18.01.2016 Aufrufe

Lila: 1. Quartal 2016 (Qindie-Mag)

Lila, die Farbe der sexuellen Frustration, des letzten Versuches, des Fantastischen, der Einsamkeit. Die Farbe der Literatur im Allgemeinen also? Das müssen Sie entscheiden. In der Entscheidungsfindung unterstützen Sie u. a. das Interview mit den Qindie-Mitarbeitern, eine Buchbesprechung inkl. Interview mit dem Schöpfer der fantastischen Ninragon-Welt Horus W. Odenthal, mehrere Artikel rund ums Thema Plotten, der Blogtour-Knigge und natürlich Kurzgeschichten, Lyrik und Kolumnenbeiträge. Und zu guter Letzt entführt Asta Roth Sie in der Leseprobe »Im Spiegel« in ein äußerst erotisches Abenteuer. Vergessen Sie nicht, uns mitzuteilen, welches Urteil Sie fällen! Wer mehr über Qindie erfahren will, der besuche die Website: http://www.qindie.de/ Zum Kinder- und Jugendschutz ist dieses Magazin mit der Altersbeschränkung 18+ versehen.

Lila, die Farbe der sexuellen Frustration, des letzten Versuches, des Fantastischen, der Einsamkeit. Die Farbe der Literatur im Allgemeinen also?
Das müssen Sie entscheiden. In der Entscheidungsfindung unterstützen Sie u. a. das Interview mit den Qindie-Mitarbeitern, eine Buchbesprechung inkl. Interview mit dem Schöpfer der fantastischen Ninragon-Welt Horus W. Odenthal, mehrere Artikel rund ums Thema Plotten, der Blogtour-Knigge und natürlich Kurzgeschichten, Lyrik und Kolumnenbeiträge. Und zu guter Letzt entführt Asta Roth Sie in der Leseprobe »Im Spiegel« in ein äußerst erotisches Abenteuer.
Vergessen Sie nicht, uns mitzuteilen, welches Urteil Sie fällen!
Wer mehr über Qindie erfahren will, der besuche die Website: http://www.qindie.de/
Zum Kinder- und Jugendschutz ist dieses Magazin mit der Altersbeschränkung 18+ versehen.

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Inhalt<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser, - Editorial<br />

News im Zeitraffer - Neuigkeiten<br />

<strong>Lila</strong> – der letzte Versuch? - Leitartikel<br />

Die Menschen hinter dem Q-Siegel - Interview<br />

Ausstellung hinter der Stirn - Kurzgeschichte<br />

Drachenblut - Rezension<br />

Horus W. Odenthal - Interview<br />

Freiseele - Lyrik<br />

»Nur Feiglinge plotten« oder »Pantser bestraft die Deadline«? - Artikel<br />

Gemeinsam einsam: Über das Schreiben zu zweit - Artikel<br />

Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre … - Lyrik<br />

<strong>Lila</strong>, die Farbe der Emanzipation - Kolumne<br />

Blogtour Knigge - Artikel<br />

„Die Sprache ist die oberste Dienerin einer Geschichte“ - Interview<br />

Gedanken - Kurzgeschichte<br />

Das Cover muss die Grundfeste der Seele berühren - Artikel<br />

Lohnen sich Schreibkurse? - Artikel<br />

und diese nacht - Lyrik<br />

Erst die Idee, dann der Roman, zuletzt an die Theke - Artikel<br />

Im Spiegel - Leseprobe<br />

Impressum


Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

es freut uns sehr, die zweite Ausgabe<br />

des Q-<strong>Mag</strong>s präsentieren zu<br />

dürfen, und natürlich freuen wir uns,<br />

dass Sie uns treu geblieben sind!<br />

Das Thema, das sich durch diese Ausgabe<br />

zieht, heißt diesmal: <strong>Lila</strong>. Was<br />

<strong>Lila</strong> so hergibt, möchten Sie wissen?<br />

Sehr viel! <strong>Lila</strong> ist nicht nur eine Farbe,<br />

<strong>Lila</strong> ist ein Lebensgefühl, möchte ich<br />

behaupten. Man muss nicht Goethes<br />

Farbenlehre kennen, um schon einmal<br />

etwas von der Farben-Symbolik<br />

beziehungsweise der Wirkung von<br />

Farben auf den Menschen gehört zu<br />

haben. Gibt man die Begriffe ›lila‹ und<br />

›Symbolik‹ in einschlägige Suchmaschinen<br />

im Internet ein, bekommt man<br />

eine ganze Menge an Ergebnissen.<br />

Wir haben uns in diesem Heft natürlich<br />

auf die Bedeutung der Farbe <strong>Lila</strong><br />

im Hinblick auf das weite Feld des<br />

geschriebenen Wortes eingelassen.<br />

So geht es uns vor allem um die Mystik<br />

(Sie finden ein Interview mit Horus<br />

W. Odenthal in diesem Heft, dem<br />

Vater der fantastischen Welt ›Ninragon‹),<br />

die man der Farbe zuschreibt.<br />

Für einige scheint <strong>Lila</strong> die Zusammenführung<br />

von Himmel/Geist (blau)<br />

und Mensch (rot) zu sein (darauf<br />

geht Nike Mangold in ihrer Kolumne<br />

ein) – eine Zusammenführung,<br />

die wichtig ist, wenn es um Romane<br />

geht, holt doch der Schriftsteller seine<br />

Ideen ›aus dem Himmel‹ und führt<br />

sie uns in Form von Buchstaben zu.<br />

<strong>Lila</strong> ist aber auch die Farbe der Frustration,<br />

nicht nur der sexuellen (um<br />

dem entgegenzuwirken, gibt es am<br />

Heft-Ende eine Leseprobe aus Asta<br />

Roths Erotik-Buch), sondern der<br />

allgemeinen, die sich in Unlust und<br />

Unzufriedenheit äußert. Das nahmen<br />

wir zum Anlass, um ein Thema<br />

aufzugreifen, das viele Schriftsteller<br />

beschäftigt und mitunter ›unlustig‹<br />

zurücklässt: der weite Weg von der<br />

Idee zum Roman. Es geht ums Plotten,<br />

um die Varianten, um die Unterschiedlichkeiten<br />

und letztlich auch<br />

darum, Ihnen als Leser einen Einblick<br />

in die Arbeit eines Schriftstellers<br />

zu geben. Außerdem finden Sie in<br />

dieser Ausgabe ein Interview, das ich<br />

mit neun bei <strong>Qindie</strong> im Hintergrund<br />

arbeitenden Menschen führen durfte,<br />

die maßgeblich dazu beitragen,<br />

dass <strong>Qindie</strong> das ist, was es heute ist.<br />

Sie sehen: <strong>Lila</strong> gibt viel her!<br />

Bevor wir nun weiterblättern, möchte<br />

ich allen fleißigen Bienchen danken,<br />

die am Heft mitgewirkt haben! Namaste<br />

euch allen!<br />

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen<br />

mit dem <strong>Mag</strong>azin und hoffe, wir lesen<br />

uns nächstes Jahr wieder!<br />

Melanie Meier, Chefredaktion


ausgewählt und zusammengestellt von Kari Lessír<br />

tolino media präsentiert<br />

E-Books von Selfpublishern<br />

erstmals als Taschenbücher im<br />

Handel<br />

Ab dem 15. November präsentiert tolino<br />

media in einem Pilotprojekt zehn<br />

ausgewählte Romane, die über tolino<br />

veröffentlicht wurden, auch als Taschenbücher<br />

im Buchhandel. Bei diesem<br />

Pilotprojekt sind Thalia, Hugendubel,<br />

Weltbild und Osiander mit von<br />

der Partie. Weitere Bücher sollen in<br />

Zukunft in Zusammenarbeit mit den<br />

Buchhändlern ausgewählt werden.<br />

»Wir gehen damit einen neuen Weg,<br />

weil wir überzeugt sind, dass im Selfpublishing<br />

Bücher mit hoher Qualität<br />

entstehen«, sagt Jördis Schulz,<br />

Director tolino Publishing bei tolino<br />

media. »Diese Bücher verdienen<br />

eine noch breitere Leserschaft<br />

– und wir glauben, dass sie eine interessierte<br />

Leserschaft auch im stationären<br />

Handel erreichen können.«<br />

Verlagsauslieferung für<br />

Selfpublisher<br />

Auch Selfpublisher haben mit Fin<br />

Gadar nun die Möglichkeit, auf eine<br />

Verlagsauslieferung zurückzugreifen.<br />

Fin Gadar nimmt die von der<br />

Druckerei erstellten Bücher (maximal<br />

50 Exemplare) entgegen, lagert sie<br />

ein, verschickt sie auf Bestellung und<br />

kümmert sich auch um die Rechnung<br />

sowie das Mahnwesen.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Selfpublisherbibel Keine Päckchen<br />

mehr packen: Verlagsauslieferung<br />

für Selfpublisher<br />

Website von Fin Gadar: fingadar.de<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Lesering.de: Tolino media


Selfpublishing für <strong>Mag</strong>azine<br />

Mit Wondermags soll es Selfpublishern<br />

ab dem kommenden Jahr möglich<br />

sein, selbstgestaltete Zeitschriften<br />

– ähnlich wie E-Books – zu publizieren.<br />

Derzeit ist das Portal noch in<br />

der Testphase. Autoren sollen dann<br />

voraussichtlich 60 Prozent der Verkaufserlöse<br />

für sich behalten können.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Selfpublisherbibel Wondermags im<br />

Betatest: Wie Selfpublishing für <strong>Mag</strong>azine<br />

funktionieren könnte<br />

Komfortable Selfpublishing-<br />

App für neobooks-Autoren<br />

Autoren der Selfpublishing-Plattform<br />

neobooks können ab sofort mit der<br />

»neobooks – Self-Publishing-App für<br />

Autoren« tagesaktuell ihre Umsätze<br />

und Downloads im Blick behalten.<br />

Die App ist im App-Store für iPhone<br />

und iPad erhältlich und bietet nach<br />

einmaligem Anmelden direkten Zugriff<br />

auf das neobooks-Dashboard.<br />

Gezeigt werden die aktuellen Verkaufszahlen<br />

und Erlöse, ebenso die<br />

Downloads bei den verschiedenen E-<br />

Book-Händlern.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Self-Publishing-App für neobooks-<br />

Autoren<br />

SciFi-Roman gewinnt<br />

den ersten deutschen<br />

Self Publishing Award<br />

Gewinner des ersten deutschen Self<br />

Publishing Awards, den Amazon gemeinsam<br />

mit dem Freien Deutschen<br />

Autorenverband und dem Nachrichtenmagazin<br />

FOCUS ausgeschrieben<br />

hatte, ist der SciFi-Autor Phillip<br />

P. Peterson mit seinem Werk »Paradox<br />

– Am Abgrund der Ewigkeit«.<br />

Dotiert ist der Award mit 30.000 €<br />

und einem Verlagsvertrag bei Bastei<br />

Lübbe für das gedruckte Buch. Darüber<br />

hinaus werden alle fünf Bücher<br />

der Shortlist exklusiv von Audible als<br />

Hörbuch umgesetzt. Für den Wettbewerb<br />

waren mehr als <strong>1.</strong>000 Romane<br />

eingereicht worden.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

„Paradox“ von Philip P. Peterson<br />

gewinnt Deutschen Selfpublisher<br />

Award<br />

Neuer Zahlungsanbieter bei<br />

Kobo Writing Life<br />

Wer seine E-Books selbst bei Kobo<br />

einstellt, muss demnächst seine<br />

Zahlungsinformationen überarbeiten.<br />

Kobo, der zum japanischen E-<br />

Commerce-Konzern Rakuten gehört,<br />

wechselt den Zahlungsdienstleister,<br />

wodurch auch die Autoren gezwungen<br />

sind, Kobo zu folgen. Genaue<br />

Informationen sollen in einem Newsletter<br />

folgen.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Selfpublisherbibel Neuigkeiten von Kobo


Amazon-Gutscheine für<br />

Rezensenten sind illegal<br />

Aufgrund der Vielzahl gefälschter<br />

Rezensionen bei Amazon und der<br />

sog. »Fiverr-Affäre« hat Amazon<br />

nun entschieden, dass es ab sofort<br />

illegal ist, Gutscheine an Rezensenten<br />

zu verschicken, damit sich<br />

diese ein kostenloses Rezensionsexemplar<br />

herunterladen können.<br />

Rezensionen, die auf diesem Weg<br />

zustande gekommen sind, löscht<br />

Amazon; Widerspruch ist zwecklos.<br />

Alternativ gibt es nur noch die<br />

Möglichkeit, das E-Book per Mail<br />

zu versenden, wieder auf das Taschenbuch<br />

als Rezensionsexemplar<br />

zurückzugreifen oder dem<br />

Blogger bzw. Leser den Einkauf<br />

im Nachhinein per Paypal oder per<br />

Überweisung zurückzuerstatten.<br />

TWENTYSIX, der neue<br />

Selfpublishing-Dienstleister<br />

Seit Anfang Oktober 2015 gibt es mit<br />

TWENTYSIX einen neuen Dienstleister<br />

für Selfpublisher, der gemeinsam<br />

von Random House (Bertelsmann)<br />

und BoD ins Leben gerufen wurde.<br />

BoD liefert dafür die Selfpublishing-<br />

Angebotspakete, Random House<br />

das Verlagsknowhow, mit dem die<br />

Lektoren alle eingereichten Titel<br />

begutachten. Bei Interesse durch<br />

Random House kann man für »exklusive<br />

Services nominiert werden«.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Literaturcafé<br />

Website TWENTYSIX: twentysix.de<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Selfpublisherbibel Manipulationsvorwurf:<br />

Verwirrung um Amazon-E-Mail


von Melanie Meier<br />

Wie ist das also jetzt mit dieser Farbe,<br />

was hat sie mit dem Schreiben<br />

oder Lesen zu tun, kann man aus<br />

diesem <strong>Mag</strong>azin ein Fazit ziehen? –<br />

Fragen Sie sich das auch?<br />

Im Laufe der Monate, in denen wir<br />

am <strong>Mag</strong>azin gearbeitet haben, habe<br />

ich mich immer wieder damit beschäftigt;<br />

immerhin wusste ich, ich<br />

würde dereinst diesen Text verfassen.<br />

In dieser Zeit schrieb ich einen<br />

Roman und beendete ihn, las einige<br />

Bücher und hatte so Gelegenheit,<br />

mich selbst innerhalb gewisser Prozesse<br />

zu beobachten.<br />

Die Symbolik<br />

Bevor ich nun meine Überlegungen<br />

mitteile, kommen wir noch einmal zur<br />

Farbe an sich zurück. Ich will Ihnen<br />

ein paar Stichpunkte geben, was die<br />

Symbolik von <strong>Lila</strong> bzw. die Assoziation<br />

betrifft: Einsamkeit, Kreativität,<br />

Mystik/<strong>Mag</strong>ie, Selbstvertrauen,<br />

Weisheit, Melancholie, Unzufriedenheit,<br />

Spannung, Hingabe, Sehnsucht,<br />

Aberglaube … Ein bunter Mix,<br />

wie Sie sehen, und noch lange nicht<br />

erschöpft, aber ich denke, als Überblick<br />

reichen diese Begriffe, denn<br />

aus ihnen lässt sich einiges ableiten.<br />

(Irgendwo habe ich gelesen, Richard<br />

Wagner sei der Farbe aufgrund ihrer<br />

Wirkung verfallen, er habe in einem<br />

Raum komponiert, der vollends violett<br />

gestrichen war, selbst die Möbelstücke<br />

seien violett gewesen. Aber<br />

das nur nebenbei.)<br />

Um der Sache willen<br />

Im Laufe der Jahre, in denen ich nun<br />

Romane verfasse, tat ich das stets<br />

für mich. Die ersten zehn Jahre lang<br />

wäre ich nie auf die Idee gekommen,<br />

meine Texte zu veröffentlichen, keine<br />

Menschenseele bekam sie zu lesen.<br />

Das Schreiben war für mich eine<br />

Notwendigkeit. Der Anstoß dafür lag<br />

darin, dass ich zu alt zum Spielen<br />

geworden war (ich war vierzehn oder<br />

fünfzehn) und eine andere Möglichkeit<br />

finden musste, all die Bilder, die<br />

mein Kopf unablässig produzierte,<br />

zu transportieren. Das Schreiben bot<br />

sich an.<br />

Hingabe – das ist eines der Stichwörter,<br />

das mich auf diese Reflexion<br />

bringt. Ich höre oft, ein Schriftsteller<br />

müsse ein einziges Genre bedienen<br />

und solle sich nicht an einem Mix<br />

vergehen, er solle für die Leser oder


in einem bestimmten Stil schreiben<br />

et cetera. Die Ratschläge und ihre<br />

Varianten sind zahlreich.<br />

Aber sind es nicht exakt solche<br />

Aussagen, die womöglich hemmen<br />

und die Hingabe an das bloße Tun<br />

untergraben (und dabei sei dahingestellt,<br />

ob es ums Lesen oder ums<br />

Schreiben geht)? Wie viele kreative<br />

Ideen – und seien es nur einzelne<br />

Sätze – werden wohl dort draußen<br />

täglich zugunsten fremder Meinungen<br />

gestrichen, wie viele gute Bücher<br />

von Lesern weggelegt, weil<br />

man sich ihnen nicht hingibt? Geht<br />

die Originalität eines Werkes beziehungsweise<br />

die Wirkung während<br />

des Lesens nicht verloren, wenn<br />

man sich der Hingabe verweigert und<br />

stattdessen zu kopieren versucht,<br />

was andere für richtig erachten?<br />

Und da wären wir schon beim nächsten<br />

Stichwort, das die Farb-Symbolik<br />

vorgibt: Selbstvertrauen. Uff. Einfach<br />

nur: uff.<br />

Es gibt sie ja, diese Künstler, die<br />

stur wie Stiere sind und freiheraus<br />

sagen: Ich gut, du nix (Beethoven<br />

fällt mir da sofort ein, der vor kaum<br />

jemandem das Haupt beugte, schon<br />

gar nicht vor dem Adel). Und ich spreche<br />

nun von echtem Selbstvertrauen,<br />

nicht von einem Image, das manche<br />

um sich herum aufbauen. Hm, ja. Ich<br />

für meinen Teil möchte da gern unterscheiden<br />

zwischen dem Selbstvertrauen,<br />

das ich in meine Person<br />

als solche habe, und dem Selbstvertrauen,<br />

das ich als Schriftsteller gegenüber<br />

meinen Fähigkeiten brauche,<br />

um überhaupt einen Roman<br />

zu Ende zu bringen. Ich muss auf<br />

viel vertrauen können, nicht nur auf<br />

meine Phantasie, sondern auch auf<br />

mein handwerkliches Können. Dabei<br />

möchte ich sogar so weit gehen und<br />

behaupten, ohne dieses schriftstellerische<br />

Vertrauen ist kein originelles<br />

Werk möglich. Je höher dieses Vertrauen<br />

in meine Fähigkeiten, desto<br />

mehr kann ich mich dem Schreiben<br />

und meiner Phantasie hingeben<br />

und desto origineller das Resultat.<br />

Die Unzufriedenheit und ihr Bruder,<br />

der Zweifel<br />

Das war nun eine schöne Laudatio<br />

für die Hingabe und das Selbstvertrauen.<br />

Wie alles hat auch das eine<br />

Kehrseite, und bestimmt kennt sie<br />

jeder: die Selbstzweifel und die Unzufriedenheit.<br />

Und für beide will ich<br />

eine Lanze brechen. Jedenfalls versuche<br />

ich es.<br />

Manchmal braucht man als Leser<br />

Mut, um zu gewissen Büchern<br />

zu greifen. Ich denke an zwei Titel,<br />

mit denen ich schon seit einer Weile<br />

kämpfe. Beides ist nichts, was<br />

nebenbei gelesen werden kann (eigentlich<br />

darf, denn ich bin der Meinung,<br />

dass überhaupt nichts nebenbei<br />

gelesen werden darf, aber das ist<br />

ein anderes Thema).<br />

Als Schriftsteller falle ich mitunter<br />

in Phasen, in denen ich nicht nur<br />

an meinem Geschriebenen zweifle,<br />

sondern auch daran, ob ich überhaupt<br />

als Schriftsteller etwas tauge.<br />

Die Ursachen für die Zweifel sind<br />

vielfältig – mal ist es eine Lesermeinung,<br />

mal erscheinen andere Autoren<br />

um so viel besser, mal ist das<br />

Wetter schlecht und drückt auf das<br />

Gemüt … Und die Unzufriedenheit,<br />

die ist doch ständig da, nur selten ist


man völlig zufrieden mit einem Satz,<br />

Absatz, Kapitel, Roman.<br />

Was also machen?<br />

Einfach alles hinschmeißen?<br />

Auf keinen Fall! Denn wer zweifelt<br />

nie? So jemanden gibt es nicht, jedenfalls<br />

kenne ich keine solche Person.<br />

Wenn ich mich in diesen Phasen<br />

daran erinnere, warum ich schreibe,<br />

mich auf die Unausweichlichkeit des<br />

ganzen Unterfangens besinne (ich<br />

kann ja gar nicht anders, ich muss<br />

schreiben!), geschieht stets etwas<br />

Wundervolles. Zum einen erinnere<br />

ich mich unweigerlich an die Freude,<br />

die ich spüre, während ich schreibe,<br />

und zum anderen werden Zweifel<br />

und Unzufriedenheit zu einer ungemeinen<br />

Antriebskraft. Sie sind es, die<br />

mich stetig dazu antreiben, besser zu<br />

werden, weiterzulernen, das Denken<br />

aus eingefahrenen Bahnen zu lenken<br />

und mich – im Idealfall – immer<br />

wieder über den eigenen Tellerrand<br />

zu ziehen (das gilt wiederum sowohl<br />

fürs Lesen als auch fürs Schreiben).<br />

Und sie führen zu einer fruchtbaren<br />

Demut, die man der Kunst und ihren<br />

Künstlern im Allgemeinen entgegenbringt,<br />

ahnt man doch, welche Hürden<br />

jeder nehmen muss(te).<br />

Ich kann Ihnen kein allgemeingültiges<br />

geben, weil es nicht existiert.<br />

Ich kann Ihnen nur sagen, was ich<br />

aus dem Ganzen schließe: Dieses<br />

Gebilde aus Ursachen und Wirkungen,<br />

das ich Ihnen dargelegt habe,<br />

würde beim geringsten aufkommenden<br />

Zweifel kollabieren, würde<br />

ich nicht um der Sache willen<br />

schreiben. Und es würde nicht vorwärtsgetrieben,<br />

gäbe es die Unzufriedenheit<br />

und die Zweifel nicht.<br />

In sich ist das eine Spannung, die<br />

die Farbe <strong>Lila</strong> ganz wunderbar repräsentiert,<br />

wie ich finde.<br />

Darum kann es nie einen letzten Versuch<br />

geben, nur immer einen nächsten.<br />

Der letzte Versuch war nicht der<br />

letzte, und der nächste Versuch wird<br />

auch nicht der letzte sein. Den letzten<br />

Versuch werde ich erst dann unternehmen,<br />

wenn unmittelbar darauf<br />

mein Tod folgt. Und was auch immer<br />

Ihr Antrieb sein mag, sich einem<br />

Buch hinzugeben, ob als Leser oder<br />

Schriftsteller – ich wette, Sie stehen<br />

auch immer wieder vor dem nächsten<br />

Versuch, der nicht der letzte sein<br />

wird …<br />

Der letzte Versuch also?<br />

Das alles steckt in der Farbe <strong>Lila</strong>, all<br />

das habe ich durch ihre Symbolik in<br />

sie hineininterpretiert. Nicht schlecht,<br />

was?^^ (Oh, ich hätte noch einiges<br />

mehr dazu zu sagen, die Einsamkeit<br />

wäre so ein Thema, aber ich<br />

will ja den Rahmen nicht sprengen.)<br />

Was bleibt aber nun als Fazit?


Um diese Frage zu klären, kamen<br />

einige der <strong>Qindie</strong>-Initiatoren sowie<br />

zwischenzeitlich hinzugestoßene fleißige<br />

Helfer zu einem Chat-Interview<br />

zusammen. Ein spannendes Unterfangen,<br />

so ein Chat mit neun Pervon<br />

Melanie Meier<br />

Am ersten Mai 2013 ging das Autorenkorrektiv<br />

<strong>Qindie</strong> online. Das Vorhaben:<br />

<strong>Qindie</strong> soll eine Schneise in<br />

den Dschungel aus oftmals lieblos<br />

und schlecht gemachten Indie-Publikationen<br />

schlagen und ein Filter<br />

sein, der qualitativ hochwertige Self-<br />

Publisher-Titel mit dem <strong>Qindie</strong>-Siegel<br />

auszeichnet, also für die Leser die<br />

Spreu vom Weizen trennt.<br />

Das macht <strong>Qindie</strong> seither. Es wächst<br />

und wächst, monatlich kommen neue<br />

Autoren und Partner hinzu, die Öffentlichkeit<br />

wird zunehmend aufmerksam,<br />

Mit-Initiatorin Regina Mengel<br />

wird immer wieder zu Interviews gebeten,<br />

wenn es ums Self-Publishing<br />

und dessen boomenden Markt geht.<br />

Doch was macht das Autorenkorrektiv<br />

im Kern aus? Wie kann eine solche<br />

Initiative, die von ehrenamtlicher<br />

Mitarbeit lebt, derart gedeihen? Kurzum:<br />

Wer sind die Menschen hinter<br />

dem Siegel?<br />

sonen! Und bevor wir uns ans Eingemachte<br />

heranwagten, bat ich alle,<br />

sich vorzustellen:<br />

Divina: Divina Michaelis, Autorin und<br />

Moderatorin im <strong>Qindie</strong>-Forum. Und<br />

ich sammle die Gruselgeschichten<br />

für ›Bloody <strong>Qindie</strong>‹.<br />

Katharina: Katharina Gerlach, Autorin,<br />

Bloggerin und zuständig für das<br />

Posten von Kolumnen und anderen<br />

kleinen Aufgaben. Ich habe auch<br />

schon einen Q-Adventskalender programmiert.<br />

Marny: Marny Leifers, Bloggerin. Ich<br />

war Mitglied des Kernteams, trete<br />

jetzt aber etwas kürzer. Ich war von<br />

Anfang an dabei und bin Ende letzten<br />

Jahres aus dem Kernteam ausgestiegen.<br />

Ich war Bloggerbeauftragte, hab<br />

ein bisschen was organisatorisch gemacht<br />

und auch verschiedene kleinere<br />

Aufgaben, z.B. auch das Crowdfunding<br />

zu unserer ersten Messe.<br />

Jacqueline: Jacqueline Spieweg, Autorin,<br />

für <strong>Qindie</strong> mache ich die Grafik.<br />

Und ich habe den <strong>Qindie</strong>-Test „Welche<br />

Romanfigur bist du?“ zu <strong>Qindie</strong>s<br />

<strong>1.</strong> Geburtstag programmiert.


Regina: Mein Name ist Regina Mengel,<br />

ich bin freiberufliche Autorin, gehöre<br />

bei <strong>Qindie</strong> zum Kernteam, bin<br />

von Anfang an dabei und für den<br />

Newsletter sowie für das Bewerbermanagement<br />

zuständig.<br />

Michael: Michael Siedentopf aka<br />

David Pawn, Hobby-Autor. Zurzeit<br />

betreue ich <strong>Qindie</strong> Querbeet und<br />

kümmere mich um die Belange des<br />

<strong>Qindie</strong>-Auftritts bei der LBM <strong>2016</strong>.<br />

Simone: Simone Keil, Autorin, Gründungsmitglied<br />

und Mitglied des „Kernteams“.<br />

Tilly: Tilly Jones und Jack T.R. von In<br />

Flagranti Books. Blogger, Kolumnen-<br />

Schreiber, Glitzerer und Benutzer der<br />

„knallharten Ehrlichkeit“.<br />

Florian: Florian Tietgen, Autor, Lektor<br />

und bei <strong>Qindie</strong> vor allem für das<br />

Qinterview zuständig.<br />

Susanne: Autorin, Gründungsmitglied,<br />

ohne feste Funktion im Team.<br />

Das sind nicht alle, die bei <strong>Qindie</strong> im<br />

Hintergrund arbeiten, das möchte ich<br />

gleich vorwegnehmen. Sie können es<br />

sich vorstellen: Es war schwierig genug,<br />

einen Termin zu finden, zu dem<br />

zehn Personen (mich eingeschlossen)<br />

Zeit hatten.<br />

Aber immerhin sind es doch so viele<br />

geworden.<br />

Meine allererste Frage war natürlich,<br />

wer von den Anwesenden von<br />

Beginn an dabei war, wer dem Baby<br />

<strong>Qindie</strong> quasi bei der Geburt geholfen<br />

hat. Dazu gehören Susanne Gerdom,<br />

Regina Mengel, Jacqueline Spieweg,<br />

Marny Leifers, Simone Keil und<br />

Florian Tietgen.<br />

Die nächste Frage ergab sich automatisch:<br />

Welchen Schwierigkeiten<br />

sahen sich die Gründermütter und<br />

-väter bei der Entstehung von <strong>Qindie</strong><br />

gegenüber?<br />

Simone: Eine Schneise ins Chaos-<br />

Dickicht zu schlagen. ^^ Es war natürlich<br />

ziemlich schwierig, so viele<br />

Individualisten unter einen Hut zu<br />

bekommen.<br />

Jacqueline: Gegen die Vorurteile<br />

anzukommen: ›Wer selbst veröffentlicht,<br />

ist zu schlecht, um einen Verlag<br />

zu finden.‹<br />

Susanne: Zu viele Ideen, viel zu viele<br />

gute Ansätze. Das größte Problem<br />

war es, eine Struktur zu schaffen, in<br />

der wir den größten gemeinsamen<br />

Nenner finden konnten. Die Vorstellungen,<br />

die sich im Großen glichen,<br />

gingen im Detail dann doch sehr<br />

auseinander. Das unter einen Hut zu<br />

kriegen, war ein echter Kraftakt.<br />

Regina: Ein unglaublich komplexes<br />

Gebilde zum geplanten Zeitpunkt an<br />

den Start zu bringen. Die eigenen<br />

Ideen zu kanalisieren, ob sie tauglich<br />

sind oder nicht. Wir waren wahnsinnig<br />

kreativ, konnten aber nicht alles<br />

sofort umsetzen, was wir gern umgesetzt<br />

hätten.<br />

Simone: Aber wir haben ja alle die<br />

gleichen Ziele: Bessere Sichtbarkeit<br />

bei den LeserInnen zu erreichen.


Regina: Von außen kam uns Angst<br />

und Misstrauen entgegen, das hat<br />

sich zum Glück inzwischen gelegt<br />

und die Menschen haben gemerkt,<br />

wir beißen nicht. Eigentlich hätten wir<br />

viel mehr Zeit gebraucht, das erste<br />

Jahr haben wir alle bald rund um die<br />

Uhr für <strong>Qindie</strong> geschuftet.<br />

Jacqueline: Das enorme Arbeitspensum<br />

kurz vor und kurz nach dem<br />

Starttermin. Zu der Zeit war <strong>Qindie</strong><br />

ein Vollzeitjob. Plus Überstunden.<br />

Marny: Und es war schwierig, Autoren<br />

und Leser gleichzeitig zu erreichen.<br />

Bei den Autoren gab es auch<br />

viel Misstrauen, und die Leser hatten<br />

oft den Eindruck, dass <strong>Qindie</strong> ein Autorenkreis<br />

oder etwas Ähnliches ist.<br />

Regina: Es war aber unglaublich toll<br />

zu sehen, wie wir – ohne uns persönlich<br />

zu kennen – so etwas auf die Beine<br />

stellen konnten, wie vertrauensvoll<br />

wir miteinander gearbeitet haben und<br />

wie viel Kreativität sich da bündelte.<br />

Jacqueline: Ja, wir haben sofort alle<br />

auf einer Wellenlänge gelegen und<br />

perfekt zusammengearbeitet.<br />

Susanne: Allein schon diese Skype-<br />

Konferenzen, bei denen garantiert<br />

immer jemand technische Probleme<br />

hatte. Ich fand nie die Einstellung fürs<br />

Mikrofon und hab dann gerne mal an<br />

der Seite Hilferufe getippt.<br />

Regina: Und wir sprühten vor verrückten<br />

Ideen, die wir bis heute noch<br />

nicht alle umgesetzt haben. Es gab ja<br />

auch ganz viel zu beachten, die rechtliche<br />

Seite zum Beispiel, die ganzen<br />

Grundtexte, deren Formulierungen,<br />

die FAQs, bis das stand, da ist mancher<br />

Schweißtropfen geflossen.<br />

Jacqueline: Und die verrücktesten<br />

Ideen sind ganz spontan entstanden,<br />

wie der <strong>Qindie</strong>-Chor.<br />

Hier musste ich unterbrechen, Jacqueline<br />

hat mir mit dem Chor eine<br />

Frage vorweggenommen, die später<br />

noch kommen wird. Sie werden sehen.<br />

Was mich als Autor und Mitwirkende<br />

bei <strong>Qindie</strong> natürlich interessiert, sind<br />

die Regeln, die zur Bewertung von<br />

Texten, die bei <strong>Qindie</strong> zur Prüfung<br />

eingereicht werden, aufgestellt wurden.<br />

Auf den Inhalt, die Story selbst,<br />

kommt es nicht so sehr an wie auf<br />

das Handwerk. Warum wurde das<br />

so festgelegt?<br />

Regina: Aus mehreren Gründen:<br />

Zuerst mal ist es eine Frage des<br />

Aufwands, wir können nur Leseproben<br />

prüfen, sonst wäre das nicht zu<br />

stemmen.<br />

Jacqueline: Ja, wir müssten sonst<br />

das ganze Buch lesen. Das ist nicht<br />

zu bewältigen.<br />

Regina: Die andere Seite ist die Geschmacksseite.<br />

Wie wollen wir entscheiden,<br />

was einem Leser gefällt?<br />

Katharina: Außerdem ist Inhalt<br />

immer Geschmackssache. Da<br />

sich darüber bekanntlich streiten<br />

lässt, ist das kein gutes Kriterium.


Michael: Ich habe das ja nicht mit<br />

festgelegt, aber es entspricht sicherlich<br />

der Idee, gute Indies zu fördern.<br />

Gut und schlecht gibt es in jedem<br />

Genre.<br />

Regina: Deshalb halten wir uns an<br />

die harten Fakten: Rechtschreibung,<br />

Grammatik, Interpunktion – und an<br />

die etwas weicheren, das schriftstellerische<br />

Handwerk. (An Michael<br />

gerichtet:) Professionell gemachte<br />

Bücher zu fördern, Michael. Die Kriterien<br />

kann man in unseren FAQs genau<br />

nachlesen, dort gibt es ein verlinktes<br />

Dokument.<br />

Tilly: Wir haben allerdings schon Bücher<br />

gelesen, bei denen mangelte es<br />

gegen Ende an der Logik, was dann<br />

aber auch nicht gerade für <strong>Qindie</strong><br />

spricht. (Nein, wir nennen keine Namen.<br />

^^)<br />

Regina: Das wird sich nie vermeiden<br />

lassen, fürchte ich. Aber, wenn es zu<br />

arg ist, sind die Leser gehalten, uns<br />

das mitzuteilen. Ein Q-Siegel kann<br />

auch wieder entfernt werden.<br />

Divina: Das findet man bei Verlagsbüchern<br />

aber auch.<br />

Michael: Wir haben nur die Leseprobe.<br />

Die endet zumeist nach 10%.<br />

Susanne: Das ist im Prinzip so vollkommen<br />

normal. Verlagslektorate<br />

lesen auch nicht mehr, ehe sie entscheiden,<br />

ob ein Manuskript weiter<br />

begutachtet wird. Da haben es die<br />

<strong>Qindie</strong>-Autoren besser: Wir entscheiden<br />

ja nur über die erste Filterstufe<br />

– danach ist man dann drin, egal, ob<br />

das Buch wirklich hält, was es verspricht.<br />

Bei einem Verlag käme die<br />

genauere Prüfung, bei der dann fünfundneunzig<br />

Prozent der Manuskripte<br />

doch noch in der Tonne landet. ^^<br />

Regina: Jürgen hat es mal so schön<br />

formuliert: Unsere Bücher sollen vom<br />

Standard her mindestens so gut sein<br />

wie Verlagsbücher.<br />

Was mich zur nächsten Frage bringt,<br />

und die brennt mir zugegebenermaßen<br />

unter den Nägeln, seit ich selbst<br />

Q-Mitglied bin und damit über die Bewerber<br />

mitabstimmen darf: Wie ist<br />

das, wenn man über die Werke anderer<br />

urteilen soll? Wie geht man damit<br />

um? Welchen Kriterien folgt man?<br />

Divina: Zuerst einmal geht es mir darum,<br />

ob ich es lesen kann, ohne gleich<br />

zu stolpern. Wenn ich Rechtschreibfehler,<br />

Wortwiederholungen oder<br />

sogar Kommafehler bemerke, dann<br />

macht mir das Lesen an sich schon<br />

keinen Spaß mehr. Das ist für mich<br />

ein starkes Ausschlusskriterium.<br />

Nur wenn die Geschichte gut ist<br />

und neugierig macht, gibt es dann<br />

noch ein Bronze von mir. Oder die<br />

Fehler sind nur in so geringer Anzahl<br />

vorhanden, dass eine Überarbeitung<br />

schnell gemacht ist.<br />

Marny: Ich habe nicht das handwerkliche<br />

Hintergrundwissen, um alle<br />

Kriterien anzuwenden – ich bin aber<br />

auch keine Autorin. Als Leserin gehe<br />

ich schon auch nach meinem Bauchgefühl,<br />

zum Beispiel danach, ob ich<br />

Zugang zu der Geschichte finde oder


ob mich die Leseprobe neugierig<br />

macht oder eher langweilt. Aber eben<br />

nicht nur, ich achte auch auf Rechtschreibung,<br />

Formatierung, Wortschatz,<br />

Wiederholungen und den Stil.<br />

Regina: Ich versuche zunächst mal<br />

nicht die Kommentare der anderen<br />

zu lesen und auch nicht auf den Bewerbungstext<br />

zu achten, um möglichst<br />

nicht voreingenommen zu sein.<br />

Dann lese ich einfach mal drauflos.<br />

Ich achte zuerst mal darauf, ob mich<br />

ein Text sprachlich überzeugt und<br />

ob mir sofort Rechtschreibfehler ins<br />

Auge springen.<br />

Ich achte sehr auf bestimmte Punkte<br />

des Handwerks: Einhaltung der<br />

Perspektive, Dialoge, Adjektivdichte<br />

und vor allen Dingen: Sind es ›hohle‹<br />

Adjektive? Show don‘t tell ... Solche<br />

Punkte. Wenn davon mehreres zusammenkommt,<br />

dann reicht es in der<br />

Regel nicht für ein Q.<br />

Jacqueline: Ich bin Legasthenikerin,<br />

ich weiß im Prinzip meistens, wie<br />

was geschrieben wird, aber ich sehe<br />

es nicht mehr. Darum schaue ich nur<br />

noch, ob die Cover professionell gemacht<br />

sind.<br />

Michael: Es ist nicht immer leicht.<br />

Ich gehe davon aus, dass jeder Autor,<br />

auch die, die das Siegel verpassen,<br />

Zeit und viel Herzblut in den Text<br />

gesteckt hat. Ich versuche, mich an<br />

den Kriterien zu orientieren, die in unseren<br />

FAQs stehen. Aber zumindest<br />

ich persönlich kann den Leser in mir<br />

nicht völlig ausblenden, d. h. zu 100<br />

Prozent objektiv ist wohl nicht drin.<br />

Ich bin ziemlich empfindlich, wenn<br />

die Grammatik nicht stimmt. Und<br />

schiefe Bilder gehen auch nicht.<br />

Susanne: Ich mache das nicht anders<br />

als bei Büchern, die ich anlese.<br />

Wer mich nicht auf den ersten Absätzen<br />

erwischt, hat keine Chance. Im<br />

Gegensatz zu bereits erschienenen<br />

Büchern gebe ich aber den Q-Leseproben<br />

einen längeren Vorlauf. Aber<br />

auf den ersten Seiten sollte schon irgendwas<br />

bei mir ausgelöst werden.<br />

Wer schlampig mit der Sprache<br />

umgeht, hat es natürlich schwer.<br />

Katharina: Als Erstes lese ich die<br />

Vorstellung. Bei einem Genre, zu<br />

dem ich nichts sagen kann, enthalte<br />

ich mich meistens. Bei allen anderen<br />

gehe ich wie folgt vor: Ich lese<br />

den Klappentext. Ist der bereits voller<br />

Rechtschreibfehler, ist das meistens<br />

ein schlechtes Zeichen. Wenn<br />

sich das in der Leseprobe fortführt,<br />

lese ich nur wenig und gebe sofort<br />

ein Nein. Sind Klappentext und<br />

der Anfang der Leseprobe soweit in<br />

Ordnung, gucke ich, wie weit mir die<br />

Charaktere ›echt‹ vorkommen und<br />

ob mich die Handlung fesselt (wenigstens<br />

etwas). Stolpere ich dabei<br />

über Logiklöcher, ist das wieder ein<br />

Grund, abzubrechen. Schaffe ich es<br />

ohne große Mängel durch die ganze<br />

Leseprobe, gibt‘s entweder ein Bronze<br />

(wenn mit etwas Arbeit ein toller<br />

Roman daraus wird) oder ein Ja<br />

(wenn es bereits ein toller Anfang ist).<br />

Ich ertappe mich gelegentlich dabei,<br />

eines der Bücher zu kaufen, um es in<br />

Ruhe ganz zu lesen. ;)


Tilly: Bei uns ist es so, dass wir das<br />

ähnlich wie Regina machen: kein Bewerbungstext,<br />

keine Kommentare,<br />

gleich zur Leseprobe. Sagt uns die<br />

Geschichte zu, gibt es ein Ja. Sagt<br />

sie zu, hat aber einige Fehler drin,<br />

reden wir drüber, und gefällt sie uns<br />

nicht, dann ist es eben ein Nein. Wir<br />

urteilen da eben rein als Leser und<br />

Blogger. Ist ja klar. ^^<br />

Regina ist u. a. zuständig für die Bewerbungen.<br />

Von ihr wollte ich wissen,<br />

ob es einen ungefähren Durchschnittswert<br />

gibt, wie viele Absagen<br />

und Zusagen <strong>Qindie</strong> ausspricht.<br />

Regina: 1/3 Silber – 1/3 Bronze – 1/3<br />

Absagen.<br />

Das hat mich erstaunt, es scheint ja<br />

doch sehr ausgewogen zu sein.<br />

Regina: Ja, zwischendurch hatte es<br />

immer mal den Anschein, als gäbe es<br />

viele Absagen, und es gab auch Runden,<br />

die ziemlich anstrengend waren.<br />

Aber dann kamen immer mal wieder<br />

tolle Runden, die viele Ja- und Bronzestimmen<br />

hatten.<br />

Und da kamen wir zu einem Thema,<br />

das ich mir nicht verkneifen konnte.<br />

Wer selbst Schriftsteller ist, kennt<br />

die Problematik, Kritiken möglichst<br />

objektiv zu betrachten und nicht persönlich<br />

zu nehmen. Es ist mehr als<br />

verständlich, wenn jemand auf eine<br />

Absage gekränkt reagiert; wir fühlen<br />

alle mit, jeder wurde schon einmal<br />

auf die eine oder andere Weise abgelehnt.<br />

Dennoch gibt es Reaktionen von abgelehnten<br />

Autoren, die <strong>Qindie</strong> wehtun<br />

– jedem <strong>Qindie</strong>-Mitglied, das<br />

über einer Bewerbung gebrütet hat<br />

und letztlich mit Nein stimmen musste.<br />

Mitunter werden Beleidigungen<br />

und unsachliche (Pauschal-) Urteile<br />

öffentlich ins Netz gestellt, hin und<br />

wieder wird Regina per E-Mail sogar<br />

beschimpft.<br />

Katharina: Überall, wo eine Auswahl<br />

getroffen wird (werden muss), gibt es<br />

Kritiker, die das System für unfair halten.<br />

Das ist ähnlich wie bei Verlagen,<br />

denen auch immer wieder vorgeworfen<br />

wird, sie wären unbekannten AutorInnen<br />

gegenüber unfair. Das liegt<br />

in der Natur der Sache. Ich ignoriere<br />

es einfach.<br />

Regina: Das ist sicherlich gekränkte<br />

Eitelkeit, aber auch ein anders<br />

verstandener Anspruch. Bücher, die<br />

zum Beispiel vorn in den Charts stehen<br />

– so würde man vielleicht erwarten<br />

– müssten automatisch ein Q bekommen.<br />

Dem ist aber mitnichten so.<br />

Michael: Es kam ja schon die Aussage,<br />

dass manche Abgelehnte<br />

sauer reagieren. Man hat ein Buch<br />

geschrieben, wochen-, monate-, jahrelang.<br />

Und dann sagen da ein paar<br />

Leute, das ist nicht gut. Ich verstehe<br />

es, wenn da nicht jeder mit Freudenschreien<br />

reagiert.<br />

Divina: Stimmt. Manche Verlagsbücher,<br />

die ich gelesen habe und die<br />

sogar Bestseller waren, wären bei<br />

uns auch nicht gleich durchgekommen.


Susanne: DAS passiert mir öfter,<br />

dass ich ein Verlagsbuch in der Hand<br />

habe, reinlese und denke: Das wäre<br />

bei uns nicht durchgerutscht. ^^<br />

Florian: Die Frage ist ja immer der<br />

Maßstab, nach dem wir angeblich zu<br />

streng sein sollen. Unsere Kriterien<br />

kann jeder nachlesen, dabei bleibt<br />

natürlich immer ein Spielraum. Aber<br />

nach den nachzuprüfenden Kriterien<br />

sind wir sogar eher zu mild in unseren<br />

Entscheidungen, vor allem, wenn uns<br />

ein Buch stilistisch richtig gut gefällt.<br />

Regina: So sehe ich das auch.<br />

Jacqueline: Dem stimme ich zu. Und<br />

ich finde sogar, wir könnten bei den<br />

Covern etwas strenger sein. Und wie<br />

beim Inhalt geht es auch hier nicht<br />

darum, ob sie meinen Geschmack<br />

treffen, sondern nur darum, ob sie<br />

professionell gemacht wurden.<br />

Michael: Und da es ein Qualitätssiegel<br />

sein soll, ist zu streng besser als<br />

zu lasch.<br />

Florian: Ja, ein Siegel, von dem Leser<br />

sagen, es wäre nichts wert, wäre<br />

viel schlimmer.<br />

Regina: Es ist einfach unmöglich, es<br />

jedem recht zu machen. Jeder hat<br />

seine eigenen Kriterien und Maßstäbe,<br />

die er anlegt. Das ist doch völlig<br />

okay.<br />

Aber wir freuen uns über jeden, der<br />

unsere Kriterien teilt und sich dem<br />

Urteil gern stellt. Und es sind inzwischen<br />

schon richtig viele Autoren, die<br />

unter das Dach von <strong>Qindie</strong> gefunden<br />

haben. Das ist toll und macht uns<br />

glücklich und wir freuen uns noch auf<br />

viele weitere.<br />

<strong>Qindie</strong> vergibt ja nicht nur das Siegel,<br />

es macht viel mehr. Es gibt den monatlichen<br />

Newsletter, die Kolumnen,<br />

das Qinterview, die Autoren- und Bücherseiten,<br />

die Partner, die Blogger,<br />

die Rezensionen, seit diesem Jahr<br />

auch den Stand auf der Leipziger<br />

Buchmesse ... All das muss verwaltet<br />

und gepflegt werden, und das ehrenamtlich,<br />

also ›nebenbei‹. Wie bekommt<br />

ihr das zeitlich auf die Reihe?<br />

Regina: Gute Frage. Zum Glück sind<br />

die Aufgaben ein wenig geschrumpft<br />

und hin und wieder zieht mancher<br />

mal die Notbremse und klinkt sich für<br />

längere Zeit aus.<br />

Simone: Gar nicht. Man muss<br />

manchmal einfach auf die Bremse<br />

treten und Sachen liegen lassen, das<br />

muss man lernen, sonst explodiert<br />

der Motor irgendwann.<br />

Jacqueline: Es ist schwer, das zeitlich<br />

unter einen Hut zu bekommen.<br />

Die ersten anderthalb Jahre habe ich<br />

durchgearbeitet, bin neben meiner<br />

freiberuflichen Tätigkeit und <strong>Qindie</strong><br />

zu nichts anderem mehr gekommen.<br />

Danach musste ich etwas kürzer treten.<br />

Es war einfach zu viel.<br />

Divina: Zeitlich kann ich es mir glücklicherweise<br />

so einteilen, wie es gerade<br />

passt. Aber ich hab mir ja auch<br />

nicht die arbeitsintensivsten Jobs<br />

ausgesucht. ;)


Tilly: Da stimme ich Simone zu. Ohne<br />

mal Nein zu sagen, geht so was sicherlich<br />

nicht.<br />

Marny: In meiner Zeit im Kernteam<br />

habe ich sehr viele meiner privaten<br />

Dinge dafür liegen lassen. Vom Blog<br />

über Lesezeit bis hin zu anderen privaten<br />

Interessen und Aktionen, die<br />

dann flach gefallen sind.<br />

Susanne: Ich habe irgendwann die<br />

Notbremse ziehen müssen, weil ich<br />

privat sehr belastet war. Und ganz nebenbei<br />

ja auch noch schreiben muss<br />

und will. Wir hatten sehr gehofft, dass<br />

sich bei einem Netzwerk eine etwas<br />

flexiblere Rotation der Aufgaben ergeben<br />

würde, aber das war natürlich<br />

Wunschdenken. Es bleibt im Grunde<br />

alles immer an denselben paar Arbeitsbienen<br />

kleben. Wie in jeder vereinsähnlichen<br />

Struktur.<br />

Regina: Es ist immer noch viel Arbeit<br />

und deshalb rufen wir des Öfteren<br />

zur Mitarbeit auf. Wir versuchen auch<br />

immer weiter zu optimieren, zum Beispiel<br />

gibt es gerade einen Aufnahmestopp<br />

von Neubewerbungen, weil wir<br />

eine Pause und eine Neuausrichtung<br />

brauchen, um die Aufgaben bewältigen<br />

zu können.<br />

Florian: Ich gebe zu, da manchmal<br />

gerade im Sommer ganz schön am<br />

Rad gedreht zu haben, weil ich immer<br />

alles möglichst gleich erledigt haben<br />

wollte. Und immer unzufriedener wurde,<br />

weil mein eigener Roman darüber<br />

immer wieder zu kurz oder gar nicht<br />

drankam.<br />

Regina: Ich habe inzwischen gelernt,<br />

mir meine Schreibzeiten zu nehmen<br />

und auch Familiäres und Gesundheitliches<br />

im Auge zu behalten.<br />

Michael: Ich verbringe beruflich viel<br />

Zeit am Rechner. Da kann ich immer<br />

wieder mal einen Blick riskieren. Darunter<br />

darf aber die eigentliche Arbeit<br />

selbstverständlich nicht leiden.<br />

Katharina: Ich habe das große Glück,<br />

dass ich mich halbtags ganz auf die<br />

Arbeit an meinen Büchern, auf Rezis<br />

und Marketing konzentrieren kann.<br />

Da nehme ich mir die nötige Zeit für<br />

<strong>Qindie</strong>, wann immer ich sie brauche.<br />

Nur nachmittags und abends sieht es<br />

bei mir meist schlecht aus. Schließlich<br />

habe ich zwei Teens.<br />

Da kann man nur sagen: Chapeau!<br />

Nun wird es witzig! Bei meiner Recherche<br />

bin ich nämlich auf dieses<br />

<strong>Qindie</strong>-Chor-Video gestoßen. Wem<br />

darf man auf die Schulter klopfen?!<br />

Regina: Ich lache ... und singe.<br />

Simone: Das hat alles Nina gesungen.<br />

Jede einzelne Stimme. ;)<br />

Regina: Nein, nur eine Stimme.<br />

Marny: Hatte ich fast verdrängt. Ich<br />

hab auch gesungen, obwohl ich sonst<br />

nie singe. Öffentlich.<br />

Regina: Von wem war noch mal der<br />

Text? Simone


Michael: :D<br />

Simone: Von Jacqueline.<br />

Michael: :D<br />

Florian: Ach ja, eine Stimme gesungen<br />

habe ich auch, obwohl ich so heiser<br />

war.<br />

Regina: Jeder hat zu Hause eingesungen<br />

und Jürgen [ehemals Mitglied<br />

des Kernteams] hat das dann zusammengeschnitten.<br />

Der Lacher am Anfang<br />

war eigentlich nur ein interner<br />

Gag, ich hatte meine erste misslungene<br />

Aufnahme den anderen zum<br />

Lachen geschickt.<br />

Tilly: Ich brech ab!<br />

Regina: Das Gespräch?<br />

Tilly: Nein. Euer schicker CHOR!<br />

Jacqueline: Da darf man vielen auf<br />

die Schulter klopfen. Wir blödelten<br />

im Chat rum, texteten Lieder um.<br />

Ich habe dann einen neuen Text für<br />

›Freude schöner Götterfunken‹ gepostet.<br />

Jemand meinte (Susanne?),<br />

da machen wir ein Video draus. Simone<br />

hat es dann zusammengebastelt.<br />

Simone: Horus singt Sopran. :D<br />

Tilly: So was müsstet ihr öfters machen!<br />

Regina: Das war wirklich ein großer<br />

Spaß.<br />

Jacqueline: Ja, hat riesig Spaß gemacht.<br />

Michael: Es ist wichtig, bei allem<br />

Ernst den Spaß nicht zu verlieren.<br />

Nur so kann das funktionieren.<br />

Da bin ich ganz bei Michael! All die viele<br />

Arbeit macht man letztlich ja doch<br />

gerne, wenn der Spaß dabei nicht zu<br />

kurz kommt. Und den hört man aus<br />

dem Gesang heraus, wie ich finde.<br />

Meine letzte Frage bezieht sich<br />

selbstverständlich auf <strong>Qindie</strong>s Zukunft.<br />

Ich wollte wissen, was sich die<br />

fleißigen Bienchen für das Autorenkorrektiv<br />

wünschen.<br />

Regina: Reich und berühmt zu werden?<br />

Michael: Erst einmal reich würde mir<br />

genügen.<br />

Divina: Noch mehr aktive Mitglieder.<br />

Und natürlich sollen Leser erkennen,<br />

dass sie sich auf eine gewisse Qualität<br />

verlassen können, wenn sie qindifizierte<br />

Bücher lesen.<br />

Marny: Mehr aktive Mitglieder, die<br />

auch mal Beiträge teilen *g* und natürlich,<br />

dass <strong>Qindie</strong> noch mehr beim<br />

Leser ankommt. Aber das sieht gut<br />

aus. ;)<br />

Simone: Reich sind wir doch schon –<br />

an Erfahrungen usw.<br />

Katharina: Möglichst viele, die nach<br />

einer erfolgreichen Bewerbung mitmachen.<br />

Denn wir profitieren alle<br />

davon, wenn wir uns gegenseitig


unterstützen. Indies sind keine Konkurrenz<br />

(jede/r Leser/in kann mehr<br />

Bücher lesen, als wir in der gleichen<br />

Zeit schreiben können), daher ist gegenseitige<br />

Unterstützung ein Plus für<br />

alle.<br />

Regina: Einen starken wirtschaftlichen<br />

Partner, ein Gehalt für die Arbeit,<br />

viele tolle Autoren und Bücher,<br />

einen Haufen Bestsellertitel. Reicht<br />

das für den Anfang?<br />

Susanne: All das. Dass wir weiterwachsen<br />

und nicht irgendwann aus<br />

lauter Frust den Laden zumachen<br />

müssen. Schwung, um wieder ein<br />

paar neue Projekte anzugehen (wir<br />

haben so tolle Ideen gesammelt!).<br />

Dass wir immer bekannter werden.<br />

Katharina: Und natürlich viele, viele<br />

LeserInnen, die gezielt nach Q-Büchern<br />

suchen.<br />

Jacqueline: Dass <strong>Qindie</strong>.de eine Anlaufstelle<br />

für Leser wird und dass sich<br />

mehr Leser als Teil des <strong>Qindie</strong>-Teams<br />

verstehen.<br />

Florian: Für <strong>Qindie</strong> hoffe ich, dass es<br />

sich jenseits der Netzwerke durchsetzt<br />

und als Ansprechpartner für Indies<br />

seitens des Buchhandels interessant<br />

wird.<br />

Simone: Dass <strong>Qindie</strong> ein fester Begriff<br />

in der Buchwelt wird, den AutorInnen<br />

und LeserInnen gleichermaßen<br />

kennen.<br />

Regina: Vergesst nicht, wir sind gerade<br />

mal etwas über 2 Jahre alt. Da<br />

haben wir schon viel auf die Beine gestellt<br />

und der nächste Schritt kommt<br />

bestimmt.<br />

Jacqueline: Ja, wir haben viel auf die<br />

Beine gestellt. Und persönlich: Ohne<br />

<strong>Qindie</strong> hätte ich meine letzten Bücher<br />

wohl nicht geschrieben. So gesehen<br />

ist <strong>Qindie</strong> für mich ein Riesenerfolg.<br />

Tilly: Wir würden uns für <strong>Qindie</strong> wünschen,<br />

dass es als das gesehen wird,<br />

was es ist: ein Netzwerk von Autoren.<br />

Einen starken Zusammenhalt, denn<br />

gerade als Self-Publisher ist es alleine<br />

doch schwer. Viele Leser/Blogger,<br />

die <strong>Qindie</strong> wahrnehmen und vor<br />

allem ernst nehmen! Denen bewusst<br />

ist, dass <strong>Qindie</strong> so supertolle Bücher<br />

im Regal hat, die es locker mit<br />

Verlagsbüchern aufnehmen können,<br />

und dass manche sogar darüber hinausgehen.<br />

Wir würden uns für <strong>Qindie</strong><br />

wünschen, dass der Messestand<br />

überrannt wird. Dass uns, wenn wir<br />

sagen: ›Das ist ein <strong>Qindie</strong>buch‹, entgegnet<br />

wird: ›Ja geil, oder? Da hab<br />

ich meine auch her!‹ :D<br />

Ich bedanke mich bei Regina, Jacqueline,<br />

Michael, Florian, Marny, Simone,<br />

Tilly, Divina, Katharina und Susanne<br />

ganz herzlich für das Interview.<br />

Wer weitere Einblicke haben möchte,<br />

muss sich nur bei <strong>Qindie</strong> für den<br />

Newsletter anmelden, die Facebook-<br />

Seite liken, und natürlich laden wir<br />

alle Interessierten dazu ein, auf unserer<br />

Website und in den Buchtiteln<br />

zu stöbern!


von Regina Mengel<br />

In meinem Kopf, gleich hinter der<br />

Stirn, da wohnt eine eigene Welt. Die<br />

Straßen hindurch verlaufen in Kurven,<br />

Ecken sind mir zuwider. Kein<br />

Werk hängt gerade, kaum sachlich<br />

nach Themen geordnet, niemals fände<br />

ein Fremder sich darin zurecht.<br />

Unordnung wäre das passende Wort,<br />

womöglich chaotisch oder noch mehr.<br />

Doch ernsthaft, wie wäre die Ausstellung<br />

hinter der Stirn, feinsauber sortiert,<br />

geschachtelt in Reih und Glied?<br />

Ich zeichne ein Bild dieses Menschen.<br />

Schon die Skizze kommt eher<br />

kantig daher.<br />

Nun betritt eine Frage die Exposition.<br />

Sie beginnt mit dem Rundgang,<br />

bemüht ein Kunstwerk zu finden, das<br />

Antwort und Hilfe verschafft. Sauber<br />

geordnet, in schwarz oder weiß,<br />

hängen sie an den Wänden. Struktur<br />

scheint der Schlüssel, exakt chronologisch,<br />

nach Jahren und Tagen sortiert.<br />

Jegliche Abweichung wird stets<br />

gleich beseitigt, Unschärfe passt hier<br />

niemals ins Bild.<br />

Nun gilt es die Antwort zu finden.<br />

Es ist gar nicht schwer, entscheiden<br />

fällt leicht, bei so viel Kultur. „Welch’<br />

Glück“, spricht die Frage und spendet<br />

Applaus. Und der Museumsdirektor<br />

hebt stolz seinen Kopf, wächst weitere<br />

Zentimeter.<br />

Die Entscheidung kommt derweil in<br />

Bewegung, umzusetzen in die Tat.<br />

So einfach, so klar und so unkompliziert,<br />

ganz leicht zu erkennen, an<br />

welcher Stelle Recht beginnt. Rasta,<br />

lange Haare – keine Arbeit, lebt auf<br />

unsere Kosten, mit einem Zug geht<br />

die Schublade auf und noch schneller<br />

wird sie geschlossen. Eine Mutter<br />

mit Kind, doch wo ist der Vater, da ist<br />

doch was faul? Ah, der Oberstudienrat<br />

– ein guter Mann, er tut was für<br />

die Gesellschaft. Die Brille zeigt deutlich<br />

schwarz oder weiß, nur Grautöne<br />

bleiben im Schatten. Die Farben vermissen<br />

wir ganz.<br />

Im Kindergarten begrüßen die Kleinen<br />

begeistert den neuen Erzieher.<br />

Ein Mädchen zupft mutig an seinem<br />

Haar, die knotigen Locken verlocken.<br />

Am Abend kommt Mama und Hand<br />

in Hand, mit erhobenem Kopf, gehen<br />

sie heim. Seit einer Woche wohnen<br />

sie dort, seit Mama den Mut fand,<br />

Papa zu verlassen, der wieder und<br />

wieder versackte. Nur in der Schule,


da ist er beliebt, bei Lehrern, nicht so<br />

bei Schülern. Besonders die Mädchen<br />

meiden ihn sehr, doch gibt es<br />

für Beischlaf auch mal eine Eins. Im<br />

Alkoholrausch flog häufig die Faust,<br />

die Wunden, sie sprechen Bände.<br />

Nur langsam heilen die schmerzenden<br />

Flecken. Nicht schwarz und nicht<br />

weiß, nein blau, rot und grün, so<br />

leuchten sie auf der Haut.<br />

In meinem Kopf, gleich hinter der<br />

Stirn, da wohnt eine eigene Welt.<br />

Krumm und schief, schrill und bunt,<br />

konzept- und gesetzlos, so wird sie<br />

am besten beschrieben.<br />

Nun betritt eine Frage die Exposition.<br />

Vor ihr ein Platz, geräumig und leer,<br />

doch nicht lange, dann drängen sie<br />

vor. Sie stolpern und purzeln übereinander,<br />

Erinnerung, Erfahrung, Gefühl.<br />

Es herrscht Chaos, von Ordnung<br />

wohl kaum eine Spur. Und findet sich<br />

endlich die Lösung, sind alle Farben<br />

bedacht. Ich bin nicht irre, kein bisschen<br />

verrückt, nur ein wenig verquer.<br />

Um die Ecke gedacht, gelange ich<br />

stets zum Ziel.<br />

Man munkelt in schwarz/weißen Kreisen,<br />

des gradlinigen Zuges letzter<br />

Halt sei ‚Serienmörder’. Ganz ehrlich<br />

– so unter uns: Also, schnurgerade<br />

wär’ mir zu riskant.


von Mel Döring vom Buchblog Bookrecession<br />

„Drachenblut“ von Horus W. Odenthal – Eine NINRAGON Erzählung<br />

„Drachenblut“ ist die Vorgeschichte<br />

zu „Homunkulus“. Um einen Einstieg<br />

in die Welt, die Horus W. Odenthal<br />

erschaffen hat, zu bekommen, empfiehlt<br />

es sich, diese Geschichte zuerst<br />

zu lesen. Es geht um den Leutnant<br />

Kuidanak, die von allen<br />

nur Danak genannt<br />

wird. Ihr zur Seite steht<br />

Khrival, der ein enger<br />

Freund ist. Danak<br />

ist bei der Miliz, die<br />

in der Stadt Rhun für<br />

Ordnung sorgt. Nach<br />

dem Krieg ist allerdings<br />

nichts mehr so<br />

wie es mal war. Jetzt<br />

sind irgendwelche<br />

elfenähnlichen Geschöpfe,<br />

genannt Kinphauren,<br />

ihre Vorgesetzten,<br />

die durch den<br />

Krieg die Stadt Rhun<br />

eingenommen haben.<br />

Sie werden auch die<br />

Besatzer genannt und<br />

sind nicht unbedingt gute Geschöpfe.<br />

Danak hat sich schon vor dem Krieg<br />

bewusst aus der Stadt herausgezogen<br />

und lebt mit ihrem Mann und den<br />

zwei Kindern etwas außerhalb. So<br />

kann sie zumindest für den Moment<br />

die Aufgaben in der Stadt vergessen.<br />

Der neue Auftrag, die eine Gang unschädlich<br />

zu machen, trifft sie teilweise<br />

schon recht stark. Khrival an ihrer<br />

Seite, gibt ihr aber<br />

Kraft. Sie braucht die<br />

Kraft, da die Valgaren-<br />

Imitatoren die Stadt<br />

unsicher machen und<br />

auch nicht vor dem<br />

Mord an Frauen und<br />

Kindern zurückschrecken.<br />

Manches Opfer<br />

setzt ihr dann doch<br />

schwer zu. Die Valgaren<br />

haben sich von<br />

einer anderen Gruppe<br />

abgeseilt und stellen<br />

jetzt ihre Barbarei zur<br />

Schau. Es handelt sich<br />

um keine richtigen Valgaren,<br />

nur um ein Klischee<br />

des Barbarenvolkes.<br />

Man kann sie<br />

sich als eine Art Wikinger vorstellen<br />

oder wenn man nicht zu weit in die<br />

Vergangenheit möchte und nach der<br />

Vorstellung des Autors geht, könnten<br />

es auch krankhafte Psycho Metaller


sein. Sie laufen noch in Fellen herum<br />

und berauschen sich an einem<br />

Getränk, welches sie unberechenbar<br />

macht. Sie versuchen einen nordischen<br />

Berserkerkult zu imitieren<br />

und lassen sich nicht in ihr Handwerk<br />

pfuschen. Sie glauben an den<br />

Gott Thyrin Drachenvater, weswegen<br />

sie sich auch die Thyrinssöhne nennen.<br />

Um sich zu Gewalttaten aufzuputschen,<br />

nehmen sie als Rauschmittel<br />

ein Drachenblut genanntes<br />

blutrotes Getränk zu sich. Danaks<br />

Aufgabe ist es jetzt, die Thyrinssöhne<br />

unschädlich zu machen. Leichter<br />

gesagt als getan, da sie sehr stark<br />

sind und wie gesagt durch das Drachenblut<br />

unberechenbar werden.<br />

Das Buch spielt mehr oder minder<br />

im Mittelalter, auch wenn man das<br />

nicht so pauschal sagen kann. Vielmehr<br />

in einer Welt, die Parallelen mit<br />

dem Mittelalter und der Zeit des Römischen<br />

Reiches aufweist, aber deren<br />

Weltreich sich mit deren Mitteln<br />

(d.h. ohne z.B. solche die Welt verändernde<br />

Entdeckung wie der des<br />

Schießpulvers) um einiges weiter<br />

entwickelt hat. Zum Beispiel spielt die<br />

Geschichte in einem wirklichen Moloch<br />

von einer Großstadt. Außerhalb<br />

der Gebiete dieses Weltreichs gibt es<br />

jedoch Länder, die der typischen Vorstellung<br />

unseres Mittelalters entsprechen.<br />

Es ist halt ein Fantasy-Roman,<br />

der im Mittelalter angesiedelt ist, aber<br />

ansonsten nichts mit dem gemein<br />

hat. Es gibt ja andere Romane, die<br />

so ähnlich sind. Wenn ihr jetzt neugierig<br />

geworden seid, empfehle ich<br />

euch einfach das Buch zu lesen. Da<br />

es eine Kurzgeschichte ist, lässt sich<br />

das gut zwischendurch erledigen.<br />

Im Anschluss könnt ihr jetzt noch ein<br />

Interview mit dem Autor lesen. Aber<br />

um wirklich in die Welt einsteigen zu<br />

können, wäre vielleicht ein Besuch<br />

bei http://ninragon.de/ nicht schlecht.


Mel Döring: Schön, dass du für das<br />

Interview Zeit hattest.<br />

Horus: Die Zeit nehme ich mir.<br />

Mel: Wie bist du denn zum Schreiben<br />

gekommen?<br />

Horus: Ach … Geschrieben habe ich<br />

schon ziemlich früh.<br />

Mel: Ist ja fast meistens so. Was<br />

waren das am Anfang denn für Geschichten?<br />

Auch Fantasy?<br />

Horus: Ich wollte immer Geschichten<br />

erzählen, wollte schon als Kind<br />

Schriftsteller werden. Aber dann<br />

machte ich mit Comics Bekanntschaft<br />

und meine Liebe zum Zeichnen<br />

und die Worte strömten zusammen.<br />

Danach habe ich diesen Drang<br />

und den Willen dazu in das Medium<br />

der Comics kanalisiert. Bis ich da<br />

an ein Ende für mich kam und keine<br />

Möglichkeit sah, mich im Rahmen der<br />

gegebenen Möglichkeiten weiterzuentwickeln.<br />

Auch Fantasy habe ich als Kind oder<br />

Jugendlicher geschrieben. Der Held<br />

meines ersten Romans hieß Auric<br />

der Schwarze, so wie auch der Protagonist<br />

in der Ninragon-Trilogie.<br />

Ich „litt“ unter dem Phänomen, dass<br />

ich „hohe“ Literatur und Unterhaltungsliteratur<br />

nicht unterscheiden<br />

konnte. Ich meine, jede Literatur unterhält<br />

doch irgendwie. Manche Männer<br />

gehen auch zu einer Domina.<br />

Was sich unterscheidet, ist die Art,<br />

wie wir unterhalten werden wollen<br />

.<br />

Mel: Mir persönlich würden immer<br />

keine Namen einfallen. Da hast du dir<br />

ja schon früh lustige Namen ausgedacht.<br />

Auric der Schwarze! *kicher*<br />

Das mit den Comics höre ich so das<br />

erste Mal. Ist aber wahrscheinlich<br />

eine ganz andere Art von Schreiben,<br />

wenn man die Bilder auch gleich mit<br />

einbauen kann.<br />

Horus: Man lernt, zweigleisig zu denken:<br />

Worte und Bilder. Wie bei einem<br />

Tanzpaar, das perfekt miteinander<br />

harmonieren muss.<br />

Ich habe sehr lange Zeit Comics gemacht<br />

und dabei in Deutschland und<br />

Amerika veröffentlicht. Das war mein<br />

Ding. Ich mochte das Medium, wollte<br />

es irgendwie revolutionieren, weil ich<br />

den Eindruck hatte, das unheimlich


viele Comic-Schaffende, viel vom Potenzial<br />

des Mediums vergeben. Dass<br />

es irgendwie nicht voll ausgeschöpft<br />

wird.<br />

Jetzt beim Schreiben ist dieser Druck<br />

für mich raus. Wir stehen auf den<br />

Schultern von Riesen. In einem Medium,<br />

in dem Leute wie Alfred Döblin<br />

und Thomas Mann geschaffen haben,<br />

muss ich nichts mehr neu erfinden.<br />

Mel: Stimmt.<br />

Horus: Es ist schön, einzig und allein<br />

den eigenen Vorlieben folgen zu können<br />

und die Geschichten erzählen zu<br />

können, zu denen es einen hinzieht.<br />

Darum bin ich auch Autor und Herausgeber<br />

in Personalunion.<br />

Mel: Wie setzt du das schon gelesene<br />

in deinen Büchern denn um?<br />

Horus: Als Kompost. Ich habe viel<br />

aufgenommen und das ist abgesunken.<br />

Darauf wachsen meine eigenen<br />

Geschichten. Und ich bin mir<br />

dadurch immer dessen, was war und<br />

dessen was möglich ist, bewusst.<br />

Und das ist sehr viel mehr, als heute<br />

viele Schreibratgeber zulassen wollen.<br />

Mel: Woher kommen denn deine Geschichten?<br />

Aus dem Alltag oder aus<br />

Träumen? Wie entstehen deine Geschichten<br />

und deine Figuren?<br />

Horus: Meine Geschichten kommen<br />

aus Ideenfragmenten. Und dann<br />

gruppieren sie sich um die vorhandenen<br />

Elemente herum, ganz besonders<br />

um Fragen, die sich aus diesen<br />

Ideen ergeben, und dann wachsen<br />

sie wie ein Kristall. Das Ziel ist, das<br />

Entwickeln einer Geschichte, die mich<br />

und andere unterhält, aber die eigene<br />

Persönlichkeit mit ihren Erfahrungen<br />

lauert immer im Untergrund. Und<br />

da gehört auch der Einfluss, den sie<br />

auf die Geschichte ausübt, hin. Nicht<br />

ins Gesicht des Lesers geschoben.<br />

Es entwickelt sich wirklich organisch<br />

um eine Kernidee. Und wirklich vieles<br />

besteht aus Fragen, die man an diese<br />

Kernidee stellt. Was wäre wenn?<br />

ist ganz okay. Aber warum nicht? ist<br />

auch eine ziemlich kreative Frage.<br />

Der Alltag und Geschichten die<br />

man aufgenommen hat liefern die<br />

Nahrung. Wieder mehr Kompost.<br />

Erst wenn ich in einer Geschichte bin,<br />

kommen manchmal Träume hinzu.<br />

Manchmal unglücklicherweise.<br />

Mel: Unglücklicherweise.<br />

Horus: Einer der schlimmsten Alpträume,<br />

den ich jemals hatte, hat sich<br />

aus einer Erzählsituation aus der Ninragon-Trilogie<br />

gespeist. Und zu einer<br />

der eindringlichsten Szenen geführt.<br />

Ich hätte auch ohne gekonnt. Ohne<br />

diese Szene und ohne den Traum.<br />

Mel: Danak ist ja eine deiner Hauptpersonen<br />

der NINRAGON-Romane.<br />

Wie viel steckt denn von dir in ihr oder<br />

woher kommt ihr Charakter?<br />

Horus: Wie entstehen Geschichten?<br />

Wenn man einmal anfängt, kann man<br />

nicht mehr aufhören. Sie erzeugen<br />

sich selber. Das Ninragon-Universum<br />

verzweigt sich immer mehr. Ich nenne<br />

das meinen kreativen Tinnitus.


Danak. Figuren. Da kann ich nur mit<br />

einem Allgemeinplatz dienen. Und<br />

ich denke, er wird so oft bemüht, weil<br />

er einfach der Wahrheit entspricht.<br />

Jede Figur steckt in mir und ich stecke<br />

in ihr. Sie sind nur Aspekte von<br />

mir, Handpuppen. Manche der Aspekte<br />

hausen in abgelegenen Winkeln,<br />

manche existieren im offenen<br />

Licht. Danak ist einfach eine dieser<br />

Hard-Boiled-Helden, über die ich<br />

schon immer schreiben wollte. Aber<br />

mit einem realistischen Blick. Puh, zu<br />

Danak ist viel zu sagen – wie zu fast<br />

jeder Hauptperson. Sie ist schwer auf<br />

einen Aspekt zu reduzieren. Sie tritt<br />

als ziemlich runde Figur auf die Bühne.<br />

Oft werden Figuren ja als tief empfunden,<br />

wenn sie als Klischee auf die<br />

Bühne treten und dann plötzlich Seiten<br />

zeigen, die diesem Klischee widersprechen.<br />

Und dann wieder. Danak funktioniert<br />

nicht nach dem Trick. Ihre Überraschungen<br />

sind schon von Anfang an<br />

unter all den Lagen verborgen.<br />

Mel: So sollte es auch eigentlich immer<br />

sein. Machst du dir denn vorher<br />

auch Gedanken, wie du dir die Geschichte<br />

vorstellst oder fängst du einfach<br />

an zu schreiben? Falls du einen<br />

groben Plan hast, entwickelt es sich<br />

denn auch so oder geschehen Sachen,<br />

die nicht geplant waren? Die<br />

Charaktere entwickeln sich plötzlich<br />

anders als gedacht?<br />

Horus: Ich werde immer mehr zu einem<br />

Planer. Was nicht heißt, dass ich<br />

alles bis ins Detail streng durchplane.<br />

Wenn man eine Serie schreibt, muss<br />

man das in gewisser Weise.<br />

Zum Beispiel habe ich beim jetzigen<br />

Zyklus meiner Serie, von denen die<br />

ersten acht Bände zusammengefasst<br />

als „Rad der Welten“ erschienen sind,<br />

ein Zyklusexposee erstellt.<br />

Mel: Welche Bücher fasst du da zusammen?<br />

Horus: Das fasst bis zum Ende, bis<br />

Band 18, die Rahmenhandlung zusammen.<br />

Die Details werden dann<br />

beim eigentlichen Schreiben ausgefüllt<br />

bzw. wachsen organisch, umso<br />

dichter je mehr ich mich dem entsprechenden<br />

Teil nähere. Die Figuren<br />

überraschen mich schon in der Planungsphase.<br />

In der letzten Phase hat<br />

es vom einen Tag auf den anderen


meine ganze lange Story umgehauen,<br />

weil ich mich gefragt habe, wie<br />

würden die Charaktere wirklich handeln,<br />

wenn ich ihre Interessen und<br />

Motivationen wirklich ernst nehme?<br />

Dann, als ich sie aus dem Korsett<br />

eines konventionellen Storygerüsts<br />

befreit hatte, machten die auf einmal<br />

ganz überraschende Sachen. Aber<br />

auch vollkommen plausibel. Wenn<br />

mir das ohne Planung mitten im Erzählen<br />

passiert, zerhaut es mir die<br />

ganze Story. So wirft es nur die Erwartungen<br />

der Leser über den Haufen.<br />

Sie bekommen stattdessen die<br />

wahre Story, eine wesentlich spannendere,<br />

aufregendere und realistischere<br />

Variante.<br />

„Das Rad der Welten“ fasst die ersten<br />

6 Bände von NINRAGON - Die Serie<br />

zusammen. Bei mir gibt es die Reihe<br />

der Romane, und die Serie, das sind<br />

zwei Gleise, zwei Leseerlebnisse.<br />

Der erste Zyklus „Verlorene Hierarchien“<br />

geht über 18 Bände der Serie.<br />

Mit „Das Rad der Welten“ ist also das<br />

erste Drittel geschafft.<br />

Die Serienbände bieten ab Band 7<br />

etwas mehr, also Artikel, die tiefer<br />

in das Story-Universum eindringen,<br />

Glossareinträge, Erläuterungen, kurze<br />

Essays und Illustrationen. Die Romane<br />

bieten dann eher das konventionelle<br />

Leseerlebnis. Ich mag beides:<br />

Serien, z.B. auch Fernsehserien, die<br />

einem als Zuschauer/Leser ein ganz<br />

spezielles Gefühl vermitteln und normale<br />

Romane. Bei Serien ist man<br />

manchmal näher dran. Also trage ich<br />

beiden Seiten Rechnung.<br />

Mel: Ach so. „Drachenblut“ ist ja eine<br />

NINRAGON-Erzählung. Wo passt<br />

das denn dann rein? Nur zur Verdeutlichung.<br />

Horus: „Drachenblut“ ist eine Vorgeschichte<br />

zu „Homunkulus“, treibt also<br />

quasi im Fahrwasser der Romane.<br />

Die Serie ist klar auch als Serie gekennzeichnet.<br />

Ab Band 7 sogar noch<br />

deutlicher, damit da gar keine Missverständnisse<br />

entstehen.<br />

Das mit Serie und Romanen habe<br />

ich auf meiner Homepage ninragon.<br />

de auch noch klarer strukturiert und<br />

erklärt.<br />

Ich: Gut zu wissen. Da muss ich dann<br />

später mal schauen.<br />

Horus: Es gibt eben Leute, die sind<br />

Serienleser, andere nicht. Ich persönlich<br />

liebe es, seriell zu schreiben.<br />

Aber ich sehe auch ein, dass andere<br />

Leser es lieber anders haben. Darum<br />

fasse ich irgendwann den Inhalt der<br />

Serie auch im Romanformat zusammen.<br />

Wirklich zwei verschiedene Leseerlebnisse.<br />

Das wird eine schöne<br />

Herausforderung. Ich habe mir schon<br />

zwei Erzählzyklen ausgedacht, die<br />

miteinander verschlungen sein werden.<br />

Mel: Geht es denn in der Serie um<br />

andere Leute, oder kommen die Personen<br />

alle überall vor?<br />

Horus: Im NINRAGON-Universum<br />

tauchen Personen immer wieder auf.<br />

Vielleicht ist die Hauptperson der einen<br />

Geschichte die Nebenperson in


einer anderen. Oder sogar der Schurke.<br />

Einige Personen aus Homunkulus<br />

werden bestimmt auch wieder<br />

auftauchen.<br />

Ich sage nur, einer der geplanten Zyklen<br />

heißt „Firnwölfe“. Und mit Personen<br />

aus der Trilogie gibt es auch<br />

ein Wiedersehen. Sogar schon in der<br />

aktuellen Geschichte. Auf sehr überraschende<br />

Weise. Aber ich habe mir<br />

die Aufgabe gestellt, dass man als<br />

Leser in jede Geschichte ohne Vorwissen<br />

einsteigen kann. Es ist eher<br />

wie ein Netz als eine Handlung, der<br />

man linear folgen muss.<br />

Hast du die Ankündigung für die illustrierte<br />

Hardcover-Sonderedition<br />

für „Rad der Welten“ gesehen? Da<br />

schließt sich ein Kreis und der Autor<br />

trifft wieder auf den Comic-Zeichner.<br />

Mel: Klingt spannend.<br />

Horus: Ich habe mir da mittlerweile<br />

ein System ausgeknobelt. Ein System<br />

aus alphabetischem Glossar mit<br />

Links zu den entsprechenden Beiträgen<br />

und Erwähnungen.<br />

Mel: Wäre auch blöd, wenn du den<br />

Überblick verlieren würdest.<br />

Horus: lol Ja, echt. Das wäre ziemlich<br />

blöd. Aber inzwischen macht das<br />

Abgleichen von Details und das Recherchieren<br />

im eigenen Material einen<br />

großen Teil der Arbeit aus. Aber<br />

keine Angst, ich habe einen großen<br />

Masterplan. „Vertrau mir, ich weiß,<br />

was ich tue.“<br />

Mel: Gut zu wissen<br />

Horus: Das große Bild wird sich nach<br />

und nach immer stärker zeigen. Und<br />

es ist egal, von welcher Seite man<br />

diese Welt betritt. Aber es ist schon<br />

ein Erkenntnisschritt, wenn man<br />

plötzlich vor dem eigenen Konstrukt<br />

steht und merkt, dass man so eine<br />

Organisation braucht. „Öööch habö<br />

ein Monstärrr erschaffön.“<br />

Mel: Ich glaube, die Leser und ich<br />

haben jetzt einen Einblick in deine<br />

Arbeitsweise und in die Romane<br />

bekommen. Wenn auch nur an der<br />

Oberfläche. Es lohnt sich auf jeden<br />

Fall, sich weiter mit NINRAGON zu<br />

beschäftigen.


Bunte Blutwellen durchfahren meine Seele<br />

in tiefer Weite braust sie in mir hindurch<br />

lavendelfarbene Gischt bricht sich an meinem Herzen<br />

der Meerschaum färbt den Sand bonbonfarben<br />

die Luft vibriert in sanfter Stille<br />

am Strand liegt eine kalte Meerjungfrau<br />

von Kathleen Stemmler


Natürlich sind die wenigsten AutorInnen<br />

so reinblütige Vertreter des einen<br />

oder anderen Extrems.<br />

Die meisten von uns sind »Plantser«<br />

– mehr oder weniger planende,<br />

vorausdenkende und -konstruvon<br />

Susanne Gerdom<br />

<strong>Qindie</strong>-AutorInnen unterhalten sich über ihre bevorzugte Methode zur<br />

Annäherung an ein Projekt.<br />

Damit wir alle wissen, worüber wir reden:<br />

»Plot« nennt man in der Regel<br />

das Grundgerüst einer Geschichte,<br />

ihren Handlungsablauf. Der Begriff<br />

»plotten« bezeichnet die Festlegung<br />

dieses Handlungsablaufes vor dem<br />

eigentlichen Schreibbeginn.<br />

Die Begriffe »Plotten« und »Pantsen«<br />

bezeichnen die gegensätzlichen<br />

Methoden, mit der sich Autoren<br />

ihrem Werk nähern. Reinblütige Plotter<br />

entwerfen den Handlungsablauf<br />

unter Umständen bis in den Szenenplan<br />

hinein, minutiös, detailliert und<br />

durchkomponiert.<br />

Reine Bauchschreiber, »Pantser« 1<br />

genannt, fangen mit nicht viel mehr<br />

als einer Idee, einem Setting, einer<br />

Szene, einer Figurenkonstellation<br />

im Kopf an und sehen während des<br />

Schreibprozesses zu, wo eben dieser<br />

Prozess sie hinführt.<br />

ierende Schöpfer ihrer Buchwelten.<br />

Schauen wir uns die Vor- und Nachteile<br />

der jeweiligen Methode kurz an. Wobei<br />

es »die« Methode selbstverständlich<br />

nicht gibt. Jeder Autor, jede Autorin<br />

hat ihren eigenen, individuellen Weg,<br />

sich einem Manuskript anzunähern.<br />

Und nicht nur das: Diese Methode verändert<br />

sich oft von Projekt zu Projekt,<br />

weil jedes neue Buch eine andere He-<br />

© Bill Watterson


angehensweise verlangt. (Außer, man<br />

schreibt immer wieder das Gleiche ...)<br />

Unter den an der Unterhaltung beteiligten<br />

<strong>Qindie</strong>-AutorInnen hielten<br />

sich Plotter, Plantser und Pantser die<br />

Waage, wie zu erwarten, waren die<br />

»Mischtypen« leicht in der Überzahl.<br />

Einhellig vertraten die Pantser die Auffassung,<br />

dass es ihnen das Vergnügen<br />

am Schreiben, an der Entdeckung<br />

ihres eigenen Stoffes nehmen würde,<br />

wenn sie vorab alles planen würden.<br />

Michael Siedentopf: »Es macht mir<br />

einfach Freude, mich von meiner eigenen<br />

Phantasie tragen zu lassen.<br />

Ich glaube, ein Buch, von dem ich<br />

den ganzen Handlungsverlauf schon<br />

a priori kennen würde, könnte ich<br />

nicht schreiben.«<br />

Florian Tietgen: »Ich weiß zwar<br />

meistens, wohin die Geschichte am<br />

Ende führen soll, aber vom Weg sind<br />

nur grobe Stationen bekannt. Und<br />

auch die nicht immer.«<br />

Patricia Jankowski: »Ich bin ein reiner<br />

Bauchschreiber und weiß in der<br />

Regel zu Beginn der Geschichte weder,<br />

wer alles mitspielen wird, noch<br />

wohin mich die Handlung trägt. Nicht<br />

einmal das Ende ist mir bekannt. Für<br />

mich war in der Hinsicht Stephen<br />

Kings Ratgeber eine Offenbarung,<br />

denn bis dato hatte ich geglaubt, ich<br />

wäre keine richtige Autorin, weil ich<br />

nicht plotten kann.«<br />

Divina Michaelis: »Da meine Figuren<br />

innerhalb kürzester Zeit ein<br />

Eigenleben entwickeln (und einen<br />

Hang zu Problemen haben), gibt es<br />

bei mir auch keinen Plot vom Anfang<br />

an. Es beginnt bei mir mit einer Idee,<br />

die mich nicht loslässt – und dann ist<br />

es wie im richtigen Leben: Niemand<br />

weiß, in welche Richtung es geht<br />

oder wie lange. Irgendwann sind so<br />

viele Verwicklungen da, dass ich mich<br />

anstrengen muss, eine Lösung zu finden.<br />

Bisher hat es immer geklappt.«<br />

Julia Ade: »Ich schreibe nur mit einer<br />

vagen Idee im Kopf, oft ganz<br />

ohne Richtung. Während des Schreibens<br />

entwickelt sich allmählich ein<br />

Zielpunkt, was aber nicht heißt, dass<br />

alles straight darauf zuläuft. Die Geschichte<br />

nimmt dann noch fast jede<br />

Abzweigung, die es nur geben kann,<br />

oft so spontan, dass ich mich selbst<br />

wundere, woher das kommt. Nur beim<br />

Abschluss meiner Trilogie («Die dreizehnte<br />

Fee«) muss ich nun mehr zum<br />

Plantser mutieren, damit die losen Enden<br />

der ersten Bände auch sinnvoll<br />

zusammengeschmiedet werden.«<br />

Katharina Groth erklärt kurz und<br />

bündig: »Ich hab auch gerade gedacht,<br />

dass ich gerne so diszipliniert<br />

wäre ... Meine Muse würde dann<br />

aber auch ihr Bündel schnüren und<br />

verschwinden. ;-)«<br />

Ebenso einhellig sprachen die Plotter<br />

von dem Chaos, das entsteht, wenn<br />

man einfach drauflosschreibt, der<br />

Angst vor der drohenden Schreibblockade,<br />

weil man sich im Wald der<br />

Möglichkeiten verirrt, und von der Arbeit,<br />

die dann im zweiten Schritt, der<br />

Überarbeitung des Manuskriptes, auf<br />

einen zukommt.


Regina Mengel zeigte uns ihre »Plottapete«<br />

und sagte dazu: »Ich brauche<br />

es eigentlich, tief zu plotten, vor<br />

allen Dingen, wenn die Geschichte<br />

auf mehreren Ebenen spielt. Das unten<br />

(die Plottapete) ist auch nur die<br />

Vorarbeit, das ist quasi ein Zeitstrahl,<br />

33 Tage an denen die Story spielt<br />

und was jeder an diesem Tag macht<br />

bzw. wo er ist. Danach habe ich erst<br />

festgelegt, in welcher Reihenfolge ich<br />

welche Infos für die Leser freigebe<br />

und welcher Handlungsstrang wann<br />

erzählt wird. Für mich ist das wichtig,<br />

damit ich am Ende alle Fäden zusammenbringe.<br />

Und ich gehe sogar<br />

so weit, die Emotionen der Figuren in<br />

Stichworten niederzuschreiben. Aus<br />

so einer Tapete wird dann später ein<br />

Konzept als Word-Datei. In diesem<br />

Fall (Am dreizehnten Tag) waren das<br />

25 Seiten, an denen ich mich später<br />

langgehangelt habe.«<br />

Martina Bauer: »Bei meinem ersten<br />

Roman habe ich ziellos drauflosgeschrieben<br />

und mich völlig in der Geschichte<br />

verheddert. Seitdem gehöre<br />

ich zu den Plan-Plottern. Bevor ich<br />

anfange, erstelle ich eine Art Exposee,<br />

in dem ich die Figuren grob charakterisiere<br />

und ein Handlungsgerüst<br />

erstelle. Anfang und Ende stehen<br />

dabei fest; im Mittelteil lasse ich meinen<br />

Figuren Freiraum, sich zu entwickeln.«<br />

Die Plantser stimmten beiden Seiten<br />

zu. ;-)<br />

Mika Krüger: »Über<br />

den Plot meiner Geschichte<br />

mache ich<br />

mir viele Gedanken.<br />

Ich halte zwar<br />

nichts davon, vor<br />

dem Schreibprozess<br />

jedes einzelne Kapitel<br />

durchzuplanen,<br />

aber es muss eine gewisse Struktur<br />

geben. Wenn die nicht vorhanden ist,<br />

verirre ich mich sonst im Wald der<br />

Möglichkeiten. Zu Beginn schreibe<br />

ich aber erstmal drauflos. Die ersten<br />

Seiten entstehen daher in einem Anfall<br />

von schreiberischer Tollwut. Das<br />

sind dann natürlich auch die Seiten,<br />

die am häufigsten korrigiert werden.<br />

(...)<br />

Wenn Anfang und Ende halbwegs<br />

entschieden sind, dann notiere ich<br />

mir die gröbsten Eckpfeiler der Story,<br />

um von A nach B zu kommen, alles<br />

weitere ergibt sich spontan oder bei<br />

der Überarbeitung.<br />

L. U. Ulder: »Ich habe es einmal gemacht<br />

(geplottet), das war aber für<br />

meinen Geschmack zu statisch. Jetzt<br />

habe ich die Geschichte in groben Zügen<br />

im Kopf und weiß auch in etwa,<br />

wo sie hinführen wird oder kann. Es<br />

entstehen aber ständig neue Wendungen,<br />

neue Ideen, die aus der ursprünglich<br />

angedachten Story etwas<br />

wesentlich Komplexeres machen.«


Timo Leibig: »Ich habe sowohl ›detaillierten<br />

Plot‹, als auch ›aus dem<br />

Bauch heraus‹ probiert.<br />

Nach vier Büchern muss ich sagen:<br />

Am besten liegt mir eine Mischung.<br />

Ich muss wissen, wo die Geschichte<br />

hingeht, was ich beabsichtige, zu<br />

erzählen. Das Ende ist mir eigentlich<br />

fast immer klar gewesen bisher. Allerdings<br />

muss ich nicht jedes Kapitel<br />

vorher plotten, denn dann kommen<br />

keine tollen Geschehnisse aus dem<br />

Schreiben heraus – und das macht ja<br />

gerade Spaß!<br />

Was ich allerdings essentiell finde,<br />

ist die Charakteristik der Personen.«<br />

Hier taucht ein weiterer, grundsätzlich<br />

unterschiedlicher Angang an den Plot<br />

auf: Die Frage, ob er charakter- oder<br />

handlungsgetrieben ist. Ich wage die<br />

These, dass AutorInnen mit einer<br />

eher handlungsgetriebenen Vorgehensweise<br />

auch eher zum Plotten<br />

tendieren, während AutorInnen, die<br />

sich von ihren Figuren inspirieren und<br />

durch die Handlung tragen lassen,<br />

auch eher dazu neigen, den Plot beim<br />

Schreiben zu »entdecken«. (Das ist<br />

aber nur eine These – ich würde mich<br />

freuen, wenn sich hieraus eine kleine<br />

Diskussion ergäbe, die mich gerne<br />

auch eines anderen belehrt.)<br />

Mika Krüger sagt zu diesem Thema:<br />

»Generell ist bei mir wohl zuerst<br />

der Protagonist da. Menschen machen<br />

eine Geschichte, nicht die Geschichte<br />

die Menschen. (...) Plotten<br />

ist in meinem Fall also ein offener<br />

Prozess, der sich durch die Figuren<br />

und deren Erlebnisse entwickelt.«<br />

Timo Leibig: »Was ich allerdings<br />

essentiell finde, ist die Charakteristik<br />

der Personen. Beispiel: Der<br />

Täter aus Mädchendurst. Wenn ich<br />

seine Zerrissenheit und seine psychologischen<br />

Eigenheiten nicht vorher<br />

im Detail wissen würde, könnte<br />

ich gar keinen Fall aufbauen. Insofern<br />

plotte ich also so viel wie nötig,<br />

aber nicht mehr.«<br />

Michael Siedentopf: »In aller Regel<br />

sind bei mir die Geschichten vor<br />

den Protas da, obwohl man sicherlich<br />

beides nie völlig voneinander<br />

trennen kann.<br />

Ich bin zumeist in der Lage, wenigstens<br />

in einem begrenzten Zeitraum<br />

(so bis 10 Seiten, also etwa<br />

den Umfang einer Kurzgeschichte)<br />

vorzuplanen, was als nächstes passieren<br />

wird. Manchmal habe ich dabei<br />

schon komplette Dialoge oder<br />

Szenen im Hinterkopf.<br />

Plotterin Regina Mengel: »Es ist<br />

übrigens nicht so, dass ich mich<br />

sklavisch an das Konzept halten<br />

würde, da kann zwischendrin noch<br />

ganz viel passieren, Figuren können<br />

rausfliegen, neue auf dem Plan<br />

auftauchen, selbst Motivationen der<br />

Figuren können sich ändern, wenn<br />

ich feststelle, dass meine ursprüngliche<br />

Idee nicht zur Figur passt.«<br />

Zusammenfassend könnte man<br />

es so sagen: Plotten hat den Vorteil,<br />

dass man sich während des<br />

Schreibprozesses weniger leicht im<br />

Geflecht der unzähligen Möglichkeiten<br />

der Storyentwicklung verliert.<br />

Wer plottet, kollidiert höchstwahr-


scheinlich weniger leicht mit dem berühmten<br />

Writer‘s Block, der Schreibblockade.<br />

Ein gut durchgeplotteter Stoff lässt<br />

sich leicht terminieren – also bekommt<br />

man auch weniger Stress mit seinen<br />

Abgabeterminen. (War Douglas<br />

Adams ein Plotter oder ein Pantser?<br />

Ich tippe auf Letzteres, denn von ihm<br />

stammt der epochale Ausspruch: »I<br />

love deadlines. I love the whooshing<br />

noise they make as they go by 2 .«)<br />

Und last, but not least: Geübte<br />

Plotter dürften einiges an Überarbeitungszeit<br />

und -mühe sparen.<br />

Die Nachteile des Plottens: Man ist<br />

zu stark von vorneherein festgelegt<br />

und beraubt sich der Möglichkeit,<br />

flexibel auf das »Lebendigwerden«<br />

des Stoffes zu reagieren. Sehr oft<br />

sind durchgeplottete Stories vorhersehbar<br />

und wenig überraschend.<br />

Der kreative, von der Augenblicksinspiration<br />

getragene Prozess steckt<br />

in einem relativ engen Korsett, das<br />

lässt strikt durchgeplottete Stoffe<br />

oft ein wenig steif und die handelnden<br />

Figuren marionettenhaft wirken.<br />

Pantser genießen die volle Freiheit,<br />

mit ihrer Geschichte jederzeit in jede<br />

Richtung gehen zu können. Wer aus<br />

dem Bauch schreibt, kann sich selbst<br />

minütlich überraschen und von seinen<br />

Figuren überraschen lassen. Es<br />

gibt im Schreibprozess keine »Durststrecken«,<br />

Langeweile taucht selten<br />

auf.<br />

Wer mit einer starken Fantasie gesegnet<br />

ist, wird diese Art des Schreibens<br />

wahrscheinlich lieben.<br />

Der Nachteil liegt auf der Hand: Man<br />

sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht<br />

mehr. Jede sich auftuende Seitenstraße<br />

ist voller köstlicher Möglichkeiten,<br />

der rote Faden geht rasant verloren,<br />

die Geschichte beginnt zu mäandern,<br />

auszuufern, auszufasern und versickert<br />

schlimmstenfalls irgendwo im<br />

Nebel der Möglichkeiten. Entscheidungen<br />

werden immer schwerer, je<br />

weiter man sich treiben lässt. Irgendwann<br />

steckt man ohne Kompass fest<br />

und muss dann mit der Machete und<br />

brachialer Gewalt versuchen, sich<br />

einen Weg zum Schluss zu bahnen.<br />

Die Schreibblockade ist ein guter alter<br />

Bekannter des Pantsers.<br />

Ist eine Geschichte dann im First Draft<br />

fertig, beginnt der zähe Prozess, aus<br />

dem Rohmanuskript durch penible,<br />

mehrfache Überarbeitung einen tragfähigen<br />

Roman zu erarbeiten. Geduld<br />

und Spucke sind angesagt.<br />

Wer sich in der Schnittmenge zwischen<br />

Pantser und Plotter bewegt,<br />

der fährt wahrscheinlich auf dem goldenen<br />

Mittelweg. Nicht mehr Planung<br />

als nötig, nur so viel Verwirrung wie<br />

unbedingt sein muss.<br />

Aber ganz sicher ist eins: Es gibt tausend<br />

Wege nach Rom – und jeder Autor,<br />

jede Autorin wird eine ordentliche<br />

Anzahl davon in ihrem Schreibleben<br />

beschreiten. Denn jedes Projekt ist<br />

ein wenig anders als das vorhergegangene<br />

und man lernt in Methoden<br />

und Handwerk auch immer wieder etwas<br />

dazu.<br />

1 Der Ausdruck: »Writing by the seat of your pants« entstand bei einem der NaNoWriMo-Events als Gegenstück zum<br />

»Planner« oder Plotter.<br />

2 »Ich liebe Abgabetermine. Ich liebe das zischende Geräusch, das sie machen, wenn sie vorbeisausen.«


von Martina Bauer<br />

Schreiben ist etwas für Einsiedlerkrebse.<br />

Man tut es zurückgezogen<br />

im stillen Kämmerlein. Die Ideen entspringen<br />

zumeist dem eigenen Denkorgan,<br />

Störungen von außen sind<br />

dabei nicht wirklich erwünscht.<br />

Ich bin ganz gerne alleine. Am liebsten<br />

mache ich alles selbst. Ich weiß<br />

ja, dass ich mich auf mich verlassen<br />

kann. Mein Plot gehört mir! Kaum<br />

vorstellbar, dass da einer dran herummäkelt<br />

oder ihn komplett über den<br />

Haufen wirft. Was natürlich nicht heißen<br />

soll, dass ich nichts von außen<br />

annehmen würde. Testleser haben<br />

meine Geschichten mit berechtigter<br />

Kritik durchaus auf einen anderen<br />

Weg geführt und sie wesentlich<br />

verbessert. Aber das ist etwas ganz<br />

anderes, als zu zweit einen Roman<br />

zu schreiben. Wie soll das überhaupt<br />

gehen? Nebeneinander sitzen und<br />

über jeden einzelnen Satz diskutieren?<br />

Vor Jahren unterhielt ich mich auf der<br />

Frankfurter Buchmesse mit Mo und<br />

Sue Twin über das Schreiben von<br />

„Chimärenblut“. Ich stellte mir vor,<br />

dass nur ein Zwillingspaar, das im<br />

Mutterleib auf engstem Raum monatelang<br />

zusammengepfercht gewesen<br />

ist, gemeinsam einen Roman schreiben<br />

kann, ohne sich gegenseitig an<br />

die Gurgel zu gehen. Ein Autoren-<br />

Ehepaar könnte es unter Umständen<br />

auch schaffen. Auf jeden Fall erfordert<br />

das Schreiben räumliche Nähe,<br />

dachte ich. „Für mich wäre das absolut<br />

nichts“, habe ich im Brustton<br />

der Überzeugung erklärt. Und überhaupt:<br />

Wozu zusammen schreiben,<br />

wenn es auch alleine geht?<br />

Aber: Sag niemals nie. Reichlich<br />

unerwartet erreichte mich vor ungefähr<br />

zwei Jahren die freundliche Anfrage<br />

eines bekannten Autors, dessen<br />

sprachliche Erzählkunst ich seit<br />

seinem Romandebüt „Entbehrlich“<br />

sehr bewundere. Ausschlaggebend<br />

für sein Anliegen war eine Kurzgeschichte,<br />

die ich vor einigen Jahren<br />

ins Netz gestellt hatte: „Die Mikrobe“.<br />

Es war eine sehr blutige Geschichte<br />

über fünf junge Leute, die eine Abkürzung<br />

durch den Wald nehmen,<br />

mit dem Auto steckenbleiben und<br />

einen grauenvollen Horrortrip erleben.<br />

Die Geschichte kam bei Genrefans<br />

recht gut an, obwohl der Plot<br />

stellenweise jeder Logik entbehrte.<br />

Darüber mochte natürlich nicht jeder<br />

Leser großzügig hinwegsehen.<br />

Und meinen eigenen Ansprüchen an


Qualität genügte es auch nicht; ich<br />

wollte gut durchdachte Geschichte<br />

mit gewissem Anspruch veröffentlichen,<br />

daher nahm ich die Geschichte<br />

von der Plattform und ließ sie auf der<br />

Festplatte vor sich hin schlummern.<br />

Ich mochte die Geschichte, war überzeugt<br />

von ihrem Potenzial, wusste<br />

aber nicht, wie sich die Logiklöcher<br />

glaubhaft stopfen ließen.<br />

Nun kam also L.S. Anderson und<br />

sagte: Diese Geschichte von damals<br />

will mir nicht aus dem Kopf.<br />

Sie hat Potenzial für einen richtigen<br />

Roman, wollen wir zusammen was<br />

draus machen? Eine Lösung für die<br />

Logiklöcher hatte er auch schon parat<br />

und vermittelte mir ein Aha-Erlebnis:<br />

Wenn einer alleine nicht weiterkommt,<br />

hilft vielleicht ein zweites Hirn<br />

… Sein Vorschlag gefiel mir, ebenso<br />

die Vorstellung, dass meine fast vergessene<br />

Geschichte endlich ihre verdiente<br />

Chance bekam.<br />

Zuvor fragte ich meine wichtigsten<br />

Testleser und meinen Mann nach ihrer<br />

Meinung; alle fanden die Idee, mit<br />

einem Co-Autor zu arbeiten, sehr gut<br />

und rieten mir, es zu versuchen. Warum<br />

also nicht? Erfreut sagte ich zu.<br />

Anderson überarbeitete den Plot<br />

nach unseren ersten gemeinsamen<br />

Überlegungen und legte mir eine grobe<br />

Handlungsskizze vor. Die wichtigsten<br />

Protagonisten aus meiner<br />

Kurzgeschichte wurden übernommen,<br />

dazu kam mit „Micki“ eine neue<br />

Figur. Ich stellte fest, dass es mir<br />

weit weniger schwerfiel, fremde Eingriffe<br />

in „meinem“ Plot zu dulden, als<br />

ich ursprünglich befürchtet hatte. Es<br />

war jetzt nicht mehr mein Manuskript,<br />

sondern unseres. Mein Co-Autor hatte<br />

eine Nebenhandlung aus der alten<br />

Geschichte ausgeweitet und zu<br />

einem neuen Spannungshöhepunkt<br />

geführt, was mir sehr gut gefiel. Ein<br />

anderes Ende musste auch her, das<br />

überlegten wir uns gemeinsam neu.<br />

Jeder brachte Vorschläge ein, und wir<br />

überlegten hin und her, wägten aus,<br />

bis jeder zufrieden war. Gemeinsam<br />

zu schreiben hieß in unserem Fall<br />

über eine Entfernung von mehreren<br />

hundert Kilometern, was mit gewöhnlichen<br />

Mails wunderbar funktionierte.<br />

Wir hatten nun einen dreißig Seiten<br />

umfassenden Handlungsrahmen, der<br />

relativ wenig Raum für Überraschungen<br />

in der Handlung ließ. Wir hielten<br />

das für unbedingt nötig, damit das<br />

gemeinsame Schreiben problemlos<br />

verlaufen konnte und weitere Unstimmigkeiten<br />

bezüglich des Fortgangs<br />

der Geschichte vermieden würden.<br />

Zusätzlich setzten wir einen lockeren,<br />

losen Vertrag auf, in dem wir das<br />

Procedere für das fertige Manuskript<br />

festlegten. Anderson ist etablierter<br />

Autor bei der Verlagsgruppe Droemer/Knaur,<br />

daher wollten wir das<br />

Exposee diesem Verlag vorlegen; bei<br />

einer Absage würde aus dem Roman<br />

ohne weitere Agenten-oder Verlagssuche<br />

ein (Q)Indie; Honorar fifty-fifty.<br />

Außerdem versprachen wir uns gegenseitig,<br />

das Ganze ohne Groll fallen<br />

zu lassen, falls die Zusammenarbeit<br />

nicht funktionieren sollte – wir<br />

beide hatten ja keine Vorstellung,<br />

wie es laufen würde. Das Einzige,<br />

was noch fehlte, war ein neuer Titel,<br />

denn „Mikrobe“ gefiel mir nicht mehr,<br />

aber als Arbeitstitel erfüllte er seinen<br />

Zweck.


L.S. Anderson sollte unser „Erstschreiber“<br />

sein. Er legte also los, und<br />

ich wartete – leicht nervös – auf den<br />

Romananfang. „Zusammen schreiben“<br />

klingt ganz anders, als den PC<br />

anzustarren und nicht zu wissen, was<br />

der Co-Autor mit dem Manuskript so<br />

treibt. Einige Wochen später erhielt<br />

ich schließlich den Prolog und die ersten<br />

dreißig Seiten der Geschichte, an<br />

der ich nach meinen eigenen Vorstellungen<br />

feilte, sprachlich meine eigene<br />

Komponente einbrachte und überarbeitete,<br />

was mir persönlich nicht so<br />

gut gefiel.<br />

So ging es langsam voran mit unserem<br />

Roman. Ich schreibe von Haus<br />

aus etwas schneller als Anderson, daher<br />

hatte ich zwischendurch Luft, parallel<br />

an „Schlechtes Blut“ zu arbeiten.<br />

Auf Seite 150 etwa macht die Geschichte<br />

einen Handlungssprung und<br />

spielt im Krankenhaus weiter, wo ich<br />

mich von Berufs wegen besser auskenne<br />

als Anderson, daher wechselten<br />

wir hier die Plätze. Ich übernahm das<br />

Schreiben und reichte an Anderson<br />

zum Überarbeiten weiter. Trotz unserer<br />

unterschiedlichen Schreibe gelang<br />

es uns, eine gemeinsame Sprache zu<br />

erschaffen – weder Testleser, die gezielt<br />

darauf achteten, noch später die<br />

Lektoren oder die Leser bemerkten<br />

einen Unterschied, welche Kapitel ursprünglich<br />

aus welcher Hand stammen.<br />

Woran das liegt, kann ich nicht<br />

genau sagen. Passten wir uns unbewusst<br />

gegenseitig an die Schreibe des<br />

anderen an? Durch das wechselseitige<br />

Überarbeiten drückte jeder so fest<br />

seinen eigenen Stempel darauf, dass<br />

wir relativ mühelos einen einheitlichen<br />

Sprachfluss finden konnten.<br />

Viele Wege führen nach Rom. Mit Sicherheit<br />

kann man auch ganz anders<br />

an das Thema herangehen; das <strong>Qindie</strong>-Gemeinschaftswerk<br />

„Moorgeboren“<br />

ist ein weiteres gutes Beispiel<br />

für eine gelungene Zusammenarbeit<br />

verschiedener Autoren. Ich für meinen<br />

Teil konnte vom gemeinschaftlichen<br />

Schreiben durchaus für mich<br />

lernen, indem ich die Herangehensweise<br />

eines anderen Autors direkt<br />

erleben konnte und z.B. die Vorzüge<br />

des gründlichen Plottens erkannte.<br />

Und das ist nicht der einzige Vorteil.<br />

Man kann sich die – von mir<br />

wenig geliebte – Recherchearbeit<br />

aufteilen, man hat einfach mehr Sicherheit,<br />

wenn von Anfang an zwei<br />

Augenpaare die Geschichte im Blick<br />

behalten. Durch das gegenseitige<br />

Testlesen von Anfang an spart man<br />

sich später viel Überarbeitungsarbeit.<br />

Und last but not least profitiert<br />

die Geschichte, wenn zwei Leute ihr<br />

Wissen, Können sowie Input und<br />

Ideen liefern.<br />

Eine Kehrseite gibt es natürlich<br />

auch. Die Bereitschaft, eine vermeintlich<br />

gute Idee zu verwerfen,<br />

muss wesentlich höher sein als<br />

sonst; nicht zwingend begeistert sich<br />

der Co-Autor für die Geistesblitze,<br />

die man selbst für unübertroffen genial<br />

hält. Jede Idee, jede Kleinigkeit<br />

muss zunächst mit dem Co-Autor<br />

besprochen, diskutiert, durchgekaut<br />

werden. Der teilt die eigene Meinung<br />

natürlich nicht immer. Ein Co-<br />

Autor muss also bereit sein, die volle<br />

Kontrolle, die man zumeist über sein<br />

Werk hat, aufzugeben.<br />

Gemeinsam zu schreiben ist im<br />

Prinzip wie alle Dinge, die man zu


zweit macht, anstatt alleine vor sich<br />

hin zu wursteln: Ein Geben und ein<br />

Nehmen. Mit Sicherheit geht es nicht<br />

immer gut. Bei mir ist es glücklicherweise<br />

bestens gelaufen.<br />

Würde ich es wieder tun?<br />

Primär werde ich weiterhin wie zuvor<br />

alleine schreiben. Aber die Möglichkeit,<br />

mich eines Tages erneut mit<br />

einem Co-Autor zusammenzutun,<br />

weise ich nicht mehr so rigoros von<br />

der Hand wie früher. Ein halbfertiges<br />

Manuskript mit jeder Menge Potenzial<br />

konnte ich in gemeinschaftlicher<br />

Arbeit zu einem überaus zufriedenstellenden<br />

Ende bringen. Viele Autoren<br />

haben ein unausgegorenes Manuskript<br />

in der Schublade und wissen<br />

nicht recht weiter damit; eine Möglichkeit<br />

dafür ist, sich einen Co-Autor ins<br />

Boot zu holen. Denkt über diese Möglichkeit<br />

einmal nach!<br />

Anderson und ich konnten den Verlag<br />

mit „Höllenfahrt“ übrigens überzeugen.<br />

Im Mai 2015 erschien es als<br />

Knaur eRiginal.


… begänne der Morgen mit Eiscreme.<br />

Den Mittag verbrächt’ ich glücklich, zufrieden,<br />

voll Wonne im Kreis meiner Lieben.<br />

Ein Abend am Feuer, gäb’ Ruhe dem Tag.<br />

Und nähert’ sich endlich die Nacht,<br />

bestieg’ ich die Achterbahn ein ums andere Mal,<br />

und würd’ in letzter Sekunde des schwindenden Tages,<br />

dem Kitzel der Abfahrt erliegen.<br />

von Regina Mengel


von Nike Mangold<br />

Ach, ich liebe Kolumnen. Gerade<br />

habe ich mich im Morgenmantel mit<br />

einem Soja-Latte-Macchiato an meinen<br />

Küchentisch gesetzt, vor dem die<br />

herbstlichen Bäume ebenso schön<br />

bunt sind, wie ihre berühmten Brüder<br />

und Schwestern im Central Park.<br />

Mein Haar hat einen guten Tag, und<br />

ich bin überzeugt, dass jedes einzelne<br />

Wort, das mühelos über meine<br />

Finger in die Tastatur fließt, total interessant<br />

ist. <strong>Lila</strong>. Letzten Winter war<br />

es die Modefarbe. Letzten Winter?<br />

Nun gut, ich sehe ein, dass ich euch<br />

nur bei der Stange halten kann, wenn<br />

ich den Carrie-Bradshaw-Modus ausschalte,<br />

den hat das Original wohl<br />

besser drauf.<br />

<strong>Lila</strong>, also. Es ist auch die Farbe der<br />

Emanzipation, zusammengesetzt<br />

aus dem männlichen Blau und dem<br />

weiblichen Rot. Kann man dieses<br />

Farbschema auf die Buchwelt übertragen?<br />

Aber ja.<br />

Hier steht das kühle Blau der nüchtern<br />

kalkulierenden Verlage dem<br />

leidenschaftlichen Rot der unabhängigen<br />

Autoren entgegen. „Mein<br />

Manuskript wurde zwanzigmal abgelehnt“,<br />

hört man aus den Reihen<br />

der Unabhängigen. „Ein Agent wollte<br />

meine Hauptfigur jünger und weiblich<br />

haben. Außerdem sollte ich alle<br />

vier Seiten eine Sexszene einbauen.<br />

Aber ich habe an meine Geschichte<br />

geglaubt und sie selbst veröffentlicht,<br />

und siehe da, sie fand ihren Markt.“<br />

Kein Verlagsvertrag, keine Vorschriften.<br />

Doch nehmen wir uns auch<br />

all die traumhaften Freiheiten, die<br />

wir haben, weil uns keiner reinredet?<br />

Ich hatte neulich die Idee, in meinem<br />

neuen Buch die wörtliche Rede nicht<br />

mehr in Anführungszeichen zu setzen.<br />

Manche Autoren verwenden nur<br />

Gedankenstriche, andere lassen sogar<br />

die weg. Was dann so aussieht:<br />

He, Babajaga!<br />

Alles klar?<br />

Was haste am Wochenende gemacht?<br />

Ich hab mir nen Bierkühlschrank<br />

gegraben.<br />

Auf mich wirkt das irgendwie lässig,<br />

so direkt, so Avantgarde. Trotzdem<br />

beschlich mich Unsicherheit, und darum<br />

fragte ich in meinem Lieblings-<br />

Autorenforum nach, was man dort<br />

darüber dachte. Die Reaktionen waren<br />

überwiegend negativ. Wenn also<br />

auch die Leser künftig bei Seite drei<br />

aussteigen, mir miese Rezensionen<br />

schreiben und mir unterstellen, den<br />

Deutschunterricht ab Klasse drei ge-


schwänzt zu haben, werde ich meine<br />

künstlerische Freiheit teuer bezahlt<br />

haben. Hm, ich schwanke.<br />

Doch, auch Selfpublisher betreiben<br />

Marktanalyse. Sie beschäftigen Testleser,<br />

deren Begeisterung oder Ablehnung<br />

Szenen, Figuren und manchmal<br />

sogar das Ende eines Romans<br />

verändern kann. Sie stellen verschiedene<br />

Cover zur Abstimmung, um<br />

ihr Buch in ein möglichst gefälliges<br />

Mäntelchen zu hüllen. Sie entwerfen<br />

ausgefuchste Verkaufsstrategien,<br />

wie Michael Meisheit, der hauptberuflich<br />

(oder inzwischen nebenbei?)<br />

für die „Lindenstraße“ schreibt, und<br />

bei seinen selbstverlegten Büchern<br />

alle Marketing-Register zieht. Auf<br />

seinem Blog teilt er strategische Gedanken<br />

zu Einführungspreisen, dem<br />

Sog von Serientiteln, der Wichtigkeit<br />

einer Fanbasis und dem Amazon-<br />

Verkaufsrang. Damit steckt er wahrscheinlich<br />

mehr Gehirnschmalz in<br />

das Drumherum eines Werkes als so<br />

mancher Kleinverlag.<br />

Viele Selfpublisher denken zwar<br />

nicht ausschließlich wirtschaftlich<br />

(blau), aber wer zumindest teilweise<br />

von seiner Kunst (rot) leben möchte,<br />

kommt um kühle Analyse nicht herum.<br />

Oder, wie ich es Carrie in den<br />

Mund legen möchte: Wenn man<br />

sich emanzipiert, kann man zwar<br />

seinen BH verbrennen, aber beim<br />

Sport wird einem dann der Halt fehlen.<br />

(Ich habe hier gerade die Anführungszeichen<br />

weggelassen,<br />

habt ihr gar nicht gemerkt, oder?)<br />

Die meisten Selfpublisher sind lila,<br />

sage ich.


von Tilly Jones und Jack T.R. vom Buchblog In Flagranti Books<br />

Allgemeine Informationen<br />

Schon länger arbeitet dieses Thema<br />

in unseren Köpfen. Wir haben bereits<br />

bei ein paar Blogtouren mitgemacht,<br />

bei einigen waren wir auch die Organisatoren.<br />

Es gibt ständig sooo viele<br />

Touren zu Büchern, zu Autoren, zu<br />

Reihen, zu was auch immer das Leserherz<br />

begehrt und auch bei denen<br />

haben wir als Teilnehmer schon mitgemacht.<br />

Das heißt, wir konnten einige<br />

Erfahrungen sammeln, sowohl als<br />

Teilnehmer als auch als Veranstalter.<br />

Bis jetzt hatten wir noch nie eine Tour,<br />

bei der wir sagten: Mensch, das hat<br />

ja alles von Anfang bis Ende super<br />

geklappt! Und höchstwahrscheinlich<br />

wird es das auch niemals nie nicht<br />

geben. Die Blogs, die bei einer Tour<br />

mitmachen, sind genauso verschieden<br />

wie die Menschen, die hinter ihnen<br />

stehen und sie gestalten und mit<br />

Fakten füllen. Und aus dieser Fülle<br />

von Unterschiedlichkeiten kommen<br />

immer mal Probleme auf, die man<br />

bewältigen muss. Das einfachste,<br />

um diese Probleme zu umgehen,<br />

ist reden. Oder wenn alle ein paar<br />

Grundlagen beachten, die die Zusammenarbeit<br />

innerhalb einer Tour<br />

vereinfachen.<br />

Andererseits gibt es immer mal wieder<br />

(Indie-)Autoren, die uns fragen,<br />

wie man denn so eine Tour macht.<br />

Und weil das so ist, möchten wir die<br />

Reihe auch auf Indie-Autoren beziehen.<br />

Die Verlage wissen schon, wie<br />

der Hase läuft.^^<br />

Eins ist mal klar, wir haben nicht immer<br />

recht und das, was wir hier sagen,<br />

ist auch nicht in Stein gemeißelt.<br />

Jeder gestaltet seine Blogtouren anders<br />

und jeder hat seine eigenen Erfahrungen<br />

gemacht. Wir wollen hier<br />

aus unseren Erfahrungen schöpfen<br />

und unser angeeignetes Wissen weitergeben.<br />

Was aber auch nicht heißt,<br />

dass wir nicht bereit sind, zu lernen<br />

und gerne eure Erfahrungen wissen<br />

möchten! Das hier werden keine allgemeingültigen<br />

Regeln, sondern das<br />

ist unser Leitfaden, wie wir denken,<br />

dass eine Blogtour gut und ohne nennenswerte<br />

Probleme über die Bühne<br />

laufen könnte.


Der Blogtour Knigge ist in 5 Abschnitte<br />

aufgeteilt:<br />

<strong>1.</strong> Warum macht Blogger/Autor eine<br />

Blogtour?<br />

2. Wer macht eine Blogtour?<br />

3. Wo macht man die Blogtour?<br />

4. Wie lange macht man eine Blogtour<br />

und wann?<br />

5. Was gehört dazu und wie genau<br />

läuft nun alles ab?<br />

Vielleicht können wir euch damit ja<br />

ein bisschen helfen. Wenn ihr noch<br />

Informationen habt, die unbedingt in<br />

die einzelnen Abschnitte mit reinmüssen,<br />

dann immer her damit!<br />

<strong>1.</strong> Warum macht Blogger/Autor<br />

eine Blogtour?<br />

Das ist eine einfache Frage, die eine<br />

genauso einfache Antwort hat:<br />

Weil Blogger/Autor möchte, dass<br />

das Buch mehr Aufmerksamkeit bekommt!<br />

Diese Aussage kann nun natürlich<br />

alles bedeuten und ist leider auch<br />

nicht so einfach aufgestellt! Die Facetten<br />

des „Warum“ sind sehr vielseitig<br />

und vor allem vielschichtig. Beziehen<br />

wir den ersten Teil der Frage mal<br />

auf uns selbst: Warum würden wir<br />

eine Blogtour machen?<br />

Ganz klar: Weil uns das Buch begeistert<br />

hat! Es hat uns so mitgerissen,<br />

dass wir sprachlos waren. Es<br />

hat uns „geflasht“. Und weil wir gerne<br />

andere genauso begeistern möchten,<br />

denken wir an eine Blogtour,<br />

denn es gibt fast nichts, was mehr<br />

Aufmerksamkeit auf ein Buch lenkt,<br />

als eine gut ausgerichtete Tour mit<br />

gut zusammenarbeitenden Blogs!<br />

Es kann aber auch sein, dass das<br />

Buch, was uns begeisterte, bis jetzt<br />

noch sehr wenig Leser hat. Wir denken,<br />

dass das Buch (und der Autor)<br />

mehr Aufmerksamkeit brauchen,<br />

dass sie gelesen werden MÜSSEN,<br />

weil die Geschichte einfach gut ist!<br />

Oder aber wir möchten den Autor<br />

gern unterstützen, selbst wenn das<br />

Buch nicht so gut abgeschnitten hat.<br />

Vielleicht kennt man zu diesem Zeitpunkt<br />

schon zwei, drei andere Blogger,<br />

denen es genauso geht, dann<br />

ist das natürlich noch besser.<br />

Genau das Gleiche gilt natürlich<br />

auch für Blogtouren, bei denen wir<br />

„nur“ mitmachen. Wir kennen das<br />

Buch schon, es hat uns gefallen<br />

und, ganz wichtig, die Zeit für eine<br />

Tour ist da. Also machen wir mit!<br />

Wie kann man seine Begeisterung<br />

als Leser und Blogger besser vermitteln<br />

als über eine Blogtour? Denn dann<br />

hat man die Möglichkeit, total subjektiv<br />

über das Buch zu schwärmen. Man<br />

muss nichts zurückhalten und kann<br />

seinen Gefühlen – die ja manchmal<br />

wirklich nicht mehr objektiv sind, wenn<br />

die Begeisterung überschäumt – freien<br />

Lauf lassen. Als Blogger hat man<br />

während einer Tour, die man selbst auf<br />

die Beine stellt, natürlich auch noch die<br />

Möglichkeit, auf interessante Themen<br />

innerhalb des Buches aufmerksam zu<br />

machen. Die Lieblingszitate, die vielleicht<br />

mehr über das Buch aussagen


als „schnöde“ Worte, werden in Szene<br />

gesetzt. Man beschäftigt sich mit<br />

den Orten in der Geschichte, lernt etwas<br />

über die Protagonisten, was man<br />

noch nicht wusste. Und wenn man<br />

ganz viel Glück hat, darf man sogar<br />

dem Autor ein paar Fragen stellen.<br />

Gerade unter den Indies ist die Möglichkeit<br />

groß, den Autor „zu packen^^“<br />

und ihn mit Fragen zu löchern (aka mit<br />

Begeisterung zu überschütten). Dadurch<br />

kommt man als Blogger seinem<br />

„Idol“ etwas näher, erfährt interessante<br />

Details, die man dann wiederum an<br />

potenzielle Leser über die Tour weitergeben<br />

kann. In dem Fall also eine<br />

Win-win-Situation.<br />

Oder aber, und das ist auch ein interessanter<br />

Aspekt, es kommt die Anfrage<br />

für eine Tour für ein Buch, das<br />

man noch nicht kennt. Wenn dann die<br />

Aufmachung stimmt, der Klappentext<br />

neugierig macht und auch das „Bauchgefühl“<br />

keine Saltos schlägt: Warum<br />

nicht? Vielleicht ist es ein Gerne, das<br />

man so gar nicht lesen würde? Ein<br />

unbekannter Autor? Ein Debut? Ein<br />

Genre-Mix, der es in sich hat? Eine<br />

Blogtour ist auch eine Chance für den<br />

Blogger, neue Geschichten/neue Autoren<br />

kennen und lieben zu lernen.<br />

Bloggerstimmen:<br />

„Ich mag Blogtouren, weil man das<br />

Buch danach oft mit anderen Augen<br />

sieht und mir die Recherche zu<br />

den Themen viel Spaß macht. Allerdings<br />

sehe ich da auch das größte<br />

Manko – wenn der Beitrag nur runtergeschrieben<br />

wird und kein Herzblut<br />

drin steckt, dann merkt man<br />

das als Leser auch ganz schnell.<br />

Deswegen steckt in BT viel Arbeit,<br />

was manche Blogger unterschätzen.<br />

Ich selbst versuche, mich immer<br />

wieder in verschiedenen Bereichen<br />

auszuprobieren und nicht immer das<br />

gleiche Thema zu behandeln.“<br />

Silke von Siljas Bücherkiste<br />

„Bücher enthalten sehr viel mehr als<br />

die reine Story. Sie enthalten Infos<br />

zu Zeiten oder Gegenden, die man<br />

nicht selber kennt. Es macht Spaß<br />

darüber zu recherchieren. Man öffnet<br />

und erweitert seinen eigenen<br />

Horizont. Stößt vielleicht auf Infos,<br />

die man vorher niemals bekommen<br />

hätte. Dabei muss mich das Buch<br />

selbst nicht begeistert können. Es<br />

kann auch mal 3 Sterne erhalten,<br />

aber dennoch bin ich bereit eine<br />

Tour zu machen, weil mich einfach<br />

andere Aspekte wie Handlungsort<br />

oder etc. interessieren. … Ein anderes<br />

Ziel ist die Vernetzung der Blogger,<br />

denn im Bestfall wirbt jeder für<br />

jeden und man stärkt sich gegenseitig.<br />

Diese Synergieeffekte kann man<br />

dann nutzen, um als größere Blogs<br />

auch neue Blogs mit hochzuziehen.“<br />

Yasmin von Die Rabenmutti<br />

„Ich habe bisher nur bei einer Blogtour<br />

mitgemacht und da war der<br />

Grund, dass ich bisher alle Bücher<br />

der Autorin geliebt habe, diese aber<br />

viel zu unbekannt sind und ich helfen<br />

wollte, sie bekannter zu machen.<br />

Das finde ich so viel sinnvoller, als<br />

Bücher zu promoten, die sowieso<br />

hunderttausendfach verkauft werden,<br />

weil sie z.B. Band 3 einer bekannten<br />

Trilogie sind.“<br />

Jacqueline von Jacquy´s Thoughts


Kommen wir zum zweiten Teil der<br />

Frage: Warum würde Autor eine<br />

Blogtour machen?<br />

Gute Frage, aber wir können das<br />

nicht beantworten und wollen uns<br />

hier jetzt auch nicht in Mutmaßungen<br />

verstricken. Deswegen haben wir<br />

unter unseren allerliebsten <strong>Qindie</strong>-<br />

Autoren mal nachgefragt (wenn man<br />

den Kontakt schon hat, kann man ihn<br />

auch nutzen :-D ).<br />

Wir waren erstaunt, dass die Meinungen<br />

doch recht weit auseinander gehen<br />

und geben hier auch offen und<br />

ehrlich zu, dass wir die Frage für<br />

Autoren anders beantwortet hätten.<br />

Lassen wir die Autoren für sich selbst<br />

sprechen:<br />

Autorenstimmen:<br />

„Ich denke der Hauptgrund liegt bei<br />

der Reichweite, die eine Blogtour hat.<br />

Die größeren Blogs haben ja meist<br />

eine große Anzahl an Followern, die<br />

man auf diesem Wege zeitgleich erreichen<br />

kann. Und wenn wir ehrlich<br />

sind, dann gibt es zurzeit kaum eine<br />

andere Möglichkeit, als Selfpublisher<br />

Werbung zu schalten, die effektiver<br />

und auch kostengünstiger ist.“<br />

Katharina Groth<br />

„Durch eine Blogtour lernt man viele<br />

neue Menschen kennen (BloggerInnen<br />

und BlogleserInnen), die vielleicht<br />

zu Fans werden können. Tatsache<br />

ist, dass persönliche Kontakte<br />

am besten helfen, Bücher zu verkaufen<br />

(so sie denn gut sind). Eine Blogtour<br />

gibt mir die Möglichkeit, persönliche<br />

Kontakte zu knüpfen. Außerdem<br />

wird das Buch dann sichtbarer für die<br />

LeserInnen, die nicht händeringend<br />

auf mein nächstes Werk warten.“<br />

Katharina Gerlach<br />

„Das beste Marketinginstrument für<br />

Selfpublisher ist eine gute und große<br />

Produktaufstellung. Daraus ergeben<br />

sich dann andere Möglichkeiten.<br />

Wenn man es sich zeitlich<br />

leisten kann, ist eine Blogtour ein<br />

Zückerchen. Oder wenn man genau<br />

(!) die richtigen (!) Blogs zur Mitarbeit<br />

bringen kann, also die, die vom<br />

Zielpublikum frequentiert werden,<br />

ist es eine gute Möglichkeit in der<br />

Anfangsphase die eigene Autorenmarke<br />

aufzubauen und bekannt zu<br />

machen. Man sollte es eher als ein<br />

indirektes Instrument sehen und seine<br />

Prioritäten für die Phase setzen,<br />

in der man gerade ist.“<br />

Horus W. Odenthal<br />

„Eine Blogtour hat für mich langfristigen<br />

Charakter und ist Teil des Konzeptes:<br />

Namen bekannt machen.<br />

Unmittelbare Auswirkungen darf<br />

man da nicht erwarten, aber es ist<br />

eine Möglichkeit, mit Lesern in Kontakt<br />

zu kommen bzw. sich dort vorzustellen.“<br />

Regina Mengel<br />

„Ich verspräche mir vor allem Sichtbarkeit<br />

von solch einer Tour. Weniger<br />

den schnellen Verkauf.“<br />

Florian Tietgen<br />

Wie man unschwer herauslesen<br />

kann, sehen Autoren eine Blogtour


nicht unbedingt als Verkaufszahlenhochschrauber,<br />

sondern betrachten<br />

sie eher als Werbemaßnahme, um<br />

das eigene Buch bekannter zu machen.<br />

Außerdem werden Kontakte zu<br />

Bloggern geknüpft, um spätere Aktionen<br />

zu planen, seinen Leserkreis zu<br />

erweitern und andere Blogs auf sich<br />

aufmerksam zu machen.<br />

An dieser Stelle darf aber nicht<br />

vergessen werden, dass, auch<br />

wenn eine Blogtour auf verschiedenen<br />

Blogs abläuft, der Autor ebenfalls<br />

sehr viel Arbeit in so eine Tour<br />

steckt und das nicht einfach mal so<br />

nebenher macht. Beide Seiten, Autor<br />

und Blogger, bringen sich ein,<br />

investieren Zeit und Mühe und sind<br />

am Ende stolz auf das Ergebnis.<br />

Den ersten Abschnitt beende ich mit<br />

einem Zitat von Horus W. Odenthal.<br />

Ich denke, das spricht für sich und<br />

fasst alles sehr gut in einem Satz zusammen:<br />

„Bei einer Marketingmaßnahme<br />

sollte man immer vorher festlegen,<br />

was man damit erreichen will.“<br />

Die folgenden Teile des Blogtour-<br />

Knigge finden Sie auf dem Buchblog<br />

Inflagrantibooks.blogspot.de.


von Regina Mengel<br />

Interview mit Florian Tietgen<br />

Lektoren gehören zu den wichtigsten<br />

Menschen für mich als Autorin und<br />

meine Bücher. Ein Lektor macht das<br />

Buch besser, auch ein gutes Buch.<br />

Aber wie funktioniert so eine Zusammenarbeit?<br />

Um ein bisschen Licht ins<br />

Dunkel zu bringen und auch gleich<br />

einmal mit ein paar immer wiederkehrenden<br />

Mythen aufzuräumen, habe<br />

ich meinem persönlichen Lieblingslektor,<br />

Florian Tietgen vom Lektorat<br />

Satzklang, ein paar Fragen gestellt.<br />

Regina: Hallo Florian, danke, dass<br />

du dir Zeit für mich und das <strong>Qindie</strong><br />

<strong>Mag</strong>azin nimmst.<br />

Florian: Hallo Nina, das mache ich<br />

gern.<br />

Lass uns gleich zur Sache kommen.<br />

Zunächst mal vielleicht ein paar Fakten<br />

zu deiner Person:<br />

Dein Alter: 55<br />

Dein Beruf: Welcher von den vielen?<br />

Gelernt habe ich Erzieher, Schauspiel<br />

und Theaterpädagoge. Gearbeitet<br />

habe ich schon alles Mögliche.<br />

Deine Berufung: Die habe ich noch<br />

nicht gehört. Im Ernst. Jede Form von<br />

Kreativität ist wohl meine Berufung,<br />

leider keine davon auf einem Niveau,<br />

das ausreicht, mir mein Leben zu finanzieren.<br />

Regina: Nun wissen wir schon eine<br />

Menge über dich. Und deine Lieblingsfarbe<br />

ist selbstverständlich <strong>Lila</strong>,<br />

denn das ist ja der Titel dieser <strong>Mag</strong>azin-Ausgabe.<br />

;-)<br />

Florian: Wenn ich dazu Ja sage,<br />

wisst ihr auch noch, welch konfliktscheuer<br />

Opportunist ich bin. ;)<br />

Regina: Aber nun zum Job des Lektors.<br />

Kann eigentlich jeder Lektor<br />

werden?<br />

Florian: Theoretisch auf alle Fälle,<br />

denn der Beruf ist frei und die Berufsbezeichnung<br />

ungeschützt. Es<br />

gibt keine spezielle Ausbildung dafür<br />

und es wird auch keine vorausgesetzt,<br />

um sich als Lektor zu bezeichnen.<br />

Die meisten Lektoren haben sicher<br />

Germanistik studiert, Sach- und<br />

Fachbuchlektoren sicher eher das jeweilige<br />

Fachgebiet.<br />

Als Autor hat es mich 2007 mal sehr<br />

stolz gemacht, dass mein Roman<br />

„Auf einen Schlag“ von einer Fach-


lektorin für Medizin lektoriert wurde,<br />

die all die Beschreibungen und Therapien<br />

abgenommen hat. Aber dieses<br />

Interview gebe ich als Lektor.<br />

Regina: Welche grundsätzlichen<br />

Fähigkeiten sollte ein Lektor mitbringen?<br />

Florian: Liebe zur Sprache und zu<br />

Büchern. Die Liebe zur Sprache ist<br />

dabei für mein Gefühl wichtiger. Die<br />

Liebe zur Sprache sollte natürlich<br />

von der Sprache erwidert werden, die<br />

Liebe zum Film allein macht ja auch<br />

noch keinen guten Regisseur oder<br />

Schauspieler aus. Ein Lektor, der für<br />

Verlage arbeitet, muss natürlich auch<br />

Marktchancen kennen, Genrespezifika,<br />

vielleicht Lesegewohnheiten.<br />

Natürlich braucht er einen theoretischen<br />

Unterbau, eine gute Grammatik,<br />

in erster Linie aber braucht er ein<br />

Gefühl für Plausibilität, für Fragen,<br />

die geklärt werden müssen und für<br />

Fragen, die offen bleiben dürfen. Er<br />

braucht ein gutes Gedächtnis oder<br />

eine gute Methode, ein Buch auf das<br />

zu untersuchen, was man beim Film<br />

Continuity Script nennt.<br />

Regina: Gibt es darüber hinaus noch<br />

Eigenschaften, die einen guten Lektor<br />

ausmachen?<br />

Florian: Ein dickes Fell, schließlich<br />

hat er es mit sensiblen Künstlern zu<br />

tun, die jeden Änderungsvorschlag<br />

als Beschränkung der Freiheit ihres<br />

Ausdrucks und als persönlichen<br />

Angriff empfinden. ;) Ich glaube, er<br />

braucht eine gute Intuition.<br />

Mal ein paar der oft gehörten Mythen<br />

über den Lektor. Was meinst du denn<br />

dazu bzw. was ist dran an diesen<br />

Thesen?<br />

Der Lektor ist derjenige, der das<br />

Buch korrigiert.<br />

Florian: Zum Glück ist das nicht so.<br />

Dafür gibt es bessere Fachkräfte, die<br />

Korrektoren.<br />

Je weniger der Lektor am Buch ändert,<br />

desto besser.<br />

Florian: Das stimmt genauso wenig<br />

wie das Gegenteil. Wenn ich als Lektor<br />

zu viele Vorschläge mache, könnte<br />

es auch heißen, dass ich nicht in<br />

die Sprachmelodie des Autors gefunden<br />

habe. Dennoch ist es auch nicht<br />

sinnvoll, Vorschläge zurückzuhalten.<br />

Als Autor schmeichelt es natürlich<br />

meiner Eitelkeit, wenn der Lektor/die<br />

Lektorin wenig findet (siehe Anmerkung<br />

oben), aber mir fehlt natürlich<br />

auch die Möglichkeit, vielleicht eine<br />

noch passendere Formulierung zu<br />

finden, eine zurückbleibende Frage<br />

noch zu beantworten, oder mich auf<br />

kritische Auseinandersetzungen über<br />

den Stoff vorzubereiten. Deshalb halte<br />

ich weder als Autor noch als Lektor<br />

etwas vom sogenannten „sanften<br />

Lektorat“.<br />

Der Lektor ist für die Überprüfung<br />

der Recherche zuständig.<br />

Florian: Das halte ich tatsächlich so.<br />

Nicht in jeder Einzelheit, da vertraue<br />

ich den Autoren schon. Aber ich mache<br />

Stichproben und wenn meine All-


gemeinbildung oder mein gesundes<br />

Halbwissen bei etwas Alarm schlagen,<br />

überprüfe ich es auf alle Fälle.<br />

Ich habe, weil mir eine Stelle komisch<br />

vorkam, auch schon mal Textpassagen<br />

überprüft. Laut Geschichte sollten<br />

es Zitate aus den Schriftrollen<br />

von Qumran sein, bei der Eingabe in<br />

Suchmaschinen stieß ich allerdings<br />

auf die Website einer in der Schweiz<br />

ansässigen Sekte. Das hätte für Herausgeber<br />

und Verlag in mehrerlei<br />

Hinsicht unangenehm werden können.<br />

Regina: Ich weiß aus eigener Erfahrung,<br />

dass du es verstehst, die Sprache<br />

eines Autors aufzunehmen und<br />

entsprechend in deine Vorschläge/<br />

Verbesserungen einfließen zu lassen.<br />

Und ich weiß, dass das noch lange<br />

nicht jeder Lektor so gut beherrscht<br />

wie du. Warum ist dir das so wichtig?<br />

Florian: Zunächst vielen Dank. Andere<br />

Lektoren haben sicher andere<br />

Schwerpunkte, auf die ich noch nicht<br />

einmal gekommen bin. Den Austausch<br />

darüber fände ich spannend.<br />

Die Sprache ist mir wichtig, weil sie<br />

die oberste Dienerin einer Geschichte<br />

und ihrer Figuren ist. Ich glaube ganz<br />

grundsätzlich, Selfpublisher nehmen<br />

die Möglichkeiten, die sie bietet, noch<br />

viel zu wenig wahr.<br />

Und an dem Punkt ärgert es mich<br />

oft auch, wenn Sprache generell in so<br />

kurze Sätze zerhackt wird. Ein guter<br />

Satz darf gern auch aus 130 Wörtern<br />

bestehen, wenn er so in Rhythmus<br />

und Melodie der Geschichte und dem<br />

Charakter der Figur dient. Vielleicht<br />

ist es eine Frage der Demut?<br />

Regina: In der Zusammenarbeit zwischen<br />

uns herrscht eigentlich immer<br />

ein leichter, manchmal auch ironischer<br />

Ton, wenn du mich auf besonders<br />

markante Macken aufmerksam<br />

machst – ich sage nur ‚würdevoller<br />

Text’ oder ‚pilcheresk’. Ganz nach<br />

dem Motto: Kleine Beleidigungen erhalten<br />

die Freundschaft. ;-) Nun kennen<br />

wir uns schon lange und du weißt,<br />

dass du mir auch mal eine kleine, lustige<br />

Frechheit sagen kannst und ich<br />

darüber lache und nicht beleidigt bin.<br />

Aber wie hältst du es da mit Autoren,<br />

die du nicht so gut kennst? Wie wichtig<br />

ist es, dass Autor und Lektor auf der<br />

gleichen Wellenlänge schwimmen und<br />

wie schaffst du es, deine Einschätzung<br />

ehrlich aber verträglich rüberzubringen?<br />

Ich kann mir vorstellen, dass es<br />

besonders mit den Sensibelchen unter<br />

uns manchmal etwas schwierig ist.<br />

Aber wahrscheinlich sind Autoren generell<br />

eine sehr besondere Spezies.<br />

Florian: Ich schaffe das nicht immer.<br />

Ich habe auch schon ein Probelektorat<br />

für jemanden gemacht,<br />

der entsetzt die Arbeit weitergeleitet,<br />

mich in Blindcopy gesetzt und<br />

dann abgelästert hat. Da hat es<br />

ganz offensichtlich nicht geklappt.<br />

Bei Vokabeln wie „pilcheresk“ muss<br />

ich natürlich sicher sein, dass der<br />

Empfänger ahnt, was damit gemeint<br />

ist. Und wenn ich einen Roman in<br />

diesem Genre lektoriere, ist „pilcheresk“<br />

ganz sicher nichts, was geändert<br />

werden müsste.<br />

Regina: Man hört immer mal wieder<br />

Stimmen, die sagen, ein Lektor müsse<br />

das Genre lesen/mögen, in dem er


lektoriert. Das hieße, du hättest nicht<br />

eines meiner Bücher lektorieren dürfen,<br />

denn du liest weder romantische<br />

Komödie noch Fantasy und für die<br />

Kinderbücher bist du eine Spur zu alt.<br />

Was ist dran an dieser These? Gibt<br />

es Genres oder Themenbereiche, die<br />

du ablehnen würdest, wenn ein Auftrag<br />

an dich herangetragen würde?<br />

Florian: Bisher hat sich die Frage<br />

noch nicht gestellt, nur als Autor habe<br />

ich mal etwas abgelehnt. Da hatte tatsächlich<br />

ein Verlag über das Portal der<br />

Agentur für Arbeit Autoren gesucht.<br />

Natürlich habe ich mich gemeldet und<br />

Post von einem Verlag bekommen,<br />

der mich bat, ihm auf 198 Seiten einen<br />

tabulosen erotischen Roman über<br />

die sexuelle Liebe zwischen einem<br />

Fünfzehnjährigen zu seiner Mutter zu<br />

schreiben. In dem Begleitbrief schrieb<br />

der Verleger mir noch, das Schöne an<br />

Fantasien und Geschichten wäre, sich<br />

nicht an Verbote halten zu müssen.<br />

Wer meine persönliche Geschichte<br />

ein bisschen kennt, weiß, warum ich<br />

dazu nicht nur aus einer moralischen<br />

Erwägung heraus Nein gesagt habe.<br />

Ich glaube, solch einen Stoff würde<br />

ich auch nicht lektorieren. Auch dabei<br />

spielt die Moral keine Rolle.<br />

Regina: Du bist auch Autor, ein ganz<br />

wunderbarer obendrein, wenn ich<br />

das einmal anmerken darf. Hast du<br />

manchmal Schwierigkeiten die beiden<br />

Arbeitswelten auseinander zu<br />

halten?<br />

Florian: Nein, ich halte sie ja arbeitstechnisch<br />

weit auseinander. Wenn<br />

ich an einem Auftrag arbeite, schreibe<br />

ich nicht an eigenen Stoffen. Und<br />

wenn ich an eigenen Stoffen schreibe,<br />

bin ich immer im Zwiespalt. Ich<br />

brauche die Aufträge für den Lebensunterhalt,<br />

aber im Grunde würde ich<br />

lieber von den Romanen leben. Aber<br />

so wunderbar du sie auch findest,<br />

viele Leser finden sie leider nicht. ;)<br />

Regina: Zum Abschluss noch ein<br />

paar kurze Fragen.<br />

Nimmst du derzeit Autoren/Aufträge<br />

an?<br />

Florian: Ja<br />

Regina: Was brauchst du, um ein Angebot<br />

zu unterbreiten?<br />

Florian: Eine Leseprobe von 5 Seiten,<br />

möglichst den Beginn und 5 zusätzlichen<br />

Seiten irgendwo aus der<br />

hinteren Mitte des Romans.<br />

Regina: Wie kann dich ein Interessent<br />

kontaktieren?<br />

Florian: Über florian.tietgen@satzklang.de<br />

Regina: Wo finden wir dich im Netz?<br />

Florian: Die Seite habe ich im Moment<br />

nicht im Netz, weil ich sie neu<br />

gestalten muss.<br />

Lieber Florian, herzlichen Dank für deine<br />

Zeit und Mühe und die interessanten<br />

Antworten. Ich freue mich schon sehr,<br />

auf unsere nächste Zusammenarbeit.<br />

Wer mehr über Florian erfahren will,<br />

kann dies hier. Florian Tietgen


von Regina Mengel<br />

Ach was, Sie denken noch mit dem<br />

Kopf? Empfinden Sie das nicht als<br />

unnatürlich? Also, ich an Ihrer Stelle<br />

würde einmal darüber nachdenken,<br />

wie das auf Fremde wirkt. Gut, Ihr direktes<br />

Umfeld hat sich wahrscheinlich<br />

längst an diesen Zustand gewöhnt,<br />

aber leicht ist es ihnen bestimmt nicht<br />

gefallen.<br />

Ich schätze, Sie gehören zu diesen<br />

Individualisten dieser aussterbenden<br />

Gattung von Menschen, die eine eigene<br />

Meinung oder noch schlimmer,<br />

einen eigenen Gedanken in die Welt<br />

setzen. Pfui, wie rücksichtslos Sie<br />

sind. Dabei wirken Sie doch auf den<br />

ersten Blick ganz normal. Was sich in<br />

Ihrem Kopf abspielt, möchte ich lieber<br />

gar nicht erst wissen, es ist einfach<br />

eine Zumutung, so etwas auf die<br />

Menschheit los zu lassen.<br />

Ach, sie halten das für Unsinn, so<br />

schlecht sind Sie gar nicht? Vielleicht<br />

haben Sie Recht, ich möchte Ihnen<br />

natürlich keine bösen Absichten unterstellen,<br />

aber darum geht es nicht.<br />

Was zählt, ist das Ergebnis und das,<br />

entschuldigen Sie bitte meine Offenheit,<br />

ist in Ihrem Falle nun mal verheerend.<br />

Wenn alle so denken würden wie Sie,<br />

wo kämen wir denn da hin? Bedenken<br />

Sie, Gedanken, die Sie denken,<br />

sind Gedanken, die zu bedenken,<br />

niemand bedacht hat. Stellen Sie sich<br />

nur vor, der einfache Denker bedächte<br />

Ihre gedachten Gedanken, würden<br />

dann diese unbedachten Gedanken,<br />

deren vorgedachte Gedanken bedenkenlos<br />

ersetzen? Oder würden<br />

sich die vorgedachten Gedanken den<br />

neu bedachten, von Ihnen so unbedacht<br />

gedachten Gedanken, bedenklich<br />

unterordnen?<br />

Bekommen Sie einen Eindruck? Was<br />

denn, Sie wollen immer noch frei denken?<br />

Gedanken sind schließlich dazu<br />

da, gedacht zu werden? Nun kommen<br />

Sie aber mal wieder auf den Teppich.<br />

So war das vielleicht einmal früher,<br />

als die Gedanken der Denkenden<br />

noch unbedenklich gedacht werden<br />

durften, aber dann hat doch jemand<br />

nachgedacht. Denn die Gedanken eines<br />

jeden Denkers sind differenzierte<br />

Gedanken, die zu denken viele weitere,<br />

vielleicht noch niemals bedachte<br />

Gedanken, nach sich ziehen. Ja, und<br />

wer soll nun alle diese angefangenen<br />

Gedanken zu Ende denken? Diese<br />

großartigen Denker, die gedachte


Gedanken zu ihren eigenen Gedanken<br />

hinzudenken konnten, die aus<br />

den gemeinsam gedachten Gedanken<br />

ein weiter zu bedenkendes Gedankengemisch<br />

erdachten, um dann<br />

mit völlig neuen, noch unbedachten<br />

Gedanken ihre Gedankenwelt zu bereichern,<br />

die haben wir doch weggedacht.<br />

Vorgedachte Gedanken sind nun mal<br />

viel einfacher zu denken. Denken Sie<br />

nur an die vielen kleinen Denker oder<br />

gar die Nichtdenker. Wie sollte ein<br />

Nichtdenker denn jemals Gedanken<br />

denken, wenn wir ihnen nicht diese<br />

vorgedachten Gedanken an die Hand<br />

geben würden. Wir schaffen bleibende<br />

Gedanken. Der Nichtdenkende<br />

kann schließlich nur eine begrenzte<br />

Anzahl vorgedachter Gedanken bedenken.<br />

Also schaffen wir knappe,<br />

eingängige Gedanken, die kein weiterführendes<br />

Bedenken der Gedanken<br />

erfordern. Der Nichtdenker ist<br />

sogar in der Lage mehrere Gedanken<br />

gleichzeitig zu bedenken. Wo denken<br />

Sie hin? Natürlich ist eine Verknüpfung<br />

dieser Gedanken nicht denkbar,<br />

dazu wäre ein selbst gedachter Gedanke<br />

notwendig. Das selbst Denken<br />

von neuen Gedanken, ist aber für<br />

den Nichtdenker nicht denkbar. Dieses<br />

Risiko können wir demnach ausschließen.<br />

Sie haben mich verstanden? Na endlich.<br />

Ich bin in Gedanken bei Ihnen,<br />

wenn sie bedenken, sich von ihren<br />

eigenen Gedanken zu verabschieden.<br />

Nein, es ist nicht schmerzhaft,<br />

keineswegs. Denken Sie einfach zukünftig<br />

daran, wenn Sie spüren, wie<br />

sie neue oder eigene Gedanken beim<br />

Denken der vorgedachten Gedanken<br />

erdenken.<br />

Denken Sie nicht mit dem Kopf!<br />

Denken Sie mit dem Arsch!<br />

Und Ballast spülen wir einfach hinunter!


von Viktoria Petkau, Coverdesign und Medien<br />

Es ist egal, wie das Cover aussieht.<br />

Das von einer sich selbst Coverdesigner<br />

schimpfenden Person zu<br />

hören mag zunächst verwirrend klingen.<br />

Jetzt, fast acht Jahre nach meinem<br />

ersten Cover, verdiene ich mir<br />

mein täglich Buch unter dem Namen<br />

„GedankenGrün“ – eine Hommage<br />

an meine Liebe zur wachsenden<br />

Idee. Büchern ein Gesicht zu geben<br />

ist eine unglaublich überwältigende<br />

Aufgabe. Und sie ist nicht immer einfach<br />

oder zwingend notwendig.<br />

Meiner Meinung nach lebt ein gutes<br />

Cover von mehr als der Schrift, den<br />

Farben oder der Begabung des Designers.<br />

Was vorteilhaft ist und was<br />

nicht, kann man in jedem Interview<br />

mit „Coverdesignern“ oder „Buchgestaltern“<br />

lesen. Ratgeber im Netz<br />

und in Buchform bringen einerseits<br />

dem Autor selbst das Gestalten bei<br />

oder zeigen Alternativen auf. Ob Premade,<br />

aus Designerhand, “Made in<br />

Germany“ oder von einem Buchsetzer<br />

hinter einem Röhrenbildschirm<br />

gefertigt: Das Cover kann stilistisch,<br />

typografisch, farblich, technisch gut<br />

sein, wie es will, wenn es nicht aus<br />

sich heraus spricht, ist die Mühe vergebens.<br />

Bücher sind lebendig. „Show don‘t<br />

tell“ lautet die Devise jedes Autors,<br />

der was auf sich hält. Ein gutes Buch<br />

zeichnet sich dadurch aus, dass<br />

es nach wenigen Sätzen gefangen<br />

nimmt und man vollkommen eintaucht.<br />

Leider gibt es zu wenige Designer,<br />

die mit dem Einband die Seele<br />

des Buches wiedergeben. Eine<br />

Geschichte gleicht nicht der anderen,<br />

aber Cover tun es zu oft. Thriller?<br />

Blut, weiß, schwarz und vielleicht<br />

ein metallener Gegenstand. Erotik?<br />

Nackt, violett, Blumen, Seide. Chicklit?<br />

Grafische Elemente, Pastelltöne,<br />

Blumen, Schnörkel. Fantasy? … Es<br />

wird klar, worauf das hinausläuft. Natürlich<br />

gibt es immer hervorragende<br />

Ausnahmen. Und natürlich kann ein<br />

Cover auch aus dem Buch sprechen,<br />

wenn es den Klischees entspricht.<br />

Das klingt wirr?<br />

Ein Cover muss funktionieren wie eine<br />

Fotografie, wie Kunst. Die Grundfeste<br />

der menschlichen Seele berühren,<br />

erschüttern. Wer hat noch kein Bild<br />

gesehen, bei dem man die Berührung<br />

am Herzen wie einen klammen<br />

Griff gespürt hat? Kunst lebt nicht von<br />

der Technik oder der Nähe zum Realismus.<br />

Kunst lebt von den Gefühlen,


die sie transportiert und die uns in<br />

jene Trance versetzen, die wir sehnlichst<br />

suchen. Im Grunde ist Kunst,<br />

die wir betrachten, ein Spiegelbild unseres<br />

Inneren, wenn wir genau hinschauen.<br />

Wir entscheiden nicht bewusst,<br />

welche Reflektion uns berührt.<br />

Natürlich geht meist eine gute Technik<br />

mit einem sprechenden Cover<br />

Hand in Hand. Aber darauf kommt<br />

es nicht an. Warum sonst funktioniert<br />

abstrakte Kunst? Farben und Formen<br />

können Dinge in uns auslösen, von<br />

denen wir selbst nichts wussten oder<br />

die wir bisher zu vergraben versucht<br />

haben. Unser Unterbewusstsein arbeitet<br />

auf einer abstrakten Ebene mit<br />

dem, was wir sehen, und verarbeitet<br />

es mit Erfahrungen und Eindrücken.<br />

Das passiert individuell, auch wenn<br />

wir Menschen immer auf Muster zurückgreifen.<br />

Vielleicht auch genau<br />

deswegen.<br />

Meine Aufgabe als Coverdesigner ist<br />

es nun, die Emotionen und inneren<br />

Eindrücke der Autoren mit dem gewünschten<br />

Spiegelbild der Leser in<br />

Einklang zu bringen.<br />

Was mir in meinem Portfolio besonders<br />

auffällt, ist eine Farbe: Violett.<br />

Sie ist für mich der perfekte Kompromiss<br />

zwischen der rosa Romanze<br />

und der dunkel-geheimnisvollen Fantasy<br />

mit dem Touch von unbestimmter<br />

Ernsthaftigkeit. Als sehr weibliche<br />

Farbe trifft diese den Großteil der<br />

Leserschaft und hat durch die unscharfen<br />

Kanten zu verschiedenen<br />

Eindrücken und Genres inzwischen<br />

universellen Charakter erreicht. Welches<br />

Genre kann man sich in der Farbe<br />

nicht vorstellen? Natürlich ist es<br />

nicht mein Bestreben, alle Bücher violett<br />

zu gestalten, damit sie ein möglichst<br />

breites Spektrum einfangen. Es<br />

ist meist besser, aus der Masse herauszustechen,<br />

solange man bewusst<br />

mit Nischenromanen auffallen möchte.<br />

Dennoch bietet diese Farbe wundervolle<br />

Nuancen. Ein Blau-Violett<br />

für den Weltraum-SciFi-Roman, ein<br />

etwas rötlicherer Ton für den Liebesroman<br />

und ein knalliges <strong>Lila</strong> für Fantasy.<br />

Dunkel wäre es für Mystery oder<br />

Thriller geeignet. Mit keiner anderen<br />

Farbe kann man so viele Inhalte wiederspiegeln.<br />

Vor allem bei schwierigen Covern –<br />

wenn es keine oder nur eine kleine<br />

Schnittmenge von Autor-Leser gibt<br />

– ist Violett von Nöten, um eventuell<br />

widersprüchliche Bildinhalte zu neutralisieren.<br />

Man darf das wiederum auch nicht<br />

einseitig sehen: Akzente durch Kontraste<br />

kann man auch erzeugen.<br />

Zusammenfassend ist die Farbe natürlich<br />

primär wichtig, um den Inhalt<br />

des Buches auf eine künstlerische<br />

Ebene zu transportieren. Genauso wie<br />

Motive, Titel, Autorenpseudonym …<br />

Meist sind die einfachsten Eindrücke<br />

die stärksten, das, was der<br />

Mensch sofort versteht und was er<br />

unterbewusst assoziiert. Die Tönung<br />

an erster Stelle.<br />

Aus der Perspektive eines Menschen<br />

mit künstlerisch-ästhetischem Anspruch<br />

in jedes einzelne Buchcover<br />

betrachte ich Bücher trotzdem nicht


anders. Es ist mir lediglich bewusst,<br />

welche bildsprachlichen Metaphern<br />

zu welchem Ergebnis führen. Als<br />

Autor ist es aber wichtig, zu wissen,<br />

dass man so etwas gezielt und bewusst<br />

einsetzen kann. Wenn euch<br />

also das nächste Mal ein Cover vorgeschlagen<br />

wird, dann fragt doch einfach:<br />

„Und warum ist das jetzt lila?“


von Diana Hillebrand von SCHREIBundWEISE<br />

Muss man einen Schreibkurs besucht<br />

haben, um Bücher zu schreiben<br />

oder als Autor anerkannt zu werden?<br />

Nein! Mit diesem eindeutigen<br />

Statement möchte ich in diesen Artikel<br />

starten. Trotzdem schlägt mein<br />

Herz für Schreibkurse und zwar nicht<br />

nur für die, die ich selbst gebe, sondern<br />

auch für die vieler engagierter<br />

Kollegen und Kolleginnen.<br />

Um das zu begründen, erlauben Sie<br />

mir, ein wenig auszuholen: Der Ursprung<br />

meiner Einstellung liegt – wie<br />

so oft – in der eigenen Erfahrung. Ich<br />

kann mich noch gut daran erinnern, wie<br />

ich mich vor über 20 Jahren mit meinen<br />

Texten in meiner Schreibecke im<br />

Dachgeschoss meiner Wohnung herumdrückte.<br />

Ich schrieb, konnte aber<br />

nicht einschätzen, ob das, was ich da<br />

schrieb, gut war. Zwar hatte ich meine<br />

Texte Freunden und Familie vorgelesen<br />

und durchaus positives Feedback<br />

erhalten, aber ich war misstrauisch.<br />

Trauten sie sich, mir die Wahrheit zu<br />

sagen? Würden sie auch ein Buch von<br />

mir kaufen, um es zu lesen?<br />

Was ich dringend brauchte, war eine<br />

neutrale Instanz und kritische, ehrliche<br />

Stimmen. Ich fand diese Kritiker<br />

in einer Schreibgruppe in München,<br />

die von einer ehemaligen Lektorin<br />

geleitet wurde. Wir trafen uns einbis<br />

zweimal im Monat, lasen vor,<br />

gaben uns gegenseitig ein ehrliches<br />

Feedback und veranstalteten regelmäßig<br />

Lesungen. Ich war fast 18<br />

Jahre Mitglied dieser Gruppe und<br />

die monatlichen Treffen gehörten zu<br />

meinen Highlights meines Alltags.<br />

Doch das reichte mir nicht! Ich wollte<br />

auch konkrete Hilfestellungen, wollte<br />

verschiedene Schreibtechniken<br />

kennenlernen und schauen, was ich<br />

davon für mich anwenden konnte.<br />

Ich besuchte in dieser Zeit sehr viele<br />

Schreibkurse und las etliche Schreibratgeber.<br />

Zwar war ich mit dem Autor<br />

oder Dozenten nicht immer einer<br />

Meinung, aber immer nahm ich<br />

irgendetwas mit. Mit der Zeit lernte<br />

ich, dass ein Teil meiner Geschichten<br />

aus dem Gefühl heraus entstanden,<br />

ein anderer Teil aber bearbeitet<br />

und geschliffen werden musste.<br />

Und ich lernte, dass mein erstes<br />

Buch wohl nicht über Nacht entstehen<br />

würde! So schrieb ich rund 20<br />

Jahre, traf mich mit anderen Autoren,<br />

schrieb, schrieb und schrieb und<br />

zwar vorwiegend morgens zwischen<br />

vier und sechs Uhr, vor meiner Arbeit


als Rechtsfachwirtin. In dieser Zeit<br />

gab ich regelmäßig Fachseminare<br />

an der Rechtsanwaltskammer München<br />

und war dort auch im Prüfungsausschuss.<br />

Was war naheliegender,<br />

als meine Seminar- und Schreiberfahrungen<br />

zu bündeln und Schreibseminare<br />

zu geben?<br />

2006 nutzte ich die Elternzeit, um<br />

als Schriftstellerin und Dozentin für<br />

Kreatives Schreiben durchzustarten.<br />

Ich wollte einen Ort für Autoren und<br />

zum Schreiben schaffen, so wie ich<br />

ihn mir selbst gewünscht hätte und<br />

teilweise auch gefunden habe. Doch<br />

ich wollte es noch besser machen!<br />

Außerdem wollte ich davon und<br />

vom Schreiben leben. 2006 war die<br />

Geburtsstunde der WortWerkstatt<br />

SCHREIBundWEISE in München<br />

und heute weiß ich sehr genau, was<br />

Schreibkurse leisten können und<br />

was sie auf keinen Fall leisten können!<br />

Schreibkurse bieten eine Möglichkeit,<br />

Menschen mit den gleichen<br />

Interessen an einem Tisch zusammenzubringen.<br />

Bestenfalls kommen<br />

diese Menschen in einen Raum, in<br />

dem sie sich sofort wohlfühlen. Ein<br />

Schreibseminar bietet eine in sich<br />

geschützte vertrauensvolle Atmosphäre,<br />

in der man offen über seine<br />

Problematiken und Fragen sprechen<br />

kann. Natürlich finden Sie dies auch<br />

in einer offenen Schreibgruppe, dafür<br />

müssen Sie keinen Kurs buchen und<br />

bezahlen. Bezahlen müssen Sie in<br />

einem Schreibkurs für einen Kursleiter,<br />

der idealerweise selbst schreibt,<br />

sich intensiv vorbereitet, individuell<br />

auf Sie und Ihren Text eingeht und<br />

Ihnen – beispielsweise mit Schreibübungen<br />

– dabei hilft, Ihre Geschichte<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Ich weiß natürlich um die Angst<br />

einiger angehender Autoren, dass<br />

der Dozent sich als der allwissende<br />

Oberlehrer aufschwingt und jeden<br />

Keim der Kreativität erstickt. Jetzt<br />

kann ich natürlich nur für mich und<br />

einige Kollegen sprechen, die ich<br />

mit den Jahren kennengelernt habe:<br />

Dem ist nicht so! Und so sollte es<br />

auch nicht sein. Ich fühle mich nicht<br />

allwissend und werde niemandem<br />

meinen Stempel oder Stil aufdrücken.<br />

Vielmehr möchte ich den Teilnehmern<br />

meiner Kurse Möglichkeiten<br />

aufzeigen, gute Texte vielleicht<br />

noch besser zu machen. Ich habe<br />

Schreibübungen entwickelt, die helfen<br />

sollen, die Geschichte weiterzubringen,<br />

Hürden zu nehmen, Anfänge<br />

zu finden. Ich möchte zeigen, was<br />

für Werkzeuge Sie haben, mit Ihren<br />

Texten zu arbeiten. Die Entscheidung,<br />

was Sie als Autor davon umsetzen,<br />

liegt natürlich allein bei Ihnen!<br />

Nach fast zehn Jahren Erfahrung als<br />

Dozentin weiß ich, dass das funktioniert.<br />

Einige meiner Teilnehmer


haben einen Verlag gefunden oder<br />

sind den Weg des Selfpublishing gegangen.<br />

Auch darüber informiere ich<br />

in meinen Schreibkursen. Es gibt so<br />

viele Fragen, die am Anfang (und am<br />

Ende) eines Buchprojektes stehen.<br />

Wie fange ich an? Braucht man einen<br />

ausgetüftelten Plotplan? Wie lege ich<br />

die Figuren an? Wo und wie kann ich<br />

veröffentlichen? Wie kann ich mich<br />

als Autor vermarkten? Wie nutze ich<br />

die sozialen Netzwerke?<br />

Ich bin als Autorin all diese Schritte<br />

selbst gegangen und gebe meine<br />

Erfahrungen gern weiter. Es macht<br />

mir Spaß zu sehen, wie neue Bücher<br />

entstehen und ich freue mich über<br />

jedes neue Buch, das seinen Weg<br />

findet. Ich gebe meine Kurse nicht,<br />

um meine Teilnehmer zu beeinflussen<br />

oder zu manipulieren, sondern<br />

um sie zu unterstützen. Viele meiner<br />

Kursteilnehmer kommen über Jahre<br />

regelmäßig wieder. Sie erzählen, zu<br />

Hause hätten sie gar nicht mehr oder<br />

nur noch wenig geschrieben. Auch<br />

das können Schreibkurse: Sie können<br />

motivieren dranzubleiben und<br />

durchzuhalten. Lassen Sie sich von<br />

den anderen Teilnehmern mitreißen<br />

und nehmen Sie diese Energie mit<br />

nach Hause, wenn Sie wieder allein<br />

am Schreibtisch sitzen. Schreibkurse<br />

sind nicht böse, es können Freunde<br />

sein. Natürlich nur, wenn Sie sich in<br />

einer Gruppe wohlfühlen und bereit<br />

sind, sich ein Stück weit zu öffnen.<br />

Es gibt Autoren, die wollen das nicht,<br />

das ist völlig okay. Man muss keinen<br />

Schreibkurs besuchen, um ein Buch<br />

zu schreiben. Das ist auch gut so. Jeder<br />

muss seinen eigenen Weg finden.<br />

Reich werde ich mit meinen Schreibkursen<br />

übrigens nicht. Weil ich aus<br />

eigener Erfahrung weiß, dass es oft<br />

Jahre dauert, bis man soweit ist, sein<br />

Buch fertigstellen zu können, halte<br />

ich die Kursgebühren gering. Stattdessen<br />

setze ich auf das Langzeitprojekt<br />

Schreiben. Für jeden Kurs<br />

denke ich mir neue Schreibübungen<br />

aus, bringe frische Textbeispiele aus<br />

der Literatur mit und gehe individuell<br />

auf meine Teilnehmer ein. Für alle,<br />

die lieber zu Hause schreiben wollen,<br />

sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich<br />

gerade auch eine zweibändige Ratgeber-Edition<br />

unter dem Titel „Heute<br />

schon geschrieben?“ im Uschtrin<br />

Verlag herausgebracht habe, in der<br />

120 Schreibübungen, viele Textbeispiele<br />

und Anekdoten aus meinen<br />

Schreibkursen versammelt sind. Die<br />

Reihe ist auch in 10 Einzelbänden<br />

als E-Books erhältlich.<br />

Ich glaube, Schreibkurse haben<br />

ihre Berechtigung. Sie können Autoren<br />

helfen, mit ihren Schreibprojekten<br />

weiterzukommen. Schreibdozenten<br />

können aber selbstverständlich<br />

keinen Buchvertrag zusichern, sie<br />

können keine Bestseller versprechen<br />

und sie können Ihnen das Schreiben<br />

auch nicht abnehmen. Aber das wollen<br />

Sie ja auch gar nicht, oder?<br />

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel<br />

Spaß beim Schreiben, getreu meinem<br />

Motto: Heute schon geschrieben?<br />

Wenn Sie noch weitere Fragen zu<br />

dem Thema haben, melden Sie sich<br />

gern bei mir!


estiegen wir ein boot<br />

ließen die küste<br />

hinter uns<br />

während ich dich küsste<br />

versank der sichelmond im meer<br />

du warst mir endlich nah<br />

so wie der alltag dunkelfern<br />

und als der morgen tauchte<br />

uns in grau<br />

kehrten wir zurück.<br />

von Elsa Rieger


von René Grandjean<br />

„In the future, everyone will be worldfamous<br />

for 15 minutes“, sagte Andy<br />

Warhol im Jahr 1968 und er hatte<br />

keine Ahnung, wie viel weiter es noch<br />

gehen sollte. Vielleicht würde er heute<br />

sagen, dass in der Zukunft jeder<br />

ein klein wenig unsterblich sein kann,<br />

wenn er sich entscheidet, ein E-Book<br />

zu veröffentlichen. Denn solange<br />

Amazon, Neobooks, Beam und die<br />

vielen anderen Distributoren für digitale<br />

Literatur ihre Server nicht herunterfahren,<br />

geistern sie durch das<br />

Netz, die Geschöpfe unserer Fantasie,<br />

Helden und Verlierer, Kommissare<br />

und Schurken, Kannibalen, Spione,<br />

Hexen, Zauberer und mit ihnen<br />

immer ein Teil der Seele des Autors.<br />

Meine, Deine, unsere kleine digitale<br />

Unsterblichkeit.<br />

Zugegeben, das ist jetzt eine sehr<br />

optimistische Sicht der Dinge, und<br />

natürlich veröffentlichen die meisten<br />

Indie-Autoren auch Taschenbücher,<br />

weil es so wundervoll ist, das eigene<br />

Werk in Händen zu halten. Dennoch<br />

sind die Vorteile des E-Books nicht<br />

von der Hand zu weisen. Da wäre<br />

die Möglichkeit, jederzeit Änderungen<br />

im Text vorzunehmen, was allerdings<br />

Fluch und Segen zugleich ist,<br />

weil ich mich kaum noch traue, eines<br />

meiner Bücher auch nur querzulesen<br />

- es gibt immer etwas zu verbessern.<br />

So grämt euch nicht, junge Autorinnen<br />

und Autoren, falls es euch nicht<br />

gelingen will, eine Literaturagentur<br />

oder einen Verlag von eurer Arbeit<br />

zu überzeugen. Seht die Chance.<br />

Ihr seht sie nicht? Okay, ich helfe<br />

euch gern ein wenig auf die Sprünge:<br />

Genre-Unabhängigkeit! Keine<br />

Abgabetermine! Frei in der Wahl des<br />

Lektors, des Coverdesigners, frei in<br />

der Gestaltung der Geschichte, der<br />

Figuren, frei bei der Schöpfung eures<br />

eigenen kleinen Universums (ja,<br />

Du bist Gott, aber behalte das unbedingt<br />

für Dich!).<br />

Meinen ersten Roman „Der Sommer<br />

der Vergessenen“ schrieb ich<br />

noch mit dem festen Ziel, einen Verlag<br />

für die Veröffentlichung zu gewinnen.<br />

Nur so, dachte ich, kann


ich professionell schreiben. Zwar<br />

ist es mir heute nicht gegönnt, von<br />

der Schreiberei zu leben (das wäre<br />

mit einem Verlagsvertrag mit großer<br />

Wahrscheinlichkeit aber auch nicht<br />

anders), dafür genieße ich die oben<br />

aufgeführten Aspekte umso mehr. Es<br />

kostete mich seinerzeit einiges an Arbeit,<br />

die Kompromisse wieder zu entfernen,<br />

die ich – den Markt im Hinterkopf<br />

– beim Schreiben des Buches<br />

eingegangen war. Aber wem erzähle<br />

ich das, die meisten <strong>Qindie</strong> Autoren<br />

haben ihre Hausaufgaben gemacht,<br />

viele sogar weitaus gründlicher als<br />

ich kleiner Schmierfink. Machen wir<br />

lieber eine Rolle rückwärts und wenden<br />

uns denen zu, die gerne mit dem<br />

Schreiben beginnen möchten. Den<br />

unbeschriebenen Blättern, den Rookies,<br />

den Halbstarken oder auch Unverbrauchten,<br />

je nach Blickwinkel.<br />

Du hattest Deutsch LK im Abi oder<br />

hast kürzlich ein Buch gelesen, das<br />

so mies war, dass Du ein besseres<br />

schreiben musst? Dir ist ein Schicksal<br />

widerfahren, das Du mit anderen<br />

teilen willst? Du denkst jetzt:<br />

„Ja, Schlauberger, ich schleppe Ideen<br />

mit mir herum, besser als Harry<br />

Potter, mit mehr Sex als Shades of<br />

Grey und doppelt so viel Horror wie<br />

Shining!“ Sehr gut, junger Padawan,<br />

dann hast Du den ersten Schritt getan.<br />

Nein, nicht den ersten Schritt<br />

zum Durchdrehen (obwohl, ja, vielleicht<br />

auch den). Ich meine den ersten<br />

Schritt zum Autor und zu ein ganz<br />

klein wenig Unsterblichkeit. Natürlich<br />

muss jeder Mensch im Leben seine<br />

Fehler selbst machen, ich mache die<br />

meisten sogar mehrmals. Trotzdem<br />

möchte ich im Folgenden ein paar<br />

Tipps zum Besten geben, was Du<br />

tun kannst, wenn Dir eine oder mehrere<br />

innere Stimmen mit einer Idee<br />

für einen Roman auf die Nerven gehen.<br />

Mögen sie dem einen oder der<br />

anderen nützen (die Tipps, vielleicht<br />

auch die Stimmen) und ihn oder sie<br />

vor einer langen, kostspieligen Therapie<br />

bewahren.<br />

Die Muse ist eine unzuverlässige<br />

Pfeife<br />

Warte nicht darauf, in literarisch<br />

verzückte Stimmung zu geraten.<br />

Nicht die barfüßigen, langhaarigen<br />

Quatschköpfe in ausgebeulten<br />

Cordhosen schreiben große Romane,<br />

sondern (so leid es mir tut) die<br />

Fleißigen, die Hartnäckigen, die Ausdauernden.<br />

Ich setze mich jeden Tag<br />

hin und schreibe. Natürlich kommt<br />

da mal mehr bei heraus, mal weniger,<br />

oft nichts. Manchmal starre ich<br />

nur auf den blinkenden Cursor, bin<br />

leer, ausgelaugt, vom Tagewerk bereits<br />

geschröpft, aber ich lege meine<br />

Finger auf die Tasten des Laptops.<br />

Bei Hitze, bei Kälte, mit Kopfschmerzen,<br />

müde, albern, traurig, fröhlich.<br />

Schreib!<br />

Beobachte und lausche<br />

Hin und wieder mal den MP3-Player<br />

ausmachen und die Kopfhörer abnehmen<br />

kann erhellend sein. Manchmal<br />

wird man gezwungen, Gespräche<br />

zu belauschen, die schwer zu ertragen<br />

sind, denn es gibt eine Menge<br />

seltsamer Typen da draußen. Doch<br />

selbst die alltäglichste Situation kann<br />

eine Inspiration sein. Kürzlich saß


ich in der Straßenbahn neben einem<br />

offensichtlich frisch verliebten jungen<br />

Paar. Mir gegenüber saß eine<br />

nicht mehr junge, dickliche Frau, die<br />

sehr muffig dreinschaute. Im Laufe<br />

der Fahrt, das turtelnde Paar im Augenwinkel,<br />

kam mir ein absurder Gedanke:<br />

Was würde geschehen, wenn<br />

ich meinem schlecht gelaunten Gegenüber<br />

unvermittelt einen feuchten<br />

Kuss aufdrücken würde? Bekäme<br />

ich verdientermaßen eine Ohrfeige,<br />

würde sie den Kuss erwidern, mich<br />

mit einem fröhlichen Lächeln belohnen?<br />

Eine gute Einstiegsszene für<br />

einen Roman über einen verzweifelten<br />

Single auf der Suche nach Liebe,<br />

finde ich.<br />

Deine innere Stimme sagt, Du<br />

sollst alles anzünden? Dann mal<br />

ran<br />

Vertraue auf Deinen Instinkt, auf Deine<br />

Ideen. Schreibe, was Dir gefällt.<br />

Versuche nicht, Deinen Lieblingsautor<br />

zu kopieren. Sicher macht es<br />

Sinn, zu beobachten, wie andere Autoren<br />

ihre Geschichten strukturieren,<br />

Spannung aufbauen, wie die Figuren<br />

sich entwickeln etc., aber Du kannst<br />

nicht glaubwürdig mit einer fremden<br />

Stimme sprechen. Finde Deine eigene.<br />

Und das geht nur, indem Du<br />

es tust. Schreibe so oft wie möglich<br />

und überall, wo man Dich lässt. Eine<br />

Gastrezension in einem Blog, eine<br />

Kurzgeschichte hier, ein Beitrag da,<br />

so streust Du Deinen Namen und bekommst<br />

Feedback.<br />

Notizen, Notizen, Notizen<br />

Ich bewege mich niemals ohne Notizbuch<br />

oder Smartphone aus dem<br />

Haus, um stets die Möglichkeit zu<br />

haben, Ideen zu notieren. Jede Kleinigkeit<br />

kann wichtig sein. Sei es ein<br />

Name für eine Figur, eine Wendung<br />

in der Geschichte, ein Titel oder die<br />

Einkaufsliste für das Abendessen.<br />

Inspirationen lauern an den seltsamsten<br />

Plätzen. Zettel und Stift<br />

neben dem Bett können über Leben<br />

und Tod einer Romanfigur entscheiden.<br />

Über das Schicksal einer<br />

Welt. Nimm Dir Zeit, Deine Figuren<br />

zu entwickeln. Statte sie mit unverwechselbaren<br />

Eigenschaften aus.<br />

Ich mag es, in die Extreme zu gehen,<br />

in meinen Büchern und mit den Lesern<br />

soll etwas geschehen. In dieser<br />

Entwicklungsphase sollte Dein innerer<br />

Kritiker Pause haben. Nimm Dir<br />

Zeit, lass sie wachsen und gedeihen.<br />

Rom wurde auch nicht an einem Tag<br />

erbaut. (Aber in einer Nacht abgefackelt.<br />

Schade drum.)<br />

Walk tall (or don’t walk at all)<br />

Ich glaube, dass niemand in meinem<br />

Umfeld daran geglaubt hat, dass ich<br />

einen Roman zu Ende bringen könn-


te. Beginnen ja, aber nicht vollenden<br />

(da guckt ihr, was?). Wenn Du<br />

schreibst, dann tue dies mit stolzgeschwellter<br />

Brust. Du hast es begonnen,<br />

das ist schon viel mehr, als<br />

andere jemals zustande bringen.<br />

Der besoffene Typ an der Theke<br />

links neben Dir erzählt, dass er mindestens<br />

drei Romane im Kopf hat?<br />

Lass ihn quatschen und ignoriere<br />

sein Gefasel. Ein Autor bist Du, weil<br />

Du schreibst, Dich quälst, Dich bemühst,<br />

scheiterst und weitermachst,<br />

fällst und aufstehst, verzweifelst und<br />

triumphierst. Du wirst sehen, die<br />

Schreiberei ist eine grausame Braut.<br />

Manchmal auch süß wie Zuckerwatte,<br />

wie der junge Morgen, wie ein Tag<br />

am Meer, aber meistens eine grausame<br />

Braut. Also sprich gar nicht erst<br />

mit dem Möchtegern neben Dir über<br />

Deine Ideen, Deinen Roman, Deine<br />

Geschichte. Er wird es besser wissen,<br />

weil er es nicht ertragen kann,<br />

dass Du tust, wovon er nur träumt.<br />

Offline<br />

Mal eben auf Facebook vorbeischauen,<br />

mal eben nachsehen, ob es neue<br />

Rezensionen gibt, wie wird eigentlich<br />

das Wetter morgen? Ich für meinen<br />

Teil bin i. d. R. offline, wenn ich<br />

schreibe. Natürlich bleiben da noch<br />

genug andere Ablenkungen übrig.<br />

Du musst aber auch nicht zwangsläufig<br />

zuhause schreiben, wenn das<br />

Telefon zu oft klingelt.<br />

Soundtrack<br />

Die richtige Musik versetzt mich in<br />

entsprechende Stimmungen. Besonders<br />

Soundtracks mit zahlreichen<br />

instrumentalen Tracks sind dafür<br />

bestens geeignet, weil Gesang mich<br />

ablenkt. Bei Twin Peaks schreibe ich<br />

anders als bei Tron.<br />

Schreiblehrer<br />

Mit denen ist es wie mit dem richtigen<br />

Haustier: Nicht jeder Lehrer passt zu<br />

jedem Schüler. Es kann ja auch nicht<br />

jeder eine Ente als Hut tragen, ohne<br />

blöde auszusehen. Manchen ist das<br />

gegönnt. Für meinen zweiten Roman<br />

„Make new Memory oder wie ich von<br />

vorn begann“ (die Namen meiner<br />

beiden Romane im Text unterbringen<br />

– Check) habe ich einen Schreibkurs<br />

bei Rainer Wekwerth belegt. Was<br />

soll ich sagen, er war mein Yoda,<br />

auch wenn er nicht so lustige grüne<br />

Eselsohren hat. Sicher ist Schreiben<br />

ein Handwerk, das es zu erlernen<br />

gilt, zu üben, aber ein Funke Talent,<br />

ein Gefühl für Sprache und im Idealfall<br />

ein Wortschatz von mehr als<br />

zehn Vokabeln sind schon hilfreich.<br />

Rainer lehrte mich, eine Idee strukturiert<br />

anzugehen, meine Figuren<br />

zu entwickeln, zu plotten oder eben<br />

nicht, Spannung zu erzeugen, ein<br />

Exposé zu schreiben (wer weiß, wofür<br />

das noch mal gut ist) etc. Ich werde<br />

auch nicht eine seiner Lektionen<br />

verraten, möchte ihn aber als Lehrer<br />

uneingeschränkt empfehlen (nein,<br />

ich bekomme dafür keine Provision).<br />

Und wenn Rainer Dir sagt, dass Du<br />

besser wieder Fußball spielen oder<br />

das Geld für den Kurs in eine Playstation<br />

investieren solltest, dann hat<br />

er mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

recht. Nicht zu vergessen und ganz


wichtig: Viele große Autoren haben<br />

ohne einen Schreiblehrer ihren Weg<br />

gemacht, viele kleine Autoren taten<br />

dies trotz Schreiblehrer nicht.<br />

Viele Köche verderben den Brei<br />

Testleser sind eine gute Sache.<br />

Wichtig ist, die richtigen für Dich zu<br />

finden. Ich für meinen Teil lasse mir<br />

nicht in die Karten schauen, bevor<br />

der rohe, unlektorierte Entwurf des<br />

Romans nicht fertig ist. Warum? Weil<br />

es mich ankotzt, wenn Leute mir reinquatschen<br />

wollen. Mal ehrlich, darum<br />

schreibe ich. Das Leben zwingt<br />

uns schon genug Kompromisse auf<br />

– nicht so im Reich meiner Fantasie.<br />

Deine beste Freundin sagte Dir einst,<br />

dass Du in deinem rosa Ballkleid mit<br />

Spaghettiträgern nicht fett aussiehst,<br />

aber der halbe Ballsaal schüttelte<br />

sich vor Lachen, als Du eintratest?<br />

Dann ist sie als Testleserin echt nicht<br />

geeignet (Ihr könnt aber trotzdem<br />

beste Freundinnen bleiben). Suche<br />

Dir Testleser, die Dir emotional nicht<br />

so nah stehen, dass sie Dir nicht die<br />

Wahrheit sagen, aus Angst, Dich zu<br />

verletzen. Und niemals ohne Lektorat<br />

oder wenigstens Rechtschreibkorrektur<br />

etwas veröffentlichen. Kein Aber!<br />

Niemals!


von Asta Roth<br />

I.<br />

Luisa gefiel das Haus vom ersten<br />

Augenblick an. Sie konnte nicht verstehen,<br />

wieso dieses Schmuckstück<br />

mit den großen Erkerfenstern und<br />

dem üppigen, dem Waldrand zugewandten<br />

Balkon praktisch für einen<br />

Apfel und ein Ei zu haben gewesen<br />

war.<br />

„Und, was sagst du?“ Sie blickte<br />

zur Seite auf Jochen, der mit den<br />

Händen in den Hosentaschen neben<br />

ihr stand.<br />

„Sieht solide aus.“<br />

„Solide? Ist das alles, was dir dazu<br />

einfällt? Das ist ein ech-tes Schmuckstück.<br />

Schau dir nur dieses Fachwerk<br />

an.“<br />

„Ich hoffe nur, es ist wirklich so stabil,<br />

wie es aussieht. Bei alten Balken<br />

muss man immer damit rechnen,<br />

dass sie morsch sind oder der Holzwurm<br />

drin ist.“<br />

„Du hast doch die Expertise gesehen.“<br />

Luisa knuffte Jo-chen. Dieser<br />

trat einen Schritt zur Seite aus dem<br />

Schlagbereich ihrer Hand.<br />

„Ja“, sagte er. „Aber kannst du mir<br />

mal erklären, wieso dieses Haus so<br />

billig ist? Noch dazu möbliert.“<br />

„Das habe ich mich auch schon gefragt.<br />

Vielleicht liegt es daran, dass<br />

es recht weit vom Stadtrand entfernt<br />

liegt. Hier gibt es weit und breit keinen<br />

Supermarkt, keine Gaststätten,<br />

nur den Wald und die Landstraße.“<br />

„Was, hatte der Makler gesagt, war<br />

mit dem Vorbesitzer passiert?“<br />

„Ist im Bett gestorben. Herzstillstand.<br />

Nichts Außerge-wöhnliches.“<br />

Luisa verschwieg das seltsame Detail,<br />

das der Makler erwähnt hatte.<br />

Die beiden jungen Leute betraten<br />

das Haus und sahen sich um. Jochen<br />

sagte, er wolle sich als Erstes<br />

den Keller ansehen, wolle prüfen, ob<br />

der auch wirklich trocken war.<br />

„Gut“, sagte Luisa. „Ich sehe mich<br />

oben um. Wir treffen uns danach hier<br />

und erkunden gemeinsam das Erdgeschoss.“<br />

„In Ordnung.“ Schon war Jochen<br />

Richtung Keller unter-wegs.<br />

Luisa stieg die geschwungene<br />

Treppe aus dunklem Holz in den ersten<br />

Stock hinauf. Oben erwartete sie<br />

ein Gang, der mit einem verschlissenen,<br />

dunkelgrünen Teppich ausgelegt<br />

war. Von dem Gang gingen<br />

rechts drei Türen ab. Ein Geländer<br />

schloss ihn gegen die Halle ab und<br />

verhinderte, dass man hin-unterstürzte,<br />

wenn man unaufmerksam<br />

oder im Dunkeln dort entlang ging.


Die erste Tür führte in ein sehr geräumiges<br />

Badezimmer. Mitten darin<br />

stand eine Wanne auf Löwenfüßen,<br />

die sicherlich groß genug für Luisa<br />

und Jochen gemeinsam war. Eine<br />

Rohr-leitung führte an der Decke entlang<br />

und endete über der Wanne in<br />

einem Duschkopf aus Kupfer.<br />

„Meine Güte“, quietschte Luisa begeistert.<br />

Sie machte sich auf den Weg ins<br />

nächste Zimmer. Dieses war noch<br />

größer als das Bad. Die gesamte<br />

Wand links der Tür wurde von Schränken<br />

eingenommen, die fast bis unter<br />

die De-cke reichten. Vor dem Fenster<br />

stand ein zierlicher Tisch aus Mahagoni<br />

und links und rechts von diesem<br />

je ein Ohrensessel, der so im Raum<br />

stand, dass jemand der darin saß, bequem<br />

aus dem Fenster auf den Wald<br />

blicken konnte. Rechts vom Fenster<br />

führte eine Tür auf den großen Balkon.<br />

Luisa sah das schmie-deeiserne<br />

Gitter mit den Amorfiguren an beiden<br />

Ecken. Amors Pfeil deutete jeweils in<br />

die Mitte des Balkons.<br />

Luisa nickte, als bejahe sie eine ungestellte<br />

Frage, dann ver-ließ sie diesen<br />

Raum und wandte sich dem dritten<br />

Zimmer zu, eben jenem Raum,<br />

in dem der letzte Besitzer tot im Bett,<br />

aufgefunden worden war, völlig nackt<br />

und mit versteiftem Penis. Das hatte<br />

ihr der Makler erzählt.<br />

„Muss ausgesehen haben, als hätte<br />

er den schönsten denk-baren Tod<br />

gehabt, direkt während eines Liebesakts.<br />

Verzei-hung!“ Bei diesen Worten<br />

war der noch sehr junge Mann rot<br />

geworden.<br />

Luisa öffnete die Tür und spürte,<br />

dass ihr Herz ein paar zu-sätzliche<br />

Schläge ausführte. Entschlossen trat<br />

sie ein. Nichts Besonderes war zu<br />

entdecken. Der Raum erwies sich als<br />

deut-lich kleiner als Bad und Balkonzimmer.<br />

Er beherbergte ein bemaltes<br />

Bauernbett. Dieses war sicherlich ursprünglich<br />

nur für eine Person vorgesehen,<br />

aber breit genug, um zumindest<br />

ein frisch verliebtes Paar ohne<br />

Probleme aufzunehmen.<br />

Direkt an der Wand gegenüber dem<br />

Bett stand ein manns-hoher Spiegel<br />

in einem ebenfalls aus Mahagoni<br />

gefertigtem Rahmen. In das dunkle<br />

Holz waren feine Intarsien aus einem<br />

helleren eingearbeitet, das Luisa<br />

nicht identifizieren konnte. Sie zeigten<br />

seltsam verschlungene Muster,<br />

die den Blick Luisas fesselten. Wie<br />

Beschwörungsformeln in einer vergessenen<br />

Sprache rankten sie sich<br />

um den Spiegel. Nur mit Mühe gelang<br />

es Luisa, sich abzuwenden. Sie<br />

schüttelte den Kopf und mur-melte:<br />

„Blödsinn, das Ding kommt einfach<br />

raus. Und das Bett auch.“ Sie machte<br />

auf dem Absatz kehrt und ging in<br />

die Halle hinunter.<br />

Jochen war bereits aus dem Keller<br />

zurückgekehrt.<br />

„Alles in Ordnung da unten. Die<br />

Elektroinstallation sieht sehr neu<br />

aus. Beim Wasser ist das anders,<br />

aber es scheint alles okay zu sein.<br />

Was ist oben?“<br />

„Ein riesiges Bad, das Balkonzimmer<br />

und ein kleines Schlafzimmer.<br />

Da lassen wir die alten Möbel rausschmeißen.<br />

Die gefallen mir nicht.“<br />

„Ist das der Raum, wo der Vorbesitzer<br />

gestorben ist?“<br />

„Ja.“ Luisa nickte.<br />

„Du bist wohl doch abergläubisch?“


„Quatsch. Aber die Möbel sind absolut<br />

nicht mein Ding. Ich nehme an,<br />

das wird auch in ein paar anderen<br />

Zimmern so sein.“<br />

„Schauen wir mal.“ Jochen machte<br />

sich schon auf den Weg das Erdgeschoss<br />

in Augenschein zu nehmen.<br />

Als sie alles gesehen hatten, waren<br />

sie sich sicher, dass sie dieses<br />

Haus nehmen würden. Sie würden<br />

es kaufen, den alten Plunder rauswerfen<br />

und einziehen, sobald es mit<br />

neuen Möbeln ausgestattet war. Und<br />

so kam es.<br />

II.<br />

„Was macht der Spiegel noch<br />

hier?“, fragte Luisa den Mann von der<br />

Umzugsfirma, die sowohl für die Entsorgung<br />

der alten Möbel als auch für<br />

den Transport der neuen verantwortlich<br />

zeichnete.<br />

„Keine Ahnung.“ Der Mann zuckte<br />

nur mit den Schultern.<br />

„Er stand aber auf der Liste“, begehrte<br />

Luisa auf. „Der muss raus.“<br />

„Ich rufe mal im Büro an. Vielleicht<br />

wissen die mehr.“ Der Mann ging auf<br />

den Flur und anschließend ins Balkonzimmer.<br />

Dort stellte er sich auf<br />

den Balkon, um ungestört telefonieren<br />

zu können. Als er wieder zu Luisa<br />

kam, hatte er schlechte Nachrichten<br />

für sie.<br />

„Die haben gesagt, der kann nicht<br />

raus.“<br />

„Wieso?“<br />

„Muss irgendwie so in die Wand eingelassen<br />

sein, dass Ihnen der ganze<br />

Giebel zusammenfällt, wenn Sie ihn<br />

rausma-chen lassen. Haben die im<br />

Büro gesagt“, schob er rasch nach,<br />

um jede Verantwortung von sich zu<br />

weisen.<br />

„Dann müssen wir wohl damit leben“,<br />

sagte Luisa resig-niert. Sie<br />

sah wieder zum Spiegel hin, bekam<br />

eine leichte Gän-sehaut und wandte<br />

sich rasch ab. Sie würde ein großes<br />

Tuch besorgen und das Monstrum<br />

abdecken, hatte sie beschlossen.<br />

Die erste Woche im neuen Haus<br />

verlief ohne Zwischenfälle. Schließlich<br />

kam der Tag, an dem Luisa<br />

das Tuch vor den Spie-gel hängen<br />

wollte. Es war ein Dienstag. Jochen<br />

musste zeitig am Morgen ins Büro.<br />

Er hatte am Abend zuvor gesagt, er<br />

müs-se besonders pünktlich sein,<br />

weil sein Chef irgendwelche Neukunden<br />

durch die Räumlichkeiten<br />

führen wollte. Da musste jeder Mitarbeiter<br />

an seinem Platz sitzen und<br />

fleißig sein.<br />

Jochen hatte sich von Luisa, die<br />

noch in den warmen Kissen lag,<br />

mit einem Schmatz auf die Wange<br />

verabschiedet. Gern hätte die ihren<br />

Mann umarmt und zurück ins Bett<br />

gezogen, aber sie wusste, es ging<br />

nicht, sie musste ihn gehen lassen,<br />

damit er Geld verdiente. Geld, das<br />

sie brauchten, um dieses wunderbare<br />

Haus zu bezahlen.<br />

Seit sie hier eingezogen waren,<br />

hatte Jochen noch nicht wieder mit<br />

ihr geschlafen, wurde Luisa bewusst.<br />

Ob er eine Andere hatte?<br />

Luisa schüttelte unwillig den Kopf.<br />

So ein Ge-danke war ja lächerlich.<br />

Andererseits, auch schon vor ihrem<br />

Umzug waren Jochens Liebesbeweise<br />

spärlicher geworden. Und immer<br />

blieb es bei kurzen Nummern.<br />

Es kam Luisa eher so vor, als würde<br />

Jochen eine lästige Pflicht hinter<br />

sich bringen, wenn er sie lieb-


te, statt eine genussvolle Zeit mit ihr<br />

auszukos-ten.<br />

Später am Tag stand Luisa mit einem<br />

großen Tuch bewaff-net vor<br />

dem Spiegel im hinteren Zimmer des<br />

oberen Stock-werks. Sie schaute auf<br />

ihr Abbild. Da stand Luisa, eine junge<br />

Frau, noch nicht ganz dreißig, ihre<br />

großen Brüste waren noch immer<br />

straff. Die runden, roten Höfe schauten<br />

wie Augen aus dem Spiegel heraus,<br />

die Nippel hart aufgerichtet.<br />

Das lange blonde Haar umfloss<br />

ein Gesicht von angedeuteter Dreiecksform<br />

mit einer schmalen, spitzen<br />

Nase, dunklen Augen und roten, vollen<br />

Lippen. Das gleiche blonde Haar<br />

zeigte sich zwischen ihren Schenkeln.<br />

Aber dieses Haar bildete dort<br />

keinen Busch, wie es so abwertend<br />

heißt, sondern eher einen gut gepflegten<br />

Rasen. Früher hatte Jochen<br />

sie dort immer gern geleckt, aber diese<br />

Berührungen mit der Zunge waren<br />

in den letzten Monaten ebenfalls<br />

spärlich geworden. Luisa seufzte.<br />

Sie stutzte. Wieso zeigte der Spiegel<br />

ihr Abbild unbeklei-det? Sie stand<br />

doch in einem samtenen dunkelblauen<br />

Hausan-zug davor. Darunter waren<br />

ihre Brüste ordentlich in einem<br />

BH verstaut und ein Spitzenhöschen<br />

verdeckte ihre Scham.<br />

Die Luisa im Spiegel tat etwas Unerhörtes.<br />

Langsam beugte und spreizte<br />

sie die Beine und öffnete dabei ihre<br />

Scham. Eine Hand wanderte zu dem<br />

Haardreieck hinunter. Erst streichelte<br />

diese Hand über ihren Bauch, dann<br />

arbeitete sie sich zu ihrer Spalte vor.<br />

Luisa öffnete leicht den Mund in<br />

Erstaunen über das, was ihr Spiegelbild<br />

da tat. Während sie sich selbst<br />

dabei zusah, wie sie ihre Hände zu<br />

ihren Schamlippen wandern ließ,<br />

entglitt das Tuch ihrer Rechten, die<br />

es gehalten hatte, und fiel zu Boden.<br />

Sie fühlte, wie eine leichte Hitze ihre<br />

Wangen rötete. Die glei-chen Wallungen<br />

füllten auch zunehmend ihren<br />

Unterleib. Was ging mit ihr vor?<br />

Die Luisa im Spiegel spreizte lächelnd<br />

ihre Schamlippen und präsentierte<br />

ihre feuchte Spalte. Dort zeigte<br />

sich eine pralle, gerötete Perle und<br />

sehnte sich nach Streicheleinheiten.<br />

Langsam, ganz langsam bewegte<br />

sich ein Finger über das empfindliche<br />

Organ der Lust. Die Luisa<br />

im Spiegel strahlte über das ganze<br />

Gesicht. Ihre vollen Lippen öffneten<br />

sich und ein lautloses Stöhnen entschlüpfte<br />

ihnen. Auch die echte Luisa<br />

stöhnte.<br />

Sie fühlte, wie sie die Lust beim<br />

Anblick ihres eigenen Spiegelbildes<br />

mehr und mehr packte. Sie war<br />

schon ganz nass, spürte die Feuchtigkeit<br />

an ihren Schenkeln. Fast unbewusst<br />

glitt ihre Hand in den Bund<br />

der Hose ihres Hausanzuges.<br />

Ihr Spiegelbild schob sich währenddessen<br />

genüsslich die Finger einer<br />

Hand in den nassen Schlitz. Erst<br />

nur einen, dann zwei und schließlich<br />

sogar drei.<br />

Die echte Luisa streichelte ihren<br />

Venushügel. Ihre Zunge fuhr aus<br />

dem Mund und leckte ihre heißen<br />

Lippen. Langsam untersuchte sie mit<br />

der Rechten ihren Unterleib, berührte<br />

den Stoff ihres Höschens, fühlte die<br />

Feuchtigkeit, die diesen inzwi-schen<br />

durchweicht hatte.<br />

„Oh, mein Gott, wie geil ich bin“,<br />

stöhnte sie ihr Spiegel-bild an. Das


grinste, nahm die Hand aus ihrem<br />

Loch und spreizte dieses anschließend<br />

weit mit beiden Händen, als erwarte<br />

es einen Schwanz, der gleich<br />

dort eindringen würde.<br />

Luisa schob Hose und Slip mit zu<br />

den Knien hinunter. Sie begann, ihre<br />

Perle zu liebkosen und zu massieren.<br />

Immer schneller und drängender wurden<br />

die Bewegungen ihrer Hand. Sie<br />

beugte die Knie, um mit den Fingern<br />

tiefer in ihr aufnah-mebereites Loch<br />

fahren zu können. Knie beugen, Knie<br />

leicht strecken, die Auf- und Abbewegungen<br />

ihres Beckens halfen Luisa,<br />

ihre Lust immer mehr anzuheizen. Es<br />

gab nur noch ein Ziel für sie – Erlösung<br />

in einem Orgasmus zu finden.<br />

Mehr, mehr, heftiger … ihre Finger<br />

flogen über ihre Lie-besperle, verschwanden<br />

in ihrer Möse und kehrten<br />

ans Licht zurück. Hitze wallte durch<br />

ihren Unterleib, wie von Krämpfen<br />

geschüttelt bewegte sie den Körper.<br />

„Oh … oh … jaaa …“ Das war es.<br />

Sie bäumte sich auf und blickte wieder<br />

auf den Spiegel. Dort stand sie. Ihr<br />

Oberkörper züchtig in die Jacke des<br />

Hausanzugs gehüllt, dessen Hose<br />

aber um die Knöchel liegend, darauf<br />

der Slip, noch immer nass vom Saft<br />

ihrer Muschi. Ihre Hand stak noch immer<br />

in ihrem Schlitz.<br />

Sie wurde rot, als sie sich so zum<br />

Objekt der eigenen Lust degradiert<br />

im Spiegel sah. Was war da gerade<br />

geschehen? War das eine Vision, die<br />

der Enthaltsamkeit geschuldet war,<br />

die Jochen ihr momentan auferlegte?<br />

Sie konnte es nicht sagen. Sie wusste<br />

nur zwei Dinge: alles war unglaublich<br />

schön gewesen und jetzt war es<br />

ihr peinlich. Nie würde sie Jochen davon<br />

er-zählen können.<br />

Als sie in der folgenden Nacht an<br />

Jochens Seite lag, spürte sie erneut<br />

Lust in sich aufsteigen. Jochen war<br />

zeitig zu Bett gegangen. Er hatte gemeint,<br />

es sei ein harter Tag gewesen<br />

und er müsse am nächsten Morgen<br />

wieder fit sein. Luisa war auf der<br />

Couch hocken geblieben und hatte<br />

weiter in den Frauen-zeitschriften<br />

geblättert, die vor ihr auf dem Tisch<br />

lagen. Nach-dem sich Jochen mit einem<br />

flüchtigen Kuss von ihr verabschie-det<br />

hatte, waren ein paar Tränen<br />

auf das bunt bedruckte Papier<br />

gefallen. Ahnte Jochen denn nicht,<br />

wie sehr sie seiner Liebe bedurfte?<br />

Jetzt lag sie neben ihrem Mann und<br />

wurde zunehmend nass. Es war wie<br />

ein Fieber über sie gekommen, kaum<br />

dass ihr Kopf das Kissen berührt hatte.<br />

Sie wollte Jochens Schwanz in<br />

sich spüren. Das war eine Tatsache.<br />

Und sie wollte es jetzt. Der jedoch<br />

lag mit dem Rücken zu ihr im Bett<br />

und atmete tief und gleichmäßig im<br />

Schlaf.<br />

Luisa wollte sich gerade von Jochen<br />

abwenden, um eben-falls<br />

Schlaf zu finden, da öffnete sich die<br />

Schlafzimmertür. Luisa erstarrte.<br />

‚Einbrecher‘, schoss ihr ein Gedanke<br />

durch den Kopf.<br />

Bevor Luisa einen Schreckensschrei<br />

ausstoßen konnte, sah sie jedoch<br />

eine nackte weibliche Gestalt<br />

im Türrahmen stehen. Wer war das?<br />

Luisa hielt die Luft an. Gebannt<br />

beobachtete sie, wie die Gestalt ins<br />

Zimmer trat und die Tür lautlos hinter<br />

sich schloss.<br />

‚Das kann nicht sein‘, ging Luisa<br />

durch den Kopf. Die Ge-stalt, die ins


Zimmer gekommen war, stellte eine<br />

unbekleidete Version ihrer selbst dar<br />

– ihr Spiegelbild, das sich heute vor<br />

ihren Augen selbst befriedigt hatte.<br />

Die nackte Luisa blickte ihr Original<br />

nicht an, sie ging um das Bett herum<br />

zur Seite, wo Jochen lag. Luisa<br />

richtet sich zum Sitzen auf, um besser<br />

beobachten zu können, was als<br />

Nächstes geschehen würde.<br />

Die Spiegel-Luisa hatte sich neben<br />

Jochen auf den Boden gekniet. Eine<br />

Hand legte sich auf die von einer<br />

Schlafanzugja-cke bedeckte Brust<br />

des jungen Mannes. Vorsichtig streichelte<br />

sie über den Stoff und den darunter<br />

verborgenen Körper. Jochen<br />

atmete tiefer.<br />

Langsam, ganz langsam, so als<br />

wolle sie ihn nicht wecken, drückte<br />

die Nackte gegen Jochens Körper,<br />

dieser drehte sich im Schlaf unbewusst<br />

auf den Rücken. Die Hände,<br />

die eben noch gegen Jochens Brust<br />

gedrückt hatten, schlugen die Bettdecke<br />

zurück. Jochens Unterleib kam,<br />

von der Hose des Schlafanzuges<br />

bedeckt, zum Vorschein. Die unbekleidete<br />

Luisa legte die Rechte in Jochens<br />

Schoß und streichelte ihn dort,<br />

wo vermut-lich sein Schwanz ruhte,<br />

während ihre andere Hand an seiner<br />

Wange ruhte. Bedächtig strich die<br />

Hand über den Stoff, bis sich unter<br />

diesem langsam eine Beule bildete,<br />

die mit jeder Streicheleinheit größer<br />

wurde.<br />

Jochen trug gern Schlafanzüge mit<br />

Eingriff. Er hatte zu Lui-sa mal gesagt,<br />

da hätte er alles gleich griffbereit,<br />

wenn es nötig war. In letzter Zeit<br />

wäre es für Luisa oft nötig gewesen,<br />

aber Jochen war nicht in der Stimmung<br />

gewesen, etwas griffbereit zu<br />

haben. Jetzt öffnete die Luisa aus<br />

dem Spiegel den einzigen Knopf, der<br />

diesen Hosenstall verschloss, um<br />

den inzwischen steifen Schwanz aus<br />

iseinem Versteck zu holen.<br />

Wie ein Kastenteufel schnellte Jochens<br />

Glied heraus. Lang, hart und<br />

rot ragte es aus der Hose. Jochen<br />

schlief anscheinend noch immer,<br />

aber sein Atem ging heftig und sein<br />

Kopf zuckte zweimal hin und her.<br />

Die nackte Luisa umfasste das steife<br />

Ding mit einer Hand und begann, die<br />

Vorhaut vor- und zurückzube-wegen.<br />

Luisa fragte sich, was sie tun sollte.<br />

Eine fremde, unbeklei-dete Frau,<br />

die eigentlich sie selbst war, wichste<br />

ihren Mann in ihrem Ehebett. Hieß<br />

das, dass Jochen sie betrog? Mit<br />

wem? Mit ihr selbst? Und, sollte sie<br />

diesem Treiben der Anderen einfach<br />

so zusehen?<br />

Inzwischen ging diese noch einen<br />

Schritt weiter. Sie beugte sich über<br />

Jochens Schwanz und nahm ihn in<br />

den Mund. Lang-sam ließ sie ihre<br />

Lippen über das steife Ding gleiten.<br />

Dann ließ sie es wieder aus ihrem<br />

Mund heraus, blickte zu Luisa auf,<br />

lächelte und wies mit der Hand, die<br />

nicht den Schwanz hielt, erst auf Luisa,<br />

anschließend auf das harte Gerät.<br />

„Soll ich?“, fragte Luisa. Sie machte<br />

große Augen.<br />

Die Andere nickte nur.<br />

Jetzt beugte sich Luisa über den<br />

Schwanz ihres Ehemanns. Zuerst<br />

berührte sie nur mit der Zungenspitze<br />

Jochens Eichel. Der stöhnte im<br />

Schlaf. Langsam leckte sie über den<br />

roten Lust-stab, dann stülpte sie die


Lippen über das Ding und ließ es in<br />

ihrem Mund verschwinden.<br />

Während sie Jochens Schwanz<br />

leckte, fühlte sie eine Hand durch den<br />

Stoff ihres Nachthemdes ihre Brüste<br />

liebkosen. Das musste die andere<br />

Luisa sein. Ihre Nippel wurden ganz<br />

hart, ihre Spalte tropfte. Immer heftiger<br />

bewegte sie ihren Mund über<br />

Jochens Schwanz, der im Rhythmus<br />

ihrer Bewegung stöhnte.<br />

Luisa konnte und wollte sich nicht<br />

länger zurückhalten. Sie wollte ihren<br />

Jochen in sich spüren, wollte fühlen,<br />

wie sein steifer Schwanz in ihre<br />

Spalte fuhr und sie zum Höhepunkt<br />

brachte. Sie ließ kurz von Jochen ab,<br />

raffte ihr Nachthemd nach oben und<br />

hockte sich über das steife Glied.<br />

Als sie sich darauf niedersinken ließ,<br />

half ihr die Spiegel-Luisa, es in ihre<br />

Möse einzuführen.<br />

Sie fühlte sich einfach großartig.<br />

Sie war so nass. Während sie auf<br />

Jochens Schwanz ritt, massierte die<br />

Andere mit einem Finger ihre Perle<br />

und bescherte ihr eine bisher noch<br />

nie gekann-te Lust. Auf und nieder,<br />

auf und nieder, immer schneller ritt<br />

Luisa ihren Jochen. Der stöhnte<br />

mit geschlossenen Augen unter ihr,<br />

bäumte sich auf und sank in die Kissen<br />

zurück, immer heftiger wurden<br />

die Bewegungen der beiden im Liebesspiel<br />

verbundenen.<br />

Immer tiefer drang sein Schwanz<br />

in ihre Spalte ein. Immer stärker pulsierte<br />

ihre Perle unter der Massage<br />

der Anderen. Schließlich kam Jochen.<br />

Er spritzte seinen heißen Samen<br />

in sie hinein.<br />

Dies war das Signal für ihren Körper,<br />

auch den Höhepunkt zu erreichen.<br />

Sie krampfte die Beckenmuskulatur<br />

zusammen, presste den<br />

Schwanz fest in sich hinein, als wolle<br />

sie ihn nie wieder loslassen. Sie<br />

wollte laut schreien, doch die Andere<br />

hatte ihr die Hände auf den Mund gepresst,<br />

just in dem Mo-ment, als der<br />

Orgasmus sie packte. So blieb der<br />

Schrei stumm. Jochen mochte am<br />

nächsten Morgen denken, er hätte<br />

nur einen feuchten Traum gehabt.<br />

Für ihn war es das wohl auch gewesen.<br />

Als Luisa erschöpft neben Jochen<br />

im Bett zusammensank, erhob sich<br />

die aus dem Spiegel aus ihrer hockenden<br />

Position, schritt um das Bett<br />

zurück und verließ das Schlafzimmer.<br />

Die Tür blieb einen Spalt offen<br />

zurück.<br />

Luisa erwachte kurz vor Jochen,<br />

was ihr einen unbeschreib-lichen<br />

Anblick bescherte. Jochen schlug<br />

die Augen auf, setzte sich halb auf<br />

und erstarrte. Mit schreckgeweiteten<br />

Augen blickte er auf die zurückgeschlagene<br />

Bettdecke und seinen<br />

Schwanz, der inzwischen schlaff aus<br />

dem Schlitz der Schlafanzughose<br />

heraushing.<br />

Jochens Kopf flog nach links zu<br />

Luisa, die rasch die Augen schloss<br />

und sich schlafend stellte, dann zurück<br />

zu seinem Schwanz. Eine Hand<br />

schoss vor. Sie schob das verräterische<br />

Stück Männlichkeit wieder an<br />

seine Position im Schlafanzug zurück.<br />

Mit zitternden Fingern versuchte<br />

Jochen, den Knopf zu schließen.<br />

„Kann ich dir helfen?“<br />

Jochen wurde ro, wie eine Tomate,<br />

als sein Kopf zu Luisa herumfuhr.<br />

„Nein … ich wollte nur … da ist …“,


stotterte Jochen.<br />

„Hast du gut geschlafen, Schatz?“<br />

Die Frage klang ganz un-schuldig.<br />

„Ja.“ Eilig nickte Jochen. Noch immer<br />

fummelte er in sei-nem Schritt an<br />

dem Knopf herum, der in der Nacht<br />

offenbar zu groß für das Knopfloch<br />

geworden war.<br />

„Gut geträumt?“<br />

Jochen erstarrte. Er schüttelte unbewusst<br />

den Kopf, dann bejahte er<br />

jedoch Luisas Frage.<br />

„Ich auch“, erwiderte diese. „Wir haben<br />

uns geliebt in mei-nem Traum.“<br />

„Ach.“ Mehr sagte Jochen nicht.<br />

Eilig schwang er die Beine aus dem<br />

Bett und machte sich anschließend<br />

auf den Weg ins Badezimmer. Luisa<br />

blieb zurück und lachte schallend, als<br />

sie sicher war, dass Jochen sie nicht<br />

mehr hören würde.<br />

Als sie später gemeinsam am Frühstückstisch<br />

saßen, hatte sich Jochen<br />

hinter der Tageszeitung verkrochen.<br />

Statt in sein Gesicht blickte Luisa in<br />

die von ein paar Finanzministern, die<br />

sich darüber unterhielten, wie sie den<br />

einfachen Leuten noch mehr von ihrem<br />

sauer verdienten Geld aus der<br />

Tasche ziehen konnten.<br />

„Wann kommst du heute heim?“<br />

„Pünktlich. Die Kunden fahren heute<br />

Mittag wieder, dann normalisiert<br />

sich auch die Lage. Morgen werden<br />

wir uns wohl den ganzen Tag vom<br />

Chef anhören müssen, was der neue<br />

Auf-trag an zusätzlichen Anforderungen<br />

mit sich bringt. Was die alles<br />

für Wünsche hatten? Du glaubst es<br />

nicht. Wenn wir das alles schaffen<br />

wollen, wird es reichlich Überstunden<br />

hageln.“ Jochen ließ die Zeitung sinken<br />

und lächelte Luisa an. „Ein Gutes<br />

hätte es. Das Haus wäre eher abbezahlt.“<br />

„Ja. Das wäre gut.“ Luisas Stimme<br />

zeigte keinen Enthusi-asmus. Überstunden.<br />

Das hieß Stunden ohne<br />

Jochen. Das be-deutete einen Ehemann,<br />

der wie ein nasser Sack ins<br />

Bett fiel, kaum dass er zu Hause<br />

angekommen war, und der dort zu<br />

nichts zu gebrauchen wäre.<br />

Jochen bemerkte Luisas herbe<br />

Reaktion nicht. Er faltete die Zeitung<br />

säuberlich, legte sie neben sein<br />

Frühstücksbrett und erhob sich. Ein<br />

Schmatz auf die Wange Luisas zur<br />

Verabschie-dung, dann stürzte er<br />

schon zur Tür hinaus. Zurück blieben<br />

der herbe Duft seines Rasierwassers<br />

und die Erinnerung an seine Härte<br />

in ihrem Körper in der vergangenen<br />

Nacht. Luisa war für einen Moment<br />

zum Weinen zu Mute, schließlich<br />

raffte sie sich auf und räumte das<br />

Frühstücksgeschirr ab. Sie hatte dieses<br />

Haus gewollt, jetzt musste es bezahlt<br />

werden. Und das bedeutete viel<br />

Arbeit für Jochen.<br />

Mehr über diesen Roman von Asta<br />

Roth erfahren Sie auf der Buchseite<br />

von <strong>Qindie</strong>.


Impressum<br />

Originalausgabe Januar <strong>2016</strong> – <strong>Qindie</strong><br />

© Melanie Meier, Regensburg, melanie.meier@loadnread.com<br />

Das Copyright der jeweiligen Texte liegt bei den AutorInnen.<br />

Cover © Jacqueline Spieweg<br />

unter Verwendung eines Fotos von © Regina Mengel.<br />

Buchgestaltung und Satz: Jacqueline Spieweg<br />

Bilder im Innenteil: Pixabay.com – CC0 Public Domain<br />

Dieses eBook steht unter einer Creative-Commons-Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0<br />

Über <strong>Qindie</strong><br />

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