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Amtsblatt Amtliche Mitteilungen des Landkreises Neustadt ad Aisch

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Die Welt der fränkischen Müller (Teil 3)<br />

Die <strong>Aisch</strong> - eine Wassertreppe<br />

Vom natürlichen Flusslauf zum geregelten Fluss<br />

Folgt man dem<br />

Lauf der <strong>Aisch</strong><br />

mit dem Fahrr<strong>ad</strong>,<br />

so entsteht leicht<br />

der Eindruck,<br />

dass dieser Fluss<br />

mit seinen vielen<br />

Mäandern zwischen<br />

<strong>Neust<strong>ad</strong>t</strong><br />

und Höchst<strong>ad</strong>t<br />

über weite Streckennaturbelassen<br />

ist: mal läuft der R<strong>ad</strong>weg näher an dem<br />

mit Büschen und Bäumen bestandenen Ufer,<br />

mal entfernt er sich und schneidet ein paar<br />

dieser Kurven ab und sucht den ger<strong>ad</strong>en Weg<br />

zwischen den am Rand <strong>des</strong> breiten Tales liegenden<br />

Dörfern, Märkten und Städten. Doch<br />

der Schein trügt.<br />

Der Lauf der <strong>Aisch</strong> wird bestimmt von den<br />

Mühlen, die in dichter Folge aufeinander<br />

folgten, oft im Abstand von nur wenigen<br />

hundert Metern. An jeder dieser Mühlen<br />

befand sich ein Wehr, oft war da noch ein<br />

zweites, vorhergehen<strong>des</strong>, das im Falle <strong>des</strong><br />

Hochwassers - und die gibt es zu allen Jahreszeiten<br />

– das überschüssige Wasser von der<br />

Mühle fernhielt. Und so stellt sich der träge<br />

mit geringem Gefälle sich zur Mündung<br />

schleppende Fluss dar als eine Wassertreppe<br />

mit annähernd ebenen Flächen zwischen den<br />

Wehren, das Gefälle liegt insgesamt unter<br />

einem Promille: 7 Meter Gefälle weist die<br />

<strong>Aisch</strong> auf von der Quelle bis zur Mündung,<br />

dies bei einer Gesamtlänge von rund 85 km.<br />

Die dichte Folge der Mühlen aufeinander und<br />

das geringe Gefälle <strong>des</strong> Flusses brachten es<br />

mit sich, dass buchstäblich jeder Zentimeter<br />

Höhendifferenz ausgenutzt wurde, um<br />

eine möglichst große Fallhöhe zum Betrieb<br />

der meist unterschlächtigen Wasserräder zu<br />

erreichen. Und so stellt die <strong>Aisch</strong> schon seit<br />

dem Mittelalter, als die meisten der Mühlen<br />

entstanden, keinen natürlichen Flusslauf<br />

mehr dar, sondern eine exakt regulierte und<br />

fein austarierte Wassertreppe.<br />

Das geringe Gefälle erforderte ständige Pflegemaßnahmen,<br />

damit das aufgestaute Wasser<br />

nicht durch erhöhtes Pflanzenwachstum<br />

oder durch Verunreinigungen <strong>des</strong> Flussbettes<br />

am Abfluss gehindert wurde. Und so war es<br />

notwendig, regelnd einzugreifen. Dies geschah<br />

durch strenge Vorschriften der Obrigkeit.<br />

Mühlen standen ursprünglich einmal<br />

unter dem Schutz <strong>des</strong> Königs, ehe dieses<br />

Recht auf den Lan<strong>des</strong>herrn überging, der es<br />

seinerseits wiederum gewinnbringend an den<br />

Adel und das reiche Bürgertum der Städte<br />

weiter verlieh.<br />

Mit Wehren und jahreszeitlich begrenzt gestattete<br />

Aufsätze kämpften die Müller um<br />

jeden Zoll zusätzlicher Stauhöhe. Die Stauhöhen<br />

der Wehre und Einlaufschützen waren an<br />

jeder einzelnen Mühle durch Eichpfähle und<br />

zusätzliche Wassermarken festgelegt und in<br />

Eichbriefen niedergeschrieben worden. Das<br />

Wassergrafengericht, eine Kommission aus<br />

Beamten und erfahrenen Praktikern, kontrollierte<br />

diese Höhenmarken, die im sog.<br />

„Wassergrafenbuch“ festgehalten wurden.<br />

Dennoch versuchten die Müller immer wieder,<br />

die festgelegten Höhen zu überschreiten.<br />

Misstrauisch kontrollierten sie sich gegenseitig,<br />

vor allem den Rückstau durch den<br />

jeweiligen Unterlieger. Staute dieser zu hoch,<br />

verringerte sich die Differenz die Fallhöhe an<br />

der eigenen Wasserkraftanlage. Berge von<br />

Beschwer<strong>des</strong>chriften füllen die Aktenschränke<br />

der Behörden.<br />

Legal war es, im Winter die Stauhöhe zu vergrößern.<br />

So durften die Müller in der niederschlagsarmenJahreszeit<br />

von Martini<br />

(11. November) bis<br />

Gertraud (2 . Februar)<br />

höher aufstauen.<br />

Dieses Recht wurde<br />

ihnen schon in den<br />

Eichbriefen <strong>des</strong> 15.<br />

Jahrhunderts zugestanden.Vorkehrungen<br />

waren gegen<br />

die häufigen Hochwasser<br />

zu treffen,<br />

die zu allen Jahreszeiten<br />

auftreten: im<br />

Winter bei Schnee-<br />

schmelze, im Sommer<br />

oft schon nach<br />

wenigen Regentagen.<br />

Dann setzt die<br />

<strong>Aisch</strong> den gesamten<br />

Grund unter Wasser,<br />

und die Landschaft<br />

gleicht einer<br />

riesigen Seenplatte.<br />

Geringere Wasserhochstände<br />

konnten<br />

durch Aufziehen der<br />

Schützen geregelt<br />

werden, ein Recht,<br />

das nicht nur den<br />

Müllern, sondern<br />

auch den jeweiligen<br />

D o r f b e w o h n e r n<br />

als Wiesenbesitzer<br />

zustand. Vor allem<br />

im Sommer war es<br />

ärgerlich, wenn das<br />

Gras durch Hoch-<br />

LANDKREIS JOURNAL Nr. 22/2007<br />

wasser verschmutzt wurde: auch das war ein<br />

Quell ständigen Streits.<br />

Wiesenbesitzer und Müller hatten ein gemeinsames<br />

Interesse an der Sauberhaltung<br />

<strong>des</strong> Flussbetts, was durch die gemeinsame<br />

<strong>Aisch</strong>fege gewährleistet wurde. Wenn Bauern<br />

und Mühlenpersonal sie gemeinsam<br />

ausführten, hatte der Müller für Kost und<br />

Getränke zu sorgen; wurden diese Arbeiten<br />

aber von bezahlten Taglöhnern, den Teichgräbern,<br />

ausgeführt, dann hatten sich alle<br />

Parteien gemäß ihrer Wiesenanteile an den<br />

Kosten zu beteiligen.<br />

Nach wie vor funktioniert dieses auf den Zentimeter<br />

ausgeklügelte System der Wasserführung,<br />

auch wenn die meisten Mühlen ihren<br />

Betrieb längst eingestellt haben. Denn die<br />

Grundwasserstände dürfen nicht verändert<br />

werden, um Schäden an Gebäuden und Vegetation<br />

zu vermeiden. Und schließlich sind<br />

da ja auch noch viele Fischkästen im Betrieb.<br />

Dr. Wolfgang Mück<br />

Die Eintragungen in das „Wassergrafenbuch“ der markgräflichen<br />

Verwaltung reichen zurück bis 1436<br />

„Land unter“ heißt es mehrmals im Jahr, wenn der <strong>Aisch</strong>grund<br />

sich in eine riesige Seenplatte verwandelt

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