EVANGELISCH STRALSUND - St.Nikolai zu Stralsund
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THEMA<br />
Reformation und Musik<br />
„Ich halte gänzlich dafür, dass nach der Theologie keine Kunst ist, die mit der Musica kann verglichen<br />
werden. Denn sie allein tut das, was sonst die Theologie allein tut: Sie schafft nämlich einen<br />
fröhlichen Mut <strong>zu</strong>m klaren Beweis, dass der Teufel – der der Vater aller Traurigkeit ist – vor der<br />
<strong>St</strong>imme der Musik fast ebenso flieht wie vor dem Wort der Theologie. Daher haben die Propheten<br />
keine Kunst so gebraucht wie die Musik, da sie ihre Theologie nicht in Geometrie, Arithmetik,<br />
auch nicht in Astronomie, sondern in die Musik gefasst haben, auf dass sie Theologie und Musik<br />
beieinander hätten und die Wahrheit in Psalmen und Lobgesängen verkündigten”<br />
Martin Luther<br />
Luther musizierend im Kreise seiner Familie (Gemälde von Gustav Adolph Spangenberg)<br />
Unsere Kirche ist von je her<br />
eine singende – schon in den<br />
Psalmen lesen wir davon:<br />
„Singet dem Herrn ein neues<br />
Lied!“ Jesus selbst und seine<br />
Jünger sangen nach dem<br />
letzten Abendmahl (oder<br />
sprachen sie etwa den „Lobgesang“?),<br />
und selbst in den<br />
Briefen des Paulus kommt<br />
das Singen vor: „Lehret und<br />
vermahnet euch selbst mit<br />
Psalmen und Lobgesängen<br />
und geistlichen lieblichen Liedern<br />
und singt dem Herrn in<br />
eurem Herzen.“ (Kol. 3,16)<br />
Bereits im frühen Mittelalter<br />
war der kirchliche Gesang <strong>zu</strong><br />
einer solch hohen Kunst entwickelt,<br />
dass er im Wesentlichen<br />
den darin geschulten<br />
Geistlichen (z. B. den Mönchen)<br />
sowie den da<strong>zu</strong> ausgebildeten<br />
Chören (meist an<br />
Höfen) vorbehalten blieb. Da<br />
nun die Sprache der Messe<br />
das Latein war und folglich<br />
auch lateinisch gesungen<br />
wurde, gab es keinen eigentlichen<br />
Gemeindegesang. Das<br />
änderte sich grundlegend<br />
mit der Reformation.<br />
Martin Luther, der die Musik<br />
gleich nach der Theologie<br />
über alles andere stellt (s. o.),<br />
revolutionierte daher auch<br />
den Gesang in der Kirche.<br />
„Dem Volk aufs Maul schauend“<br />
schrieb er neue Lieder<br />
über bekannte Melodien,<br />
dichtete Choräle, meist nach<br />
Psalmen oder altkirchlichen<br />
Hymnen, und komponierte<br />
sogar eigene Melodien.<br />
Durch seine Lieder konnte<br />
das Volk teilhaben an Verkündigung,<br />
Lehre und Bekenntnis.<br />
Eine Begebenheit aus Lippe<br />
illustriert dies: Der damalige<br />
Landesherr lehnte die neue<br />
Lehre ab und forderte vom<br />
Bürgermeister der <strong>St</strong>adt Lemgo,<br />
ihre Verbreitung <strong>zu</strong> unterbinden.<br />
Ratsdiener wurden<br />
mit der Herstellung der alten<br />
Ordnung beauftragt und in<br />
die Kirchen geschickt. Doch<br />
sie kehrten <strong>zu</strong>rück mit der<br />
Nachricht: „Herr Bürgermeister,<br />
sie singen alle!“ Daraufhin<br />
brach es aus dem <strong>St</strong>adtoberen<br />
heraus: „Ei, es ist alles verloren!“<br />
Doch es sollte ein Gewinn<br />
sein: Dass die Gemeinde am<br />
Singen beteiligt wurde, legte<br />
den Grundstein für die Kirchenmusik,<br />
wie wir sie heute<br />
verstehen in ihrer ganzen<br />
Vielfalt. Die Reformatoren<br />
brachten die neue Lehre in<br />
Verse und Töne. Dabei erwies<br />
sich das Buch der Psalmen<br />
als unversiegbare Quelle für<br />
theologische Deutung und<br />
persönliche Gebetsanliegen.<br />
Zahlreiche Psalmlieder entstanden,<br />
auch die „Hymne“<br />
der Reformation „Ein feste<br />
8 Evangelisch in <strong>St</strong>ralsund September 2012