Porträt Michael Ballhaus
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„links“, welches heute kaum mehr vorkommt. Ein ausgeruhtes,<br />
intellektuelles, linkes Denken, das es in den selbstzentrierten<br />
Planspielen der jungen deutschen Filmemacher so gar nicht mehr<br />
gibt. Ist heute alles wirklich unpolitisch, Herr <strong>Ballhaus</strong>? „Ich mag<br />
Dresen“, sagt er, steht auf und holt sich einen Earl Grey Tee.<br />
Obwohl <strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong><br />
nicht mehr wie ein 20-Jähriger<br />
durch seine Wohnung tänzelt,<br />
scheint dieser Mann mit seinen<br />
77 Jahren zu schweben. Das liegt<br />
an seinem weichen Gesicht und<br />
dem jungenhaften Lächeln, mit<br />
dem er die feinen Falten zum<br />
Schwingen bringt. Vor einem<br />
italienischen Originalplakat von<br />
Godards „Die Verachtung“ (ein<br />
Geschenk von Martin Scorsese)<br />
beißt er für das Foto in einen<br />
Apfel. Man kann ihn dann nicht<br />
mehr groß was fragen, dann ist<br />
er ganz im Moment, in der Pose.<br />
<strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong>, das Model,<br />
der verkappte Schauspieler? Er<br />
hat sich nie ablenken lassen, ist<br />
nicht größenwahnsinnig geworden<br />
oder über seine Ambitionen<br />
gestolpert. Es zog ihn nur sehr<br />
selten in den Regiestuhl. Das<br />
Auge Hollywoods wollte nie die<br />
Gesamtverantwortung für einen<br />
Film, sondern immer Bilder<br />
machen. Also das, worum es im<br />
Film eigentlich geht.<br />
Und jetzt? Jetzt ist <strong>Ballhaus</strong><br />
aus LA endgültig zurück nach<br />
Hause gekommen. Hat seinen<br />
Lebensmittelpunkt wieder in<br />
Berlin Zehlendorf. Schlendert in<br />
schönen Sommeranzügen über<br />
den Mexikoplatz, gibt charmante<br />
Interviews für die Lokalpresse<br />
und hört obsessiv Hörbücher.<br />
Stundenlang. Gerade „Krieg und<br />
Frieden“ von Tolstoi. Nach dem<br />
Drama kommt das Epos. Auch<br />
das eine schöne Aussicht auf das<br />
Älterwerden. „Dabei entstehen<br />
so viele Bilder bei mir im Kopf.“<br />
Man denkt: was sonst?<br />
<strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong> findet nach einer<br />
atemlosen Karriere langsam<br />
Ruhe. Er verbringt viel Zeit zu<br />
Hause mit seiner zweiten Frau,<br />
der Regisseurin Sherry Hormann,<br />
für deren Film „3096 Tage“ über das Leben von Natascha<br />
Kampusch er noch einmal die Kamera übernommen hat. Freunde<br />
hatten davon abgeraten. Damit belastet ihr eure Ehe, hieß es.<br />
Aber er ist natürlich Profi. Die Ehe hielt. Die Kritiken fielen aufgrund<br />
des Stoffes gemischt aus. „Das war der bestmögliche Film<br />
über das Thema“, sagt <strong>Ballhaus</strong>. Glaubt man sofort. Ein Fehler<br />
war es also nicht, aber das war definitiv sein letzter Film. Er freut<br />
sich, in Zukunft an der Arbeit seiner Frau teilhaben zu dürfen.<br />
„Als freundlicher Gast.“ Wird Studenten unterrichten und Hof<br />
halten in Zehlendorf. Es war ein Glück für ihn, dass eine so<br />
wunderbare, aktive Frau bereit war, in seinem Alter ihr Leben<br />
mit ihm zu teilen, sagt er.<br />
Was bleibt, sind nicht nur die Filme, sondern die vielen<br />
Freunde eines langen Kino-Lebens. Es ist nämlich ein Vorurteil,<br />
dass es in Hollywood keine Freundschaften gibt. Dustin Hoffman<br />
hat <strong>Ballhaus</strong> sogar mal das Leben gerettet. „Ich hatte einen<br />
Magendurchbruch und er war im Schneideraum für den Film,<br />
na, wie hieß der noch mal? Ich habe zu viele Filme gedreht!“ <strong>Ballhaus</strong><br />
lacht. „,Outbreak‘! Genau! Dustin war eine halbe Stunde<br />
später im Krankenhaus und hat den Laden aufgemischt.“ Wenn<br />
ihr auf den nicht aufpasst, dann bekommt ihr großen Ärger, soll<br />
Hoffman gesagt haben. <strong>Ballhaus</strong> kam durch.<br />
Das sind Anekdoten. Doch sie machen ein Leben erfühlbar.<br />
Er sei als der bestangezogene Kameramann in Hollywood<br />
bekannt gewesen, sagt er dann mit offensichtlich guter Laune.<br />
Locker zwar, aber mit Stil! So wie seine Kamera, die immer dynamisch<br />
den Raum vermessen hat, ohne jemals an eine Handkamera<br />
zu erinnern. Aber sein Markenzeichen sind natürlich<br />
seine Hosenträger. Die hat er vor über 30 Jahren zu sammeln<br />
angefangen. Anfangs immer rot, dann bekam er immer wieder<br />
neue geschenkt. Von Will Smith oder Emma Thompson, „sehr<br />
schöne mit Vögeln darauf“. Er liebt sie, „weil Gürtel einengen“<br />
und schlägt en passant einen Overall für Männer vor. Giorgio<br />
Armani sollte sich da was einfallen lassen. Mit dem hat er mal einen<br />
Werbefilm gedreht. Regisseur war natürlich Martin Scorsese.<br />
Kann man ihn denn gar nicht mehr aus der Reserve locken?<br />
Auf der Internetplattform imdb.com ist noch ein großes Projekt<br />
mit Scorsese angekündigt. Der Titel „Sinatra“ klingt ultimativ.<br />
New Hollywood-Cineasten lässt er schwelgen. Doch <strong>Ballhaus</strong><br />
winkt ab. Nein, das Projekt sei schon länger im Gespräch, aber<br />
die Musikrechte wären teurer als der ganze Film gewesen.<br />
Was ihn denn noch bewegt? „In meinem Alter denkt man öfter<br />
an den Tod. Aber das ist kein schrecklicher Gedanke“, sagt <strong>Ballhaus</strong>,<br />
der sich sogar intensiv mit dem Dalai Lama beschäftigt hat.<br />
„Ich glaube an die Wiedergeburt. Dass die Seele nicht verloren<br />
geht.“ Eine junge Seele hat <strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong> und es sieht so aus,<br />
als würde dies so bleiben. Auch in den nächsten Leben. Aber<br />
das Nirwana, in dem der Geist von <strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong> unsterblich<br />
bleibt, das gibt es ja schon längst. Und es ist ganz irdisch. Es<br />
heißt „das Kino“ und ist der wunderbarste Zauberraum. Auch<br />
dank ihm, <strong>Michael</strong> <strong>Ballhaus</strong>, Bilder-Schöpfer, Lichtgestalt.<br />
HOMMES<br />
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