Es hätte uns aus dem Karriere - Spouse Career Centre
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Trends Doppelte <strong>Karriere</strong>n<br />
«In meinem<br />
Heimatland<br />
Spanien ist es<br />
normal, dass<br />
Mütter<br />
100 Prozent<br />
arbeiten.»<br />
Marc Möller (38),<br />
<strong>aus</strong>serordentlicher<br />
Professor für Ökonomie<br />
an der Uni Bern, und Maria<br />
Marcaida (32), Senior Postdoc<br />
am Departement für<br />
Chemie und Biochemie<br />
der Uni Bern; Eltern von<br />
einem Sohn im Alter von<br />
17 Monaten.<br />
Viele weibliche Fach- und Führungskräfte fliegen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Karriere</strong>-Loop hin<strong>aus</strong>, wenn sie Kinder bekommen.<br />
• So wie sie denken allerdings nur<br />
wenig Frauen. Zu wenige. Zwar sind die<br />
Frauen immer besser <strong>aus</strong>gebildet. An den<br />
Hochschulen haben sie in gewissen Studienrichtungen<br />
bereits die Oberhand.<br />
Doch das Potenzial wird nicht <strong>aus</strong>geschöpft.<br />
In den Geschäftsleitungen der<br />
Schweizer Unternehmen sitzen gemäss<br />
jüngstem Schillingreport nur gerade fünf<br />
Prozent Frauen. Viele weibliche Fachund<br />
Führungskräfte fliegen <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Kar-<br />
62 BILANZ 01/2012<br />
riere-Loop hin<strong>aus</strong>, wenn sie Kinder<br />
bekommen. Ein Verlust, den sich die<br />
Unternehmen kaum mehr lange werden<br />
leisten können. Denn die Talente-Pipeline<br />
droht sich aufgrund der <strong>dem</strong>ografischen<br />
Entwicklung zu leeren. Zu<strong>dem</strong><br />
drängt eine neue Generation mit anderen<br />
Wertvorstellungen ins Wirtschaftsleben.<br />
«Für die Generation Y, also die zwischen<br />
1975 und 1985 Geborenen, hat die<br />
Partnerschaft einen hohen Stellenwert.<br />
Dass beide <strong>Karriere</strong> machen, ist für diese<br />
Altersgruppe viel selbstverständlicher.<br />
Leider fliesst das bis dato nicht in die Rekrutierungsstrategie<br />
der Unternehmen<br />
ein», weiss Elena Hubschmid, Doktorandin<br />
am Institut für Organisation und Personal<br />
der Uni Bern. Auch der in Deutschland<br />
und der Schweiz tätige Headhunter<br />
Heiner Thorborg konstatiert, dass die<br />
berufliche Selbstverwirklichung beider<br />
Partner in der jüngeren Generation ein<br />
Foto: PR (1)<br />
«Riesenthema» sei. Deshalb sei es für die<br />
Firmen heute schwieriger, Jobs im Ausland<br />
mit geeigneten Kandidaten zu besetzen.<br />
Denn im Schlepptau ist oft ein<br />
Partner oder eine Partnerin mit eigenen<br />
Plänen.<br />
So wie etwa Maria Marcaida. Die Spanierin<br />
mit Doktortitel in Biochemie ist<br />
ihrem Mann 2010 in die Schweiz gefolgt.<br />
Marc Möller ist seit Anfang 2011 <strong>aus</strong>serordentlicher<br />
Professor am Wirtschaftsinstitut<br />
der Uni Bern. Der auf Mikroökonomie<br />
spezialisierte Deutsche und seine<br />
Frau haben einen eineinhalbjährigen<br />
Sohn, der an zwei Tagen von der Mutter<br />
betreut wird.<br />
Doch Maria Marcaida möchte ihr Arbeitspensum<br />
von derzeit 60 Prozent erhöhen.<br />
Sie hat eine befristete Anstellung<br />
als Senior Postdoc an der Uni Bern und<br />
forscht dort an der Struktur von Proteinen.<br />
«Ich hatte noch andere Job angebote<br />
<strong>aus</strong> Deutschland, habe aber Bern gewählt,<br />
weil die Chancen meiner Frau,<br />
hier in der Schweiz einen angemessenen<br />
Job zu finden, deutlich höher sind», erklärt<br />
Marc Möller.<br />
Durchstarten nach der Babyp<strong>aus</strong>e. <strong>Karriere</strong><br />
im Doppelpack – das heisst, permanent<br />
zwei CV im Auge zu behalten. Da<br />
braucht es uneingeschränkten Ehrgeiz<br />
und zuweilen Durchhalteparolen. Die<br />
Tochter von ETH-Professor Maksym<br />
Kovalenko und Maryna Bodnarchuk<br />
kam zur Welt, als beide das Studium abgeschlossen<br />
hatten. Kovalenko fing sein<br />
Doktorat an, während Maryna in die<br />
Babyp<strong>aus</strong>e ging und den Erfolgshunger<br />
zu verlieren drohte. «Plötzlich zögerte<br />
sie, ob sie überhaupt promovieren wolle.<br />
Ich zwang sie beinahe, es zu tun. Denn es<br />
<strong>hätte</strong> <strong>uns</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Karriere</strong>gleichschritt<br />
gebracht, wenn Maryna aufgegeben<br />
<strong>hätte</strong>», sagt der Ukrainer. Durch seine<br />
Berufung an die ETH ist er seiner Frau<br />
nun zwar wieder vor<strong>aus</strong>, doch sie bleibt<br />
entschlossen dran. «Durch das Kind<br />
habe ich das Tempo reduzieren müssen,<br />
aber ich strebe auf jeden Fall eine aka<strong>dem</strong>ische<br />
Laufbahn an», erklärt Maryna<br />
Bodnarchuk.<br />
Für die ETH sind Paare wie dieses<br />
nichts Aussergewöhnliches. Die Vorzeigehochschule<br />
der Schweiz hat mit Dual<br />
<strong>Career</strong> Advice (DCA) seit Jahren eine eigene<br />
Servicestelle für sie. An den kantonalen<br />
Universitäten ist soeben die erste<br />
Phase eines Pilotprojekts abgelaufen. Im<br />
Rahmen des Bundesprogramms Chancengleichheit<br />
wurden verschiedene<br />
Dual-<strong>Career</strong>-Massnahmen initiiert.<br />
Hintergrund ist der zunehmende<br />
Kampf um die besten Köpfe an den<br />
Hochschulen. Wissenschaftler entscheiden<br />
sich zu<strong>dem</strong> überdurchschnittlich<br />
häufig für Modelle der gleichberechtigten<br />
Beziehung. Gemäss Schätzungen<br />
leben im deutschsprachigen Raum der<br />
Schweiz bereits 80 Prozent der Aka<strong>dem</strong>iker-Paare<br />
in egalitären Partnerschaften.<br />
«Insbesondere für Professorinnen und<br />
Professoren <strong>aus</strong> den USA, aber auch <strong>aus</strong><br />
anderen Ländern ist die Unterstützung<br />
für den Partner oder die Partnerin Vor<strong>aus</strong>setzung,<br />
dass sie einen Wechsel in die<br />
Schweiz überhaupt in Erwägung ziehen»,<br />
weiss Madeleine Lüthy, die Leiterin von<br />
Dual <strong>Career</strong> Advice der ETH.<br />
Ist eine Professorenstelle zu besetzen,<br />
verhandelt Lüthy zusammen mit <strong>dem</strong><br />
Präsidenten über die Forderungen des<br />
Kandidaten oder der Kandidatin. Alltagsaspekte,<br />
betont Lüthy, stünden dabei im<br />
Vordergrund: H<strong>aus</strong>suche, Krippenplatz<br />
für die Kinder, ein Job für die Partnerin<br />
oder den Partner. Ob ein Professor zusagt,<br />
kann manchmal von rein familiären<br />
Dingen abhängen, etwa ob das Töchterchen<br />
einen geeigneten Ort fürs<br />
Eisk<strong>uns</strong>tlauftraining findet oder ob ein<br />
Bootsplatz zur Verfügung steht. «Doppelkarrierepaare<br />
verstehen sich als kleine<br />
Firmen. Alles wird gemeinsam <strong>aus</strong>gehandelt»,<br />
so Lüthy.<br />
Suche nach Gerechtigkeit. Reden, verhandeln,<br />
das Arrangement überprüfen –<br />
Paare mit identischem beruflichem Ehrgeiz<br />
leben in einem ewigen Kampf um<br />
die gerechte Verteilung von Lust und Last<br />
innerhalb der «Wir-AG». «Zwischen <strong>uns</strong><br />
gibt es eine klare Abmachung: Jeder<br />
muss auf den anderen Rücksicht nehmen.<br />
Eine Fernbeziehung wäre ein Nogo.<br />
Jeder berufliche Schritt muss auch<br />
<strong>dem</strong> anderen etwas bringen, und die<br />
H<strong>aus</strong>haltarbeit darf nicht einfach an der<br />
Frau hängen bleiben», erzählt Telekomfachfrau<br />
Monica Dell’Anna. Oft tut sie<br />
das aber. «Die Organisation der Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie ist sehr<br />
einseitig Aufgabe der Frauen», stellen die<br />
Autoren des Buches «Wenn zwei das Gleiche<br />
tun. Ideal und Realität sozialer (Un-)<br />
Gleichheit in Dual <strong>Career</strong> Couples» fest.<br />
Im H<strong>aus</strong>e Dell’Anna/Brand sucht man<br />
den Ausgleich: Die Kinder werden ab- •<br />
«Home Office<br />
am Abend»<br />
Kathrin Mahler Walther<br />
über Doppelkarrierepaare<br />
als Her<strong>aus</strong>forderung.<br />
Was sollten Firmen tun, um<br />
Eltern, die beide Vollzeit arbeiten,<br />
zu unterstützen?<br />
Das Wichtigste sind flexible Arbeitszeiten.<br />
Diese sind zwar schon<br />
breit vorhanden, trotz<strong>dem</strong> herrscht<br />
in vielen Unternehmen noch eine<br />
starke Anwesenheitskultur.<br />
Was ist mit <strong>dem</strong> viel gepriesenen<br />
Home Office?<br />
<strong>Es</strong> ist ein gutes Mittel, wenn es den<br />
Anforderungen der Eltern und der<br />
Unternehmen entspricht. Derzeit<br />
wird es von Firmenseite her allerdings<br />
vor allem als Zusatz erwünscht,<br />
das heisst am Abend und<br />
an den Wochenenden.<br />
Kathrin Mahler<br />
Walther ist<br />
stv. Geschäftsführerin<br />
der<br />
Europäischen<br />
Aka<strong>dem</strong>ie für<br />
Frauen in<br />
Politik und<br />
Wirtschaft.<br />
Trotz<strong>dem</strong>: Die Kommunikationsmittel<br />
bringen Erleichterung.<br />
Natürlich. Die Firmen sind auch<br />
offener geworden gegenüber diesem<br />
Lebensmodell. Gleichzeitig<br />
haben sich die realen Rahmenbedingungen<br />
verschlechtert. Arbeitsvolumen<br />
und -tempo haben sich<br />
erhöht. Das setzt <strong>Karriere</strong>paare mit<br />
Kindern zusätzlich unter Druck.<br />
Auslandaufenthalte sind oft sehr<br />
wichtig für die Laufbahn. Ein Problem<br />
für Doppelkarrierepaare?<br />
Die Mobilität ist eine der grössten<br />
Her<strong>aus</strong>forderungen für solche<br />
Paare, vor allem wenn Kinder da<br />
sind. Unternehmen sollten damit<br />
beginnen, das Thema Auslandaufenthalt<br />
zu entmystifizieren und<br />
sich zu überlegen, ob Versetzungen<br />
wirklich nötig sind und, wenn ja,<br />
wie lange.<br />
01/2012 BILANZ 63