Originalarbeiten
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<strong>Originalarbeiten</strong><br />
2343<br />
Jodstoffwechselveränderungen bei Brandverletzten unter PVP-Jod Oberflächentherapie<br />
S. Bugvi', M. Sieen', P. R. Zellner'. B. Globel 2 . C. Andres 2<br />
Abteilung für Verbrennungen, Plastische und Handchirurgie, BG Unfallklinik'. Ludwigshafen-Oggersheim (Leiter. Prof. Dr. Dr. P. R. Zellner),<br />
Fachrichtung 3.6 Biophysik und Physikalische Grundlagen der Medizin, Universität des Saarlandes 2 . Homburg, Saar<br />
Einleitung<br />
Bei der offenen Behandlung von 33 Brandverietzien mit PVP-Jod-Präparaien (Betaisodona*-Salbe und -Lösung) wurden eine<br />
massive Jodresorption und passagere Schilddrüsenhormonveränderungen CT)- und T4-AbfaIl, TSH-Erhöhung) festgestellt. Andere<br />
laborchemische oder kimische Nebenwirkungen ließen sich bei den Patienten nicht beobachten. Bei 18 Patienten wurde 3 bis 6<br />
Monate nach Beendigung derPVP-Jod-Applikation ein TRH-Slimulationstest durchgeführt. Die Ergebnisse deutenauf eine Normoreaklion<br />
des Hypothalamus-Hypophyse-Regelkrcises hin. Die PVP-Jod-Oberflächentherapie der Brandverleizten bedeutet eine<br />
erhebliche Jodexposition, aber keine zusätzliche Gefährdung der Patienten,<br />
Altentioos of iodine metabolism io patients with burns trealed by cutaneous Iherapy ith PVP iodine<br />
Under exposure treatment of 33 bum patients with povidone-iodine (polyvinylpyrrolidon-iodine) preparations (Beiaisodona 8<br />
oinimeni and solution) massive absorplion ofthe iodine by the body and lemporary changes in the ihyroid hormones (T-, and J,<br />
lowered, TSH raised) were found. No other clinical or laboratory-chemica) side effects were observed in the patients. TRH Stimulation<br />
lest was carried out on 18 patients 3-6 months after ceasing povidone-iodine application. The results showed normoreaction<br />
of the hypothalarnus-pilLiilary regulation. Povidone-iodine topical treatment of the bum patients involves them in subsiannal<br />
exposure to iodine, bul offers no additional risk to the patients.<br />
Die thermische Gewebsschädigung ist ein dreidimensionales<br />
Geschehen, bei dem sowohl die Ausdehnung als auch die<br />
Tiefe eine wichtige Rolle spielt. Für das Überleben der Erstphase<br />
ist eher die Flächenausdehnung von großer Wichtigkeit,<br />
für die Prognose und Genesung eher die Tiefe der Verbrennung,<br />
obwohl beide Komponenten eng miteinander<br />
verknüpft sind.<br />
Neue pathophysiologische Kenntnisse erbrachten eine deutliche<br />
Besserung in der Behandlung des Verbrennungsschocks.<br />
Die Intensivtherapie ermöglicht es, daß Patienten<br />
mit den schwersten Verbrennungen erfolgreich über die<br />
Schockphase hinaus therapiert werden können. Das ist<br />
durch verfeinerte intensivmedizinische Diagnostik und Therapie<br />
möglich geworden, obwohl uns eine kausale Therapie<br />
der nach dem thermischen Trauma generalisiert eintretenden<br />
erhöhten Gefäßpermeabilität zur Zeit noch nicht zur<br />
Verfügung steht.<br />
Für die Beurteilung der Tiefe einer Verbrennung steht uns<br />
keine sichere objektive Meßmethode zur Verfügung. Die<br />
zahlreichen Techniken (Infrarotphotographie, Thermographie,<br />
Histologie von Biopsiematerial, Vitalfärbung, Messung<br />
von Substratkonzentrationen oder Enzymaktivitäten)<br />
haben die Hoffnungen nicht erfüllt. Bis heute bleibt das verläßlichste<br />
diagnostische Mittel der Schätzung der Verbrennungstiefe<br />
die Inspektion der Brandwunde durch einen<br />
erfahrenen Spezialisten [46]. In manchen Fällen läßt sich die<br />
Tiefe nur aufgrund des klinischen Verlaufes feststellen.<br />
Mit Zerstörung oder Teilzerstörung der Haut wird eine<br />
wichtige Schutzbamere des Organismus vernichtet. So entsteht<br />
eine große Wunde, in deren Bereich der Organismus<br />
vor chemischen und biologischen Noxen der Außenwelt<br />
ungeschützt ist. Bei einem normgewichtigen Patienten mit<br />
einer Verbrennung von 50% der Körperoberfläche entsteht<br />
somit z. B. eine Wunde von ca. l m 2 , die eine immense Eintrittspforte<br />
für Mikroorganismen mit darausfolgenderinfektionsgefahr<br />
darstellt.<br />
Die Ursache der hohen Infektionsgefahr soll man aber nicht<br />
nur in den räumlichen Dimensionen der Brandwunde<br />
suchen. Das nekrotische Gewebe ist em ideales Nährmedium<br />
für die Bakterien; außerdem betreffen die Folgen des<br />
thermischen Trauma die Immunabwehr (Katabolie, Beeinträchtigung<br />
der zellulären und humoralen Immunmechanismen).<br />
Somit kommt für den Organismus mit der großen<br />
Wundfläche und der Verminderung des inneren immunologischen<br />
Schutzes eine sehr ungünstige Kombination<br />
58 Unfallchirurgie 11 (1985). 58-64 (Nr. 2)
Bygyi et ai: Jodstoffwechselveränderungen bei Brandverletzten<br />
zustande. Die unvermeidbare Keimbesiedlung der Brandwunde<br />
[39,56] kann sich in schwere lokale Infektionen und<br />
foudroyant verlaufende septische Schübe fortsetzen.<br />
LokaIbehaDdlang der Brandwunde<br />
Mit derOberflächentherapie der Brandwunde versucht man<br />
• ohne die normalen Regenerationsvorgänge zu stören - die<br />
Keimbesiedlung der Brandwunde und damit die Infektionsgefahr<br />
zu reduzieren.<br />
Es fand sich bisher kein universelles Oberflächentherapeutikum<br />
für die Brandwunde. Tannin und Silbemitrat (Gerbung<br />
in verschiedenen Modifikationen), Sulfamylon, Silbersulfadiazin,<br />
Ceriumnitrat, Polyvinylpyrrolidon-Jod-Komplex<br />
werden wohl am häufigsten verwendet.<br />
Welche Anforderungen stellt man gegenüber einem<br />
„idealen" Oberflächenmittel? Es muß atoxisch, metabolisch<br />
neutral sein, ein breites mikrobizides Spektrum besitzen,<br />
den Wundschorf penetrieren können, ohneAntigenität und<br />
Resistenzbildung [56].<br />
PVP-Jod-Präparate<br />
Mit der Kombination aus PVP (Poly-vinyl-pyrrolidon) und<br />
elementarem Jod wurden die sog. Jodophore entwickelt. Der<br />
entstandene PVP-Jod-Komplex enthält das Jod in einer<br />
lonenbindung als Ja über eine WasserslofTbrücke. Die günstigen<br />
mikrobiziden Eigenschaften des „verfügbaren" Jods<br />
(10%) bleiben erhalten und der gewebsimtierende Effekt der<br />
üblichen jodhaltigen Lösungen wurde dadurch eliminiert.<br />
Das Jod wird von diesem Komplex protrahien freigesetzt.<br />
PVP-Jod fand in der Medizin wegen der günstigen mikrobiziden<br />
Wirkung [24,29] sehr rasch breite Anwendung sowohl<br />
als Oberflächentherapeulikum, als auch als Spülmittel für<br />
Körperhöhlen. Die Zellloxizitäl beschränkt sich auf die<br />
oberflächlichste Schicht der Wunde und spielt für die klinische<br />
Anwendung keine Rolle [36]; eine weitergehende<br />
Gewebeioxizitäl konnte experimentell ausgeschlossen werden<br />
[11,22]. Eine nachteilige Wirkung auf die Wundheilung<br />
bzw. mechanische Minderbelastbarkeit der heilenden<br />
Wunde fand man bei Tierversuchen nicht [42]. Bereits 1956<br />
wurde über günstige klinische Erfahrungen nach PVP-Jod<br />
Anwendung an 5000 Patienten berichtet [48].<br />
Das Präparat wurde als Oberflächentherapeutikum sehr<br />
schnell auch für die Verbrennungsbehandlung „entdeckt".<br />
Die Eigenschaften des Präparates erwiesen sich als besonders<br />
günstig: gute Penetration des Wundschorfes [50], gute<br />
Verträglichkeit, keine Antigenität oder Allergisierung und<br />
keine Entwicklung resistenter Baklerienstämme [34],<br />
Gerbungseffekl.<br />
Unfallchirurgie II (1985), 58-64 (Nr. 2)<br />
Oberflächentherapie der Brandwunde in der Abteilung für Verbrennungen,<br />
Plastische und Handchirurgie der BG Unfallklinik<br />
Ludwigshafen-Oggersheim<br />
Wir verwenden seit 1973 für die Oberflächentherapie der<br />
Brandverletzten ausschließlich Betaisodona*-Salbe und<br />
•Lösung'. Ig Salbe enthalt lOOmgPolyvidon-Jod (10% verfügbares<br />
Jod), und 100ml Lösung enthalt 10g Polyvidon-Jod<br />
00% verfügbares Jod). Mit diesen PVP-Jod Präparaten wird<br />
eine offene Behandlung durchgeführt, die inzwischen bei<br />
mehr als 1500 Patienten mit großflächigen Verbrennungen<br />
angewendet wurde.<br />
Die Patienten werden auf Schaumstoff gelagert, der frei von<br />
pathogenen Keimen ist. Die oberen Extremitäten werden in<br />
sterilen Tüchern aufgehängt. Die Applikation der PVP-Jod<br />
Salbe erfolgt - nach der von uns beschriebinen Primärversorgung<br />
des Patienten - in den ersten 72 Stunden vierstündlich,<br />
anschließend bis zur Heilung bzw. operativen<br />
Nekrosenentfemung sechsstündlich [49]. Auf die feuchte,<br />
stark sezemierende Wundfläche wird PVP-Jod Lösung aufgetragen.<br />
Die Salben- bzw. Lösungsapplikation wird von den<br />
Patienten, bis auf die intensive Berührungsempfindlichkeit<br />
der rein zweitgradigen Verbrennungen, sehr gut toleriert.<br />
Bei Verbrennungen am Rücken bzw. am Gesäß wird das<br />
SchaumstofTbett mit Fettgaze (Branolind'") ausgelegt und<br />
mit PVP-Jod Salbe beschichtet. Das Bett wird ein oder zweimal<br />
am Tag gewechselt.<br />
Bakteriologische Untersuchungen haben gezeigt, daß zur<br />
Erreichung einer optimalen mikrobiziden Wirkung eine<br />
sechsstündliche Reapplikation des Präparates erforderlich ist<br />
[44]. Die positiven Angaben aus der Literatur in bezug auf die<br />
mikrobizide Wirksamkeit der PVP-Jod-Präparate [23, 55]<br />
konnten wir mit eigenen Untersuchungen bestätigen [56].<br />
Die offene Wundbehandlung ist kein neues Verfahren und<br />
wurde bereits 1877 von Copeland beschrieben [45]. Die Vorteile<br />
der offenen Behandlung, für die bestimmte bauliche<br />
und personelle Voraussetzungen erfüllt werden müssen.<br />
sind naheliegend: schmerzhafte Verbandswechsel und Verbände<br />
- die nach einerZeil als feuchte Kammerwirken - entfallen,<br />
die Brandwunden stehen ständig unier Sichtkontrolle,<br />
eine frühzeitige krankengymnastische Nachbehandlung<br />
kann ungehindert durchgeführt werden.<br />
PVP-Jod undJodresorpüon<br />
Bei Behandlung von Haut. Wunden und Körperhöhlen mit<br />
PVP-Jod ist wegen der protrahierten Freisetzung des Jodes<br />
' Mundiphanna GmbH, 6250 Limburg/Lahn<br />
59
Bugyi et aLJodstoffwechsefveränderungen bei Brandvertetsten<br />
mit einer quantitativ bedeutsamen Jodresorption zu rechnen<br />
(l, 2.3.4.5,10.21, 28, 30,31, 32,35, 37,38,43,47, 51]. Die<br />
Jodresorption kann - je nach Applikationsmodus und<br />
-Frequenz - gering bis massiv sein.<br />
Die Palientengruppe mit den massivsten Jodspiegelveränderungen<br />
ist wahrscheinlich die Gruppe der Schwerbrandver-<br />
Ictztcn, die nach der beschriebenen Methode mit PVP-Jod<br />
behandelt wird. Einerseits wird die jodhaltige Salbe auf<br />
eine große Wundfläche, andererseits in kurzen zeitlichen<br />
Abständen neu aufgetragen.<br />
Material und Methodik<br />
Zur Kontrolle der Jodspiegel- bzw. Schilddrüsenhormonveränderungen<br />
bei unseren Patienten rührten wir eine prospeküve Studie durch. In<br />
dem Zeilraum von Oktober 1982 bis Juli 1983 wurden in die Studie 33<br />
Patienten aufgenommen. Die Patienten wurden nach den folgenden<br />
Kriterien ausgewählt: Verbrennung über 15% der Körperoberdäche,<br />
keine primäre vitale Gefährdung (stabile Kreislaufparameier, keine<br />
schweren Begleitverletzungen). Eine bestehende oder abgelaufene<br />
Schilddrüsenerkrankung bzw. mögliche medizinische Jodexposition<br />
wurde anamnestisch und fremdanamnestisch ausgeschlossen.<br />
24 Patienten wurden am Unfatitag, 6 am l.. 2 am 2. und l am 4. Tag nach<br />
dem Unfall in unserer Klinik aufgenommen. Das Lebensalter der<br />
Patienten lag zwischen 13 und 56 Jahren (x= 33). Die Ausdehnung der<br />
Verbrennungen betrug 18 bis 76% der Körperoberfläche (x = 36).<br />
Nach derAufnahme wurde von den Patienten sofort eine Blutprobe.als<br />
,0''-Wert, entnommen. An den darauffolgenden 21 Tagen wurde jeweils<br />
um 7 Uhr eine Blutprobe entnommen (das Serum wurde eingefroren).<br />
Die Urinproben (100ml vom 24-Stunden-Sammelurin) wurden vom l.<br />
bis zum 21. Tag nach der Aufnahme gesammelt. Im Serum wurden T}.<br />
T«, TSH und Gesamtjod, im Urin das Gesamtjod besümmL<br />
Zur Kontrolle des Hypothalamus-Hypophyse-Regelkreises wurde bei<br />
18 Patienten 3 bis 6 Monate nach Beendigung derPVP-Jod Applikation<br />
ein TRH (thyreotrop releasing hormone)-Stimulaiionstest in folgender<br />
Weise durchgerührt: Blutentnahme, dann i. v. Injektion von 400 ug<br />
TRH (Antepan 1 ), nach 30 Minuten 2. Blutentnahme. Von den Blutproben<br />
wurdenTaundTSH besiimmLZumAusschlußdereventuellenzirkadianen<br />
Schwankungen wurden die Proben immer zu gleicher Tageszeit<br />
(10 bis 12 Uhr) entnommen [20].<br />
Sechs Patienten sind vor, 3 nach dem 21. Tag verstorben. Bei zwei<br />
Patienten mußten Für die exakte Lokalisation eines zentralvenösen<br />
Katheters jodhaltige Kontrastmittel verabreicht werden. Bei den beiden<br />
Patienten wurde die Studie nach der Kontrastmittelgabe abgebrochen.<br />
Die Blut- und Urinwerte wurden bei 25 Patienten bis zum 21. Tag<br />
kontrolliert<br />
Die appliziene Menge der PVP-Jod-Salbe liegt bei der beschriebenen<br />
Methode im Durchschnitt bei 20000g pro Patient. Wesentliche<br />
Schwankungen können - entsprechend derAusdehnung der Verbrennung<br />
und Körpergröße des Patienten - auftreten [30].<br />
Die Infusionstherapie wurde in der Schockphase (0-72 Stunden nach<br />
dem Unfall) bei 20 Patienten nach derMuir-Barclay-ZellnerFormel[41,<br />
57], bei zwölfpatienten nach der Baxier-Fonnel [7] gestaltet DerUnterschied<br />
resultierte aus der Tatsache, daß die Patienten parallel für eine<br />
andere Studie randomisien wurden. In einem Fall (Aufnahme am 4. Tag<br />
nach dem Unfall) wurde ein individuell angepaßtes Infusionsregimer<br />
angewendel.<br />
Von der medikamentösen Therapie könnte für die untersuchten Parameter<br />
lediglich die Dopamin-Gabe bedeutend sein. Die Patienten<br />
erhielten eine Dopamin-Infusion (2-5 pg/kgKG/Min) während der<br />
Schockphase zur Unterstützung der Niercnfunküon.<br />
Die Laboruntersuchungen wurden im Institut dir Biophysik der Universität<br />
des Saarlandes in Hombung durchgerührt- Die Bestimmung von<br />
T}. T4 und TSH wurde radioimmuoologisch (mit Testbestecken der Fa.<br />
Henning/Benin) im nicht extrahierten Serum durchgeführt. Alle<br />
Bestimmungen der Untersuchungsreihe wurden zur Eliminierung der<br />
Intcrassayabweichungen jeweils mit einem Testansatz durchgerührt.<br />
Als Maß für die Intraassayreproduziertarkeil dient derVariationskoeffizient<br />
in der Mitte des Normalbereiches in zehnfacher Bestimmung.<br />
DieVariationskoefTizienlen waren fürT3 6,4%, furT4 7,6% und (ürTSH<br />
7,2%. Als Normalbereiehe wurden die folgenden Werte ermittelt:<br />
T, 0,6-2,7 ng/ml (N = 850), T4 4,1-13,5 ug/100 ml (N = 1510), TSH 0.2-<br />
5ug/ml(N=596).<br />
Die Messung des Gesamijods im Serum und Urin geschah mit Hilfe<br />
eines Autoanalyzers unter Ausnutzung derSandell-Kolthoff-Reaküon<br />
(25]. Bei einigen Proben wurde mit Hilfe einer ionenselektiven Elektrode<br />
für Jodid (Orion Research) die Jodidkonzemration im Ultrafilirat<br />
des Serums und des Urins bestimmt Die folgenden Normalwene wurden<br />
enninelt:<br />
Serum<br />
Jodid Ultrafiltrat<br />
Proteingebundenes Jod<br />
Urin<br />
Jodid Ultrafiltrai<br />
Gesamtjod<br />
Jodid Ultrafiltrai<br />
Elektrode<br />
0,02-0,95 ug/100 ml (N = 860)<br />
3,0-11,5 ug/100 ml (N =2571)<br />
5-250 ug/100 ml (N =310)<br />
5-250 ug/100 ml (N =310)<br />
^90-280ug/l(N=36)<br />
Variationskoefliziem der chemischen Bestimmung von Jod: 8,3%.<br />
Variationskoeffiziem der potentiometrischen Bestimmung von Jodid:<br />
7,8%.<br />
Ergebnisse<br />
Bei den Kurvendarstellungen wurde der Mittelwert der einzelnen<br />
Meßwerte je Abnahmetag ermittelt. Es findet sich ein<br />
rascher Anstieg der Jodkonzentration im Serum und Urin.<br />
Es werden im Mittel Werte zwischen dem 1000- bis<br />
lOOOOOfachen der Norm erreicht. Dieser Anstieg zeigt am 2.<br />
und 3. Tag ein Maximum und sinkt dann trotz weiterer PVP-<br />
Jod-Applikation kontinuierlich ab (Abbildung l). Diese<br />
Änderung ist teilweise auf die Reduktion der applizienen<br />
Menge, teilweise aber auch auf die Heilungsvorgänge bzw.<br />
Schorlbildung zurückzuführen. Da das Jod hauptsächlich<br />
renal (glomeruläre Filtration) eliminiert wird, bleibt die Jodkonzentration<br />
im Urin länger erhöht.<br />
Eine Korrelation zwischen der Intensität der Jodresorption<br />
und der Ausdehnung der Verbrennung konnte festgestellt<br />
werden (Abbildung 2). Dieser Unterschied wird bei den<br />
extensiven Verbrennungen (> 50%) der Körperoberfläche<br />
zwar ausgeprägt, jedoch staustisch nicht signifikant<br />
Die T3- und T4-Wene deuten auf eine hypolhyreote Stoffwechsellage<br />
des Organismus hin, wobei T) prozentual stärker<br />
absinkt und sich im Gegensatz zum T, erst am Ende der<br />
Meßperiode erholt (Abbildung 3).<br />
60 Unfallchirurgie II (1985), 58-64 (Nr. 2)
Bugyi ei al.: Jodsioffiuechselveränderungen bei Brandverletzlen<br />
• |(«/100ml<br />
10*<br />
10'<br />
10'<br />
i ^-•--.<br />
.•• 0 -» • «•—•,.<br />
•-».<br />
S<br />
b->.<br />
10 20 Tage nach<br />
Verbrennung<br />
Abbildung l. Gesamijod im Serum (0) und Urin (•» Bei 10 Patienten<br />
wurde 8 Tage nach Beendigung der PVP-Jod-Applikalion noch eine<br />
leichte Erhöhung im Serum registriert.<br />
Die hypothyreole Sloffwechsellage wird durch die TSH-<br />
Kurve bestätigt: Anstieg bis zum 15. Tag; derNonnwert wird<br />
bis zum 21. Tag bei den Überlebenden im Mittel nicht<br />
erreicht (Abbildung 5).<br />
Beim Vergleich der Tr bzw. T4-Kurven von überlebenden<br />
und verstorbenen Patienten fallt auf, daß die beiden Hormonwerte<br />
während der ganzen Meßperiode bei Verstorbenen<br />
unter dem Normbereich liegen, in der überlebenden<br />
Gruppe gehen lediglich die Ts-Werte vorübergehend, bis<br />
zum 10. Tag, unter die Nonngrenze (Abbildung 4). Die<br />
Unterschiede sind statistisch nicht signifikant.<br />
Noch interessanter ist der Verlauf der TSH-Kurve bei den<br />
überlebenden und verstorbenen Patienten. Bei den Verstorbenen<br />
bleibt derTSH-Anstieg aus, als ob die zentrale Regulalion<br />
nicht funktionieren würde. Die Kurve bleibt zwar im<br />
Nonnbereich, aber zeigt eine fallende Tendenz, obwohl die<br />
T,- und T
Bugyi et al.:Jodsioffwechselveränderungen bei Brandverletzten<br />
•: T, pg/ml<br />
«: T« ug/WOmI<br />
10 1<br />
10'<br />
—-—-- Tg bei Überlebenden _,.„<br />
———T3 bei Verdorbenen<br />
———T» bei Überlebenden t * m<br />
——T4 bei Verdorbenen<br />
T« Normbereich<br />
T, Normbereich<br />
10 20 20 Tege n*cn<br />
Verbrennung<br />
Abbildung 4. T; und Ti bei überlebenden und verstorbenen Patienten.<br />
Die Unterschiede sind statistisch nicht signifikant (p > 0.05).<br />
Diskussion<br />
Durch Jodexzeß können thyreoidale und extrathyreoidale<br />
Nebenwirkungen auftreten. Von praktischer Bedeutung<br />
sind die thyreoidalen Nebenwirkungen, die sich als Hyperthyreose<br />
bei Erwachsenen oder als Hypothyreose und<br />
Struma bei Neu- und Frühgeborenen manifestieren können.<br />
Mit der durchgeführten Studie konnten wir eine massive<br />
Jodresorption bei Brandverletzten unier PVP-Jod-Oberflächentherapie<br />
nachweisen. Wir fanden keine metabolischen<br />
Nebenwirkungen oder Nierenfunktionsstörung in Zusammenhang<br />
mit der Jodspiegelerhöhung. Die Häufigkeit der<br />
Niereninsuffizienz bei Brandverletzten wird in der Literatur<br />
sehr unterschiedlich - von 1,3 bis 75% - angegeben [52]. Die<br />
TSH<br />
uu/mi<br />
62<br />
«or TRM Applikation<br />
10 1<br />
10"<br />
• TSH b»i Überlebenden<br />
TSH b«i Varatorbenen<br />
TSH<br />
\ Normbereich<br />
10 20 Tage nach<br />
Verbrennung<br />
Abbildung 5. TSH bei überlebenden und verstorbenen Patienten; die<br />
Unterschiede sind statistisch nicht signifikant (p > 0.05).<br />
beachtlichen Differenzen werden mit Sicherheit durch die<br />
verschiedenen Definitionen des Nierenversagens hervorgerufen.<br />
Legt man die Notwendigkeit und Durchführung der<br />
kontinuierlichen arterio-venösen Hämoniiraiion oder<br />
Hämodialyse der manifesten NiereninsufTizienz zugrunde,<br />
liegt in unserem Krankengut die Häufigkeit dieser Komplikation<br />
bei 6,8% (von 399 Patienten vom 1.1.82 bis 30.9.84).<br />
Von großer Wichtigkeit ist diejodinduziene Hyperthyreose,<br />
worüber in der Literatur mehrfach berichtet wurde [31,32].<br />
Voraussetzung für die Induktion von Hypenhyreosen ist<br />
meistens eine Schilddrüsenerkrankung in Form von latenter<br />
Hyperthyreose, lokalisierter oder diffuser Autonomie [33].<br />
30<br />
nach TRH Applikation<br />
Abbildung 6. TRH-StimulationstesL<br />
Unfallchirurgie II (1985). 58-64 (Nr. 2)
Bugyi eal.: }odsiqffwechselveränderungen bei Brandverletzten<br />
Für die festgestellten Schilddrüsenparameterveränderungen<br />
finden sich verschiedene, teilweise widersprüchliche<br />
Erklärungen. Sucht man die Ursache in der hohen Jodkonzentration,<br />
so wäre der sog. Wolff-Chaikoff-Effekl eine<br />
Erklärung: Hemmung des Jodeinbaus in der Schilddrüse<br />
durch Erhöhung des Jodidspiegels [54]. Theoretisch könnte<br />
der Eiweißveriust auch eine Rolle spielen, aber dagegen<br />
spricht, daß bei Brandverletzten normale Thyreoglobulin-<br />
Werte nachgewiesen wurden [6]. Bei der Honnondepression<br />
können aber andere Faktoren auch eine Rolle spielen. Nach<br />
einem schweren thermischen Trauma wird der Gesamtorganismus<br />
und das ganze Endokrinium betroffen. Ein gutes Beispiel<br />
dafür ist die postkombustionelle Amenorrhoea [18].<br />
Eine Störung der gesamten Hypolhalamus-Funktion wurde<br />
nach Verbrennungen auch beschrieben [53]. Eine niedrigere<br />
Ta- und T,-Konzentration mit Erhöhung des reversen T,<br />
(rTj:3,3',5'-Trijodlhyronin, ein weniger aktiverMetabolit als<br />
'T}) wurde bei non-thyreoidalen akuten und subakuten<br />
Erkrankungen beschrieben [12,17,40]. Ein ähnliches Hormonshifling<br />
wurde bei Patienten nach diversen chirurgischen<br />
Eingriffen registriert [14]. Ein statistisch signifikanter<br />
T}- und T4-Abfall wurde bei klinisch unstabilen Brandverletzten<br />
gefunden [8].<br />
Bei lierexperimentellen Untersuchungen konnte die Rolle<br />
der Schilddrüse als Ursache bei dem postkombustionellen<br />
Hypermeiabolismus ausgeschlossen und eher .eine Funktionsverminderung<br />
festgestellt werden [15].<br />
Die Dopamin-Interaktion (Dopamin hemmt die TSH-Antwon<br />
aufTRS-Gabe) kommt bei unseren Patienten mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit nicht in Betracht, da dadurch eher<br />
ein TSH-Abfall provoziert wird [9.13].<br />
Die Ursache der niedrigen T3-Konzentration kann auch die<br />
verminderte extrathyreoidaleT, -* Ti-Konversion sein, wie<br />
sie z.B. bei Leberzirrhose nachgewiesen wurde [16]. Andererseits<br />
ist die verminderte Konversion vielleicht eine<br />
Defensivreaktion des Organismus, um eine exzessive<br />
meiabolische Stimulierung der erkrankten Gewebe zu<br />
vermeiden [17].<br />
Der Zusammenhang zwischen der Jodexposilion und der T,und<br />
T4-Depression ist also fraglich. Ähnliche Veränderungen<br />
("biochemical hypolhyroidism") wurden bei Brandverletzten<br />
auch ohne Jodexposition beobachtet [8,19].<br />
Aufgrund unserer Ergebnisse scheint auch eine exzessive<br />
Erhöhung des Jodspiegels im Serum keine weitergehende<br />
Veränderung im Stoffwechsel der Schilddrüsenhormone zu<br />
bewirken, als wie in der Literatur bisher schon für geringere<br />
Dosierung beschrieben ist.<br />
Unfallchirurgie 11 (1985). 58-64 (Nr. 2)<br />
Die Zahl der betroffenen Personen, die in der BRD pro Jahr<br />
einer erhöhten Jodzufuhr ausgesetzt sind, wird mit 14 Millionen<br />
eingeschätzt. Die durch Jodzufuhr ausgelöste thyreotoxische<br />
Krise wird mit einem Risiko 5. Ordnung, 2.9:10 5 , eingeschätzt<br />
[27]. In bezug auf die Brandverletzten (1200<br />
Schwerverbrannte pro Jahr) wäre dieses Risiko klinisch von<br />
untergeordneter Bedeutung. In der Realität ist die Gefährdung<br />
noch geringer, da nicht alle Brandvcrietzien mit PVP-<br />
Jod behandelt werden.<br />
Lteentur<br />
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