanden<br />
mit dem Gottesdienst haben, […] weniger ein<br />
Spezifikum der Konfirmanden als des Gottesdienstes<br />
insgesamt oder zumindest seiner öffentlichen<br />
Wahrnehmung als einer »langweiligen«<br />
Veranstaltung«. 2<br />
Es gibt gute Gründe, sich nicht damit abzufinden,<br />
dass die eigentlich zentrale Veranstaltung<br />
christlicher Gemeinden nur von einem kleinen<br />
Teil besucht wird.<br />
Die Gründe sind theologischer Art: Gottesdienst<br />
ist der Ort, um als Individuum und in Gemeinschaft<br />
mit anderen Glaubenden mit Gott in<br />
Zwiesprache zu treten und sich zu rüsten für<br />
das Leben und den Gottesdienst in der Welt.<br />
Wer Menschen zum Glauben bekräftigen und<br />
einladen will – und dieses Ziel hat die Konfirmandenarbeit<br />
– muss Lern- und Erfahrungszusammenhänge<br />
schaffen, in denen eigener Glauben<br />
erfahren, reflektiert, gefeiert und bekräftigt wer -<br />
den kann. Konfirmandenarbeit als Lernraum<br />
bleibt ohne ihre Transformation in Gottesdienste<br />
als Lebens- und Erfahrungsraum auf halbem<br />
Weg stehen.<br />
Entwicklungspsychologisch haben Jugendliche<br />
Interesse an religiösen Themen und Fragestellungen.<br />
Sie verabschieden sich von einem ma -<br />
gischen und mythischen Welt– und Glaubensver-<br />
ständnis, um die Möglichkeiten eigener Verant-<br />
wortung, Abhängigkeit und eigenen Glaubens<br />
neu auszuloten. Solche Veränderungen lassen<br />
Jugendliche Fragen stellen. und die Antworten,<br />
die sie erhalten, verweisen aus theologischer<br />
Sicht auf eine Antwort (Gottes) auf ihre Anrede<br />
/ Anfrage Gottes. Es ist sachgemäß, diese<br />
Veränderungen, Fragen und Antworten im liturgischen<br />
Zusammenhang deutlich zu machen.<br />
Ermutigend ist außerdem der eindeutige Befund,<br />
dass jugendgemäße Gestaltung und die Einbeziehung<br />
Jugendlicher in die Vorbereitung von<br />
Gottesdiensten erheblich zu einer verbesserten<br />
Wahrnehmung der Gottesdienste beitragen. 3<br />
Mit Mut und Möglichkeiten gegen die<br />
Langeweile<br />
Es gibt nicht den Königsweg, wie gottesdienstliches<br />
(Er)Leben so gestaltet werden kann, dass<br />
sich Jugendliche und die Gemeinde angesprochen,<br />
ernst genommen und zugehörig fühlen und<br />
der Gottesdienst wieder zum eigenen Ort von<br />
Jugendlichen und der Gemeinde werden kann.<br />
Aber einige prinzipielle Überlegungen und<br />
Fragen, die ein Gelingen von Gottesdiensten<br />
wahrscheinlicher machen, markieren Handlungsmöglichkeiten.
Eine Konzeption, die Konfirmandenarbeit und<br />
Gottesdienstgestaltung verbindet: unterrichtsthemen<br />
werden durch die gemeinsame Vorbereitung<br />
und Durchführung eines Gottesdienstes<br />
erarbeitet.<br />
> Rahmenbedingungen für eine solche Konzeption<br />
schaffen:<br />
1. Weg vom 45 – Minuten – unterrichtsmodell<br />
hin zu längeren unterrichtseinheiten.<br />
2. Ein Team von ehrenamtlichen Jugendlichen,<br />
die eine Brückenfunktion zwischen<br />
den jugendlichen und den gottesdienst -<br />
lichen Lebensthemen und -welten haben.<br />
> Einen Jahresplan haben, der entlastet und<br />
durch seinen »Mix« Synergien nutzt: x Gottes<br />
dienste entstehen aus der Konfirmandenarbeit,<br />
y Gottesdienste werden als Jahreszeiten –<br />
und Festgottesdienste auch jugendgemäß<br />
gestaltet, z Jugendgottesdienste werden zusätzlich<br />
angeboten. um es noch einmal zu<br />
betonen: Hier geht es ausdrücklich nicht<br />
um ein »Draufsatteln« von Arbeit, sondern<br />
darum, Arbeit, die sowieso ansteht, anders zu<br />
gestalten. Sogar ein weniger kann hier mehr<br />
sein: 10 feste und sehr gute Angebote sind<br />
besser als eine Vielzahl, die Vorbereitende<br />
und Eingeladene gleichermaßen strukturell<br />
überfordern.<br />
> Der Blick über den Tellerrand: Kooperation mit<br />
Kollegen und Nachbargemeinden. Mit den<br />
Jugendlichen auf Reise gehen und dort einen<br />
Gottesdienst besuchen, und Nachbarjugendliche<br />
als Reisende empfangen. Eine Fahrt zu<br />
einem anderen Gottesdienst zu organisieren<br />
ist weniger aufwändig, als alle Gottesdienste<br />
selber zu planen und durchzuführen. Zudem<br />
kommen die Jugendlichen so mit anderen<br />
Jugendlichen und Glaubensstilen in Kontakt.<br />
Das bereichert und hilft zudem, in anderen<br />
Gemeinden nach einem – biografisch wahrscheinlich<br />
irgendwann einmal anstehenden<br />
umzug leichter heimisch zu werden.<br />
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst<br />
> Jugendliche/ Menschen in der Vorbereitung,<br />
Planung und Durchführung wesentlicher Teile<br />
des Gottesdienstes beteiligen. Das ist wegen<br />
der Ergebnisse der Studie von Schweitzer (s.u.)<br />
ein »Muss« und reicht über das Ablesen von<br />
Kopien und/ oder vom Pfarrer geschriebenen<br />
Texten weit hinaus, beinhaltet aber auch kleine<br />
Lösungen für den alltäglichen Sonntag wie<br />
z. B. Begrüßen, Kollekte einsammeln, Fürbitten<br />
mitsprechen, Lieder aussuchen, Rollstuhlfahrer<br />
begleiten.<br />
> Talente entdecken, achten und ihnen Raum<br />
geben. Das erfordert die Bereitschaft der<br />
Verantwortlichen, Platz zu lassen und zugleich<br />
präsent zu sein in der Begleitung von<br />
Menschen, die ihrem Glauben Gestalt und<br />
Ausdruck geben wollen. So entsteht die Möglichkeit<br />
zu persönlicher Entwicklung mit dem<br />
Ziel, ein Haus lebendiger Steine zu werden<br />
(vgl.1.Pet.2,4 ff.).<br />
> Das Beachten der Zielgruppe. Ist mein Gottesdienst<br />
einer, der im Rahmen von Konfirmandenarbeit<br />
gefeiert wird oder als Teil von Konfirmandenarbeit<br />
für die Gesamtgemeinde oder einen<br />
Teilbereich von ihr vorbereitet und gefeiert wird?<br />
Hierzu gehört auch die Frage: Welche Milieus<br />
soll mein Gottesdienst vor allem ansprechen?<br />
> Im Gottesdienst alle Sinne ansprechen.<br />
> Der Mut und die Phantasie, immer wieder<br />
einmal überraschend anders zu sein in der<br />
Wahl der Musikstile, Präsentationen, Interpretationen,<br />
Verkündigungen. Nicht um des<br />
Selbstzwecks willen, sondern darum, weil das<br />
Überraschende neugierig machen kann und<br />
wir es mit einem Gott zu tun haben, der immer<br />
wieder überraschend anders ist und uns<br />
sagen lässt: »Komm und sieh!« (Joh. 2, 46).<br />
Wenn sich die Variation eines Jugendgottesdienstes<br />
zum Predigtgottesdienst in einem Anspiel<br />
als Dialog erschöpft, ist im Kampf gegen<br />
die Langeweile auf Dauer nichts gewonnen.<br />
21
22 Konfirmandenarbeit und Gottesdienst<br />
> Sich nicht abfinden, sondern unzufrieden und<br />
für Veränderung offen sein. Bei einer konzeptionellen<br />
Neuausrichtung und ihrer exemplarischen<br />
Entfaltung bieten z. B. das PTI und<br />
die Ev. Jugendbildungsstätte <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong><br />
ihre Begleitung an. Wer sich an Neues wagt,<br />
muss nicht alles alleine machen und können.<br />
Mitstreiter können gesucht und gefunden,<br />
Jugendliche dazu ermutigt werden, neue<br />
Erfahrungen an gemeindefremden Orten zu<br />
sammeln. und schließlich: Sich nicht entmutigen<br />
lassen. Fünf Jahre Zeit geben. Geduld<br />
haben. Gelassenheit. Glaube, <strong>Hof</strong>fnung und<br />
Liebe.<br />
Die Gestaltung neuer Gottesdienstformen birgt<br />
eine große Chance für Jugendliche und die<br />
Literatur<br />
Bangert, Mechthild u. a.(Hg.), Werkstatt Jugendgottesdienst,<br />
Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus 1998<br />
EKD 2009, aktuelle Statistik »Gottesdienstbesuch« im Internet<br />
Freitag, Michael, Innovation Jugendkirche, Hannover, Butzon &<br />
Bercker 2006<br />
Kirche und Jugend – Lebenslagen, Begegnungsfelder, Perspektiven,<br />
Eine Handreichung des Rates der EKD, Gütersloh <strong>2010</strong><br />
Lübking, Hans-Martin, Gottesdienste werden immer harmloser, in:<br />
urban, Christoph / Rieg, Timo, Kindergottesdienst und Jugendgottesdienst<br />
in Westfalen, Bochum, Biblioviel 2000, S. 24 – 34<br />
Nicol, Martin, Einander ins Bild setzen, Erlangen,<br />
Vandenhoeck & Ruprecht, 2005, 2. Aufl.<br />
Nicol, Martin, Im Wechselschritt zur Kanzel, Nicol, Martin,<br />
Erlangen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2005<br />
Rieg, Timo, Jugendgottesdienst Powerpack, Bochum, Biblioviel 2003<br />
Sautter, Jens Martin, Spiritualität lernen, Beiträge zu Evangelisation<br />
und Gemeindeentwicklung, Melbach, Neukirchener 2005<br />
Gesamtgemeinde. Jugendkirchen als Jugendgemeinden<br />
sind oft aus Jugendgottesdiensten<br />
entstanden 4 , um sich von einem auf Jugendliche<br />
konzentrierten Angebot hin zu altersgemischten<br />
Gemeinden zu entwickeln.<br />
Das Leben einer Gemeinde kann sich konzen-<br />
trisch vom Gottesdienst aus entwickeln.<br />
Wenn man Jugendliche fragt, geht kein Weg an<br />
einer Neugestaltung bzw. Weiterentwicklung<br />
von interessanten Gottesdiensten vorbei. Schon<br />
alleine darum – ganz ohne theoretische Diskussion<br />
– weil die Jugendlichen es (noch) wollen und<br />
es der ganzen Gemeinde gut tut.<br />
Karl Hesse<br />
Schweitzer, Friedrich u. a., Konfirmandenarbeit in Deutschland,<br />
Tübingen, Gütersloher Verlagshaus 2009<br />
TRE 14, Gottesdienst, Studienausgabe Teil I, Berlin, de Gruyter 1993<br />
u 27: Wie ticken Jugendliche, zur Sinus-Milieustudie,<br />
in: Zeitschrift für Jugendarbeit »das baugerüst«, 1 / <strong>2010</strong><br />
urban, Christoph u. a., Jugendgottesdienst 2.0,<br />
Bochum, Biblioviel 2002<br />
Internet<br />
www.jugendgottesdienste.com<br />
www.jugendkirchen.org, hier „Netzwerk Jugendkirchen Rheinland“<br />
Fußnoten<br />
1 vgl. Schweitzer, S. 141 ff.<br />
2 Schweitzer, S. 145<br />
3 vgl. Schweitzer, S. 143:<br />
der Anteil zufriedener Jugendlicher steigt so von 28 % auf 63 %<br />
4 vgl. Kirche und Jugend, S. 49
Konfirmandenarbeit als Lebensbegleitung junger<br />
Menschen auf Zeit 1 kann gelingen, wenn Lernen<br />
ganzheitlich geschieht. Dabei gilt: »Die Kommunikation<br />
des Evangeliums kann sich jedoch nicht auf<br />
Sprache in einem allein kognitiven Sinne beschränken.<br />
Auch das Erleben spielt hier eine wichtige Rolle,<br />
etwa als Erleben von Gemeinschaft, das in Zeiten<br />
der Individualisierung nur vordergründig überflüssig<br />
geworden ist, oder von Zuwendung, Solidarität und<br />
Respekt.« 2 Von Bildung kann dann gesprochen<br />
werden, wenn Erlebnisse, reflektiert und eigenständig<br />
in Sinnzusammenhänge eingeordnet, zu<br />
Erfahrung werden. Konfirmandenarbeit, die einen<br />
nachhaltigen Bildungsanspruch hat, erfordert eine<br />
Vielzahl von Methoden, die mehrdimensional einerseits<br />
den Verstand, wie die Sinne ansprechen und<br />
anderseits Erfahrungshorizonte erweitern.<br />
In diesem Zusammenhang kann Erlebnispäda-<br />
gogik ein didaktischer Baustein sein, um in der<br />
Konfirmandengruppe eine vertraute Gruppenatmosphäre<br />
zu schaffen und die gemeinsame Zeit<br />
lebendig zu gestalten.<br />
Grundgedanken der Erlebnispädagogik<br />
Der Erlebnispädagogik geht es dem Grundsatz<br />
nach um eine »Entwicklung und Förderung<br />
individueller und zwischenmenschlicher Ressourcen<br />
und Potentiale«. 3 Sie verfügt über entsprechende<br />
methodische Zugänge des sozialen<br />
Lernens. Ihr Repertoire umfasst weitgehend<br />
Übungen und Aktionen zu Kommunikation, Verständigung,<br />
Akzeptanz, Kooperation und Zusammenhalt.<br />
In der Praxis stellt sich das so dar: Es<br />
werden Problemaufgaben gestellt, die Gruppen<br />
herausfordern gemeinschaftlich Lösungen zu<br />
finden. Im Anschluss an die Übung folgt in der<br />
Regel eine Reflexion, in der die Erlebnisse ausgewertet<br />
und beurteilt werden. Absicht ist es, kon-<br />
Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik<br />
Gepflanzt wie ein baum ans Wasser –<br />
erlebnispädagogik in der Konfirmandenarbeit:<br />
arbeiten mit Metaphern<br />
krete soziale Erfahrung der Übung auf bisherige<br />
Erfahrungen zu beziehen und auf zukünftige<br />
Situationen zu übertragen. Die Arbeitsformen<br />
ermöglichen es, eine vertrauensvolle Atmosphäre<br />
zu schaffen, in der sich Jugendliche dem<br />
Bildungskanon der Konfirmandenarbeit öffnen<br />
und widmen können. Es geht um handlungsorientiertes<br />
Lernen, zum Beispiel sich als Gruppe<br />
zusammenzufinden und zusammenzuwachsen.<br />
Erlebnispädagogik in der KA<br />
Hat kirchliches Bildungshandeln den Anspruch,<br />
über religiöse Bildungsaufgaben hinauszugehen,<br />
4 sollte dies auch für die Konfirmandenarbeit<br />
gelten. Kooperative, kommunikative, problemlösungsorientierte<br />
Methoden können dazu beitragen,<br />
eine atmosphärische Grundlage zu schaffen,<br />
um religiöse Bildungsaufgaben in den Alltag<br />
der Gruppe einzubinden. Für die KA liegt die<br />
besondere Qualität des pädagogischen Ansatzes<br />
darin, dass er Konfirmandengruppen beispielhaft<br />
ermöglicht, konkretes diakonisches Lernen 5 zu<br />
erproben und einzuüben. Die Gemeinsamkeit<br />
zwischen der KA und der Erlebnispädagogik liegt<br />
im Ansatz, junge Menschen mit Herz, Hand und<br />
Verstand anzusprechen.<br />
Beiden geht es um persönliches Wachstum, um<br />
soziale Bildung, sowie um die Entwicklung der<br />
Erlebnisfähigkeit. 6 Kooperative Abenteuerspiele<br />
eignen sich grundsätzlich für die Anfangsphase<br />
der Arbeit mit Katechumenen, wenn es darum<br />
geht, die Gruppe zusammenzubringen, eine gute<br />
Lernatmosphäre zu schaffen und Zusammenhalt<br />
untereinander zu entwickeln. Konfirmandenarbeit<br />
geht über die konkrete soziale Dimension<br />
der Gruppe hinaus auf die Entdeckung der Welt<br />
und nimmt zudem die vertikale Dimension der<br />
Weltdeutung in den Blick.<br />
23
24 Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik<br />
Nachfolgend sollen Überlegungen angestellt<br />
werden, wie Theologie und Erlebnispädagogik<br />
exemplarisch in Arbeit mit Metaphern an einem<br />
Kreuzungspunkt zusammenkommen können.<br />
Metaphern in biblischen Geschichten<br />
In vielen biblischen Geschichten sind Metaphern<br />
ein bedeutsames Stilmittel, beispielweise in den<br />
Reich Gottes Gleichnissen. Kennzeichen der Metapher<br />
ist, dass das, was kaum oder nicht sagbar<br />
ist, durch ein Bild zum Ausdruck gebracht wird.<br />
Metaphern sollen verständlich machen. Da das<br />
Wort Reich Gottes kaum die Sache umfassend<br />
ausdrücken kann, wird das Bild als Hilfskonstruktion<br />
hinzugenommen. Metaphern übertragen<br />
das Wort in ein Bild, um einen umfassenden<br />
Sachverhalt unmittelbar verständlich zu machen:<br />
»Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein<br />
Nadelöhr geht, als ein Reicher ins Reich Gottes.«<br />
(Mat. 19.24)<br />
Die Metapher stellt eine Ähnlichkeit zwischen<br />
Wort und Bild, eine Analogie, eine Entsprechung<br />
her: »Das Reich der Himmel ist wie ein Senfkorn«<br />
(Mt.13, 31 – 32) »Denn das Reich der Himmel<br />
gleicht einem Hausherrn, der am Morgen<br />
früh ausging, um Arbeiter in seinen Weinberg<br />
zu dingen.« (Mt. 20.1 – 16) Das Bild bietet dem<br />
Verstand die Hilfestellung, die er braucht, um<br />
eine Vorstellung zu bekommen, wie das Wort zu<br />
fassen ist, beziehungsweise was die Sache beinhaltet.<br />
Mit anderen Worten: Metaphern eignen<br />
sich in besonderer Weise dazu, das Gesagte vor<br />
Augen zu führen. Sie ist als Denkfigur ein Mittel<br />
der Erkenntnis.<br />
Metaphern in der Erlebnispädagogik<br />
Wie arbeitet Erlebnispädagogik mit Metaphern?<br />
Erstens besteht die Möglichkeit eine Kooperations-<br />
oder Problemlösungsaufgabe in eine<br />
phantasievolle Rahmengeschichte, frontloading<br />
genannt, zu setzen: »Stellt euch vor, ihr seid<br />
ein im Hochgebirge verunglücktes Expeditionsteam.<br />
Einige von euch sind durch Verletzungen<br />
gehandicapt. Ein unwetter zieht herauf und ihr<br />
habt maximal 30 Minuten Zeit, alle in Sicherheit<br />
zu bringen. Wie geht ihr vor?« 7 Die Geschichte<br />
dient als Hineinfinden in eine Aufgabe. Sie soll<br />
einem Sinnzusammenhang herstellen.<br />
Aufgabe der Erlebnispädagogik ist es nicht, »aus -<br />
geklügelte Bilder zu entwerfen, sondern sensibel<br />
auf Bilder zu reagieren, die von den Teilnehmenden<br />
ins Spiel gebracht werden.« 8 Das Erleben und<br />
die Entstehung von inneren Bildern und ihre Über -<br />
setzung in äußere stehen im Vordergrund.<br />
Als zweites lassen sich in der Reflexionsphase<br />
Gegenstände als Metapher nutzen. Eine Leiter,<br />
die zum Beispiel auf den Boden gelegt wird,<br />
kann als Skala dienen. Zu den Auswertungsfragen<br />
positionieren sich die Teilnehmenden je<br />
nach Grad der Zustimmung. »Wie beurteilt ihr<br />
die gegenseitige Aufmerksamkeit während der<br />
Übung? Stellt euch entsprechend eurer Einschätzung<br />
zu den Leitersprossen.« Zum Dritten<br />
können Metaphern genutzt werden, um Erlebtes<br />
während der Auswertung neu zum Ausdruck zu<br />
bringen. Zum Beispiel: »Eine Lösung zu finden<br />
war wie …« Die metaphorischen Bilder dienen<br />
hier als Sprachfiguren. Das Erlebte entspricht in<br />
etwa dem Bild der gerade gemachten Erfahrung.<br />
Die Metapher transportiert das Erleben so, dass<br />
alle Gruppenmitglieder eine Vorstellung davon<br />
bekommen.<br />
Metaphern in der Erlebnispädagogik<br />
und biblische Metaphern<br />
Erlebnispädagogik arbeitet erfahrungsorientiert.<br />
Als pädagogische Suchbewegung agiert<br />
sie prozessorientiert und ergebnisoffen. Lernen<br />
geschieht durch ausprobieren, durch Versuch und<br />
Irrtum und durch learning by doing. Innere Bilder<br />
werden in äußere transformiert. Biblische Metaphern<br />
hingegen sind äußere, vorgegebene Bilder,<br />
theologische Ausdrucksformen, die in einem bestimmten<br />
kulturellen und geschichtlichen Kontext<br />
entstanden und verstanden worden sind. Sachverhalte,<br />
die zu Zeiten Jesu allgemein geläufig<br />
waren, sind heute nicht mehr ohne weiteres klar.
Jungen Menschen bleiben diese Bilder mitunter<br />
unverständlich und lebensfern. In einer Welt von<br />
MP3, Laptop und Chat erscheinen archaische<br />
landwirtschaftliche Motive wie Sämann, Senfkorn<br />
oder verlorenes Schaf, ohne Lebensbezug zu sein.<br />
Sie entsprechen nicht den Alltagserfahrungen<br />
von Jugendlichen. Folglich bedarf die Sache der<br />
Bilder, das Anliegen, das sie transportieren, einer<br />
jugendgemäßen Transformation. Zudem ist das<br />
biblische Bild ein äußeres. Deshalb stellt sich die<br />
Frage, wie sich biblische Bilder als frontlaoding<br />
eignen können, wenn die Übersetzung fehlt.<br />
Entweder bleiben sie im Bild unverständlich oder<br />
sie werden trivialisiert. Beides erscheint unangemessen.<br />
Denn, zwischen der konkreten Erfahrung<br />
eines Gehaltenwerdens durch die Gruppe<br />
in der Übung Der Vertrauensfall 9 und einem<br />
generellen Schluss auf eine Zuverlässigkeit Gottes<br />
in der Auswertung, klafft eine Lücke. Nicht alle<br />
Jugendlichen erleben sich als getragen, weder<br />
von anderen Menschen noch von Gott. Deshalb<br />
bleibt eine Analogie zwischen erlebnispädagogischer<br />
Übung und theologischen Aussagen der<br />
Auswertungsphase problematisch.<br />
Wie können religionspädagogische Ansprü-<br />
che und erlebnispädagogische Aktivitäten<br />
zusammenkommen?<br />
Zu einem Kreuzungspunkt kann es kommen,<br />
wenn das konkrete Erlebnis der Übung, das sich<br />
einstellende innere Bild durch die Reflexion zu<br />
einem eigenen äußeren Bild, in eine Metapher<br />
übersetzt wird. Lebendig kann es werden, wenn<br />
die eigene Metapher in einen Austausch mit<br />
den Bildern biblischer Geschichten kommt. Ein<br />
Beispiel: In einer Auswertung thematisieren Konfirmanden<br />
die Zeit, die ihnen für die Aufgabenlösung<br />
zur Verfügung stand. Dies kann aufgegriffen<br />
werden, um sich umfassender und weiterführender<br />
mit dem Thema Zeit auseinanderzusetzen.<br />
Erfahrungen aus der Übung sowie aus dem Alltag<br />
werden mit der Betrachtung des Prediger Salomons<br />
Alles hat seine Zeit (Prediger Salomon 3,<br />
1 – 7) zusammengebracht. Das Nachdenken über<br />
die Zeit bekommt eine andere Dimension.<br />
Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik<br />
Religions- und Erlebnispädagogik lassen sich<br />
beispielsweise auch auf folgende Art in Bezug<br />
setzen: Im Reich Gottes Gleichnis Die selbst<br />
wachsenden Saat (Mk, 4,26 – 29) geht es um<br />
Wachstum. Zunächst findet ein Nachsinnen auf<br />
die theologische Botschaft statt, die in der Metapher<br />
transportiert wird.<br />
Weiterführend kann das Gleichnis als Inspiration<br />
genommen werden, sich mit Persönlichem und<br />
mit Wachstum der Gruppe auseinanderzusetzen.<br />
Gemeinsam werden Bedingungen und Verhalten<br />
erörtert, die Wachstum in der konkreten<br />
Konfirmandengruppe fördern. Diese Dimension<br />
der praktischen hanglungsorientierten Lernmöglichkeiten<br />
bietet beispielsweise die Kooperationsaufgabe<br />
Der Wanderer. 10 Sie kann Wachstum<br />
(in) der Gruppe als die zu bearbeitende Aufgabe<br />
während der Übung stellen. In der Übung selbst<br />
werden Erfahrungen des umgangs miteinander<br />
gemacht. Im anschließenden Rückblick können<br />
die Beziehung zwischen den Vorstellungen und<br />
dem Erleben während der Bearbeitung der Aufgabe<br />
im Mittelpunkt stehen.<br />
Eine erlebnispädagogische Aktion kann jedoch<br />
auch am Anfang stehen. Die Auswertung geschieht<br />
in drei Phasen. In der ersten geht es zunächst<br />
um Reflexion konkreter Erfahrungen in der<br />
Gruppe: Wie bist du von den anderen in der Gruppe<br />
wahrgenommen worden? Wie hast du die<br />
anderen erlebt? Was brauchst du von den anderen,<br />
um Vertrauen in der Gruppe zu entwickeln?<br />
In einer zweiten Phase wird die Vorstellung mit<br />
dem Erleben in Austausch gebracht: Wie lässt<br />
sich die Erfahrung der Übung auf den Alltag<br />
wie Schule, Freizeit, Gemeinde und Gesellschaft<br />
übertragen? Welches Bild würde dazu passen?<br />
In einer dritten Phase kann die biblische Geschichte<br />
zur Auseinandersetzung hinzugenommen<br />
und für die eigene Lebensrelevanz<br />
interpretiert werden: In welchen biblischen<br />
Geschichten geht es um Vertrauen? Wie ist<br />
das Vertrauensverhältnis hier dargestellt? Was<br />
25
26<br />
Gepflanzt wie ein Baum ans Wasser<br />
zeigen die Geschichten auf? In welchen Bildern<br />
wird dies ausgedrückt? Hier kann in der Konfirmandenarbeit<br />
exemplarisch ein Bogen von<br />
konkreten Erfahrungen aus der Übung hin zur<br />
Elementarisierung von theologischen Grundfragen<br />
gespannt werden.<br />
Fazit<br />
Als Resümee können zwei Aspekte festgehalten<br />
werden, nämlich eine Problemanzeige und eine<br />
Bandbreite an didaktischer Vielfalt. Zur Problemanzeige:<br />
Metaphern kurzschlüssig, aus den konkreten<br />
erlebnispädagogischen Übu ngen zum sozialen Ler-<br />
nen 1:1 in Analogie zu biblischen Weltdeutungen<br />
zu setzen, funktionalisiert Erlebnispädagogik auf<br />
unzulässige Weise, da ihr keine theologischen<br />
Implikationen zu Eigen sind. Die Bedeutungsbandbreite<br />
und –tiefe biblischer Geschichten geht über<br />
soziales Verhalten hinaus und verweist auf größere<br />
Deutungszusammenhänge.<br />
Fußnoten<br />
1 Vgl. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland<br />
(Hrsg.). 2004. Bildung als Lebensbegleitung braucht<br />
Bildungspartnerschaften. Argumente für den kirchlichen Beitrag.<br />
S. 9 ff. u. 34 ff.<br />
2 EKR. 2009. Kirche und Bildung. S.67.<br />
3 Gilsdorf, R. 2004. Von der Erlebnispädagogik<br />
zur Erlebnistheorie. S.11.<br />
4 Vgl. EKD. 2009. a.a.O. S.49.<br />
5 Vgl. EKD. 2009. a.a.O. S.50.<br />
6 Vgl. Vgl. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche<br />
im Rheinland (Hrsg.). 2004. a.a.O. S.36f.<br />
Zur Bandbreite: Biblische Metaphern brauchen<br />
eine jugendgemäße Übertragung. unter der<br />
Berücksichtigung, dass es sich bei der Arbeit<br />
mit Metaphern um Bilder und Begriffe handelt,<br />
die entweder von den KonfirmandInnen selbst<br />
gewählt werden oder ihnen alltäglich verständlich<br />
sind, bieten Metaphern die Möglichkeit,<br />
eine erlebnisorientierte, kommunikative Konfirmandenarbeit<br />
zu gestalten.<br />
Hinweis<br />
Zum Thema Schnittstelle KonfirmandInnen- und<br />
Jugendarbeit findetet ein regelmäßiger Austausch<br />
mit dem Fachbereich Konfirmandenarbeit<br />
im PTI statt. Zum Thema Erlebnispädagogik in<br />
der Konfirmanden- und Jugendarbeit findet vom<br />
08.-10.07.2011 im <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong> eine Fortbildungsmaßnahme<br />
statt.<br />
Dr. Wilfried Drews<br />
7 Übung Drama am Mount McConfidence in: Gilsdorf, R. Kistner, G.:<br />
Kooperative Abenteuerspiele II. Eine Praxishilfe<br />
für Schule und Jugendarbeit. 2. Aufl. 2002. S.141.<br />
8 Gilsdorf, R., Kistner, G. Becker, K.: Tausend Bilder aus einer Nacht.<br />
S. 186. In: Schödlbauer, C., Paffrath, F.H., Michl,<br />
W. (Hrsg.): Metaphern – Schnellstraßen, Saumpfade und Sackgassen<br />
des Lernens. 1999. S.185-191.<br />
9 Bei der anspruchsvollen Aktion lassen sich Personen von einem erhöhten<br />
Gegenstand in die ausgestreckten Arme der Gruppe fallen.<br />
10 Gilsdorf, R., Kistner, G. 2002. a.a.O. S.74.
Rückblende <strong>2010</strong><br />
Vom 23. – 25. April leiteten Anja Franke und<br />
Luise Pawlowsky gemeinsam mit Kolleginnen aus<br />
ver schiedenen Jugendzentren ein Erlebniswo-<br />
chenende für 12 – 14 jährige Mädchen aus Köln<br />
Chorweiler mit dem Thema »frühlingsfit«.<br />
In den folgenden Ausführungen nehme ich<br />
gleichzeitig Bezug auf den Kinderplanet Nr. 19,<br />
der vom 15. – 25. Juli mit dem Thema »Verrückte<br />
Zeiten im Grünen – Spiel, Spaß und Aktion<br />
zwischen Sinn und unsinn« stattfand. 8 TeamerInnen<br />
wirkten mit und 32 Kinder im Alter von<br />
9 – 12 Jahren nahmen teil. Die Leitung hatten<br />
Luise Pawlowsky und Stephanie Beier.<br />
> Entdecke die Möglichkeiten<br />
> Entdecke die Menschen<br />
> Lass Dich zu Neuem herausfordern<br />
> Freunde Dich mit Räumen und Gelände<br />
an Genieße das Essen<br />
> Vertraue den Menschen, die Dich be -<br />
gleiten (bei Tag und bei Nacht)<br />
> Sei entspannt und lasse die Eindrücke<br />
auf Dich wirken<br />
> Oder kurz – Du kannst hier offen,<br />
vertrauensvoll und aktiv sein.<br />
Wie angespannt waren wohl die 40 Mädchen im<br />
Alter von 12 – 14 Jahren aus Köln Chorweiler, die<br />
mit ihren Begleiterinnen aus 6 Jugendzentren zu<br />
einem »frühlingsfit« – Wochenende anreisten?<br />
Diesmal konnten die Kolleginnen die vielen Fragen<br />
zu Haus und <strong>Hof</strong> und zum Ablauf schon vorher beantworten,<br />
denn es war das zweite Wochenende<br />
dieser Art, und die Kolleginnen, alle Mitglieder des<br />
trägerübergreifenden Mädchenarbeitskreises Köln<br />
Nord, waren wieder an der Vorbereitung beteiligt.<br />
Auch die 32 Kinderplanet Kinder des Jahres <strong>2010</strong><br />
kamen mit Zögern, wenn sie neu, mit Vorfreude,<br />
Kurzzeitpädagogik konkret<br />
Kurzzeitpädagogik konkret – auszeit und Lernzeit<br />
für Kinder und jüngere Jugendliche<br />
wenn sie WiederholerInnen waren. Aber hier ist<br />
es das Team, das auf überwiegend unbekannte<br />
Kinder stößt. Für alle neu ist das Thema.<br />
Tuchfühlung und Orientierung –<br />
Die Sorgfalt am Anfang<br />
Viele Kinder und jüngere Jugendliche kennen<br />
weder Freizeiten noch Seminare und wir wollen<br />
sie für außerschulisches »stationäres« Lernen gewinnen.<br />
Also nähern wir uns den neuen Gegebenheiten,<br />
Strukturen, Themen und Methoden<br />
mit viel Ermutigung und Assistenz. Das Lernziel<br />
Selbstständigkeit unterfüttern wir mit einer Lage<br />
Fürsorglichkeit in der Orientierungsphase.<br />
Für das Mädchenseminar Frühlingsfit hieß das:<br />
Zutexten am Anfang ist nicht drin, eher Schritt<br />
für Schritt organisiertes warm werden mit den<br />
Gegebenheiten. Ein Getränk, ein Namensschild,<br />
eine sinnvolle Sitzordnung, ein Türschild malen<br />
als erste Aktion der Wochenend-WG und die<br />
Information über einen kleinen wichtigen Regelkatalog<br />
für das Zusammenleben. Die Zimmer<br />
werden in Ruhe bezogen und es folgt die erste<br />
gemeinsame Mahlzeit.<br />
Wie werden hier meine Grundbedürfnisse ge-<br />
deckt? Eine ganz wichtige Frage. Bekomme ich<br />
Antworten auf meine Fragen? und dann gibt es<br />
noch die unterschiedlichsten Infos und Organisationsformen<br />
bei Tisch oder im Plenum, die einer<br />
Gruppe zwischen Ordnung und Chaos vor allem<br />
am Anfang Halt und Orientierung geben.<br />
Der Schnupperparcours jeweils am<br />
ersten Tag, eine bewährte Methode für<br />
den Anfang bei beiden Maßnahmen<br />
Abgezählte 5er oder 7er Teams begeben sich<br />
noch am ersten Tag in einen Mini-Workshop,<br />
der 10 Minuten dauert, mit dem Seminarthema<br />
zu tun hat, im Freien stattfindet und von<br />
27
28 Kurzzeitpädagogik konkret<br />
1 – 2 TeamerInnen angeboten wird. Nach je 10<br />
Minuten wechseln die Gruppen gemeinsam<br />
im uhrzeigersinn zum nächsten Angebot. Die<br />
TeamerInnen wiederholen ihr Angebot noch<br />
fünfmal.<br />
Für die Teilnehmenden und die TeamerInnen bie-<br />
tet sich die Chance zum gegenseitigen Kennen-<br />
lernen, der Thementisch wird gedeckt und das<br />
Gelände wird erobert.<br />
Mädchenseminar Frühlingsfit<br />
Quiz zum Thema riechen und schmecken, Seilspringen,<br />
Namensschilder basteln, Tanz, Kontrakt<br />
zu Absprachen des Zusammenlebens<br />
Kinderplanet<br />
Kioskspiel zum Thema, Nonsenswortkombinationen,<br />
Figuren schleudern, Riesenmikado und<br />
Bettlaken mit den Füßen umdrehen<br />
Auf den ersten Blick eine Freizeit, auf den<br />
zweiten Blick eine Bildungsmaßnahme<br />
Der erste Einspruch auf diese Überschrift könnte<br />
lauten: Auch Freizeiten sind Bildungsmaßnahmen,<br />
denn soziales und kulturelles, den Horizont<br />
erweiterndes Lernen findet auch hier statt. Das<br />
ist richtig. Nur fehlt in unserer Arbeit mit Kindern<br />
die Beschreibung dessen, was eine Maßnahme<br />
zu einer Bildungsveranstaltung macht, und diese<br />
Lücke möchte ich am Beispiel der beiden oben<br />
erwähnten Maßnahmen zu füllen versuchen.<br />
Schließlich fördert der Landesjugendplan Bildungsmaßnahmen<br />
ab 6 Jahren, was wir im Falle vom<br />
Mädchenseminar Frühlingsfit im Gegensatz zum<br />
Kinderplanet, in Anspruch genommen haben.<br />
Ich beginne mit der Frage: Was macht ein<br />
Motto zu einem (Seminar)thema? Es ist auf<br />
jeden Fall mehr als altersgemäße Didaktik und<br />
Methodik. Es sind die auf das Thema bezogene<br />
Herleitungen und Ziele. Ebenso spielt die<br />
professionelle umsetzung eine Rolle, die eine<br />
gezielte Balance zwischen Thema, Beziehung<br />
und Beteiligung der Zielgruppe, darstellt. Profis<br />
begleiten den Lernprozess zielgerichteter als Ehrenamtliche,<br />
die wiederum eine andere wichtige<br />
Beziehungsqualität und einen (zweck)freieren<br />
Zugang zu Themen haben.<br />
Aber ganz am Anfang stehen Lernziele, die aus-<br />
gehend von der Lebenssituation der Zielgruppen<br />
9 – 12 jährige Jungen und Mädchen aus der umgebung<br />
Solingens und 12 – 14 jährige Mädchen<br />
aus Köln Chorweiler bezogen auf die beiden<br />
Themen in den Teams erarbeitet werden. »Frühlingsfit«<br />
meinte Gesundheit, seelisch, körperlich<br />
und sozial und wir erweiterten es um das Thema<br />
Körperlichkeit und Sexualität. Erleben zwischen<br />
Sinn und unsinn hieß für das Kinderplanet-Team<br />
»Mutanfälle« in allen möglichen Bezügen zu<br />
ermöglichen. »Sommerfit« sind wir draußen im<br />
Grünen mit all unseren Möglichkeiten sowieso.<br />
Aus Lernzielen werden unterschiedliche inhalt-<br />
liche Projekte in Workshops, die altersgemäß<br />
Lernschritte mit unterschiedlichen Methoden<br />
ermöglichen. Spielerisch, mit Einsatz von Körper<br />
und Sinnen, partizipatorisch, prozess- und<br />
teilnehmerInnenorientiert, mit ansprechenden<br />
Materialien in animierenden Räumen, drinnen<br />
und draußen. Alter ist eine Kategorie, die bei<br />
beiden Maßnahmen sehr unterschiedlich zu würdigen<br />
war. Verlässlich in beiden Fällen war aber<br />
die geschwisterliche Klammer zwischen Jüngeren<br />
und Älteren, aber auch der Bedarf und die pädagogische<br />
Notwendigkeit in altersdifferenzierten<br />
Gruppen zu arbeiten.<br />
Wenn die Gleichzeitigkeit von Beziehung, Erleb-<br />
nis und Mitwirkung Kindern Sicherheit und eine<br />
Entwicklungsplattform geben sollen, dann ist das<br />
Timing, die Pausenkultur und das Wechselspiel<br />
von verpflichtender und freiwilliger Workshopzuordnung<br />
wichtig.<br />
Die workshopgebundene Zeit sind fünf Zeitstun-<br />
den, was der Vorgabe des Landesjugendplanes<br />
entspricht. Das Loslösen von schulischen Rhythmen<br />
ist dabei Chance und Herausforderung.
Zur Struktur von Kinderbildungsmaß-<br />
nahmen gehören für mich zusätzlich:<br />
> eine sorgfältig gestaltete Orientierungs-,<br />
Kennenlern- und Zimmerbelegungskultur<br />
> kurzweilig gestaltete Plenumssituationen<br />
> spielerische Zwischenauswertungen<br />
> Freispielphasen mit Animation durch<br />
Menschen, Natur, Spielmaterial und<br />
Entspannungsmöglichkeiten<br />
> organisierte Freizeitangebote: Spaziergänge,<br />
Disco, Teamsportturniere, Spieleabend …<br />
> entspannende und genussvolle gemeinsame<br />
Mahlzeiten<br />
> Variationen in Sachen Gruppengröße,<br />
3er Zimmer, 5er Teams…<br />
> definierte kontinuierliche Zuständigkeit der<br />
TeamerInnen für Teilgruppen<br />
> musikalische Geselligkeit<br />
Als pädagogische Sonderstrecken galt es in dem<br />
einen Fall ressourcenorientiert und geschlechtsspezifisch<br />
ausschließlich mit Mädchen aus einem<br />
sozialen Brennpunkt zu arbeiten.<br />
Beim Kinderplanet ermöglichten wir den Kindern<br />
diesmal auch als Mädchen- oder Jungengruppe<br />
und ebenso geschlechtergemischte Gruppenerfahrungen<br />
zu machen. Das ist Teil des Gender-<br />
Konzeptes, das beim Kinderplanet auch immer<br />
die Wahl der Mottos und die Entscheidungen für<br />
Workshops betrifft. Hinzu kam die Integration<br />
von 6 Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen<br />
Behinderungen.<br />
Wir denken die Maßnahmen vom Kind und den<br />
Bedingungen unseres Hauses her und haben<br />
mit den jeweiligen Teams eine intensive Strecke<br />
der Vorbereitung. Der Dreiklang Bilden, Betreuen,<br />
Erziehen - bildet das, was wir tun nicht gut<br />
ab, weil Partizipation, Prozessorientierung und<br />
Selbstwirksamkeit darin nicht gut aufgehoben<br />
sind. Es ist die Mischung aus sozialpädagogischem<br />
Zugang, sport-, spiel- und kulturpädagogischen<br />
Anteilen, Sexualpädagogik, Öko- und<br />
Erlebnispädagogik, jeweils altersgemäß angepasst.<br />
Letztendlich sind es strukturelle, inhaltliche<br />
und methodische Mittel, sowie der umgang mit<br />
Zeitbudgets und nicht zuletzt Ziele, Haltungen<br />
und Fachlichkeiten, die eine Maßnahme zu einer<br />
(Kinder)bildungsmaßnahme machen.<br />
Lernen heißt für uns, ein Thema zu (er)leben<br />
mit allen Sinnen, Körper und Geist in einem<br />
dynamischen sozialen Kontext.<br />
Luise Pawlowsky<br />
Kurzzeitpädagogik konkret<br />
29
30 <strong>Hackhauser</strong> Kamingespräch<br />
tut mit leid – keine Zeit!<br />
erstes hackhauser Kamingespräch mit Politikern<br />
und Jugendlichen ein voller erfolg<br />
Die folgende Reportage erinnert an eine Ver-<br />
anstaltung der „Stiftung Jugendbildung“ vom<br />
16. März <strong>2010</strong>, deren thematische Aktualität<br />
ungebrochen ist.<br />
»Ich bin Jan aus Köln, Jahrgangsstufe 12. Ich<br />
musste mich entscheiden. und da fiel mein<br />
ehrenamtliches Engagement in der Schülervertretung<br />
weg zugunsten von Ehrenamt in<br />
der Kirche. Weil: zehn Stunden unterricht plus<br />
Hausaufgaben plus beides, das ist zuviel.«<br />
Vier Sätze, kurz und knapp. Sie bildeten den<br />
Auftakt vieler Meinungen, Einschätzungen und<br />
Fragen, die gut 50 in der kirchlichen Kinder– und<br />
Jugendarbeit engagierte Jugendliche auf einer<br />
Podiumsdiskussion mit Politikern äußerten.<br />
»Tut mir leid – keine Zeit« hieß die Veranstal-<br />
tung, die als »<strong>Hackhauser</strong> Kamingespräch«<br />
Premiere feierte. Dazu eingeladen hatte die<br />
»Stiftung Jugendbildung der Evangelischen<br />
Jugendbildungsstätte <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>«.<br />
und so begrüßte der Stiftungsvorsitzende, Heinrich<br />
Fucks, neben den besagten 50 Jugendlichen<br />
aus Solingen, Remscheid, Langenfeld, Köln,<br />
Aachen und Hamminkeln aus der Politik: Walter<br />
Kern (CDu), Mitglied des Landtags; Tim Kurzbach<br />
(SPD), Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses<br />
der Stadt Solingen und Sven Lehmann<br />
(Bündnis90/Die Grünen) aus dem Landesvorstand.<br />
Die FDP war leider nicht erschienen.<br />
Schnell entspann sich unter der Moderation von<br />
Nils Hille ein reges Gespräch zwischen den Politikern<br />
und den Jugendlichen. Aus der Podiumsdiskussion<br />
wurde eine Saaldiskussion. »Tut mir<br />
leid – keine Zeit« beschrieb dabei das Dilemma<br />
vieler Jugendlicher und junger Erwachsener in<br />
Begegnung mit Politik: Einerseits soll im Zuge<br />
von Schul – und Studienreform Zeit und Geld gespart<br />
werden, um Jugendlichen früher den Weg<br />
in den Beruf zu ebnen. Mit der Folge dramatischer<br />
Arbeitsverdichtung, die immer weniger<br />
Zeit für ehrenamtliches Engagement übrig lässt.<br />
Andererseits wird gleichzeitig von Seiten der<br />
Politik die Bedeutung von bürgerschaftlichem<br />
Engagement und Ehrenamt betont. Wie passt<br />
das zusammen?!<br />
In der fast zwei Stunden währenden, konzen-<br />
trierten Auseinandersetzung wurde deutlich: Es<br />
gibt nichts, was mehr Raum in der Lebenswelt<br />
von Jugendlichen einnimmt als Schule und<br />
Studium. Betroffen, wütend und fachkompetent<br />
konnten sie ihre eigene Situation und die von<br />
Kindern, denen sie als Ehrenamtliche begegnen,<br />
schildern. Fähigkeit bewiesen die Jugendlichen<br />
darin, ihr je eigenes Erleben mit den Rahmenbedingungen<br />
von Schule und Hochschule in<br />
Beziehung zu setzen, um zu fragen: Wenn schon<br />
kürzere Schulzeit, die die wenigsten wollen,<br />
warum dann gleich bleibende Stundentafeln?<br />
Wenn schon Über–Mittag-Betreuung, warum<br />
dann nicht gesundes, leckeres, kostenfreies<br />
Essen? Wenn schon Betreuung an der Schule,<br />
warum dann nicht mit qualifiziertem Personal?<br />
und wenn schon Ehrenamt, warum dann nicht<br />
Würdigung, Finanzierung und Freistellung dafür?<br />
Neben den konturierten Fragen zeigten aber auch<br />
die Politiker Kontur: Mit großer Glaubwürdigkeit<br />
gingen sie auf die Argumente der Jugendlichen<br />
ein. Erzählten von ihrer Sorge, wie sehr unsere<br />
Demokratie gefährdet sei, wenn das Ehrenamt<br />
weg bräche. Schilderten anschaulich das Ringen<br />
um Finanzmittel. Beschrieben selber die Defizite,<br />
die sie hinsichtlich von Partizipation, Mitbestimmung<br />
und Miteinander von schulischer und<br />
außerschulischer Bildung sähen. Die Politiker der
drei Parteien ließen ahnen: Ein Dissens besteht<br />
weniger zwischen ihnen als Jugendpolitikern<br />
als zwischen ihnen und den auf Schule fixierten<br />
Bildungspolitikern der je eigenen Parteien.<br />
»Den Mut, eure Wut zu zeigen, nehme ich mit<br />
in die Partei«, sagte Sven Lehmann. »Nicht einen<br />
Eindruck, sondern viele nehme ich mit.« notierte<br />
Walter Kern. »Eure Fragen zur Bildungspolitik<br />
transportiere ich nach Düsseldorf.« versprach<br />
Tim Kurzbach.<br />
»Wir müssen das fortführen« sagten sichtlich<br />
gut gelaunte und von der Diskussion rotbackig<br />
gewordene Jugendliche und Politiker. und das<br />
taten sie alle dann auch beim Ausklang des<br />
Abends an Stehtischen mit Hintergrundmusik im<br />
Kaminzimmer; bevor sie aufbrachen - denn am<br />
nächsten Tag war Schule. »Tut mir leid – keine<br />
Zeit?«. Für Diskussionen ja, zum Ausschlafen<br />
leider nein.<br />
Karl Hesse<br />
<strong>Hackhauser</strong> Kamingespräch<br />
31
32 Mitarbeitende im <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong><br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
des hackhauser hofes im Jahre <strong>2010</strong><br />
Verwaltung<br />
Astrid Block Verwaltungsleiterin bis 31.05.<strong>2010</strong><br />
Christine Wiegand Buchhalterin Teilzeit<br />
Elke Petrikat Sekretärin Teilzeit<br />
Sigrid Labsch Sekretärin Teilzeit<br />
Heide Jüngel Sekretärin, Telefon, Empfang Teilzeit<br />
Jasmin Schneiders Sekretärin, Telefon, Empfang Teilzeit<br />
Hauswirtschaft<br />
Birgit Voos Hauswirtschaftsleiterin<br />
Ewa Birkner Hauswirtschafterin<br />
Mechthild Ganser Hauswirtschafterin<br />
Mandy Fürst Auszubildende bis 31.07.<strong>2010</strong><br />
Helena Figorski Hauswirtschaftsgehilfin Teilzeit<br />
Tamara Gütt Hauswirtschaftsgehilfin Teilzeit<br />
Renata Kot Raumpflegerin Teilzeit<br />
Miriam Schötz Auszubildende ab 01.08.<strong>2010</strong><br />
Hausmeister und Haustechnik<br />
Bernd Thull-Dawid Hausmeister & Haustechniker<br />
Marco Bednarzik Hausmeister Teilzeit<br />
Julian Göpel Hausmeistergehilfe Teilzeit<br />
Team für Jugendarbeit<br />
Dr. Wilfried Drews Diplompädagoge<br />
Anja Franke Diplompädagogin<br />
Karl Hesse Landespfarrer für Jugendarbeit<br />
Luise Pawlowsky Sozialpädagogin (grad.)<br />
Leitung der Bildungsstätte<br />
Anja Franke<br />
Karl Hesse
Impressionen aus dem <strong>Hackhauser</strong> Rubrik <strong>Hof</strong><br />
33
34<br />
Impressionen aus dem <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong>
Impressionen aus dem <strong>Hackhauser</strong> <strong>Hof</strong><br />
35
Hackhausen 5b · 42697 Solingen<br />
Fon 0212 22201-0 · Fax 0212 22201-20<br />
jubi@hackhauser-hof.de · www.hackhauser-hof.de