Frankreich - Karrierefuehrer.de
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<strong>Frankreich</strong>. Unser westlicher Nachbar sucht qualifizierte Arbeitskräfte. Beson<strong>de</strong>rs die Baubranche<br />
boomt in <strong>Frankreich</strong> und sucht Ingenieure. Doch wie lebt und arbeitet es sich im Nachbarland? Was ist<br />
einfach, was ist schwierig? Wir zeigen Ihnen alles, was wichtig ist: Geografisches, Tipps für <strong>de</strong>n Alltag und<br />
Erfahrungsberichte aus erster Hand.<br />
Leben und Arbeiten in<br />
<strong>Frankreich</strong><br />
40
03<br />
Ausland<br />
<strong>Frankreich</strong><br />
42 Vive la France!<br />
46 Facts<br />
48 Fast immer Baguette<br />
52 Karrierestart in <strong>de</strong>r Traumbranche<br />
41
karriereführer hochschulen<br />
2. 2009<br />
03 Ausland<br />
Vive<br />
Foto: Katrin Manz/Fotolia<br />
la<br />
France!<br />
Champagner, Croissant und<br />
Crème brulée – <strong>Frankreich</strong>, das<br />
Land <strong>de</strong>r Genießer und Feinschmecker.<br />
Doch <strong>de</strong>r größte<br />
Agrarstaat in <strong>de</strong>r europäischen<br />
Union hat mehr als<br />
unvergessliche Gaumenfreu<strong>de</strong>n<br />
zu bieten. Im Land <strong>de</strong>s<br />
Genusses wer<strong>de</strong>n in bestimmten<br />
Branchen die eigenen<br />
Fachkräfte knapp.<br />
Von Grit Strietzel<br />
„Grandioser Lebensstil, wun<strong>de</strong>rbares Essen und absolut unpolitische<br />
Frauen in atemberauben<strong>de</strong>r Unterwäsche,“ so beschreibt<br />
Schriftsteller Stephen Clarke in seinem Buch „Ein Englän<strong>de</strong>r in<br />
Paris" das Leben in <strong>Frankreich</strong>. Ein Jahr lang arbeitete <strong>de</strong>r Autor in<br />
Paris und seine beruflichen sowie privaten Erfahrungen sind<br />
extrem unterhaltsam und alltagstauglich.<br />
Wer in <strong>Frankreich</strong> nicht nur Urlaub machen, son<strong>de</strong>rn Geld verdienen<br />
will, muss als EU-Bürger im Vorfeld wenige bürokratische Hür<strong>de</strong>n<br />
überspringen. Für die Einreise genügt ein Reisepass o<strong>de</strong>r ein<br />
Personalausweis. Bei einem Job, <strong>de</strong>r maximal drei Monate dauert,<br />
kann man sofort loslegen. Dauert das Arbeitsverhältnis länger als<br />
ein Vierteljahr, sollte man sich eine Aufenthaltsgenehmigung<br />
besorgen, empfiehlt die Auslandsvermittlung <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sagentur<br />
für Arbeit. Die „carte <strong>de</strong> séjour“ stellen die örtlichen Polizeibehör<strong>de</strong>n<br />
und die Verwaltungsbehör<strong>de</strong>n aus. Das Dokument ist zwar<br />
keine Pflicht, doch bei <strong>de</strong>r Eröffnung eines Kontos wird es vielfach<br />
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karriereführer hochschulen<br />
2.2009<br />
03 Ausland<br />
Fotos: GSandro/Fotolia, xamad/Fotolia<br />
Informationen<br />
Eures ist ein Internetportal für die<br />
berufliche Mobilität in Europa. Eures<br />
berät und vermittelt Arbeitskräfte<br />
sowie freie Stellen. 700 Eures-Berater<br />
stehen in Kontakt mit Jobsuchen<strong>de</strong>n<br />
und Arbeitgebern in ganz<br />
Europa. Das Netzwerk wur<strong>de</strong> 1993<br />
gegrün<strong>de</strong>t und arbeitet unter an<strong>de</strong>rem<br />
mit <strong>de</strong>r europäischen Kommission<br />
sowie <strong>de</strong>n öffentlichen Arbeitsverwaltungen<br />
<strong>de</strong>r Mitgliedsstaaten<br />
zusammen.<br />
Aufenthaltsgenehmigung<br />
www.prefecture-police-paris.interieur.<br />
gouv.fr<br />
Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammer<br />
www.francoallemand.com<br />
Europass<br />
www.europass-info.<strong>de</strong><br />
Lesetipp<br />
Stephen Clarke<br />
Ein Englän<strong>de</strong>r in Paris<br />
Piper Verlag, 2008<br />
ISBN 349-2248063<br />
8,95 Euro<br />
verlangt. Und Letzteres braucht man unbedingt, da <strong>de</strong>r Verdienst<br />
in <strong>de</strong>r Regel bargeldlos überwiesen wird.<br />
In <strong>Frankreich</strong> gibt es auch aktuell Branchen, die Fachkräfte aus <strong>de</strong>m<br />
Ausland suchen, weil <strong>de</strong>r Bedarf nicht mehr mit eigenen Leuten<br />
ge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n kann. „Arbeitgeber in <strong>Frankreich</strong> wünschen sich<br />
Fachkenntnisse“, weiß Gaby Mattias, Mitarbeiterin im Eures-Netzwerk<br />
(siehe Kasten links). Wirtschaftskenntnisse und technisches<br />
Hintergrundwissen seien ebenso gefragt wie gute bis sehr gute<br />
Sprachkenntnisse. Ohne diese geht in <strong>Frankreich</strong> beruflich gar<br />
nichts. Beson<strong>de</strong>rs die Baubranche boomt im Nachbarland. Dort<br />
wer<strong>de</strong>n Ingenieure, Facharbeiter, aber auch Ungelernte gesucht. IT-<br />
Spezialisten und Finanzexperten haben ebenfalls gute Chancen,<br />
einen Job zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Die Europäische Kommission bietet Arbeitssuchen<strong>de</strong>n umfangreiche<br />
Hilfen. Geglie<strong>de</strong>rt nach <strong>de</strong>n 26 Regionen, in die <strong>Frankreich</strong> aufgeteilt<br />
ist (ähnlich <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn), kann man sich<br />
über <strong>de</strong>n regionalen Arbeitsmarkt informieren. Auch die <strong>de</strong>utschfranzösische<br />
Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammer veröffentlicht auf<br />
ihren Internetseiten aktuelle Stellengesuche. <strong>Frankreich</strong> hat in<br />
allen Städten Dienststellen <strong>de</strong>s staatlichen Arbeitsamts. Das ANPE<br />
(Agence Nationale pour l’Emploi) informiert über freie Jobs und<br />
hilft bei <strong>de</strong>r Bewerbung mit zahlreichen Tipps. Apropos Bewerbung:<br />
Diese sollte in französischer Sprache verfasst sein. Viele<br />
Unternehmen erwarten mittlerweile keine klassische Mappe mehr,<br />
son<strong>de</strong>rn eine Online-Bewerbung.<br />
Damit Arbeitssuchen<strong>de</strong> ihre Qualifikation und Fähigkeiten so darstellen<br />
können, dass sie grenzüberschreitend verständlich sind,<br />
wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r EU <strong>de</strong>r Europass eingeführt. Dieser beinhaltet einen<br />
Lebenslauf, <strong>de</strong>n Sprachenpass, Aussagen zu allen Qualifizierungen,<br />
<strong>de</strong>n Diplomzusatz und die Zeugniserläuterung. Was im Dokument<br />
steht, kann man im Internet sehen. Beantragen muss man <strong>de</strong>n<br />
Europass allerdings bei <strong>de</strong>r Nationalen Agentur Bildung für Europa<br />
beim Bun<strong>de</strong>sinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn.<br />
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karriereführer hochschulen<br />
2.2009<br />
03 Ausland<br />
Facts von Grit Strietzel<br />
Fotos: Katrin Manz/Fotolia, 3dfrance/Fotolia<br />
<strong>Frankreich</strong><br />
Amtliche Bezeichnung<br />
Französische Republik – République<br />
français<br />
Hauptstadt<br />
Paris<br />
Einwohner<br />
rund 65 Millionen; damit nehmen die<br />
Franzosen nach Deutschland Platz 2 in<br />
<strong>de</strong>r EU ein<br />
Geografie<br />
<strong>Frankreich</strong> liegt im Westen Europas.<br />
Der höchste Berg ist <strong>de</strong>r Mont Blanc<br />
mit einer Höhe von 4808 Metern, <strong>de</strong>r<br />
damit zugleich auch <strong>de</strong>r höchste Berg<br />
<strong>de</strong>r Alpen ist.<br />
Fläche<br />
etwa 547.000 Quadratkilometer und<br />
damit etwa an<strong>de</strong>rthalb mal so groß<br />
wie Deutschland; aufgrund seiner Form<br />
wird <strong>Frankreich</strong> auch als l’hexagone<br />
(Sechseck) bezeichnet.<br />
Großstädte<br />
Paris (2 Millionen Einwohner)<br />
Marseille (808.000 Einwohner)<br />
Lyon (445.000 Einwohner)<br />
Glie<strong>de</strong>rung<br />
<strong>Frankreich</strong> ist in 26 Regionen aufgeteilt,<br />
die sich wie<strong>de</strong>rum in 100 Départements<br />
unterglie<strong>de</strong>rn.<br />
Straßen<br />
Der Großraum Paris ist per Autobahnen<br />
mit allen Regionen verbun<strong>de</strong>n.<br />
Viele <strong>de</strong>r staatlichen Autobahnstrecken<br />
wer<strong>de</strong>n privat betrieben, sodass für die<br />
Benutzung Maut bezahlt wer<strong>de</strong>n muss.<br />
Metro<br />
In Paris ist kein Ort weiter als 500<br />
Meter von einer Metrostation entfernt.<br />
Auslän<strong>de</strong>r<br />
3,6 Millionen Auslän<strong>de</strong>r leben in <strong>Frankreich</strong>.<br />
Die meisten stammen aus europäischen<br />
Län<strong>de</strong>rn (45 Prozent) und<br />
Afrika (40 Prozent).<br />
Verdienst<br />
In <strong>Frankreich</strong> gibt es einen staatlichen<br />
Min<strong>de</strong>stlohn von 8,71 Euro pro Stun<strong>de</strong>.<br />
Bei einer 35-Stun<strong>de</strong>n-Woche verdient<br />
man Minimum rund 1300 Euro im<br />
Monat. Ingenieure verdienen zwischen<br />
3500 und 6000 Euro brutto monatlich,<br />
Kraftfahrer bis zu 2100 Euro.<br />
Steuern<br />
Wer sich min<strong>de</strong>stens ein halbes Jahr in<br />
<strong>Frankreich</strong> aufhält o<strong>de</strong>r dort seine<br />
hauptberufliche Tätigkeit ausübt, ist<br />
steuerpflichtig. In <strong>Frankreich</strong> führt <strong>de</strong>r<br />
Arbeitgeber die Steuern nicht automatisch<br />
ab. Je<strong>de</strong>r muss bis Mai eine Steuererklärung<br />
für seine Einkünfte <strong>de</strong>s Vorjahres<br />
abgeben und die Steuern nachzahlen.<br />
Einkommen<br />
Bis zu 5687 Euro pro Jahr sind steuerfrei.<br />
Einkommen darüber muss je nach<br />
Höhe versteuert wer<strong>de</strong>n. Der Grenzsteuersatz<br />
liegt bei 40 Prozent.<br />
Sozialversicherungsbeiträge<br />
Die Sozialversicherungsbeiträge zieht<br />
<strong>de</strong>r Arbeitgeber wie in Deutschland<br />
monatlich vom Bruttoverdienst ab. Sie<br />
betragen ungefähr ein Viertel <strong>de</strong>s Bruttoeinkommens.<br />
Arbeitsvertrag<br />
Sobald man einen Arbeitsvertrag<br />
unterschrieben hat, unterliegt man<br />
<strong>de</strong>m nationalen Sozialversicherungssystem.<br />
Ausnahmen gelten nur, wenn<br />
jemand befristet von seinem Arbeitgeber<br />
nach <strong>Frankreich</strong> geschickt wird.<br />
Dann kann <strong>de</strong>rjenige zunächst auch in<br />
Deutschland versicherungspflichtig<br />
bleiben.<br />
Wochenarbeitszeit<br />
In <strong>Frankreich</strong> wer<strong>de</strong>n 35 Stun<strong>de</strong>n pro<br />
Woche gearbeitet. Ausnahmen gibt es<br />
für die Gastronomie und für Führungskräfte.<br />
Urlaub<br />
Der gesetzliche Urlaubsanspruch<br />
beträgt fünf Wochen, also 25 Tage.<br />
Nationalfeiertag<br />
14. Juli<br />
Da wird <strong>de</strong>s Sturms auf die Bastille<br />
1789 gedacht.<br />
Kin<strong>de</strong>rbetreuung<br />
Ab <strong>de</strong>m dritten Lebensjahr bekommt<br />
je<strong>de</strong>s Kind in <strong>Frankreich</strong> kostenlos<br />
einen Platz in einer schulischen Ganztagseinrichtung.<br />
Diese Vorschulen sind<br />
Teil <strong>de</strong>s Schulsystems.<br />
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karriereführer hochschulen<br />
2. 2009<br />
03 Ausland<br />
Foto: paul.west/Fotolia<br />
Fast immer<br />
Baguette<br />
Johannes Scheffler<br />
arbeitet für <strong>de</strong>n französischen<br />
Käsehersteller Bongrain und<br />
beschreibt für <strong>de</strong>n<br />
karriereführer das Leben und<br />
Arbeiten in Paris.<br />
Der 30-Jährige hat hier vor<br />
einem halben Jahr seine<br />
Wahlheimat gefun<strong>de</strong>n.<br />
Ein frisches Baguette in Paris aufzutreiben, sollte nicht allzu große<br />
Schwierigkeiten bereiten. Dies ist richtig – bis auf einen Monat im<br />
Jahr. Denn im August ist alles an<strong>de</strong>rs, wenn sich ganz <strong>Frankreich</strong><br />
kollektiv im Urlaub befin<strong>de</strong>t und die nächste offene Bäckerei einen<br />
längeren Fußmarsch entfernt ist. Das ist eine meiner Erfahrungen,<br />
die ich in <strong>de</strong>n ersten sechs Monaten seit meinem Umzug in <strong>de</strong>n<br />
Großraum Paris gemacht habe.<br />
Ein Leben in <strong>Frankreich</strong> stand bei meiner Berufsplanung anfangs<br />
überhaupt nicht auf <strong>de</strong>m Programm. Während meines Studiums<br />
<strong>de</strong>r „Europäischen Wirtschaft“ an <strong>de</strong>r Universität Bamberg hatte<br />
ich mich auf die Fremdsprachen Englisch und Italienisch konzentriert.<br />
Das Schicksal sorgte dann allerdings für einen Berufseinstieg<br />
als Trainee im Supply Chain Management bei Bongrain Deutschland<br />
in Wiesba<strong>de</strong>n, einer Tochtergesellschaft <strong>de</strong>s französischen<br />
Käseproduzenten Bongrain. Vor einem halben Jahr übernahm ich<br />
schließlich meine neue Stelle als interner SAP-Berater in <strong>de</strong>r Firmenzentrale<br />
bei Paris. In dieser Funktion betreue ich europaweit<br />
SAP-Projekte im Supply-Chain-Bereich.<br />
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karriereführer hochschulen<br />
2. 2009<br />
03 Ausland<br />
Fotos: paul.west/Fotolia, contrastwerkstatt/Fotolia<br />
Informationen<br />
Die Bongrain Gruppe Deutschland<br />
ist mit insgesamt 750 Mitarbeitern<br />
<strong>de</strong>r Marktführer im Bereich Käsespezialitäten<br />
und -marken in Deutschland.<br />
Sie gehört zur französischen<br />
Bongrain SA, die in 29 Län<strong>de</strong>rn aktiv<br />
ist, 17.700 Mitarbeiter beschäftigt<br />
und 2008 einen Umsatz von rund<br />
3,6 Milliar<strong>de</strong>n Euro erzielte.<br />
www.bongrain.<strong>de</strong><br />
www.e<strong>de</strong>lweiss-gmbh.com<br />
Nach <strong>de</strong>r schwierigen Phase <strong>de</strong>r Wohnungssuche und einem herzlichen<br />
Empfang durch meine neuen Kollegen konnte ich <strong>de</strong>n<br />
Arbeitsalltag in <strong>Frankreich</strong> ent<strong>de</strong>cken, wobei ich durch meine<br />
<strong>de</strong>utsch-französischen Erfahrungen aus <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassung in Wiesba<strong>de</strong>n<br />
bestens vorbereitet war.<br />
Ein typischer Arbeitstag beginnt etwas später als in Deutschland,<br />
erstreckt sich aber dafür auch weiter in die Abendstun<strong>de</strong>n. Der<br />
Freitag ist ein normaler Arbeitstag. Mit einem Beginn <strong>de</strong>s Wochenen<strong>de</strong>s<br />
am frühen Nachmittag, wie es in Deutschland oft üblich ist,<br />
stößt man in <strong>Frankreich</strong> auf Unverständnis. Allgemein herrscht ein<br />
hohes kommunikatives Miteinan<strong>de</strong>r. Die Mittagspause ist hierbei<br />
eine wichtige Institution. Das gemeinsame Essen mit Kollegen hat<br />
einen großen Stellenwert, auch weil dabei viele Informationen ausgetauscht<br />
wer<strong>de</strong>n. Dafür lässt man sich die nötige Zeit, sodass<br />
auch <strong>de</strong>r Genuss nicht zu kurz kommt. Ebenso mögen die<br />
Umgangsformen einem Deutschen etwas aufwendig erscheinen.<br />
Bis je<strong>de</strong>m Kollegen die Hand gegeben o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong> Kollegin mit einem<br />
Wangenkuss bedacht ist, vergehen einige Momente, die aber für<br />
die Herstellung einer guten Arbeitsatmosphäre unverzichtbar sind.<br />
Am Monatsen<strong>de</strong> ist die Freu<strong>de</strong> erst einmal groß, da <strong>de</strong>r Lohnzettel<br />
wesentlich attraktiver aussieht als in Deutschland. Dies liegt aber<br />
daran, dass in <strong>Frankreich</strong> die Lohnsteuer nicht direkt vom Gehalt<br />
abgezogen wird. Die Rechnung vom Finanzamt kommt dann zu<br />
Beginn <strong>de</strong>s darauffolgen<strong>de</strong>n Jahres. Auch ist das Preisniveau insbeson<strong>de</strong>re<br />
für Miete und Nahrungsmittel höher als in Deutschland.<br />
In <strong>de</strong>r Freizeit ist das Leben in und bei Paris sehr spannend, konzentriert<br />
sich doch das wirtschaftliche, politische und kulturelle<br />
Geschehen <strong>Frankreich</strong>s auf seine Hauptstadt. Das Angebot an Aktivitäten<br />
ist reichhaltig und die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren<br />
bis auf die sporadischen Streiktage sehr gut – außer im<br />
Monat August!<br />
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karriereführer hochschulen<br />
2. 2009<br />
03 Ausland<br />
Karrierestart in <strong>de</strong>r<br />
Traumbranche<br />
Der Jungingenieur<br />
Nikolas Beeker ist einer von<br />
zehn Teilnehmern <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>utsch-französischen<br />
Nachwuchsprogramms<br />
„connExion“, das die Energiekonzerne<br />
EnBW und EDF im<br />
Herbst 2008 starteten. Für<br />
Nikolas Beeker, <strong>de</strong>r in London<br />
einen Master of Engineering<br />
in Maschinenbau absolvierte,<br />
<strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ale Einstieg in seine<br />
Traumbranche.<br />
Von Von Sandra Weiss,<br />
EnBW<br />
Das Austauschprogramm <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Energiekonzerne EnBW und EDF<br />
bietet <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen und französischen Ingenieursnachwuchs einen<br />
Berufseinstieg in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r konventionellen Kraftwerke und <strong>de</strong>r<br />
Wasserkraft. Die Teilnehmer durchlaufen in 18 Monaten unterschiedliche<br />
Theorie- und Praxisphasen auf <strong>de</strong>utscher und französischer Seite<br />
und arbeiten aktiv an internationalen Projekten mit. Nikolas Beekers<br />
Aufbruch in die Energiewirtschaft begann mit einer zweimonatigen<br />
Integrationsphase, bevor es mit <strong>de</strong>utschen und französischen Kollegen<br />
nach Paris ging. „Die interkulturellen Trainings haben uns sehr gut auf<br />
die Zeit in <strong>Frankreich</strong> vorbereitet “, erzählt er. Als Mitglied eines Projektteams<br />
wirkte <strong>de</strong>r 24-Jährige an <strong>de</strong>r Planung eines konventionellen Kohlekraftwerks<br />
mit, das EnBW und EDF gemeinschaftlich in Polen bauen.<br />
Zu<strong>de</strong>m nahm er aktiv am Tagesgeschäft teil und besuchte technische<br />
Schulungen. „Beson<strong>de</strong>rs spannend fan<strong>de</strong>n wir alle die so genannte<br />
‚Blaumannphase’, bei <strong>de</strong>r wir eine Woche im Kraftwerk waren und<br />
einen umfassen<strong>de</strong>n Einblick in alle Betriebsbereiche gewannen“,<br />
berichtet Beeker. Dank seiner Französischkenntnisse fiel <strong>de</strong>m jungen<br />
Ingenieur die Verständigung mit <strong>de</strong>n französischen Kollegen nicht<br />
schwer. „Sie haben uns alle sehr herzlich aufgenommen und integriert“,<br />
erklärt er.<br />
Während <strong>de</strong>s Aufenthalts lernten Beeker und seine Kollegen nicht nur<br />
<strong>de</strong>n Konzern und die dortige Energielandschaft kennen. „In acht Monaten<br />
<strong>Frankreich</strong> sind mir die Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Kulturen<br />
viel bewusster gewor<strong>de</strong>n. So habe ich beispielsweise <strong>de</strong>n Eindruck<br />
gehabt, dass Franzosen viel stärker Generalisten sind, während wir<br />
Deutsche uns oftmals schon an <strong>de</strong>r Uni auf einen Bereich spezialisieren.“<br />
Auch scheint man in <strong>Frankreich</strong> häufiger die Abteilung zu wechseln<br />
als hier und fin<strong>de</strong>t aus <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Bereichen Zugang<br />
zur Ingenieurstätigkeit. „Ich hatte Kollegen, die aus <strong>de</strong>r Forschung<br />
kamen und sich dann in <strong>de</strong>n betriebswirtschaftlich-technischen<br />
Bereich vorgearbeitet haben. Und auch die umgekehrte Variante kam<br />
52
Fotos: EnBW Kraftwerke AG<br />
vor“, erzählt Beeker. Die Arbeits- und Denkweisen <strong>de</strong>r Nachbarlän<strong>de</strong>r<br />
unterschei<strong>de</strong>n sich offenbar ebenfalls in vielen Kleinigkeiten. „Beson<strong>de</strong>rs<br />
ist mir dabei aufgefallen, dass sich Franzosen mit offener Kritik viel<br />
mehr zurückhalten, als wir dies meist tun. Was durchaus angenehm<br />
sein kann“, schmunzelt <strong>de</strong>r Jungingenieur.<br />
Wer mit connExion o<strong>de</strong>r WOAF („We offer a future“), <strong>de</strong>n Programmen<br />
<strong>de</strong>r EnBW aus <strong>de</strong>n Unternehmensbereichen konventionelle Erzeugung<br />
beziehungsweise Kernkraft, nach <strong>Frankreich</strong> will, sollte ein ausgeprägtes<br />
Interesse am interkulturellen Austausch und gute Sprachkenntnisse<br />
mitbringen. Wichtig ist zu<strong>de</strong>m eine große Portion Aufgeschlossenheit,<br />
<strong>de</strong>nn „man muss auf Leute zugehen können und bereit sein, sich<br />
immer wie<strong>de</strong>r zu integrieren. Und auch ein gewisses Maß an Eigenständigkeit<br />
scha<strong>de</strong>t trotz <strong>de</strong>s intensiven Mentorings durch erfahrene<br />
Kollegen nicht.“<br />
Die transnationalen Programme connExion und WOAF richten sich an<br />
Hochschulabsolventen <strong>de</strong>r Bereiche Maschinenbau, Verfahrens- o<strong>de</strong>r<br />
Leittechnik und verwandter Studienrichtungen. Die zweite Run<strong>de</strong> von<br />
connExion beginnt im Mai 2010, WOAF III startet zum 1. Januar 2010.<br />
Für Nachwuchskräfte lohnt sich <strong>de</strong>r Blick über <strong>de</strong>n Tellerrand: Wer<br />
einen spannen<strong>de</strong>n Einstieg in die Energiebranche sucht und auch bei<br />
<strong>de</strong>r Arbeit Grenzen überschreiten will, fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Programmen<br />
genau das Richtige, weiß Beeker: „Das Programm war für mich<br />
einfach i<strong>de</strong>al. Es vermittelt neben fundiertem Fachwissen die heutzutage<br />
immer wichtigeren Soft Skills. Und wo kann man diese besser trainieren<br />
als im Rahmen eines internationalen Austauschs?“<br />
”<br />
In acht<br />
Monaten <strong>Frankreich</strong><br />
sind mir die Unterschie<strong>de</strong><br />
zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
Kulturen viel bewusster<br />
gewor<strong>de</strong>n.“<br />
Nikolas Beeker<br />
53