Migrantinnen als Gewinn für Wirtschaft und Gesellschaft
Frau Prof. Dr. Swetlana Franken, Hochschule Bielefeld, Leiterin des BMBF-Forschungsprojekts IMAGE, Inklusion von Migrantinnen für mehr Anerkennung, Gleichberechtigung und Effizienz
Frau Prof. Dr. Swetlana Franken, Hochschule Bielefeld, Leiterin des BMBF-Forschungsprojekts IMAGE, Inklusion von Migrantinnen für mehr Anerkennung, Gleichberechtigung und Effizienz
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Qualifizierte <strong>Migrantinnen</strong> <strong>als</strong> <strong>Gewinn</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
Expertengespräch "<strong>Migrantinnen</strong> <strong>für</strong> MINT-Berufe gewinnen"<br />
12. Mai 2016, Haus der <strong>Wirtschaft</strong>, Stuttgart<br />
Prof. Dr. Swetlana Franken<br />
Leiterin des Forschungsprojektes IMAGE, FH Bielefeld
Agenda<br />
Zahlen <strong>und</strong> Fakten zu<br />
qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong><br />
in Deutschland<br />
Forschungsprojekt zu<br />
qualifizierten<br />
<strong>Migrantinnen</strong>: Ergebnisse<br />
Empfehlungen <strong>und</strong><br />
Handlungsbedarf<br />
2
Deutschland <strong>als</strong> Zuwanderungsland<br />
(Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2016)<br />
• Im Jahr 2014 hatten r<strong>und</strong> 16,4 Millionen Menschen in<br />
Deutschland einen Migrationshintergr<strong>und</strong>, was einem Anteil von<br />
20,3 Prozent an der Gesamtbevölkerung <strong>und</strong> einem Zuwachs<br />
gegenüber dem Vorjahr von 3 Prozent entsprach.<br />
• Zwischen 2011 <strong>und</strong> 2014 ist die Zahl der Zuwanderer von Jahr<br />
zu Jahr angestiegen, besonders deutlich war der Zuwachs bei<br />
Zuwanderern aus der Europäischen Union, China <strong>und</strong> Syrien.<br />
• Die Nettozuwanderung von Ausländerinnen <strong>und</strong> Ausländern im<br />
Jahr 2015 beträgt 1,1 Millionen.<br />
Die aktuelle Zuwanderung von Flüchtlingen macht die<br />
Problematik besonders aktuell, setzt neue Akzente <strong>und</strong><br />
verändert den Blick auf die bereits seit Längerem in<br />
Deutschland ansässigen <strong>Migrantinnen</strong> <strong>und</strong> Migranten.<br />
3
Potenzial von qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong><br />
(Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2016)<br />
• Die 8,2 Mio. in Deutschland lebenden Frauen mit<br />
Migrationshintergr<strong>und</strong> kommen aus mehr <strong>als</strong> 100<br />
verschiedenen Ländern.<br />
• 3,3 Mio. <strong>Migrantinnen</strong> besitzen einen beruflichen Abschluss.<br />
• 959 Tsd. sind Akademikerinnen.<br />
• 41 Tsd. sind promoviert.<br />
Die Qualifikationspotenziale <strong>und</strong> spezifischen<br />
Kompetenzen von <strong>Migrantinnen</strong> sind <strong>für</strong> die deutsche<br />
Wissensgesellschaft, insbesondere vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> des zunehmenden Fachkräftemangels,<br />
von besonderer Bedeutung.<br />
4
Beschäftigung von <strong>Migrantinnen</strong> in Deutschland<br />
(Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2015: 482-483)<br />
• Von insgesamt 8.159 Tsd. <strong>Migrantinnen</strong>:<br />
– 4.647 Tsd. stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung,<br />
– 260 Tsd. sind erwerbslos,<br />
– 3 252 Tsd. sind erwerbstätig.<br />
• Von den 3 252 Tsd. erwerbstätigen <strong>Migrantinnen</strong> sind:<br />
– 34 Tsd. Beamtinnen,<br />
– 2.045 Tsd. Angestellte,<br />
– 774 Tsd. Arbeitnehmerinnen,<br />
– 234 Tsd. selbstständig.<br />
Potenziale?<br />
5
Arbeitsmarktintegration von <strong>Migrantinnen</strong><br />
(Höhne/Schulze Buschoff 2015, S. 350-352)<br />
• Viele <strong>Migrantinnen</strong> in Deutschland werden unter ihrer<br />
Qualifikation beschäftigt, sind arbeitslos, schlagen sich <strong>als</strong><br />
Solo-Selbstständige durch oder stehen dem Arbeitsmarkt nicht<br />
zur Verfügung.<br />
• Die Wahrscheinlichkeit von Erwerbslosigkeit unter<br />
hochqualifizierten Aussiedlerinnen, Frauen aus dem<br />
ehemaligen Jugoslawien (in 1. Generation) <strong>und</strong> Zugewanderten<br />
aus EU-Osteuropa ist mehr <strong>als</strong> doppelt so hoch wie in der<br />
Referenzgruppe ohne Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />
• <strong>Migrantinnen</strong> aus Drittstaaten sind sogar mit drei- bis fünfmal<br />
so hoher Wahrscheinlichkeit von Erwerbslosigkeit betroffen.<br />
6
Forschungsprojekte „<strong>Migrantinnen</strong> in<br />
Führungspositionen“ <strong>und</strong> IMAGE<br />
• Forschungsprojekt „<strong>Migrantinnen</strong> in Führungspositionen“ (01.05.2010<br />
- 31.07.2013) hat in breitangelegten Studien (n=1002) <strong>und</strong> Interviews<br />
(n=26) Barrieren <strong>und</strong> Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> den Aufstieg von<br />
qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong> untersucht.<br />
• Forschungsprojekt „IMAGE – Inklusion von <strong>Migrantinnen</strong> <strong>für</strong> mehr<br />
Anerkennung, Gleichberechtigung <strong>und</strong> Effizienz“ (01.03.15 –<br />
30.04.16).<br />
• Ergebnisse: Best Practices aus Unternehmen <strong>und</strong> Organisationen<br />
aufgr<strong>und</strong> von Experteninterviews (n=22), zwei Workshops: Business<br />
Case der kulturellen Diversität <strong>und</strong> <strong>Migrantinnen</strong> im Mittelstand, eine<br />
Abschlusskonferenz in Berlin, vier Image-Videos, Website<br />
www.migrantinnen-in-fuehrung.de, zwei Broschüren mit<br />
Zwischenergebnissen, ein Fachbuch (erscheint im Mai 2016).<br />
7
Forschungsergebnisse im Überblick<br />
1. Barrieren <strong>und</strong> Erfolgsfaktoren<br />
<strong>für</strong> den Aufstieg <strong>und</strong> Karriere<br />
von qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong><br />
2. Mehrwert einer breiteren<br />
Teilhabe der <strong>Migrantinnen</strong> in<br />
Unternehmen <strong>und</strong> Organisationen
Typische Barrieren <strong>für</strong> <strong>Migrantinnen</strong>-Karrieren<br />
(Franken/Christoph 2014)<br />
Typische Barrieren<br />
1. Männerdominanz in Führungspositionen<br />
2. hohe Anforderungen <strong>und</strong> Leistungsdruck<br />
3. Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf<br />
4. traditionelles Geschlechterrollenverständnis<br />
5. fehlende informelle Netzwerke<br />
6. Mangel an Förderungs- <strong>und</strong> Beratungsangeboten<br />
7. informelle <strong>und</strong> kulturelle Vorbehalte gegenüber Frauen<br />
8. Mangel an erfolgreichen Vorbildern<br />
9.<br />
Diskriminierung (aufgr<strong>und</strong> von Namen, Aussehen,<br />
Religionssymbolen, Sprachkenntnissen, Akzent etc.)<br />
9
Erfolgsfaktoren <strong>für</strong> <strong>Migrantinnen</strong>-Karrieren<br />
(Franken/Christoph 2014)<br />
Persönliche Kompetenzen:<br />
Aufgeschlossenheit,<br />
Flexibilität,<br />
Disziplin<br />
Soziale Kompetenzen:<br />
Engagement,<br />
Kommunikationsfähigkeit,<br />
Kooperationsbereitschaft<br />
Methodenkompetenzen:<br />
analytisches Denken,<br />
Lernkompetenz,<br />
Präsentationsstärke<br />
Fachkompetenzen:<br />
Fachwissen,<br />
allgemeines Wissen,<br />
Weiterbildung<br />
10
Qualifizierte <strong>Migrantinnen</strong> <strong>als</strong> Vorteil <strong>für</strong><br />
Unternehmen<br />
• Durch die Beschäftigung von qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong><br />
können Unternehmen dem Fachkräftemangel entgegenwirken.<br />
• Man rechnet mit Synergieeffekten in gemischten Teams.<br />
• Das Image des Unternehmens wird dadurch verbessert, auch<br />
<strong>für</strong> potenzielle Bewerber(innen).<br />
• Die Motivation in der Belegschaft wird gesteigert.<br />
• Internationale Aktivitäten, z.B. die Erschließung neuer<br />
internationaler Märkte, werden unterstützt.<br />
• Als Ergebnis verbessern sich wirtschaftliche Kennzahlen wie<br />
Umsatz, <strong>Gewinn</strong> <strong>und</strong> Marktanteile.
Zitate<br />
„Der Einsatz von Migranten bringt messbare Verbesserungen in<br />
Zahlen im Export - das Wachstum ist um 15% höher, <strong>als</strong> vor<br />
solchen Maßnahmen.<br />
„Wir führen keine Statistik. „Gefühlt“ der größte Vorteil ist, dass<br />
man sich <strong>als</strong> Mensch egal welcher Herkunft nicht verstecken<br />
muss <strong>und</strong> dann mehr Leistung bringt.“<br />
„Der Einsatz von multikulturellen Teams<br />
bringt in jedem Fall eine Effizienzsteigerung.“<br />
„Dem Fachkräftemangel wird durch Einsatz<br />
von <strong>Migrantinnen</strong> <strong>und</strong> Migranten entgegen<br />
gewirkt.“<br />
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Qualifizierte <strong>Migrantinnen</strong> in der Wissenschaft<br />
Besonderheiten<br />
Fehlendes Wissen über das System<br />
<strong>und</strong> Hochschulkultur in Deutschland<br />
oft MINT-Abschlüsse<br />
Reflexion über Stereotype (ein neuer<br />
Blick auf Deutschland)<br />
Werte wie Familienfre<strong>und</strong>lichkeit,<br />
Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf<br />
Work-Life Balance ist gefährdet<br />
(Selbstausbeutung)<br />
Vorteile<br />
Vorbildfunktion <strong>für</strong> Mitarbeiter/innen<br />
<strong>und</strong> Studierende<br />
Internationale Netzwerke<br />
Mobilität <strong>und</strong> Bereitschaft zum<br />
Ortswechsel („Entwurzelung“)<br />
Frühe <strong>und</strong> langfristige Motivation,<br />
Pflichtbewusstsein<br />
„Macher-Mentalität“, Risikobereitschaft,<br />
Offenheit <strong>für</strong> das Neue<br />
13
Qualifizierte <strong>Migrantinnen</strong> <strong>als</strong> Selbstständige<br />
• <strong>Migrantinnen</strong> gründen oft in spezifischen Bereichen – <strong>für</strong><br />
internationale Märkte, interkulturelle K<strong>und</strong>en.<br />
• Befassen sich häufig mit Ethnomarketing.<br />
• Zeichnen sich durch eine sehr hohe Motivation <strong>und</strong><br />
Beharrlichkeit aus.<br />
• <strong>Migrantinnen</strong> sind oft risikofreudig <strong>und</strong> misserfolgsresistent.<br />
„<strong>Migrantinnen</strong> haben weniger Probleme mit dem Thema Sicherheit, sie sind<br />
risikobereiter <strong>und</strong> sind sehr orientiert daran, nach ihren Möglichkeiten zu<br />
schauen. Sie sind sehr intrinsisch motiviert <strong>und</strong> sagen: „Ich will selbst etwas<br />
aus meinem Leben machen <strong>und</strong> etwas verändern." Sie sind nicht so in der<br />
Komfortzone, wie man das bei anderen teilweise vorfindet, die in der westlichen<br />
Welt sehr gesattelt sind.“<br />
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Neues Image von qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong><br />
„<strong>Migrantinnen</strong> haben auf Gr<strong>und</strong> ihrer kosmopolitischen<br />
Lebensweise sehr viele unterschiedliche kulturelle Erfahrungen<br />
gemacht, die bereichernd sind <strong>und</strong> sich positiv in persönlichen<br />
<strong>und</strong> fachlichen Kontexten auswirken.<br />
<strong>Migrantinnen</strong> sind modern, innovativ <strong>und</strong> mutig.“<br />
(Zitat aus einem Interview)<br />
Bildquelle: http://www.welt.de/ges<strong>und</strong>heit/psychologie/article<br />
13651943. html<br />
Bildquelle: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung3/Bilder__<br />
jpeg/migrantinnen-gruenden,property=bild,bereich=bmfsfj,sprache=de.jpg<br />
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Fazit <strong>und</strong> Empfehlungen<br />
• Die Potenziale von qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong> sind – insbesondere<br />
vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Fachkräftemangels – besonders wertvoll.<br />
Allerdings werden diese Potenziale nicht ausreichend genutzt.<br />
• Eine breitere Teilhabe von <strong>Migrantinnen</strong> in Führungspositionen in<br />
der <strong>Wirtschaft</strong> <strong>und</strong> Wissenschaft bringt positive wirtschaftliche <strong>und</strong><br />
soziale Effekte <strong>und</strong> ist ein Wettbewerbsfaktor <strong>für</strong> Unternehmen <strong>und</strong><br />
Organisationen.<br />
• Es ist notwendig, Personalverantwortliche <strong>und</strong> Entscheidungsträger<br />
<strong>für</strong> die Zielgruppe der qualifizierten <strong>Migrantinnen</strong> zu sensibilisieren.<br />
• Die positiven Auswirkungen der Inklusion von qualifizierten<br />
<strong>Migrantinnen</strong> <strong>und</strong> die Best Practices aus Unternehmen sollten breiter<br />
kommuniziert werden.<br />
• Notwendig ist eine allgemeine Kultur der Wertschätzung der Vielfalt<br />
in der <strong>Gesellschaft</strong>.<br />
16
Vielen Dank <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit!<br />
Kontakt <strong>und</strong> weitere Informationen:<br />
Prof. Dr. Swetlana Franken swetlana.franken@fh-bielefeld.de<br />
www.migrantinnen-in-fuehrung.de<br />
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Zitierte Quellen<br />
1. Franken, S.; Christoph, O. (2014): Erfolgsfaktoren <strong>und</strong> Barrieren <strong>für</strong><br />
karriereorientierte <strong>Migrantinnen</strong>. Abschlussbericht des BMBF-geförderten<br />
Forschungsprojektes „<strong>Migrantinnen</strong> in Führungspositionen: Erfolgsfaktoren<br />
auf dem Weg an die Spitze“. http://www.migrantinnen-in-fuehrung.de<br />
/uploads/files/pdf/Abschlussbericht.pdf<br />
2. Höhne, J.; Schulze Buschoff, K. (2015). Die Arbeitsmarktintegration von<br />
Migranten <strong>und</strong> <strong>Migrantinnen</strong> in Deutschland. Ein Überblick nach Herkunftsländern<br />
<strong>und</strong> Generationen. In: WSI Mitteilungen 5/2015, S. 345-354.<br />
3. Statistisches B<strong>und</strong>esamt (2015). Zahl der Zuwanderer in Deutschland so<br />
hoch wie noch nie. Pressemitteilung Nr. 277 vom 03.08.2015.<br />
https://www.destatis.de/DE/PresseService/ Presse/Pressemitteilungen/<br />
2015/08/PD15_277_122.html (28.04.2016)<br />
4. Statistisches B<strong>und</strong>esamt (2016). Bevölkerung <strong>und</strong> Erwerbstätigkeit.<br />
Bevölkerung mit Migrationshintergr<strong>und</strong> – Ergebnisse des Mikrozensus.<br />
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/Migrati<br />
onIntegration/Migrationshintergr<strong>und</strong>2010220147004.pdf?__blob=publicatio<br />
nFile (28.04.2016)<br />
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