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CHAI 4. Ausgabe

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WWW.<strong>CHAI</strong>MAGAZIN.AT<br />

GRATIS | <strong>4.</strong>AUSGABE | JUGENDMAGAZIN<br />

Blickwinkel<br />

bunt S.40<br />

NBA &<br />

Diener des giganten S.50<br />

Fasten im Monat Ramadan<br />

Einige Fragen an FI<br />

Carla Amina Baghajati S.16<br />

Mission (Im)possible<br />

vergeben & verzeihen S.56


Der Prophet Muhammad(s) sagte:<br />

„Der gehört nicht zu uns, der nicht<br />

barmherzig ist mit unseren Kleinen<br />

und unsere Alten nicht achtet.“<br />

(Tirmidhi)<br />

*Bild: Hatun Colak http://hcc-design.de/home/#


VORWORT<br />

Liebe Chai-LeserInnen,<br />

As-Salamu Alaikum<br />

gerade in der heutigen Zeit ist es wichtiger denn je sich mehr und mehr Wissen vor<br />

allem über seine eigene Religion anzueignen.<br />

Durch die schrecklichen Ereignisse auf der Welt tauchen leider verstärkte Tendenzen<br />

von Misstrauen gegenüber Muslimen auf.<br />

Der Islam und die Muslime werden immer kritischer von den Menschen betrachtet<br />

und Vorurteile stehen vermehrt im Vordergrund.<br />

Dieser Zustand zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns einerseits der Bildung widmen<br />

und andererseits aktiv als Muslime in der Gesellschaft präsent sind.<br />

Ich wünsche euch einen gesegneten Monat Ramadan<br />

Viel Spaß beim Lesen<br />

Beste Grüße<br />

Ramazan Demir M.A.<br />

Chefredakteur des Chai-Magazin


Wie werde ich Lehrer/in für islamische Religion?<br />

JETZT ANMELDEN!<br />

Am Institut IRPA an der KPH Wien/Krems werden ab dem Studienjahr<br />

2016/2017 auch islamische Religionslehrerinnen und Religionslehrer ausgebildet.<br />

Im Rahmen eines Studiums für das Lehramt Primarstufe können<br />

Studierende den Schwerpunkt Islamische Religion wählen und sich auf diese<br />

Weise als Lehrperson für den Islamischen Religionsunterricht im Pflichtschulbereich<br />

ausbilden. Interessierte Bewerberinnen und Bewerber werden<br />

dazu eingeladen, sich für das Studium zu bewerben. Das Studium bietet eine<br />

wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Lehrerausbildung auf Hochschulniveau,<br />

in der Sie einen international anerkannten Bachelorabschluss<br />

erwerben können. In dem im Regelfall achtsemestrigen Studium werden Sie<br />

auf akademischem Niveau zum „Bacherlor of Education“ ausgebildet und<br />

sind damit als Lehrkraft an der Volksschule sowie für den Islamischen Religionsunterricht<br />

qualifiziert. Dieses staatlich anerkannte Studium ist in Europa<br />

einzigartig.<br />

DIE STUDIENINHALTE UMFASSEN<br />

islamisch-theologische Studien<br />

pädagogische, didaktische Studien in Abstimmung mit dem aktuellen<br />

Lehrplan und den Unterrichtsvoraussetzungen der Republik<br />

Österreich und der Islamischen Glaubensgemeinschaft<br />

in Österreich<br />

Juristische Grundlagen<br />

mehrere Praxissemester an allgemein bildenden öffentlichen<br />

Schulen (Schulpraktische Studien).<br />

EINE ANMELDUNG IST AB SOFORT MÖGLICH.<br />

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UNTER:<br />

HOCHSCHULSTUDIENGANG FÜR DAS LEHRAMT FÜR ISLAMISCHE RELIGION<br />

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1230 WIEN<br />

SEKRETARIAT@IRPA.AC.AT<br />

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DAS TEAM<br />

WWW.<strong>CHAI</strong>MAGAZIN.AT<br />

Unser Chai-Team besteht aus engagierten<br />

StudentInnen verschiedener Studienrichtungen,<br />

die sich vorgenommen haben für euch<br />

ein interessantes Magazin zu gestalten.<br />

Mit vollem Einsatz macht sich unser dynamisches Team<br />

an die Arbeit, um euch verschiedene Facetten<br />

des Lebens und der Menschen in Österreich zu zeigen.<br />

Zudem haben wir Autorinnen, die in jeder <strong>Ausgabe</strong> mitwirken<br />

und unser Team dadurch bereichern werden.<br />

Wir freuen uns über Anregungen und Feedback.<br />

OFFICE@<strong>CHAI</strong>MAGAZIN.AT<br />

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WENN DU MITWIRKEN MÖCHTEST,<br />

DANN MELDE DICH BEI UNS.<br />

mail@chaimagazin.at


Reisebericht<br />

6<br />

18<br />

Schein trügt<br />

24<br />

Interview<br />

40<br />

NBA<br />

50<br />

38<br />

HALal Konform<br />

52<br />

JORDANIEN<br />

Blickwinkel BUnt


56<br />

[Im]possible<br />

32<br />

Alles Zusatz<br />

CHEFREDAKTEUR: Ramazan Demir, M.A.<br />

EDITOR: Büsra Demir, BSc & Elif Öztürk, B.A.<br />

DESIGN: Hatun Cennet Colak, B.A. Vildan Gülle, BSc<br />

TEAM: Adem Eskil, Büsra Demir, Elif Öztürk, Hatun Cennet Colak,<br />

Ramazan Demir, Vildan Gülle<br />

FREIE MITARBEITERINNEN: Dr. Ali Özgür Özdil, Esma Kedikli,<br />

FI Carla Amina Baghajati, Öznur Yadikar, Rumeysa Betül Dür,<br />

Rumeysa Soylu, Seyma Nur Demir<br />

FOTOS: Adem Eskil, Elif Öztürk<br />

INDEX


Quds<br />

„Werde ich wirklich ankommen?“ – Hat<br />

sich jemals jemand diese Frage gestellt, obwohl<br />

man die Tickets gekauft hat und schon<br />

im Flieger sitzt? Ich schon! Das erste Mal<br />

in meinem Leben beschäftigt mich diese<br />

Frage noch vor der Passkontrolle – in Tel<br />

Aviv. Doch alhamdulillah, ich komme rein!<br />

Angekommen im Hotel im Ostjerusalem ist<br />

es schon zu spät, um die Masjid al-Aqsa zu<br />

besuchen. Aber bis zum Fajr ist es eh nicht<br />

mehr lang ☺<br />

1st DAY<br />

Noch verschlafen von der Reise, aber doch<br />

wach genug: Denn wir gehen das Fajr-Gebet in<br />

der al-Aqsa verrichten! Wir schlendern gemeinsam<br />

durch die Straßen, und als wir die Stadtmauer<br />

der Altstadt betreten, finden wir uns in der totalen<br />

Dunkelheit wieder: keine Straßenbeleuchtung,<br />

keine Lichter an den Fenstern, nur pure Dunkelheit…<br />

Nach einem sieben minütigen Marsch finden<br />

wir uns vor einem weiteren Tor: dem Eingang<br />

zum Haram asch-Scharif, zur Masjid al-Aqsa! In<br />

der Aqsa laufen wir am Felsendom vorbei, der mit<br />

seiner goldenen Kuppel prahlt. Die frische Luft<br />

des Februaranfangs spüren wir zwar bis auf die<br />

Knochen, aber das macht keinem etwas aus. Und<br />

da – da stehen wir vor den Treppen- und nur noch<br />

einige wenige Treppenstufen trennen uns von der<br />

Qibla Moschee!<br />

8


KULTUR<br />

Mit Vogelzwitschern im Hintergrund, einer<br />

wunderschönen, gefühlsbeladenen Quranrezitation<br />

und in einer Atmosphäre der Ergebenheit,<br />

Zufriedenheit und des Friedens verrichten wir alle<br />

gemeinsam das Fajr-Gebet. Als wir fertig sind,<br />

sieht man schon die ersten Sonnenstrahlen und den<br />

verfärbten Himmel über Quds – die drittwichtigste<br />

Stadt aller Muslime.<br />

Nach dem Frühstück geht es weiter: nach<br />

Bethlehem. Da Bethlehem in der Westbank liegt,<br />

in einem palästinensischen Gebiet, müssen wir erst<br />

das Tor der acht Meter hohen Mauer durchqueren,<br />

der die PalästinenserInnen in der Westbank<br />

von Ostjerusalem und somit dem Masjid al-Aqsa<br />

trennt. Doch wir kommen als Nicht-PalästinenserInnen<br />

ohne Probleme durch den Checkpoint<br />

durch, der von mehreren bewaffneten israelitischen<br />

Soldaten kontrolliert wird. Als wir auf der<br />

anderen Seite der Mauer sind, so erscheint die acht<br />

Meter Mauer wie ein Kunstprachtstück – Graffitibemalungen<br />

in allen Farben und Formen – eine Art<br />

des Widerstandes der palästinensischen Jugend gegen<br />

den israelischen Staat: Gemalt ist eine Lücke<br />

durch die Mauer, eine zum Erschießen anvisierte<br />

Friedenstaube, ein Kinderkarussell…<br />

Nachdem wir noch einige jüdisch besetzte<br />

Siedlungen mit Checkpoints passiert haben, erreichen<br />

wir die kleine Stadt Bethlehem und besuchen<br />

die Geburtskirche. Nach einer relativ kurzen Fahrt<br />

kommen wir auch schon in Al-Khalil/Hebron an.<br />

Khalil ist eines der bedeutendsten Städte für alle<br />

drei monotheistischen Weltreligionen. Hier haben<br />

Propheten wie Ibrahim (as), Isaak (as) und Yaqoub<br />

(as) gelebt! Noch heute kann man ihre Gräber dort<br />

besuchen und auch die Frau Ibrahims (as) Sara und<br />

Isaaks (as) Rafaka (Rebekka). Das Grab Yaqoub<br />

(as)‘s konnten wir leider nicht besuchen.<br />

Nach unserem Besuch bei den Propheten (as)<br />

durchschreite ich den gezäumten Zugang zum<br />

Basar im muslimischen Teil Khalils. Man findet<br />

Gewürze, traditionelle Kleider, orientalisch gemusterte<br />

Textilien, Porzellantassen und –teller,<br />

Souvenirs etc. Doch geöffnet haben lediglich etwa<br />

¼ der Geschäfte. Vom Basar aus sieht man die<br />

engen Gassen, die ich durchschreite. Rechts und<br />

links sind Wohnhäuser mit kleinen Fenstern und<br />

schmalen Eingängen. Fünf bis sechs-jährige Kinder<br />

tragen einen Heizkörper die Gasse entlang,<br />

9


KULTUR<br />

der andere stellt sich zur Pose, um sich von<br />

seiner besten Seite fotografieren zu lassen ☺<br />

Mit einem benommenen Gefühl des Kontrastes,<br />

die lebensfreudigen und energievollen<br />

Kinder und Jugendlichen der Stadt Khalil auf<br />

der einen Seite und die unzähligen Checkpoints<br />

mit bewaffneten Soldaten auf der anderen Seite,<br />

verlasse ich die eindrucksvolle Stadt zurück in<br />

Richtung Quds. Den Tag beende ich so, wie ich<br />

ihn begonnen habe – mit dem Gebet in der al-<br />

Aqsa – und diesmal mit viel Du’a für die Menschen<br />

in Khalil.<br />

2nd DAY<br />

Heute ist Juma! Doch bevor wir in die Al-<br />

Aqsa gehen, um dort das gemeinsame Freitagsgebet<br />

zu verrichten, ist ein Durchgang durch die<br />

Altstadt Quds/Jerusalems angesagt. Die Altstadt<br />

ist in 5 Teile geteilt: Der Bereich, auf dem der<br />

Prophet Sulaiman (as) den Tempel gebaut hatte<br />

und heute die Masjid al-Aqsa ist, der jüdische<br />

Teil, der muslimische Teil, der christliche Teil<br />

und der speziell armenische Teil. Die unzähligen<br />

Geschäfte sind geschlossen – es ist noch zu früh<br />

für die Quds-Bevölkerung ☺.<br />

Der Berg Zion liegt zwar außerhalb der Altstadt,<br />

doch ist dieser ganz nah. Wir gehen dorthin,<br />

da angenommen wird, dass hier das Grab<br />

des Propheten Dawud (as) ist. Eintreten tun wir<br />

Frauen getrennt von den Männern. Ich sehe zwei<br />

Frauen, beide mit einem Kopftuch, beide mit einem<br />

Buch in der Hand, beide lesen konzentriert<br />

etwas daraus: eine muslimische Frau und eine<br />

jüdische Frau.<br />

Diesmal treten wir in die Altstadt durch<br />

das Jaffator ein und finden uns im jüdischen<br />

Viertel wieder. Doch beim Eintreten wandert<br />

mein Blick auf die arabische Schrift am Tor:<br />

„La ilaha illallah – Ibrahim Khalilullah“ (es<br />

gibt keine Gottheit außer Allah und Ibrahim<br />

ist Freund Allahs). „Warum?“, frage<br />

ich mich. Mein Reiseführer erklärt mir<br />

den triftigen Grund für diese Auswahl:<br />

Da in Quds unter der muslimischen Regierung<br />

nicht nur Muslime lebten, son-<br />

10


KULTUR<br />

dern auch Juden und Christen, hat man eine Aussage<br />

eingravieren lassen, mit dem sich alle drei<br />

ReligionsanhängerInnen identifizieren können!<br />

Einen Blick auf die Uhr – jetzt ist Zeit für<br />

Juma! Unter der Februar-Mittagssonne, auf den<br />

Treppen in Aqsa, in Richtung der Qibla Moschee –<br />

mein Freitagsgebet! ☺<br />

Nach dem Gebet spüre ich eine gewisse innere<br />

Ruhe und Frieden, eine Zufriedenheit. Um<br />

mich herum sind viele Kinder die lachen, rennen,<br />

spielen, Bälle treten – Aqsa, ein lebendiger Platz.<br />

Es freut mich die Aqsa das erste Mal so voll zu<br />

sehen. Doch der Restorationschef der Aqsa lässt<br />

mich wissen, dass das eigentlich vieeeel zu wenige<br />

Menschen sind und wir öfter die Aqsa besuchen<br />

kommen und sie nicht vereinsamen lassen sollen.<br />

3rd DAY<br />

Heute ist der letzte volle Tag in Palästina. Das<br />

heißt: noch alles sichten, was noch nicht gesichtet<br />

ist. Mit dem Bus geht’s wieder in Richtung West<br />

Bank – 1. Stopp Jericho: Schon beim Aussteigen<br />

atme ich die sommerliche Luft ein, die Sonne prallt<br />

wie im Sommer. Ich blicke auf die hellbraunen<br />

Hügel mit grünen Dattelpalmen. Nach einem „Beladungsstopp“<br />

mit Datteln, Oliven und Olivenöl<br />

fährt der Bus weiter. Diesmal ein bisschen länger<br />

als sonst: in Richtung Totes Meer - auch genannt<br />

das Meer des Propheten Lut (as)‘s. Leider kann ich<br />

dem Meer nur ein Blick vom Fernen schenken und<br />

sehe auf der anderen Seite des Meeres die Hügel<br />

und Berge Jordaniens – so wahnsinnig nah. Schade,<br />

dass wir nicht rüberkommen.<br />

11


KULTUR<br />

Vom östlichsten Punkt des Landes fahren wir<br />

jetzt in den westlichsten Punkt des Landes – Jaffa/Tel<br />

Aviv. Ganz östlich und ganz westlich hört<br />

sich sehr lang an, aber es handelt sich hierbei nur<br />

um ca. zwei Stunden Fahrt: So schmal ist also die<br />

Region Palästina/Israel. Dort besichtigen wir zwei<br />

wichtige osmanische Erben: Den Uhrturm und die<br />

Mahmudiyya Moschee aus dem Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts, deren innerer Kuppel farbenfroh ist.<br />

Doch bevor uns der Schüttregen erwischen kann,<br />

brechen wir mit den Bussen wieder auf – nach<br />

Quds/Jerusalem.<br />

Isra Nacht gemeinsam mit allen Propheten das Gebet<br />

verrichtete. Al Aqsa – Haram asch-scharif - die<br />

erste Qibla der Muslime, bis es im 2. Jahr nach<br />

der Hidschra in Richtung Masjid Haram in Mekka<br />

geändert wurde. Dort beende ich meine Reise mit<br />

viel Du’a – für mich, meine Familie und Freunde,<br />

für die ganze Menschheit und ganz besonders für<br />

die Menschen in Palästina…<br />

4th DAY<br />

Der Regen hat wohl die ganze Nacht über geschüttet.<br />

Als wir in der Früh zu Fajr die Straßen<br />

Quds betreten, ist der Boden nass und es nieselt<br />

hier und da. Nun ist Abschiedszeit…<br />

Alle gemeinsam verrichten wir das Fajr Gebet:<br />

Da schon einige Reisegruppen das Land verlassen<br />

haben, sind nur lediglich drei Gebetsreihen<br />

besetzt – so traurig… Nach dem Gebet verweile<br />

ich noch in der Moschee, sehe mich um, atme tief<br />

und lass die Moschee und ihre Spiritualität auf<br />

mich wirken. Die Qibla Moschee in Aqsa – die<br />

Moschee, in der der Prophet Muhammad (s) in der<br />

Elif<br />

Öztürk B.A.<br />

Reiselustig und<br />

Hobbyfotografin<br />

13


14


KULTUR<br />

Der Allround-Wissenschaftler<br />

IBN ḪALDŪN ist gewiss einer der<br />

wichtigsten Wissenschaftler und Denker in der<br />

islamischen Geschichte. Seine Ansichten über<br />

viele Themenbereiche beschäftigen und bewegen<br />

die ganze Welt. Allein sein Werk „al-Muqaddima“<br />

wurde aus dem Arabischen in verschiedene<br />

Sprachen, wie Türkisch, Englisch, Französisch,<br />

Deutsch, Persisch, Urdu, Indische Portugiesisch<br />

und Hebräisch übersetzt. In diesem Werk widmet<br />

er sich vielen Wissenschaften, daher kann<br />

man ihn mit ruhigem Gewissen als einen Allraound-Wissenschaftler<br />

bezeichnen. Sein besonderer<br />

Zugang zur Geschichtsphilosophie und<br />

Etablierung der Geschichtswissenschaften haben<br />

neue Wege im Verständnis von Wissenschaften<br />

hervorgebracht. In seinem großen Werk „al-Muqaddima<br />

(Die Einführung)“, welches er zwischen<br />

den Jahren 1375 - 1378 verfasste, behandelt er<br />

viele sozial-ökonomische, sozial-ethische und sozialgeistes-wissenschaftliche<br />

Themen.<br />

Zunächst einmal aber einige Informationen<br />

über unseren Wissenschaftler. Der vollständige<br />

Name lautet Abū Zaid ‘Abdurrahmān bin<br />

Muḥammad bin Ḫaldūn al-Ḫadramī. Er wurde am<br />

27. Mai 1332 in Tunis geboren und starb am 16.<br />

März 1406 in Kairo. Ibn Ḫaldūn war ein sehr fleißiger<br />

Schüler und erhielt eine solide Ausbildung<br />

in den Überlieferungswissenschaften des Qur’ān<br />

und Ḥadīṯ. Da er mit 17 Jahren seine Eltern verlor<br />

widmete er sich ganz den Wissenschaften, ging<br />

deshalb um ganz Nordafrika herum und erteilte<br />

auch in vielen Disziplinen Unterricht an Studierende.<br />

Die Bekanntheit Ibn Ḫaldūn’s im Westen begann<br />

erst im 19. Jahrhundert mit der Übersetzung<br />

seines Werkes „al-Muqaddima“. Der erste<br />

Übersetzer war der österreichische Historiker<br />

Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall (1774-<br />

1856), der auch Yusuf bin Hammer genannt<br />

wurde.<br />

Vor allem sind für mich als Lehrer seine Ansichten<br />

über Bildung sehr interessant. Ibn Ḫaldūn<br />

machte sich tiefgründige Gedanken über ein gut<br />

funktionierendes Erziehungsmodell und eine geeignete<br />

Bildungstheorie. Diese Ansichten kann<br />

man auch in seiner „al-Muqaddima“ finden.<br />

Viele Islamgelehrte vor Ibn Ḫaldūn, angefangen<br />

von al-Ġazzālī haben den Bereich Bildung<br />

und Erziehung als einen ehrenamtlichen Bereich<br />

betrachtet. Für Ibn Ḫaldūn ist aber Erziehung und<br />

Bildung ein Beruf und zugleich ein Handwerk.<br />

Der Lehrer soll sich nur auf seine eigentliche Aufgabe<br />

konzentrieren und für seine Leistungen honoriert<br />

werden.<br />

Die Rolle der Bildung bei der geistigen und<br />

körperlichen Entwicklung von SchülerInnen ist<br />

nach seiner Ansicht enorm wichtig. So wie Nahrungsmittel<br />

die körperliche Entwicklung vorantreiben,<br />

ist der Erwerb von geistiger Nahrung<br />

wesentlich für den Menschen. Für ihn spielen<br />

Bildungsaktivitäten insbesondere eine wichtige<br />

Rolle, denn diese halten den Menschen von<br />

sämtlichen schlechten Dingen und schlimmen<br />

Taten ab. Für ihn kann man die geistigen Ziele<br />

in erster Linie durch Grammatik- und Mathematikkenntnisse<br />

steigern, erst nach Erlangung einer<br />

gewissen Verständnisfähigkeit sollte man als<br />

Muslim zum Beispiel mit dem Qur‘ānunterricht<br />

fortzusetzen. Die Lehrkraft sollte nach Ibn Ḫaldūn<br />

freundlich und verständnisvoll handeln. Wenn<br />

der Lernende Respekt vor dem Lehrer/vor der<br />

Lehrerin und die Lehrkraft Hochachtung vor den<br />

SchülerInnen besitzt, dann würde nach seiner<br />

Ansicht eine ideale fruchtbare Unterrichtsbeziehung<br />

entstehen.<br />

Ibn Ḫaldūn ist dafür, dass in der Klassengemeinschaft<br />

die Lehrperson eine solch demokratische<br />

Stellung einnehmen sollte, dass jedes Individuum<br />

sich frei äußern und seinen Emotionen<br />

freien Lauf geben kann. Mit diesen Ansichten<br />

gegen Strenge spricht sich Ibn Ḫaldūn deutlich<br />

gegen Gewalt in der Erziehung aus und nimmt<br />

bei der Bildungslandschaft des 1<strong>4.</strong> Jahrhunderts<br />

eine sehr fortgeschrittene Rolle ein. Dass heute<br />

immer noch bei der Beziehung der LehrerInnen<br />

mit den SchülerInnen die gleiche Vorgehensweise<br />

vorherrscht,w belegt uns wie ausgereift seine<br />

Bildungsansichten tatsächlich waren.<br />

ERKAN ERDEMIR MA<br />

15


Inspirierende Worte<br />

Die besten Dinge im<br />

Leben sind nicht die,<br />

die man für Geld<br />

bekommt.<br />

Der Charakter ruht<br />

auf der Persönlichkeit,<br />

nicht auf den Talenten.<br />

- Albert Einstein<br />

- Wolfgang Goethe<br />

Der Schlüssel zur<br />

Erkenntnis Gottes ist<br />

die Selbsterkenntnis.<br />

“If my mind can<br />

conceive it, and my<br />

heart can believe it -<br />

then I can achieve it.”<br />

- Al- Ghazali<br />

- Muhammed Ali<br />

16


Gutes kann niemals<br />

aus Lüge und Gewalt<br />

entstehen.<br />

- Mahatma Gandhi<br />

Wer nur halb nachdenkt,<br />

der glaubt an<br />

keinen Gott, wer aber<br />

richtig nachdenkt, der<br />

muß an Gott glauben.<br />

- Issac Newton<br />

Education is the most<br />

powerful weapon<br />

which you can use to<br />

change the world.<br />

- Nelson Mandela<br />

“Oft ist es so, dass du<br />

um etwas bittest, es<br />

nicht bekommst, dir<br />

dafür aber etwas<br />

Besseres gegeben<br />

wird.”<br />

- Ali (ra)<br />

17


FASTEN IM MONAT RAMADAN<br />

EINIGE FRAGEN AN FI CARLA AMINA BAGHAJATI<br />

„Oh ihr Gläubigen! Das Fasten wurde euch vorgeschrieben, wie es denen vorgeschrieben<br />

worden war, die vor euch waren, damit ihr wirklich fromm werdet. Es sind<br />

nur abgezählte Tage. Und wer von euch krank ist oder sich auf einer Reise befindet, soll<br />

eine Anzahl anderer Tage fasten. Und denen, die es mit großer Mühe ertragen können,<br />

ist als Ersatz die Speisung eines Armen auferlegt. Und wenn jemand freiwillig Gutes<br />

tut, so ist es besser für ihn. Und dass ihr fastet, ist besser für euch, wenn ihr es nur<br />

wüsstet! Der Monat Ramadan ist es, in dem der Quran als Rechtleitung für die Menschen<br />

herabgesandt worden ist und als klarer Beweis der Rechtleitung und Unterscheidung.<br />

Wer also von euch in dem Monat zugegen ist, der soll in ihm fasten. Und wer<br />

krank ist oder sich auf einer Reise befindet, soll eine Anzahl anderer Tag fasten – Allah<br />

will es euch leicht, Er will es euch nicht schwer machen – damit ihr die Frist vollendet<br />

und Allah rühmt, dass Er euch geleitet hat. Vielleicht werdet ihr dankbar sein. Und<br />

wenn dich Meine Diener über Mich befragen, so bin Ich nahe. Ich höre den Ruf des<br />

Rufenden, wenn Er mich ruft. Deshalb sollen sie auf Mich hören und an Mich glauben.<br />

Vielleicht werden sie den rechten Weg einschlagen.“ (Koran, 2:183-186)<br />

Frage: Am 6. und 7. Juni fahren<br />

alle siebten Klassen meiner Schule<br />

nach Mauthausen (Entfernung von<br />

Wien ca. 170 km soweit ich weiß).<br />

Aber wie Sie wissen, beginnt am<br />

6. Juni der Ramadan. Ich und eine<br />

Freundin aus meiner Parallelklasse<br />

wollen fasten und deshalb nicht<br />

mit zum Ausflug kommen.<br />

Bei der von dir beschriebenen Schulveranstaltung<br />

befindest du dich „auf der Reise“.<br />

Daher ist es völlig berechtigt hier nicht zu<br />

fasten, und zwar während der beiden Tage.<br />

„Reisen“ umfasst nicht nur die Zeit, während<br />

man sich auf der Fahrt befindet, sondern<br />

auch wenn man sich einige Tage entfernt<br />

von zuhause aufhält.<br />

Gerade den Beginn des Ramadan<br />

mag ich nicht versäumen. Und das<br />

mit Mauthausen kenne ich doch<br />

schon aus dem Geschichtsunterricht?<br />

Bei der Fahrt nach Mauthausen geht es um<br />

einen Abschnitt der österreichischen Ge-<br />

18


RELIGION<br />

schichte, an dem du und deine Familie<br />

zwar keinen Anteil hattet. Aber aus dieser<br />

sehr düsteren Zeit, wo viele Menschen<br />

schwere Schuld auf sich genommen haben,<br />

gilt es allgemein zu lernen. Leider<br />

besteht eine gängige Meinung darin, dass<br />

Musliminnen und Muslime im Stillen<br />

kein Problem mit Antisemitismus und<br />

den Verbrechen an Juden in der Nazizeit<br />

hätten. Dabei gibt es aus islamischer Sicht<br />

hierzu eine sehr klare Haltung der Verurteilung<br />

dieser Gräueltaten. Wenn du als<br />

Muslimin mitfährst, leistest du also auch<br />

einen sehr wichtigen Beitrag dazu klarzumachen,<br />

dass Antisemitismus im Islam<br />

keinen Platz haben darf. Außerdem ist die<br />

damalige Sündenbockpolitik etwas, das<br />

wirklich eine Lehre sein muss, nach dem<br />

Motto „Nie wieder!“ nicht mehr in eine<br />

auch irgendwie ähnliche Politik zu fallen.<br />

Da werdet ihr vielleicht auch über aktuelle<br />

Dinge reden.<br />

Kurzum: Auch aus religiöser Sicht kann<br />

ich dich nur darin bestärken, bei der Reise<br />

mitzumachen!<br />

Meine Schwester hat letztes Jahr<br />

mündlich maturiert, als schon<br />

Ramadan war. Ich bin heuer<br />

dran. Sie hat damals die Absicht<br />

zum Fasten genommen. Sie hatte<br />

aber in der Tasche etwas zu<br />

trinken und zu essen. Wenn sie<br />

schwach geworden wäre, hätte<br />

sie das Fasten gebrochen. Aber<br />

ist das überhaupt in Ordnung<br />

so? Dann würde ich es genauso<br />

machen.<br />

Im besten Fall liegt die Prüfung gleich am<br />

Vormittag. Wenn nicht, so ist die Vorgangsweise<br />

deiner Schwester sehr vernünftig<br />

und religiös vertretbar gewesen.<br />

Du kennst dich ja – ehe du „Sternchen<br />

siehst“, hörst du mit Fasten auf. Natürlich<br />

musst du diesen Tag später nachholen,<br />

falls du das Fasten abbrichst. Das geht<br />

auch im Winter.<br />

Mir ist beim Schwimmen Wasser<br />

in den Mund gekommen.<br />

Habe ich darum mein Fasten gebrochen?<br />

Nein. Denn das hast du ja nicht mit Absicht<br />

getrunken. Sogar wenn du einmal vergessen<br />

solltest, dass du gerade fastest und etwas<br />

isst oder trinkst, bricht das nicht das<br />

Fasten. Im Hadith heißt es: „Um meinetwillen<br />

übersieht Allah das Vergehen meiner<br />

Gemeinde, das Vergessen(ihrerseits)<br />

und das, wozu sie genötigt waren.” Fasten<br />

ist auch ein gutes Training, sich selbst gegenüber<br />

ehrlich zu sein. Denn absichtlich<br />

„vergessen“, geht natürlich nicht.<br />

Uns ärgert ein Mitschüler, der<br />

zwar fastet, aber sich oft daneben<br />

benimmt. Er sagt dann:<br />

„Wenn ich schon faste, will ich<br />

mich sonst gehenlassen.“ Ist das<br />

OK von ihm?<br />

Fasten verliert seinen Sinn, wenn es sich<br />

nicht positiv im eigenen Verhalten zeigt.<br />

Fastende sollten besonders kooperativ<br />

und umgänglich sein und sich bemühen,<br />

ihren Aufgaben wie sonst auch nachzukommen.<br />

Schimpfwörter gebrauchen und<br />

unsozial handeln passen mit dem Fasten<br />

nicht zusammen! Das Fasten sollte auch<br />

nicht als Ausrede gebraucht werden, sich<br />

weniger anstrengen zu müssen. Ungut<br />

ist es auch, wenn ein Fastender eingebildet<br />

auf andere herabsieht. Schlechtes<br />

Verhalten einzelner droht manchmal ein<br />

schlechtes Licht auf andere Muslime zu<br />

werfen. Ihr solltet mit dem Mitschüler<br />

also versuchen zu reden und ihm klar zu<br />

machen, dass er sich und anderen durch<br />

sein schlechtes Verhalten schadet.<br />

19


RELIGION<br />

20


RELIGION<br />

Und wie so oft trügt der Schein:<br />

Die Schlange und die Äpfel<br />

*Bild: Filiz Aydin http://ebru-by-filiz.de/index.html<br />

Nicht alles was wir uns wünschen,<br />

ist für uns unbedingt<br />

gut und positiv. Und umgekehrt,<br />

nicht alles was wir verabscheuen,<br />

ist für uns zwingend<br />

schlecht oder negativ. Oft<br />

können wir die Zusammenhänge<br />

der göttlichen Weisheit<br />

in unserem Leben nicht verstehen.<br />

Und da wir über diese<br />

wenig wissen und nachdenken,<br />

treffen wir gelegentlich<br />

falsche Entscheidungen, die<br />

wir im Nachhinein bereuen<br />

müssen. Der Erhabene sagt<br />

folgendes im Koran:<br />

„Aber vielleicht verabscheut<br />

ihr etwas, das gut für euch ist.<br />

Und vielleicht liebt ihr etwas,<br />

das schlecht für euch ist. Allah<br />

weiß, ihr aber wisst es nicht.“<br />

(Koran, 2:216)<br />

Hier möchte ich eine Geschichte<br />

aus dem großartigen<br />

sufischen Werk „Mathnavi”<br />

vom bekannten Mystiker und<br />

Philosophen Jalaluddin Rumi<br />

Mavlana (1207 – 1273) erzählen,<br />

die gut illustriert, dass im<br />

Leben nicht alles so ist, wie<br />

wir es empfinden bzw. es für<br />

uns scheint.<br />

Vor einer langen Zeit lebte<br />

ein König, der es liebte, auf<br />

die Jagd zu gehen. Im Unterschied<br />

zu vielen anderen Königen<br />

pflegte er es allein auf<br />

Jagd zu gehen. Eines Tages, als<br />

er vom Jagen nach Hause zurückging,<br />

war er sehr durstig,<br />

doch hatte kein Wasser mehr.<br />

Unterwegs sah er einen Garten<br />

und dachte: „Hier bekomme<br />

ich ein bisschen Wasser“.<br />

Im Garten unter einem Baum<br />

sah er einen Mann, der mit offenem<br />

Mund fest schlief. „Das<br />

ist der Besitzer des Gartens, sicher<br />

ist er müde von der Arbeit<br />

und möchte sich deshalb ausruhen“,<br />

dachte er sich. Plötzlich<br />

sah er eine große schwarze<br />

Schlange auf der Brust des<br />

Gärtners, die in seinen M u n d<br />

hineinkriechen wollte. Zuerst<br />

wusste der König nicht,<br />

was er tun sollte.<br />

Bevor er sich überhaupt bewegen<br />

konnte, war die Schlange<br />

schon in den Körper des<br />

Gärtners hineingekrochen.<br />

Er wusste, dass ihm nicht viel<br />

Zeit blieb, um den Gärtner zu<br />

retten und raste deshalb zu<br />

21


RELIGION<br />

ihm und begann ihn fest mit<br />

seiner Peitsche zu schlagen.<br />

Der Gärtner wachte überrascht<br />

und zugleich ängstlich<br />

auf. Er wusste nicht, was um<br />

ihn geschehen war. Als der<br />

Gärtner den König sah, konnte<br />

er nicht glauben, dass dieser<br />

König, der für seine Barmherzigkeit<br />

und Gerechtigkeit bekannt<br />

war, ihn jetzt grundlos<br />

schlug. „Ich habe nichts getan,<br />

ich bin unschuldig, sie haben<br />

mich mit jemand anderem verwechselt“,<br />

jammerte der Gärtner.<br />

Mit den Äpfeln kam auch<br />

die Schlange aus dem Bauch<br />

des Gärtners heraus. Überrascht<br />

fragte der Gärtner: „Wie<br />

kommt die Schlange aus meinem<br />

Bauch heraus?“ Als der<br />

König ihm die ganze Geschichte<br />

erzählte, empfand der Gärtner<br />

dem König gegenüber große<br />

Dankbarkeit, da er ihm das<br />

Leben gerettet hatte.<br />

Der König schlug ihn aber weiter<br />

und forderte ihn auf, die<br />

faulen Äpfel, die auf dem Boden<br />

lagen, zu essen. Der arme<br />

Gärtner aß die kaputten Äpfel<br />

und dachte sich, „das soll ein<br />

gerechter und gnädiger König<br />

sein, er ist vielmehr verrückt.“<br />

Als der König sah, dass<br />

sich der Gärtner schon satt<br />

gegessen hatte, zwang er ihn<br />

noch schnell herumzulaufen.<br />

Der Gärtner lief unter den<br />

gnadenlosen Peitschenschlägen.<br />

Schweißgebadet und mit<br />

Bauchschmerzen fiel er auf<br />

den Boden und übergab sich.<br />

22


RELIGION<br />

Aus dieser Geschichte lernen wir, dass<br />

manchmal gerade die Sachen, die wir<br />

ablehnen, uns keinen Spaß machen oder<br />

uns sinnlos erscheinen, eben doch für uns<br />

unter Umständen gut, richtig und wertvoll<br />

sein können. Bitte merken wir uns daher:<br />

„Nicht alles was glänzt ist Gold! “.<br />

Vehid Podojak<br />

Dozent für islamische Mystik und islamische Fachdidaktik<br />

an der IRPA in Wien.<br />

23


RELIGION<br />

DIE <strong>CHAI</strong>-KHUTBA<br />

Ich habe den Propheten nicht gesehen..<br />

„Freundliche Worte und Vergebung<br />

sind besser als ein Almosen,<br />

dem Verletzendes folgt.<br />

O ihr Gläubigen! Entwertet<br />

eure Almosen nicht durch Vorenthaltungen<br />

und Verletzen<br />

von Gefühlen, wie derjenige,<br />

der Geld spendet, um von den<br />

Leuten gesehen zu werden…“<br />

„Jede gute Tat ist eine Sadaqa“.<br />

Es gab einmal einen Mann, der<br />

sich wünschte, den Propheten<br />

(Friede sei mit ihm) im Traum<br />

zu sehen. Er suchte einen Gelehrten<br />

auf und bat ihn um<br />

einen Rat. „Iss vor dem Schlafengehen<br />

salzigen Fisch, aber<br />

gehe ins Bett, ohne Wasser<br />

zu trinken“, riet dieser ihm.<br />

So tat der Mann, was der Gelehrte<br />

ihm riet. Er aß salzigen<br />

Fisch und ging ohne Wasser<br />

zu trinken und völlig durstig<br />

ins Bett. Im Schlaf träumte er<br />

ständig von Wasser, Wasserhähnen<br />

und Flüssen, jedoch<br />

nicht vom Propheten. Am<br />

Morgen ging er wieder zu dem<br />

Gelehrten und sagte: „Ich habe<br />

im Traum immer nur Wasser<br />

gesehen, aber den Propheten<br />

habe ich nicht gesehen.“<br />

Wieder träumte der Mann von<br />

Wasser, Flüssen, Wasserfällen,<br />

aber nicht vom Propheten.<br />

Erneut suchte er am Morgen<br />

den Gelehrten auf und teilte<br />

ihm seinen Traum mit.<br />

Der Gelehrte lächelte und sagte:<br />

„Sollte auch dein Durst nach<br />

dem Propheten (Friede sei mit<br />

ihm) so groß sein wie nach<br />

Wasser, so würdest du ihn sehen.<br />

Wenn du ihn tatsächlich<br />

sehen willst, dann nähre dein<br />

Herz mit der Sehnsucht nach<br />

ihm!“<br />

Ähnlich diesem Mann, klagte<br />

auch einmal ein junger Freund:<br />

„ Ya Rasulallah, ich habe heute<br />

erneut geweint, denn ich habe<br />

dich wieder nicht in meinem<br />

Traum gesehen. Wird dein<br />

schönes Antlitz den Rost meines<br />

Herzens nicht entfernen?<br />

Ich habe jeden gefragt: „Werde<br />

ich ihn nicht irgendwann<br />

sehen? Bleibt mir seine Schönheit<br />

wegen meiner vielen Sünden<br />

verwehrt?“ Doch meine<br />

gläubigen Geschwister sahen<br />

mich erstaunt an und sagten:<br />

„Hast du ihn heute Morgen<br />

nicht beim Frühgebet gesehen?<br />

Er war der erste, der in<br />

die Moschee kam.“<br />

Doch ich erwiderte: „Nein“.<br />

Hast du ihn heute Mittag nicht<br />

beim Besuch deines kranken<br />

Bruders gesehen?<br />

„Nein“.<br />

Der Gelehrte sagte ihm: „Versuche<br />

es noch einmal. Iss salzigen<br />

Fisch, aber gehe ins Bett,<br />

ohne Wasser zu trinken.“<br />

24


RELIGION<br />

Hast du ihn nicht gesehen, als<br />

er heute Nachmittag den Sarg<br />

eines Verstorbenen trug?<br />

Konntest du ihn auch nicht<br />

heute Abend im Waisenhaus<br />

sehen, wie er die Waisen streichelte<br />

und ihnen ein Lächeln<br />

schenkte?<br />

Oder hast du ihn auch nicht<br />

gesehen, als er das Nachgebet<br />

leitete?<br />

Jedes mal erwiderte ich: „Nein“.<br />

Es brannte in mir. Jeder hatte<br />

dich gesehen, nur mir warst du<br />

verborgen.<br />

„Bruder“, sagten sie. „Sieh doch,<br />

er steht hinter dir.“ Schnell<br />

drehte ich mich um, doch ich<br />

konnte ihn nicht sehen.<br />

„Ya Rasulallah!“, habe ich nach<br />

ihm geweint. „Wieso kann dich<br />

jeder sehen, nur ich sehe dich<br />

nicht?“<br />

„Bruder“ sagten sie, „Hast du<br />

ihn in dem Jugendlichen, der<br />

zum Frühgebet in die Moschee<br />

kam, nicht gesehen?“<br />

„Hast du ihn nicht im Gesicht<br />

deiner Schwester gesehen, die<br />

ihre Wochenenden damit verbringt,<br />

den Kindern den Islam<br />

beizubringen?<br />

gesehen, die ihr Kind liebevoll<br />

an ihre Brust drückt?<br />

Hast du ihn nicht in der Hand<br />

des Jugendlichen gesehen, der<br />

eine Sadaqa gibt?<br />

Sage bloß, du hast deine Schritte<br />

durchs Leben blind getan?<br />

Ich öffnete meine Hände und<br />

betete: „O Allah! Bewahre unsere<br />

Herzen vor der Blindheit!“<br />

Wo immer ein Muslim ist, dort<br />

ist der Islam. Wo immer der<br />

Islam ist, dort ist auch der Gesandte<br />

Allahs. Er ist in unseren<br />

Herzen, auf unseren Lippen, er<br />

ist im Gebetsruf, er ist in unseren<br />

Gebeten, er ist in unseren<br />

guten Taten. So gehe nicht<br />

achtlos an einem Bettler vorbei.<br />

Sprich freundlich zu den<br />

Menschen, setze dich immer<br />

für Gerechtigkeit ein. Sprich<br />

Gutes oder schweig. Wende<br />

dich nicht ab von den Menschen,<br />

wenn sie dich um Hilfe<br />

bitten und vergiss nicht: „Jede<br />

gute Tat ist eine Sadaqa“.<br />

Und hast du ihn nicht auf dem<br />

Weg deiner gläubigen Schwester<br />

gesehen, die fern von ihrer<br />

Heimat studiert?<br />

Hast du ihn nicht in dem Vater<br />

gesehen, der mitleidsvoll mit<br />

seinen Kindern spricht?<br />

Hast du ihn nicht in der Mutter<br />

- Dr. Ali Özgür Özdil<br />

25


<strong>CHAI</strong><br />

Dennis Cikos,<br />

Esra Metnan,<br />

Emre Cetinkaya<br />

...<br />

26


<strong>CHAI</strong><br />

Nahide Mustafa,<br />

Yasin Akdas,<br />

Tasnim Salem<br />

...<br />

27


<strong>CHAI</strong><br />

DENNIS CIKOS<br />

19<br />

Auszubildender<br />

1. Welche Rolle spielt das Bittgebet in<br />

deinem Leben?<br />

Als Muslim ist für mich das Bittgebet<br />

sehr wichtig, alhamdulillah, da ich ein<br />

Vertrauen aufbaue und mich zu ALLAH<br />

hinfinde. Ich merke selber beim Bittgebet,<br />

dass ich in mir Frieden schließe und dass<br />

es mir anschließend viel viel besser geht.<br />

2. Wie oft machst du Bittgebete?<br />

Für die Bittgebete gibt es keine<br />

maximale Zahlangabe. Für mich ist es<br />

wichtig, dass ich mein Dua jeden Tag<br />

mache und dass ich nicht nur einmal,<br />

sondern öfters an ALLAH denke, meine<br />

Hände öffne, „Bismillahirrahmanirrahim“<br />

sage und anfange zu beten.<br />

3. In welchen Situationen ist es dir<br />

besonders wichtig?<br />

nach jedem Gebet immer besser, also sollte<br />

man nicht warten, bis etwas passiert,<br />

sondern es immer tun.<br />

<strong>4.</strong> Wofür betest du?<br />

Ich bete für meine Familie, Freunde und<br />

für die Menschen, die weniger haben als<br />

manche oder nicht so gesund sind wie ich.<br />

5. Wo betest du?<br />

Ich habe keine Orte, an denen ich immer<br />

bete. Ich bete immer, wenn mir danach<br />

ist, wenn ich merke, ich habe den Willen<br />

mich ALLAH anzuvertrauen. Der schönste<br />

Platz für mich ist die Moschee, wo ich<br />

auch sehr gerne bin und meinen Frieden<br />

finde.<br />

Es ist immer wichtig Bittgebete zu sprechen<br />

und nicht nur an schlechten Tagen<br />

oder bei Sorgen oder großen Problemen.<br />

Man kann jederzeit, jeden Tag und so oft<br />

man will Dua machen. Ich fühle mich<br />

28


<strong>CHAI</strong><br />

1. Welche Rolle spielt das Bittgebet in<br />

deinem Leben?<br />

Eine sehr große Rolle. Das Bittgebet ist für<br />

mich die wichtigste Verbindung zu Allah.<br />

Ich bitte Ihn um Vergebung für meine<br />

Sünden, ich bitte Ihn meine Wünsche zu<br />

erfüllen, ich bitte Ihn um Unterstützung,<br />

um Rat etc.<br />

Das schönste an Bittgebeten ist, dass<br />

man es zu jeder Art von Situation<br />

aussprechen bzw. sagen kann, man<br />

muss sich keine Gedanken darüber<br />

machen ob es passend ist oder nicht.<br />

Außerdem ist für mich ein Bittgebet das<br />

Schönste, was man einem sagen kann.<br />

2. Wie oft machst du Bittgebete?<br />

Zu jeder Zeit, alhamdulillah.<br />

3. In welchen Situationen ist es dir<br />

besonders wichtig?<br />

In schlechten Zeiten sowie auch in guten<br />

Situation meines Lebens mache ich Bittgebete.<br />

Für die Guten bedanke ich mich<br />

bei Allah, für die Schlechten bitte ich Ihn<br />

um Hilfe, um Verbesserung der Situation,<br />

um Rat und um Unterstützung. Handelt<br />

es sich in irgendeiner Art von Situation<br />

um meine Familie, dann ist das Bittgebet<br />

für mich umso wichtiger. Auch bete ich<br />

für ganz gute Freunde<br />

<strong>4.</strong> Wofür betest du?<br />

Für meine Familie, Freunde, Bekannte,<br />

für Kranke und Arme, für Menschen auf<br />

Reisen, für Personen, denen es momentan<br />

nicht gut geht, für die Mahlzeit und die<br />

Gesundheit, für die Ummah, für die Welt<br />

und für die Schule.<br />

5. Wo betest du?<br />

Ich mache überall Bittgebete, unterwegs<br />

sehr viel, in Verkehrsmitteln, in der<br />

Schule, aber am Wohlsten ist es für mich<br />

Zuhause nach dem Gebet. Egal, wo ich<br />

mich gerade befinde, wenn ich etwas sehe<br />

oder ich mich an etwas erinnere, wofür<br />

ich beten kann, dann mache ich das auch.<br />

Ich warte nicht ab, bis ich zu Hause bin.<br />

ESRA METNAN<br />

18<br />

Schülerin<br />

29


<strong>CHAI</strong><br />

1. Welche Rolle spielt das Bittgebet in<br />

deinem Leben?<br />

Für mich spielt das Bittgebet in<br />

meinem Leben eine sehr wichtige<br />

Rolle, weil ich dadurch, wenn ich<br />

Hilfe brauche, eine persönliche und<br />

direkte Verbindung zu Gott habe.<br />

2. Wie oft machst du Bittgebete?<br />

So oft wie möglich, denn es ist wichtig,<br />

sich für jeden Schritt im Leben zu<br />

bedanken.<br />

<strong>4.</strong> Wofür betest du?<br />

Ich mache Dua um Vergebung für meine<br />

Fehler und Sünden zu erhalten, denn nur<br />

dann fühle ich mich als Mensch gestärkt<br />

um mich den Herausforderungen im Alltag<br />

zu stellen. Das Bittgebet ist auch die<br />

beste Möglichkeit sich von Gott etwas zu<br />

wünschen oder sich bei Ihm zu bedanken.<br />

5. Wo betest du?<br />

Zu Hause und in der Moschee.<br />

3. In welchen Situationen ist es dir<br />

besonders wichtig?<br />

Bei meinen Tests, weil ich dann immer<br />

besonders nervös werde und deshalb um<br />

Hilfe für mich und für meine Freunde<br />

bitte. Vor allem bete ich auch dafür, von<br />

den Sünden fernzubleiben.<br />

EMRE CETINKAYA<br />

19<br />

Ausbildung<br />

30


<strong>CHAI</strong><br />

NAHIDA MUSTAFA<br />

19<br />

Schülerin<br />

1. Welche Rolle spielt das Bittgebet in<br />

deinem Leben?<br />

Es hilft mir in schwierigen<br />

Situationen meine Ruhe zu<br />

bewahren und meinen Glauben<br />

daran zu stärken, dass alles gut wird.<br />

<strong>4.</strong> Wofür betest du?<br />

Die wichtigsten Dinge, die in meinen<br />

Bittgebeten immer vorkommen, sind das<br />

Wohlergehen und die Gesundheit meiner<br />

Familie und Freunde.<br />

2. Wie oft machst du Bittgebete?<br />

Es gibt keine bestimmte Anzahl an Gebeten,<br />

die ich mache, aber es kommt schon<br />

vor, dass ich sie mehrmals an einem Tag<br />

verrichte.<br />

5. Wo betest du?<br />

Es gibt keinen bestimmten Ort, an dem<br />

ich bete, aber ich bevorzuge es an stillen<br />

Orten, wo es ruhig ist und ich ganz für<br />

mich selbst bin, zu beten.<br />

3. In welchen Situationen ist es dir<br />

besonders wichtig?<br />

In Situationen, an denen ich meine Nerven<br />

komplett verliere oder wenn mich etwas<br />

sehr beschäftigt und ich mich wieder<br />

einfangen und weiterkämpfen muss.<br />

31


<strong>CHAI</strong><br />

YASIN AKDAS<br />

19<br />

Student<br />

1. Welche Rolle spielt das Bittgebet in<br />

deinem Leben?<br />

Für mich hat das Beten eine wichtige Rolle<br />

im Alltag. Bei allen Herausforderungen,<br />

die mir der Tag bringt, bete ich zu Allah,<br />

dass Er mir dabei hilft und mir den richtigen<br />

Weg zeigt. Durch das Bittgebet fühle<br />

ich mich sicherer und selbstbewusster.<br />

2. Wie oft machst du Bittgebete?<br />

Fast bei allen Situationen bete ich, dass<br />

Allah mir hilft. Zum Beispiel wenn<br />

jemand krank ist oder wenn ein wichtiger<br />

Test bevorsteht, bete ich zu Allah.<br />

<strong>4.</strong> Wofür betest du?<br />

Ich bete, dass Allah mir, meiner Familie<br />

und meinen Freunden Gesundheit und<br />

Erfolg im Leben gibt. Ich mache auch<br />

dafür Dua, dass auf der ganzen Welt<br />

Frieden herrscht.<br />

5. Wo betest du?<br />

Beten hat keinen Raum und keine Zeit. Es<br />

kann überall gebetet werden. Manchmal<br />

mache ich meine Bittgebete zu Hause,<br />

manchmal in der Moschee und manchmal<br />

an der Uni.<br />

3. In welchen Situationen ist es dir<br />

besonders wichtig?<br />

Bei gesundheitlichen Problemen ist es mir<br />

sehr wichtig. Ich weiß, dass Bittgebete, die<br />

von Herzen kommen in Erfüllung gehen.<br />

Das Beten verhilft mir auch zu Geduld<br />

und Ausdauer und deshalb höre ich auch<br />

nicht auf und bete immer wieder für<br />

dieselben Sachen.<br />

32


<strong>CHAI</strong><br />

1. Welche Rolle spielt das Bittgebet in<br />

deinem Leben?<br />

Anfangs habe ich selten bzw. nur bei<br />

besonderen Anlässen Du´a gemacht.<br />

Mittlerweile aber nehme ich mir mehr<br />

Zeit für das Bittgebet und versuche es<br />

so gut wie möglich in mein alltägliches<br />

Leben zu integrieren. Vor allem, weil<br />

ich realisiert habe, wie wirkungsvoll das<br />

Bittgebet ist. Daher spielt das Bittgebet<br />

eine wichtige Rolle in meinem Leben.<br />

2. Wie oft machst du Bittgebete?<br />

Ich mache zwar nicht täglich Bittgebete,<br />

dennoch versuche ich es so oft wie<br />

möglich. Natürlich vergisst man es auch<br />

manchmal. Es ist mir aber trotzdem wichtig<br />

mit Allah in Verbindung zu bleiben.<br />

3. In welchen Situationen ist es dir<br />

besonders wichtig?<br />

Zum Beispiel vor Schularbeiten und<br />

Tests oder wenn ich ausweglos in einem<br />

Problem stecke. Meistens mache ich Bittgebete,<br />

wenn ich das Gefühl habe Allah<br />

dringendst zu brauchen oder wenn es mir<br />

oder anderen nicht gut geht oder wenn<br />

ich Angst habe.<br />

<strong>4.</strong> Wofür betest du?<br />

Jeder von uns hat besondere Bedürfnisse,<br />

beginnend bei Gesundheit bis hin zum<br />

Erwerb von Materiellem. Ich persönlich<br />

bete auch oft, wenn es mir „seelisch“ nicht<br />

gut geht. Ich bitte Allah um seine Vergebung<br />

und Barmherzigkeit, aber natürlich<br />

auch um Erfolg im Leben.<br />

5. Wo betest du?<br />

Mir ist es lieber, wenn ich alleine in<br />

meinem Zimmer bin und bete. Die Anwesenheit<br />

einer anderen Person ist für<br />

mich eine Störung, weil ich das Bittgebet<br />

als eine private Beziehung zwischen mir<br />

und Allah sehe. Vor allem bin ich auch<br />

gerne alleine beim Bittgebet, weil ich sehr<br />

oft emotional werde und mich das Dasein<br />

von Anderen beim Beten einschränkt.<br />

TASNIM SALEM<br />

17<br />

Schülerin<br />

33


GESUNDHEIT<br />

Alles Zusatz oder was<br />

TEIL IV<br />

In den bisherigen <strong>Ausgabe</strong>n haben wir<br />

die Zusatzstoffe Zitronensäure (E330),<br />

Aspartam (E951), Carrageen (E407) und<br />

Glukose-Fruktose-Sirup behandelt. In<br />

der aktuellen <strong>Ausgabe</strong> möchte ich auf<br />

Einflussfaktoren in unserer Nahrung<br />

eingehen, die unser Gemüt und unser<br />

Nervensystem beeinflussen.<br />

Bisher vermutete man als Auslöser für<br />

eine Depression die dunkle Jahreszeit,<br />

Lebensverhältnisse, traumatische Erfahrungen<br />

usw. Nun werteten Schweizer<br />

Forscher, unter der Leitung von<br />

Undine Lang (Direktorin der Erwachsenenpsychiatrischen<br />

Klinik und Privatklinik<br />

Basel), hunderte von Studien<br />

aus, die die Effekte der modernen Industrienahrung<br />

auf die Stimmungslage<br />

des Menschen analysierten. Man fand<br />

heraus, dass je mehr verarbeitete Lebensmittel<br />

Menschen zu sich nahmen,<br />

desto schlechter ihre Stimmung war.<br />

„Zudem zeigte sich der Verzehr von gesüßten<br />

Getränken, raffinierten Lebensmitteln,<br />

frittiertem Essen, verarbeitetem<br />

Fleisch, raffiniertem Getreide sowie eine<br />

hohe Fettaufnahme, das mahlzeitenungebundene<br />

Essen von Keksen und Gebäck<br />

in Längsschnittstudien als mit einem<br />

erhöhten Risiko für Depressionen<br />

assoziiert“, so die Autoren der Studie.<br />

Nun, wie kann man diesen Effekt erklären?<br />

Es wird vermutet, dass in Junk Food<br />

bestimmte Nährstoffe fehlen, die unsere<br />

Stimmungslage im Nervensystem beeinflussen,<br />

wie z. B. Magnesium, Calcium,<br />

aber auch Chrom, Eisen, Zink und bestimmte<br />

B-Vitamine. Zudem mangelt es<br />

an ungesättigten Fettsäuren, vor allem<br />

den berühmten Omega-3-Fetten, die bekanntlich<br />

einen deutlich positiven Effekt<br />

auf die Stimmung zeigen, aber leider<br />

nicht so lange haltbar sind. In der Lebensmittelbranche<br />

kann man so was nicht gebrauchen,<br />

denn die Waren müssen möglichst<br />

lange verkäuflich bleiben. Aber<br />

auch entzündungsfördernde Substanzen<br />

sind im industriell geprägten Essen mit<br />

entscheidend, denn die industriellen<br />

Transfettsäuren - entstehen beim Härten<br />

von Fetten - führen im Gehirn unter anderem<br />

zu Zellschäden.<br />

Es ist sehr auffällig, dass die Zahl der Patienten,<br />

die an Depressionen, Migräne,<br />

Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizit<br />

leiden, zugenommen hat. Alle diese<br />

Erkrankungen betreffen das Nervensystem.<br />

Auch Farbstoffe können das Nervensystem<br />

negativ beeinflussen, wie z.<br />

B. das Tartrazin (E102), ein chemisch produzierter,<br />

zitrusgelber Azofarbstoff, der<br />

künstlich aus Erdöl hergestellt wird, stabil<br />

gegenüber Säure, Licht und Hitze ist<br />

und sich gut in wässrigen Lebensmitteln,<br />

wie Senf und Säften, Pudding und Pasteten,<br />

anwenden lässt. In der Lancet wurde<br />

2007 in England in der sogenannten<br />

„Southampton-Studie“, die doppelblind<br />

und Placebo-kontrolliert durchgeführt<br />

worden ist, publiziert, dass es einen direkten<br />

Zusammenhang zwischen der<br />

Nahrungsaufnahme von Farbstoffen,<br />

wie Tartrazin (E102), sowie Benzoesäure<br />

(E210 bis E213) und dem hyperaktiven<br />

Verhalten von Kindern im Alter von 3<br />

bis 8/9 Jahren gibt. In hohen Dosen erwies<br />

sich der Farbstoff in Reagenzglasund<br />

Tierversuchen als potentiell erbgutschädigend,<br />

krebserregend und schädlich<br />

für das Immunsystem. Zudem kann der<br />

Farbstoff auch Aluminium enthalten,<br />

ohne dass es auf dem Etikett angegeben<br />

34


GESUNDHEIT<br />

sein muss, das bekanntermaßen im Verdacht<br />

steht, Demenzerkrankungen im<br />

Gehirn, wie die Alzheimer- und Parkinsonkrankheit,<br />

zu fördern. Aluminium<br />

beeinflusst als Metallöstrogen zudem die<br />

weiblichen Geschlechtshormone und beeinträchtigt<br />

so unter anderem die Fortpflanzungsfähigkeit.<br />

Zunächst war die<br />

Anwendung auf alkoholische Getränke<br />

eingeschränkt. Der Anwendungsbereich<br />

ist aber nach einer Gesetzesangleichung<br />

in der Europäischen Union seit 1998<br />

vergrößert worden. Nun findet sich Tartrazin<br />

auch in anderen Produkten, wie<br />

gelben Brausegetränken, Süßwaren wie<br />

Kekse und Puddings, Senf oder Pasteten.<br />

Es färbt auch Käserinden und Kunstdärme.<br />

Azofarbstoffe lösen bei empfindlichen<br />

Menschen allergische oder allergieähnliche<br />

Hautreaktionen aus, wie etwa<br />

Nesselsucht (Urtikaria). Eine bestehende<br />

Neurodermitis (atopisches Ekzem) bei<br />

Kindern kann hierdurch verschlechtert<br />

werden. Mit Tartrazin-Lösungen konnte<br />

in offenen Provokationstests bei empfindlichen<br />

Asthmatikern, Atemnot und<br />

asthmaähnlichen Anfälle ausgelöst werden.<br />

Ein weiterer Farbstoff, deren Verzehr<br />

eingeschränkt werden sollte, ist das in<br />

den USA, Australien und Norwegen<br />

verbotene Chinolingelb (E104), das synthetisch<br />

produziert wird, wasserlöslich<br />

ist und eine große Stabilität gegenüber<br />

Licht und Hitze besitzt. Wie Tartrazin<br />

kann auch Chinolingelb Aluminium enthalten,<br />

ohne dass es gekennzeichnet ist.<br />

Dieser gelbe Farbstoff wird oft für grüne,<br />

industriell hergestellte Lebensmittel<br />

verwendet und mit Blau kombiniert, wie<br />

z. B. in Fruchteis, alkoholfreien Getränken,<br />

Süßwaren und Desserts. Chinolingelb<br />

kann kontaktallergische Reaktionen<br />

(Kontaktekzeme) auslösen und wirkte in<br />

Reagenzglasversuchen nerven- und erbgutschädigend.<br />

Lebensmittel, die eingefärbt werden mit<br />

Azofarbstoffen, wie z. B. Tartrazin (E 102),<br />

Gelborange S (E 110), Azorubin (E 122),<br />

Cochenillerot (E 124), Allurarot (E 129)<br />

oder dem Farbstoff Chinolingelb (E 104),<br />

müssen nun nach einer Entscheidung des<br />

EU-Parlamentes vom 08.07.2008 einen<br />

Warnhinweis tragen: „Kann sich nachteilig<br />

auf die Aktivität und Konzentration<br />

von Kindern auswirken“/“Kann Aktivität<br />

und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen.“.<br />

Unglücklicherweise wird<br />

der Einsatz immer noch nicht reduziert.<br />

Zuletzt entdeckte die Verbraucherzentrale<br />

Schleswig-Holstein die Farben Ende<br />

2012 vermehrt in Halloween-Süßigkeiten<br />

für Kinder. Bleibt zu hoffen, dass immer<br />

mehr Verbraucher informiert werden<br />

und letztlich die Waren nicht mehr kaufen.<br />

Denn immer noch regelt die Anfrage<br />

das Angebot. Wenn die Waren einfach in<br />

den Regalen bleiben, dann lässt sich kein<br />

Geld machen, was die Industrie dann hoffentlich<br />

zum Umdenken zwingt. Zwar<br />

ein Wunschdenken, aber die Hoffnung<br />

sollte man nie aufgeben ;-)<br />

Viel Gesundheit wünscht euch,<br />

ESMA KEDIKLI<br />

(Ärztin und Heilpraktikerin)<br />

35


GESUNDHEIT<br />

Gesundheit aus der<br />

<strong>CHAI</strong> - Apotheke<br />

In den Wintermonaten ist<br />

Bewegung bei vielen Mitmenschen<br />

leider nicht an der<br />

Tagesordnung. Und wenn man<br />

dann auch noch „gut gegessen“<br />

hat, dann schlägt das oft auf<br />

die Verdauung. Hier ein paar<br />

förderliche Gewürze bzw. Arzneipflanzen<br />

zur Verdauungsförderung<br />

;-)<br />

ANIS:<br />

• Wirkt bei Blähungen, weil es die<br />

Magen- und Darmmuskulatur<br />

entspannt<br />

• Bekämpft gasbildende Darmbakterien<br />

• Kurbelt die Durchblutung der<br />

Darmschleimhaut an<br />

• Regt die Speichel- und<br />

Magensaftproduktion an<br />

Verwendung: Das ätherische Öl der Anissamen,<br />

welches eigentlich das Wirksame<br />

ist, erhält man durch Quetschung der<br />

Samen.<br />

1. Man nehme 1 gehäuften Teelöffel<br />

gequetschter Samen und gebe diesen in<br />

eine Tasse.<br />

2. Man gieße nun mit kochendem Wasser<br />

auf und lasse das ganze 10 Minuten<br />

ziehen.<br />

Cave: Anis sollte lichtgeschützt aufbewahrt<br />

werden, sonst kann es eine östrogenartige<br />

Wirkung entfalten.<br />

36


GESUNDHEIT<br />

KARDAMOM:<br />

• Fördert den Gallenfluss, daher<br />

empfehlenswert nach schwerem,<br />

fettigem Essen. Bekämpft gasbildende<br />

Darmbakterien<br />

• Überdeckt unangenehmen Mundgeruch<br />

(Kardamomsamen einfach kauen)<br />

GEWÜRZE<br />

Wichtig: Kardamom wächst in Kapseln.<br />

Die Kapseln als Ganzes kaufen und die<br />

Samen bei Bedarf entnehmen. Das ätherische<br />

Öl befindet sich in den Samen, die vor<br />

der Anwendung frisch gequetscht werden<br />

sollten, sonst verfliegt viel ätherisches Öl.<br />

Verwendung:<br />

1. Nach jeder Mahlzeit 1-2 Teelöffel Samen<br />

(aus der Kapsel entnehmen)<br />

2. mit 200 ml kochendem Wasser aufgießen<br />

und<br />

3. 5-10 Minuten ziehen lassen.<br />

Cave: durch die Förderung des Gallenflusses<br />

ist bei Gallensteinleiden vor der Anwendung<br />

ein Arzt zu befragen.<br />

37


GESUNDHEIT<br />

GEWÜRZE<br />

ZIMT – CEYLON:<br />

• Wirkt verdauungsfördernd, weil die<br />

Vorwärtsbewegung im Magen-Darm-<br />

Trakt angeregt wird. Es lindert zudem<br />

Übelkeit.<br />

Verwendung: Am besten vor einer üppigen<br />

Mahlzeit 1 Teelöffel zerkleinerte Zimtrindenstücke<br />

mit 200 ml kochendem Wasser<br />

übergießen und 10 Minuten ziehen lassen.<br />

1. Man nehme 1 gehäuften Teelöffel<br />

gequetschter Samen und gebe diesen in<br />

eine Tasse.<br />

2. Man gieße nun mit kochendem Wasser<br />

auf und lasse das ganze 10 Minuten<br />

ziehen.<br />

Cave: es wirkt Wehen fördernd, daher<br />

sollten Schwangere vorsichtig damit sein.<br />

Allergien könnten bei Allergikern<br />

ausgelöst werden.<br />

Wichtig: Chinesischer Cassia-Zimt, der im<br />

Handel üblicherweise zu finden ist, enthält<br />

mehr Cumarine Blutverdünner, da dieser<br />

mit der äußeren Rinde verarbeitet wird.<br />

Daher ist es besser den ceylonesischen<br />

Zimt vorzuziehen, der gekennzeichnet ist.<br />

38


GESUNDHEIT<br />

GESCHIRRSPÜLMASCHINEN-<br />

PULVER:<br />

Wenn man bedenkt, wie viel Reste am Geschirrspülmittel<br />

und Klarspüler nach einem<br />

Waschgang auf dem Geschirr übrig bleibt,<br />

möchte man am liebsten mit Hand abwaschen.<br />

Manchmal sind aber die neuen Geräte<br />

- was die Wasserbilanz angeht - doch ökologisch<br />

besser als per Hand abzuwaschen.<br />

Das Dilemma ist vorprogrammiert. Entweder<br />

man benutzt teure Bio-Produkte aus<br />

den Bio-Läden oder man mischt sich selbst<br />

eine Mischung aus drei Zutaten, aus denen<br />

auch die meisten Bio-Produkte bestehen.<br />

SELF-MADE<br />

von Esma Kedikli, Ärztin und Heilpraktikerin<br />

Hier geht’s zur Anleitung:<br />

400g Waschsoda mit<br />

200g Zitronensäure und<br />

100g Natron (Karbonat) mischen.<br />

Von dieser Mischung 1,5 EL pro Waschgang<br />

ins Pulverfach geben. Die Zutaten hierfür<br />

finden sich z. B. bei Müller und Merkur.<br />

Natron/ Karbonat findet man beispielsweise<br />

überall, meist sind aber die türkischen<br />

Läden günstiger ;-)<br />

Achtung: Der Kalkgehalt im Waschwasser<br />

ist in verschiedenen Regionen ganz unterschiedlich.<br />

Ratsam ist es eine kleine Portion<br />

in dem oben genannten Verhältnis<br />

zunächst zu mischen und auszuprobieren.<br />

Bei kalkarmen Regionen genügt manchmal<br />

sogar auch nur 100g Zitronensäure. Wenn<br />

die Gläser/das Geschirr Kalkablagerungen<br />

bzw. Schlieren aufweisen, dann bitte einfach<br />

mehr Zitronensäure hinzufügen.<br />

39


GESUNDHEIT<br />

HALAL KONFORM<br />

INTERVIEW MIT DEMET SAYIN<br />

<strong>CHAI</strong> MAGAZIN (CM): STELLE DICH BITTE<br />

VOR, LIEBE DEMET<br />

Demet: Salam alaikum! Ich bin die Demet, also<br />

Vertrauensperson in der Community ;) Ich bin<br />

1989 in Istanbul geboren und komme aus Wiener<br />

Neustadt. Meine Ausbildungen habe ich im medizinischen<br />

Bereich abgeschlossen und bin jetzt<br />

beim Roten Kreuz in der Blutspendezentrale tätig.<br />

CM: WELCHE ROLLE SPIELT DAS THEMA<br />

„HALAL“ IN DEINEM LEBEN?<br />

Demet: Das Thema „Halal‘‘ bezieht sich nicht<br />

nur auf Lebensmittel, sondern auf alle Bereiche<br />

der islamischen Lebensweise. Im Gegensatz dazu<br />

steht der Begriff „Haram“, welches übersetzt<br />

„Verboten“ heißt und ebenfalls alle Speisen und<br />

Handlungen umfasst, von denen sich Muslime<br />

fernhalten müssen.<br />

Halal-Ernährung habe ich schon immer bevorzugt,<br />

daher versuche ich mein Leben danach zu<br />

richten und meinen Mitmenschen ein Vorbild zu<br />

sein.<br />

CM: WAS HEISST HALAL IN BEZUG AUF<br />

ESSEN FÜR DICH?<br />

Demet: Für mich persönlich fällt unter den Halal-<br />

Begriff nicht nur die Schächtung von Tieren oder<br />

die Inhaltsstoffe in den Produkten, sondern auch<br />

die Haltung von Tieren sowie der Anbau von Lebensmitteln.<br />

Für mich ist alles wichtig. Ich bevorzuge<br />

eher Bio- und Vegan Produkte!<br />

CM: WAS IST „HALAL-AUSTRIA“?<br />

Demet: Halal-Austria ist eine Non-Profit-Organisation,<br />

welche von mir ins Leben gerufen wurde.<br />

Sie wird unter meiner Leitung und einer Gruppe<br />

ehrenamtlich tätiger Personen geführt. Die<br />

Leistungen unserer Organisation umfassen die<br />

Recherche der sich am österreichischen Markt<br />

befindenden Lebensmittel nach islamischer Konformität.<br />

Im Rahmen dieser Untersuchungen<br />

werden die Zutaten bestimmter Lebensmittel<br />

überprüft, Anfragen an die jeweiligen Hersteller<br />

gestellt und darauffolgend die Produkte eingestuft.<br />

In Fällen, wo eine Einstufung nicht eindeutig<br />

gemacht werden kann, wenden wir uns an<br />

„Fikh“ (Rechtswissenschaft des Islams) Gelehrte,<br />

die für uns eine Einstufung vornehmen.<br />

CM: WELCHE MOTIVATION STECKT HIN-<br />

TER „HALAL-AUSTRIA? BESCHREIBE UNS<br />

BITTE DEN ABLAUF DEINER VORGE-<br />

HENSWEISE BEI „HALAL AUSTRIA“<br />

Demet: Halal Nahrung ist ein sehr wichtiges Thema<br />

für uns. Unsere Leute haben oft große Schwierigkeiten<br />

beim Einkaufen, vor allem die, die kein<br />

Deutsch verstehen. Es gibt Mitmenschen, die auf<br />

Zusatzstoffe in Lebensmitteln keinen Einblick haben<br />

und trotz dessen falsche Informationen und<br />

Lügen verbreiten. Deswegen habe ich diese Organisation<br />

gestartet und jetzt machen wir eine offizielle<br />

Mobilapp daraus. Diese wird auf Deutsch<br />

und Türkisch sein, somit kann sich jeder Interessent<br />

kostenlos Informationen über Produkte holen<br />

und auf diese mehr Acht geben.<br />

Dies führt dazu, dass die Menschen mit der Zeit<br />

besser zwischen Halal - und Haram Produkten<br />

unterscheiden können und dadurch Halal Produkte<br />

mehr schätzen werden.<br />

CM: WIE GEHST DU MIT UNTERSCHIED-<br />

LICHEN MEINUNGEN IN BEZUG AUF<br />

HALAL-ESSEN UM?<br />

40


DEMET SAYIN<br />

GESUNDHEIT<br />

Demet: Da in Österreich ein Großteil der Muslime<br />

der hanafitischen Rechtsschulen angehört,<br />

bewerten wir im Großen und Ganzen die Lebensmittel<br />

nach dieser Sichtweise. Jedoch sind in Österreich<br />

auch andere islamische Meinungen und<br />

Rechtsschulen vertreten. Damit wir auch deren<br />

Ansichten berücksichtigen und inkludieren können,<br />

werden wir uns nun auch die anderen Meinungen<br />

von verschiedenen Gelehrten einholen.<br />

Es ist jetzt sogar ein Folder über „Halal Austria“ in<br />

Bearbeitung, in dem unsere Mitglieder und Follower<br />

unterschiedliche Meinungen lesen und dann<br />

eine selbstständige Entscheidung treffen können.<br />

Dieser Folder wird auf Türkisch und Deutsch<br />

veröffentlicht.<br />

CM: WELCHE REAKTIONEN BEKOMMST<br />

DU VON DEN USERN IM NETZ AUF DEINE<br />

POSTINGS?<br />

Demet: Ich kann sagen, dass die Reaktionen der<br />

User immer positiv sind, Alhamdulillah! Es gibt<br />

nur manchmal Verständnisprobleme, die durch<br />

die Mails und die Fatwas (Rechtsauslegungen)<br />

entstehen. Aber ich versuche die Informationen<br />

immer gut verständlich zu erklären.<br />

CM: GAB ES WÄHREND DEINER RECHER-<br />

CHEN ÜBERRASCHUNGSMOMENTE?<br />

WENN JA WELCHE?<br />

Demet: Ja! Zum Beispiel hat mich eine österreichische<br />

Bäckerei mal gefragt, wie man zu einem<br />

Halal-Zertifikat kommen kann. Sie würden es<br />

eventuell in ihr Konzept einführen wollen. Dies<br />

hat mich sehr überrascht. Die Firmen geben sich<br />

um unsere Fragen und Anliegen sehr viel Mühe,<br />

Alhamdulillah.<br />

CM: NENNE 3 PRODUKTE, DIE DU GERNE<br />

ESSEN WÜRDEST, ABER DEREN INHALTE<br />

FÜR DICH NICHT HALAL SIND?<br />

Demet: Maoam Kracher, Schokopudding mit Sahne<br />

und Lachgummi (enthalten alle Gelatine).<br />

CM: WELCHE TIPPS MÖCHTEST DU DEN<br />

<strong>CHAI</strong>-LESERN IN BEZUG AUF HALAL-ES-<br />

SEN MITGEBEN?<br />

Demet: Wir Muslime sollten uns von islamisch<br />

bedenklichen Nahrungsmitteln immer fernhalten,<br />

das ist eine Empfehwlung unseres Propheten<br />

(Friede und Segen auf ihn).<br />

Wir müssen nicht alles essen, was uns geboten<br />

wird, denn für uns Muslime ist an erster Stelle<br />

Halal-Nahrung ein sehr wichtiger Aspekt!<br />

Wir als „Halal Austria“- Team recherchieren für<br />

die Muslime, was in welchen Lebensmitten enthalten<br />

ist und legen das schriftlich vor!<br />

ALLE LESER UND LESERIN-<br />

NEN KÖNNEN UNS GERNE<br />

JEDERZEIT ÜBER UNSERE<br />

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ANSCHREIBEN ODER DAZU-<br />

GEHÖREN.<br />

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GELADEN.<br />

41


KUNST<br />

Blickwinkel: BUNT!<br />

„Du guckst in die falsche Richtung.“ Verunsichert<br />

drehte ich mich um und war geblendet<br />

vom Licht der aufgehenden Sonne. Sie<br />

glühte dunkelrot.<br />

„Was siehst du?“, fragte er.<br />

„Einen wunderschönen Sonnenaufgang<br />

über den grauen Fassaden.. Das Bunte trifft<br />

auf das Graue – ein wunderschöner Kontrast.<br />

Was sehen Sie?“<br />

„Den Beginn eines Lebens, einen neuen Versuch,<br />

ein Meer voller Scheitern. Hoffnung<br />

und Ratlosigkeit. Und einen wunderschönen<br />

Sonnenaufgang über dem Horizont.<br />

Setz dich zu mir, heute brauche ich nichts.“<br />

„Schauen Sie deswegen immerzu zum Horizont?<br />

Um die Sonne zu beobachten?“, fragte<br />

ich, während ich mich auf den Boden setzte<br />

und die Farben und Pinsel auspackte.<br />

42


KUNST<br />

Eine scheinbar schwierige Sache das Malen.<br />

Ist es die Hand, die der Kreativität und der<br />

Technik nicht folgt? Oder ist die Hürde eine<br />

reine Kopfsache? Wird es mit dem Alter<br />

verlernt? Oder können wir auch so einfach<br />

drauflos malen wie die Kinder?<br />

In diesem Kapitel werden ein paar Tipps<br />

und Tricks gegeben, die den Einstieg zur<br />

Malerei erleichtern. Acrylfarben sind wegen<br />

ihrer Konsistenz gut für das Malen geeignet,<br />

wenn man keine klare Struktur für<br />

das Malen geplant hat, man kann damit also<br />

einfach drauflosmalen.<br />

Man nehme sich eine Leinwand für den<br />

Anfang am besten in kleinem Format.<br />

Landschaftsbilder, wo der Fokus nur auf<br />

die Farbübergänge gerichtet ist, sind am<br />

einfachsten. Acrylfarben besitzen eine<br />

hohe Farbintensität, deshalb eignen sie sich<br />

besonders für Bilder, die auf starke und<br />

leuchtende Farben setzen sollen. Sei es der<br />

Übergang von Blau zu Orangerot, oder von<br />

Goldgelb zu Orangerot - am besten nimmt<br />

man sich einen Schwamm und tupft an eine<br />

Ecke der Leinwand die gewünschte Farbe<br />

und mischt nach und nach die zweite Farbe<br />

auf der Leinwand zu der bereits gemalten<br />

Fläche dazu. Je nach Belieben kann man<br />

auch metallisches Grau oder Gold dazu mischen,<br />

um Akzente zu setzen. Nachdem der<br />

Hintergrund getrocknet ist, kann man mit<br />

einem Bleistift den Vordergrund auf die<br />

Leinwand zeichnen und dann mit einem<br />

Haarpinsel nachmalen. Die deckende Eigenschaft<br />

der Farben macht es möglich, das<br />

Gemalte noch einmal auszubessern nachdem<br />

es eingetrocknet ist.<br />

43


KUNST<br />

Mit einer Nadel kann man die Farbe in definierten<br />

Formen auf die Leinwand bringen,<br />

was den Bildern Vitalität verleiht. Das<br />

Gleiche kann man auch mit Strukturpaste<br />

machen. Diese kann man einfach so auf die<br />

Leinwand aufbringen oder auch mit Farbe<br />

vermischen und dann auftragen.<br />

Eine andere Maltechnik – „Splattering“ oder<br />

besser bekannt auch als Spritztechnik lassen<br />

sich zauberhafte Bilder in wenigen<br />

Minuten herstellen. Du kannst mehrere<br />

Farben nebeneinander oder übereinander<br />

spritzen, bis eine Struktur entsteht, die dir<br />

gefällt.<br />

44


KUNST<br />

Ayse nur koyun<br />

45


KUNST<br />

Der Sinn<br />

von Kunst<br />

und Drei,<br />

zwei, eins!<br />

…ein Gefühl für Ästhetik ist Kunst- die<br />

Wahrnehmung der Schönheit. Man denke<br />

an eine Ideenfabrik, die schöne Wahrnehmungen<br />

verarbeitet, und Kunst steht an<br />

beiden Enden dieser Produktion.<br />

Am Anfang ist Kunst- Leidenschaft. Am<br />

Ende ist Kunst Berührung. Kunst ist -<br />

Produkt unserer Leidenschaft und Verführung...<br />

Vorsicht! Sie steht unter Eid- für<br />

die Schaffung, für das Universum und<br />

allen seinen wertvollen Bewohnern, mit<br />

Leib und Seele, dienlich zu sein. Doch wer<br />

schafft Kunst nur? In seiner ganz eigenen<br />

Weise wohl jedes Lebewesen, daher sind<br />

sie alle wertzuschätzen. Nur erkennen wir<br />

sie nicht alle. Kunst verstehen wir nicht<br />

alle. Sie erfordert Mut zur Hingabe und<br />

Blick hinter Kulissen. Kulissen, die real und<br />

oft tragisch scheinen. Kulissen, die aufgestellt,<br />

und dann wieder verlassen. Alles<br />

nach Regie.<br />

46


KUNST<br />

„Wir selbst sind<br />

Kunst des<br />

allerhabenen<br />

Künstlers und zu<br />

Kunst befähigt<br />

aus Leidenschaft.<br />

Kunst steckt<br />

also in aller<br />

Natur.“<br />

- Öznur Yadikar<br />

*Bilder: Hatun Colak http://hcc-design.de/home/#<br />

Kunst schafft viel, daher bedarf es einer<br />

Waagschale zu entscheiden, was und wie<br />

viel? Es sei eine göttliche Gabe des allmächtigen<br />

Schöpfers- zu künsteln. Wir selbst<br />

sind Kunst des allerhabenen Künstlers und<br />

zu Kunst befähigt aus Leidenschaft. Kunst<br />

steckt also in aller Natur. In Umwelt und<br />

aller Seelenruhe. Wozu aber künstele ich<br />

Einzelner, frage ich mich? Gefühl und Fähigkeit<br />

sind uns angelegt, soweit klar, aber<br />

was macht es schon, wenn wir sie nicht<br />

teilen.<br />

Stillstand! Wir sind bestrebt uns zu vereinen<br />

und Freuden zu teilen und Leiden zu<br />

spalten und mitzuleiden, wenn wir einmal<br />

betroffen werden. Dazu ist Kunst gut… Um<br />

all die Schönheit auf Erden, die ich wahrnehme,<br />

zu beschreiben, meine Eindrücke<br />

an deine Seele mitzutragen. Deiner Seele<br />

seine Sicht um meine zu erweitern und<br />

mich, um deine Eindrücke zu bereichern.<br />

47


verschiedensten Materia<br />

KUNST<br />

schOEpferisches<br />

Gestalten aus den<br />

oder mit den Mitteln der Sp<br />

Töne in Auseinanders<br />

mit Natur und Welt<br />

- DUDEN Online<br />

Künstler haben einen Bildungsauftrag<br />

und beschreiben nicht nur, was schön ist,<br />

sondern drücken sich aus durch Wortmalerei<br />

und Gesang und Schrei- erwecken den<br />

Müden aus seinem Tiefschlaf.<br />

Künstler schaffen nicht nur, was zur<br />

Schönheit dienlich ist, sondern weiten den<br />

Horizont um Farben, um Klänge um Berge<br />

von Lehren und Sagen. Worte der Kunst<br />

sind eigentlich schön geformte Taten. Nur<br />

hohe Kunst vermag es hohe Türme von<br />

Hass zum Fallen zu verleiten. Kein Schutt,<br />

keine Asche, Dünger für schönes Gedeihen.<br />

Kunst ist es, dem Leben seinen Sinn zu<br />

verleihen, und künsteln ist es, Erfahrungen<br />

schön zu formen, sie schön zu malen.<br />

Wenn Kunst gegeben, um sie wahrzunehmen,<br />

das Talent zu kreieren, sie mit feinster<br />

Bedeutung zu vermählen, all das heißt<br />

Vermögen zu investieren und um diesen<br />

Sinn- schön zu leben.<br />

48


KUNST<br />

lien<br />

rache, der<br />

etzung<br />

KUNST<br />

Doch- Menschen vereinen, verstehen erst,<br />

wenn ihnen schmerzliches Leid widerfährt,<br />

sich zu guter Letzt ein schöner<br />

Schluss bewährt. Menschen verändern<br />

erst, wenn sie schön klar eine Weisheit belehrt,<br />

welche Kunst hinter alledem steckt,<br />

was zuvor noch unschön erschien, denn<br />

diese wollten oder konnten sie nicht leben,<br />

nicht sehen, einfach nicht verstehen.<br />

Und Menschen sprechen Wörter in Satzreihe<br />

und Gefüge. Wo bleiben die Worte der<br />

inneren Stimmnatur, Was verspricht das<br />

Herz nur? Du, Einzelner, beherrsche deine<br />

Kunst - Mensch zu sein und sprich weise,<br />

wie leise- male schön und nimm Farben<br />

hell, bunt, schwarz. Schreibe, lese, singe,<br />

stelle auf, verrücke...alles ist Kunst, wo gut<br />

gemeinter Sinn steckt und künstle nur,<br />

wenn Du Herzen erreichen kannst. Tue!<br />

Schreibe, lese, singe, stelle auf, verrücke...<br />

alles ist Kunst, wo gut gemeinter Sinn<br />

steckt und künstle nur, wenn Du Herzen<br />

erreichen kannst. Tue!<br />

- ÖZNUR YADIKAR<br />

49


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nach Österreich gekommen sind, bei ihrer sprachlichen<br />

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in kostenlosen Lerngruppen Deutsch und geben<br />

ihnen die Möglichkeit das im Deutschkurs Gelernte in der<br />

Praxis anzuwenden. Besonders das Sprechen in zwangloser<br />

Umgebung und der Austausch mit Einheimischen<br />

ist für Flüchtlinge wichtig, um Österreich kennenzulernen<br />

und ihre Deutschkenntnisse auch im Alltag anwenden zu<br />

können. Räumlichkeiten, Lernmaterialien und Weiterbildungsworkshops<br />

für die Freiwilligen stellt der ÖIF zur<br />

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Tanya Kayhan ist Journalistin mit Leib und Seele. Bereits<br />

in jungen Jahren war sie in Kabul als Redakteurin und<br />

Nachrichtensprecherin für das Staatsfernsehen tätig. „Nebenbei<br />

habe ich mich auch bei regierungskritischen Medien<br />

engagiert“, erzählt Kayhan. Das brachte ihr den Zorn<br />

des Taliban­Regimes ein. Deshalb musste die 30­jährige<br />

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SOZIAL<br />

NBA und<br />

“Diener des Giganten“<br />

52


w<br />

SOZIAL<br />

von Fatima NADA<br />

KAREEM ABDUL-JABBAR ist mit<br />

38.387 Punkten einer der erfolgreichsten<br />

Basketballer der amerikanischen Geschichte.<br />

Er spielte von 1969 bis 1989 in der NBA,<br />

verließ den Verein und wurde dann in die<br />

„Hall of fame“ aufgenommen.<br />

In seinen frühen Jahren wollte er Baseballspieler<br />

werden, doch als er schon mit 9<br />

Jahren eine Körpergröße von 1.70 m erreichte,<br />

war seine Zukunft als Basketballer<br />

vorherbestimmt. Er räumte einen Preis nach<br />

dem Anderen ab und brach die einen oder<br />

anderen Basketball-Rekorde. Seinetwegen<br />

mussten sogar Regeln, wie zum Beispiel das<br />

„Dunking“ (das Stopfen des Balles von oben<br />

in den Korb), verboten werden. Infolgedessen<br />

entwickelte er eine neue Strategie, den<br />

sogenannten „Sky Hook“, einen Hakenwurf,<br />

gegen den man praktisch keine Chance<br />

hatte.<br />

Neben seiner hervorragenden Karriere als<br />

Basketballer schrieb er auch Bücher, wie<br />

zum Beispiel „Mycroft Holmes“. Außerdem<br />

spielte er als Hauptprotagonist im Film „Airplane!“<br />

mit und hatte sämtliche Gastauftritte<br />

in amerikanischen Fernsehsendungen.<br />

Kareem Abdul-Jabbar wurde am 16. April<br />

des Jahres 1947 als Lewis Alcindor geboren.<br />

1971 konvertierte er zum Islam und änderte<br />

seinen Namen in Abdul-Jabbar, übersetzt:<br />

„Diener des Giganten“.<br />

KAREEM ABDUL-JABBAR<br />

IM FILM<br />

GAME OF DEATH<br />

VON BRUCE LEE, DER<br />

WÄHREND DEN DREHAR-<br />

BEITEN STARB.<br />

53


SOZIAL<br />

HELFEN<br />

Auch außerhalb der Grenzen!<br />

SOZIALPROJEKT: JORDANIEN<br />

54


SOZIAL<br />

Bevor meine Reise begann, musste ich mir<br />

natürlich erst mal zahlreiche Kommentare<br />

anhören. Wie verrückt ich doch sei, oder<br />

noch besser, wie verrückt meine Eltern seien,<br />

da sie mich bei dem Ganzen unterstützten.<br />

Wenn ich Menschen helfen wolle, solle<br />

ich doch einfach Geld spenden, hieß es immer<br />

wieder. Ich dagegen ärgerte mich über<br />

diese eingeschränkte Denkweise. Schon immer<br />

war es mein Wunsch, Menschen aktiv<br />

vor Ort zu helfen, auch wenn die Hilfe nur<br />

darin bestand, ihnen ein Lächeln ins Gesicht<br />

zu zaubern.<br />

Vier Wochen lang arbeitete ich also als volunteer<br />

im Malki-Salaams Children Center<br />

in Amman, ein Institut, das syrische Flüchtlingskinder<br />

kostenlos tagsüber aufnimmt<br />

und betreut. Hier haben die Kinder, die sonst<br />

auf engstem Raum, meist ohne Fenster, und<br />

mit viel zu vielen Menschen leben, die Möglichkeit,<br />

sich in den großen Räumlichkeiten<br />

auszutoben. Ein tägliches Sportprogramm<br />

und verschiedene Aktivitäten werden unternommen,<br />

außerdem bekommen die Kinder<br />

eine feste Mahlzeit. Das besondere hier<br />

ist jedoch, dass die Kinder nicht einfach nur<br />

betreut werden, sondern dass man hier mit<br />

Psychologen zusammenarbeitet. Ein weiterer<br />

Grund, weshalb ich mich als angehende<br />

Psychologiestudentin für diese Arbeit<br />

entschieden hatte. Das Institut ist demnach<br />

nicht nur mit Spielsachen ausgestattet, sondern<br />

auch mit Räumlichkeiten für therapeutische<br />

Zwecke. Denn alleine kommen<br />

die Geflüchteten nicht aus ihrer schwierigen<br />

Situation heraus und brauchen oftmals<br />

psychologische Unterstützung.<br />

Aus dem Grund bin ich also nach Jordanien<br />

gereist. Um in dem Land, das zu den Ländern<br />

gehört, welches die meisten Flüchtlinge aufnimmt,<br />

helfen zu können. „Flüchtlinge“ – eigentlich<br />

mag ich diesen Begriff überhaupt<br />

nicht wegen seines abwertenden Klangs.<br />

Doch sie werden nicht umsonst so genannt,<br />

Flüchtlinge fliehen vor etwas. Wer verlässt<br />

denn schon freiwillig seine geliebte Heimat,<br />

um in runtergekommen, oftmals unerwünschten<br />

Zeltlagern zu leben? Es gibt<br />

triftige Gründe für eine Flucht, die häufig<br />

blutiger und erniedrigender sind, als wir es<br />

uns je erdenken können. Wann und ob sie<br />

überhaupt wieder in ihre zerstörte Heimat<br />

zurückkönnen, steht offen.<br />

55


SOZIAL<br />

Durch die Kooperation mit den Psychologen<br />

wussten wir immer von allem Bescheid.<br />

Alle Hintergrundinformationen über das<br />

Schicksal der Kinder wurden uns mitgeteilt,<br />

sodass wir besser auf das jeweilige Kind<br />

eingehen und Verständnis für dessen Verhalten<br />

aufweisen konnten. Doch genau darin<br />

lag auch die Herausforderung für mich.<br />

Manchmal wollte ich in Tränen ausbrechen,<br />

wenn ich ein Kind vor mir sah, und seine<br />

ganze Geschichte kannte. Zu wissen, dass es<br />

beispielsweise unter der Gewalt von „Soldaten“<br />

leiden musste, das Leid verewigt durch<br />

sämtliche Narben, dass Elternteile plötzlich<br />

spurlos verschwanden, und jeder schwieg,<br />

oder noch schlimmer, von ihm selbst zu hören,<br />

wie miserabel er aufwachsen musste.<br />

Trotz dieser Fakten durfte ich mein Lächeln<br />

nie verlieren, und hatte dadurch die Möglichkeit,<br />

ihnen Hoffnung und Mut zu schenken.<br />

„Du musst ihnen deine positive Energie<br />

übertragen“, brachte mir der dort arbeitende<br />

Psychologe bei, „aber nicht vergessen, sie<br />

dir über andere Wege wieder zurückzuholen,<br />

damit du selbst nicht an all diesen Tragödien<br />

leidest.“ Nie zuvor war mir klar, wie<br />

stark ein lächelndes Gesicht sein und wie<br />

viel es bewirken konnte.<br />

56


SOZIAL<br />

Besonders bewegt hat mich die Geschichte<br />

des kleinen Ahmads. Sein Vater verließ die<br />

Familie und flüchtete nach Deutschland, in<br />

der Hoffnung dort Sicherheit zu finden und<br />

später Ahmad, seine jüngere Schwester und<br />

seine Mutter mitzunehmen. Doch sobald er<br />

sich auf den Weg machte, hörte man kein<br />

Lebenszeichen mehr von ihm. Er kam nie<br />

mehr zurück. Als sich die Situation in Syrien<br />

immer weiter verschlechterte, ergriff<br />

Ahmads Mutter ebenso die Flucht, an der<br />

Hand ihre zwei Kinder, Richtung Jordanien.<br />

So kam Ahmad in Kontakt mit dem Children<br />

Center und ich lernte ihn kennen. Nachdem<br />

er erfahren hatte, dass ich aus Deutschland<br />

komme, drückte er mir einen Brief und eine<br />

Zeichnung in die Hand, mit der Bitte, seinen<br />

Vater in Deutschland zu finden und ihn zurückzuschicken.<br />

Unzählige solcher Geschichten bekam ich<br />

zu hören und mir wurde an dem Tag eins<br />

bewusst: diese Menschen brauchen uns! Sie<br />

benötigen nicht viel, nur eine sie haltende<br />

Hand, sie hörende Ohren, sie sehende Augen<br />

und sie spürende Herzen. Was sie als<br />

Freude empfinden, können wir nicht einmal<br />

nachvollziehen, weil diese Dinge für uns so<br />

selbstverständlich sind. Warum ich also<br />

davon berichte, ist, weil ich euch aufmerksam<br />

machen möchte, auf diese Menschen<br />

und ihre Geschichten. Immer wieder höre<br />

ich von Freunden, dass sie anderen helfen<br />

möchten. Aber immer wieder heißt es, sie<br />

wissen nicht wie sie diese Hilfsbedürftigen,<br />

wie etwa in Kriegsgebieten, erreichen können.<br />

Doch manchmal ist es einfacher, als<br />

man denkt. Und manchmal braucht dein<br />

Nächster genauso viel Hilfe, wie jemand<br />

aus unsicheren Ländern. Erkundigt euch,<br />

nehmt euch Zeit für sie, ich bin mir sicher,<br />

ihr werdet genauso begeistert sein, wie ich<br />

es bin. Und werdet euch genauso gesegnet<br />

fühlen, wie ich es tue. Unterschätzt Wohltaten<br />

nicht, und wenn ihr in der Lage seid,<br />

Gutes zu tun, egal welcher Größe, dann tut<br />

es. Vielleicht seid ihr die Antwort auf die<br />

Gebete anderer.<br />

RUMEYSA SOYLU<br />

57


SOZIAL<br />

MISSION (IM)POSSIBLE:<br />

VERGEBEN UND VERZEIHEN<br />

DU TUST MIR WEH.<br />

Wir bilden uns ein, jeder Mensch hätte es<br />

verdient schadenfrei durch das Leben zu<br />

waten. Dass das Ziel eines Menschen darin<br />

besteht, nach Glück zu streben. Vor allem<br />

uns MuslimInnen müsste es gut gehen, weil<br />

wir gottesfürchtig sind und irdisches uns<br />

nichts anhaben soll. Nun, die Realität ist<br />

da doch ein kleinbisschen anders. In Wirklichkeit<br />

erleben wir Schmerz und Trauer.<br />

Wir erleben Enttäuschung und Verluste.<br />

Schlimmer noch, wenn uns diese schmerzvollen<br />

Erlebnisse von uns nahen Personen<br />

zugefügt werden. Es fühlt sich an, als würde<br />

man verraten werden und von einem<br />

auf den nächsten Moment spürt man Wut,<br />

und in den schlimmsten Fällen Hass. Was<br />

kannst du dagegen tun? Was willst du tun?<br />

Wir neigen dazu, der Person in den meisten<br />

Fällen denselben Schmerz zufügen zu<br />

wollen. Vielleicht fangen wir sogar an Rachepläne<br />

zu schmieden und überlegen uns<br />

Wehrtaktiken im Falle eines Gegenangriffes.<br />

Im Schlachtfeld ist das sicherlich eine<br />

plausible Strategie. Im alltäglichen Leben ist<br />

das eine gewinnbringende Investition für<br />

mehr Schmerz, mehr Leid und mehr Trauer.<br />

Der Muslim, der mit den Menschen verkehrt<br />

und den Schaden davon geduldig erträgt,<br />

ist besser als der, welcher nicht mit ihnen<br />

verkehrt und den Schaden davon nicht<br />

geduldig erträgt. (Tirmidi)<br />

Schmerzen sind und bleiben unsere ständigen<br />

Begleiter hier auf dieser Welt. So wie die<br />

kleinen Glücksmomente tauchen sie dann<br />

auf, wenn wir sie am wenigsten erwarten.<br />

Da hilft es auch nicht, die Augen zu schließen<br />

und sie als nichtig zu empfinden. Sich<br />

selbst einzureden, dass es nicht schmerzt<br />

oder dass alles super läuft ist ein Trug, eine<br />

sinnlose Lüge. Uns werden Schmerzen zugefügt<br />

und wir haben diese so gut wie möglich<br />

zu akzeptieren. Wir haben zu trauern,<br />

bis der Schmerz dahin schwindet und wir<br />

haben uns einzugestehen, dass wir verletzt<br />

worden sind von einer nahstehenden Person.<br />

Schmerzen teilen sich nicht gern. Der<br />

Schmerz, der anderen zugefügt wird, hilft<br />

nicht den eigenen abzuschwächen. In dem<br />

Moment des Racheaktes kann man Glück<br />

empfinden. Auf die Dauer halten sie jedoch<br />

nicht. Wirklich glücklich wird man dann,<br />

wenn man diese Schmerzen anspricht und<br />

wenn man diese der Person mitteilen kann,<br />

die einem dieses Leid zugefügt hat. Es ist<br />

nicht leicht, den eigenen Schmerz in Worte<br />

zu fassen. Schwieriger ist der Zustand, es<br />

der Person selbst mitzuteilen ohne sie zu beschuldigen.<br />

Eine Kommunikation der Schmerzen gelingt<br />

dann, wenn man der Person ihre Tat<br />

vergeben hat. Vergeben bedeutet nämlich<br />

den Akt unabhängig von der Person wahrzunehmen.<br />

Also sagen zu können „die Person<br />

ist keine schlechte Person, sondern die<br />

Tat war schlecht“. Vergeben ist das Gefühl<br />

den Schmerz zu erdulden und die Person<br />

dahinter trotz seiner Fehler zu akzeptieren.<br />

58


SOZIAL<br />

Vergeben heißt zu wissen, dass niemand<br />

perfekt ist und alle mal Fehler machen können.<br />

So wie wir uns selbst verzeihen können<br />

und um Vergebung bitten, so sind wir auch<br />

verpflichtet ihnen Chancen zur Wiedergutmachung<br />

zu geben.<br />

Als Menschen sind wir darauf angewiesen<br />

Taten vergeben zu bekommen. Selbst der<br />

beste Mensch kann ins Fettnäpfchen treten<br />

oder mal einen schlechten Tag haben. Und<br />

auch der schlimmste Fehler dürfte nicht<br />

ohne Grund gemacht worden sein. Die Absicht,<br />

die dahinter gesteckt hat, muss auch<br />

nicht unbedingt schlecht gewesen sein. Viel<br />

eher hüten sich Personen, anderen um sich<br />

herum Leid zuzufügen. Allein dieses Wissen<br />

kann helfen viele dieser Taten zu tolerieren.<br />

Jemanden zu vergeben und dessen Fehler<br />

zu tolerieren bedeutet aber nicht blind<br />

gegenüber seinen Fehlern zu sein. Es hilft<br />

weder einem selbst, noch der Person, wenn<br />

das Leid nicht angesprochen wird. Man mag<br />

noch so gutherzig oder barmherzig sein, das<br />

heißt aber nicht, dass man naiv sein muss.<br />

Sprecht den Fehler an und teilt der Person<br />

mit, wie tief ihr verletzt worden seid. Nur<br />

dann kann diese Person auch den Fehler<br />

erkennen und das nächste Mal behutsamer<br />

mit euch umgehen.<br />

Es gibt auch eine andere Möglichkeit des<br />

Verzeihens. Eine die leider nicht immer gut<br />

enden muss. Wir begegnen unzähligen Menschen<br />

in unserem Leben. Personen, die einmal<br />

der eigenen Person gut getan haben und<br />

später nichts mehr als Trauer versprechen.<br />

Sie helfen einem nicht mehr sich gut zu fühlen,<br />

sondern schaden nur. Ihre bloße Nähe<br />

macht einen unglücklich. Für solche Fälle<br />

bleibt nichts anderes übrig, als das Problem<br />

an der Wurzel zu packen und diese Person<br />

ein für alle Mal zu beseitigen. Das läuft am<br />

einfachsten, wenn man den Kontakt zu ihr<br />

abbricht und betet, dass sie euch nicht nochmal<br />

findet. Diese Methode ist effektiv, wenn<br />

die Person kein Familienmitglied ist. Bei Familienmitgliedern<br />

ist die Sache komplizierter<br />

und das Verzeihen kann unter anderem<br />

zur Mission Impossible werden. Viel Glück<br />

dabei und schreibt mir von euren Erfahrungen<br />

zum Thema Vergeben.<br />

Mag.rer.nat. Rumeysa Betül Dür<br />

59


SOZIAL<br />

DIE HERAUSFORDERUNGEN UNSERER ZEIT<br />

60


SOZIAL<br />

Die Angst vor dem Anderen zu überwinden,<br />

Vorurteile abzubauen und sie durch Respekt<br />

und Verständnis zu ersetzen, sollten die<br />

wichtigsten Ziele unserer Gesellschaft sein.<br />

Die Herausforderungen unserer Zeit ist es<br />

jene Barrieren zu überwinden, die auf geistiger<br />

Ebene in den Köpfen vieler Menschen existieren<br />

und unser Zusammenleben beeinflussen.<br />

Angesichts der großen Weltprobleme, wie<br />

die Zerstörung von Mutter-Erde, ungleiche<br />

Verteilung des Reichtums, Ausbeutung der armen<br />

Länder, Hunger und Intoleranz, wird viel<br />

davon abhängen, wie die Religionen miteinander<br />

umgehen werden, welche Antworten sie<br />

gemeinsam finden und wie sie die Probleme<br />

unserer Welt lösen können.<br />

Der Ruf nach der geistigen Erhebung und<br />

nach der Vermenschlichung des Lebens geht<br />

mit der religiösen Erziehung Hand in Hand.<br />

Hieraus ergibt sich, dass diese Erziehung ohne<br />

Humanismus nicht denkbar ist. Dieser ist geradezu<br />

die Achse der religiösen Morallehre.<br />

Der besondere Wert des religiösen Humanismus<br />

liegt in seiner Verbindlichkeit, weil er<br />

in der Bindung des Menschen an das Unbedingte<br />

begründet ist. Aber dem Islam hat man<br />

in Europa bedauerlicherweise lange Zeit eine<br />

humanistische Gesinnung nicht zugemutet.<br />

Den aufgeklärten Muslimen fällt es nicht<br />

schwer, aus dem Qur’an ein humanistisches<br />

Bildungsideal abzuleiten. Eine ganze Reihe<br />

qur’anische Lehrsätze zeugen davon und bei<br />

Heranziehung der Überlieferung verdichten<br />

sich diese Lehrsätze zu einem beeindruckenden<br />

humanistischen Menschenbild, wie es im<br />

Qur’an geschrieben steht.<br />

„O die ihr glaubt, tretet alle ein in den Frieden<br />

und folget nicht den Fußstapfen Satans;<br />

wahrlich, er ist euch ein offenkundiger Feind.“<br />

(2/208)<br />

Der Islam fordert die Völker auf, aufeinander<br />

zuzugehen, sich gegenseitig kennenzulernen<br />

und sich gemeinsam für das Gute einzusetzen.<br />

Der Prophet Muhammad(s) sagt:<br />

„Der beste Mensch ist derjenige, der den<br />

Menschen am nützlichsten ist.“<br />

Aber wichtig ist, dass die muslimischen Jugendlichen<br />

den Islam aus den Quellen und in<br />

den Schulen lernen. Besonders der Islamische<br />

Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen<br />

in Europa ist sehr wichtig und wird eine<br />

Schlüsselrolle spielen.<br />

Es muss an dieser Stelle erwähnt werden,<br />

dass die Probleme vieler europäischer Staaten<br />

das Produkt einer völlig verfehlten Integrationspolitik<br />

sind, die sich allmählich dem<br />

Humanismus und der Menschheit gegenüber<br />

feindlich verhält und der zerstörerischen<br />

Phantasterei einer „populistischen Gesellschaft“<br />

verpflichtet fühlt.<br />

Die Integration der Muslime in Europa<br />

kann natürlich nicht nur Aufgabe von politischen<br />

Institutionen sein. Wichtig ist auch, dass<br />

Muslime innerhalb des europäischen Einigungsprozesses<br />

ihren Beitrag leisten:<br />

Integration wird nicht in Sitzungszimmern<br />

gelebt, sondern in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz,<br />

in den Schulen oder auf den Marktplätzen.<br />

Die Muslime in Europa, wie auf der ganzen<br />

Welt, müssen für Bildung mehr investieren.<br />

An dieser Stelle kann ich wieder mit Freude<br />

sagen, dass Österreich und österreichische<br />

Muslime in diesem Bereich, nicht nur mit Religionsunterricht,<br />

sondern auch mit ihren Privatschulen,<br />

eine Vorreiterrolle in ganz Europa<br />

spielen.<br />

Dr. Fuat Sanac<br />

61


SOZIAL<br />

GESCHICHTEN AUS DER<br />

FLÜCHTLINGSHILFE:<br />

INTERVIEW MIT EINEM KIND<br />

Heute besuche ich ein Flüchtlingslager<br />

in Berlin. Als ich die große Sporthalle<br />

betrete, ist es sehr stickig. Das<br />

erste, was mir in der Halle auffällt, ist<br />

ein weit gespanntes Poster, das an der<br />

Wand ganz oben hängt. Die Kinder<br />

hier haben es mit ganz unterschiedlichen<br />

Farben, Blumen, Muster und<br />

Flaggen bemalt. Das Farbenspektakel<br />

schenkt dieser dunklen, grauen Halle<br />

etwas Licht und Farbe. Hoffnung und<br />

Lebendigkeit.<br />

Die durch Bettlaken abgetrennten<br />

Bereiche bestehen aus zwei, drei, vier<br />

Gitterbetten und bilden eine Art Schlafzimmer.<br />

Dadurch, dass es keine richtige<br />

„Wand“ gibt, können Lärm und Gespräche<br />

unmittelbar die Ruhe des Bewohners<br />

nebenan stören. Sowas wie einen<br />

Wohnraum gibt es nicht. In der Mitte<br />

der Halle stehen den Bewohnern einige<br />

Tische und Stühle zwischen den Gitterbetten<br />

zur Verfügung. Auf dem Boden<br />

liegen Taschentücher und Plastiklöffel.<br />

Im wahrsten Sinne des Wortes werden<br />

hier Flüchtlinge gelagert, denke ich<br />

mir. Eines dieser „Zimmer“ betrete ich<br />

mit einer jungen Dame. Sie ist Mitglied<br />

einer muslimischen ehrenamtlichen<br />

Helfergruppe. Sie reden auf Arabisch<br />

über die angeschwollene Hand der Frau.<br />

Der Mann dieser Frau bietet mir etwas<br />

zu trinken an. Drei Tassen Tee hat er aus<br />

der Teeeckwe in die Halle gebracht. Eine<br />

bekomme ich. Paradox: „Die, die nichts<br />

haben, geben immer am meisten“, denke<br />

ich mir.<br />

Sie stehen trotz allem Leid nun<br />

breit grinsend vor mir – die Kinder der<br />

Flucht.<br />

Während ich ihren „Raum“ verlasse,<br />

fällt mein Blick wieder zurück auf<br />

das mit Farben bemalte, langgezogene<br />

Poster an der Wand. In mir wächst ein<br />

Gefühl der Wut, wie ich sie schon seit<br />

langem nicht erlebt habe… Was haben<br />

diese Menschen getan, dass ihr Land<br />

nun in Chaos versinkt. Ein Chaos, das<br />

nicht nur Häuser, Straßen, Wege zerstört,<br />

sondern auf einen Schlag mit Erinnerung<br />

gefüllte Jahre, Werte, Sicherheit<br />

und Freiheit zerbombt hat. Damit ging,<br />

wenn nicht schon der Körper, auch ein<br />

Stück Identität verloren. Heimat, ihre<br />

schöne Heimat ist nun Asch´ und Staub.<br />

Kinder haben ihre Spielzeuge im Kampf<br />

der Erwachsenen hergeben müssen.<br />

Sie vermissen hier ihre Freunde, mit<br />

denen sie bis nach dem Sonnenuntergang<br />

spielten. In einigen Fällen sehnen<br />

sie sich sogar nach einem bereits verstorbenen<br />

oder zurückgelassenen Elternteil.<br />

Sie stehen trotz allem Lied nun<br />

breit grinsend vor mir – die Kinder der<br />

Flucht. Da schämt man sich für jeden<br />

Moment der Traurigkeit, für jedes Nörgeln<br />

und für jedes Meckern über Dinge<br />

ohne wirkliche Bedeutung. Ich sah das<br />

62


SOZIAL<br />

Funkeln in den Augen der Kriegskinder<br />

noch in keinen Kinderaugen so stark<br />

leuchten wie in ihren.<br />

Das kleine Mädchen mit den lockigen<br />

Haaren lächelt mich mit ihren kugelrunden,<br />

schwarzen Augen an. Es<br />

kann Türkisch sprechen. Wir setzen uns<br />

auf die Bank unter dem bunten „Hoffnungsposter“.<br />

Sie heißt Leila Ahmad und<br />

ist 13 Jahre alt. Ursprünglich kommt sie<br />

aus Syrien, seitdem sie 8 ist, hat sie in<br />

Istanbul gelebt. An das Leben in Syrien<br />

kann sie sich kaum noch erinnern. Ihr<br />

Vater und ihre Verwandten leben noch<br />

dort. Ihr Onkel sei im Krieg gestorben.<br />

Sie sehnt sich oft nach ihnen.<br />

Wir haben mit Maschinen gearbeitet<br />

und Taschen produziert. Das Umdrehen<br />

der Taschen war anstrengend.<br />

„Wie hast du deine Zeit in der Türkei<br />

verbracht?“, frage ich sie. „Es war sehr<br />

schwer. Wir haben mit Maschinen gearbeitet<br />

und Taschen produziert. Das<br />

Umdrehen der Taschen war anstrengend.“<br />

Auf die Frage, wie lange sie denn<br />

täglich gearbeitet habe, entgegnet sie:<br />

„Von morgens acht bis abends zehn<br />

Uhr. Dann sind wir nach Hause gegangen.<br />

Meine Schwester hat sich den Rücken<br />

gebrochen. Jetzt muss sie operiert<br />

werden. Sie sitzt da vorne.“ Sie zeigt mir<br />

ihre Schwester, die gedankenverloren<br />

auf dem Stuhl sitzt. „Istanbul war aber<br />

schön. Wir sind viel herumgefahren,<br />

haben schöne Plätze gesehen. Das hat<br />

Spaß gemacht.“ Ich bin neugierig und<br />

will wissen, was denn die kleine Leila<br />

dort am meisten gemocht hat. Sie antwortet:<br />

„Am meisten das Spielen mit<br />

den anderen Kindern. Ich hatte dort<br />

Freunde. Türkische Freunde.“ „Es muss<br />

wohl sehr schwer gewesen sein, sich<br />

von ihnen zu trennen?“ „Ja, klar. Ich<br />

vermisse sie.“ Ich frage, ob sie dort zur<br />

Schule ging. „Nein, sie haben uns nicht<br />

genommen!“, entgegnet Leila. „Wir hatten<br />

keine Papiere!“, ruft ihr 12-jähriger<br />

Bruder herüber. Er würde auch gerne<br />

in der Türkei leben. Dort habe auch er<br />

Freunde, mit denen er immer schwimmen<br />

gegangen sei. Als ich die beiden<br />

Geschwister frage, wie denn die Reise<br />

nach Deutschland verlief, antwortet<br />

Leila: „Sie war gar nicht schön. Das Boot<br />

knallte an einen Felsen. Wir sind ins<br />

Wasser gefallen. Einige Männer haben<br />

uns dann gerettet. Es waren viele da. 70<br />

oder 80. Ganz, ganz viele Kinder. Sogar<br />

ein zwei Monate altes Baby. Es wurde<br />

auch gerettet.“ Ich möchte wissen, wie<br />

die Kinder den Alltag in dieser Halle<br />

wahrnehmen. Die Schwester schildert<br />

ihre Eindrücke: „Gar nicht schön. Schau<br />

dich doch mal um. Schau doch wie wir<br />

hier leben. Wasser trinken wir aus dem<br />

Wasserhahn in der Toilette. Wir dürfen<br />

keinen Tee trinken. Wir bekommen nur<br />

wenig zu essen. Um zehn Uhr schalten<br />

sie die Lichter aus. Nachts kann man<br />

63


SOZIAL<br />

SEYMA NUR DEMIR<br />

nicht gut schlafen. Es ist kalt und<br />

man hört viele der Babys weinen. Immer<br />

gibt es Streit. Die Polizei kommt.<br />

Die Männer trinken.“ Als ich frage, ob<br />

es denn gut sei, mit Menschen, die aus<br />

ganz unterschiedlichen Nationen kommen,<br />

zusammen zu leben, antwortet<br />

der Bruder: „Nein! Niemand kennt sich.“<br />

„Und dein Freund, der gerade neben dir<br />

steht?“ „Er ist auch Syrer.“<br />

„Ich will Menschen helfen.“<br />

Ich stoppe an dieser Stelle und überlege.<br />

Was hätte ich denn an ihrer Stelle<br />

getan? Niemals würde ich verstehen,<br />

wie es ist, in solch einer Lage zu stecken,<br />

das merke ich schnell. Doch irgendetwas<br />

müsste es doch geben. Etwas was<br />

einen aufrecht hält, selbst wenn die<br />

Liebsten verstorben und Erinnerungen<br />

schon längst begraben sind.<br />

Es sind schließlich die Träume, die<br />

den Alltag erleichtern können. Es ist der<br />

Glaube an das Gute, die Hoffnung auf<br />

ein besseres „Später“, es sind Ambitionen,<br />

Ziele und Ideen, die den Menschen<br />

in den schlimmsten Zuständen zu Hilfe<br />

eilen. „Wovon träumst du, Leila?“ „Ich<br />

will in der Türkei leben, dort arbeiten,<br />

reisen.“ Als ich sie nach ihrem Wunschberuf<br />

frage, ruft sie laut “Rechtsanwalt“.<br />

„Was macht denn ein Rechtsanwalt so<br />

alles?“ „Ich weiß es nicht. Ich mag den<br />

Beruf aber“, entgegnet sie mir. Ihr Bruder<br />

möchte Arzt werden. Warum er das<br />

will? Ganz einfach: „Ich will Menschen<br />

helfen.“<br />

Manchmal sind es eben kleine Gespräche,<br />

die einen das Leben reflektieren<br />

lassen. Es sind der Austausch und die<br />

Unterhaltungen, die das Gefühl vermitteln,<br />

ernst genommen zu werden. Die<br />

schönsten Taten, die diesen Menschen<br />

gut tun, findet man im Blick der Einheimischen,<br />

an dem geneigten Kopf, wenn<br />

sie genau hinhören und dem Klang der<br />

Stimmen lauschen, in den Herzen, die<br />

versuchen, die Geschichten dieser Menschen<br />

nachzuempfinden.<br />

Ein ganz besonderes Dankeschön an<br />

jene Jugendlichen der Moschee Markaz<br />

Al-Hassanein e.V., die ihre wertvolle<br />

Zeit wichtigen Angelegenheiten<br />

widmen. Nicht pro Woche oder für ein<br />

paar Stunden. Sie helfen Tag und Nacht,<br />

opfern ihre Freizeit und kümmern sich<br />

um Arzttermine oder engagieren sich<br />

direkt bei der Wohnungssuche. Sie nehmen<br />

die Sorgen der Geflüchteten als ihre<br />

eigenen wahr. Und das rund um die Uhr.<br />

64


Ali (ra) sagte:<br />

„Bitte in all deinen Taten Allah darum, dass<br />

es das Beste für dich ist.” und „Jedesmal<br />

wenn du entschieden hast etwas zu tun,<br />

dann bitte Allah um das Beste.”


Und Allahs ist, was in den Himmeln und<br />

was auf Erden ist.<br />

So wird Er den Übeltätern ihren Taten entsprechend<br />

vergelten und den Rechtschaffenen,<br />

die gute Werke verrichten, gute Belohnung<br />

gewähren.<br />

(Koran 53:31)


„O Ihr, die ihr glaubt, sucht Hilfe in der Geduld<br />

und im Gebet. Wahrlich Gott ist mit den Geduldigen.“<br />

(Koran 2:152)<br />

www.chaimagazin.at

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