21.06.2016 Aufrufe

TAZYUMPU-2

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2 KULTUR<br />

SOMMER 2016 Die Friedrichstadt<br />

Foto: E2A Piet Eckert und Wim Eckert Architekten ETH BSA SIA AG 8005 Zürich<br />

Die neue taz wird nur einen Katzensprung vom Rudi-Dutschke-Haus entfernt sein<br />

TAZ MACHT PLATZ<br />

Die taz baut ein neues Haus und zieht 2017 in die Südliche Friedrichstadt.<br />

Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch erklärt die Vorteile der neuen Umgebung und zeigt<br />

auf, was der Standort für die Zukunft der Tageszeitung bedeutet<br />

TEXT Jessica März<br />

Schon immer war die tageszeitung<br />

ein Projekt, das sich stetig<br />

weiterentwickelt hat und nie<br />

wirklich still stand. Als erste<br />

Überregionale stellte sie vor 20<br />

Jahren ihre Zeitung ins Netz, heute steht<br />

hinter taz.de eine professionelle Online-Redaktion.<br />

Nun wagt die taz den<br />

nächsten großen und wichtigen Schritt:<br />

Sie baut ein neues Redaktionsgebäude<br />

und will damit für eine Verbesserung der<br />

Arbeitsabläufe sorgen.<br />

Derzeit wird die taz noch an zwei<br />

Standorten produziert, was auf Dauer vieles<br />

erschwert. In der heutigen Rudi-Dutschke-Straße<br />

arbeiten Verlag und<br />

Redaktion der taz bislang auf unterschiedliche<br />

Häuser verteilt in der Mitte der Stadt:<br />

In einem historischen, denkmalgeschützten<br />

Gewerbebau aus dem frühen 20. Jahrhundert,<br />

mit weiten, offenen Geschossen,<br />

ungewöhnlicher Höhe und einer von Säulen<br />

und Skulpturen geschmückten Fassade.<br />

Und in einem Neubau von 1991, direkt<br />

daran angelehnt, der mit seiner<br />

filigranen Stahlverbundbauweise und seinen<br />

transparenten Glasflächen Einblicke<br />

in die Arbeit der taz und Ausblicke auf die<br />

inzwischen belebte Straße ermöglicht. Ein<br />

Teil der Mitarbeiter sitzt momentan allerdings<br />

noch in einem Mietshaus, schräg<br />

gegenüber des Rudi-Dutschke-Hauses,<br />

auf der anderen Straßenseite.<br />

Grundsätzlich digital<br />

„Die taz ist durch die Digitalisierung der<br />

Medien ohnehin in einem Transformationsprozess“,<br />

sagt Karl-Heinz Ruch, Geschäftsführer<br />

der taz. Das neue Haus soll<br />

endlich genug Platz für alle bieten, um<br />

stärker zusammenzurücken und noch ef-


Die Friedrichstadt WWW.AMD.NET KULTUR 3<br />

fektiver zu arbeiten. Alle Mitarbeiter der<br />

taz werden gemeinsam die großen Räume<br />

nutzen und sich so besser für das digitale<br />

Zeitalter organisieren können. Auch ein<br />

Newsroom für die Journalisten ist geplant.<br />

Ein Verkauf der beiden taz-Häuser<br />

in der Rudi-Dutschke-Straße ist nicht beabsichtigt.<br />

Für die Genossenschaft sind<br />

sie eine gute und sichere Kapitalanlage in<br />

attraktiver Lage – und werden künftig vermietet.<br />

Der Onlinebereich der taz soll sich<br />

durch den Hausbau allerdings nicht noch<br />

weiter vergrößern. „Eine separate Onlineredaktion<br />

ist nur ein Übergangsstadium. In<br />

Zukunft wird der Journalismus grundsätzlich<br />

digital sein und Online nur einer von<br />

vielen Publikationswegen“, erläutert Ruch.<br />

Der 62-Jährige ist Mitbegründer der taz<br />

und seit 37 Jahren ihr Geschäftsführer.<br />

Über die südliche Friedrichstadt sagt er:<br />

„Fast zu spät haben wir bemerkt, dass dieses<br />

neue Quartier auch für uns Entwicklungsmöglichkeiten<br />

bietet: Ein neues Haus<br />

für die taz mit einem interessanten Umfeld,<br />

in dem wieder alle tazlerinnen und<br />

tazler unter einem Dach arbeiten können.<br />

Angenehme, lichte, offene Räume werden<br />

hier entstehen, die unser wichtigstes Kapital<br />

beherbergen werden: die Kreativität<br />

und Kompetenz engagierter Mitarbeiter.“<br />

Der neue Standort liegt am unteren<br />

Ende der Friedrichstraße, nur einen Katzensprung<br />

vom aktuellen Rudi-Dutschke-Haus<br />

entfernt, nahe dem 1965 erbauten<br />

Blumengroßmarkt. Heute ist dort die<br />

Akademie des Jüdischen Museums, rundum<br />

wird gebaut.<br />

Hoffnung keimt auf<br />

Kaum ein Ort in der Hauptstadt kann so<br />

viel über Brüche und Veränderungen erzählen<br />

wie die Südliche Friedrichstadt.<br />

„Es keimt Hoffnung auf für diese schwer<br />

geplagte Gegend. Die taz hat lange in die<br />

andere Richtung, in die Berliner Mitte geschaut<br />

und zunächst gar nicht erkannt,<br />

welche Chancen sich hier eigentlich bieten“,<br />

sagt Karl-Heinz Ruch. Berlin erfindet<br />

sich immer wieder neu, besonders in diesem<br />

Viertel wird sich das nun in den<br />

nächsten Jahren sehr konkret beobachten<br />

lassen.<br />

Wer heute durch die Südliche Friedrichstadt<br />

schlendert, sucht noch vergeblich<br />

nach einem Ort, der stellvertretend<br />

für das Quartier zwischen Rudi-Dutschke-Straße<br />

im Norden, dem Mehringplatz<br />

im Süden, der Wilhelmstraße im Westen<br />

und der Alexandrinenstraße im Osten<br />

steht. Anders als die Kreuzberger Gründerzeitquartiere<br />

wurde diese nordwestliche<br />

Ecke Kreuzbergs bei einem Bombenangriff<br />

am 3. Februar 1945 weitgehend<br />

zerstört. Später wurde sie zum Experimentierfeld<br />

für den sozialen Wohnungsbau<br />

und die Internationale Bauausstellung<br />

(IBA) in den 1980er Jahren.<br />

„Lange Zeit hat man die Südliche<br />

Friedrichstadt mit dem Mehringplatz<br />

gleichgesetzt“, erklärt Stadtsoziologe<br />

Florian Schmidt. „Damit war alles irgendwie<br />

ein sozialer Brennpunkt.“ Für den Bezirk<br />

Friedrichshain-Kreuzberg hat er das<br />

Konzept für ein Kunst- und Kreativquartier<br />

an diesem Standort entwickelt. „Bald wird<br />

das Gebiet sein Gesicht verändern“, verspricht<br />

Schmidt. „Wenn hier bis 2017 die<br />

Wir haben fast zu<br />

spät bemerkt,<br />

dass dieses neue<br />

Quartier auch für<br />

uns Entwicklungsmöglichkeiten<br />

„ bieten kann<br />

neuen Gebäude stehen, kommen auch<br />

Cafés, Läden, Gewerbe und neue Bewohner.“<br />

Dann werde der verschlafene kleine<br />

Besselpark die Mitte der Südlichen Friedrichstadt<br />

sein, der Mehringplatz ihr Entree<br />

und die taz ein Teil dieses Kunst- und Kreativquartiers.<br />

Baubeginn war bereits im<br />

Herbst 2015. Der endgültige Umzug soll<br />

bis Ende 2017 abgeschlossen sein.<br />

Bislang ist das Quartier um den<br />

Mehringplatz allerdings noch eine Sackgasse:<br />

kaum Grün, viel sozialer Wohnungsbau.<br />

5.500 Einwohner, verteilt auf<br />

2.500 Haushalte, ballen sich auf 25 Hektar<br />

Fläche. Der Kiez ist jung: 22,4 Prozent sind<br />

unter 18 Jahre alt, stadtweit sind es knapp<br />

15 Prozent. Am Mehringplatz gibt es aber<br />

auch mehr Kinderarmut als überall sonst<br />

in Berlin. 70 Prozent der unter 15-Jährigen<br />

sind Empfänger von Transferleistungen.<br />

Den Eltern, viele von ihnen eingewandert<br />

aus der Türkei oder dem Nahen Osten,<br />

geht es kaum besser: Rund 22 Prozent der<br />

erwerbsfähigen Bewohner sind arbeitslos.<br />

Auch das soll sich durch die Neubebauung<br />

bald ändern.<br />

Karl-Heinz Ruch sieht das als eine<br />

überaus positive Entwicklung: „Das Gesicht<br />

des Quartiers hat sich schon jetzt<br />

sehr verändert. Es gibt hier das Forum Berufsbildung<br />

mit den Cafés in der Charlottenstraße<br />

ebenso wie das Edelrestaurant<br />

Nobelhart & Schmutzig. Das alles wird<br />

durch die Bebauung noch befördert.“<br />

Es mag etwas überraschend klingen, dass<br />

Ruch dies als alteingesessener tazler begrüßt,<br />

für die Südliche Friedrichstadt sieht<br />

er aber nur Vorteile: „Da kommen Leute,<br />

die sind gleichzeitig Investoren und Nutzer.<br />

Das stärkt die Identifizierung mit den<br />

Projekten, aber auch mit der Umgebung.<br />

Es ist gut, wenn sich die homogene Situation<br />

durch die Neubebauungen etwas diversifiziert.“<br />

Neben der taz, die ihr Grundstück in<br />

der Friedrichstraße vom Land Berlin gekauft<br />

hat – auch um den Medienstandort<br />

im alten Zeitungsviertel zu stärken – haben<br />

drei weitere Projekte erst ein Konzept<br />

vorlegen müssen, um den Zuschlag zu<br />

erhalten. Das war neu: Nicht der Bieter mit<br />

dem dicksten Geldbeutel bekam für die<br />

Baufelder rund um den ehemaligen Blumengroßmarkt<br />

den Zuschlag, sondern der<br />

mit der besten Idee für den Ort.<br />

Bleibt die Frage, wie man ein solches<br />

Projekt in Zeiten der Medienkrise finanziell<br />

stemmt. Der gesamte Kostenrahmen für<br />

den Neubau der taz liegt bei knapp 20<br />

Millionen Euro. Mit 2,1 Millionen Euro<br />

schlagen die Grundstückskosten zu Buche,<br />

17,9 Millionen werden für die Baukosten<br />

veranschlagt. „Reibungslos, ohne<br />

Probleme und schneller als erwartet“, sagt<br />

Karl-Heinz Ruch, haben die taz-Genossinnen<br />

und -Genossen bereits den wichtigen<br />

Finanzierungsanteil der stillen Beteiligungen<br />

aus der Genossenschaft mit insgesamt<br />

7 Millionen Euro aufgebracht.<br />

Für Ruch, der mit der taz im Juni 1989<br />

von der Weddinger Wattstraße in die damals<br />

noch im Mauerschatten liegende<br />

Kochstraße gezogen war, beginnt mit<br />

diesem taz-Neubau nun auch eine neue<br />

Geografie. „Vor dem Fall der Mauer haben<br />

wir immer in den Osten Richtung<br />

Oranienstraße geschaut, weil dort sehr<br />

viele tazlerinnen und tazler gewohnt haben.“<br />

Nach dem Fall der Mauer ging der<br />

Blick Richtung Norden, zum Checkpoint<br />

Charlie und zum Bahnhof Friedrichstraße.<br />

„Nun schauen wir in den Süden, weil dort<br />

die spannenden Sachen geschehen“,<br />

sagt er.<br />

Karl-Heinz Ruch, Verlagsleiter der taz seit 1979<br />

Foto: Anja Weber


4<br />

RESSORT<br />

SOMMER 2016 Die Friedrichstadt

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!