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Anstifter 2, 2015 der Stiftung Liebenau

Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

Der Anstifter ist die Hauszeitschrift der Stiftung Liebenau mit Themen aus den Bereichen Altenhilfe, Behindertenhilfe, Bildung, Gesundheit, Familie und Dienstleistungen.

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<strong>Anstifter</strong><br />

<strong>2015</strong> Ausgabe 2<br />

Infos aus <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Aufsichtsrat im Gespräch<br />

Seite 8<br />

<strong>Stiftung</strong> ehrt Mitarbeiter<br />

Seite 9<br />

Pflege: Autonomie stärken<br />

Seite 14<br />

Altenhilfe<br />

Daheim in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

Seite 22<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

Schutz durch Aufklärung<br />

Seite 24<br />

Umwege ins Arbeitsleben<br />

Seite 26<br />

Gesundheit<br />

25 Jahre St. Lukas-Klinik<br />

Seite 28<br />

Bildung<br />

Mit Glück und Willensstärke<br />

Seite 30<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugend<br />

Es geht um Abschied<br />

Seite 33<br />

Dienstleister<br />

Motiviert in die Zukunft<br />

Seite 34


Inhalt<br />

Ihre Spende<br />

für die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Spendenkonto<br />

Sparkasse Bodensee<br />

Konto: 20 994 471<br />

BLZ: 690 500 01<br />

IBAN: DE35 6905 0001 0020 9944 71<br />

BIC: SOLADES1KNZ<br />

Wollen Sie regelmäßig unsere<br />

Spendennachrichten lesen?<br />

Abonnieren Sie sie unter<br />

www.stiftung-liebenau.de/<br />

Spendennachrichten<br />

Titelfoto: Begegnungen im Haus<br />

St. Martin in Ailingen<br />

Foto: Felix Kästle<br />

3 Editorial<br />

4 kurz und knapp<br />

5 Impressum<br />

6 www-Adressen<br />

35 Anzeigen<br />

36 Spot an: Ursula Cantieni<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

7 Spiritueller Impuls<br />

8 Interview: Aufsichtsrat Bühler<br />

10 <strong>Stiftung</strong> ehrt Mitarbeiter<br />

12 Gemeinnützigkeit in Europa<br />

14 Autonomie stärken<br />

16 St. Lukas-Klinik mit neuer Führung<br />

17 Arbeiten in <strong>der</strong> Rente<br />

18 Wir haben den Menschen im Blick<br />

19 Social'n'Fun Festival<br />

Altenhilfe<br />

21 Einweihung Haus St. Martin<br />

22 Zuhause sein in <strong>der</strong> Hausgemeinschaft<br />

23 Ein Konzept, das begeistert<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

24 Geschützt durch Aufklärung<br />

25 Leichte Sprache<br />

26 Auf Umwegen ins Arbeitsleben<br />

27 Neu: Assistenzplan<br />

Gesundheit<br />

28 25 Jahre St. Lukas-Klinik<br />

Bildung<br />

30 Glück und Durchhaltevermögen<br />

32 Autismus: Hürde Vorstellungsgespräch<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugend<br />

33 Hospizdienst: Es geht um Abschied<br />

Dienstleister<br />

34 Anerkannte Qualifikationen<br />

<strong>Anstifter</strong><br />

<strong>2015</strong> Ausgabe 2<br />

Infos aus <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Aufsichtsrat im Gespräch<br />

Seite 8<br />

<strong>Stiftung</strong> ehrt Mitarbeiter<br />

Seite 9<br />

Pflege: Autonomie stärken<br />

Seite 14<br />

Altenhilfe<br />

Daheim in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />

Seite 22<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

Schutz durch Aufklärung<br />

Seite 24<br />

Umwege ins Arbeitsleben<br />

Seite 26<br />

Gesundheit<br />

25 Jahre St. Lukas-Klinik<br />

Seite 28<br />

Bildung<br />

Mit Glück und Willensstärke<br />

Seite 30<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugend<br />

Es geht um Abschied<br />

Seite 33<br />

Dienstleister<br />

Motiviert in die Zukunft<br />

Seite 34<br />

Den <strong>Anstifter</strong> finden Sie auch als e-book unter<br />

www.stiftung-liebenau.de/anstifter<br />

Auch die Tochtergesellschaften <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> informieren regelmäßig<br />

über neue Konzepte und Planungen und präsentieren Menschen hautnah.<br />

Näheres finden Sie unter:<br />

„anna live“ Deutschland: www.st.anna-hilfe.de/anna-live<br />

„anna live“ Österreich: www.st.anna-hilfe.at/anna-live<br />

„wir“: www.st.gallus-hilfe.de/wir<br />

„wir-mittendrin“: www.st.gallus-hilfe.de/wir-mittendrin<br />

„Auf Kurs“: www.bbw-rv.de/auf-kurs


Editorial<br />

LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,<br />

wir wollen ältere Menschen in ihrem Leben gut begleiten, versorgen, pflegen, ihr Leben lebenswert mitgestalten.<br />

Wir wollen Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, Kin<strong>der</strong>n und<br />

Jugendlichen durch Bildung größere Chancen im Leben eröffnen. Doch manchmal scheint es: Alles ist geregelt.<br />

Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Anweisungen, Hygienevorschriften, Brandschutz, För<strong>der</strong>richtlinien, Heimbauverordnungen.<br />

Und alle meinen es gut. Die Heimaufsicht meint es gut, <strong>der</strong> Gesetzgeber, <strong>der</strong> Kommunalverband für Jugend<br />

und Soziales, das Ordnungsamt, die Ministerien ... Und das sind ja „nur“ die Regeln von außen. Es kommen<br />

eigene, hausinterne Regeln hinzu wie zum Beispiel Hausordnungen, interne Kontrollsysteme für Bau o<strong>der</strong><br />

Finanzen o<strong>der</strong> IT-Richtlinien. Dies alles sind Versuche, objektiv zu regeln, dass es Menschen gut gehen möge.<br />

Betreiber von Einrichtungen sollen sich an bestimmten Standards und Qualitäten orientieren, damit Bewohner<br />

sich wohlfühlen und Mitarbeiter beispielsweise geschützt werden. Der Eindruck ist wohl nicht unbegründet,<br />

dass <strong>der</strong> Regelbedarf mit <strong>der</strong> Größe des Unternehmens wächst.<br />

Daneben gibt es auch Benotungssysteme. Noten wie zum Beispiel <strong>der</strong> Medizinische Dienst <strong>der</strong> Krankenkassen<br />

sie seit Jahren für Pflegeheime vergibt. Sie sind allerdings immer wie<strong>der</strong> in die Kritik geraten, da sie kaum<br />

noch Aussagekraft haben. Denn die Noten fielen stets sehr gut aus. Zu gut, um Qualität realistisch abzubilden<br />

und Missstände aufzudecken. Sie wurden immer unglaubwürdiger und werden jetzt wie<strong>der</strong> abgeschafft. Im<br />

Raum steht <strong>der</strong>zeit, einen Pflegequalitätsausschuss einzurichten, <strong>der</strong> Qualitätsrichtlinien erarbeitet.<br />

Wir halten es für richtig, messbare Daten zu haben, klare Gesetze und überprüfbare Prozesse. Wir glauben<br />

auch, dass es Standards geben muss, die objektiv überprüfbar sind. Wir sind des Weiteren <strong>der</strong> Meinung, dass<br />

Verantwortlichkeiten klar definiert und auch messbar sein müssen. Und richtig angewendet sind Noten an sich<br />

keine schlechte Methode. Ordnungen sollen und können helfen. Strukturvorgaben für Arbeitsprozesse sind<br />

absolut notwendig und auch sie können Lebensqualität erhöhen.<br />

Sie sind aber nicht alles. Denn eines sollten wir bei all dem nicht aus dem Blick verlieren: Wir bauen keine<br />

Maschinen und wir produzieren nichts am Fließband. Wir betreuen und begleiten Menschen. Und unsere<br />

wesentliche Aufgabe wird immer sein, darauf zu achten, ob sich die Menschen bei uns gut aufgehoben und<br />

betreut wissen. Ob sie sich beheimatet und angenommen fühlen. Dann darf alles sein, was dem Menschen<br />

nutzt und gut tut. „Versicherungssysteme“ dürfen die Menschlichkeit nicht ersetzen. Lebensqualität ist nicht<br />

messbar. Messbar sind nur die Faktoren, von denen wir annehmen, dass sie sich positiv auf die Lebensqualität<br />

auswirken.<br />

Vorstand <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Prälat Michael H. F. Brock Dr. Berthold Broll Dr. Markus Nachbaur<br />

Wie ist Ihre Meinung?<br />

Die Vorstände <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> freuen sich auf Ihre Rückmeldung: vorstand@stiftung-liebenau.de


kurz und knapp<br />

Amtzell/Ravensburg<br />

Rosenharz/Ulm/Friedrichshafen/Konstanz<br />

Liechtensteiner bei <strong>Liebenau</strong>er Altenhilfe<br />

Eine außergewöhnliche Zusammenarbeit<br />

Wohnen im Alter ist auch in Liechtenstein ein Thema. Vertreter<br />

dreier Gemeinden informierten sich über verschiedene Modelle<br />

bei <strong>der</strong> Altenhilfe <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>. In den „Lebensräumen<br />

für Jung und Alt“ in Amtzell wurde die Delegation auch vom<br />

Bürgermeister <strong>der</strong> Gemeinde Amtzell Clemens Moll empfangen.<br />

Selbsthilfe, Nachbarschaftshilfe und Freiwilligenarbeit waren die<br />

Themen, über die dort ein Austausch stattfand. Im Anschluss<br />

besuchte die Delegation den Rahlentreff im Wohnquartier Galgenhalde,<br />

<strong>der</strong> sich inzwischen zu einer Art Stadtteiltreff etabliert<br />

hat und vielfältige nie<strong>der</strong>schwellige Begegnungsmöglichkeiten<br />

für Jung und Alt bietet. Der Kontakt zur <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

war über den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten<br />

Paul Locherer zustande gekommen.<br />

Auszubildende <strong>der</strong> Hypovereinsbank aus Ulm, Friedrichshafen<br />

und Konstanz haben in <strong>der</strong> Kreativwerkstatt <strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong>er<br />

Arbeitswelten unter Künstlern mit Behin<strong>der</strong>ung einen außergewöhnlichen<br />

Arbeitstag erlebt. „Das verdiente Leben“ heißt das<br />

Kunstwerk, das in gemeinsamer künstlerischer Arbeit entstanden<br />

ist und anschließend bei einer Ausstellung <strong>der</strong> Kreativwerkstatt<br />

in <strong>der</strong> Ulmer Filiale <strong>der</strong> Hypovereinsbank gezeigt wurde.<br />

Nach diesem Tag werden die Auszubildenden Menschen mit<br />

Behin<strong>der</strong>ung mit an<strong>der</strong>en Augen wahrnehmen, so das Fazit.<br />

Die Hypovereinsbank unterstützt die Arbeit <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

seit einigen Jahren.<br />

Termine<br />

20. Juni <strong>2015</strong><br />

Spendenwan<strong>der</strong>ung<br />

mit Ursula Cantieni<br />

<strong>Liebenau</strong><br />

10. Juli <strong>2015</strong><br />

Mitarbeiterfest<br />

<strong>Liebenau</strong><br />

11. Juli <strong>2015</strong><br />

Social ‚n‘ Fun Festival<br />

<strong>Liebenau</strong><br />

Fußballturnier<br />

<strong>Liebenau</strong><br />

12. Juli <strong>2015</strong><br />

<strong>Liebenau</strong>er<br />

Sommerfest<br />

<strong>Liebenau</strong><br />

15. Juli <strong>2015</strong><br />

Sommerfest<br />

Leutkirch<br />

<strong>Liebenau</strong><br />

Erfolgreicher Fortbildungsabschluss<br />

Das Zusammenleben <strong>der</strong> Menschen än<strong>der</strong>t sich: Gemeinden werden<br />

bunter und Nachbarschaften erleben eine Renaissance. Anlass<br />

für die Abteilung fortbilden & entwickeln <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>,<br />

für bürgerschaftlich engagierte Menschen eine Weiterbildung<br />

anzubieten. Ende März erhielten zwölf Männer und Frauen ihr<br />

Zertifikat für die Teilnahme am Kurs „BiG – Bürgerin/Bürger in<br />

<strong>der</strong> Gemeinde“. Verbunden damit ist Rüstzeug für die Arbeit im<br />

Sozialraum. Etwa: Wie initiiert man Netzwerke? Wie arbeitet man<br />

mit Gruppen? Wie gestaltet man die Aufgabenteilung zwischen<br />

Profis und freiwillig Engagierten? Und wie macht man die Öffentlichkeit<br />

auf die Projekte aufmerksam? Ein wichtiges Ziel ist, die<br />

Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Fachkräften vor Ort zu<br />

stärken. www.fortbilden-entwickeln.de<br />

Näheres erfahren Sie unter<br />

www.stiftung-liebenau.de Aktuell/Termine<br />

4 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


<strong>Liebenau</strong><br />

Wir sagen Danke!<br />

Merkelbach besucht <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Wenige Tage vor seinem offiziellen Amtsantritt im Vorstand des<br />

Caritasverbandes <strong>der</strong> Diözese Rottenburg-Stuttgart zum 1. April,<br />

besuchte Oliver Merkelbach die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>. Merkelbach<br />

war zuletzt Dekan des Dekanats Ludwigsburg und Regionaldekan<br />

aller katholischen Dekanate in <strong>der</strong> Region Stuttgart. Er ist Nachfolger<br />

von Wolfgang Tripp, <strong>der</strong> 18 Jahre lang an <strong>der</strong> Spitze des<br />

Verbandes stand, in dem die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> Mitglied ist. Der<br />

Caritasverband <strong>der</strong> Diözese Rottenburg-Stuttgart ist einer <strong>der</strong> 27<br />

Diözesanverbände in Deutschland. Ihr Dachverband ist <strong>der</strong> Deutsche<br />

Caritasverband, <strong>der</strong> Wohlfahrtsverband <strong>der</strong> katholischen Kirche.<br />

Auf dem Foto (v.l.): Dr. Markus Nachbaur, Prälat Michael H.<br />

F. Brock, Oliver Merkelbach und Dr. Berthold Broll.<br />

Impressum<br />

<strong>Anstifter</strong><br />

Auflage: 6 500<br />

Herausgeber: <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Redaktion: Helga Raible (verantwortlich),<br />

Anne Oschwald, Susanne Droste-Gräff<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Siggenweilerstraße 11<br />

88074 Meckenbeuren<br />

Tel.: 07542 10-1181<br />

E-Mail: vera.ruppert@stiftung-liebenau.de<br />

Druck: Bodensee-Medienzentrum, Tettnang<br />

An dieser Ausgabe haben mitgearbeitet:<br />

Elke Benicke, Michael H. F. Brock, Markus Brunnbauer,<br />

Christof Klaus, Günter Marquardt, Svenja Kranz, Maria<br />

Schuster<br />

Den Text in Leichter Sprache (S. 25) wurde geprüft von<br />

<strong>der</strong> Prüfergruppe <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe.<br />

Spendenkonto: <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Sparkasse Bodensee<br />

BLZ 690 500 01, Kt. 20 994 471<br />

IBAN: DE35 6905 0001 0020 9944 71<br />

BIC: SOLADES1KNZ<br />

ê<br />

Barrierefrei wohnen<br />

Mit exakt 22.666 Euro unterstützt die Rentenlotterie<br />

Glücksspirale die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>: Die Mittel wurden für<br />

Automatiktüren eingesetzt, um den barrierefreien Zugang<br />

in die generationenübergreifende Wohnanlage „Lebensräume<br />

für Jung und Alt“ <strong>der</strong> St. Anna-Hilfe in Immenstaad zu<br />

ermöglichen.<br />

ê<br />

Spenden mit Geschwindigkeit<br />

Formel-4-Rennfahrer Tim Zimmermann (18 Jahre) aus Langenargen<br />

unterstützt benachteiligte Jugendliche in <strong>der</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>. Über seine Initiative „we4tim“ sucht er<br />

Unterstützer für seine Rennen. Bereits mit einem kleinen<br />

Beitrag kann man Teil eines Rennens werden. Gleichzeitig<br />

hilft er damit sozialen Einrichtungen wie <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>.<br />

ê<br />

Stapeln für die Ausbildung<br />

Mit einer Spende von 5.000 Euro unterstützt die Firma UF<br />

Gabelstapler GmbH die Anschaffung eines neuen Staplers für<br />

das Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW). Dort kommt das<br />

Fahrzeug unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> angehenden<br />

Fachlageristen zum Einsatz.<br />

ê<br />

Verantwortlich für Familien<br />

Eine Spende in Höhe von 2.500 Euro von <strong>der</strong> Sparkasse<br />

Bodensee bekam die Sozialmedizinische Nachsorge vom <strong>Liebenau</strong>er<br />

Netzwerk Familie. Der Sparkasse Bodensee liegt viel<br />

an Familien und sie sieht sich in <strong>der</strong> Verantwortung für die<br />

Region. Bereits seit 2012 unterstützt die Sparkasse Bodensee<br />

die Hilfen für Familien <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>.<br />

ê<br />

Hilfe für Kin<strong>der</strong>hospizdienst<br />

Mitarbeiter von Airbus Defence and Space GmbH unterstützten<br />

den Ambulanten Kin<strong>der</strong>hospizdienst AMALIE <strong>der</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> und <strong>der</strong> Malteser mit einer Spende über<br />

1.200 Euro.<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

5


Spatenstich für ein beson<strong>der</strong>es Bauprojekt <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

in Uhldingen-Mühlhofen: Im Ortsteil Oberuhldingen entsteht in<br />

zentraler Lage ein inklusives Wohnhaus für Menschen mit und<br />

ohne Behin<strong>der</strong>ung. Mehr als ein Drittel <strong>der</strong> Baukosten von 3,145<br />

Millionen Euro wird vom Land Baden-Württemberg (864.600<br />

Euro) und <strong>der</strong> Aktion Mensch (250.000 Euro) bezuschusst.<br />

Bereits im Herbst 2016 sollen hier 24 Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

einziehen. Außerdem bietet das Haus vier Wohnungen für<br />

nichtbehin<strong>der</strong>te Menschen. Mit diesem inklusiven und gemeindeintegrierten<br />

Angebot forciert die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> und ihre<br />

Tochtergesellschaft, die St. Gallus-Hilfe, die Entwicklungen <strong>der</strong><br />

vergangenen Jahre im Bereich Wohnen: Weg von großen zentralen<br />

Standorten, hinein in die Städte und Ortschaften. Das ist<br />

auch das Ziel <strong>der</strong> richtungsweisenden Vereinbarung mit dem<br />

Landkreis Bodenseekreis und dem Kommunalverband für Jugend<br />

und Soziales.<br />

„Mit diesem Wohnhaus soll Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung ein normales<br />

und selbstbestimmtes Leben innerhalb des Gemeinwesens<br />

ermöglicht werden“, betonte Markus Wursthorn von <strong>der</strong> St. Galkurz<br />

und knapp<br />

Uhldingen-Mühlhofen<br />

Ein Leben im Gemeinwesen<br />

lus Hilfe (Bereichsleiter Wohnen Erwachsene Bodenseekreis)<br />

beim offiziellen Spatenstich. Dazu gehört, dass je<strong>der</strong> Bewohner<br />

in seiner Wohngemeinschaft ein eigenes Einzelzimmer haben<br />

wird. Für die nötige Betreuung und Unterstützung vor Ort ist<br />

auch gesorgt: „Es sind immer Mitarbeiter im Haus.“<br />

Weitere Informationen finden Sie unter:<br />

...<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

www.stiftung-liebenau.de<br />

www.christliche-hospizstiftung.de<br />

www.zustifterrente.de<br />

www.ausbildung-stiftung-liebenau.de<br />

Altenhilfe<br />

www.st.anna-hilfe.at<br />

www.altenhilfe-liebenau.de<br />

www.pflegeheim-helios.ch<br />

www.dorfplatz-sg.ch<br />

www.gaestehaus-st-anna.at<br />

www.casa.or.at<br />

www.stiftung-helios.ch<br />

Hilfe für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

www.st.gallus-hilfe.de<br />

WWW<br />

www.christliches-sozialwerk-ggmbh.de<br />

www.don-bosco-schulen.de<br />

www.liebenauer-arbeitswelten.de<br />

Bildung<br />

Gesundheit<br />

www.ausbildung-bbw.de<br />

www.st.lukas-klinik.de<br />

www.bbw-rv.de<br />

www.kjp-bernsteinstrasse.de<br />

www.bbw-produkte.de<br />

www.cafe-miteinan<strong>der</strong>.de<br />

Dienstleister und <strong>Stiftung</strong>sbetriebe<br />

www.fortbilden-entwickeln.de<br />

www.lise-gmbh.de<br />

www.max-gutknecht-schule.de<br />

www.kochwerk-rv.de<br />

www.raz-ulm.de<br />

www.kurhaus-badwurzach.de<br />

www.ifsb.rv.schule-bw.de<br />

www.lbu-gmbh.com<br />

www.rheinmainbildung.de<br />

www.lbu.ag<br />

www.ligas-gmbh.de<br />

Hilfe für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche www.liebenauer-landleben.de<br />

www.netzwerkfamilie.de<br />

www.liebenauer-brennholz.de<br />

www.kin<strong>der</strong>hospiz-nikolaus.de<br />

www.kin<strong>der</strong>nachsorge-rv.de<br />

Sonstige Tätigkeiten<br />

www.kin<strong>der</strong>hospizdienst-ravensburg.de<br />

www.kin<strong>der</strong>hospizdienst-bodensee.de<br />

www.wellcome-online.de<br />

www.geschwisterzeit.de<br />

www.schloss-badwurzach.de<br />

www.bulgarisch-deutsches-sozialwerk.de<br />

www.bruesseler-kreis.de<br />

www.netzwerk-song.de<br />

www.stiftung-heilig-geist.de<br />

www.bürgerbürokontakt3.de<br />

6 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


Über das Schweigen<br />

von Prälat Michael H. F. Brock<br />

Schweigen kann himmlisch sein. Es braucht keine<br />

Worte mehr und das Einvernehmen ist bis in alle<br />

Winkel des Körpers spürbar. Die Hände ersetzen die<br />

Worte und die Blicke. Ja, Augen können reden und<br />

Hände tun es. Wenn es Geborgenheit ist, wird das<br />

Schweigen zur Quelle berührten Lebens. Hände sprechen<br />

von Zärtlichkeit bei je<strong>der</strong> Berührung. Je zarter<br />

die Berührung, desto tiefer das Schweigen. Es ist<br />

berührend, wenn es zwischen Menschen keiner Worte<br />

mehr bedarf und allein <strong>der</strong> Herzschlag und <strong>der</strong> Blick<br />

in die Augen einen ganzen Roman ersetzen. Kann<br />

man ein solches Schweigen lernen? Manchmal<br />

wünschte ich es mir. Aber solches Schweigen ist ein<br />

Geschenk <strong>der</strong> durchschrittenen Zeit – gemeinsamer<br />

Zeit. Geborgenes Schweigen hat oft viel durchlitten,<br />

ist aber weithin durch erfahrenes Glück geprägt. Vertrauen<br />

setzt es voraus, gewachsenes und geschenktes<br />

Vertrauen. Manchmal auch wie<strong>der</strong>erlangtes nach vielen<br />

Worten. Ich kenne aber auch ein verzweifeltes<br />

Schweigen. Ein Schweigen, wenn die Worte versagen.<br />

Ein Schweigen <strong>der</strong> blind gewordenen Gefühle und <strong>der</strong><br />

erlittenen Schläge. Ein Schweigen <strong>der</strong> Angst, wenn<br />

Worte zu sprechen sich die Seele nicht mehr getraut.<br />

Es gibt ein Schweigen unerfüllter Sehnsucht und verlachter<br />

Gefühle. Es gibt ein Schweigen verlorener<br />

Hoffnung und unausgesprochener Träume. Vor allem<br />

das Schweigen <strong>der</strong> Angst macht mir Sorge. Wenn sich<br />

Menschen vor an<strong>der</strong>en Menschen nicht mehr zu<br />

offenbaren getrauen. Und sei es die Bitte um ein<br />

wenig geteilter Zeit. O<strong>der</strong> ein offenes Ohr. Menschen,<br />

die schweigen, sind oft verletzt worden. Gewalterfahrungen,<br />

die sich festsetzen in den Herzen, bringen<br />

Menschen zum Schweigen. Zerbrochene Beziehungen<br />

bringen Menschen zum Schweigen. Unachtsamer<br />

Umgang mit Menschen bringt Menschen zum Schweigen.<br />

Schockstarre <strong>der</strong> Einsamkeit bringt Menschen<br />

zum Schweigen. Der Tod, <strong>der</strong> Verlust von Vertrautheit<br />

und die Nähe eines Menschen, <strong>der</strong> nicht mehr<br />

bei uns ist, bringt Menschen zum Schweigen. Überhöhte<br />

Erwartungen bringen Menschen zum Schweigen.<br />

Überfor<strong>der</strong>ung und die Angst zu versagen,<br />

bringt Menschen zum Schweigen. In <strong>der</strong> Nähe von<br />

Menschen, die schweigen, ist beson<strong>der</strong>e Sensibilität<br />

gefragt. Und es bedarf nicht sofort neuer Worte. Es<br />

bedarf einer Aufmerksamkeit für die verwundeten<br />

Stellen <strong>der</strong> Seele, die keine Worte mehr zulassen. Es<br />

bedarf verstehen<strong>der</strong> Gesten, beson<strong>der</strong>er Blicke und<br />

einfühlsam zärtlicher Händen. Und es bedarf Zeit.<br />

Zeit, das Schweigen nicht zu überhören und ein Öffnen<br />

<strong>der</strong> Seele überhaupt wie<strong>der</strong> zu erlauben. Erlaubnis<br />

gegen das Schweigen bedarf wie<strong>der</strong>um keiner<br />

Worte. Sie bedarf einer fühlenden, spürenden Nähe.<br />

Einer Schwingung des Herzens und des Gefühls, dass<br />

Berührung nicht neue Schmerzen verursacht. Ein<br />

je<strong>der</strong> von uns schweigt. Manchmal brauchen wir<br />

auch die Zeiten des Schweigens ganz für uns. Ich<br />

möchte nur spüren, ob es ein gesundes, vertrautes<br />

Schweigen ist o<strong>der</strong> ein angstvoll verschlossenes.<br />

Geglücktes Schweigen möchte ich durch Worte nicht<br />

stören. Doch die gequälten Seelen des Schweigens<br />

möchte ich wahrnehmen. Aufmerksam, behutsam,<br />

schweigend. Allenfalls berührend mit den Augen,<br />

noch vorsichtig mit den Händen. Und wenn überhaupt,<br />

dann mit leisen Worten.<br />

michael.brock@stiftung-liebenau.de<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

7


„Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> ist etwas Beson<strong>der</strong>es!“<br />

Aufsichtsrat Franz Bernhard Bühler im Gespräch<br />

von Helga Raible<br />

Wer wissen will, wie es um die Finanzen <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> steht, ist<br />

bei Franz Bernhard Bühler an <strong>der</strong> richtigen Adresse. Der stellvertretende<br />

Vorstandsvorsitzende <strong>der</strong> Sparkasse Bodensee ist seit 19 Jahren Mitglied<br />

im Aufsichtsrat <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> und hat als Vorsitzen<strong>der</strong> des Wirtschaftsausschusses<br />

Einblick in alle Finanzberichte. Für den <strong>Anstifter</strong> sprachen<br />

wir mit ihm über seine Arbeitsweise, seine Einschätzungen und Empfehlungen.<br />

„Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> ist etwas Beson<strong>der</strong>es!“ Für<br />

ihn als Zahlenmensch habe sie einen ganz eigenen<br />

Reiz, verrät Franz Bernhard Bühler gleich zu Beginn.<br />

Als er 1996, damals noch recht jung im Vorstand <strong>der</strong><br />

Sparkasse Bodensee, zum Aufsichtsrat <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

kam, war er gerade einmal zwei Jahre in <strong>der</strong> Region.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> kannte er nur oberflächlich,<br />

als „große <strong>Stiftung</strong>“ und „Träger <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>tenhilfe“.<br />

Dem Ruf in den Aufsichtsrat folgte er gern und<br />

aus <strong>der</strong> Überzeugung, vom eigenen Wohlergehen<br />

etwas abgeben zu wollen. Das Gremium beeindruckte<br />

ihn: „Eine geniale Auswahl an Fachlichkeit“ und eine<br />

„bunte Mischung interessanter Menschen“, von<br />

denen er auch persönlich viel lernen könne.<br />

Die frappierendste Beson<strong>der</strong>heit für den Finanzexperten:<br />

„Der enorm regulierte Markt, auf dem sich die<br />

<strong>Stiftung</strong> bewegt.“ Nichts davon habe er sich „ganz<br />

normal wirtschaftlich“ erklären können. Aber das ist<br />

lange her. Inzwischen ist Bühler die Logik <strong>der</strong> Sozialwirtschaft<br />

ebenso vertraut wie die Struktur <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Liebenau</strong> und ihre wirtschaftliche Situation. Als<br />

Kontrollorgan <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> wird <strong>der</strong> Aufsichtsrat vom<br />

Vorstand über alle relevanten Themen ausführlich<br />

informiert.<br />

Wie alle Mitglie<strong>der</strong> des Aufsichtsrates nimmt Bühler<br />

sich viel Zeit für die Diskussionen bei den regelmäßigen<br />

Aufsichtsratssitzungen, aber auch für Prüfungen<br />

im Vorfeld. Darin liegt die Hauptaufgabe <strong>der</strong><br />

Ausschüsse, die <strong>der</strong> Rat gebildet hat. Zweimal im<br />

Franz Bernhard Bühler hat Sinn für Zahlen – und für Farben.<br />

Das Gemälde hinter seinem Schreibtisch hat er einer Künstlerin<br />

aus Langenargen abgekauft. Foto: Raible<br />

Jahr treffen sich die fünf Mitglie<strong>der</strong> des Wirtschaftsausschusses,<br />

dessen Vorsitzen<strong>der</strong> Bühler ist. Sie<br />

bereiten Wirtschaftspläne und Jahresabschlüsse auf<br />

zur Beschlussfassung im Aufsichtsrat, befassen sich<br />

mit Themen wie Risikomanagement und Finanzanlagen<br />

und vielen weiteren Fragestellungen aus allen<br />

Tätigkeitsbereichen <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong>. Wie das alles in<br />

zwei Sitzungen bearbeitet werden kann? „Wir arbeiten<br />

sehr strukturiert und konzentriert!“<br />

Strukturiertheit, Offenheit und Transparenz: Darauf<br />

legt Bühler in seiner Aufsichtsratstätigkeit beson<strong>der</strong>en<br />

Wert, auch und gerade in Finanzthemen. Im <strong>Stiftung</strong>ssektor<br />

ist das keineswegs selbstverständlich.<br />

Für <strong>Stiftung</strong>en gibt es keine Offenlegungspflicht, wie<br />

zum Beispiel für Kapital- o<strong>der</strong> Handelsgesellschaften.<br />

„Deshalb orientieren wir uns für die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

nicht am <strong>Stiftung</strong>sgesetz, son<strong>der</strong>n am Aktienrecht“,<br />

sagt Bühler. So wie eine Aktiengesellschaft<br />

gegenüber ihren Aktionären habe die <strong>Stiftung</strong><br />

gegenüber ihren Partnern die Pflicht, ihr Handeln<br />

verständlich und nachvollziehbar zu machen.<br />

8 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


Zustifterrente<br />

Standortentwicklungen<br />

Eine Aufgabe, die bei <strong>der</strong> hochkomplexen Struktur<br />

<strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> mit ihren zahlreichen Tochtergesellschaften,<br />

Beteiligungen und diversen weiteren<br />

Rechtsträgern nicht ganz einfach ist. Im Jahresbericht,<br />

<strong>der</strong> seit 15 Jahren regelmäßig veröffentlicht<br />

wird, habe man dafür eine gute Lösung gefunden,<br />

meint Bühler. Indem die Berichte <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Tätigkeitsfel<strong>der</strong> zusammengefasst dargestellt würden,<br />

bekomme <strong>der</strong> Leser einen strukturierten Überblick,<br />

und die Einheit <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> bleibe erkennbar.<br />

Finanzanlagen<br />

Compliance /<br />

Corporate<br />

Governance<br />

Controlling System<br />

Wirtschaftsplan<br />

jährliche<br />

Themen<br />

Jahresabschluss<br />

Entwicklungen<br />

Gesellschaften z.B. BBW /<br />

Anna<br />

Internes<br />

Kontrollsystem /<br />

Interne Revision<br />

Risikomanagement<br />

Immobilienvermögen<br />

Sozialfonds<br />

Die Vielfalt in Struktur gebracht: Bühler arbeitet gern mit Grafiken und Mindmaps,<br />

hier <strong>der</strong> Themenplan für den Wirtschaftsausschuss.<br />

Gesellschaftlich wertvoll<br />

Und wie steht es nun aus Sicht des Finanzexperten<br />

um die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>? „Die <strong>Stiftung</strong> ist gut aufgestellt“,<br />

versichert Bühler. Durch ihre fachliche und<br />

regionale Vielfalt habe sie eine gute „Risikodiversifikation“<br />

vorgenommen, wie die Fachleute sagen. Einbrüche<br />

o<strong>der</strong> Krisen in einem Geschäftsfeld o<strong>der</strong> in<br />

einer Region könnten durch an<strong>der</strong>e Bereiche ausgeglichen<br />

werden. Auch die Anlagepolitik sei solide<br />

und gut aufgeteilt in Immobilien, Gesellschaftsanteile<br />

und Kapitalanlagen. „Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong><br />

Anlagen orientiert man sich nicht primär an <strong>der</strong><br />

Frage, wie hoch <strong>der</strong> Ertrag ist, son<strong>der</strong>n achtet auf<br />

unterschiedliche Anlageklassen.“ Bei <strong>der</strong> Auswahl<br />

von Fonds würden zudem auch ethische Kriterien<br />

angelegt. „Aktien von Rüstungsunternehmen sind<br />

zum Beispiel ausgeschlossen.“<br />

Trotzdem: Die Niedrigzinsphase macht <strong>der</strong>zeit allen<br />

<strong>Stiftung</strong>en zu schaffen. Daran wird sich nach Einschätzung<br />

Bühlers auch so schnell nichts än<strong>der</strong>n.<br />

„Das ist momentan eine sehr spezielle Situation.“<br />

Umso wichtiger sei es, jetzt Stabilität zu wahren.<br />

„<strong>Stiftung</strong>en stehen als Instrument für Stabilität, das<br />

macht sie gesellschaftlich so wertvoll.“<br />

So sieht <strong>der</strong> Finanzfachmann für die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

denn auch weniger finanzmarktbedingte als<br />

vielmehr regulatorische Risiken. Die zunehmenden<br />

staatlichen Regulierungen zwängen Trägern wie <strong>der</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> Strukturen auf, die sich nicht fachlich<br />

begründen ließen. „Es ist schmerzhaft zu beobachten,<br />

wieviel Geld dadurch in die Verwaltung <strong>der</strong><br />

sozialen Tätigkeit fließt.“ Geld, das in <strong>der</strong> fachlichen<br />

Arbeit fehlt. Auch die Kostenentwicklung<br />

sieht er mit Sorge. „Die Schere zwischen Leistungsentgelten<br />

und Kosten, vor allem Personalkosten,<br />

geht immer weiter auf.“<br />

Aber, so ist Bühler überzeugt: „Die Stärke <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

ist ihre Wandlungs- und gleichzeitig Gestaltungsfähigkeit.“<br />

Sie könne sich nicht nur verän<strong>der</strong>ten<br />

Strukturen anpassen, son<strong>der</strong>n versuche auch<br />

aktiv die Rahmenbedingungen zu gestalten. Und<br />

deshalb sieht er die <strong>Stiftung</strong> in zehn Jahren weiterhin<br />

erfolgreich und harmonisch gewachsen in ihren<br />

jetzigen Strukturen. „Alle bestehenden Bereiche<br />

sind von ihrer Idee her wertvoll. Aber die wirtschaftlichen<br />

Grundlagen müssen eben auch stimmen.“<br />

Harmonisch zu wachsen, bedeutet für Bühler<br />

auch, langsam zu wachsen – im Unterschied zu <strong>der</strong><br />

Strategie, zum Beispiel durch Zukäufe eine Expansion<br />

bestimmter Geschäftsfel<strong>der</strong> zu beschleunigen.<br />

„Aber das war für die <strong>Stiftung</strong> noch nie eine Option.“<br />

Wachstumspotenzial sieht Bühler momentan<br />

gerade auch außerhalb Deutschlands – allerdings, so<br />

seine Prognose, weiterhin vorwiegend im deutschsprachigen<br />

Raum.<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

9


Langjährige Mitarbeiter geehrt<br />

Zwischen 10 und 40 Jahren sind die diesjährigen Jubilare<br />

für die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> und ihre Tochtergesellschaften<br />

tätig. Die jahrzehntelange Arbeit gehe über den olympischen<br />

Gedanken im Sinne von „Dabei sein ist alles“<br />

hinaus, so Prälat Michael H. F. Brock, Vorstand <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Liebenau</strong>. Bei <strong>der</strong> langjährigen Betriebszugehörigkeit gehe<br />

es vielmehr darum, dabei zu bleiben, etwas fort- und weiterzuführen,<br />

beheimatet und damit verwurzelt zu sein.<br />

Die Jubilare <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Für das Aufeinan<strong>der</strong>-Schauen muss immer Zeit<br />

sein. Prälat Michael H. F. Brock, Vorstand <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

10 Jahre: Monika Heitmann, Lothar Weber<br />

20 Jahre: Martin Fundinger, Christoph Sedlmeier<br />

25 Jahre: Ulrich Kuhn, Hans-Jürgen Paul<br />

30 Jahre: Hans-Peter Diemer<br />

Die Jubilare <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe<br />

Ich wünsche Ihnen beruflich und privat die Leichtigkeit <strong>der</strong> Jugend. Gekoppelt mit Ihrer<br />

geballten Erfahrung ist das <strong>der</strong> ideale Mix für noch kommende Herausfor<strong>der</strong>ungen und<br />

Verän<strong>der</strong>ungen. Markus Schaal, Verwaltungsleiter und Prokurist <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe<br />

20 Jahre: Susanne Aggeler, Petra Bischoff, Ingeborg Bretzel, Sonja Christian, Cornelia Denzler, Christoph Ehlert, Sabine Heine,<br />

Sylvia Krehl, Angelika Link, Frank Mahle, Andreas Müller, Erika Pichler, Georg Solymar, Vera Stankovic, Ursula Steinhauser,<br />

Hildegard Stumm, Mike Vetter, Elvira Wegner, Karen Saile<br />

25 Jahre: Kimberley Abler, Christine Beck, Hermann Engbers, Ulrike Gleich, Markus Hagenburger, Christine Immisch, Annette<br />

Junghänel, Markus Kaiser, Gabi Lesnik, Iris Maucher, Elisabeth Merk, Manfred Mitter, Eva Müllerschön, Nicola Pedrazzoli, Klaus<br />

Rauch, Josef Reger, Ursula Reitzel, Erika Romagnano, Maria Rundel, Gerlinde Seybold, Elisabeth Wannenmacher, Dorothea Wehle-<br />

Kocheise, Gebhard Weiß, Dieter Wiedenmann, Klaus Weissenrie<strong>der</strong>, Jürgen Wetzel-Koch, Markus Würth<br />

30 Jahre: Eberhard Bleher, Rita Donau, Wolfgang Gleich, Margarethe Hagel-Brauchle, Helga Ilg, Jürgen Kluckert, Monika Kohlbrenner,<br />

Barbara Mittelberger,<br />

Angelika Pux, Brigitte Sauter,<br />

Karin Schmid<br />

35 Jahre: Theresia Arnegger,<br />

Ulrich Gebert, Marion Hofherr,<br />

Sonja Müller, Marie-<br />

Luise Kirsten, Susanne Nerdinger,<br />

Markus Schababerle,<br />

Herbert Schad, Ingrid Schäfler,<br />

Werner Slabi<br />

40 Jahre: Peter Stöhr<br />

10 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


Die Jubilare des Berufsbildungswerk Adolf Aich<br />

Pflegen Sie weiter den Dialog, setzen Sie sich<br />

für die Zukunft des BBW ein und stellen Sie<br />

Ihre Erfahrung zur Verfügung.<br />

Herbert Lüdtke, Geschäftsführer des Berufsbildungswerks Adolf Aich<br />

10 Jahre: Peter Baur, Barbara Kinzler, Anik Labudda-Mickley,<br />

Sabine Lohwasser, Tanja Pilz, Elvira Ruf, Birgit Schaaf, Ulrich<br />

Valin, Stefan Weißhaupt, Joachim Wenzler<br />

20 Jahre: Ulrich Mohn, Dr. Stefan Thelemann<br />

25 Jahre: Peter Arnold, Stefan Bohler, Sylvia Henninger, Andre<br />

Münchow, Hans-Jürgen Paul<br />

Die Jubilare <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik<br />

Ich möchte sie ermutigten, innezuhalten, sich gegenseitig Zeit und Aufmerksamkeit<br />

zu gönnen. Sebastian Schlaich, Geschäftsführer <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik<br />

10 Jahre: Christina Bahl, Thomas Bürgin, Stefan Neuhuber,<br />

Franziska Ramsauer, Michael Widmann, Nicole Widmann<br />

20 Jahre: Markus Eppler, Eckart Fischer, Annaluise Hin<strong>der</strong>hofer,<br />

Gizela Kurek, Stefan Meir<br />

25 Jahre: Isolde Eisele, Gerlinde Hartmann, Frank Hipper,<br />

Rainer Leibfahrt, Andreas Schmidtke, Walter Schreiner, Peter<br />

Seelhorst, Dr. Rupert Steuer, Martin Stöckler, Annette Videha,<br />

Cornelia Weber, Daniela Wengert<br />

30 Jahre: Sabine Breucha, Julieta Hutter, Rosa Schwarzer<br />

35 Jahre: Siglinde Jong, Barbara Rie<strong>der</strong>er, Irmgard Stützle<br />

Die Jubilare <strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong> Service GmbH<br />

Wenn uns das Wohl des Gegenübers am Herzen liegt, können auch Kollegen, Mitarbeiter und<br />

Vorgesetzte füreinan<strong>der</strong> Schutzengel sein. Frank Moscherosch, Geschäftsführer <strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong> Service GmbH<br />

10 Jahre: Stefanie Allgaier, Walter Birkenmaier,<br />

Sandra Fiedler, Maria-Theresia Gumbel, Erika Hartung,<br />

Martina Hirscher, Markus Huber, Martin Kind, Manfred<br />

Krause, Rebecca Langer, Sidikatou Moussadikoum,<br />

Christa Nold, Eugenia Richter, Susanne Schaugg,<br />

Roswitha Schlosser, Thorsten Spandau, Kadriye Talas,<br />

Gisela Tempels<br />

20 Jahre: Rudolf Frei, Dieter Kennerknecht<br />

25 Jahre: Gabriele Arnold, Walter Erdösi, Volker<br />

Reichle<br />

30 Jahre: Gerhard Bihl, Ursula Kuner<br />

35 Jahre: Jutta Friesse, Norbert Schäfer<br />

40 Jahre: Irmgard Briegel, Helmut Gerhard Schulz<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

11


Europa – Gemeinnützigkeit in Gefahr?<br />

Mögliche Auswirkungen auf Non-Profitunternehmen<br />

Die Fragen stellte Susanne Droste-Gräff<br />

Gemeinnützig ist in Deutschland, wer die Allgemeinheit för<strong>der</strong>t. Dies<br />

ist mit Steuerbefreiung beziehungsweise -ermäßigungen verbunden. In<br />

den EU-Mitgliedsstaaten herrschen mit den deutschen Regelungen vergleichbare<br />

Situationen, das nationale Gemeinnützigkeitsrecht hat jedoch<br />

jeweils eigene Ausprägungen. Was macht nun das Zusammenwachsen von<br />

Europa mit dem deutschen Gemeinnützigkeitsrecht? Es gibt Anzeichen<br />

dafür, gemeinnützigkeitsrechtliche Regelungen zum Teil abzuschaffen.<br />

Für historisch gewachsene und tradierte gemeinnützige Körperschaften<br />

wie die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> würde dies einen massiven Einschnitt bedeuten.<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> hat dieses anspruchsvolle Thema seit Jahren<br />

im Blick. Unter an<strong>der</strong>em steht sie als Mitglied im Arbeitskreis ‚<strong>Stiftung</strong>smanagement‘<br />

des Bundesverbands Deutscher <strong>Stiftung</strong>en in regem Austausch<br />

mit an<strong>der</strong>en <strong>Stiftung</strong>en. Wir interviewten Generalsekretär Prof.<br />

Dr. Hans Fleisch vom Bundesverband Deutscher <strong>Stiftung</strong>en, dem Verband,<br />

<strong>der</strong> für die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> erster Ansprechpartner ist.<br />

Gibt es Ihrer Ansicht nach Indizien, die die<br />

Gemeinnützigkeit in Deutschland bedrohen<br />

könnten – wenn ja, in welchen Bereichen?<br />

Die Befürchtung, dass es konkrete Ansätze gibt, die<br />

Gemeinnützigkeit generell „abzuschaffen“, mag zwar<br />

übertrieben sein. Wo wir aber zunehmend Probleme<br />

erkennen, ist <strong>der</strong> Bereich des EU-Beihilferechts,<br />

wonach staatliche Beihilfen grundsätzlich verboten<br />

sind, da diese den freien Wettbewerb beeinträchtigen.<br />

Da sehe ich große Gefahren für weite Teile des<br />

gemeinnützigen Sektors. Vor allem für die steuerrechtlich<br />

privilegierten Zweckbetriebe kann es zu<br />

Problemen kommen. Diesen werden aus gutem Grund<br />

staatliche direkte o<strong>der</strong> indirekte Vorteile gewährt. Im<br />

Fall <strong>der</strong> AWO SANO gGmbH, einer gemeinnützig<br />

geführten Ferienstätte, hatte sich ein nicht gemeinnütziger<br />

Konkurrent mit den Argumenten an die<br />

Kommission gewandt, die gGmbH erhalte Wettbewerb<br />

verzerrende Subventionen, die deutsche und auslän-<br />

dische Gewerbebetriebe nicht erhalten. Die Kommission<br />

hatte letztendlich entschieden, dass die Zuwendungen<br />

mit dem EU-Recht vereinbar seien. Ob das in<br />

vergleichbaren Fällen ähnlich laufen wird, wissen wir<br />

nicht.<br />

Was wären die konkreten Auswirkungen? In welchen<br />

Bereichen wären die Auswirkungen tragbar?<br />

In welchen würden große Probleme auf gemeinnützige<br />

Organisationen zukommen?<br />

Sollten Tendenzen <strong>der</strong> Kommission beziehungsweise<br />

des EuGH zunehmend erkennbar werden – und insofern<br />

gibt es ja durchaus vermehrt Warnsignale und<br />

zu schwache Interessenvertretung <strong>der</strong> gemeinnützigen<br />

Organisationen – Beihilfen als nicht gerechtfertigt<br />

anzusehen, besteht tatsächlich für den<br />

gemeinnützigen Sektor in seiner ganzen Breite die<br />

Gefahr, bestimmte Leistungen nicht mehr wie heute<br />

erbringen zu können. Vor allem Initiativen und<br />

Dienstleistungen, <strong>der</strong>en wirtschaftliche Konzepte auf<br />

einer Mischfinanzierung aus Spenden und Einnahmen<br />

aus Zweckbetrieben basieren und nur funktionieren,<br />

wenn diese Einnahmen nicht steuerpflichtig<br />

werden, könnten ihre gemeinnützigen Aktivitäten<br />

nicht mehr finanzieren und wären damit existenziell<br />

bedroht. Es wäre eine Katastrophe für das Gemeinwesen.<br />

Wo sind gemeinnützigkeitsrechtliche Fragestellungen<br />

in Europa <strong>der</strong>zeit aufgeworfen beziehungsweise<br />

anhängig?<br />

Zu erwähnen ist hier zum einen die jüngste Entscheidung<br />

<strong>der</strong> EU-Kommission zur staatlichen För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Kletterhallen des Deutschen Alpenvereins.<br />

Dem Deutschen Alpenverein wurde durch das Land<br />

Berlin unter an<strong>der</strong>em ein Grundstück zu einem sehr<br />

geringen Pachtzins zum Bau einer Kletterhalle zur<br />

Verfügung gestellt. Hiergegen wandte sich ein kommerzieller<br />

Kletterhallenbetreiber. In ihrer Entscheidung<br />

bejahte die Kommission zwar das Vorliegen<br />

12 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


Prof. Dr. Hans Fleisch,<br />

Generalsekretär des<br />

Bundesverbandes Deutscher<br />

<strong>Stiftung</strong>en. Foto:<br />

David Ausserhofer<br />

einer Beihilfe, sah diese aber als gerechtfertigt an<br />

(de-minimis-Verordnung). In gleiche Richtung zielen<br />

Wettbewerbsverfahren kommerzieller Fitnessstudios<br />

gegen gemeinnützige Sportvereine o<strong>der</strong> die<br />

Beschwerde einer Hotelkette gegen das Deutsche<br />

Jugendherbergswerk. Was mir Sorgen macht: Solche<br />

Fälle nehmen zu.<br />

Welchen Einfluss kann <strong>der</strong> Bundesverband Deutscher<br />

<strong>Stiftung</strong>en nehmen?<br />

Der Bundesverband Deutscher <strong>Stiftung</strong>en hat sich<br />

zum Ziel gesetzt, zunächst sein vom Bundesverband<br />

mit aufgebautes europäisches Netzwerk <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong>sdachverbände<br />

(DAFNE) stärker auszubauen und<br />

zu nutzen, um den gemeinnützigen <strong>Stiftung</strong>en in<br />

Europa eine stärkere Stimme zu verleihen. Gemeinsam<br />

mit den Dachverbänden des Dritten Sektors<br />

arbeiten wir im „Bündnis für Gemeinnützigkeit“ kontinuierlich<br />

daran, rechtliche Problemfel<strong>der</strong> mit europäischem<br />

Bezug zu eruieren und gemeinsame Positionen<br />

zu entwickeln.<br />

Wie müsste eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts<br />

im zusammenwachsenden Europa Ihrer<br />

Ansicht nach aussehen?<br />

Der wichtigste Schritt ist, die Entschei<strong>der</strong> auf europäischer<br />

Ebene für die beson<strong>der</strong>e Bedeutung des<br />

gemeinnützigen Sektors, <strong>der</strong> nicht nach profitorientierten<br />

Maßgaben tätig ist, zu sensibilisieren. In <strong>der</strong><br />

Praxis heißt das, dass gemeinnützige Organisationen<br />

ihre Aktivitäten nicht nur an „lukrativen“ Standorten<br />

erbringen dürfen, son<strong>der</strong>n auch in die Fläche tragen<br />

müssen. Der damit verbundene Wettbewerbsnachteil<br />

kommerzieller Anbieter, wie auch die Pflichten,<br />

die das Gemeinnützigkeitsrecht auferlegt (Mittelverwendung,<br />

Ausschüttungsverbot etc.), die ein<br />

freies, rein profitorientiertes Wirtschaften einschränken,<br />

müssen als Argumente für eine Privilegierung<br />

auch im europäischen Diskurs in die Waagschale<br />

geworfen werden. Dies den europäischen Entschei<strong>der</strong>n<br />

zu vermitteln, dürfte eine <strong>der</strong> wichtigsten Aufgaben<br />

<strong>der</strong> gemeinnützigen Organisationen und ihrer<br />

Verbände in den nächsten Jahren darstellen.<br />

Welche Unterstützung wünschen Sie sich?<br />

Für den Verband ist es beson<strong>der</strong>s wichtig, aktive Mitglie<strong>der</strong><br />

an seiner Seite zu wissen, die für diese Thematik<br />

ansprechbar sind und uns auf praktische Probleme<br />

hinweisen und die im Kreise <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

das stärkere Engagement auf europäischer Ebene<br />

befürworten – wie die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> und die<br />

<strong>Stiftung</strong> Johannisstift. Zudem braucht ein Verband<br />

Ressourcen, auch finanziell, wenn er seine Aktivitäten<br />

ausbauen will. Je stärker hier die Akteure des<br />

Dritten Sektors gemeinsam an einem Strang ziehen,<br />

ist auf europäischer Ebene etwas zu bewegen. Und<br />

<strong>der</strong> Bundesverband hat hier nun einmal eine potenzielle<br />

Schlüsselstellung.<br />

Lesen Sie auch die Langversion des Interviews<br />

unter www.stiftung-liebenau.de/Downloads/<br />

Sozialpolitik/Artikel und Beiträge<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

13


Autonomie ist ein hohes Gut: umso mehr, wenn Menschen auf Hilfe angewiesen sind. Foto: Kästle<br />

Autonomie stärken<br />

Ethikbroschüre setzt einen Werte-Prozess in Gang<br />

von Maria Schuster<br />

LIEBENAU – „Die Freiheit, über das eigene Handeln zu bestimmen, ist<br />

ein zentrales menschliches Grundanliegen und Bedürfnis. Dies muss und<br />

soll auch dann gelten, wenn jemand pflegebedürftig und dadurch von<br />

an<strong>der</strong>en abhängig ist.“ Dieser Leitgedanke <strong>der</strong> Broschüre „Autonomie<br />

stärken“ hat die Führungskräfte <strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong>er Altenhilfe in Deutschland<br />

dazu motiviert und angespornt über die Bedeutung von Autonomie<br />

und Fürsorge nachzudenken. Daraus ist ein Handlungsleitfaden für den<br />

Alltag im Umgang mit kranken, alten und pflegebedürftigen Menschen<br />

entwickelt worden.<br />

„Was bedeutet Autonomie für pflegebedürftige Menschen?<br />

Was ist unter Fürsorge zu verstehen? Wie<br />

können konkrete Wünsche nach Selbstbestimmung<br />

im Alltag beachtet und wie muss die Organisation<br />

gestaltet werden? Welche Konflikte kommen auf die<br />

Pflege- und Betreuungsmitarbeiter zu? Wie reagieren<br />

Angehörige?“ Dies waren Fragen, die Führungskräfte<br />

bei ihrer Klausur 2011 diskutierten und mit denen<br />

<strong>der</strong> Prozess gestartet wurde. Mehrere regionale Leitungsklausuren<br />

folgten. Es wurden Grund- und Leitsätze<br />

für die tägliche Arbeit entwickelt. Nun galt es,<br />

diese doch sehr theoretischen Prämissen in <strong>der</strong> Praxis<br />

umzusetzen.<br />

Eine 91-jährige Frau hat keinen Lebenswillen<br />

mehr. Sie verweigert jegliche<br />

Nahrung und nimmt deswegen rasant<br />

ab. Die Pflegedienstleitung initiiert ein<br />

Gespräch mit den Angehörigen und dem<br />

Arzt. Vereinbart wird, dass ihr Nahrung<br />

angeboten wird, die sie gerne mag, um<br />

sie zu animieren. Sie wird nicht zum<br />

Essen gezwungen. Wegen ihrer klaren<br />

Willenserklärung wird ihr keine Sonde<br />

gelegt.<br />

Dieser Herausfor<strong>der</strong>ung haben sich Mitarbeiter im<br />

Qualitätsmanagement gestellt und einen „Handlungsleitfaden<br />

zur autonomieför<strong>der</strong>nden Pflege und<br />

Betreuungskultur“ entwickelt. Der Leitfaden gibt<br />

eine theoretische Einführung in das Thema Autonomie<br />

und Fürsorge. Er enthält die Grund- und Leitlinien,<br />

die auf den regionalen Klausuren entwickelt<br />

wurden. Der größte Teil des Handlungsleitfadens<br />

14 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


Ein hochbetagter Mann entschließt sich, in<br />

ein Pflegeheim zu ziehen. Dort möchte er<br />

so leben, wie er es bisher gewohnt ist. Er<br />

unternimmt viel außerhalb <strong>der</strong> stationären<br />

Einrichtung. Die Mitarbeiter wissen aber<br />

oft nicht, wo er ist und sind auch wegen<br />

seines gesundheitlichen Zustandes besorgt.<br />

Gemeinsam vereinbaren die Mitarbeiter und<br />

<strong>der</strong> Bewohner, dass er sich abmeldet, wenn<br />

er ausgeht, beziehungsweise nicht zum<br />

Essen da ist.<br />

sind methodische Zugänge zum Thema Autonomie<br />

und Fürsorge, um Mitarbeiter vor Ort für das Thema<br />

zu sensibilisieren.<br />

In regionalen Workshops Anfang 2013 machten sich<br />

alle Pflegedienstleitungen, Wohnbereichsleitungen,<br />

Hauswirtschaftsleitungen und Küchenleitungen mit<br />

dem Handlungsleitfaden vertraut. Sie wurden zu<br />

Multiplikatoren für ihre Teams geschult. Für jede<br />

Einrichtung entwickelte man einen eigenen Implementierungsleitfaden,<br />

<strong>der</strong> die spezifischen Gegebenheiten<br />

berücksichtigt. Mitarbeiter in Pflege, Betreuung<br />

und Hauswirtschaft erhielten Fortbildungen. Das<br />

Thema „Autonomie und Fürsorge“ wurde in die Pflegedokumentation,<br />

in Pflegevisiten, in Pflegeberatung,<br />

die Heimeinzugsintegration und Fallbesprechungen<br />

aufgenommen. Damit soll <strong>der</strong> Prozess im<br />

Alltag unterstützt werden und zur Diskussion und<br />

zum Austausch anregen.<br />

Wirkungen in die Pflegepraxis und Ausblicke<br />

Die Reflexion des Prozesses fand im Frühjahr 2014<br />

statt: Die Einrichtungsleitungen haben festgestellt,<br />

dass ihre Mitarbeiter dem Thema mit großer Offenheit<br />

begegnen und in ihrem beruflichen Selbstverständnis<br />

den Schwerpunkt mehr auf die Wünsche<br />

und Selbstbestimmung <strong>der</strong> Bewohner als auf „Fürsorge“<br />

legen. In je<strong>der</strong> Fallbesprechung ist Autonomie<br />

ein wichtiger Gesichtspunkt geworden. Intensiv diskutierten<br />

Teams das Thema „freiheitsentziehende<br />

Maßnahmen“. Auch Angehörige und Ehrenamtliche<br />

wurden in diesem Thema geschult. Verstärktes biografisches<br />

Arbeiten, vor allem bei Bewohnern, die<br />

sich nicht mehr gut äußern können, führte zu Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Pflegeplanung. Gewohnheiten<br />

o<strong>der</strong> Rituale, die vertraut und wichtig waren, wurden<br />

wo möglich in die Pflegeplanung aufgenommen.<br />

Auch in <strong>der</strong> Sterbebegleitung ist die Selbstbestimmung<br />

des Bewohners ein wesentlicher Aspekt.<br />

Für alle Teams einer stationären Einrichtung o<strong>der</strong><br />

eines ambulanten Dienstes bedeutet die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> eigenen Haltung, den eigenen<br />

Werten und den Werten pflegebedürftiger Menschen<br />

eine große und anspruchsvolle Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

Und trotzdem ließen sich die Teilnehmer <strong>der</strong> Workshops<br />

für das Thema begeistern und motivieren.<br />

„Heute will ich bei mir und in meinem Team beginnen,<br />

dass wir eine Haltung entwickeln, die den pflegebedürftigen<br />

Menschen in seiner Individualität mit<br />

seiner eigenen Lebensgeschichte sieht und nicht<br />

seine Defizite in den Mittelpunkt stellt, son<strong>der</strong>n<br />

seine Ressourcen. Ich wünsche mir, wenn ich mal alt<br />

bin und Pflege brauche, dass dann so mit mir umgegangen<br />

wird“, so beschreibt eine 25-jährige Wohnbereichsleiterin<br />

ihre Motivation nach dem Workshop.<br />

Sie wisse, dass es Jahrzehnte dauern kann, bis sich<br />

die Haltung einer autonomieför<strong>der</strong>nden Pflege<br />

durchsetze. Deshalb beginnt sie sofort.<br />

Bewohnerinnen und Bewohner wählen<br />

auch im Pflegeheim ihre Kleidung<br />

selbst aus. Mitarbeiter geben diese<br />

nicht vor: Vielmehr bieten sie Alternativen,<br />

aus denen die Person ganz<br />

nach ihren eigenen Wünschen aussucht.<br />

Ethikkomitee <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>: Autonomie<br />

stärken. Eine Orientierung für Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter. 2010.<br />

Die Broschüre finden Sie auch unter<br />

www.stiftung-liebenau.de/Downloads/<br />

Schriften von Ethikkomission/-komitee<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

15


Neue Generation übernimmt das Ru<strong>der</strong><br />

Geschäftsführerwechsel in <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik<br />

von Helga Raible<br />

LIEBENAU – Generationenwechsel in <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik:<br />

Die beiden langjährigen Geschäftsführer Dr. Edgar Kessler und Wolfgang<br />

Oppolzer haben sich am 3. März in den Ruhestand verabschiedet.<br />

„Wir verabschieden heute nicht zwei einzelne Personen,<br />

wir verabschieden ein Team“, so Dr. Markus<br />

Nachbaur, Vorstand <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>. Die beiden<br />

scheidenden Geschäftsführer hätten sich nicht<br />

nur fachlich, son<strong>der</strong>n auch als Persönlichkeiten ideal<br />

ergänzt: Wolfgang Oppolzer, verantwortlich für den<br />

kaufmännischen Part, hätte immer wie<strong>der</strong> neue Projekte<br />

und Ideen zur Klinikentwicklung eingebracht.<br />

Dr. Edgar Kessler als <strong>der</strong> fachlich Verantwortliche<br />

habe diese Ideen abgewogen und auf ihre Umsetzbarkeit<br />

geprüft. „In dieser Kombination haben Sie die<br />

St. Lukas-Klinik gemeinsam vorangebracht – immer<br />

im Interesse <strong>der</strong> Menschen, für die Sie sich einsetzten.“<br />

Wolfgang Oppolzer kam 1988 als Leiter des Krankenpflegedienstes<br />

in die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> und übernahm<br />

2002 die Geschäftsführung <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik,<br />

2006 auch die <strong>der</strong> neu gegründeten <strong>Liebenau</strong><br />

Kliniken. In den Jahren 2009 bis 2012 war er zusätzlich<br />

Geschäftsführer <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe und <strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

– Dienste für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung,<br />

zusammen mit Jörg Munk. Dr. Edgar Kessler kam<br />

1992 in die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>. Seine Stationen: Leiten<strong>der</strong><br />

Arzt, Chefarzt <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrie,<br />

Geschäftsführer <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik und <strong>der</strong><br />

<strong>Liebenau</strong> Kliniken ab 2007.<br />

In ihren eigenen Abschiedsworten hoben Dr. Kessler<br />

und Oppolzer die Bedeutung <strong>der</strong> Mitarbeiter hervor.<br />

„Was in <strong>der</strong> Klinik bewegt wurde, haben 400 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter getan“, so Dr. Kessler. Er<br />

habe höchsten Respekt vor <strong>der</strong>en täglichem Bemühen<br />

um Menschen, „die sonst keiner haben will.“<br />

Auch Oppolzer dankte für Loyalität und Kollegialität,<br />

von <strong>der</strong> er sich „immer getragen gefühlt“ habe.<br />

Nachfolge sichert Kontinuität<br />

Für Kontinuität und Nachhaltigkeit in <strong>der</strong> St. Lukas-<br />

Klinik stehen die beiden neuen Geschäftsführer, die<br />

Diplomverwaltungswirtin Irmgard Möhrle-Schmäh<br />

und <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychiater Sebastian<br />

Schlaich. Irmgard Möhrle-Schmäh ist seit 2007 Verwaltungsleiterin<br />

und habe, so Dr. Nachbaur, ihr<br />

„herausragendes kaufmännisches Geschick in den<br />

Verhandlungen mit den Kostenträgern eindrücklich<br />

unter Beweis gestellt.“ Sebastian Schlaich sei „das<br />

Interesse am sozialen Beruf in die Wiege gelegt“<br />

worden. Aufgewachsen inmitten <strong>der</strong> Diakonie<br />

Stetten, hat sein Berufsweg über die Ausbildung zum<br />

Heilerziehungspfleger in <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

begonnen und nach Medizinstudium und Facharztausbildung<br />

1998 in die St. Lukas-Klinik geführt:<br />

zunächst als Facharzt und seit 2013 als Chefarzt <strong>der</strong><br />

Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrie.<br />

Die scheidenden Geschäftsführer<br />

„umrahmen“ die neue Geschäftsführung:<br />

(v.l.) Dr. Edgar Kessler, Irmgard<br />

Möhrle-Schmäh, Sebastian Schlaich und<br />

Wolfgang Oppolzer. Foto: Scheidel<br />

16 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


In Rente und trotzdem noch arbeiten?<br />

Lebens- und Arbeitsgestaltung im Rentenalter<br />

von Günter Marquardt<br />

LIEBENAU – Wer in Rente geht, arbeitet nicht mehr. So ist es bei den<br />

meisten Rentnern. Ihr Arbeitsverhältnis endet und für sie beginnt ein<br />

neuer Lebensabschnitt. Einige aber möchten noch länger arbeiten. Profitieren<br />

tun davon letztlich beide Seiten: Rentner und Arbeitgeber. Denn<br />

das Know-how und die Erfahrung älterer Ex-Mitarbeiter brechen dem<br />

Unternehmen nicht abrupt weg. Auch in <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> gibt es<br />

„Rentner“, die über die Altersgrenze hinaus arbeiten. Einer davon ist<br />

Günter Marquardt. Ein Erfahrungsbericht.<br />

Günter Marquardt<br />

hat einen langsamen<br />

Übergang aus dem<br />

aktiven Arbeitsleben<br />

in die Rente mit<br />

einer geringfügigen<br />

Beschäftigung bei<br />

seinem Arbeitgeber<br />

gestaltet. Er würde<br />

es wie<strong>der</strong> so machen.<br />

Foto: Droste-Gräff<br />

Als ich im Mai 1957 voller Spannung und mit großem<br />

Interesse meine Ausbildung begann, dachte ich im<br />

Traum nicht daran, wann und wie mein Arbeitsleben<br />

einmal enden würde und wie mein „Rentnerleben“<br />

einmal aussehen sollte. Als dann aber 1997 <strong>der</strong> Stufenprozess<br />

zur Anhebung <strong>der</strong> Altersgrenzen in <strong>der</strong><br />

gesetzlichen Rentenversicherung für den Bezug einer<br />

abschlagsfreien Altersrente begann, beschäftigte<br />

auch ich mich (inzwischen 56 Jahre alt) mit dieser<br />

Frage. Dieses gesetzliche „Bonbon“ machte mich neugierig,<br />

und nach Absprache mit meiner Frau entschloss<br />

ich mich, bei <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> eine<br />

Altersteilzeitregelung zu beantragen. 2001 (aktiv) und<br />

2002 (passiv) waren die Jahre meiner Altersteilzeit.<br />

2002 hatte ich dann 46 Beschäftigungs- beziehungsweise<br />

Versicherungsjahre hinter mir. Ein Berufsleben,<br />

das mir größtenteils auch Freude bereitet hat. Ich<br />

ging immer gerne zur Arbeit. Meine Aufgaben waren<br />

verantwortungsvoll. Ich hatte das Gefühl, dass meine<br />

Arbeit geschätzt wurde. Das Miteinan<strong>der</strong> mit den<br />

Kollegen und Vorgesetzten war angenehm. Und das<br />

sollte nun alles zu Ende sein? Schon während des<br />

letzten aktiven Jahres wurde ich immer wie<strong>der</strong><br />

gefragt, was ich denn mit <strong>der</strong> vielen freien Zeit<br />

anfangen wollte. Einerseits freute ich mich darauf<br />

meine „Freiheit“ wie<strong>der</strong>gewinnen zu können. An<strong>der</strong>erseits<br />

hatte ich auch das Gefühl, dass mir etwas<br />

fehlen würde – die Pflicht, die regelmäßige Verantwortung<br />

für eine feste Aufgabe. Hobbys o<strong>der</strong> ehrenamtliche<br />

Engagements würden diese Lücke nicht<br />

schließen können.<br />

Als dann gegen Ende meiner Beschäftigung in <strong>der</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> darüber beraten wurde, wie und an wen<br />

meine Arbeitsgebiete aufgeteilt werden sollten und<br />

sich für ein Teilgebiet keine unmittelbare Lösung<br />

anbot, machte ich den Vorschlag, dass ich diese Aufgabe<br />

im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung<br />

übernehmen könnte. Dieses Angebot war nach kurzer<br />

Überlegungsphase die Lösung des „Problems“. Ich<br />

übernahm dieses Arbeitsgebiet von 2002 bis März<br />

2014.<br />

Wie sieht das Resümee nach zwölfeinhalb Jahren<br />

aus? Ich habe ein solch langsames Herausgleiten aus<br />

dem aktiven Arbeitsleben sehr positiv erlebt. Mir<br />

blieb über längere Zeit die Verpflichtung, eine Arbeit<br />

pünktlich und zuverlässig zu erledigen – ohne die<br />

Belastung einer 38,5 Stundenwoche. Mit meiner jahrelangen<br />

Erfahrung in diesem Arbeitsgebiet konnte<br />

ich mich einbringen und mein Wissen auch weitergeben.<br />

Die Arbeitszeit und den Arbeitsort (ich konnte<br />

auch zu Hause arbeiten) konnte ich teilweise nach<br />

meinen Bedürfnissen festlegen. Das Miteinan<strong>der</strong> mit<br />

den Kollegen war vertrauensvoll und gut, zumal<br />

auch die Vertretung im Falle von Urlaub und Krankheit<br />

zufriedenstellend geregelt werden konnte. Kurzum:<br />

Ich würde es wie<strong>der</strong> so machen.<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

17


Wir haben den Menschen im Blick<br />

Fundraising bleibt wichtige Aufgabe für <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

Die Fragen stellte Anne Oschwald<br />

LIEBENAU – Seit einigen Jahren wirbt die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> verstärkt um<br />

Unterstützung ihrer Arbeit in Form von Zeit und Geld. Was hinter dem<br />

Fundraising steckt, schil<strong>der</strong>t Helga Raible, die Leiterin <strong>der</strong> Abteilung<br />

Kommunikation und Fundraising.<br />

Helga Raible, Leiterin des<br />

Bereichs Helfen und Spenden<br />

<strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>.<br />

Foto: Schnei<strong>der</strong><br />

Frau Raible, vor vier Jahren haben Sie die Verantwortung<br />

für das Fundraising <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Liebenau</strong> übernommen. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz<br />

aus?<br />

Kurz zusammengefasst, war das vor allem eine Phase<br />

des Auf- und Ausbaus. Als meine Kollegin Verena<br />

Rehm und ich im Frühjahr 2011 den Bereich Helfen<br />

und Spenden übernommen haben, haben wir unser<br />

Hauptaugenmerk erstmal auf die Gewinnung neuer<br />

Spen<strong>der</strong> gelegt. Im Jahr zuvor hatte die <strong>Stiftung</strong><br />

zum ersten Mal eine große Mailingaktion gestartet,<br />

also Spendenbriefe an viele Tausend Haushalte verschickt.<br />

Die Erfahrungen aus dieser Aktion sind dann<br />

in weitere Mailingaktionen in den Folgejahren<br />

geflossen, und gleichzeitig haben wir die Beziehung<br />

zu den Spen<strong>der</strong>n weiter gefestigt.<br />

Spendenmailings sind ja nun nicht gerade beson<strong>der</strong>s<br />

originell. Warum setzen Sie trotzdem auf<br />

dieses Instrument?<br />

Die Frage ist nicht, wie originell Mailings sind, son<strong>der</strong>n<br />

wie wirksam! Sie sind einfach ein guter und effizienter<br />

Weg, mit Menschen direkt zu kommunizieren.<br />

Was sicher richtig ist: Wenn die vorweihnachtliche<br />

Mailing-Flut in den Briefkästen weiter steigt, sinkt die<br />

Wirksamkeit des einzelnen Briefes. Aber wir sprechen<br />

unsere Spen<strong>der</strong> ja das ganze Jahr über immer wie<strong>der</strong><br />

über Briefe an, stellen unsere Arbeit dar, geben Informationen<br />

über die Verwendung <strong>der</strong> Spenden, bitten<br />

um Unterstützung für verschiedene Projekte.<br />

… mit welchem Ergebnis?<br />

Das ist ganz unterschiedlich. Man merkt deutlich,<br />

welche Themen unsere Spen<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s berühren.<br />

Die verschiedenen Freizeit- und Ferienangebote für<br />

Kin<strong>der</strong> mit und ohne Behin<strong>der</strong>ung können wir mittlerweile<br />

gut über Spenden finanzieren. Und die<br />

Weihnachtsspendenaktionen haben den Jahresbedarf<br />

unterfinanzierter Familienhilfsdienste wie <strong>der</strong> Sozialmedizinischen<br />

Nachsorge o<strong>der</strong> „wellcome“ gedeckt.<br />

Was waren sonst noch wichtige Aktionen?<br />

Alles, was dem persönlichen Kontakt dient. Die „<strong>Liebenau</strong>er<br />

Begegnungen“, bei denen Freunde und För<strong>der</strong>er<br />

sich und die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> kennenlernen<br />

können. Das Werkstattfrühstück im Berufsbildungswerk,<br />

bei dem sich Unternehmer treffen, Aktionen<br />

beim Sommerfest und beim Winterfeuer. Unsere prominenten<br />

Botschafter: die Schauspielerin Ursula Cantieni,<br />

die schon seit 2012 viele Veranstaltungen mit<br />

uns zusammen gemacht hat, und <strong>der</strong> ZF-Chef Stefan<br />

Sommer, <strong>der</strong> die Schirmherrschaft über die berufliche<br />

Bildung übernommen hat. Und was nach außen<br />

unsichtbar ist, aber sehr wichtig, damit das Fundraising<br />

überhaupt funktioniert: <strong>der</strong> Aufbau professioneller<br />

Strukturen, eine qualifizierte Spen<strong>der</strong>datenbank,<br />

regelmäßige Zuwendungsbestätigungen, <strong>der</strong><br />

jährliche Spendenbericht, geprüft vom Wirtschaftsprüfer,<br />

und <strong>der</strong> regelmäßige Austausch zwischen<br />

denen, die die Spenden einwerben, und denen, die<br />

sie für ihre Arbeit benötigen.<br />

18 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


<strong>Liebenau</strong>er Begegnungen:<br />

Bei Veranstaltungen<br />

wie<br />

<strong>der</strong> Kunstnacht<br />

2013 treffen sich<br />

Freunde und För<strong>der</strong>er<br />

<strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong>.<br />

Foto: Kästle<br />

Was hat Sie persönlich in Ihrer Arbeit am meisten<br />

beeindruckt?<br />

Das war <strong>der</strong> Besuch bei einer Familie, die wir für ein<br />

Spendenmailing porträtiert haben. Ein junges Elternpaar<br />

in wirtschaftlicher Not, eine lebhafte vierjährige<br />

Tochter, ein schwerkrankes Kleinkind, mit dem<br />

die Mutter immer wie<strong>der</strong> wochenlang in die Spezialklinik<br />

musste. Man merkte den Eltern die Erschöpfung<br />

an, gleichzeitig war da <strong>der</strong> Wunsch, es den Kin<strong>der</strong>n<br />

gut gehen zu lassen, aber die Krankenkasse<br />

finanzierte keine weitere Unterstützung – das schien<br />

unlösbar! Diese Familie muss so viel aushalten.<br />

Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste im<br />

Fundraising?<br />

Der Blick auf die Menschen! Damit meine ich die<br />

Spen<strong>der</strong> ebenso wie die, denen die Spenden zugutekommen.<br />

Je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> Zeit und Geld spendet, hat an<strong>der</strong>e<br />

Motive. Deshalb legen wir viel Wert darauf, unsere<br />

Spen<strong>der</strong> persönlich anzusprechen und ihnen auch<br />

einen direkten Kontakt anzubieten. Über unser Helfen-und-Spenden-Telefon<br />

ist immer jemand erreichbar.<br />

Genauso müssen wir die Menschen im Blick haben,<br />

denen unsere Arbeit gewidmet ist. Einerseits möchten<br />

wir von ihnen erzählen, damit unsere För<strong>der</strong>er<br />

ein Bild davon bekommen, wofür ihre Spenden konkret<br />

benötigt werden. Und an<strong>der</strong>erseits ist uns sehr<br />

deutlich bewusst, dass wir sie damit ein Stück weit<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit aussetzen. Ganz ehrlich: Wenn es<br />

Ihnen nicht gut geht, wenn Sie gesundheitliche o<strong>der</strong><br />

familiäre Probleme haben, möchten Sie das dann<br />

an<strong>der</strong>en so deutlich zeigen? Da wandeln wir auf<br />

einem schmalen Grat zwischen Schutz- und Informationsbedürfnissen.<br />

In dieser <strong>Anstifter</strong>-Ausgabe liegt auch ein Flyer<br />

des För<strong>der</strong>vereins <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe. Ist das<br />

„Konkurrenz“?<br />

Gar nicht. Gerade weil Fundraising viel mit persönlicher<br />

Beziehung zu tun hat, muss es an vielen Stellen<br />

in <strong>der</strong> gesamten <strong>Stiftung</strong> verankert sein – eben<br />

überall dort, wo Beziehungen zu För<strong>der</strong>ern bestehen.<br />

Im För<strong>der</strong>verein <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe, <strong>der</strong> schon mehr<br />

als 20 Jahre besteht, engagieren sich zum Beispiel<br />

viele Angehörige. Über Mitgliedsbeiträge und Spenden<br />

helfen sie, Wünsche von Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

zu erfüllen, die Geld kosten, aber mit öffentlichen<br />

Mitteln nicht finanziert werden können. An<br />

manchen Standorten gibt es auch För<strong>der</strong>vereine, die<br />

sich für ein bestimmtes Pflegeheim o<strong>der</strong> für die Hospizarbeit<br />

einsetzen. Manchmal werden auch einzelne<br />

Mitarbeiter zu Fundraisern, wenn sie zum Beispiel<br />

Kontakte zu Unternehmen an ihrem Standort knüpfen.<br />

Alle Unterstützung, die von diesen Gruppen und<br />

Einzelpersonen eingeworben wird, kommt ja <strong>der</strong><br />

sozialen Arbeit <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> zugute.<br />

Letzte Frage: Was wünschen sich die Fundraiserinnen<br />

selbst für die Zukunft?<br />

Dass wir noch mehr zu tun bekommen! Wir möchten<br />

noch viel mehr Menschen dafür begeistern, sich für<br />

die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> zu engagieren. Wir hoffen<br />

noch mehr Spendengel<strong>der</strong> weitergeben zu können an<br />

die sozialen Projekte.<br />

Zum Vormerken<br />

20. Juni <strong>2015</strong>: Spendenwan<strong>der</strong>ung mit Ursula<br />

Cantieni<br />

12. Juli <strong>2015</strong>: Sommerfest in <strong>Liebenau</strong><br />

23. Oktober <strong>2015</strong>: Küchenparty im Berufsbildungswerk<br />

Informationen bei Helfen und Spenden<br />

Telefon: 07542 10-1131<br />

E-Mail: helfenundspenden@stiftung-liebenau.de<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong><br />

19


<strong>Liebenau</strong>er Sommer<br />

Viel zu bieten hat <strong>der</strong> Sommer in <strong>Liebenau</strong>: neben dem traditionellen Sommerfest lockt das Fussballturnier mit Stargast<br />

und das erste Social'n'Fun Festival mit viel Spaß und Informationen.<br />

<strong>Liebenau</strong>er<br />

Sommerfest<br />

Samstag, 11. Juli <strong>2015</strong>, 11.00 bis 17.00 Uhr<br />

Integratives Fußballturnier mit VIP-Gast Otto Rehhagel<br />

Sonntag, 12. Juli <strong>2015</strong>, 11.00 bis 17.00 Uhr<br />

Gottesdienst um 10.00 Uhr Kirche St. Maria<br />

anschließend Sommerfest rund ums Festzelt<br />

www.stiftung-liebenau.de<br />

20 <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>


„Ein offenes Haus“<br />

Wohn- und Pflegegemeinschaft St. Martin Ailingen eingeweiht<br />

von Christof Klaus<br />

FRIEDRICHSHAFEN-AILINGEN – Schon im November 2014 zogen die<br />

Senioren in das neue Haus in Ailingen ein. Ende April <strong>2015</strong> wurde die<br />

Wohn- und Pflegegemeinschaft St. Martin <strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong> – Leben im Alter<br />

offiziell eingeweiht. Bei <strong>der</strong> Segensfeier in <strong>der</strong> Hauskapelle sprachen die<br />

Grußredner von einem wichtigen Beitrag für die Infrastruktur <strong>der</strong> Ortschaft.<br />

Das ursprünglich im Nachbarort Berg beheimatete<br />

Haus St. Martin war schon vieles: Wirtschaft, Essigfabrik,<br />

ein Domizil für Geistliche und schließlich viele<br />

Jahre ein Altenheim. Im vergangenen Herbst hieß es<br />

dann Koffer packen für die zuletzt 22 Bewohner. Sie<br />

zogen – zusammen mit weiteren Senioren – in den<br />

Ailinger Neubau von St. Martin ein.<br />

In zentraler Lage, mit bester Anbindung an den Ort<br />

und einer prächtigen Aussicht auf Bodensee und<br />

Alpen entstand hier in enger Zusammenarbeit von<br />

Ortschaft, <strong>der</strong> Stadt Friedrichshafen und <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Liebenau</strong> dieses zeitgemäße Angebot für hilfebedürftige<br />

ältere Bürger. Das Grundstück stellte die Zeppelin-<strong>Stiftung</strong><br />

kostenfrei zur Verfügung, zudem för<strong>der</strong>te<br />

die Deutsche Fernsehlotterie mit 300.000 Euro<br />

den insgesamt 5,8 Millionen Euro teuren Bau.<br />

Die Bewohner leben – jeweils in Einzelzimmern mit<br />

Bad – in drei familienähnlichen Wohngruppen<br />

zusammen. Neben den 36 Plätzen für pflegebedürftige<br />

ältere Menschen gibt es auch sieben barrierefreie<br />

Heimgebundene Wohnungen für Senioren, die<br />

selbstständig leben, gleichzeitig aber die fachlichen<br />

Angebote <strong>der</strong> von Petra Kern geleiteten Einrichtung<br />

nutzen möchten.<br />

Über „ein hoimeliges Haus“ freute sich Ailingens<br />

Ortsvorsteherin Sandra Flucht. Der schwäbische<br />

Begriff „hoimelig“ stehe dabei für Werte wie Heimat,<br />

Gemütlichkeit – „und ganz viel Geborgenheit“. Überhaupt<br />

stecke in dem Projekt St. Martin „viel Knowhow<br />

und Leidenschaft“, lobte Flucht die <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Liebenau</strong> als Bauherrin: „Sie war und ist uns immer<br />

ein verlässlicher Partner.“ Dr. Berthold Broll, Vorstand<br />

<strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>, hatte schon in seiner<br />

Begrüßung die Bürger dazu aufgefor<strong>der</strong>t, St. Martin<br />

als „ein offenes Haus zu begreifen“ und es mit ihren<br />

Besuchen und ihrem Engagement zu einem Ort <strong>der</strong><br />

Begegnung werden zu lassen.<br />

Lothar Riebsamen (Mitglied des Bundestages) zitierte<br />

in seinem Grußwort einen alten Spruch: „Stein und<br />

Mörtel bauen ein Haus, Geist und Liebe füllen es<br />

aus.“ In diesem Sinne wünsche er den Bewohnern,<br />

dass sie sich „wohl und aufgehoben fühlen“ in <strong>der</strong><br />

Ittenhauser Straße. Für den Landtagsabgeordneten<br />

Martin Hahn sind mit dem neuen Haus St. Martin die<br />

Voraussetzungen für ein würdevolles Leben im Alter<br />

geschaffen.<br />

Hier sei ein Angebot entstanden, bei dem die Senioren<br />

tatsächlich mittendrin in ihrer Gemeinde leben<br />

können, so <strong>der</strong> Sozialdezernent des Bodenseekreises<br />

Andreas Köster. Deshalb sei es „ein beson<strong>der</strong>s schöner<br />

Tag für Ailingen, für Friedrichshafen, aber auch<br />

für den Landkreis“.<br />

Freuen sich über die neue Wohn- und Pflegegemeinschaft<br />

St. Martin in Ailingen (von links): Dr. Berthold Broll (Vorstand<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>), Petra Kern (Einrichtungsleiterin),<br />

Andreas Köster (Sozialdezernent Bodenseekreis), Gerhard<br />

Schiele (Geschäftsführer <strong>Liebenau</strong> – Leben im Alter gGmbH),<br />

Sandra Flucht (Ortsvorsteherin Ailingen) und Martin Hahn<br />

(Mitglied des Landtages). Foto: Klaus<br />

Altenhilfe<br />

21


Sich einfach zuhause fühlen<br />

Zehn Jahre Hausgemeinschaften in <strong>der</strong> St. Anna-Hilfe Österreich<br />

von Elke Benicke<br />

STADL-PAURA – Seit zehn Jahren leben ältere Menschen in den neu<br />

erstellten Häusern <strong>der</strong> St. Anna-Hilfe in Stadl-Paura, Gmunden und Nüzi<strong>der</strong>s<br />

nach dem Konzept <strong>der</strong> Hausgemeinschaften in kleinen, familiären<br />

Gruppen. In <strong>der</strong> Wohnküche ihres Wohnbereichs kümmert sich eine Alltagsmanagerin<br />

um den Haushalt, ist ständige Ansprechperson. „Das Konzept<br />

hat sich bewährt“, resümiert Geschäftsführer Klaus Müller, „denn<br />

<strong>der</strong> Alltag selbst for<strong>der</strong>t die Menschen immer wie<strong>der</strong> aufs Neue.“ Ein<br />

Blick in die Hausgemeinschaft Gartenweg in Stadl-Paura bestätigt dies.<br />

Romy Rosenauer ist Alltagsmanagerin im Gartenweg,<br />

einer Hausgemeinschaft des Sozialzentrums Kloster<br />

Nazareth in Stadl-Paura. Gerade gibt es Frühstück.<br />

Flink bestreicht sie ein „Semmerl“ mit Butter und<br />

Marillenmarmelade, schneidet es klein, stellt es zum<br />

Kaffee auf ein Tablett und verschwindet in eins <strong>der</strong><br />

Bewohnerzimmer. „Guten Morgen Pauli, guten Morgen<br />

Herr W.“, sagt sie fröhlich beim Eintreten. Ein<br />

Ehepaar? Nein, sie lacht: „Pauli, so heißt die Katze.<br />

Herr W. freut sich einfach, wenn ich ihr zuerst einen<br />

Alltagsmanagerin Romy<br />

Rosenauer wird in <strong>der</strong><br />

Wohnküche <strong>der</strong> Hausgemeinschaft<br />

Gartenweg<br />

im Sozialzentrum<br />

Kloster Nazareth von<br />

einer Bewohnerin beim<br />

Kochen unterstützt.<br />

Foto: Peitler<br />

guten Morgen wünsche.“ Romy Rosenauer weiß, dass<br />

Herr W. am liebsten Marillenmarmelade isst und sein<br />

Semmerl aufgrund seiner Kaubeschwerden klein<br />

geschnitten sein muss. Und sie weiß, dass es ihre<br />

wichtigste Aufgabe ist, die individuellen Bedürfnisse<br />

und Wünsche „ihrer“ Bewohner zu kennen. Neuigkeiten<br />

vermerken die Mitarbeiter einer Hausgemeinschaft<br />

auf eigens dafür angelegten Karteikarten.<br />

Wie<strong>der</strong> zurück im Wohnbereich erkundigt sich Romy<br />

Rosenauer beiläufig, wie je<strong>der</strong> geschlafen hat. Ein<br />

ausgiebiges Thema. Dann geht es ums Wetter. Auch<br />

dieses Thema kommt gut an, denn die Sonne strahlt<br />

durch den Wohnbereich. „Wie war das Wetter<br />

gestern?“, fragt Romy Rosenauer. Nun verdunkeln<br />

sich die Gesichter, doch einige erinnern sich schnell<br />

wie<strong>der</strong>: „Schee war’s, ja, Faschingsdienstag war!“<br />

Dann gibt ein Wort das an<strong>der</strong>e. Es geht um die Feier<br />

im Haus und die Krapfen, Details scheinen weniger<br />

wichtig als Gefühle, doch die Alltagsmanagerin fragt<br />

trotzdem nach. Frau F. weiß noch, dass die „Ebenseer<br />

Fetzen da war’n und Musi g’macht ham“. Die meisten<br />

<strong>der</strong> älteren Menschen stammen aus <strong>der</strong> Region, kennen<br />

den Ebenseer Fasching von klein auf. „Erinnerungsarbeit<br />

und Gedächtnistraining erledigen wir<br />

ganz nebenbei“, lacht die Alltagsmanagerin.<br />

Es wird Zeit, das Mittagessen vorzubereiten. Geschäftig<br />

schält Romy Rosenauer Kartoffeln, rührt immer<br />

mal wie<strong>der</strong> in einem <strong>der</strong> drei großen Töpfe, in denen<br />

es zischt und köchelt und hackt zwischendurch noch<br />

kurz die Zwiebeln. Heute gibt es Kartoffeln, dazu<br />

gebratenes Forellenfilet und vorher eine Grießnockerlsuppe.<br />

Aufgrund ihrer Demenzerkrankung o<strong>der</strong><br />

körperlicher Einschränkungen können die Bewohner<br />

dieser Wohngruppe nicht mehr aktiv an den Vorbereitungen<br />

beteiligen. Dabei sind sie trotzdem, denn<br />

sie sehen, hören und riechen, was vor sich geht.<br />

„Woher kommen die Forellen wohl?“, fragt die Alltagsmanagerin.<br />

Einige stellen Vermutungen an, alle<br />

sind sich schmunzelnd einig: „Na, aus <strong>der</strong> Traun<br />

wahrscheinlich ned!“<br />

Um kurz vor zwölf richtet Romy Rosenauer die Teller.<br />

Sie weiß, wer etwas mehr isst, wer weniger, wer<br />

22 Altenhilfe


Eine Hausgemeinschaft <strong>der</strong><br />

St. Anna-Hilfe Österreich,<br />

hier im Haus St. Josef in<br />

Gmunden. Foto: Streif<br />

einen Teller mit Rand braucht, wer ohne klarkommt.<br />

Wenig später wird sowohl die Suppe als auch <strong>der</strong><br />

Fisch mehrstimmig gelobt. Die Alltagsmanagerin<br />

freut sich: „Das Essen ist wichtig, ein Höhepunkt<br />

jeden Tag. Noch wichtiger aber ist, dass die älteren<br />

Menschen beim Kochen dabei sein können. Und dass<br />

sie einen Ansprechpartner haben, jemanden, mit dem<br />

sie reden können, einfach so, ohne großen Anlass.“<br />

„Nach <strong>der</strong> Mittagsruhe gibt es Kaffee und Kuchen.<br />

Dann kommen auch viele Angehörige“, sagt Romy<br />

Rosenauer. „Sie schätzen sehr, dass es hier so familiär<br />

zugeht und sagen das auch. Wir binden sie ein<br />

und sie sind froh, wenn sie etwas tun können. Da<br />

sie sich meist im Wohnbereich aufhalten, profitieren<br />

auch die an<strong>der</strong>en Bewohnerinnen von ihrem<br />

Besuch.“<br />

Ein Modell, das begeistert<br />

Die Fragen stellte Elke Benicke<br />

Klaus Müller, Geschäftsführer<br />

<strong>der</strong> St. Anna-Hilfe Österreich,<br />

ist überzeugt vom Konzept<br />

<strong>der</strong> Hausgemeinschaften.<br />

Foto: Kästle<br />

Mit <strong>der</strong> Realisierung des Hausgemeinschaftsmodells<br />

nimmt die St. Anna-Hilfe eine Vorreiterrolle<br />

in Österreich ein. Wie kamen Sie auf die Idee,<br />

dieses Konzept einzuführen?<br />

Damals haben wir von entsprechenden Modellen in<br />

Deutschland gehört und gelesen. Konkret kennengelernt<br />

haben wir das Konzept dann erstmals im Jahr<br />

2003 beim Besuch <strong>der</strong> Bremer Heimstiftung und<br />

waren sofort begeistert. Seitdem setze ich das Modell<br />

um, wo immer das möglich ist: In allen neuen Häusern<br />

<strong>der</strong> St. Anna-Hilfe, demnächst in St. Gallenkirch,<br />

und in allen Häusern <strong>der</strong> Gesellschaften, für<br />

die ich Mitverantwortung übernommen habe: in den<br />

Häusern <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> Helios in <strong>der</strong> Schweiz, <strong>der</strong> Casa<br />

– Leben im Alter in Wien und Umgebung und <strong>der</strong><br />

<strong>Stiftung</strong> Elisabetta in Südtirol. Innerhalb <strong>der</strong><br />

St. Anna-Hilfe haben wir die wesentlichen Punkte<br />

des Konzepts, das Wohnen in kleinen Gruppen rund<br />

um eine gemeinsame Küche, nachträglich auch auf<br />

schon bestehende Häuser übertragen.<br />

Warum hat Sie das Konzept so überzeugt?<br />

Unser Ziel ist es, den älteren, pflegebedürftigen<br />

Menschen ein Zuhause zu bieten, eine Umgebung,<br />

in <strong>der</strong> sie sich wohlfühlen. Früher hatten wir sehr<br />

viele Aktivitäten auf dem Programm. Doch in den<br />

Hausgemeinschaften erübrigt sich ein solcher<br />

Umfang an beson<strong>der</strong>en Programmpunkten. Aktivitäten<br />

ergeben sich von selbst und die Bewohner im<br />

Wohnbereich sind automatisch involviert, sehen,<br />

hören und riechen, was passiert. Ein großer Vorteil<br />

ist auch, dass die Alltagsmanagerin den ganzen Tag<br />

über präsent ist. So steht sie den Bewohnern, aber<br />

auch den Angehörigen als Ansprechpartnerin zur<br />

Verfügung.<br />

Solch ein ständiges Beieinan<strong>der</strong>sein ist aber<br />

vielleicht nicht Sache jedes (älteren) Menschen,<br />

o<strong>der</strong>?<br />

Die Hausgemeinschaft ist nur ein Angebot. Je<strong>der</strong><br />

kann sich je<strong>der</strong>zeit auch in das eigene Zimmer<br />

zurückziehen. Auffällig ist, dass das die wenigsten<br />

wollen und machen.<br />

Altenhilfe<br />

23


Geschützt durch Aufklärung<br />

Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch<br />

von Anne Oschwald<br />

LIEBENAU – Ein brisantes Thema: sexueller Missbrauch. Noch brisanter:<br />

sexueller Missbrauch in stationären Einrichtungen. Auch hier besteht die<br />

Gefahr von Übergriffen, wenn Menschen mit Behin<strong>der</strong>ungen als abhängig<br />

und schutzlos angesehen werden. Deshalb muss ihnen jeglicher denkbare<br />

Schutz gelten, um ihnen ein Leben in Würde, Sicherheit und Unversehrtheit<br />

zu ermöglichen. Bei <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe widmen sich Fachkräfte<br />

schon länger diesem Thema. Nun sind die Leitlinien zum Umgang mit<br />

sexuellem Missbrauch erschienen: für die eigenen Mitarbeiter, aber auch<br />

für Interessierte aus an<strong>der</strong>en Einrichtungen.<br />

„Unsere Arbeit und die Leitlinien sollen helfen, sensibel<br />

für Grenzüberschreitungen zu werden und<br />

sexuellem Missbrauch vorzubeugen“, erläutert Ruth<br />

Hofmann, Pädagogischer Fachdienst <strong>der</strong> St. Gallus-<br />

Hilfe in <strong>Liebenau</strong>. Sie leitet<br />

die Arbeitsgruppe, die sich<br />

als Präventionsgruppe<br />

versteht. Die aufklärende<br />

Arbeit soll bei<br />

Betreuten und Betreuern<br />

ein hohes Maß an<br />

Leitlinien zum Umgang mit<br />

sexuellem Missbrauch<br />

in <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe<br />

Bewusstsein für das<br />

Thema Missbrauch<br />

schaffen.<br />

Ihre Arbeit soll<br />

aber auch bewirken,<br />

dass Mitarbeiter<br />

nicht<br />

schweigen,<br />

falls sie Hinweise auf Missbrauchsfälle erkennen.<br />

Dies macht auch <strong>der</strong> Geschäftsführer <strong>der</strong> St. Gallus-<br />

Hilfe Jörg Munk in seinem Vorwort deutlich: „Wir<br />

möchten Sie dringend auffor<strong>der</strong>n, Ihre Augen nicht<br />

zu verschließen. Wann immer sich ein Verdacht in<br />

Ihnen regt, gehen Sie ihm nach.“ Die Leitlinien zum<br />

Umgang mit sexuellem Missbrauch gibt es bei <strong>der</strong> St.<br />

Gallus-Hilfe zum internen Gebrauch bereits seit<br />

2012. Die Arbeitsgruppe hat die Arbeit daran im Jahr<br />

2009 aufgenommen. Nun will sie ihr Wissen und ihre<br />

Erfahrungen mit <strong>der</strong> Veröffentlichung einem größeren<br />

Personenkreis zugänglich machen.<br />

Empfohlen wird den Institutionen die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem Thema von <strong>der</strong> Staatlichen Koordinierungsstelle<br />

nach Art. 33 UN-Behin<strong>der</strong>tenrechtskonvention,<br />

vom Deutschen Caritasverband und vom<br />

Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“. „Wo<br />

sind die Risiken, wo können wir die Prävention verbessern?<br />

Das sind Fragen, die wir weiterhin intensiv<br />

bearbeiten werden“, erklärt Ruth Hofmann.<br />

Risikobehaftet können zum Beispiel Situationen<br />

sein, in denen Mitarbeiter alleine im Dienst sind. Die<br />

Stärkung <strong>der</strong> sozialen Kontrolle hat daher einen<br />

wichtigen Stellenwert.<br />

An<strong>der</strong>erseits dürfen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

nicht in einen Generalverdacht geraten. „Beziehung<br />

ist ein wesentliches Merkmal unserer sozialen<br />

Arbeit“, schil<strong>der</strong>t Ruth Hofmann. Ohne Nähe und<br />

Körperkontakt sind Betreuung und Pflege nicht vorstellbar.<br />

Beides gibt den Betreuten auch mehr<br />

Lebensqualität und Wohlbefinden. Das richtige<br />

Augenmaß zwischen natürlicher Nähe und sexueller<br />

Grenzüberschreitung o<strong>der</strong> gar Missbrauch zu haben,<br />

wird die verantwortungsvolle Aufgabe bleiben.<br />

Die Leitlinien zum Umgang mit sexuellem<br />

Missbrauch können bestellt werden unter<br />

info@st.gallus-hilfe.de<br />

www.st.gallus-hilfe.de/Medien/Downloads<br />

24 Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung


Sexueller Miss-Brauch darf nicht sein<br />

Manchmal werden Menschen in Heimen missbraucht.<br />

Das heißt, es wird ihnen Gewalt angetan.<br />

Sie werden zum Beispiel geschlagen.<br />

O<strong>der</strong> zum Sex gezwungen.<br />

Manchmal machen dies Mit-Arbeiter o<strong>der</strong> Mit-Arbeiterinnen.<br />

Manchmal auch Mit-Bewohner und Mit-Bewohnerinnen.<br />

Das darf nicht sein!<br />

Oft bleibt es unentdeckt, dass jemand missbraucht wird.<br />

Viele trauen sich nicht, darüber zu sprechen.<br />

Sie schämen sich deswegen.<br />

Obwohl es nicht ihre Schuld ist.<br />

Fachkräfte <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe haben Regeln entwickelt.<br />

Sie stehen in einem Heft.<br />

Sie helfen Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen.<br />

Sie beschreiben wie man mit geschehenem Miss-Brauch umgehen soll.<br />

O<strong>der</strong> wie man ihn verhin<strong>der</strong>n kann.<br />

Der Geschäfts-Führer Jörg Munk sagt in dem Heft:<br />

„Wenn Sie etwas Verdächtiges sehen, gehen Sie dem nach.“<br />

Wichtig ist auch: Nicht alles ist sexueller Missbrauch.<br />

Natürlicher Körperkontakt gehört zum Leben.<br />

Nähe bedeutet Lebens-Qualität.<br />

Für Menschen mit und ohne Behin<strong>der</strong>ung.<br />

Das Heft kann man per E-Mail info@st.gallus-hilfe.de bestellen.<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

25


Auf Umwegen ins Arbeitsleben<br />

Ehemalige WfbM-Beschäftigte macht ihren Hauptschulabschluss<br />

von Christof Klaus<br />

RAVENSBURG/LIEBENAU – Nicht alles lief rund in ihrem Leben. Doch nun<br />

– mit Mitte 20 und einigen Umwegen – steht eine ehemalige Beschäftigte<br />

<strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong>er Arbeitswelten kurz vor ihrem Ziel: Sie will im Rahmen<br />

ihres Vorqualifizierungsjahres Arbeit/Beruf (VAB) den Hauptschulabschluss<br />

machen, um dann auf dem ersten Arbeitsmarkt durchzustarten.<br />

Nur noch wenige Wochen, dann hat es Stefanie<br />

Bernecker geschafft und den lang ersehnten Hauptschulabschluss<br />

in <strong>der</strong> Tasche. Der Weg bis hierher<br />

war jedoch kein einfacher. Familiäre Probleme hatten<br />

sie als Teenager aus <strong>der</strong> Bahn geworfen, in <strong>der</strong> neunten<br />

Klasse verließ sie kurz vor <strong>der</strong> Prüfung die Schule.<br />

Über eine Einrichtung in Ulm kam sie dann 2007<br />

auf eine sozialtherapeutische Wohngruppe nach <strong>Liebenau</strong>.<br />

Dort durchlief sie den Berufsbildungsbereich<br />

<strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong>er Arbeitswelten und startete schließlich<br />

als Beschäftigte in den Werkstätten für behin<strong>der</strong>te<br />

Menschen (WfbM).<br />

Als Service-Mitarbeiterin des <strong>Liebenau</strong>er Landlebens<br />

stand sie unter an<strong>der</strong>em im „Glashaus“-Restaurant<br />

hinter <strong>der</strong> Theke. Zuletzt sorgte sie im Medienhaus<br />

von „Schwäbisch Media“ bei Konferenzen für die<br />

Vorbereitung <strong>der</strong> Seminarräume. Betriebsintegrierter<br />

Arbeitsplatz nennt sich das. Betreut wurde sie dabei<br />

von Danja Gründler, die ihr als sogenannter Jobcoach<br />

je nach Bedarf zur Seite stand und die den<br />

Weg <strong>der</strong> Teilnehmerin auch jetzt noch weiter begleitet.<br />

Auch privat ging es für Stefanie Bernecker voran.<br />

2012 zog sie aus <strong>der</strong> WG in <strong>Liebenau</strong> aus und lebt<br />

seitdem bei einer Gastfamilie. Nur eines fehlte halt<br />

immer noch: <strong>der</strong> Hauptschulabschluss. „Das war<br />

schon immer mein Wunsch“, so die 25-Jährige. Die<br />

Lösung: ein VAB an <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>berufsfachschule des<br />

Ravensburger Berufsbildungswerkes Adolf Aich<br />

(BBW). Zusammen mit Henriette Hengge vom Sozialdienst<br />

<strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong>er Arbeitswelten bereitete sie<br />

sich gewissenhaft auf den Wie<strong>der</strong>einstieg vor:<br />

Berichtshefte führen, Mathe büffeln. Mit Erfolg:<br />

Beim Eingangstest im BBW schnitt sie gut ab. Nun<br />

drückt sie die Schulbank. Pflege und Hauswirtschaft<br />

sind die Schwerpunkte in <strong>der</strong> nur elfköpfigen Kleinklasse<br />

– ein optimales Umfeld für einen gelungenen<br />

Abschluss. Dem steuert Stefanie Bernecker mit<br />

guten Noten zuversichtlich entgegen. Aus den Fünfern<br />

von einst sind Einsen geworden. „Ich bin<br />

schnell wie<strong>der</strong> reingekommen“, sagt sie.<br />

Wo sie ihre berufliche Zukunft sieht? Wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Gastronomie, vielleicht sogar am alten Arbeitsplatz.<br />

In den WfbM-Status will sie natürlich nicht mehr<br />

zurück: „Das wäre ein Rückschritt.“ Aber wenn es<br />

mit dem Sprung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

doch nicht gleich klappen sollte, stünde Danja<br />

Gründler bereit: „Ich habe ja ihre Nummer“, lacht<br />

Stefanie Bernecker.<br />

Das Ziel vor Augen, <strong>der</strong> Blick nach vorn: Stefanie Bernecker,<br />

eine ehemalige Beschäftigte <strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong>er Arbeitswelten,<br />

steht kurz vor ihrem Hauptschulabschluss. Foto: Klaus<br />

26 Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung


Persönlichkeit steht im Fokus<br />

Assistenzplan im Bereich Pädagogik und Gesundheit erleichtert Dokumentation<br />

von Anne Oschwald<br />

LIEBENAU – Die Träger von Hilfen für Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung sind<br />

den Leistungsträgern <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe gegenüber verpflichtet,<br />

einen Hilfeplan zu erstellen, für Menschen, die in einer stationären Einrichtung<br />

leben. Bislang bestand die Dokumentation aus <strong>der</strong> Individuellen<br />

Betreuungs- und Entwicklungsplanung (IBEP) und dem Pflegeplan. Um<br />

diese beiden Dokumente zusammenzuführen und die Dokumentation<br />

langfristig zu erleichtern, haben Fachkräfte <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe einen<br />

Assistenzplan für beide Bereiche – Pädagogik und Gesundheit – entwickelt.<br />

„Gestiegene Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Aufsichtsbehörden<br />

haben es notwendig gemacht, Unterstützungsbedarf<br />

und Assistenzleistungen detaillierter als bisher zu<br />

beschreiben“, erklärt Ruth Hofmann, pädagogischer<br />

Fachdienst <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe in <strong>Liebenau</strong>. Ein neues<br />

Instrument musste also her. Die Bedingungen daran<br />

lauteten, dass es beide Schienen Pädagogik und Pflege<br />

vereint, dass es die gesetzlichen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

erfüllt und dass es einen möglichst geringen Aufwand<br />

verursacht.<br />

Der Assistenzplan<br />

Pädagogik und<br />

Gesundheit verringert<br />

die Dokumentation bei<br />

<strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe.<br />

Die Persönlichkeit <strong>der</strong><br />

Bewohner rückt noch<br />

mehr in den Fokus.<br />

Foto: Oschwald<br />

Für die Arbeitsgruppe <strong>der</strong> St. Gallus-Hilfe steht <strong>der</strong><br />

Mensch mit seiner gesamten Persönlichkeit und seinen<br />

Fähigkeiten und <strong>der</strong>en Erhalt im Zentrum <strong>der</strong> zu<br />

planenden Maßnahmen und Ziele. Wie ein roter<br />

Faden ziehen sich daher die Orientierung an Gesundheit,<br />

körperliches Wohlbefinden, Akzeptanz und<br />

Anerkennung, Wahl- und Entscheidungsmöglichkeit,<br />

weitest gehende Autonomie und Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben durch die entwickelte Dokumentation.<br />

„Acht verschiedene Bereiche sieht das neue Instrument<br />

vor, wie etwa die Basisversorgung/Gesundheit,<br />

alltägliche Lebensführung, soziale Beziehungen“,<br />

erklärt Ruth Hofmann. Je<strong>der</strong> Bereich ist in Unterpunkte<br />

unterteilt. Der Bereich Basisversorgung und<br />

Gesundheit beinhaltet beispielsweise Ernährung,<br />

Körperpflege und Körperhygiene, Bewegung und<br />

Mobilität sowie gesundheitliche Risiken. Von a bis f<br />

wird eingestuft, wie viel Assistenz jemand jeweils<br />

benötigt. Die Dokumentation enthält neben <strong>der</strong> Ausgangssituation<br />

vor allem die konkrete Hilfe, die ein<br />

Mensch mit Behin<strong>der</strong>ung in den einzelnen Bereichen<br />

erhält. Wo ein För<strong>der</strong>ziel möglich ist, wird dies in<br />

<strong>der</strong> vorgesehenen Rubrik beschrieben.<br />

Zunächst werden die verantwortlichen Wohngruppen-Mitarbeiter<br />

mit <strong>der</strong> Ersterhebung einen nicht<br />

unerheblichen Aufwand zu bewältigen haben. Auf<br />

lange Sicht entlastend ist aber, dass sie die immer<br />

wie<strong>der</strong>kehrenden Tätigkeiten wie zum Beispiel Zähneputzen<br />

o<strong>der</strong> Hilfe beim Einkaufen, nicht einzeln<br />

handabgezeichnet dokumentieren müssen. Vielmehr<br />

sollen nur die Ausnahmen dokumentiert werden.<br />

„Wir wissen um die Herausfor<strong>der</strong>ung für die Kollegen<br />

in den Wohngruppen, wenn das neue Dokumentationssystem<br />

eingeführt wird“, schil<strong>der</strong>t sagt Ruth Hofmann.<br />

Sie erwähnt aber einen an<strong>der</strong>en nicht zu vernachlässigenden<br />

Punkt: Durch die neue Form <strong>der</strong><br />

Dokumentation beschäftigen sich die Mitarbeiter<br />

sehr intensiv mit den Belangen des jeweiligen<br />

Bewohners. Das macht die Arbeit mit und am Menschen<br />

noch reflektierter und professioneller.<br />

Menschen mit Behin<strong>der</strong>ung<br />

27


Gut entwickelt<br />

Führungswechsel in <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik – Ein Rückblick auf zwei Jahrzehnte<br />

von Susanne Droste-Gräff<br />

LIEBENAU – Anfang März gab es einen Führungswechsel in <strong>der</strong> St. Lukas-<br />

Klinik: Die beiden langjährigen Geschäftsführer Dr. Edgar Kessler und<br />

Wolfgang Oppolzer gingen in den Ruhestand. Sebastian Schlaich und Irmgard<br />

Möhrle-Schmäh sind ihre Nachfolger. Gelegenheit für einen Rückblick<br />

auf die vergangenen zwei Jahrzehnte des Spezialkrankenhauses.<br />

Wer als Patient in <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik landet, hat<br />

oftmals bereits eine Odyssee durch verschiedene Einrichtungen<br />

und Psychiatrien hinter sich: Allgemeine<br />

Psychiatrien sind in <strong>der</strong> Regel nicht ausgerichtet auf<br />

Menschen, die zu <strong>der</strong> psychischen Erkrankung noch<br />

eine geistige Behin<strong>der</strong>ung haben. Therapien scheitern.<br />

Viele Patienten, die die Lukas-Klinik aufnimmt,<br />

gelten daher als nicht therapiefähig. Sie sind durch<br />

das übliche Versorgungsnetz gefallen und haben<br />

nicht den richtigen Platz gefunden, um ihr persönliches<br />

Optimum an Lebensqualität zu erreichen.<br />

Einst als Krankenstation für Bewohner begonnen, ist<br />

die St. Lukas-Klinik heute eine Ausnahmeerscheinung<br />

in <strong>der</strong> deutschen Krankenhauslandschaft. Hier<br />

können aufgrund <strong>der</strong> Vielfalt und Spezialität Menschen<br />

behandelt werden, die sonst keine adäquaten<br />

Hilfen finden. Vor allem in <strong>der</strong> aktiven Zeit von<br />

Wolfgang Oppolzer und Edgar Kessler – in den vergangenen<br />

rund 25 Jahren – wurde die Basis für die<br />

In <strong>der</strong> Psychiatrischen Institutsambulanz können seit 2001<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugendliche sowie Erwachsene mit geistiger<br />

Behin<strong>der</strong>ung und psychischen Erkrankungen behandelt<br />

werden.<br />

Meilensteine<br />

1990 Bezug des Klinikneubaus in <strong>Liebenau</strong>.<br />

1992 Die erste sozialtherapeutische Gruppe (Luk31) wurde<br />

eingerichtet. Sie wurde für die Menschen zur Bleibe, die<br />

nach einer Akutbehandlung in <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendpsychiatrie<br />

keinen Ort fanden, <strong>der</strong> sie aufnahm. Inzwischen hat<br />

das Sozialtherapeutische Heim rund 160 Plätze. Es ist mittlerweile<br />

ein festes Standbein <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik und über<br />

die Landesgrenzen hinaus gefragt.<br />

Zeitgleich entsteht ein Angebot für Schädel-Hirnverletzte<br />

und Menschen im Wachkoma in Weingarten und Gut Betha<br />

12 in <strong>Liebenau</strong>.<br />

1995 Der Weilerhof – ein Bauernhof im Hinterland von Meckenbeuren<br />

– wird eröffnet. Ein erster Versuch für den schwierigen<br />

Personenkreis <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik eine normale<br />

Wohnform auszuprobieren. Heute weiß man: Es klappt.<br />

2001 Die PIA (Psychiatrische Institutsambulanz) wird gegründet.<br />

Damit konnte die St. Lukas-Klinik nicht nur für Patienten<br />

aus dem <strong>Stiftung</strong>sverbund ambulant tätig sein, son<strong>der</strong>n auch<br />

externe Patienten ambulant behandeln.<br />

2002 Das Epilepsie-Zentrum Bodensee wird gegründet – eine Kooperation<br />

mit dem ZfP Südwürttemberg und den Waldburg-<br />

Zeil Kliniken in Wangen und Isny – mit dem Ziel die Versorgung<br />

Epilepsiekranker in <strong>der</strong> Bodenseeregion zu verbessern.<br />

28 Gesundheit


In einem 2003 errichteten Neubau ist auch die Eltern-Kind-Station untergebracht. Fotos: Kästle<br />

heutige Ausprägung des Fachkrankenhauses gelegt.<br />

Sie hat sich inzwischen einen überregionalen Ruf<br />

erarbeitet und genießt in Expertenkreisen hohes<br />

Ansehen. Darauf ausruhen kann sich die St. Lukas-<br />

Klinik aber nicht. Dazu ist in diesem Segment des<br />

Gesundheitsbereiches finanziell, rechtlich, und fachlich<br />

zu viel in Bewegung.<br />

Gab es früher eine gewachsene Mischung im Behandlungsspektrum,<br />

haben sich heute klar ausdifferenzierte<br />

Bereiche entwickelt: Ein Krankenhaus zur<br />

stationären Behandlung von internistisch und/o<strong>der</strong><br />

psychisch erkrankten Menschen mit individual-<br />

therapeutischen Angeboten, Ergo-, Musik- und<br />

Kunsttherapie.<br />

An die Grenzen zu gehen, auch die eigenen, ist für<br />

die St. Lukas-Klinik schon fast zum Programm<br />

geworden. Kein Patient gleicht in seinem Krankheitsbild<br />

dem an<strong>der</strong>en. Immer sind individuelle und<br />

kreative Lösungen gefragt, um Notlagen abzumil<strong>der</strong>n.<br />

Und sei es beispielsweise auch nur ein angepasstes<br />

Möbelstück, das hilft einen Stressfaktor auszuschalten.<br />

Für all das ist gute und interdisziplinäre<br />

Teamarbeit gefragt und die Bereitschaft neue und<br />

ungewöhnlich Wege zu gehen.<br />

2003 Ein neuer Krankenhausbau für Eltern-Kind-Station und<br />

Erwachsenenpsychiatrie wird eingeweiht. Damit wurde die<br />

Familie als System in den Blick genommen. Die Eltern sind<br />

eng in die Behandlung miteinbezogen.<br />

2003 Das Sozialtherapeutische Heim wird neu strukturiert. Ausgangspunkt<br />

war <strong>der</strong> Modellversuch des so genannten Leistungstyps<br />

1.7, <strong>der</strong> es nun auch ermöglichte Doppeldiagnosen<br />

im Vergütungssystem zu berücksichtigen. Der Hilfebedarf<br />

solcher Menschen ist in <strong>der</strong> Regel deutlich höher.<br />

2006 Das Haus St. Damiano in Stuttgart-Bad Cannstadt in Trägerschaft<br />

<strong>der</strong> <strong>Liebenau</strong>-Kliniken wird eröffnet.<br />

2007 Einweihung <strong>der</strong> „Tagesklinik Bernsteinstraße“ in Stuttgart.<br />

Träger: Gesellschaft für Entwicklungspsychiatrie und Integration<br />

gGmbH (zu je 50 Prozent <strong>Liebenau</strong> Kliniken gGmbH<br />

und Fachkliniken Mariaberg gGmbH).<br />

2007 Bau des Sinnesgartens in <strong>Liebenau</strong>.<br />

2009 Neugestaltung <strong>der</strong> Ambulanz und des Empfangsbereichs <strong>der</strong><br />

St. Lukas-Klinik.<br />

2010 Erweiterung des Therapiekonzeptes um die Kunsttherapie.<br />

2013 Neugestaltung <strong>der</strong> Physiotherapie in <strong>der</strong> St. Lukas-Klinik,<br />

Kooperationsvertrag St. Lukas-Klinik und Waldburg-Zeil<br />

Klinik Tettnang.<br />

Gesundheit<br />

29


Glückspilz mit großem Durchhaltevermögen<br />

Wichtige Unterstützer auf dem Weg zum Arbeitsplatz<br />

von Svenja Kranz<br />

RAVENSBURG - Vier Jahre lang absolvierte Marcus Paul eine Ausbildung<br />

zum Hochbaufacharbeiter im Berufsbildungswerk Adolf Aich (BBW). Ohne<br />

die Unterstützung seiner Lehrer und Erzieher hätte er es nicht geschafft.<br />

Heute hat er einen unbefristeten Arbeitsplatz als Produktionshelfer bei<br />

„Vom Fass“ in Hannober, eine eigene Wohnung und er steht mit beiden<br />

Beinen im Leben.<br />

Seit einem Jahr ist Marcus im normalen Arbeitsleben<br />

und trotzdem muss er ab und zu im BBW vorbeikommen,<br />

nach dem Rechten schauen. „Eigentlich wollte<br />

ich eine Ausbildung im Bereich Lager machen“, erinnert<br />

sich Marcus an die ersten Tage. „Es gab keinen<br />

freien Platz. Aber ich bin auch gerne draußen im<br />

Freien und arbeite mit Steinen.“ Da Maurer wegen<br />

des hohen Anteiles an Mathematik zu schwer für ihn<br />

gewesen wäre, entschied er sich, Hochbaufacharbeiter<br />

zu werden.<br />

Im Alltag konnte Marcus sich gut verständigen, aber<br />

sein Wortschatz war begrenzt, und so hatte er in<br />

allen Schulfächern Probleme. Jeden Freitag kam er<br />

deshalb zu Christiane Fischer in das För<strong>der</strong>zentrum<br />

und arbeitete an seinem Grundwortschatz, an <strong>der</strong><br />

Rechtschreibung, am Lesen und am Textverständnis.<br />

Durch den Einzelunterricht konnte die För<strong>der</strong>lehrerin<br />

ganz gezielt auf Marcus‘ Lernvoraussetzungen eingehen.<br />

„Ich bewun<strong>der</strong>e oft die Geduld, die meine Schüler<br />

haben. Sie zeigen hier, welche innere Stärke und<br />

welches Durchhaltevermögen sie haben!“ erzählt<br />

Christiane Fischer, die sich freut, wenn Marcus kurz<br />

bei ihr vorbei schaut und sie auf dem Laufenden<br />

hält. Am Ende je<strong>der</strong> Unterrichtsstunde gab es jedes<br />

Mal eine Gedächtnis- und Konzentrationsübung.<br />

Auch heute noch lässt sich Marcus sofort auf ein<br />

Spiel mit seiner Lehrerin ein. Aus einer kleinen<br />

roten Pappschachtel zieht Frau Fischer fünf Worte<br />

und legt sie auf den Tisch. Bemühungen, Pferd, Sternenhimmel,<br />

Zahnarzt und Mietpreis steht da<br />

geschrieben. Man hat nur kurz Zeit, um sich die<br />

Worte einzuprägen, dann werden die Kärtchen verdeckt<br />

und man muss sie in <strong>der</strong> richtigen Reihenfolge<br />

aufschreiben. Marcus ist längst nicht mehr im Training<br />

und verliert. Für ihn steht eindeutig fest:<br />

„Hätte ich den Stütz- und För<strong>der</strong>-unterricht bei Frau<br />

Marcus Paul ist sich darüber bewusst, dass er ohne den<br />

Stütz- und För<strong>der</strong>unterricht bei Christiane Fischer die Fragen<br />

<strong>der</strong> Abschlussprüfung nicht verstanden hätte.<br />

30 Bildung


Marcus Pauls Freude ist groß, als er im Materiallager bei den<br />

Eisenstangen eine seiner Prüfungsaufgaben findet. Heute<br />

dürfen die Azubis damit üben. Fotos: Kranz<br />

Fischer nicht gehabt, hätte ich in <strong>der</strong> Abschlussprüfung<br />

die Fragen nicht verstanden. Im schlimmsten<br />

Fall wäre ich deswegen durchgefallen und jetzt<br />

sicher nicht da, wo ich gerade stehe. Das BBW war<br />

mein großes Glück.“ Aber auch in an<strong>der</strong>en Bereichen<br />

hatte Marcus unwahrscheinliches Glück.<br />

Pfandflaschen für den Autokauf<br />

Allein auf sein Glück hat er sich jedoch nie verlassen.<br />

Während <strong>der</strong> vier Jahre im BBW war Marcus<br />

immer mit einem kleinen Tretroller unterwegs, am<br />

Lenker rechts und links zwei Plastiktüten in die er<br />

Pfandflaschen sammelte, die er aus den Mülleimern<br />

fischte. „Marcus ist so <strong>der</strong>maßen geradlinig und zielstrebig<br />

bei <strong>der</strong> Sache geblieben, immer war er unterwegs,<br />

ob Regen o<strong>der</strong> Schnee. Er hat sich die Faulheit<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en zunutze gemacht“, erzählt Christane<br />

Fischer. Von dem Pfandgeld hat er sich ein Fahrrad<br />

gekauft, dann die Hälfte seines Führerscheines<br />

bezahlt und sich letztendlich für 2.600 Euro ein<br />

Auto erworben. Zuverlässig ist er, dass er zu spät zur<br />

Arbeit kommt, passiert so gut wie nie. Als er während<br />

des dritten Lehrjahres ein Praktikum bei „Vom<br />

Fass“ absolvierte, erkannte sein Vorgesetzter seine<br />

Fähigkeiten und bot ihm einen unbefristeten<br />

Arbeitsvertrag an. Noch heute kann Marcus das<br />

manchmal kaum glauben. „Das war <strong>der</strong> Hammer,<br />

damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Das war<br />

wie ein Sechser im Lotto.“<br />

Kochen in <strong>der</strong> eigenen Küche<br />

Mit einem an<strong>der</strong>en Jugendlichen teilte er sich im<br />

BBW ein Zimmer, aber sein ganz großer Wunsch war<br />

es, selbstständig zu sein. „Ich kann für mich kochen,<br />

einkaufen, Wäsche waschen und ich brauche niemanden,<br />

<strong>der</strong> mich morgens weckt“, so Marcus und in<br />

einem Gespräch mit den Verantwortlichen entschied<br />

man, es zu versuchen. Nun gibt es auf dem Gelände<br />

zwei Einzimmerapartments, die natürlich heiß<br />

begehrt sind und auch hier hatte Marcus wie<strong>der</strong><br />

Glück. Eines wurde frei und er konnte einziehen.<br />

Alles war perfekt, nur auf dem kleinen Zweiplattenherd<br />

ließ sich nicht so gut kochen. Das ist heute Vergangenheit,<br />

denn in seiner kleinen Wohnung in Vogt<br />

macht ihm das Kochen richtig Spaß. Seine Küche ist<br />

recht groß und ausgestattet mit einem Vierplattenherd,<br />

einem Backofen und sogar einer Dunstabzugshaube.<br />

Das Glück begleitet ihn aber auch in <strong>der</strong> Freizeit,<br />

wenn er mit dem Fahrrad unterwegs ist und an<br />

abgerutschten Waldhängen ganz zufällig einen 30<br />

Zentimeter großen Ammoniten (spiralförmige Versteinerungen)<br />

findet. Ähnliche Dinge passieren<br />

Marcus ständig, vielleicht weil er durch seine kindliche<br />

Neugier aufmerksamer durch die Welt geht.<br />

Das För<strong>der</strong>zentrum ist ein fester Bestandteil<br />

<strong>der</strong> Josef-Wilhelm-Schule. Die Schüler bekommen<br />

„Nachhilfe“ in den Fächern, in denen sie<br />

beson<strong>der</strong>en För<strong>der</strong>bedarf haben. Dazu gehören<br />

die allgemeinbildenden Fächer wie Deutsch,<br />

Gemeinschaftskunde, Wirtschafts- und Sozialkunde,<br />

aber auch die berufsspezifischen Fächer<br />

wie Fachrechnen und Fachkunde.<br />

Gearbeitet wird in Kleingruppen o<strong>der</strong> im Einzelunterricht.<br />

So haben die För<strong>der</strong>lehrer die<br />

Möglichkeit, auf die Persönlichkeit und die<br />

Lernvoraussetzungen des einzelnen Schülers<br />

einzugehen. Oft entsteht ein beson<strong>der</strong>es Vertrauensverhältnis<br />

und die Schüler können<br />

auch in ihren persönlichen Fähigkeiten unterstützt<br />

und geför<strong>der</strong>t werden. Angesichts <strong>der</strong><br />

vielfältigen psychischen Probleme und Beziehungskonflikte<br />

<strong>der</strong> Schüler ist das für Marion<br />

Obermayer, Leiterin des För<strong>der</strong>zentrums im<br />

Berufsbildungswerk, ein wichtiger Aspekt auf<br />

dem Weg zum erfolgreichen Berufsabschluss.<br />

Bildung<br />

31


Autismus: Hürde Vorstellungsgespräch<br />

Wie <strong>der</strong> Einstieg in den Job gelingen kann<br />

von Christof Klaus<br />

RAVENSBURG – Einen Job finden trotz Autismus? Das Berufsbildungswerk<br />

Adolf Aich (BBW) bildet <strong>der</strong>zeit über 70 junge Menschen mit dieser Diagnose<br />

aus und beweist seit Jahren mit guten Vermittlungsquoten, dass<br />

dies durchaus möglich ist – mit <strong>der</strong> entsprechenden För<strong>der</strong>ung und fachlicher<br />

Begleitung durch Psychologen, Pädagogen, Erzieher und Ausbil<strong>der</strong>.<br />

Insgesamt sieht die Situation für diesen Personenkreis<br />

auf dem Arbeitsmarkt aber nicht allzu gut aus.<br />

Oft schaffen Autisten ihren Schulabschluss o<strong>der</strong> auch<br />

noch eine Ausbildung, sind also fachlich fit für einen<br />

Job. Doch dann kommt für viele <strong>der</strong> Knick im<br />

Lebenslauf. „50 bis 70 Prozent <strong>der</strong> Menschen mit<br />

hochfunktionalem Autismus beziehungsweise Asperger-Syndrom<br />

sind ohne Arbeit“, rechnete Dr. Matthias<br />

Dalferth, Professor für Soziale Arbeit an <strong>der</strong> Ostbayerischen<br />

Technischen Hochschule (OTH) Regensburg,<br />

in seinem Vortrag beim jüngsten Autismus-<br />

Fachtag im BBW vor.<br />

Doch wo liegen die Stolpersteine bei <strong>der</strong> Jobsuche?<br />

Bereits die erste Hürde ist hoch, wie Dalferth weiß:<br />

„Die meisten Menschen mit Autismus haben schlechte<br />

Karten beim Vorstellungsgespräch.“ Das liegt an<br />

den typischen Kommunikationsfallen im Umgang mit<br />

Autisten. Der Bewerber reagiert an<strong>der</strong>s als erwartet,<br />

sein Verhalten wird falsch gedeutet, Irritationen sind<br />

vorprogrammiert. Werbung in eigener Sache machen?<br />

Sich positiv darstellen? Für einen Autisten, <strong>der</strong> sich<br />

strikt an die Fakten hält, ist das schwer – auch wenn<br />

er die gefor<strong>der</strong>ten Qualifikationen hat.<br />

Nicht nur deshalb benötigen diese Menschen Unterstützung<br />

beim schwierigen Übergang in die Arbeitswelt.<br />

Dazu gehören zum Beispiel autismusgerechte<br />

Bedingungen am Arbeitsplatz, also eine ruhige und<br />

reizarme Umgebung mit Rückzugsmöglichkeiten. Es<br />

gebe hier zahlreiche Möglichkeiten, das optimale<br />

Umfeld zu schaffen, meinte Dalferth: „Man muss<br />

sich einfach kreativ auf die Bedarfe einstellen.“ Das<br />

macht man im BBW seit Jahren. Ausbildung, Berufsvorbereitung<br />

und Qualifizierung nach Schema F –<br />

das gibt es hier nicht. Zu unterschiedlich sind die<br />

Menschen mit ihren Talenten und Bedürfnissen, zu<br />

vielschichtig ihre persönlichen Vorgeschichten. Und<br />

gerade im Umgang mit Autismus-Spektrum-Störungen<br />

gilt das Ravensburger BBW als Spezialist mit<br />

einer eigens dafür entwickelten Konzeption.<br />

Davon profitieren Betroffene wie Markus S. Schon<br />

während <strong>der</strong> Ausbildung wurden bei dem Asperger-<br />

Autisten die Weichen für den Berufseinstieg gestellt.<br />

Seinen Traumjob hatte er gefunden und sich beim<br />

Praktikum in einem Gartenbaubetrieb bewährt. Auch<br />

sein Chef glaubte an ihn, stieß aber an seine Grenzen.<br />

Ein Anruf im BBW bei Bildungsbegleiterin Ursula<br />

Baldauf folgte: „Ich kann ihn hier lei<strong>der</strong> nicht<br />

ausbilden, das müsst ihr machen“, meinte <strong>der</strong> Unternehmer.<br />

„Aber ich glaube, in dem Kerle steckt was.“<br />

Die Bundesagentur für Arbeit gab grünes Licht für<br />

die entsprechende Finanzierung. „Und dann haben<br />

wir damit angefangen, ein Gesamtpaket für Markus<br />

zu schnüren“, erinnert sich Baldauf. Wir, das sind<br />

die Son<strong>der</strong>berufsschule des BBW, die Josef-Wilhelm-<br />

Schule, die Psychologen vom Fachdienst Diagnostik<br />

und Entwicklung sowie die Fachkräfte in <strong>der</strong> Ausbildung<br />

und die Betreuer im Wohnheim. „Alle waren<br />

mit im Boot.“<br />

Dank dieser Unterstützung und För<strong>der</strong>ung hat es<br />

Markus S. geschafft: zunächst die Abschlussprüfungen<br />

und dann auch den Jobeinstieg als Gärtner –<br />

bei seinem bekannten Praktikumsbetrieb. Ja, in dem<br />

„Kerle“ steckte tatsächlich was.<br />

32 Bildung


Wenn das eigene Kind schwer krank und dem Tode nahe ist,<br />

tut sich für die Familie ein Abgrund auf.<br />

Früher o<strong>der</strong> später geht es um den Abschied<br />

Ambulanter Kin<strong>der</strong>hospizdienst AMALIE begleitet Familien<br />

von Svenja Kranz<br />

FRIEDRICHSHAFEN – Plötzlich ist nichts mehr wie es war. Hilflosigkeit<br />

macht sich breit und nicht selten fühlen sich Eltern überfor<strong>der</strong>t und mit<br />

ihren Fragen allein gelassen. Es leuchtet ein: Wenn Kin<strong>der</strong> von Sterben<br />

und Tod betroffen sind, brauchen sie und ihre Familien beson<strong>der</strong>e Unterstützung.<br />

Genau dies leistet seit fünf Jahren <strong>der</strong> ambulante Kin<strong>der</strong>hospizdienst<br />

AMALIE, eine Kooperation <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> und des Malteser<br />

Hilfsdienstes.<br />

Es ist, als ob sich ein Abgrund vor einem auftut,<br />

wenn <strong>der</strong> Arzt sagt, dass das Kind so krank ist, dass<br />

es wahrscheinlich nur noch begrenzte Zeit zu leben<br />

hat. Von heute auf morgen sind Sterben, Tod und<br />

Trauer in <strong>der</strong> Familie unmittelbare Lebensrealität.<br />

„Wer mit einer solchen Diagnose konfrontiert wird,<br />

soll wissen, wohin er sich wenden kann“, sagt Barbara<br />

Weiland, Koordinatorin beim Kin<strong>der</strong>hospizdienst<br />

AMALIE im Bodenseekreis. „Da gibt es jemanden, <strong>der</strong><br />

die nächsten Schritte mit einem planen kann.“ Die<br />

Idee hinter AMALIE sei, die Familien bei ihrer unausweichlichen<br />

Neuorientierung zu unterstützen, sie zu<br />

stärken und zu entlasten.<br />

Begleitet werden die Familien vor allem in emotionaler<br />

und sozialer Hinsicht. Sie bekommen aber auch<br />

ganz praktische Tipps, zum Beispiel, wenn es um<br />

Anträge o<strong>der</strong> finanzielle Zuschüsse geht. „Wir wollen<br />

die Familien in ihren Rechten stärken, so dass keine<br />

Fragen offen bleiben“, ergänzt Elisabeth Mogg, die<br />

als Koordinatorin für den Landkreis Ravensburg<br />

zuständig ist. Gerade wenn die Erkrankung des Kindes<br />

über Jahre geht, will AMALIE ein Stück Normalität<br />

ins Leben <strong>der</strong> Familien bringen. Hier sind in<br />

erster Linie die Patinnen und Paten des Kin<strong>der</strong>hospizdienstes<br />

gefragt, die den Familien ehrenamtlich in<br />

<strong>der</strong> schwierigen Zeit zur Seite stehen. „Sie sind da<br />

und haben Zeit“, so Elisabeth Mogg. Rückmeldungen<br />

zeigen, dass es gerade die kleinen Dinge sind, die in<br />

<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Situation helfen.<br />

Aktuell werden die beiden Fachkräfte von insgesamt<br />

37 Ehrenamtlichen unterstützt. „Dabei orientieren<br />

sie sich ganz an den individuellen Problemen und<br />

sorgen dafür, dass die Familie handlungsfähig<br />

bleibt“, erläutert Barbara Weiland. Mal kümmern sie<br />

sich um das erkrankte Kind, indem sie ihm vorlesen<br />

o<strong>der</strong> mit ihm spielen. Mal unterstützen sie die<br />

Geschwisterkin<strong>der</strong> bei den Hausaufgaben o<strong>der</strong> leisten<br />

Fahrdienste. Aber sie sind auch für die Eltern<br />

da. „Bei Gesprächen sind die Themen Trauer, Tod<br />

und Sterben kein Tabu“, so die Koordinatorin. „Früher<br />

o<strong>der</strong> später – am Ende steht in den meisten Fällen<br />

<strong>der</strong> Abschied.“ Die Vorbereitung darauf gehöre<br />

ebenfalls zu den Aufgaben von AMALIE.<br />

Begleitet werden die Familien über den Tod hinaus.<br />

„Viele Eltern wissen zum Beispiel nicht, dass sie ihr<br />

Kind nochmals für ein paar Tage mit nach Haus nehmen<br />

o<strong>der</strong> den Sarg selbst gestalten können“, berichtet<br />

Elisabeth Mogg. Und dann kommt die Zeit <strong>der</strong><br />

Trauer. Auch hier sind die Patinnen und Paten für<br />

die Familie da und geben Halt. Außerdem kommen<br />

sie in die Familie, wenn ein Elternteil verstorben ist.<br />

Die Sonja-Reischmann-<strong>Stiftung</strong> finanziert die Trauerbegleitung<br />

für Kin<strong>der</strong>.<br />

Aktuell begleitet <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>hospizdienst AMALIE<br />

16 Familien im Landkreis Ravensburg und im Bodensee.<br />

Der Dienst ist für die betroffenen Familien<br />

kostenfrei und muss nicht beantragt werden. Es<br />

genügt ein Anruf. Ein Drittel <strong>der</strong> Kosten tragen die<br />

Krankenkassen, <strong>der</strong> Löwenanteil muss über Spenden<br />

abgedeckt werden.<br />

www.kin<strong>der</strong>hospizdienst-bodensee.de<br />

www.kin<strong>der</strong>hospizdienst-ravensburg.de<br />

Spendenkonto:<br />

<strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong>, Sparkasse Bodensee<br />

IBAN: DE35 6905 0001 0020 9944 71<br />

BIC: SOLADES1KNZ<br />

Stichwort: Kin<strong>der</strong>hospizdienst<br />

Kin<strong>der</strong> und Jugend<br />

33


Motiviert in die Zukunft<br />

Facharbeiter erwerben Anerkennung ausländischer Berufsqualifikation<br />

Die Fragen stellte Markus Brunnbauer<br />

dungsdifferenzen zwischen <strong>der</strong> Ausbildung im Heimatland<br />

und den Anfor<strong>der</strong>ungen in Deutschland<br />

transparent gemacht.<br />

MECKENBEUREN – Die <strong>Liebenau</strong> Gebäude- und Anlagenservice GmbH<br />

– kurz Ligas – bietet ihren Kunden Produkte und Dienstleistungen im<br />

Bereich <strong>der</strong> Haustechnik und technischer Anlagen. Wir sprachen mit dem<br />

kaufmännischen Leiter Jürgen Faust darüber, wie das Unternehmen zwei<br />

seiner Mitarbeiter dabei unterstützte, dass <strong>der</strong>en in Serbien und Frankreich<br />

erworbene Berufsqualifikation „Elektroniker für Betriebstechnik“<br />

auch in Deutschland als gleichwertig anerkannt wurde.<br />

Zwei Ihrer Mitarbeiter stellten einen Antrag auf<br />

Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse.<br />

War dies <strong>der</strong> Wunsch des Unternehmens o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter selbst?<br />

Beidseitig – zum einen, um den fachlichen Einsatz<br />

<strong>der</strong> beiden sicherzustellen, zum an<strong>der</strong>en als Grundlage<br />

für ihre angemessene Entlohnung. Die beiden Mitarbeiter<br />

haben in ihren Heimatlän<strong>der</strong>n Serbien und<br />

Frankreich den Beruf Elektroniker für Betriebstechnik<br />

gelernt, <strong>der</strong> in Deutschland jedoch zunächst<br />

Jürgen Faust (links)<br />

mit N<strong>der</strong>im Limani, nicht anerkannt worden war.<br />

dessen in Serbien<br />

erworbene Berufsqualifikation<br />

nachträglich Wir als Arbeitgeber wollten wissen, ob die beiden bei<br />

Wie wurden Sie auf das Thema aufmerksam?<br />

in Deutschland anerkannt<br />

wurde. Foto: bildung eingesetzt werden können. Auf Nachfrage<br />

uns als Facharbeiter entsprechend ihrer Heimataus-<br />

Rolf Schultes/Drumlin bei <strong>der</strong> IHK Bodensee-Oberschwaben erfuhren wir von<br />

Photos<br />

<strong>der</strong> IHK Fosa, dem bundesweiten Kompetenzzentrum<br />

für die Prüfung<br />

und Anerkennung<br />

ausländischer<br />

Berufsabschlüsse,<br />

dass es dort die<br />

Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Vergleichsprüfung<br />

gibt. In einem<br />

Anerkennungsverfahren<br />

wurden<br />

dann die Ausbil-<br />

Ihre Mitarbeiter erhielten zunächst eine teilweise<br />

Anerkennung. Was bedeutet das für sie?<br />

Einerseits war die teilweise Anerkennung unbefriedigend,<br />

sowohl für die Mitarbeiter als auch für uns als<br />

Arbeitgeber. An<strong>der</strong>erseits hat sie gezeigt, welche<br />

konkreten Kenntnisse den beiden fehlen und wie wir<br />

damit umgehen können. Die IHK hat uns dann beim<br />

Aufstellen <strong>der</strong> notwendigen Unterweisungsinhalte<br />

geholfen und uns gezeigt, wie wir durch die Nachunterweisung<br />

<strong>der</strong> fehlenden Inhalte die volle Anerkennung<br />

bei <strong>der</strong> IHK Fosa einfor<strong>der</strong>n können.<br />

Wie haben Ihre Mitarbeiter die fehlenden Qualifikationen<br />

nachgeholt?<br />

Wir haben einen Ablaufplan aufgestellt, anhand dessen<br />

die beiden die fehlenden Inhalte nachgeholt<br />

haben – sozusagen einen Teil eines Ausbildungsplans.<br />

Wir konnten die fehlenden Kompetenzen in<br />

den verschiedenen Abteilungen unseres eigenen<br />

Unternehmens selbst vermitteln.<br />

Wie hoch war <strong>der</strong> zeitliche Aufwand für das<br />

Unternehmen?<br />

Nicht unerheblich. Aber weil wir ja beabsichtigten,<br />

die beiden Mitarbeiter in einem langjährigen<br />

Arbeitsverhältnis als Facharbeiter zu beschäftigen,<br />

war es ein sinnvoller Aufwand. Das weitere Anerkennungsverfahren<br />

war unbürokratisch und effizient. Es<br />

mussten nur die fehlenden Kompetenzen nachgeholt<br />

werden; eine geson<strong>der</strong>te Prüfung war nicht nötig.<br />

Hat sich das Verfahren für Sie gelohnt?<br />

Ja, denn die beiden Mitarbeiter haben nun auch in<br />

Deutschland einen Nachweis ihrer beruflichen Kompetenzen.<br />

Und das dient auch <strong>der</strong> Motivation.<br />

Erstveröffentlichung in „Die Wirtschaft zwischen Alb<br />

und Bodensee“, 12/2014<br />

34 Dienstleister


Geöffnet für<br />

mehr<br />

Offenheit.<br />

www.magdas-hotel.at<br />

facebook.com/magdasHOTEL<br />

magdas Hotel – Social Business<br />

<strong>der</strong> Caritas <strong>der</strong> Erzdiözese Wien.<br />

Bad Wurzacher Kurkonzerte<br />

Hörgenuss unter freiem Himmel<br />

Mai<br />

24.05. Musikkapelle Arnach<br />

25.05. Musikkapelle Ellwangen*<br />

31.05. Musikkapelle Eintürnen<br />

Juni<br />

07.06. Musikkapelle Unterschwarzach<br />

14.06. Kirchenchor Dietmanns<br />

21.06. Musikkapelle Eggmannsried<br />

28.06. Stadtkapelle Bad Wurzach<br />

Beginn: Jeweils 10:30 Uhr am Kurhaus-Pavillon. Bei schlechter<br />

Witterung im Kursaal. *Das Konzert am 25. Mai beginnt um 10:45 Uhr<br />

und findet nur bei guter Witterung statt.<br />

Anzeigen<br />

35


an<br />

Spot an<br />

Ihre Meinung ist gefragt, Ursula Cantieni<br />

Ursula Cantieni,<br />

Schauspielerin –<br />

SWR „Die Fallers“,<br />

„Sag die Wahrheit“<br />

und Botschafterin<br />

<strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Liebenau</strong><br />

Seit wann haben Sie Kontakt zur<br />

<strong>Stiftung</strong>?<br />

Gut Ding will Weile haben – die<br />

<strong>Stiftung</strong> kennen lernen, die Menschen,<br />

nachdenken, Ideen austauschen<br />

und dann zur Tat schreiten...<br />

auch wan<strong>der</strong>n, das tun wir zusammen<br />

seit 2011/12.<br />

Was lesen Sie am liebsten?<br />

Erst mal die berufliche Lektüre,<br />

meine Drehbücher für die „Fallers“,<br />

40 Stück im Jahr. Morgens liegt die<br />

Zeitung auf dem Tisch, oft habe<br />

ich erst am Wochenende die Muße<br />

dazu.<br />

Meine Trauminseln sind Gedichte,<br />

Texte, wo kein Wort zu viel ist.<br />

In <strong>der</strong> Arbeit mit solchen Texten<br />

kommt es zu Glücksmomenten,<br />

wenn <strong>der</strong> Inhalt den Zuhörer<br />

erreicht – ihn berührt, wenn die<br />

Interpretation gelingt.<br />

Haben Sie Vorbil<strong>der</strong>?<br />

Vorbil<strong>der</strong> – gibt es, in je<strong>der</strong><br />

Lebensetappe tauchen neue auf.<br />

Ihr größtes Talent?<br />

Fantasie zu entwickeln, mein<br />

Gegenüber anzusprechen, reagieren<br />

zu können – das liegt mir wohl.<br />

Welche Fähigkeit möchten Sie<br />

besitzen?<br />

Tja, wenn das so einfach wäre.<br />

Erst mal den eigenen Schlendrian<br />

überwinden, dann ist schon viel<br />

gewonnen... Vielleicht gibt‘s dann<br />

noch Geschenke –<br />

Von wo? ... von oben. Ja, ich<br />

glaube, dass nicht alles Zufall ist –<br />

dass etwas Größeres uns umarmt,<br />

uns Signale gibt, dass wir Helfer<br />

haben.<br />

Sie helfen, die nächste Hürde zu<br />

nehmen. „Grenzen erkennen, Grenzen<br />

überwinden, das ist Freiheit“ –<br />

seit vielen Jahren mein Leitsatz.<br />

Was schätzen Sie an <strong>der</strong> <strong>Stiftung</strong><br />

<strong>Liebenau</strong>?<br />

Die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> sehe ich<br />

auch genau in diesem Kontext, das<br />

verbindet uns – wir gehen gemeinsam<br />

in neue Projekte, lassen sie<br />

sich entwickeln, mit Liebe und<br />

Geduld. Der Lauf <strong>der</strong> Zeit ist uns<br />

wertvoll, wertvoller als <strong>der</strong> schnelle,<br />

dann meist flüchtige Erfolg –<br />

ich hab‘ da ein wenig Erfahrung...<br />

Ihre Meinung zum „<strong>Anstifter</strong>“?<br />

Da die <strong>Stiftung</strong> <strong>Liebenau</strong> so ein<br />

großes „Schiff“ ist, braucht es für<br />

die Berichterstattung unbedingt<br />

einen „<strong>Anstifter</strong>“! Wer weiß, vielleicht<br />

bringt er den einen o<strong>der</strong> die<br />

an<strong>der</strong>e sogar zu ihrem Traumberuf.<br />

Was möchten Sie uns noch<br />

sagen?<br />

Immer dringen<strong>der</strong> heißt es in<br />

unserer Gesellschaft: Augen auf!

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