21.06.2016 Aufrufe

dialog 2-2016 (Sommer)

Zeitung der Evangelischen Pfarrgemeinde Graz-Heilandskirche mit Erlöserkirche Liebenau

Zeitung der Evangelischen Pfarrgemeinde Graz-Heilandskirche mit Erlöserkirche Liebenau

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Eva Winter-Meissl (53) ist die Seele<br />

des Re-Use Shop der BAN in der Idlhofgasse.<br />

was keiner mehr<br />

haben will<br />

4thema: einfach weg<br />

Kaum wer in Graz kennt „die BAN“<br />

nicht. Der Second-Hand-Laden in<br />

der Idlhofgasse, jetzt „Re-Use Shop“<br />

genannt, ist seit langem bekannt für<br />

sein vielfältiges Angebot an Möbeln,<br />

Geschirr, Textilien, Elektrogeräten,<br />

Büchern und einfach allem, was<br />

FlohmarktliebhaberInnen das Herz<br />

höher schlagen lässt.<br />

Was andere nicht mehr brauchen:<br />

hier wird es wiederverwertet, in der<br />

angeschlossenen Werkstatt repariert<br />

bzw. restauriert, oder auch zu<br />

hippen Designstücken veredelt<br />

(„upcycelt“).<br />

Eine Art von „Upcycling“ erfahren<br />

aber nicht nur die Waren in der ehemaligen<br />

Gewerbehalle, sondern<br />

auch die rund zehn „Transitarbeitskräfte“:<br />

befristet auf höchstens neun<br />

Monate bekommen sie hier die<br />

Möglichkeit, nach langer Arbeitslosigkeit<br />

wieder berufliche Perspektiven<br />

zu entwickeln. „Bei uns landet<br />

viel, was keiner mehr haben will“,<br />

sagt die Leiterin des Shops Eva Winter-Meissl<br />

– und meint damit auch<br />

Menschen, „auf deren Erfahrung der<br />

Arbeitsmarkt pfeift“.<br />

Es sei derzeit sehr schwierig für<br />

Menschen, die nicht zu 100% „funktionieren“,<br />

am Arbeitsmarkt (wieder)<br />

Fuß zu fassen. „Da reichen<br />

schon Lücken im Lebenslauf, etwa<br />

durch Haft oder auch Kindererziehung.“<br />

Natürlich sind auch das Alter<br />

(„50+“), ungenügende Sprachkompetenz<br />

und schlechte Schulbildung<br />

Problembereiche, mit denen das<br />

vierköpfige Team immer wieder<br />

konfrontiert ist.<br />

juni <strong>2016</strong> - nr. 165<br />

von heinz<br />

schubert<br />

und matthias<br />

weigold<br />

Neue Perspektiven<br />

Ziel einer Beschäftigung bei der<br />

BAN ist die Wiedereingliederung in<br />

den sogenannten ersten Arbeitsmarkt,<br />

also ein reguläres Dienstverhältnis.<br />

Das gelingt freilich nicht immer.<br />

Dennoch, berichtet Frau<br />

Winter-Meissl, entwickeln die MitarbeiterInnen<br />

innerhalb kürzester<br />

Zeit ein neues Selbstbewusstsein.<br />

„Es ist wunderbar, das in ihrer veränderten<br />

Körpersprache, der Stimme,<br />

ihrer ganzen Haltung beobachten<br />

zu können!“<br />

Die täglichen Schulungseinheiten<br />

gleich zu Arbeitsbeginn, wie Verkaufstraining,<br />

Dekoration oder<br />

Holzkunde, tragen natürlich mit<br />

dazu bei. Vor allem ist es aber das<br />

Gefühl, wieder „gebraucht zu werden“,<br />

das die Menschen wachsen<br />

lässt.<br />

Bunte Vielfalt<br />

So vielfältig wie das Warenangebot<br />

ist auch die Zusammensetzung des<br />

Personals und der Kundschaft. Auch<br />

wenn die KundInnen aus allen<br />

Schichten kommen, bilden die Preise<br />

natürlich einen Magnet für viele<br />

Studierende und MigrantInnen: Wo<br />

sonst kann man schon für zehn Euro<br />

eine Haushaltsgrundausstattung erwerben?<br />

„Wir sind ein richtiger Multi-Kulti-Betrieb“,<br />

bemerkt Winter-Meissl<br />

und zählt die fünf Nationen auf, aus<br />

denen die derzeitigen Mitarbeiter-<br />

Innen kommen. Und sie ergänzt:<br />

„Trotzdem und auch trotz der großen<br />

Fluktuation gelingt es immer<br />

gut, ein gemeinsames Teamgefühl<br />

zu entwickeln.“<br />

Angesichts der kulturellen Unterschiede<br />

gäbe es manchmal natürlich<br />

auch Schwierigkeiten, z.B. beim<br />

Handeln, wenn ein Fixpreis absolut<br />

nicht akzeptiert wird. „Ich kann aber<br />

auch meinen Mund nicht halten,<br />

wenn etwa der Mann vorne weggeht<br />

und seine Frau dahinter schwer zu<br />

tragen hat“, erzählt die Shop-Leiterin.<br />

Nachhaltigkeit<br />

Integraler Bestandteil des Geschäftsmodells<br />

der BAN ist der<br />

möglichst schonende Umgang mit<br />

den natürlichen Ressourcen. Bei<br />

Räumaufträgen ist oberste Maxime:<br />

so wenig wie möglich entsorgen, so<br />

viel wie möglich verwerten. „Das<br />

steigende Bewusstsein, Dinge nicht<br />

einfach wegzuwerfen, kommt uns<br />

natürlich zugute“, erklärt die gelernte<br />

Drogistin aus dem Ausseerland,<br />

die bereits auf 20 Jahre in der BAN<br />

zurückblickt.<br />

Und: „Unter den Jungen schämt sich<br />

heutzutage kaum wer, Second Hand<br />

zu kaufen. Das war früher schon<br />

ganz anders.“ Wobei natürlich Modetrends<br />

eine gewisse Rolle spielten:<br />

So träfen momentan z.B. Gründerzeitmöbel<br />

kaum auf Nachfrage – außer<br />

man lackiere sie weiß. „Noch vor<br />

15 Jahren wäre das undenkbar gewesen,<br />

da durften alte Möbelstücke nur<br />

gebeizt, höchstens noch geölt sein.“<br />

Wertvolleres Inventar im Rang von<br />

Antiquitäten lande nur mehr selten<br />

<strong>dialog</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!