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Klaus Amann Der Zweite Weltkrieg in der Literatur ... - Erinnern

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Was Csokor <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Polenbuch vorausgesehen hatte: e<strong>in</strong> mächtiges Anwachsen <strong>der</strong><br />

Partisanenbewegung, das ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Jugoslawienbuch Realität. Und obgleich er<br />

kommunistischer Neigungen nicht verdächtig ist, gehört se<strong>in</strong>e ganze Sympathie den „grünen<br />

Ka<strong>der</strong>n“, „dem Heer des Volkes“. (132) Den Partisan<strong>in</strong>nen widmet er sogar e<strong>in</strong> eigenes<br />

Kapitel. (250-254) Mit didaktischer Verve räumt er Gesprächen über die Entstehung <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>standsbewegung, ihrer Strategie, ihrem täglichen Kampf ums Überleben breiten Raum<br />

e<strong>in</strong>. Von ihr erwartet er die Befreiung des Landes. Auch Csokors 1943 geschriebenes Drama,<br />

<strong>Der</strong> verlorene Sohn 14 , <strong>in</strong> dem er persönliche Wahrnehmungen auf Korčula verarbeitet, greift<br />

die Partisanenthematik auf. <strong>Der</strong> Konflikt zwischen Kollaboration und Wi<strong>der</strong>stand, <strong>der</strong> unter<br />

dem Terror <strong>der</strong> Besatzer zur tödlichen Falle wird, reißt e<strong>in</strong>e ganze Familie <strong>in</strong> den Untergang.<br />

<strong>Der</strong> junge Partisan – er verkörpert die positiv gezeichnete Figur des ‚verlorenen Sohns’– wird<br />

mitschuldig am Tod des Vaters und zum Mör<strong>der</strong> se<strong>in</strong>er Brü<strong>der</strong>, die „mit dem Krieg im<br />

Frieden“ (38) leben, weil sie mit den Besatzern kollaborieren. Es ist e<strong>in</strong> mutiges, ja angesichts<br />

<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gschätzung des Wi<strong>der</strong>standes und des Partisanenkampfes <strong>in</strong> Österreich e<strong>in</strong> geradezu<br />

verwegenes Stück. Dass es 1947 am Burgtheater aufgeführt werden konnte, 15 ist nur aus <strong>der</strong><br />

Euphorie des ersten Freiheitsgefühls erklärbar. Danach ist es gründlich vergessen worden.<br />

Von Wi<strong>der</strong>stand und Verrat, vom Terror <strong>der</strong> Besatzer und ihrer Handlanger handelt auch Milo<br />

Dors Roman Tote auf Urlaub, <strong>der</strong> 1952 erschien. 16 Milo Dor, 1923 als Sohn e<strong>in</strong>es serbischen<br />

Arztes <strong>in</strong> Budapest geboren, besuchte ab 1933 das Gymnasium <strong>in</strong> Belgrad. 1940 wurde er aus<br />

politischen Gründen vom Schulbesuch ausgeschlossen, weil er e<strong>in</strong>er kommunistischen<br />

Jugendorganisation angehörte. Nach <strong>der</strong> Besetzung Belgrads durch deutsche Truppen schloss<br />

er sich <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>standsbewegung an, wurde verhaftet, gefoltert und 1943 als Zwangsarbeiter<br />

nach Wien deportiert, wo er 1944 erneut <strong>in</strong> Gestapohaft kam. In se<strong>in</strong>em ersten Buch<br />

Unterwegs, e<strong>in</strong>em Band mit Erzählungen, <strong>der</strong> 1947 <strong>in</strong> Wien erschien und <strong>in</strong> dem manches<br />

von dem episodisch angedeutet ist, was <strong>der</strong> Roman zu e<strong>in</strong>er großen Erzählung verb<strong>in</strong>den<br />

wird, heißt es an e<strong>in</strong>er Stelle: „ ... wir dürfen nicht <strong>in</strong> die Vergesslichkeit des Lebens<br />

vers<strong>in</strong>ken“. 17 Dies ist <strong>der</strong> poetologische und zugleich <strong>der</strong> politische Kern des<br />

autobiographischen Romans Tote auf Urlaub. Er führt uns <strong>in</strong> die Innenräume <strong>der</strong><br />

nationalsozialistischen Tyrannei, <strong>in</strong> ihre Kerker, Keller, Zellen und Lager, <strong>in</strong> denen<br />

geschlagen, gefoltert und gemordet wird. Er führt uns allerd<strong>in</strong>gs gleichzeitig auch den<br />

menschenvernichtenden Dogmatismus <strong>der</strong> von heute auf morgen wechselnden stal<strong>in</strong>istischen<br />

Doktr<strong>in</strong> vor, <strong>der</strong> letztlich auch dazu bereit ist, das nationalsozialistische Terror- und<br />

Foltersystem als Exekutionsorgan für se<strong>in</strong>e Rache- und Sanktionsgelüste den eigenen Leuten<br />

gegenüber zu benutzen. Was Csokor als Außenstehen<strong>der</strong> gar nicht wahrnehmen konnte o<strong>der</strong><br />

was er nur vom Hörensagen kannte, das schil<strong>der</strong>t Milo Dor von <strong>in</strong>nen, buchstäblich aus <strong>der</strong><br />

Erfahrung am eigenen Leib. Die protokollarische Nüchternheit und dokumentarische<br />

Genauigkeit des Textes erweckt den E<strong>in</strong>druck <strong>der</strong> Distanz, ja <strong>der</strong> Kälte. Doch beides, Distanz<br />

und Kälte, s<strong>in</strong>d die Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit des Dargestellten und die<br />

Voraussetzung für die Möglichkeit e<strong>in</strong>er emotionalen Beteiligung beim Lesen. Ke<strong>in</strong><br />

moralischer Kommentar, ke<strong>in</strong> Selbstmitleid, ke<strong>in</strong> Sentiment schiebt sich über das<br />

Beschriebene. Tote auf Urlaub ist <strong>der</strong> erste Roman <strong>in</strong> Österreich über Wi<strong>der</strong>stand und Folter<br />

und er gehört dar<strong>in</strong> zu den frühesten und wichtigsten literarischen Zeugnissen <strong>in</strong> deutscher<br />

14 Franz Theodor Csokor: <strong>Der</strong> verlorene Sohn. Tragödie <strong>in</strong> vier Akten. Wien: Ullste<strong>in</strong> 1947.<br />

15 Vgl. Roessler, Faschismus und Krieg im Drama (Anm. 2), S. 123-135.<br />

16 Milo Dor: Tote auf Urlaub. Roman. Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1952. Zitiert wird nach <strong>der</strong> Ausgabe<br />

Frankfurt a. M./Wien/Zürich: Büchergilde Gutenberg 1966.<br />

17 Milo Dor: Unterwegs. Mit Illustrationen von Hans Robert Pippal. Wien: Erw<strong>in</strong> Müller 1947, S. 26. Auch <strong>der</strong><br />

Nukleus des Romans, die Erzählung ‚<strong>Der</strong> Gehetzte’ f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> dieser Sammlung. (S. 73-91). Die meisten<br />

Erzählungen des Bandes s<strong>in</strong>d autobiographisch fundiert und spielen, wie auch <strong>der</strong> Roman, <strong>in</strong> Belgrad und <strong>in</strong><br />

Wien.

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