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Arbeitsrecht 3/15

Newsletter zu Entwicklungen im Arbeitsrecht

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ArbR<br />

<strong>Arbeitsrecht</strong><br />

Newsletter zu Entwicklungen im <strong>Arbeitsrecht</strong> 3/<strong>15</strong><br />

Inhaltsübersicht<br />

BETRIEBLICHES EINGLIEDERUNGSMANAGEMENT<br />

Seite<br />

I. Einleitung 2<br />

II. Betriebliches Eingliederungsmanagement 2<br />

III. Fazit 6<br />

AKTUELLE RECHTSPRECHUNG<br />

Befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen<br />

des Renteneintrittsalters 6<br />

Betriebsbedingte Kündigung und anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

7<br />

Keine nachträgliche Kürzung des Urlaubsanspruches wegen<br />

Elternzeit 8<br />

Lockerung der Aufzeichnungspflichten und Klarstellung zur<br />

Auftraggeberhaftung (MiLoG) 8<br />

Projektbefristung als sachlicher Befristungsgrund 9<br />

Ungekündigtes Arbeitsverhältnis als Voraussetzung für Gewährung<br />

von Urlaubsgeld 9<br />

Fristlose Kündigung wegen Raubkopien auf dem Firmen-Rechner 10<br />

Strenge Anforderungen an eine Verdachtskündigung 11<br />

AKTUELLES AUS UNSEREM HAUS 12<br />

.<br />

.<br />

wir freuen uns, Ihnen unsere dritte<br />

Ausgabe des Newsletters <strong>Arbeitsrecht</strong><br />

im diesem Jahr zu übersenden. Diese<br />

Ausgabe befasst sich im Schwerpunkt<br />

mit dem in der Praxis immer wichtiger<br />

werdenden Betrieblichen Eingliederungsmanagement<br />

und den damit<br />

zusammenhängenden Problemen.<br />

Daneben haben wir wie immer aktuelle Gerichtsentscheidungen<br />

im <strong>Arbeitsrecht</strong> prägnant aufbereitet und mit kurzen Praxishinweisen<br />

versehen.<br />

Eine interessante Lektüre<br />

wünscht Ihnen<br />

Ihr<br />

Dr. Volker Vogt, LL.M.<br />

Rechtsanwalt<br />

Fachanwalt für <strong>Arbeitsrecht</strong><br />

volker.vogt@schomerus.de<br />

Tel. Sekretariat:<br />

040 / 37 601 2348<br />

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ArbR 3/<strong>15</strong> 1


BETRIEBLICHES EINGLIEDERUNGSMANAGEMENT<br />

I. Einleitung<br />

Die deutsche Volkswirtschaft verliert jährlich bis zu 225 Milliarden EUR durch kranke<br />

Arbeitnehmer, sodass sich jeder Euro, der in eine betriebliche Prävention investiert wird,<br />

für die Volkswirtschaft mit 5 bis 16 EUR wieder auszahlt (vgl. Studie aus dem Jahr 2011<br />

der Strategieberatung booz&co für die Felix Burda Stiftung).<br />

Eine solche betriebliche Prävention stellt u.a. das Betriebliche Eingliederungsmanagement<br />

(BEM) dar. Seit 2011 schon sind Arbeitgeber verpflichtet, länger erkrankten<br />

Beschäftigten ein BEM anzubieten. Gesetzlich verankert ist das BEM in § 84 Abs. 2 SGB IX.<br />

Dort ist festgelegt, dass ein Arbeitgeber allen Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres<br />

länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein BEM<br />

anzubieten hat. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber klären muss, „wie die Arbeitsunfähigkeit<br />

möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter<br />

Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.“ Wie diese<br />

Klärung im Detail auszusehen hat, gibt § 84 Abs. 2 SGB IX bewusst nicht vor. Dadurch<br />

stellt sich in der Praxis oft die Frage, wie ein solches Verfahren sinnvoll umzusetzen ist.<br />

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in den letzten Jahren drei neue Entscheidungen<br />

zum BEM getroffen, die u.a. die Voraussetzungen des BEM (BAGE 141, 42), die Mitbestimmungsrechte<br />

bei der Durchführung des BEM (BAG, NZA 2012, 744) und die Schnittstelle<br />

zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) (BAG, ArbRAktuell 2011, 409)<br />

weiter ausgestaltet haben.<br />

Der folgende Beitrag setzt sich daher mit der Problematik der Umsetzung des BEM in der<br />

Praxis und den Neuerungen in der Rechtsprechung auseinander.<br />

II. Betriebliches Eingliederungsmanagement<br />

1. Voraussetzungen<br />

BEM ist erforderlich, wenn ein<br />

Arbeitnehmer mehr als sechs<br />

Wochen innerhalb eines Jahres<br />

erkrankt ist.<br />

Durchzuführen ist ein BEM bei einem Beschäftigten, der innerhalb des „letzten Jahres“<br />

länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Beschäftigte meint dabei alle Arbeitnehmer<br />

und Beamte. Auf eine Behinderung oder eine Gleichstellung kommt es dabei ebenso<br />

wenig an wie auf eine bestimmte Betriebsgröße (vgl. BAG, NZA 2008, 173). Der in § 84<br />

Abs. 2 SGB IX angegebene Zeitraum meint dabei nicht das letzte Kalenderjahr, sondern<br />

vielmehr die letzten 365 Tage (vgl. ErfK/Rolfs SGB IX § 84 Rn. 5). Die Grundlage für ein<br />

solches Verfahren ergibt sich zwar aus § 84 Abs. 2 SGB IX, jedoch schreibt dieser weder<br />

vor, in welcher Form dieses Verfahren durchzuführen ist, noch ob eine denkbare Mitbestimmungspflicht<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht. Die Durchführung des BEM ist<br />

daher sehr frei zu gestalten, was wiederum zu Unsicherheiten in der Umsetzung führt.<br />

Beteiligte des Verfahrens sind grundsätzlich:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Arbeitgeber,<br />

Arbeitnehmer,<br />

Betriebsrat, soweit es einen gibt (§ 84 Abs. 2 SGB IX sieht die Klärung mit den zuständigen<br />

Interessenvertretungen „unter Beteiligung des Arbeitnehmers“ vor. Ein BEM<br />

ist aber auch dann durchzuführen, wenn es gar keinen Betriebsrat gibt – vgl. BAG,<br />

NZA 2011, 39),<br />

bei Schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmern die Schwerbehindertenvertretung<br />

und<br />

soweit erforderlich der Betriebsarzt.<br />

ArbR 3/<strong>15</strong> 2


Praxis-Tipp<br />

Regelmäßig bietet sich die Kontaktaufnahme und Einschaltung des Integrationsamts<br />

bzw. Integrationsfachdienstes sowie die Beteiligung der Fachkraft für<br />

Arbeitssicherheit oder des Betriebsarztes – allein schon wegen deren Erfahrungen<br />

und besonderen Kenntnisse – an.<br />

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein BEM nicht erzwingbar ist. Das bedeutet,<br />

dass ein Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet werden kann, an einem BEM teilzunehmen.<br />

Ebenso gilt, dass er eine bereits erteilte Zustimmung jederzeit zurückziehen kann.<br />

Praxis-Tipp<br />

Daher sollte aus Beweissicherungsgründen die bereits erteilte Zustimmung<br />

eines Arbeitnehmers schriftlich dokumentiert werden. Der Arbeitgeber muss<br />

um diese ordnungsgemäß nachsuchen oder zu dieser gesondert auffordern.<br />

2. Verfahren<br />

Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist die Durchführung des BEM für den Arbeitgeber<br />

verpflichtend. D.h. für ihn ist entscheidend, dass das Verfahren auf seine Initiative hin<br />

durchgeführt wird (vgl. BAG, NZA 2011, 992). Das BEM ist ein rechtlich regulierter „Suchprozess“,<br />

der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit<br />

ermitteln soll (vgl. BAG, NZA 2010, 398). Im Mittelpunkt dieses Prozesses stehen<br />

die Wiederherstellung, der Erhalt und die Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit<br />

von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.<br />

Praxis-Tipp<br />

In der Praxis empfiehlt sich folgender Verfahrensablauf:<br />

a) Vorliegen der BEM-Voraussetzungen prüfen.<br />

b) Erstkontakt mit dem Arbeitnehmer aufnehmen und das Gespräch mit diesem<br />

suchen (über Ziele des BEM sowie über Art und Umfang der hierfür erhobenen<br />

und notwendigen Daten aufklären und Zustimmungserklärung einholen<br />

– vgl. BAG, NZA 2010, 398).<br />

c) Eingliederungsgespräch führen und ggf. Eingliederungsplan erstellen<br />

(SMART-Formel für die Ziele des BEM: Spezifisch, Messbar, Akzeptabel, Realistisch<br />

und Terminiert – vgl. ArbRAktuell 20<strong>15</strong>, 169)<br />

d) Maßnahmen durchführen, kontrollieren und dokumentieren.<br />

e) Abschlussgespräch führen.<br />

3. Maßnahmen<br />

Wie bereits angesprochen, ist der Ablauf des BEM ganz den Parteien überlassen, so dass<br />

die Maßnahmen für jeden Einzelfall bestimmt werden können und auch bestimmt werden<br />

müssen. Maßnahmen könnten dabei u.a. sein (vgl. ArbRAktuell 20<strong>15</strong>, 169):<br />

Ablauf des BEM ist den Parteien<br />

überlassen<br />

<br />

<br />

Die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens oder die Durchführung einer<br />

Gefährdungsbeurteilung.<br />

Die nähere arbeitstechnische Untersuchung z.B. durch Sicherheitsfachkräfte oder<br />

Arbeitspsychologen sowie Durchführung erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen,<br />

z.B. Hebe-/Tragehilfen (vgl. LAG Hessen, BeckRS 2000, 16140).<br />

ArbR 3/<strong>15</strong> 3


Wiedereingliede-<br />

Stufenweise<br />

rung gängig<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Die technisch/organisatorische Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Arbeitsablaufs<br />

(vgl. Stück, AuA 2007, 200).<br />

Die Versetzung auf einen anderen leidensgerechten Arbeitsplatz (vgl. Stück, AuA<br />

2007, 200).<br />

Die Arbeitsreduzierung bzw. Arbeitsänderung (zur Schonarbeit vgl. Stück, AuA<br />

2007, 594).<br />

Die Ermöglichung von muskulären Trainingseinheiten.<br />

Die von Krankenkassen bzw. sonstigen Sozialversicherungsträgern geförderte stufenweise<br />

Wiedereingliederung (vgl. Nebe, DB 2008, 1801).<br />

<br />

Die Durchführung einer (Sucht-)Therapie bei Therapiewilligkeit (vgl. BAG, NZA 2014,<br />

602).<br />

Praxis-Tipp<br />

Bei Langzeiterkrankten bietet sich eine stufenweise Wiedereingliederung auch<br />

dafür an, um die Wiederbelastung und ihre Auswirkungen auf den Arbeitnehmer<br />

zu erproben. Nach dem sog. Hamburger Modell wird dabei die Arbeitszeit stufenweise<br />

erhöht, z.B. von vier auf sechs Stunden pro Tag und dann auf die normalen<br />

acht Stunden.<br />

4. Ergebnisse und Konsequenzen<br />

a) Positives Ergebnis<br />

Führt das BEM zu dem Ergebnis, dass es Maßnahmen gibt, die die Arbeitsunfähigkeit<br />

vermeiden können, sind diese als milderes Mittel vor einer krankheitsbedingten Kündigung<br />

umzusetzen. Kommt der Arbeitgeber dem nicht nach, trägt er die Darlegungslast<br />

dafür, warum die Maßnahme nicht zu einer Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit geführt<br />

hätte (ErfK/Rolfs SGB IX § 84 Rn. 8).<br />

b) Negatives Ergebnis<br />

Führt das BEM hingegen zu dem Ergebnis, dass es keine Möglichkeit gibt, die Arbeitsunfähigkeit<br />

des Beschäftigten zu mindern, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast,<br />

indem er sich darauf beruft (ErfK/Rolfs SGB IX § 84 Rn. 9).<br />

5. Rechtsfolgen eines nicht durchgeführten BEM<br />

Kommt es zu einer krankheitsbedingten Kündigung, ist Folgendes zu beachten:<br />

Nach dem BAG ist die Durchführung des BEM zwar keine formelle Voraussetzung für die<br />

Wirksamkeit einer Kündigung (BAG, NZA 2010, 398). Dennoch hat eine fehlende Durchführung<br />

durchaus Konsequenzen. In einem Kündigungsrechtsstreit wirkt sich ein nicht<br />

durchgeführtes BEM auf die Darlegungs- und Beweislast aus. Der Arbeitgeber hat dann<br />

zu beweisen, dass eine entsprechend ungünstige Prognose auch bei einem ordnungsgemäß<br />

durchgeführten BEM vorgelegen hätte.<br />

Dies ist in der Praxis äußerst schwierig, da nachgewiesen werden müsste, dass das BEM<br />

zu keinem positiven Ergebnis geführt hätte (BAG, NZA 2010, 398).<br />

Praxis-Tipp<br />

Ohne den Nachweis eines erfolglosen Versuchs eines BEM oder eines gescheiterten<br />

tatsächlichen Arbeitsversuchs zu geänderten Arbeitsbedingungen, liegt<br />

die Beweislast regelmäßig beim Arbeitgeber. Da dieser Beweis nur sehr schwer<br />

ArbR 3/<strong>15</strong> 4


zu führen ist, werden die Kündigungsschutzprozesse oft zu Lasten des Arbeitgebers<br />

entschieden. Damit verbunden sind erhebliche rechtliche und wirtschaftliche<br />

Risiken. Daher sollten Arbeitgeber stets darauf achten, ein ordnungsgemäßes<br />

BEM durchzuführen.<br />

6. Datenschutz und Mitbestimmung<br />

a) Datenschutz<br />

Die im Rahmen eines BEM erhobenen Daten unterliegen dem Bundesdatenschutzgesetz<br />

(BDSG). Sensible Gesundheitsdaten sind beispielsweise besonders zu schützen,<br />

z.B. mittels eines besonderen Kuverts in der Personalakte (BAG, NZA 2007, 269) oder<br />

bei einer elektronischen Personalakte durch gestufte Berechtigungskonzepte. Dabei<br />

kommt dem Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung eine Überwachungsaufgabe<br />

gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bzw. § 95 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX i.V.m. § 84 Abs. 2<br />

S. 7 SGB IX zu. Das BAG hat zu dieser Aufgabe ausgeführt, dass der Arbeitgeber gegenüber<br />

dem Betriebsrat dazu verpflichtet ist, die Arbeitnehmer zu benennen, die die Voraussetzungen<br />

für ein BEM erfüllen – soweit die namentliche Benennung der Arbeitnehmer<br />

weder gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen noch gegen das Unionsrecht<br />

verstößt (vgl. BAG, NZA 2012, 744).<br />

b) Mitbestimmung<br />

Umstritten und noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt ist, ob bei der Aufstellung<br />

eines formalisierten Verfahrens für das BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX ein Mitbestimmungsrecht<br />

nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6 oder Nr. 7 BetrVG gegeben ist. Da formalisierte<br />

Kranken- und Rückkehrgespräche, wie das aus der Automobilindustrie bekannte<br />

Ampel- und Stufenmodell gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, mitbestimmungspflichtig<br />

sind (BAG, NZA 1995, 857; LAG München, AUR 2014, 4402) und § 84 Abs. 2 SGB IX eine<br />

Rahmenvorschrift i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist (BAG, NZA 2012, 748), spricht einiges<br />

für eine Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats. Deswegen ist eine Einigungsstelle<br />

zum Thema BEM auch nicht offensichtlich unzuständig (LAG Hamm, BeckRs 2014,<br />

67178; LAG Düsseldorf, BeckRs 2013, 67335; LAG Nürnberg, ArbRAktuell 2013, 136; LAG<br />

Berlin-Brandenburg, ArbRAktuell 2011,178; LAG Hamm, BeckRs 2010, 66756).<br />

Allerdings bleibt der pauschale und umfassende Antrag eines Betriebsrats auf Feststellung<br />

eines Mitbestimmungsrechts bei der „Durchführung des BEM gemäß § 84 Abs. 2<br />

SGB IX“ weiterhin unzulässig, da er gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend<br />

bestimmt ist (vgl. BAG, BeckRs 2011, 72408).<br />

Praxis-Tipp<br />

Erwägt der Arbeitgeber die Aufstellung eines formalisierten Verfahrens für das<br />

BEM, sollte er ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht von vornherein<br />

ausschließen.<br />

7. Diskriminierung und Schadensersatz<br />

a) Diskriminierung<br />

Verstößt der Arbeitgeber gegen die Vorschrift des § 84 Abs. 2 SGB IX, die das Angebot<br />

und die Durchführung eines ordnungsgemäßen BEM vorschreibt, stellt das allein noch<br />

kein Indiz für eine unzulässige Benachteiligung des Beschäftigten wegen einer Behinderung<br />

gemäß § 22 AGG dar (vgl. BAG, NJW 2011, 2458).<br />

Nichtdurchführung des BEM<br />

rechtfertigt keine Diskriminierungsklage<br />

Praxis-Tipp<br />

Kommt es zu einer personenbedingten Kündigung eines behinderten Beschäftigten,<br />

ist es wichtig, dass der Arbeitgeber sich im Rahmen der Betriebsratsan-<br />

ArbR 3/<strong>15</strong> 5


hörung und des Kündigungsschreibens alleine auf eine erhebliche Beeinträchtigung<br />

der betrieblichen Interessen durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten<br />

stützt und deutlich macht, dass er – behinderungsunabhängig – bei Arbeitsunfähigkeitszeiten<br />

in gleichem oder ähnlichem Umfang grundsätzlich eine Kündigung<br />

ausspricht. Die Kündigung erfolgt dann aus krankheitsbedingten Gründen<br />

und nicht wegen des Diskriminierungsmerkmals „Behinderung“, sodass eine<br />

Diskriminierung(-sentschädigung) ausscheidet.<br />

b) Schadensersatz<br />

Da der Arbeitgeber bei Vorliegen von bestimmten Voraussetzungen gesetzlich dazu<br />

verpflichtet ist ein BEM durchzuführen, kann ein schuldhaftes Unterlassen bzw. Verletzen<br />

der Vorschrift u.U. auch Schadensersatzsprüche des Arbeitnehmers begründen,<br />

wenn der Arbeitgeber – trotz vorhandener Möglichkeiten – den Arbeitnehmer nicht<br />

leidensgerecht beschäftigt und ihm keinen entsprechenden Arbeitsplatz im Rahmen<br />

seines Direktionsrechts zuweist (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. 241 Abs. 1, Abs. 2 BGB). Das<br />

BAG nimmt eine Rechtspflicht des Arbeitgebers an, einem Arbeitnehmer auf Verlangen<br />

auch eine andere, rechtlich mögliche, zumutbare und geeignete leidensgerechte Tätigkeit<br />

zuzuweisen, wenn er die bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben kann und<br />

billigt grundsätzlich zwei Wochen zu, um das Verlangen des Arbeitnehmers zu prüfen<br />

(vgl. BAG, NZA 2010, 1119). Trifft den Arbeitnehmer allerdings ein Verschulden hinsichtlich<br />

seines Unvermögens, die bisherige Tätigkeit auszuüben, kommt ein Mitverschulden<br />

nach § 254 BGB in Betracht.<br />

III. Fazit<br />

BEM-Verfahren sollte implementiert<br />

werden, sofern noch nicht<br />

vorhanden<br />

Aufgrund der Tatsache, dass der Arbeitgeber beim BEM die Initiativlast trägt, bedeutet<br />

ein solches Verfahren zunächst mehr Arbeit für die Arbeitgeber. Dennoch darf nicht<br />

übersehen werden, dass die Maßnahmen auch gerade dazu führen können, dass eine<br />

Arbeitsunfähigkeit verhindert werden kann und so erhebliche Kosten gespart werden.<br />

Letztlich überwiegen die Vorteile der Durchführung eines BEM die Nachteile bei weitem.<br />

AKTUELLE RECHTSPRECHUNG<br />

Befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen des Renteneintrittsalters<br />

In seiner Entscheidung vom 11.2.20<strong>15</strong> (Az.: 7 AZR 17/13) hat das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG) entschieden, dass weder der Rentenbezug noch die Rentenberechtigung sachliche<br />

Gründe für eine nachträgliche Befristungsvereinbarung eines Arbeitsverhältnisses<br />

darstellen können.<br />

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war bei der Beklagten langjährig<br />

beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag war keine Vereinbarung über die Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalter gegeben. Nachdem<br />

der Kläger das 65. Lebensjahr vollendet hatte, bezog er eine gesetzliche Altersrente.<br />

Die Parteien vereinbarten kurze Zeit später, dass das Arbeitsverhältnis zum Ende<br />

des Jahres enden sollte, verlängerten dieses jedoch noch um weitere zwei Male. In dem<br />

Änderungsvertrag vom 29.7.2011 vereinbarten die Parteien, dass der Arbeitsvertrag ab<br />

dem 1.8.2011 mit veränderten Bedingungen weitergeführt werden und Ende des Jahres<br />

enden sollte - der Vertrag mithin befristet wird. Der Kläger begehrte nunmehr die<br />

Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.12.2011 endet.<br />

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte jedoch Erfolg. Nach<br />

Ansicht des BAG liege kein sachlicher Grund gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG für die<br />

ArbR 3/<strong>15</strong> 6


Befristung des Arbeitsverhältnisses vor. Dass der Kläger die gesetzliche Rente bezieht,<br />

rechtfertige eine solche Befristung gerade nicht, da dies keinen in der Person des<br />

Arbeitnehmers liegenden Grund darstellt. Vielmehr muss in einem solchem Fall hinzukommen,<br />

dass die Befristung der konkreten Nachwuchsplanung der Beklagten dient.<br />

Praxis-Tipp<br />

Allein durch das Erreichen des Rentenalters scheidet ein Arbeitnehmer nicht<br />

automatisch aus dem Arbeitsverhältnis aus. Daher sollte in Arbeitsverträgen<br />

unbedingt eine „Renteneintrittsaltersklausel“ aufgenommen werden, die besagt,<br />

dass ein Arbeitsverhältnis mit Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters<br />

endet. Eine Altersdiskriminierung ist hierbei nach der Rechtsprechung des BAG<br />

und des EuGH nicht anzunehmen. Die gesetzliche Neuregelung des § 41 S. 2<br />

SGB VI, nach der Altersbefristungen mit Rentnern zulässig sind, greift demgegenüber<br />

nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine befristete Verlängerung<br />

des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt der Regelaltersgrenze abschließen.<br />

Einer Vereinbarung nach Renteneintritt bleibt – wie hier – auch nach § 41 S. 2<br />

SGB VI der Weg versperrt.<br />

Arbeitsverträge darauf überprüfen,<br />

ob diese mit Renteneintritt<br />

automatisch enden!<br />

Betriebsbedingte Kündigung und anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 8.5.2014 (Az.: 2 AZR 1001/12)<br />

entschieden, dass die Verpflichtung zum Angebot geeigneter Umschulungen oder Fortbildungen<br />

einen geeigneten und freien Arbeitsplatz nach Ende dieser Zeit voraussetzt.<br />

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten darüber, ob eine<br />

ordentliche betriebsbedingte Kündigung wirksam ist. Die Beklagte ist ein Unternehmen<br />

in der Chemieindustrie. Aufgrund der Schließung von drei Laboren, in denen u.a.<br />

der Kläger beschäftigt war, teilte die Beklagte ihm mit, dass sein Arbeitsplatz entfalle<br />

und bot ihm eine Versetzung in das „QUEST-Center“ an. In diesem sollten auch andere<br />

Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze entfallen sind, weitergebildet und wenn möglich auf<br />

unbefristete Stellen vermittelt werden. Der Kläger lehnte diese Versetzung ab und forderte<br />

von der Beklagten eine vertragsgemäße Beschäftigung. Daraufhin kündigte die<br />

Beklagte ihm betriebsbedingt. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, weil<br />

er der Auffassung war, dass eine Änderungskündigung mit der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung<br />

in dem „QUEST-Center“ das mildere Mittel gegenüber der Beendigungskündigung<br />

sei.<br />

In den Vorinstanzen wurde der Klage stattgegeben. Dieser Auffassung schloss sich das<br />

BAG nicht an. Für das BAG sei vielmehr entscheidend, dass es sich bei den im „QUEST-<br />

Center“ geschaffenen Stellen gerade nicht um „andere Arbeitsplätze“ i.S.d. § 1 Abs. 2 S. 2<br />

Nr. 1 b, Satz 3 KSchG handle, da diese außerhalb des von § 1 Abs. 2 S. 2 und S. 3 KSchG<br />

gewährleisteten Inhalts- und Bestandsschutzes liegen. Der Arbeitgeber könne zwar<br />

grundsätzlich dazu verpflichtet sein, Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, jedoch<br />

sei er nicht dazu verpflichtet, wenn nicht erkennbar sei, „dass nach Abschluss der Maßnahme<br />

ein geeigneter freier Arbeitsplatz im Unternehmen vorhanden sein wird.“<br />

Praxis-Tipp<br />

Entscheidend ist, dass Arbeitgeber in einer solchen Situation prüfen, ob nach<br />

einer Umschulungs- oder Fortbildungsveranstaltung freie Arbeitsplätze zur Verfügung<br />

stehen könnten. Wenn dies ausgeschlossen werden kann oder jedenfalls<br />

nicht absehbar ist, kann von solchen Maßnahmen abgesehen werden.<br />

ArbR 3/<strong>15</strong> 7


Keine nachträgliche Kürzung des Urlaubsanspruches wegen Elternzeit<br />

In seiner Entscheidung vom 19.5.20<strong>15</strong> (Az.: 9 AZR 725/13) hat das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG) entschieden, dass eine Kürzung des Erholungsurlaubs wegen Elternzeit<br />

nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.<br />

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin arbeitete fünf Tage die Woche<br />

als Ergotherapeutin bei der Beklagten. Anfang 2010 wurde sie schwanger und durfte<br />

aufgrund eines Beschäftigungsverbotes ihrer Tätigkeit nicht mehr nachgehen. In dem<br />

Zeitraum von Mitte Februar bis Mitte Mai 2012 befand sie sich anschließend in Elternzeit.<br />

Ihr Arbeitsverhältnis endete mit der Elternzeit. Im Anschluss an die Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses forderte die Klägerin die Abrechnung und Abgeltung ihrer<br />

Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Daraufhin erklärte der Arbeitgeber<br />

erstmalig, der Urlaubsanspruch sei aufgrund der Elternzeit gekürzt worden. Die Klägerin<br />

erhob daraufhin Klage.<br />

In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen. In zweiter Instanz hat das Landesarbeitsgericht<br />

Hamm das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die nachträgliche Kürzung<br />

des Erholungsurlaubs der Klägerin für unwirksam erachtet und dieser deshalb<br />

eine Urlaubsabgeltung i.H.v. 3.822,00 Euro brutto zugesprochen. Die darauf folgende<br />

Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Eine Kürzungserklärung nach Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses sei zu spät, denn ein Arbeitgeber könne einen Urlaubsanspruch<br />

nur dann kürzen, wenn ein solcher Anspruch überhaupt noch bestünde. Daraus<br />

folgt, dass eine Kürzung gerade nicht mehr möglich sei, wenn das Arbeitsverhältnis<br />

bereits beendet ist und der Urlaubs- in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt<br />

wurde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG. Danach ist es<br />

dem Arbeitgeber zwar grundsätzlich erlaubt, den Erholungsurlaub während der Elternzeit<br />

zu kürzen, das könne aber nicht erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses<br />

beschlossen werden.<br />

Praxis-Tipp<br />

Kürzung von Urlaubansprüchen<br />

während der Elternzeit unbedingt<br />

im laufenden Arbeitsverhältnis<br />

veranlassen!<br />

Die Kürzungserklärung hinsichtlich bestehender Urlaubsansprüche ist arbeitgeberseitig<br />

unbedingt vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erklären, da<br />

diese Ansprüche sonst ungekürzt als Zahlungsansprüche nach Beendigung des<br />

Arbeitsverhältnisses fortbestehen.<br />

Lockerung der Aufzeichnungspflichten und Klarstellung zur Auftraggeberhaftung<br />

(MiLoG)<br />

Seit dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 1.1.20<strong>15</strong> sind mittlerweile sieben<br />

Monate vergangen. Erstmals hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)<br />

im Rahmen einer Bilanz zum Mindestlohngesetz (MiLoG) Nachbesserungs- und Verbesserungsbedarf<br />

eingeräumt.<br />

In diesem Zusammenhang wurden zunächst folgende Änderungen angekündigt:<br />

<br />

<br />

<br />

Die Pflicht zur Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit von Minijobbern<br />

und Beschäftigten nach § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes soll<br />

entfallen, wenn das regelmäßige Arbeitsentgelt mehr als 2.000 EUR brutto (zuvor<br />

2.958 EUR) beträgt und das sich hieraus ergebende Nettoentgelt jeweils für die letzten<br />

tatsächlich abgerechneten 12 Monate regelmäßig ausgezahlt worden ist.<br />

Die Aufzeichnung bei der Beschäftigung von Familienangehörigen soll für das<br />

BMAS künftig verzichtbar sein.<br />

Das BMAS und das Bundesfinanzministerium (BMF) wollen gegenüber den Behörden<br />

der Zollverwaltung rechtlich klarstellen, dass sowohl bei der zivilrechtlichen<br />

Haftungsfrage als auch bei der Anwendung der Bußgeldvorschriften ein „eingeschränkter“<br />

Unternehmerbegriff zugrunde gelegt wird - entsprechend dem wie ihn<br />

ArbR 3/<strong>15</strong> 8


das Bundesarbeitsgericht für die zivilrechtliche Haftung im Arbeitnehmerentsendegesetz<br />

entwickelt hat. Das heißt, dass ein Unternehmer nur die Verantwortung<br />

für beauftragte Unternehmen trägt, wenn eigene vertraglich übernommene Pflichten<br />

weitergegeben werden. Damit wird in den meisten Fällen einer Beauftragung<br />

eines anderen Unternehmens klargestellt, dass hier im Hinblick auf den Mindestlohn<br />

keine Auftraggeberhaftung besteht.<br />

Ein Praxisleitfaden für Hochschulen, Betriebe, Praktikanten, Auszubildende und Studierende<br />

zu Mindestlohn und Praktika soll zeitnah zur Verfügung gestellt werden.<br />

Hinsichtlich der durch das MiLoG ans Tageslicht gekommenen Probleme mit dem<br />

Arbeitszeitgesetz wies das BMAS auf die schon jetzt bestehende Möglichkeit zu Ausnahmebewilligungen<br />

hin.<br />

Diese Nachbesserungsversuche des BMAS zeigen, dass zum Thema Mindestlohn noch<br />

nicht das letzte Wort gesprochen wurde. Daher halten wir Sie zu diesem aktuellen<br />

Thema selbstverständlich weiter auf dem Laufenden.<br />

Projektbefristung als sachlicher Befristungsgrund<br />

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 24.9.2014 (Az.: 7 AZR 987/12) erneut<br />

entschieden, dass ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages nach<br />

§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG vorliegt, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung<br />

des Arbeitnehmers nur vorübergehend besteht.<br />

Zeitlich befristete Projekte sind<br />

ein Befristungsgrund und erlauben<br />

befristete Arbeitsverträge<br />

von mehr als zwei Jahren<br />

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit<br />

der Befristung eines Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin war auf der Grundlage von drei<br />

aufeinanderfolgenden schriftlichen Arbeitsverträgen bei der Beklagten beschäftigt.<br />

Auch in dem letzten Vertrag war eine Befristung auf 5 Jahre vereinbart. Als Grund dafür<br />

wurde jeweils die Mitarbeit in verschiedenen Forschungsgruppen angegeben. Gegen<br />

diese Befristung erhob die Klägerin eine Befristungskontrollklage. Diese blieb in allen<br />

Instanzen erfolglos.<br />

Laut BAG sei entscheidend, dass die Klägerin projektbezogen angestellt wurde. Auf<br />

eine solche Projektbefristung könne sich der Arbeitgeber dann berufen, wenn es sich<br />

im Rahmen des Projekts um eine auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber<br />

den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgabe handele. Es<br />

komme folglich darauf an, dass es sich bei der Projektarbeit um den wesentlichen Teil<br />

der Arbeitsleistung handelt.<br />

Praxis-Tipp<br />

Zu beachten ist, dass es sich bei Projektbefristungen nicht um ständig anfallende<br />

Aufgaben des Arbeitgebers handeln darf, sondern um klar abgrenzbare Projekte.<br />

Darüber hinaus muss der Arbeitnehmer dort auch tatsächlich den wesentlichen<br />

Teil seiner Arbeit ableisten. Es muss zu erkennen sein, dass nur für diese Zeit ein<br />

höherer Bedarf an der Arbeitsleistung besteht.<br />

Ungekündigtes Arbeitsverhältnis als Voraussetzung für Gewährung von<br />

Urlaubsgeld<br />

Mit Urteil vom 22.7.2014 (Az.: 9 AZR 981/12) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden,<br />

dass Arbeitgeber die Zahlung von Urlaubsgeld von einem noch bestehenden<br />

Arbeitsverhältnis abhängig machen können.<br />

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Parteien streiten über die Zahlung von<br />

Urlaubsgeld. Arbeitsvertraglich wurde vereinbart, dass die Klägerin pro genommenen<br />

Urlaubstag ein Urlaubsgeld von 2,4 % des monatlichen Bruttogeldes erhält. Das<br />

Urlaubsgeld wird am Monatsende ausgezahlt. Voraussetzung des Urlaubsgeldes ist ein<br />

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ungekündigtes Arbeitsverhältnis. Nachdem das Arbeitsverhältnis durch einen Vergleich<br />

beendet wurde, begehrte die Klägerin die Zahlung des Urlaubsgeldes für 30 Urlaubstage.<br />

Die Klage wurde abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Zahlung,<br />

da die Voraussetzung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses nicht gemäß § 307<br />

Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei. Eine unangemessene Benachteiligung<br />

liege nach Ansicht des BAG nicht vor. Das Urlaubsgeld stelle gerade keine Zahlung<br />

für eine erbrachte Leistung dar, sondern diene als zusätzliches Geld dem Erholungszweck<br />

des Urlaubs. Der Geldzahlung stehe keine erbrachte Gegenleistung entgegen,<br />

sodass die Bindung mit einem ungekündigten Arbeitsverhältnis wirksam sei.<br />

Das zusätzliche Urlaubsgeld sei vorliegend als Prämie anzusehen. Der Arbeitnehmer<br />

könne dabei durchaus entscheiden, ob er einen Arbeitsplatzwechsel vorzieht oder das<br />

Urlaubsgeld in Anspruch nehmen möchte.<br />

Praxis-Tipp<br />

Die Gewährung von Urlaubsgeld kann mit der Bedingung eines ungekündigten<br />

Arbeitsverhältnisses gekoppelt werden, soweit das Urlaubsgeld keine Zahlung<br />

für eine bereits erbrachte Leistung darstellt, sondern nur als zusätzliches Geld<br />

dem Erholungszweck dient.<br />

Fristlose Kündigung wegen Raubkopien auf dem Firmen-Rechner<br />

Nutzung dienstlicher Ressourcen<br />

zur Herstellung von Raubkopien<br />

durch IT-Verantwortlichen<br />

begründet fristlose Kündigung<br />

Mit seiner Entscheidung vom 16.7.20<strong>15</strong> (Az.: 2 AZR 85/<strong>15</strong>) hat das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG) entschieden, dass die Nutzung dienstlicher Ressourcen zur Herstellung privater<br />

„Raubkopien“ einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann. Zu<br />

diesem Ergebnis kam das BAG unabhängig von der Frage, ob dadurch auch ein Verstoß<br />

gegen das Urheberrecht gegeben ist.<br />

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger war bei dem<br />

beklagten Land seit 1992 beschäftigt. Im Rahmen dieser Beschäftigung hatte er die<br />

Funktion des „IT-Verantwortlichen“ beim Oberlandesgericht Naumburg inne. Neben<br />

weiteren Aufgaben war er für die Bestellung des benötigten Zubehörs (wie z.B. CDs und<br />

DVDs) zuständig. Bei einer im März 2013 durchgeführten Geschäftsprüfung wurden<br />

auf den Festplatten eines von dem Kläger genutzten Rechners mehr als 6.400 E-Book-,<br />

Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden. Ebenso wurde ein Programm entdeckt,<br />

das geeignet ist, den Kopierschutz der Hersteller der Dateien zu umgehen. Von Oktober<br />

2010 bis März 2013 wurden mit diesem Programm etwa 1100 DVDs bearbeitet. In<br />

diesem Zeitraum wurden durch das Oberlandesgericht Naumburg etwa die gleiche<br />

Anzahl DVDs bestellt. Der Kläger räumte daraufhin ein, dass er das „gemacht habe“ und<br />

wies zunächst darauf hin, dass er auch für andere Mitarbeiter kopiert habe. Die letzt<br />

genannte Angabe nahm er jedoch zurück. Das beklagte Land kündigte ihm daraufhin<br />

fristlos. Der Kläger legte Kündigungsschutzklage ein, der das LAG Sachsen-Anhalt<br />

stattgab.<br />

Die Revision beim BAG hatte Erfolg. Die Klage wurde an eine andere Kammer des LAG<br />

zurückverwiesen. Danach sei es vor allem für eine außerordentliche Kündigung nicht<br />

entscheidend, dass der Kläger die Raubkopien gegebenenfalls mit anderen Bediensteten<br />

hergestellt und dadurch eventuell nicht alle Handlungen vorgenommen habe.<br />

Maßgeblich könne auch allein das Ermöglichen und Zusammenwirken sein. Auch aus<br />

einer Erlaubnis, den dienstlichen Rechner für private Zwecke nutzen zu dürfen, könne<br />

nicht geschlossen werden, dass auch die Herstellung von DVD-Kopien gestattet sei.<br />

Dass das beklagte Land die Ermittlungen zunächst selbst durchgeführt haben und es<br />

nicht zu einer sofortigen Weitergabe an die Strafverfolgungsbehörden kam, habe keine<br />

Auswirkungen auf eine fristlose Kündigung. Maßgeblich für eine Hemmung der Frist<br />

des § 626 Abs. 2 BGB sei lediglich eine zügige Durchführung der Ermittlungen.<br />

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Praxis-Tipp<br />

Zusammenfassend ist damit zu sagen, dass die Herstellung privater „Raubkopien“<br />

unter Verwendung dienstlicher Ressourcen eine außerordentliche Kündigung<br />

rechtfertigen könnte. Die genannten Gründe des LAG führen jedoch<br />

gerade nicht einer Unwirksamkeit der Kündigung. Über die Kündigungsschutzklage<br />

muss das LAG nun neu entscheiden.<br />

Strenge Anforderungen an eine Verdachtskündigung<br />

Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln) hat in seiner Entscheidung vom 12.12.2013<br />

(Az.: 7 Sa 537/13) weiter verdeutlicht, dass an eine Verdachtskündigung strenge Anforderungen<br />

zu stellen sind.<br />

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist bei der Beklagten als Stammfahrer<br />

eines Tankwagens eingestellt. Neben einer streitigen Versetzung des Klägers<br />

durch die Beklagte, die hier nicht thematisiert werden soll, geht es in dem Fall um eine<br />

außerordentliche Kündigung vom 10.1.2013, die die Beklagte als Verdachtskündigung<br />

ausgesprochen hat. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte<br />

verdächtigte den Kläger, das Ergebnis einer Begutachtung durch den betriebsärztlichen<br />

Dienst zu verheimlichen. Dieser Verdacht rührt daher, dass der Kläger ihr lediglich<br />

den ärztlichen Untersuchungsbericht der kardiologischen Schwerpunktpraxis zur<br />

Verfügung gestellt hat. Die Beklagte ist jedoch der Meinung, dass daraus Folgeuntersuchungen<br />

resultierten, die belegen würden, dass der Kläger fahruntüchtig sei. Entgegen<br />

dieser Ansicht wendet der Kläger ein, er habe alle Unterlagen eingereicht.<br />

Bei einer Verdachtskündigung<br />

müssen Arbeitgeber zuvor sämtliche<br />

sich aufdrängenden Aufklärungsmaßnahmen<br />

ergriffen<br />

haben<br />

Die Vorinstanz hat der Klage stattgegeben. Ebenso blieb die Berufung der Beklagten<br />

erfolglos. Für eine außerordentliche Kündigung bestehe kein wichtiger Grund nach<br />

§ 626 Abs. 1 BGB. Das LAG hat nochmals verdeutlicht, dass an eine Verdachtskündigung<br />

hohe Anforderungen zu stellen sind. Das folge bereits aus dem Spannungsverhältnis<br />

zwischen der Möglichkeit einer Verdachtskündigung und dem Rechtsgrundsatz,<br />

dass niemand durch etwas, was nicht bewiesen ist, Rechtsnachteile erleiden soll. Die<br />

Beklagte habe es versäumt, den Kündigungssachverhalt vollständig aufzuklären. Daher<br />

sei ihr vorliegend nicht nur vorzuwerfen, dass sie keinerlei, ihr zumutbare, Anstrengungen<br />

für die Klärung des Sachverhalts ergriffen habe, sondern auch dass sie es unterlassen<br />

habe, geradezu naheliegende und sich aufdrängende Aufklärungsmaßnahmen zu<br />

ergreifen. So wäre es der Beklagten u.a. durchaus möglich gewesen, bei dem Kläger<br />

direkt nachzufragen, ob eine solche Bescheinigung überhaupt ausgestellt wurde. Laut<br />

dem LAG Köln bestand für die Beklagte auch ohne Weiteres die Möglichkeit aus den<br />

erhaltenen Unterlagen selbst Schlüsse zu ziehen. Es wäre der Beklagten möglich gewesen,<br />

unter Vorlage des Untersuchungsberichts selbst fachkundigen medizinischen Rat<br />

einzuholen.<br />

Praxis-Tipp<br />

Arbeitgeber sollten daher zunächst alle zumutbaren Anstrengungen für die<br />

Aufklärung des Sachverhaltes ergreifen und diese schriftlich zu Beweiszwecken<br />

dokumentieren, bevor sie eine Verdachtskündigung aussprechen. Stets ist auch<br />

eine vorherige – am besten schriftliche – Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung<br />

für eine Verdachtskündigung.<br />

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AKTUELLES AUS UNSEREM HAUS<br />

Zusammenarbeit mit WONG FLEMING<br />

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in den Vereinigten Staaten. WONG<br />

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Kontakt & Anfragen<br />

Dr. Volker Vogt, LL.M.<br />

Rechtsanwalt<br />

Fachanwalt für <strong>Arbeitsrecht</strong><br />

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Sowohl SCHOMERUS als auch WONG FLEMING konzentrieren sich darauf, die Interessen<br />

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Stand: 21.07.20<strong>15</strong><br />

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