dialog 2-2016 (Sommer)
Zeitung der Evangelischen Pfarrgemeinde Graz-Heilandskirche mit Erlöserkirche Liebenau
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Eva Winter-Meissl (53) ist die Seele<br />
des Re-Use Shop der BAN in der Idlhofgasse.<br />
was keiner mehr<br />
haben will<br />
4thema: einfach weg<br />
Kaum wer in Graz kennt „die BAN“<br />
nicht. Der Second-Hand-Laden in<br />
der Idlhofgasse, jetzt „Re-Use Shop“<br />
genannt, ist seit langem bekannt für<br />
sein vielfältiges Angebot an Möbeln,<br />
Geschirr, Textilien, Elektrogeräten,<br />
Büchern und einfach allem, was<br />
FlohmarktliebhaberInnen das Herz<br />
höher schlagen lässt.<br />
Was andere nicht mehr brauchen:<br />
hier wird es wiederverwertet, in der<br />
angeschlossenen Werkstatt repariert<br />
bzw. restauriert, oder auch zu<br />
hippen Designstücken veredelt<br />
(„upcycelt“).<br />
Eine Art von „Upcycling“ erfahren<br />
aber nicht nur die Waren in der ehemaligen<br />
Gewerbehalle, sondern<br />
auch die rund zehn „Transitarbeitskräfte“:<br />
befristet auf höchstens neun<br />
Monate bekommen sie hier die<br />
Möglichkeit, nach langer Arbeitslosigkeit<br />
wieder berufliche Perspektiven<br />
zu entwickeln. „Bei uns landet<br />
viel, was keiner mehr haben will“,<br />
sagt die Leiterin des Shops Eva Winter-Meissl<br />
– und meint damit auch<br />
Menschen, „auf deren Erfahrung der<br />
Arbeitsmarkt pfeift“.<br />
Es sei derzeit sehr schwierig für<br />
Menschen, die nicht zu 100% „funktionieren“,<br />
am Arbeitsmarkt (wieder)<br />
Fuß zu fassen. „Da reichen<br />
schon Lücken im Lebenslauf, etwa<br />
durch Haft oder auch Kindererziehung.“<br />
Natürlich sind auch das Alter<br />
(„50+“), ungenügende Sprachkompetenz<br />
und schlechte Schulbildung<br />
Problembereiche, mit denen das<br />
vierköpfige Team immer wieder<br />
konfrontiert ist.<br />
juni <strong>2016</strong> - nr. 165<br />
von heinz<br />
schubert<br />
und matthias<br />
weigold<br />
Neue Perspektiven<br />
Ziel einer Beschäftigung bei der<br />
BAN ist die Wiedereingliederung in<br />
den sogenannten ersten Arbeitsmarkt,<br />
also ein reguläres Dienstverhältnis.<br />
Das gelingt freilich nicht immer.<br />
Dennoch, berichtet Frau<br />
Winter-Meissl, entwickeln die MitarbeiterInnen<br />
innerhalb kürzester<br />
Zeit ein neues Selbstbewusstsein.<br />
„Es ist wunderbar, das in ihrer veränderten<br />
Körpersprache, der Stimme,<br />
ihrer ganzen Haltung beobachten<br />
zu können!“<br />
Die täglichen Schulungseinheiten<br />
gleich zu Arbeitsbeginn, wie Verkaufstraining,<br />
Dekoration oder<br />
Holzkunde, tragen natürlich mit<br />
dazu bei. Vor allem ist es aber das<br />
Gefühl, wieder „gebraucht zu werden“,<br />
das die Menschen wachsen<br />
lässt.<br />
Bunte Vielfalt<br />
So vielfältig wie das Warenangebot<br />
ist auch die Zusammensetzung des<br />
Personals und der Kundschaft. Auch<br />
wenn die KundInnen aus allen<br />
Schichten kommen, bilden die Preise<br />
natürlich einen Magnet für viele<br />
Studierende und MigrantInnen: Wo<br />
sonst kann man schon für zehn Euro<br />
eine Haushaltsgrundausstattung erwerben?<br />
„Wir sind ein richtiger Multi-Kulti-Betrieb“,<br />
bemerkt Winter-Meissl<br />
und zählt die fünf Nationen auf, aus<br />
denen die derzeitigen Mitarbeiter-<br />
Innen kommen. Und sie ergänzt:<br />
„Trotzdem und auch trotz der großen<br />
Fluktuation gelingt es immer<br />
gut, ein gemeinsames Teamgefühl<br />
zu entwickeln.“<br />
Angesichts der kulturellen Unterschiede<br />
gäbe es manchmal natürlich<br />
auch Schwierigkeiten, z.B. beim<br />
Handeln, wenn ein Fixpreis absolut<br />
nicht akzeptiert wird. „Ich kann aber<br />
auch meinen Mund nicht halten,<br />
wenn etwa der Mann vorne weggeht<br />
und seine Frau dahinter schwer zu<br />
tragen hat“, erzählt die Shop-Leiterin.<br />
Nachhaltigkeit<br />
Integraler Bestandteil des Geschäftsmodells<br />
der BAN ist der<br />
möglichst schonende Umgang mit<br />
den natürlichen Ressourcen. Bei<br />
Räumaufträgen ist oberste Maxime:<br />
so wenig wie möglich entsorgen, so<br />
viel wie möglich verwerten. „Das<br />
steigende Bewusstsein, Dinge nicht<br />
einfach wegzuwerfen, kommt uns<br />
natürlich zugute“, erklärt die gelernte<br />
Drogistin aus dem Ausseerland,<br />
die bereits auf 20 Jahre in der BAN<br />
zurückblickt.<br />
Und: „Unter den Jungen schämt sich<br />
heutzutage kaum wer, Second Hand<br />
zu kaufen. Das war früher schon<br />
ganz anders.“ Wobei natürlich Modetrends<br />
eine gewisse Rolle spielten:<br />
So träfen momentan z.B. Gründerzeitmöbel<br />
kaum auf Nachfrage – außer<br />
man lackiere sie weiß. „Noch vor<br />
15 Jahren wäre das undenkbar gewesen,<br />
da durften alte Möbelstücke nur<br />
gebeizt, höchstens noch geölt sein.“<br />
Wertvolleres Inventar im Rang von<br />
Antiquitäten lande nur mehr selten<br />
<strong>dialog</strong>