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Microsoft Word _ Ausgabe 10_2007_doc - Rasdorf

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Grüsselbacher<br />

Dorfgeschichte<br />

Herausgeber: Arbeitskreis „Chronik“ im Rahmen der Dorferneuerung Grüsselbach<br />

<strong>Ausgabe</strong> Nr. <strong>10</strong> Jahr <strong>2007</strong><br />

Der Standorfsberg<br />

von Winfried Walk<br />

mit Ergänzungen von Kurt Lehmann, Hünfeld<br />

Der Standorfsberg aufgenommen aus südlicher Richtung vom Neustraßenrain.<br />

Foto: Winfried Walk<br />

- 1 -


Geographische Lage<br />

Der Standorfsberg, als dritthöchste Erhebung der Grüsselbacher Gemarkung mit 386 m, liegt<br />

ca. 2 km nordöstlich von Grüsselbach und bildet auch die Grenze zu Thüringen. Die<br />

innerdeutsche Grenze, die quer über den Standorfsberg verlief, beginnend vom ehemaligen<br />

Schlagbaum im Süden bis zum Fuße der Eisenbahnbrücke (seit <strong>2007</strong>: Nutzung als<br />

Kegelspielradweg) im Westen, trennte die Dörfer Grüsselbach (Hessen), Buttlar (Thüringen)<br />

und Wenigentaft (Thüringen). Stumme Zeugen der früheren Grenzanlagen sind der ehemalige<br />

Wachturm in der Nähe des einstigen Schlagbaumes, der Kolonnenweg, welcher für die<br />

Kübelwagen der Grenztruppen gebaut wurde und Reste der früheren Führungsstelle mit<br />

Bunker und Erdbunker nahe der Bergkuppe auf der Ostseite des Standorfberges. Zunächst gab<br />

es nur einen Erdbunker aus halbrunden Bauelementen. Später wurde ein Turm dazugesetzt,<br />

der nach Entfernung der Grenzsperranlagen in den 90er Jahren verschwunden ist.<br />

Wachturm (direkt am Parkplatz) in der Nähe des ehemaligen Schlagbaumes und Reste<br />

damaliger Bunker in der Nähe der einstigen Führungsstelle (Ostseite der Kuppe)<br />

Fotos: Winfried Walk<br />

Der gleichnamige Bach Grüsselbach fließt am Fuße des westlichen Standorfberges unterhalb<br />

der Eisenbahnbrücke in die Taft, von dort aus in die Ulster, danach in die Werra, Weser, Elbe<br />

und mündet schlussendlich in die Nordsee.<br />

Geologie und Geschichte<br />

Die Rhön liegt nahe des Zentrums des Germanischen Beckens, das sich vor ca. 220 Millionen<br />

Jahren absenkte und mit Ablagerungen von Buntsandstein, Muschelkalk und den Tonen der<br />

Keuperzeit (vor 2<strong>10</strong> – 200 Millionen Jahren) gefüllt wurde. Vor etwa 18 bis 11 Millionen<br />

Jahren, im Miozän, dem jüngeren Tertiär (65 bis 2,6 Millionen Jahre vor heute), brachen wie<br />

in der gesamten Rhön vulkanische Kräfte aus dem Erdinnern hervor, hoben den<br />

Buntsandstein und die ihm auflagernden Muschelkalkschichten mit empor und ergossen ihre<br />

Basalt-Lavamassen weithin über die Landoberfläche. Geologisch ist der Standorfsberg<br />

entlang einer Bruchspalte entstanden, an deren Schwachpunkten die vulkanischen Kräfte die<br />

Erdkruste durchbrachen. Die vulkanische Herkunft des Standorfberges lässt sich aus dem<br />

noch bestehenden Krater auf der Kuppe erkennen sowie den dort vorkommenden<br />

Basaltsteinen. Der Standorfsberg, als Teil der Kuppenrhön, gehört zu dem Waldgebiet, das<br />

die Römer „Buchonia“ nannten. Ob dieser Name auf den traditionellen Rhönbaum, die<br />

Buche, zurückgeht oder auf die Kelten, die die Mittelgebirge besiedelten und das Land mit<br />

einem keltischen Wort der Bedeutung "Buckel" benannten, ist nicht eindeutig überliefert.<br />

Durch die gewaltigen Wassermassen, resultierend aus einem mehrtägigen Wolkenbruch,<br />

wurde die steile Westseite des Standorfberges weggeschwemmt. Datiert wird dieses Unwetter<br />

auf das Jahr 1749, in <strong>Rasdorf</strong> auch als das Katastrophenjahr bekannt. Wie mir Kurt Lehmann<br />

berichtete, hatte ihm Dr. Dr. Pralle das Ereignis in einem persönlichen Gespräch bestätigt.<br />

Wie lange diese Katastrophe mündlich überliefert wurde, beweist die Tatsache, dass der alte<br />

- 2 -


Jakob Schreiber in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts noch von diesem Ereignis<br />

berichtete, bei dem das Wasser in der Grüsselbacher Kirche bis hoch zur Empore gestanden<br />

haben soll. Bei diesem Ereignis (nach Pralle) soll auch halb <strong>Rasdorf</strong> weggerissen worden<br />

sein. Nicht weniger Schäden dürfte das Unwetter auch in Grüsselbach angerichtet haben. Es<br />

wird vermutet, dass daraufhin der Standorfsberg auf Jahrzehnte wüst gewesen sein muss. Da<br />

aber der Standorfsberg bereits 1837 durch die Herren von Geyso durch Lehnsbrief an die 7<br />

sogenannten Standorfsbauern aus Grüsselbach übergeben wurde, ohne Erwähnung von z. B.<br />

Schwierigkeiten in der Bewirtschaftung, bestätigt sich die Annahme des Katastrophenjahres<br />

1749. Für weitere frühere Unwetterkatastrophen (vor 1749) spricht auch, dass bei der<br />

Renaturierung des Goldbaches (unterhalb Einfahrt neues Gewerbegebiet/B84) nach etwa 7 m<br />

Löß (einheitliche Schwemmschicht aus einem Ereignis) ein Staubrett an der vermutlichen<br />

früheren Wasserversorgung <strong>Rasdorf</strong>s durch Kurt Lehmann gefunden wurde. Die Uni Gießen<br />

hat das Alter auf ca. 970 n. Chr. datiert.<br />

Die Bodenbeschaffenheit des Standorfberges besteht fast aus reinem Muschelkalk. In den<br />

kleinen Steinbrüchen und Gruben des Standorfsberges findet man fossilführende<br />

Kalksteinlagen mit versteinerten Muscheln, Armfüßern und Schnecken. Diese sind steinerne<br />

Zeugen dafür, dass das gesamte Gebiet des heutigen Deutschlands im Trias vor etwa 220<br />

Millionen Jahren mit flachem Wasser bedeckt war, weil sich das germanische Becken durch<br />

die Gesteinsbildung absenkte und etwa im Niveau des Meeresspiegels lag. Dadurch stand es<br />

mehr oder weniger mit dem Weltmeer in Verbindung. Als Kinder haben wir oft nach diesen<br />

versteinerten Fossilen in den kleinen Steinbrüchen und Gruben am Fuße des Standorfberges<br />

gesucht. Manchmal haben wir versteinerte Muscheln gefunden.<br />

Naturschutzgebiet Waldhof-Standorfsberg (Flora und Fauna)<br />

Der Waldhof-Standorfsberg mit 244 ha Fläche gehört zum Naturschutzgebiet Vorder- und<br />

Kuppenrhön (mit Landrücken), welches vom Hessischen Ministerium für Umwelt, ländlichen<br />

Raum und Verbraucherschutz am 06.<strong>10</strong>.1988 gegründet und am 21.07.1994 erweitert wurde.<br />

Somit ist der Waldhof-Standorfsberg ein selbständiges Naturschutzgebiet (NSG), das in das<br />

EU-Schutzgebiet FFH (Flora-Fauna-Habitat) einbezogen ist. Als Hauptinitiator und<br />

Wegbegleiter war Kurt Lehmann für die Ausweisung des Geländes als NSG verantwortlich,<br />

wie anerkennende Schreiben vom Regierungspräsidenten in Kassel bezeugen.<br />

Noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts war der Standorfsberg größtenteils in<br />

Privatbesitz (auch von DDR-Einwohnern) und wurde zwecks Ausweisung als NSG vom Land<br />

Hessen/Forstverwaltung angekauft.<br />

Das Naturschutzgebiet Standorfsberg verfügt über eine einzigartige Flora und Fauna. Die von<br />

Wacholder, Mehlbeeren und Berberitzen bestandenen Steilhänge sind im Frühjahr von<br />

Schlüsselblumen übersät. Im zeitigen Frühjahr kommt die Küchenschelle auf dem ganzen<br />

Areal, besonders reichlich aber auf dem Nordwesthang und auf einzelnen Wiesen am Fuße<br />

des Standorfsberges vor. Im Juni blühen hier Orchideen, unter ihnen die Fliegenragwurz, die<br />

in zahlreichen Exemplaren unmittelbar am Wegrand wächst, sowie das Knabenkraut (auch<br />

geflecktes Knabenkraut), das Zweiblatt und der große Hendelwurz.<br />

Küchenschelle Fliegenragwurz Berberitze<br />

- 3 -


Im Hochsommer locken die Blüten des Dost zahlreiche Schmetterlinge, unter anderem den<br />

Schwalbenschwanz und den Trauermantel, Hummeln und Schwebfliegen an, und im<br />

September blühen hier neben den heimischen Enzianen, die Gold- und die Silberdistel. Auch<br />

einige Vogelarten wie der Mäusebussard, der Rotmilan, der Neuntöter u. a. finden hier ideale<br />

Lebensbedingungen. Um die Artenvielfalt wäre es beinahe geschehen, denn das Gelände hatte<br />

sich nach Aufgabe der Weidenutzung mit einem dichten Mantel aus Gebüschen überzogen.<br />

- 4 -<br />

Schäfer Lückert aus<br />

Pferdsdorf mit seiner<br />

Schaf- und Ziegenherde<br />

vor dem Wachturm in<br />

der Nähe des ehemaligen<br />

Schlagbaumes auf<br />

dem „grünen Band“.<br />

Foto: Winfried Walk<br />

Inzwischen hat man die Gehölze zurück geschnitten und im Rahmen des<br />

Vertragsnaturschutzes wieder Schafe über die Hänge getrieben, um die ausgedehnten<br />

Kalkmagerrasen offen zu halten. Ein wertvolles Stück Natur und Kulturerbe wird so erhalten.<br />

Mit dazu beigetragen, dass sich Flora und Fauna am Standorfsberg über mehr als 40 Jahre<br />

ungestört menschlicher Eingriffe entwickeln konnte, war das „grüne Band“, auch bekannt als<br />

Niemandsland. Als Naturschützer begannen, das Niemandsland zu kartieren, machten sie eine<br />

überraschende Entdeckung. Die fast 1.400 km lange Kahlschlagschneise vom weißen Strand<br />

der Ostsee zu den dunklen Wäldern und Granitfelsen des Fichtelgebirges war wider Erwarten<br />

mit einem vielgestaltigen Mosaik von intakten Lebensräumen überzogen. Mehr als 15 Jahre<br />

danach: „Eine Perlenkette wertvollster Biotope“, so nennen die Naturschützer den ehemaligen<br />

Grenzstreifen. Sie haben ihn ‚Grünes Band‘ getauft und sprechen von einem „Naturwunder“.<br />

Ziel des Naturschutzgebietes ist die Erhaltung der seltenen und bewundernswerten Flora und<br />

Fauna durch die Entwicklung schonender Pflegepläne. Alle Handlungen, die zu einer<br />

Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner<br />

Bestandteile führen können, sind verboten (u. a. das Pflücken seltener Pflanzenarten). Heute<br />

finden mehrmals jährlich geführte Wanderungen durch das zuständige Forstamt statt.<br />

Außerdem wird der ehemalige Kolonnenweg als Wanderweg rege genutzt.<br />

Wirtschaftliche Nutzung (Steinbrüche, Betonwerk und Staudamm)<br />

Wirtschaftlich wurden Gesteine des Muschelkalks in mehreren kleinen Steinbrüchen abgebaut<br />

und verschiedenen Zwecken zugeführt. Während die festen Kalksteinbänke des Muschelkalks<br />

früher zur Gewinnung von Bausteinen und auch dem Brennen von Mauer- und Düngekalk<br />

dienten, wurden die kleinstückig zerfallenden Bröckelkalksteine des Muschelkalks, auch als<br />

Kalkkies bekannt, zum Wegebau genommen. Etwa 300 m unterhalb der Kuppe entstand aus<br />

solchen Gründen ein Steinbruch, in dem Basaltsteine abgebaut wurden. Die Oberschicht<br />

bestand aus Basaltsteinen die Unterschicht aus Kalkkies. Diese wurden als Unterbau für den<br />

Wegebau der Gemeinde genutzt. Der Unterbau des Standorfweges besteht aus diesen<br />

Basaltsteinen. In dem ehemaligen Steinbruch ist ein wertvolles Feuchtbiotop entstanden,<br />

welches aufgrund des kalkhaltigen Untergrundes in trockenen Jahren austrocknen kann. Auf<br />

Intervention von Kurt Lehmann wurde der Steinbruch als flächenhaftes Naturdenkmal<br />

ausgewiesen. Dieser sollte verfüllt werden, um ein paar qm Ackerland zu gewinnen.


Feuchtbiotop am Fuße der Kuppe (ehemaliger<br />

Steinbruch)<br />

Foto: Winfried Walk<br />

Für den Nordwesthang des Standorfberges bestand<br />

aus den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein<br />

Ausbeutevertrag zum Abbau von Muschelkalk zur<br />

Zementfabrikation mit den Einbecker Kalkwerken.<br />

Bei Ausweisung des NSG wurde dieser Vertrag<br />

gegen Entschädigung abgelöst. Vor dem Bau der<br />

Bahnstrecke 1905/1906, so wird berichtet, war ein<br />

Staudamm geplant, der als Rückstaubecken bei Hochwasser dienen sollte. Grund des<br />

Verzichtes auf einen Staudamm war wohl wegen pseudotektonischer Senkungsmöglichkeiten<br />

und einer zu erwartenden Mazeration (Quellung und Aufweichung) im Bereich des<br />

Zechsteins. Die 7 Standorfbauern sowie die Dorfbevölkerung waren von den Plänen nicht<br />

begeistert, da dadurch das gute Land zum Opfer gefallen wäre. Ebenfalls, so wird vermutet,<br />

hätte das Dorf Grüsselbach umgesiedelt werden müssen. Schriftliche Zeitzeugnisse (wie z. B.<br />

Planungsunterlagen etc.) konnten trotz intensiver Recherche nicht aufgefunden werden.<br />

Kriegserinnerungen<br />

Der Standorfsberg war in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz kriegerischer<br />

Ereignisse, wie nachfolgende Ausführungen und Zeitzeugenberichte beweisen:<br />

Nach der großen Völkerschlacht von Leipzig vom 16. – 19. Oktober 1813, kam es bei Leipzig<br />

zum Sieg der verbündeten Preußen, Österreicher, Schweden, Briten und Russen über<br />

Napoleon I. (Frankreich). Auf dem Rückzug der französischen Armee wurden auch die an der<br />

heutigen Bundesstraße (B84) gelegenen Dörfer (Buttlar, Grüsselbach, <strong>Rasdorf</strong> ...) durch<br />

Brandschatzungen, Plünderungen, Einquartierungen etc. in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Die beiden nachfolgenden Zeitzeugenberichte sind entnommen aus den Fuldaer<br />

Geschichtsblättern von 1913, herausgegeben von Dr. Gregor Richter, einem Sohn unserer<br />

Gemeinde (siehe <strong>Ausgabe</strong> 6). Beide Darstellungen weichen inhaltlich voneinander ab. Eine<br />

dritte Version ist auf einer Infotafel am Rand des ehemaligen Kolonnenweges in der Nähe der<br />

Kuppe zu lesen:<br />

„Im Jahre 1813 wurde der S t a n d o r f s b e r g durch Kosaken besetzt, die von hier aus die<br />

nach der Völkerschlacht bei Leipzig fliehenden französischen Truppen beschossen“.<br />

Zeitzeugenbericht von Joseph Käsmann aus Geisa:<br />

„Während der Nachtrab der französischen Armee noch in Eisenach lagerte und am 27.<br />

Oktober ein nachteiliges Gefecht am Hörselberge auf der Straße zwischen Eisenach und<br />

Marksuhl zu bestehen hatte, schlug der Kaiser Napoleon am 27. Oktober abends noch sein<br />

Hauptquartier in der Etappenstation zu Hünfeld in der Behausung des damaligen<br />

Distriktsbeamten Kind auf. Seine durch die angestrengten Märsche und Mangel an<br />

Lebensmittel erschöpften, aber keineswegs als mutlos zu bezeichnenden Krieger hatten an<br />

diesem Tage noch bei dem Dorfe <strong>Rasdorf</strong> von Seiten des Streitkorps des russischen Generals<br />

Dschernitscheff und des Utaman Grafen Platow, welche den Franzosen durch die Besetzung<br />

des Engpasses an dem hinter dem Dorfe <strong>Rasdorf</strong> nach Fulda zu gelegenen Quecksmoor<br />

beherrschenden Gehilfersberge zuvorgekommen waren und deren wohlbediente kleine<br />

Geschütze die Landstraße nach Hünfeld bestrichen, einen verdrießlichen Flankenangriff<br />

abzuwehren. Auch waren an diesem Tage, nachdem der Nachtrab der französischen Armee<br />

durchgezogen war, das früher als wohlhabend bezeichnete fuldaische Grenzdorf Buttlar gut<br />

zur Deckung der französischen Retirade auf Befehl des Kaisers vom S t a n d o r f s b e r g e<br />

aus beschossen und einzelne Häuser von den Soldaten in Brand gesetzt. Die daselbst<br />

befindliche über die Ulster führende steinerne Brücke aber aus dem Grunde teilweise zerstört<br />

worden, um die dadurch bewirkte Hinderung das Nachrücken der alliierten Heere zu<br />

erschweren“.<br />

- 5 -


Zeitzeugenbericht von Valentin Gutberlet aus Borsch:<br />

„Eben an demselben Tage zog die Hauptarmee der Franzosen durch Buttlar. Sie machten<br />

drüben auf der Höhe eine Stellung, und da der Kaiser Napoleon befohlen hatte, das Buttlar<br />

niederzubrennen, um dem Feind halt zu machen, so schossen sie mit Bomben hinein, und viele<br />

nachtreitenden Franzosen, so keine Gewehr mehr hatten, legten in allen Häusern Feuer an.<br />

Indessen brachten die Preußen einige Kanonen unterhalb Buttlar über die Ulster und<br />

schossen vom S t a n d o r f s b e r g e auf die Franzosen, welche als dann losbrachen und<br />

fortzogen“.<br />

Am 22. Oktober 1943 wird Kassel im Luftkrieg des 2. Weltkrieges zum Ziel eines<br />

Nachtbombardements von mehreren Hundert Flugzeugen der Alliierten. Zu Tausenden<br />

kommen die Menschen ums Leben. Ein Feuersturm durchrast die Straßen, der alte Stadtkern<br />

und Oberneustadt gehen unter, tagelang wüten die Flammen. Der verstorbene Zeitzeuge<br />

Reinhold Hahn berichtete mir als Kind, dass die Rauchwolken der Flammen infolge des<br />

Luftbombardements vom S t a n d o r f s b e r g aus gut zu sehen waren.<br />

Am 24. Februar 1944 wurde Grüsselbach erstmals unmittelbar von Kampfhandlungen<br />

betroffen, als deutsche Jäger mehrere Bomber eines Verbandes abschossen, wovon zwei<br />

Flugzeuge am S t a n d o r f s b e r g, davon einer auf der östlichen Seite in Thüringen,<br />

abstürzten (ausführlicher Bericht siehe <strong>Ausgabe</strong> 2).<br />

Die Ausführungen belegen, welche interessanten Geschichten der Standorfsberg bis heute<br />

erlebt hat. Wir Menschen gehen, der Standorfsberg - die Natur - bleibt. Deshalb ist es uns<br />

geboten, die Natur für alle nachfolgenden Generationen zu schützen und zu erhalten.<br />

Fortsetzung der Haus- und Hofchronik<br />

von Karola Walk<br />

„Obels“ Haus Nr. 19 – heute Sabine Kaemling und Thomas Engelbrecht,<br />

Am Grüsselbach 14<br />

Im Jahre 1600 saß Jost Stroh auf diesem Hof. In den Wirren des 30jährigen Krieges lag das<br />

Anwesen einige Jahre wüst.<br />

Im Lagerbuch von 1675 wurde Kaspar Werner als Besitzer angegeben.<br />

In der Güterbeschreibung von 1720 steht folgendes:<br />

„Hans Höhl besitzet eine mit Haus und Scheuer erbaute Hofreit, wozu ein ganzer Hof<br />

gehöret, dem Stift <strong>Rasdorf</strong> lehnbar.“<br />

Sohn Johannes Höhl, sein Nachfolger, verheiratete sich 1756 mit Gertrud Vögler aus Ketten –<br />

und wieder folgte ein Besitzerwechsel um 1785. Jakob Rampf und Frau Anna Katharina, geb.<br />

Hohmann, die ihr Anwesen, heute „Adams“ aufgegeben hatten, waren jetzt die Inhaber. Die<br />

Vorgänger, Johannes Höhl mit seiner achtköpfigen Familie, durften zeitlebens im Nebenhaus<br />

wohnen, wie es in den vorigen Jahrhunderten bei Hofkäufen öfters vertraglich vereinbart<br />

wurde. Jakob Rampf, der Hoferbe und Frau Anna Maria, geb. Wiegand aus <strong>Rasdorf</strong>,<br />

übernahmen nach ihrer 1799 geschlossenen Ehe den Hof. Das große schöne Fachwerkhaus,<br />

wie es heute noch besteht, war um 1800 von der Familie Rampf gebaut worden.<br />

Tochter Anna Katharina übernahm das elterliche Erbe mit ihrem Ehemann Anton Winter aus<br />

Buttlar, die sich 1824 verheiratet hatten. Auch diese Familie hatte den Hof nicht halten<br />

können. Sie erschienen 1835 in dem vormals noch kleinen Haus, das heute der Familie Dietz<br />

gehört.<br />

Christoph Abel und Frau Margarethe waren hier ab 1835 die Nachbesitzer, die ihr Höfchen,<br />

heute „Ezell“, hinter der Kirche, an Jakob Schreiber verkauft hatten. Christoph Abel, einige<br />

Jahre Bürgermeister in Grüsselbach, übergab im fortgeschrittenem Alter den Hof an seinen<br />

Sohn Johann Georg, der seit 1833 mit Sophia Fischer aus Geismar verheiratet war. Von den 7<br />

- 6 -


Töchtern und 2 Söhnen, die aus dieser Ehe hervorgegangen sind, ist nur ein Sohn im<br />

Kindesalter gestorben. Ehefrau Sophia verstarb im 9. Kindbett mit erst 43 Jahren. Die<br />

nachfolgende Ehe des Witwer Georg Abel mit Gertrud Gombert aus Oberufhausen blieb aber<br />

kinderlos. Der Hausname „Obels“ ist durch die Familien Abel entstanden.<br />

Im Steuerkataster 1861 heißt es:<br />

„Johann Georg Abel hat ein Wohnhaus mit Stallungen und Schweineställen, Scheuer mit 2<br />

Tennen und Schuppen und Hofreite im Dorf.“<br />

Ihr nunmehr einziger Sohn, Caspar Josef Abel, verheiratete sich nach Buttlar. Tochter<br />

Karoline, die seit 1866 mit Jakob Schreiber in dem Hof, heute „Ezell“, verheiratet war,<br />

übernahm mit ihrem Ehemann den Hof „Obels“. Auch diese verkauften wieder das gleiche<br />

Höfchen, wie schon ihr Vorgänger Abel, um diesen Hof übernehmen zu können. <strong>10</strong> Kinder<br />

waren ihnen geboren, von denen 2 im Kindesalter starben. Vater Jakob Schreiber ist im 90.<br />

Lebensjahr verstorben. Karl, dem Zweitjüngsten, wurde der Hof übergeben. Mit seiner Braut<br />

Anna Maria Heim aus Buttlar schloss er 1911 den Ehebund. Von ihren 9 Kindern<br />

entschlossen sich 2 Töchter für ein Klosterleben. Hilda trat in den Orden der „Göttlichen<br />

Vorsehung“ ein; Klara entschied sich für die „Barmherzigen Schwestern vom hl. Vincenz von<br />

Paul“. Sohn Gregor ist aus dem 2. Weltkrieg nicht mehr heimgekehrt. Er fiel 1942 bei<br />

Potachowo in Russland. Paul, der jüngste Sohn, wanderte nach Kanada aus.<br />

August Schreiber mit seiner Frau Waltraud Leihgabe: Lothar Schreiber<br />

In den 60er Jahren ergab sich die Möglichkeit, für landwirtschaftliche Betriebe auszusiedeln.<br />

August nahm dieses wahr und siedelte auf sein Grundstück am Dorfrand aus. Die<br />

Wirtschaftsgebäude des alten Hofes sind im Jahr 1972 durch einen Brand eingeäschert<br />

worden. Berthold ist der Erbe des Siedlungshofes. Ihm fiel auch die alte Hofreite zu.<br />

Nachdem die Wirtschaftsgebäude abgebrannt waren, hat Bruder Lothar sein Eigenheim auf<br />

der freigewordenen Fläche errichtet.<br />

Hans Norbert Kister, ein Neffe, bewohnte das Haus über viele Jahre. Auch hatte Kaufmann<br />

Litz aus <strong>Rasdorf</strong> in diesem Haus einige Jahre eine Gemischtwarenfiliale unterhalten.<br />

Das Wohnhaus wurde verkauft an Karin Dana, die es in jahrelanger mühevoller Arbeit<br />

restaurierte.<br />

Jetzige Besitzer sind Sabine Kaemling und Thomas Engelbrecht.<br />

- 7 -

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