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ASH<br />

.99<br />

Michael Lapper<br />

niverse


Neues vom Willy-Brandt-Platz<br />

Die Investoren kündigen zum wiederholten Mal die baldige Fertigstellung<br />

der seit Jahren unvollständigen Bebauung an. Mit einer Erweiterung der<br />

vorhandenen Shopping-Mall und einem weiteren Hotel einer internationalen<br />

Kette soll der oft wegen seiner mangelnden Aufenthaltsqualität kritisierte<br />

Willy-Brandt-Platz nun vollendet werden.<br />

GLOBALOCAL<br />

Bevor das Areal dann endgültig zur Warenwohlfühlkonsumwelt<br />

wird, könnte GLOBALOCAL den Willy-Brandt-Platz zu einem Ort<br />

der Auseinandersetzung mit der Gegenwart werden lassen. Mit<br />

Containern – den Warenbehältnissen unserer Zeit – wird am Platz<br />

vorab die fehlende Bebauung und der Säulenportikus ergänzt.<br />

Unterstützt wird GLOBALOCAL unter anderem von gesellschaftlich<br />

starken Partnern wie UniCredibility, new ( b ) o r d e r , FAIRU FAIR,<br />

WarTrade, participate management und poorcapital.<br />

Weitere Informationen auch unter www.here-we-are.net<br />

U<br />

Schräglage<br />

Die nackten Zahlen<br />

0.99 CASH Universe<br />

wird kein<br />

Schuh draus<br />

Mikroprozessorpark<br />

MODUL C<br />

Basel II<br />

TRESOR<br />

UniCredibility<br />

think<br />

big<br />

Neues vom Willy-Brandt-Platz<br />

Unlängst wurde im Bezirksausschuss diskutiert, die unbefriedigende<br />

Situation am Willy-Brandt-Platz in größerem<br />

Maßstab anzugehen. Die bisherigen Maßnahmen hätten<br />

gezeigt, dass mit den bisherigen kleinteiligen Ergänzungen<br />

keine wirklichen Aufenthaltsqualitäten auf dem verwaisten<br />

Platz schafft. (die Stadt hatte 2014 den unwirtlichen Platz<br />

mit quitschbunten Sitzelementen aus Plastik ausgestattet,<br />

die letztlich auch nicht viel bewirkten und zudem wie eine<br />

Art infantiles Playmobil für Erwachsene aussehen).<br />

Nun haben auch die Investoren Union Investment angekünon<br />

Willy-Brandt-Platz at Messestadt-Riem<br />

gut abgehangen<br />

Das muss gut abgehangen sein<br />

wir hier /<br />

here we are<br />

GLOBALOCAL<br />

Messestadt A1 / Nr. 22 eine Plakatreihe vom büro riem buero-riem@t-online.de © 2015 Michael Lapper www.here-we-are.net<br />

BLACK HOLE<br />

Michael Lapper<br />

Heidrun Wanke<br />

Frank Berninger<br />

Ruth Schnurer<br />

Mike Köb<br />

Hier mal was vom Jetzt<br />

Alexis Dworsky<br />

Peter Steinbacher<br />

Groupe Smirage und Künstler des BBK am U Bahnhof Königsplatz


Dieses e - Magazin erscheint begleitend zur Ausstellung<br />

0.99 CASH-Universe 2016 in München Trudering. Dabei<br />

geht es um Geld und den vordergründig schönen Schein<br />

einer Welt mit billigem Geschäftsmodell. Die aktuelle<br />

exorbitante Vermögensverteilung ist dabei nicht nur Ausdruck<br />

extremer sozialer Ungleichheit, sondern auch Indikator<br />

einer langfristig umfassend destruktiv angelegten<br />

Wirtschaftsweise und Lebenstils.<br />

„Weißt Du, was ich irgendwie gut an der ganzen Misere<br />

von Finanzkrise, wachsender Schere zwischen Arm und<br />

Reich, von Flüchtlingskrise und Globalisierung bis zur<br />

Klimaerwärmung finde? Dass jetzt deutlich wird, dass das<br />

alles unmittelbar miteinander zusammenhängt.“<br />

Kollege auf einer Versammlung des Berufsverbands bildender Künstler<br />

Die nahezu jeden Lebensbereich durchdringende Kapitalisierung<br />

bietet viel Stoff zur künstlerischen Auseinandersetzung.<br />

Deshalb sind hier weitere Entwürfe und Projekte<br />

des Künstlers Michael Lapper zum Thema Geld und zu<br />

verwandten Bereichen enthalten. Dazu gehören Entwürfe<br />

für variable Glas-Trennwände und Grünanlagen für Banken,<br />

eine Lichtskulptur an der Universität in Würzburg<br />

und partizipative Projekte über Umwelt und Stadtgesellschaft<br />

im öffentlichen Raum. Wenn es um Geld geht, geht<br />

es immer auch um Werte, Wertvolles und Wertloses, und<br />

um viele Widersprüchlichkeiten einer auf Konsum und<br />

Wachstum getrimmten Gesellschaft.<br />

„Wenn Sie mit 10.000 Euro 10 % Gewinn machen, war<br />

das für Sie ein gutes Geschäft, wenn 10 Milliarden 10 %<br />

Gewinn abwerfen, wird das irgendwann ein Problem.“<br />

Aus „Ohne Fehler ist nur der Untergang“, Radio-Feature über den Physiker<br />

und Aktivisten Peter Kafka, BR2, Bayerischer Rundfunk 2001


Stellen Sie sich vor, Sie kämen von außerhalb.<br />

Von – sagen wir – wirklich weit außerhalb.<br />

Da ist diese Spiralgalaxie, die Milchstraße.<br />

Schön, wie sie leuchtet, eine Oase des Lichts<br />

im weiten, dunklen All.<br />

Ah, die Erde,<br />

ein Wunder des Lebens und der Schöpfung.<br />

Sie nähern sich und erkennen ernüchtert:<br />

Oh Scheiße –<br />

da dreht sich ständig alles nur um‘s Geld!


0.99-Cash-Galaxies No. 2<br />

Estrichplane, Preisetiketten, 3,26 m x 2,85 m, Michael Lapper 2015


Das grob gerasterte Motiv einer Spiralgalaxie.<br />

Die rotierende Sternenmasse besteht aus<br />

Zehntausenden kleiner neongelber Etiketten,<br />

wie sie zur Preisauszeichnung im Einzelhandel<br />

verwendet werden.<br />

Eine ganze Galaxie aus Preisen.<br />

Die Aufkleber sind ausgezeichnet mit 0.99.<br />

Billig.<br />

Der dunkle Hintergrund des Weltraums besteht<br />

aus der schwarzen Plastikfolie eines<br />

Abfallsacks. Installierte UV-Leuchtstofflampen<br />

lassen die neongelben Etiketten aufleuchten,<br />

das Motiv bekommt einen aus sich heraus<br />

strahlenden Charakter: der schöne Schein des<br />

Geldes, dem man als Normalverbraucher sein<br />

Leben lang hinterherjagt. Das bei Aufgaben für<br />

die Allgemeinheit chronisch fehlt. Und das andererseits<br />

Banken aktuell in gewaltigen Mengen<br />

zu günstigsten Konditionen zur Verfügung<br />

gestellt wird, in der Hoffnung, dass sie das<br />

Geld als Kredite in den Wirtschaftskreislauf<br />

einspeisen und diesen ankurbeln.


2016 wird 1 % der Weltbevölkerung mehr<br />

als 50 % des gesamten Vermögens besitzen.<br />

Oxfam zum Weltwirtschaftsforum 2015<br />

Sind Sie eine 0.99 %-Person?<br />

Wenn 1% der Bevölkerung über ein Übermaß<br />

an Vermögen und damit verbundenen<br />

Möglichkeiten verfügt, was sind dann die<br />

anderen 99%?<br />

Die großformatigen Galaxien und Sternenhaufen<br />

– die nach realen astronomischen<br />

Aufnahmen entstanden sind – könnten auch<br />

eine Welt illustrieren, in der immer mehr<br />

Menschen – kleine 0.99-Personen – von den<br />

Zentrifugalkräften eines globalisierten Turbokapitalismus<br />

herausgeschleudert werden<br />

oder, in Schieflage geraten, am Rand herunterfallen.<br />

Und die Detailaufnahmen mit<br />

umhertreibenden Gruppen grüngelb leuchtender<br />

Preisschilder wirken wie Röntgenaufnahmen<br />

einer zerbröselnden Gesellschaft.


Die meisten Menschen<br />

leben im Treibsand<br />

zwischen Erfolg<br />

und Überflüssigkeit.<br />

Sie kämpfen darum,<br />

nützlich zu bleiben,<br />

wesentlich zu werden –<br />

nicht abzustürzen<br />

in die spätkapitalistischen Müllhalden,<br />

aus denen es keine Rettung gibt.<br />

Ilija Trojanow / der überflüssige Mensch


0.99-Cash-Galaxies No. 03 Estrichplane, Preisetiketten, ca. 3,5 x 4,2 m, Michael Lapper 2015


Thomas Steinfeld „So viel Geld“ / Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2014


0.99-Cash-Galaxies No. 04 Estrichplane, Preisetiketten, ca. 3,5 x 3,8 m, Michael Lapper 2015


Das ökonomische Gewinnstreben ist von sozialen Rücksichten freigestellt.<br />

Nur so konnte der Kapitalismus zur der historisch beispielllosen Wachstumsgeschichte<br />

werden, die wir kennen. Aber genau deshalb ist auch<br />

die oft beschworene Behauptung, die Wirtschaft sei dazu da, den<br />

Menschen zu dienen und nicht umgekehrt, nur richtig, wenn und<br />

soweit es gelingt, den Kapitaismus zu „domestizieren“ und dem<br />

Gemeinwohl unterzuordnen.<br />

Andreas Zielcke „Institutionell dumm“ /<br />

Süddeutsche Zeitung, 19. März 2015


Messestadt A1 / Nr. 23 eine Plakatreihe vom büro riem buero-riem@t-online.de © 2016 Michael Lapper www.michaellapper.de<br />

0.99 CASH Michael Lapper<br />

Der schöne Schein einer billigen Welt<br />

15. Februar - 18. März 2016<br />

Kulturzentrum Trudering Wasserburger Landstraße 32, 089 - 420 18 911 www . here-we-are. net


Wo wir schon mal beim Geld sind ...


Zuallererst: Die freundlichen und aufgeschlossenen Mitarbeiter und Vorstände des Truderinger<br />

Kulturzentrums unterstützten die Ausstellung tatkräftig und waren bei der Einrichtung mit<br />

Equipment behilflich. Aufgrund der verschiedenen Nutzungen erlebt man allerdings im Ausstellungsbetrieb<br />

in Kulturzentren immer wieder Überraschungen. So wurde die zentrale Wand in der<br />

Eingangshalle, auf der über die Ausstellung informiert wird und Exponate hängen, immer wieder<br />

von Ständen und Tischen kommerzieller Anbieter unerreichbar verbaut. Die Vermietung von<br />

Räumlichkeiten bildet bei vielen Kulturzentren eine wesentliche Einnahmequelle, und Regeln und<br />

Vereinbarungen, die kulturellen Nutzungen den Vorrang geben, gelten letztlich wenig. Ob Messe<br />

für Privatenschulen im Ausland, Veranstalter mit Merchandising-Artikeln oder Schuh-Discount-<br />

Verkauf – die Kunst geht dabei immer unter.<br />

Generell kann man sich fragen, ob das Nutzungsmodell „Künstler stellt im Kulturzentrum aus“<br />

der bildenden Kunst einen Dienst erweist. Während der Berufsverband seit langem versucht,<br />

für Künstler eine Ausstellungsvergütung durchzusetzen, verlangt das Truderinger Kulturzentrum<br />

200 Euro Nutzungsgebühr. Dass Künstler kostenlos die Wände dekorieren bzw. sogar noch etwas<br />

dazuzahlen, hat auch nichts mit Förderung des kulturellen„Breitensports“ zu tun (tun sich Hobbykünstler<br />

da leichter?), sondern zementiert nur die prekären und oft selbstausbeuterischen Arbeitsverhältnisse<br />

von Kunstschaffenden. Da wird kein Schuh draus.<br />

Passt nicht nur farblich – sondern hier<br />

auch thematisch ganz gut zueinander


Verbaut, verstellt, verräumt oder gleich ganz gesperrt:<br />

Kunst versus Kommerz, wobei die Kunst auch in eigentlich<br />

kulturellen Institutionen meist den Kürzeren zieht.


Die nackten Zahlen‚<br />

1997 Wettbewerbsentwurf für eine variable Glas-Trennwand in einer Bank<br />

Die verschiebbaren Glaselemente, die<br />

außerhalb der Öffnungszeiten den Schalter-<br />

und Officebereich von dem jederzeit<br />

zugänglichen Eingangsfoyer mit den<br />

Selbstbedienungsautomaten trennen, sollten<br />

in der Fläche großteils mattiert werden.<br />

Zugleich würden grafisch eingearbeitete<br />

Zahlenreihen, die durchsichtig belassen<br />

blieben, eine partielle Durchsicht in die<br />

Office-Räume ermöglichen.<br />

Nichts ist mit einer Bank und der Finanzwelt<br />

mehr identifizierbar als Zahlen, bilden<br />

sie doch die regulierenden Parameter in<br />

den ökonomischen Prozessen. Zahlen an<br />

sich sind neutral und wertfrei. Erst durch<br />

die Decodierung ihres Inhaltes erhalten sie<br />

eine Bedeutung, ob zum Beispiel jemand<br />

geschäftlich glänzend dasteht oder aber<br />

dem finanziellen Ruin entgegensieht.<br />

Im Zuge der (digitalen) Dienstleistungsgesellschaft<br />

und insbesondere im bargeldlosen<br />

Verkehr lässt sich die Virtualisierung<br />

von Werten besonders gut beobachten.<br />

Die gigantischen Mengen von Kapital, die<br />

täglich an den Börsen der Welt gehandelt<br />

und um den Globus geschickt werden,<br />

sind entmaterialisierte Zahlenkolonnen geworden<br />

(mit freilich sehr realem Werthintergrund<br />

und eventuell drastischen Folgen<br />

für die betroffenen Volkswirtschaften und<br />

deren Bevölkerung).<br />

Dabei ist die Codierung von Inhalten mittels<br />

Zahlen in unserem technischen Zeitalter<br />

mittlerweile in nahezu alle gesellschaftlichen<br />

Bereiche eingezogen.<br />

Die Zusammensetzung der Ziffern in der<br />

Glaswand beruht auf realen Zahlen aus unterschiedlichsten<br />

Bereichen, wie der Nettoneuverschuldung<br />

aller Bundesbürger (inkl.<br />

jedes neugeborenen Babys), das Sparvolumen,<br />

die aktuelle Geldmenge M3, die<br />

Ziehung der Lottozahlen, die statistische<br />

Arbeitslosenzahl, die berechnete DNA-Kette<br />

eines Menschen ...<br />

Im Entwurf dienen diese Zahlen dann als<br />

Gestaltungsfiguren, die sowohl horizontal<br />

als auch vertikal über die Glasfläche verteilt<br />

sind und sich im Zentrum verdichten.<br />

Dabei überschneiden sich die Nummern<br />

und bilden eine eigene, von der Typographie<br />

losgelöste Textur, die sich partiell nicht<br />

mehr unbedingt als Ziffer identifizieren<br />

lässt. Subtil verweist die Textur auf den sich<br />

beschleunigenden Transfer einer wachsenden<br />

Flut von Daten und Kapitalströmen,<br />

deren Überblick und Kontrolle sich zunehmend<br />

schwieriger gestalten.<br />

Die Ziffern, die im Gegensatz zum sandgestrahlten<br />

Hintergrund klar und durchsichtig<br />

belassen und somit wirklich „nackt“<br />

und körperlos sind, spielen dabei auf die<br />

gängige Redewendung „die nackten Zahlen<br />

zeigen, dass ...“ an.


Natürlich kann man ein solches Gestaltungskonzept,<br />

das durchaus auch kritisch<br />

verstanden werden darf, konträr zu einer<br />

werbemäßig entwickelten Corporate Identity<br />

eines Geldinstituts sehen. Welche Bank<br />

möchte schon gern riskieren, dass sich ihre<br />

Kunden als Nummer betrachtet fühlen<br />

(was auf Nachfrage von Bankkunden allerdings<br />

oft bestätigt wird). Nichtsdestotrotz<br />

sind gerade in der Finanzwelt letztendlich<br />

die „nackten Zahlen“ das entscheidende<br />

Kriterium, und eine Bank, die sich nicht<br />

daran halten würde, wäre vermutlich eine<br />

schlechte. Insofern verlangt die Anwendung<br />

dieses Entwurfs vom Institut eine<br />

Portion Mut und Ehrlichkeit, sowie den<br />

Glauben an die Kunden, dass diese in der<br />

Lage sind, die Realitäten zu beurteilen.<br />

Zwar stieß der Entwurf auf positive Resonanz,<br />

doch letztlich entschied sich die Bank für eine dekorativere Gestaltung.<br />

Und wir haben Jahre später in der Finanzkrise 2008 gelernt, dass es die<br />

Banken mit den Zahlen doch nicht so genau nehmen.


Mikroprozessorp<br />

Entwurf für die Grünanlage einer Großbank 2000


park<br />

Die Gestaltung der Außenanlage steht in einem direkten Kontext mit<br />

der digitalen Informationstechnologie. Dabei wird die Form von Platinen<br />

und Mikroprozessoren als Oberflächenstruktur verwendet. Die Form steht<br />

symbolisch für die Vernetzung und Durchdringung der digitalen Technologie<br />

in der gesamten Gesellschaft, die gerade in der Finanzwelt am weitestgehenden<br />

und konsequentesten realisiert wurde.<br />

Durch die Übertragung der Platinenstrukturen auf die Bodenoberfläche in<br />

extrem vergrößertem Maßstab und die Abstraktion einzelner Segmente<br />

in geometrische Körper entsteht eine Parkanlage in Form eines modernen<br />

Ornaments.<br />

Die Vorstellung, dass sich in einer Parklandschaft, die aussieht wie eine<br />

stark vergrößerte Platine, Menschen auf deren Leiterbahnen bewegen,<br />

ist nicht so weit hergeholt, sondern im übertragenen Sinn bereits Realität.


Mikroprozessorpark


MODUL C<br />

Lichtskulptur an der Universität Würzburg, Lehrstuhl für Informatik.<br />

Kunst + Bau-Wettbewerb Realisierung 1999<br />

Der Wettbewerbsbeitrag thematisiert die digitale Informationstechnik.<br />

Die Gestaltung ist in Form eines abstrakten „Moduls“ aus geschichtetem<br />

Glas erarbeitet und symbolisiert diverse Komponenten der<br />

digitalen Informationstechnologie wie Speicherbausteine und Daten-<br />

Transferleitungen. So wie Lichtimpulse als Informationsträger und<br />

Medium in Glasfaserkabeln und CD-Lese- und Schreibgeräten benutzt<br />

werden, spielt das Licht auch bei dem Glas-Modul eine wichtige<br />

gestalterische Rolle.<br />

Beim Blick in das Innere dieser Modulblöcke entwickelt sich durch die<br />

vielfältigen Lichtreflektionen ein starker Eindruck von räumlicher<br />

Tiefe. Der gläserne Kern des Moduls erscheint als immaterieller<br />

Raum, ganz so als könnte man in eine Informationsleitung direkt hineinsehen.<br />

Dabei verändert sich Lichtstruktur je nach Standpunkt und<br />

Blickwinkel des Betrachters, aus Kreisen werden vertikale Linien, in<br />

Anspielung auf die binäre Codierung von 0 und 1.


„Und wenn man die handlich gewordenen Computer<br />

dafür preist, dass sie unsere Möglichkeiten der Kommunikation<br />

erweitert haben, dann war es vor allem die<br />

Finanzwelt, die davon profitiert hat. Die Digitalisierung<br />

hat die Macht des Geldes in unserer Welt erhöht.“<br />

John Wozencroft, Die Grafik-Sprache des Neville Brody, 1994


MODUL C


UniCredibility<br />

wurde nicht realisiert und ist somit ein Schubladenprojekt.<br />

Die Thematik bleibt allerdings nach wie vor aktuell.<br />

Der damalige Kunstraum der Bank wurde<br />

ein Jahr später bereits wieder geschlossen<br />

Vorgeschichte: Eine Bank „fördert“ Kunst<br />

Banken engagieren sich gern im Kunstbereich<br />

und treten dabei als Sponsoren<br />

oder Mäzene auf. Das Enga gement für die<br />

Kunst ehrt die Bank im Sinne eines Engagements<br />

für das kulturelle Gemeinwohl,<br />

zugleich wird die (vermeintlich) eher profane<br />

und trockene Arbeitswelt der Zahlen mit dem Spiritus der (vermeintlich)<br />

hehren freien Kunst aufgeladen. Im Falle des Kunstraum-Engagements der Uni-<br />

Credit / Hypo-Vereinsbank in München sah das allerdings nach billiger PR aus.<br />

Die Künstler sollten dort laut Ausschreibung in Räumen der Bank ohne Honorar<br />

umsonst arbeiten, auch die Endreinigung der Räume wurde ihnen übertragen.<br />

Die proklamierte „Förderung der Kunst“ wirkt so wenig glaubwürdig. Und<br />

auch eine künstlerische Bearbeitung zur derzeit durchaus recht spannenden<br />

Finanzwelt scheint nicht allzusehr erwünscht zu sein, könnten doch damit auch<br />

die Schattenseiten der Branche wie aktuelle Finanzkrisen und ausufernde soziale<br />

Ungleichheit thematisiert werden. Allerdings sind die Banken mittlerweile<br />

ohnehin – auch was das Image angeht – in eine ziemliche Schieflage geraten.<br />

Ursprünglich als kritischer Wettbewerbs-Beitrag für das oben erwähnte Kunstraum-Engagement<br />

der UniCredit entworfen, wird das Projekt UniCredibility<br />

jetzt auf weitere Finanzinstitute ausgedehnt. (Sie haben ja alle Probleme, und<br />

wir damit ebenfalls.) Und auch das Konzept wurde etwas weiterentwickelt.<br />

Statt sich im Rahmen eines „Bank fördert Kunst-Formats“ zu bewegen, gibt die<br />

Kunst der Bank Glaubwürdigkeit zurück (oder zumindest die Möglichkeit, diese<br />

wieder zu erlangen). Im übertragenen Sinn gibt die Kunst also einen „Credit“,<br />

den die Bank trotz hochentwickelter Strukturen und finanztechnischem Knowhow<br />

derzeit nicht zu leisten im Stande ist: Credi bility. Und adäquat unabhängig<br />

und glaubwürdig fängt das Projekt auch eher klein an. Small is beautiful.


Bürger haben keine Ahnung von komplexer Finanzwirtschaft<br />

Banker haben keine Ahnung von den kleinen Leuten<br />

Künstler haben von beiden wenig Ahnung<br />

Interessenslage und Schnittmengen<br />

Künstler<br />

will vor allem seine Gestaltung anbringen<br />

Bank<br />

will eigentlich eher ihre Ruhe<br />

haben, hat Stress<br />

UniCredibility<br />

(Kunst)-Projekt<br />

gehört<br />

auch<br />

irgendwie<br />

dazu<br />

Gesellschaft<br />

will eigentlich auch ihre Ruhe haben,<br />

geht aber nicht mehr so einfach<br />

Finanzkrise


„Wenn Kunde und Berater zus<br />

um die Interessen der Bank.“<br />

UniCredibility Meeting<br />

In einer Stadt werden einige Bankfilialen<br />

für ein Beteiligungsprojekt ausgewählt.<br />

Schritt 1: An der ausgewählten Bank wird<br />

zum Zeichen der Beteiligung ein Aufkleber<br />

mit stilisierter Münze außen oder<br />

im unmittelbaren Umfeld der Bank angebracht.<br />

Das Motiv besteht aus kleinen<br />

neongelben Etiketten, die zur Preismarkierung<br />

von Waren verwendet werden.<br />

Die Bank selbst wird so symbolisch neu<br />

eingepreist, auch als Zeichen der Diskrepanz<br />

zwischen dem Geld „der kleinen<br />

Leute“ und den großen Summen des<br />

Investitions- und Spekulationskapitals.<br />

Schritt 2: Danach geht der/die Aktivist/ in<br />

als Ansprechpartner in die Bank und<br />

übergibt einen Brief an die Geschäftsführung.<br />

Darin wird UniCredibility<br />

vorgestellt und die Angestellten der Bank<br />

zur Teilnahme eingeladen. Dabei geht<br />

es um den Dialog von Bürgern mit der<br />

Bank. Rund um die Frage „Wie stehen wir<br />

dazu?“ und „Und was machen wir jetzt?“<br />

wird die aktuelle Finanzkrise und deren<br />

Auswirkungen aus den jeweiligen Blickwinkeln<br />

diskutiert.<br />

Unter dem Motto „Meeting“ wird<br />

vorgeschlagen, in den Räumen der<br />

Bank zwanglose Gesprächsrunden von<br />

jeweils etwa 1 Stunde Dauer abzuhalten.<br />

Die Bürger lernen die Perspektive<br />

der Bankangestellten kennen, diese<br />

wiederum erfahren etwas über die<br />

Außenwirkung ihrer Branche.<br />

Da im Moment niemand wirklich zu<br />

wissen scheint, wie es langfristig weitergehen<br />

könnte – auch und gerade<br />

die Experten nicht –, könnte zumindest<br />

das Gespräch ein erster Schritt<br />

sein: Weg vom recht eindimensionalen<br />

Bezug zu einem differenzierteren Verhältnis<br />

zumindest auf der unteren Ebene<br />

im Kontakt mit der Bevölkerung.<br />

Und gerade von diesem regionalen<br />

Kontakt leben die Filialen.


ammen sprechen, geht es meist nur<br />

SZ / Wirtschaft vom 19. Okt. 2011<br />

Mal eher etwas unverfänglich miteinander reden.


UniCredibility<br />

urban action<br />

So weit so gut. Wird das Angebot angenommen<br />

werden? Nicht wirklich, siehe<br />

Interessenslage oben.<br />

Selbst wenn sich die Filialleitung aufgeschlossen<br />

zeigt – das Anliegen müsste an<br />

die Zentrale weitergeleitet werden und<br />

dort dürfte die Entscheidung auf sich<br />

warten lassen. (Wenn die Sache dann die<br />

Angsthürden der verschiedenen Abteilungen<br />

von der Geschäftsführung bis zur<br />

PR tatsächlich genommen hätte, würde sie<br />

schließlich aus versicherungstechnischen<br />

Gründen kategorisch abgelehnt. Zumindest,<br />

was Meetings innerhalb der Bank<br />

angeht.)<br />

UniCredibility<br />

Deshalb fangen wir bei Schritt 3 mit dem<br />

Diskurs von Bank und Bürger am besten<br />

gleich draußen an.<br />

Dazu werden einige Merchandising-Artikel<br />

gebraucht. Ausgerüstet mit FlipChart,<br />

UniCredibility-T-Shirts und Anstecknadel,<br />

Info-Material und Bastel-Set für die<br />

Etiketten-Münze stellt sich der/die Aktivist/<br />

in vor die Bank dem Dialog mit der Bevölkerung.<br />

Parallel sorgt professionelle PR-Arbeit<br />

(Foto- und Video-Doku) bei Presse und<br />

Rundfunk für öffentliche Wahrnehmung.<br />

(Welche später dann vielleicht ja doch zu<br />

Meetings auch in der Bank führen könnte.)


Anlage B<br />

UniCredibility<br />

relevante initiative gesellschaft system<br />

niCredibility<br />

Meeting<br />

Anlage B Formblatt zur Anforderung und Durchführung eines kleinen Dialog-Forums<br />

Sie haben Interesse, im Rahmen von UniCredibility ein Meeting zu veranstalten?<br />

Das Dialog-Format dazu besteht aus einer kleineren Runde, in der interessierte Bürger mit Mitarbeitern ihrer<br />

regionalen Bankfiliale vor Ort ins Gespräch kommen. In dem Diskurs geht es um die aktuellen Finanzkrisen<br />

und deren Auswirkungen auf uns alle und unser Selbstverständnis dazu.<br />

Die Gesprächsgruppen sollen aus 5 - 7 Personen bestehen.<br />

Als Zeitdauer ist etwa eine Stunde vorgesehen.<br />

Die Meetings sollten nach Geschäftsschluss stattfinden.<br />

Sie benötigen eine Moderation ja... / nein...<br />

Als Zeitraum für ein Meeting käme ......................................................in Frage.<br />

Als Uhrzeit käme für uns von.........Uhr bis ..........in Frage.<br />

Das Meetings kann... / kann nicht... in den Geschäftsräumen stattfinden.<br />

Sie hätten gerne auch .........Geschäftskunden dabei. Eher nicht so gerne.........<br />

Aufsichtspersonal ist vorhanden... / nicht vorhanden...<br />

Versicherungstechnische Vermerke ....................................................................................<br />

Anmerkungen der Filiale....................................................................................................<br />

..........................................................................................................................................<br />

Sie sind sich noch etwas unsicher und hätten gern persönliche Beratung durch<br />

eine(n) Mitarbeiter(in) von UniCredibility.........<br />

Bitte beachten Sie, dass es bei den Meetings UniCredibility um Glaubwürdigkeit geht:<br />

Die Veranstaltung darf nicht zum Zweck kommerzieller Aktivitäten und Geschäftsanbahnungen<br />

wie etwa Beratungen und Verkauf von Finanzprodukten verwendet werden.<br />

Zum Schluss noch einige Fragen für die Verbesserung unseres Service-Angebots:<br />

Wie haben Sie von UniCredibility erfahren?<br />

Aus der Presse / durch unsere Mitarbeiteraktionen vor Ort / über das örtliche Finanzamt / über das unternehmenseigene<br />

Intranet / Klatsch und Tratsch / von Kunden am Schalter / beim Golfen / aus dem Internet / von<br />

Politik und Gremien / von der Finanzaufsicht BAFIN<br />

Die Beantwortung dieser Fragen geschieht auf freiwiliger Basis.<br />

Die Daten werden nicht zu kommerziellen Zwecken an Dritte weitergegeben.<br />

Ort, Datum ........................ Geschäftsführung ........................ Unternehmensgruppe Filiale .................<br />

büroriem © 2012<br />

buero-riem@t-online.de


noch lacht die Mittelschicht<br />

RESO


R


TRESOR<br />

Verbauboxen sind<br />

große mobile Doppelwände, die<br />

im Tiefbau etwa beim Kanalbau<br />

verwendet werden. Die in den<br />

Boden eingerammten Stahlelemente<br />

verhindern bei tieferen<br />

Gräben, dass das Erdreich<br />

wieder in die Grube zurückfällt<br />

bzw. einstürzt. Durch massive in<br />

den Zwischenraum eingesetzte<br />

Schraubverbindungen lassen<br />

sich die Stahlwände auseinderspreizen<br />

und können so hohen<br />

Druck von außen auffangen.<br />

Tresor ist ein Entwurf für<br />

eine Installation aus vier solchen<br />

Wandelementen, die eng zusammengestellt<br />

einen inneren Raum<br />

bilden, der durch schmale Schlitze<br />

zwar noch einsehbar, aber<br />

nicht zugänglich ist. In diesem<br />

Innenraum sind die Wände mit<br />

Preisetiketten belegt, die mittels<br />

installierter UV-Leuchtstofflampen<br />

neongelb leuchten.


Druck<br />

In den Zwischenraum der jeweiligen<br />

Doppelwände werden<br />

Videoszenen projiziert, in denen<br />

alltägliche´Tätigkeiten und Verrichtungen<br />

zu sehen sind. Bedingt<br />

durch den engen Abstand der<br />

Wände wirken die Bilder verzerrt<br />

und gestaucht.<br />

Ein Werkzeug wie das Verbau-<br />

Element, das konzipiert wurde,<br />

um Druck von außen abzuhalten,<br />

entwickelt nun Druck nach<br />

innen. Die Arbeit greift den alltäglichen<br />

Existenzdruck auf, dem<br />

viele Menschen ausgesetzt sind<br />

und hinterfragt die ökonomischen<br />

Rahmenbedingungen einer<br />

Wirtschaft, die angeblich für<br />

den Menschen da ist und nicht<br />

andersherum. Denkbar ist auch<br />

ein ganzes Feld solcher „Raumtresore“,<br />

die nur über die engen<br />

Zwischenräume zu erreichen und<br />

einsehbar sind.


Basel II<br />

2008. Zweites Abkommen mit Regeln zur Eigenkapitalvorhaltung der Finanzinstitute.<br />

2013 drängen große Kapitalströme auf der Suche nach rentablen Anlageformen verstärkt in<br />

die Immoblilenmärkte, die Preise steigen exorbitant. Städte und ihre Bevölkerungen geraten<br />

unter verstärkten Druck. Das „verflüssigte“ Kapital beginnt die Stadt beschleunigt umzuformen,<br />

die Gussformen der kapitalgebenden Anleger: Rendite.


„Noch nie war soviel Geld in unseren Städten<br />

und nie zuvor waren sie so hässlich.“<br />

Gerhard Matzig, Süddeutsche Zeitung 2016<br />

siehe auch: wir hier / here we are<br />

GLOBALOCAL<br />

Vor dem Eingang zur Art Basel gibt es ein<br />

Wasserbecken, in dem sich die Silhouette der<br />

Baseler Altstadt widerspiegelt. Die goldene<br />

Struktur stammt von einer Reihe von<br />

Leuchtstoffröhren, die an der<br />

Fassade installiert sind.


think<br />

big<br />

on Willy-Brandt-Platz at Messestadt-Riem<br />

Neues vom Willy-Brandt-Platz<br />

Die Investoren kündigen zum wiederholten Mal die baldige Fertigstellung<br />

der seit Jahren unvollständigen Bebauung an. Mit einer Erweiterung der<br />

vorhandenen Shopping-Mall und einem weiteren Hotel einer internationalen<br />

Kette soll der oft wegen seiner mangelnden Aufenthaltsqualität kritisierte<br />

Willy-Brandt-Platz nun vollendet werden.<br />

GLOBALOCAL<br />

Bevor das Areal dann endgültig zur Warenwohlfühlkonsumwelt<br />

wird, könnte GLOBALOCAL den Willy-Brandt-Platz zu einem Ort<br />

der Auseinandersetzung mit der Gegenwart werden lassen. Mit<br />

Containern – den Warenbehältnissen unserer Zeit – wird am Platz<br />

vorab die fehlende Bebauung und der Säulenportikus ergänzt.<br />

Unterstützt wird GLOBALOCAL unter anderem von gesellschaftlich<br />

starken Partnern wie UniCredibility, new (b)order, FAIRU FAIR,<br />

WarTrade, participate management und poorcapital.<br />

Weitere Informationen auch unter www.here-we-are.net<br />

U<br />

Messestadt A1 / Nr. 22 eine Plakatreihe vom büro riem buero-riem@t-online.de © 2015 Michael Lapper www.here-we-are.net


wir hier / here we are GLOBALOCAL<br />

Kunst über Globalisierung und Migration auf einem ziemlich vermurksten Platz<br />

Öffentlicher Raum.<br />

Echt jetzt? Ja.<br />

Der Willy-Brandt-Platz im Münchner Osten ist einer der größten und zugleich<br />

ungemütlichsten Orte Münchens. Dabei ist der nie richtig fertiggestellte<br />

Platz, bei dem einiges schiefgelaufen ist, mit der angrenzenden<br />

Shopping Mall, der gegenüberliegenden Münchner Messe und dem<br />

benachbarten neuen multikulturell geprägten Stadtteil Messestadt-<br />

Riem auch ein sehr aktueller Spiegel der Gegenwart.<br />

wir hier / here we are 2013 war ein partizipatives Kunstprojekt, in dem<br />

es um Herkunft und Identität unterschiedlichster Menschen in der Stadtgesellschaft<br />

ging. Mit einer großen Installation aus 300 Gurtpfosten<br />

wurde der Platz für einen Monat zu einem Tag und Nacht begehbaren<br />

und lesbaren offenen sozialen Raum. In der Folge entstanden mit<br />

GLOBALOCAL eine Reihe von weiteren Entwürfen, Statements, Berichten<br />

zur Auseinandersetzung mit einem Ort, der nicht zuletzt von einer<br />

auf Konsum und Wachstum getrimmten Gesellschaft geprägt ist.<br />

Mehr unter<br />

wir hier / here we are<br />

GLOBALOCAL


wir hier / here we are<br />

Investoren<br />

ie


Will man wissen, wie es mit dem Willy-Brandt-Platz weitergeht,<br />

kommt man an den Investoren nicht vorbei. Die Projektentwickler<br />

und Kapitalgesellschaften haben entscheidenden Einfluss auf<br />

die weitere Bebauung. Projektiert und finanziert wurde das Areal<br />

des Willy-Brandt-Platzes mit Shopping Mall, Büros und Hotel<br />

von einer großen Fondsgesellschaft, die von Anlegergeldern<br />

regionaler Genossenschaftsbanken gespeist wird. Betreiber des<br />

Komplexes ist eine Unternehmensgruppe, die auf das Management<br />

von Großeinkaufszentren spezialisiert ist und wiederum einer<br />

französischen Holding gehört, die ebenfalls im internationalen<br />

Markt großer Gewerbeimmobilien agiert.<br />

Während des Projekts findet gegenüber mit der Expo Real die<br />

größte Immobilienmesse Europas statt. In der gegenwärtigen<br />

Niedrigzins-Situation ringen Investoren nach sicheren und zugleich<br />

gewinnbringenden Kapitalanlagen, die der deutsche Immobilienmarkt<br />

verspricht. Der Markt ist extrem nachgefragt und<br />

Experten warnen bereits vor einer Immobilien-Blase. Bei Eintrittspreisen<br />

von 450 Euro entsteht leicht der Eindruck, dass<br />

man dort unter sich bleiben möchte. Ich versuche, auf der Messe<br />

mit Leuten aus der Branche ins Gespräch zu kommen. Ich will<br />

wissen, inwieweit ein gelungener Bürgerplatz auch gut fürs Geschäft,<br />

sprich für die Rentabilität eines Platzes ist und wie<br />

sie die Situation am nahegelegenen Willy-Brandt-Platz beurteilen.<br />

Wenn allerdings klar wird, dass sich hier kein Geschäft<br />

anbahnt, gerät das Gespräch meist schnell ins Stocken, und ich<br />

schaue in verständnislose Gesichter. Später kommt ein Architekt<br />

zu mir an den Kiosk und meint: „Die laufen da alle mit<br />

einem Grinsen im Gesicht rum, weil soviel Anlegergeld da ist.“<br />

Auch bei einem lokalen und selbst hier ansässigen Bauträger<br />

in der Messestadt zeigt man sich wenig begeistert von den<br />

großmaßstäblich agierenden Kollegen.


Zu den Führungen auf dem Willy-Brandt-Platz kamen auch zwei Klassen des nahegelegenen<br />

Berufsbildungszentrums für Finanz- und Immobilienwirtschaft, für mich eine besonders<br />

interessante Zielgruppe, sind die Schüler doch die zukünftigen Agenten des Kapitals für<br />

Gebäude- und Stadtentwicklung.<br />

Frage bei der Diskussion am Kiosk:<br />

„Welche Möglichkeiten habt ihr, in eurem Beruf als Projektentwickler etwas zu gestalten?“<br />

„Im Prinzip läuft es so ab: Man geht rein, wickelt das Projekt nach den Maßgaben ab,<br />

macht seinen Profit und geht wieder raus. Das war's. Also nicht so viel Spielraum.“


wir hier / here we are


PAM<br />

Überträgt man die aktuelle ungleiche Kapitalverteilung z. B. auf<br />

Systeme wie etwa das Wetter und schaut man sich diese Strukturen<br />

an, stellt man fest: genauso sehen instabile Systeme aus!<br />

Harald Lesch / Süddeutsche Zeitung, 2014


Wir der Müll und die Stadt


Das muss gut abgehangen sein<br />

Michael Lapper<br />

Heidrun Wanke<br />

Frank Berninger<br />

Ruth Schnurer<br />

Mike Köb<br />

Alexis Dworsky<br />

Peter Steinbacher<br />

Hier mal was vom Jetzt<br />

Hier mal was vom Jetzt eine Plakatreihe von Michael Lapper und den weiteren beteiligten Künstlern buero-riem@t-online.de © 2016 Michael Lapper www.here-we-are.net<br />

Groupe Smirage und Künstler des BBK am U Bahnhof Königsplatz


alle Plakate unter<br />

gut abgehangen


„Wenn zwei Künstler miteinander sprechen, reden Sie über<br />

Geld. Wenn zwei Banker mitenander sprechen, reden Sie über<br />

Kunst.“ In ihrem Buch „Geld frisst Kunst / Kunst frisst Geld“<br />

kritisieren Markus Metz und Georg Seeßlen die Ökonomisierung<br />

und Banalisierung von Kunst durch den Markt.<br />

Das Verhältnis von Kunst und Geld ist ambivalent. Die Kunst<br />

trägt ein Versprechen von Freiheit in sich: Künstler erschaffen<br />

etwas aus eigenem Antrieb und eigener Motivation, die gängigen<br />

ökonomischen Verwertungsmechanismen spielen dabei<br />

zuvorderst keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Kunst hat<br />

viel Ähnlichkeit mit Spiel, der Verhaltensbiologe Midas Dekker<br />

bezeichnet die Kunst gar als die höchste Form des Spiels.<br />

Demgegenüber der Bankmensch in leitender Position, dessen<br />

Handeln von zweckorientierter ökonomischer Doktrin<br />

bestimmt und begrenzt ist<br />

und dem der Künstler<br />

als (vermeintlich)<br />

freie und unabhängige<br />

Existenz<br />

in der Hierarchie<br />

ebenbürtig gegenübersteht.<br />

Durch den Kauf wird das<br />

Kunstwerk„erobert“ und zum Fetisch und<br />

zugleich eben doch den marktwirtschaftlichen Kriterien einverleibt<br />

und, zur Ware „erniedrigt“, verfügbar gemacht. Im größeren<br />

Stil wird die Kunst dann im Kunstmarkt spartenspezifisch<br />

ins Sortiment integriert.<br />

Durch die zunehmende Hinwendung zum Event und Exklusiven<br />

werden die der Kunst eigenen Inhalte zerstört; geredet wird<br />

jetzt über die ungeheuren Verkaufssummen und den Glamour<br />

einer in exklusiven Zirkeln handelnden reichen Oberschicht. Die<br />

Kunstwerke verschwinden in privaten Depots schwerbewachter<br />

Freihäfen in Genf und Singapur, zu denen nur die Besitzer und<br />

deren ausgewählte Gäste Zutritt haben. Und der für die Kunst<br />

so notwendige lebendige Diskurs verschwindet samt öffentlichem<br />

kulturellen Bewusstsein in einem inhaltsleeren schwarzes<br />

Loch. Was die im wahrsten Sinne des Wortes „Wert-Schätzung“<br />

beim Geld ist, ist bei der Kunst die Bedeutung. Ohne den<br />

Diskurs über die Inhalte eines Kunstwerks erledigt sich seine<br />

Bedeutung als schöpferische Beschreibung der Welt und damit<br />

auch sein ureigener Wert. Dass der Oligarch mit seiner von Jeff<br />

Koons angemalten Yacht zur Biennale in Venedig in den Hafen<br />

einfährt, wirkt dann auch einfach nur billig.


BLACK HOLE<br />

„So what?“ mag der Betrachter denken, war doch schon immer so.<br />

Aber stimmt das wirklich?

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