Journal - Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie
Journal - Schwerpunktpraxis für Hämatologie und Onkologie
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Inhalt<br />
Diagnose S.2<br />
Biopsie – Lebendes Gewebe<br />
betrachten. Besteht der<br />
Verdacht, dass Blutzellen<br />
sich zu Krebszellen entwickelt<br />
haben, muss eine<br />
Knochenmarksprobe untersucht<br />
werden.<br />
Nachrichten<br />
aus der Praxis S.3<br />
Studien von heute sind die<br />
Therapien von morgen.<br />
Überblick S.4<br />
Leukämien – weißes Blut.<br />
Wenn Vorläuferzellen im<br />
Knochenmark entarten.<br />
Stichwort S.6<br />
Blut – Ein ganz besonderer<br />
Saft. Blutzellen haben nur<br />
eine begrenzte Lebensdauer.<br />
Diagnose S.7<br />
Stenographie <strong>für</strong> Onkologen<br />
– So werden die Stadien bösartiger<br />
Tumoren in Kurzform<br />
beschrieben.<br />
Kurz berichtet S.8<br />
Mit Blutzellen gegen Krebs –<br />
PET beim nicht-kleinzelligen<br />
Bronchialkarzinom.<br />
Liebe Patientin,<br />
lieber Patient,<br />
wer auf eine obst- <strong>und</strong> gemüsereiche Ernährung<br />
<strong>und</strong> damit auf eine ausreichende Vitaminversorgung<br />
achtet, der hatte in den letzen Monaten<br />
einiges einzustecken: Im Januar 2005 zeigten<br />
Wissenschaftler, dass sich mit der Ernährung<br />
allein Brustkrebs nicht verhindern lässt. Insgesamt<br />
ist die krebsverhütende Wirkung der Ernährung<br />
in den letzten Jahren offensichtlich<br />
überschätzt worden.<br />
Lassen Sie sich durch solche Meldungen nicht<br />
verunsichern. Eine ausgewogene Ernährung<br />
mit viel Obst <strong>und</strong> Gemüse ist <strong>und</strong> bleibt elementarer<br />
Bestandteil eines ges<strong>und</strong>en Lebensstils;<br />
aber Ernährung allein ist eben nicht alles.<br />
Praxis<strong>Journal</strong> 07 | Juli 2006<br />
Praxis<br />
<strong>Journal</strong><br />
Nur <strong>für</strong> unsere Patienten, nicht zur Weitergabe bestimmt.<br />
Gemeinschaftspraxis <strong>für</strong> <strong>Hämatologie</strong> <strong>und</strong> <strong>Onkologie</strong><br />
Dr. med. Renate Uhle<br />
Dr. med. Gerd Müller<br />
Dr. med. Hendrik Kröning<br />
Fachärzte <strong>für</strong> Innere Medizin,<br />
<strong>Hämatologie</strong> <strong>und</strong> Internistische <strong>Onkologie</strong><br />
Spezielle Schmerztherapie (Dr. Müller)<br />
Hasselbachplatz 2 · 39104 Magdeburg<br />
Tel. 0391 / 561 65 68 · Fax 0391 / 561 66 87<br />
eMail: info@onko-magdeburg.de<br />
Internet: www.onkologie-magdeburg.de<br />
Praxisbesonderheiten:<br />
Parenterale Chemotherapie, Transfusion von Blut <strong>und</strong><br />
Blutprodukten, Knochenmarkdiagnostik, tagesklinische<br />
Betreuung<br />
Erst wenn angemessene Bewegung <strong>und</strong> regelmäßiger<br />
Stressabbau hinzukommen, pflegt der<br />
Mensch einen ges<strong>und</strong>en Lebensstil. Und wer ges<strong>und</strong><br />
lebt, fühlt sich wohler, wird seltener krank<br />
– aber ist dennoch vor Krebs nicht zwangsläufig<br />
gefeit. Das ist die eigentliche Erkenntnis aus den<br />
aktuellen Studien. Wer anderes behauptet <strong>und</strong><br />
außerdem noch meint, Sie müssten <strong>für</strong> Vitaminoder<br />
andere Präparate teuer bezahlen, dem sollten<br />
Sie nicht blind vertrauen. Fragen Sie im<br />
Zweifelsfall uns, wir helfen Ihnen weiter.<br />
Ihr Praxisteam<br />
Dr. Renate Uhle, Dr. Gerd Müller,<br />
Dr. Hendrik Kröning
2<br />
Lebendes<br />
Gewebe<br />
betrachten<br />
Diagnose<br />
Ob ein verdächtiger Gewebeknoten<br />
wirklich von Krebs befallen ist oder<br />
nicht, lässt sich mit letzter Sicherheit oft<br />
nur anhand einer Gewebeprobe feststellen.<br />
Sie wird im Rahmen einer Biopsie<br />
entnommen. Das Wort stammt aus dem<br />
Griechischen <strong>und</strong> bedeutet soviel wie<br />
„lebend betrachten“.<br />
Knochenmark wird vorrangig durch Punktion<br />
aus dem Beckenkamm gewonnen<br />
Knochenmarksbiopsie<br />
Immer dann, wenn Blutzellen im Verdacht<br />
stehen, sich zu Krebszellen entwickelt zu<br />
haben, wie das bei einer Leukämie oder bei<br />
einem malignen Lymphom der Fall ist,<br />
muss eine Knochenmarksprobe untersucht<br />
werden. Denn im Knochenmark entstehen<br />
letztlich alle unsere Blutzellen, rote <strong>und</strong><br />
weiße Blutkörperchen ebenso wie die <strong>für</strong><br />
die Blutgerinnung wichtigen Blutplättchen.<br />
Besonders reich an Mark sind die<br />
Enden der langen Röhrenknochen an<br />
Oberarm <strong>und</strong> Oberschenkel sowie das<br />
Biopsie<br />
Brustbein <strong>und</strong> der Beckenknochen. Die<br />
Knochenmarkspunktion wird meist am<br />
Beckenknochen, selten am Brustbein<br />
durchgeführt, denn der obere Beckenkamm<br />
liegt selbst bei korpulenteren Personen<br />
fast direkt unter der Haut.<br />
Die Stanze<br />
Zunächst wird dazu eine etwa 2-Euro-<br />
Stück große Fläche örtlich betäubt. Anschließend<br />
führt der Arzt eine Hohlnadel<br />
von etwa zwei Millimeter Durchmesser ins<br />
Knochenmark ein <strong>und</strong> entnimmt einen bis<br />
zu fünf Zentimeter langen Knochenmarkszylinder,<br />
der als "Stanze" bezeichnet wird.<br />
Diese Stanze wird <strong>für</strong> verschiedene Untersuchungen<br />
an ein spezialisiertes Labor<br />
weitergeschickt. Falls der Verdacht auf eine<br />
Leukämie besteht, führt der Arzt zusätzlich<br />
eine so genannte Knochenmarkspunktion<br />
durch. Mit einer dünneren Hohlnadel<br />
entnimmt er durch den Stanzenkanal noch<br />
einige Milliliter Mark aus dem Knochen.<br />
Diese Knochenmarksprobe wird in der<br />
Praxis unter dem Mikroskop untersucht.<br />
Knochenmarksbiopsie <strong>und</strong> -punktion dauern<br />
zusammen etwa eine Viertelst<strong>und</strong>e.<br />
Manche Patienten bezeichnen die Punktion<br />
als schmerzhaft, die meisten beurteilen<br />
sie als gut verträglich.<br />
Entnahme von<br />
Rückenmarksflüssigkeit<br />
Bestimmte Krankheiten des Blutes können<br />
über die Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit,<br />
den Liquor cerebrospinalis, auch auf die<br />
Hirnhäute übergreifen. Deshalb ist es<br />
manchmal notwendig, auch den Liquor<br />
auf verdächtige Zellen hin zu untersuchen.<br />
Der durch das Innere der Wirbelsäule verlaufende<br />
Rückenmarkskanal <strong>und</strong> alle<br />
Hohlräume im Gehirn, die so genannten<br />
Hirnventrikel, sind mit Liquor gefüllt. Bei<br />
der Probenentnahme sitzt der Patient entweder<br />
vornüber gebeugt oder liegt in der<br />
Seitenlage. Mit einer sehr feinen <strong>und</strong> langen<br />
Hohlnadel sticht der untersuchende<br />
Arzt zwischen dem dritten <strong>und</strong> vierten<br />
Lendenwirbel in den Rückenmarkskanal.<br />
Bei dieser Prozedur ist in der Regel keine<br />
Betäubung erforderlich.<br />
Die Liquorentnahme, genauer: der Flüssigkeitsverlust,<br />
wird von den Hirnhäuten<br />
registriert – leichte Kopfschmerzen können<br />
die Folge sein. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist nach<br />
der Liquorentnahme eine zwei- bis dreistündige<br />
Bettruhe empfehlenswert.<br />
Lymphknotenbiopsie<br />
Bei Verdacht auf ein malignes Lymphom<br />
muss das Gewebe eines dauerhaft geschwollenen<br />
Lymphknotens genau untersucht<br />
werden. Die Technik der Probenentnahme<br />
hängt von der genauen Lage des<br />
Lymphknotens ab. Liegt der vergrößerte<br />
Lymphknoten oberflächlich, wird er meist<br />
bei örtlicher Betäubung als Ganzes herausgeschnitten.<br />
Handelt es sich um einen<br />
tiefer gelegenen Lymphknoten, wird mit<br />
einer Hohlnadel oft nur ein Teil des verdächtigen<br />
Gewebes entnommen.<br />
Mikroskopie <strong>und</strong> mehr<br />
Das Gewebematerial können Fachleute<br />
unter dem Mikroskop beurteilen. Sie achten<br />
vor allem auf charakteristische Gestaltveränderungen<br />
<strong>und</strong> darauf, ob „verdächtige“<br />
Zellen besonders zahlreich sind<br />
oder sich an bestimmten Orten häufen.<br />
Neben der mikroskopischen Untersuchung<br />
kommen heute auch so genannte<br />
immunhistochemische Methoden zur Anwendung.<br />
So kann man zum Beispiel eine<br />
Knochenmarksprobe mit im Labor hergestellten<br />
Antikörpern mischen. Antikörper<br />
sind in der Lage, verdächtige Zellen mit<br />
bestimmten Eigenschaften zweifelsfrei zu<br />
erkennen. Damit lassen sich Tumorzellen<br />
fast immer eindeutig charakterisieren <strong>und</strong><br />
der behandelnde Arzt kann ein passgenaues<br />
Konzept zur Behandlung seines Patienten<br />
entwickeln.
Studien von heute<br />
sind die Therapien von<br />
morgen<br />
Medizinischer Fortschritt ist ohne Studien<br />
nicht möglich. In der Medizin <strong>und</strong> vor<br />
allem in der <strong>Onkologie</strong> werden immer<br />
wieder neue Substanzen entwickelt oder<br />
bereits vorhandene verbessert. Neue Behandlungsverfahren<br />
<strong>und</strong> Medikamente<br />
müssen aber sorgfältig erprobt werden,<br />
bevor sie allgemein zum Einsatz kommen.<br />
Neue Medikamente werden in drei<br />
Phasen getestet<br />
Neu entwickelte Substanzen werden zunächst<br />
im Labor <strong>und</strong> im Tierversuch getestet.<br />
Erst danach folgt die so genannte<br />
klinische Prüfung am Menschen, die in<br />
drei Phasen abläuft. In der ersten Phase<br />
wird überprüft, wie die Substanz in welcher<br />
Dosis vertragen wird. In der zweiten<br />
Phase soll herausgef<strong>und</strong>en werden, gegen<br />
welche Tumoren genau die Substanz wirksam<br />
ist. In Phase III schließlich wird die<br />
Substanz mit anderen Behandlungsmethoden<br />
verglichen, um zu prüfen, ob sie<br />
wirklich einen echten Fortschritt bringen<br />
würde. Erst wenn die Phase III erfolgreich<br />
abgeschlossen wurde, steht<br />
das Medikament allen Patientinnen<br />
<strong>und</strong> Patienten zur Verfügung.<br />
Auch unsere Praxis nimmt seit<br />
Jahren an verschiedenen Phase-II<br />
oder -III-Studien teil. Zur Zeit betreuen<br />
wir unter anderem Patienten mit Darmkrebs,<br />
die in die so genannte AVANT-Studie<br />
aufgenommen wurden. In dieser weltweit<br />
durchgeführten Studie wird untersucht,<br />
ob die kombinierte Gabe verschie-<br />
Praxis<br />
<strong>Journal</strong><br />
Nachrichten<br />
aus unserer Praxis<br />
dener Wirkstoffe in unterschiedlicher Dosierung<br />
ein erneutes Auftreten des Krebses<br />
verhindern kann. Für die Koordination der<br />
Studien im Bereich gastrointestinaler<br />
Tumoren ist in unserer Praxis Herr Dr.<br />
Kröning verantwortlich. Wir behandeln in<br />
diesem Rahmen Darmkrebs-Patienten der<br />
Stadien II <strong>und</strong> III nach einer Operation mit<br />
verschiedenen Kombinationstherapien.<br />
Einige unserer Patientinnen nehmen an<br />
der so genannten SUCCESS-Studie teil, die<br />
die Verbesserung des rezidivfreien Überlebens<br />
bei operierten Patientinnen mit Mammakarzinom<br />
untersucht. In dieser Studie<br />
wird eine Behandlung von Brustkrebs mit<br />
sogenannten Zytostatika, also Medikamenten<br />
zur Hemmung der Zellteilung, im<br />
Rahmen einer wissenschaftlichen Therapieoptimierungsstudie<br />
durchgeführt, die<br />
die Wirksamkeit von unterschiedlichen<br />
Kombinationen verschiedener Medikamente<br />
vergleicht. Alle im Rahmen der Studie<br />
verordneten Medikamente werden bereits<br />
erfolgreich bei Brustkrebserkrankungen<br />
eingesetzt. Ziel der Untersuchung ist<br />
es, festzustellen, welche der Kombinationen<br />
zu besseren Ergebnissen führt.<br />
Neben den genannten sind wir noch an<br />
verschiedenen weiteren Studien beteiligt –<br />
unter anderem an wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen über verschiedene Blutkrebserkrankungen<br />
(Chronisch Lymphatische<br />
Leukämie, Chronisch Myeloische<br />
Leukämie) <strong>und</strong> einer Studie zur Behandlung<br />
von Knochenmetastasen.<br />
All diesen Studien ist gemein,<br />
dass die kombinierten Wirkstoffe<br />
immer spezifischer <strong>und</strong> <strong>für</strong><br />
den einzelnen Patienten sozusagen<br />
maßgeschneidert verordnet<br />
werden, was unter anderem auch zur<br />
Folge hat, dass sich unerwünschte Nebenwirkungen<br />
zunehmend reduzieren lassen.<br />
Neue Erkenntnisse über die genetischen<br />
Ursachen der Erkrankung, die Entdeckung<br />
hochwirksamer Substanzen sowie neu ent-<br />
wickelte Behandlungsmethoden haben<br />
zahlreiche Therapien in den letzten Jahren<br />
gr<strong>und</strong>legend verbessert. So haben sich<br />
zum Beispiel die Heilungschancen beim<br />
Morbus Hodgkin in den letzten 30 Jahren<br />
auf circa 90 Prozent erhöht.<br />
Patienten profitieren von der intensiven<br />
Zusammenarbeit mit den Forschern<br />
Selbstverständlich darf die Teilnahme an<br />
einer Studie keinem Patienten zum Schaden<br />
gereichen. Um das zu gewährleisten,<br />
muss jede Studie durch eine so genannte<br />
Ethikkommission geprüft <strong>und</strong> genehmigt<br />
worden sein. Die Kommission achtet<br />
genau darauf, dass Patienten durch die<br />
Teilnahme keinerlei Nachteile entstehen.<br />
Andererseits können wir Studienteilnehmern<br />
natürlich nicht von vornherein garantieren,<br />
dass die zu prüfende Behandlung<br />
auf jeden Fall bessere Ergebnisse<br />
bringt als die konventionelle Therapie.<br />
Studienpatienten werden sehr intensiv<br />
<strong>und</strong> individuell betreut. Ist eine Behandlungsmethode<br />
vielversprechend, gehören<br />
die Studienteilnehmer zu den ersten, die<br />
von ihr profitieren. Das ist übrigens auch<br />
das Ergebnis einer Analyse, die österreichische<br />
Wissenschaftler Anfang des Jahres<br />
2003 veröffentlicht haben: Es stellte sich<br />
heraus, dass Brustkrebs-Patientinnen, die<br />
an Studien teilgenommen hatten, deutlich<br />
länger überlebten. Natürlich wird nicht <strong>für</strong><br />
jede Erkrankung zu jeder Zeit eine geeignete<br />
Studie durchgeführt. Sprechen Sie uns<br />
an, wenn Sie sich <strong>für</strong> eine Studienteilnahme<br />
interessieren. Wir klären die Möglichkeiten<br />
dann im persönlichen Gespräch.<br />
3
Über<br />
blick<br />
Ungefähr einer von 11.000 Menschen in<br />
Deutschland erkrankt im Laufe seines<br />
Lebens an einer Leukämie. Bei bestimmten<br />
Formen vermehren sich die – dann<br />
funktionslos gewordenen – weißen Blutkörperchen<br />
auf das 10- bis 50-fache des<br />
normalen Wertes. Bereits im Jahre 1845<br />
beschrieb der Berliner Arzt Rudolf Virchow<br />
dieses Phänomen deshalb als „weißes<br />
Blut“, auf griechisch: Leukämie.<br />
Eine große Familie<br />
Weiße Blutkörperchen oder Leukozyten<br />
sind keine einheitlichen Zellen, sondern<br />
bilden eine große Familie mit r<strong>und</strong> einem<br />
Dutzend unterschiedlicher Zelltypen. Sie<br />
alle spielen in der Immunabwehr eine<br />
wichtige Rolle – <strong>und</strong> sie alle können zur<br />
Krebszelle entarten. Mit anderen Worten:<br />
Es gibt nicht nur eine Leukämie, sondern<br />
eine Reihe unterschiedlicher Leukämieformen.<br />
Lymphatische <strong>und</strong> myeloische<br />
Zellen<br />
Alle Blutkörperchen <strong>und</strong> -plättchen entstehen<br />
im Knochenmark. Die Reifung der<br />
Leukozyten verzweigt bereits zu Anfang<br />
in zwei Richtungen: Es bilden sich lymphatische<br />
<strong>und</strong> myeloische Vorläuferzellen.<br />
Aus den lymphatischen Vorläuferzellen<br />
entwickeln sich die B- <strong>und</strong> T-Lymphozyten.<br />
Nach ihrer Reifung wandern sie in die<br />
Gewebe, die <strong>für</strong> die Immunabwehr besonders<br />
wichtig sind: in die Lymphknoten,<br />
die Rachenmandeln, die Milz <strong>und</strong> in die<br />
Schleimhäute von Darm <strong>und</strong> Lunge. Diese<br />
Gewebe nennen Mediziner daher auch<br />
lymphatische Gewebe.<br />
Lymphozyten sind in der Lage, körperfremde<br />
Strukturen wie etwa Bakterien,<br />
Pilze <strong>und</strong> Viren zu erkennen. Im Falle<br />
einer Infektion leiten sie die Abwehrreaktion<br />
des Körpers ein. B-Lymphozyten sind<br />
<strong>für</strong> die Produktion von Antikörpern zuständig,<br />
T-Lymphozyten können eine Ab-<br />
Leukämien – weißes Blut<br />
Wenn Vorläuferzellen im Knochenmark entarten<br />
wehrreaktion ein- oder ausschalten <strong>und</strong><br />
zum Teil auch virusinfizierte oder krebsbefallene<br />
Körperzellen abtöten.<br />
Die myeloischen Vorläuferzellen entwickeln<br />
sich im Knochenmark unter anderem<br />
zu großen <strong>und</strong> kleinen Fresszellen, den so<br />
genannten Makrophagen <strong>und</strong> den neutrophilen<br />
Granulozyten. Sie sind in gewisser<br />
Weise die ausführenden Organe der Lymphozyten;<br />
denn alles, was diese zur Vernichtung<br />
freigegeben haben, verleiben sich<br />
die Fresszellen ein <strong>und</strong> verdauen es.<br />
Lymphatische <strong>und</strong> myeloische<br />
Leukämie<br />
Wenn Lymphozyten oder ihre Vorformen<br />
entarten <strong>und</strong> eine Leukämie verursachen,<br />
spricht man von einer lymphatischen Leukämie.<br />
Sind Zellen der myeloischen Reihe<br />
Ursprung des bösartigen Wachstums, so<br />
handelt es sich um eine myeloische Leukämie.<br />
Entartete Zellen der lymphatischen<br />
Leukämien kommen im Knochenmark oder<br />
im lymphatischen System vor, je nachdem<br />
auf welcher Entwicklungsstufe die Entartung<br />
stattgef<strong>und</strong>en hat. Ist das lymphatische<br />
System betroffen, kommt es wegen der<br />
ungehemmten Zellteilung zur Ausschwemmung<br />
ins Blut <strong>und</strong> häufig auch zu<br />
Lymphknotenschwellungen. Im weiteren<br />
Krankheitsverlauf können auch andere Organe<br />
befallen werden.<br />
Entartete myeloische Zellen teilen sich im<br />
Knochenmark unkontrolliert <strong>und</strong> überschwemmen<br />
anschließend regelrecht das<br />
Blut. Auf diesem Weg können sie jedes<br />
Organ des Körpers <strong>und</strong> über die Rückenmarks-Gehirn-Flüssigkeit<br />
(Liquor) sogar<br />
das Gehirn erreichen <strong>und</strong> sich dort ansiedeln.<br />
Akut oder chronisch?<br />
Sowohl lymphatische als auch myeloische<br />
Leukämien kommen in akuter oder chronischer<br />
Form vor. Akute Leukämien ent-<br />
wickeln sich rasch <strong>und</strong> verursachen schwere<br />
Symptome. Bei den entarteten Zellen<br />
handelt es sich meist um unreife Formen,<br />
also um Zellen, die im Reifungsprozess<br />
noch nicht weit vorangeschritten sind. Sie<br />
vermehren sich derart rasant, dass die normale<br />
Blutzellbildung im Knochenmark gestört<br />
ist. Die Patienten klagen über ein<br />
plötzlich einsetzendes Krankheitsgefühl,<br />
sie leiden unter Fieber <strong>und</strong> häufig auch<br />
unter einer hartnäckigen Infektion. Aber<br />
keines dieser Symptome beweist, dass der<br />
Patient an einer Leukämie erkrankt ist. Die<br />
exakte Diagnose kann erst durch eine Blutbeziehungsweise<br />
eine Knochenmarkuntersuchung<br />
gesichert werden.<br />
Chronische Leukämien beginnen schleichend<br />
<strong>und</strong> verursachen lange keine Symptome.<br />
Häufig werden sie im Rahmen einer<br />
Routineuntersuchung diagnostiziert. Ursache<br />
sind ausgereifte oder fast ausgereifte<br />
Blutzellen, die zu Krebszellen entarten.<br />
Im weiteren Krankheitsverlauf klagen die<br />
Patienten wie bei den akuten Leukämien<br />
über Leistungsminderung, Unwohlsein,<br />
Gewichtsverlust oder auch Nachtschweiß<br />
<strong>und</strong> Fieber. Aber auch hier gilt: Anhand der<br />
Symptome allein lässt sich keine chronische<br />
Leukämie diagnostizieren.<br />
Vier häufige Leukämieformen<br />
Ausgehend von den entarteten Ursprungszellen<br />
<strong>und</strong> den Verlaufsformen werden<br />
vier häufige Formen der Leukämie unterschieden:<br />
die akute lymphatische Leukämie<br />
(ALL), die akute myeloische Leukämie<br />
(AML), die chronisch lymphatische (CLL)<br />
sowie die chronisch myeloische Leukämie<br />
(CML).<br />
Die ALL ist die häufigste bösartige Erkrankung<br />
bei Kindern, an der AML erkranken<br />
vorwiegend Erwachsene. Die CLL kommt<br />
meist bei Patienten im höheren die CML<br />
zusätzlich auch bei Patienten im mittleren<br />
Lebensalter vor. Übrigens ist die CMS die<br />
4
Erkrankung, die Rudolf Virchow vor mehr<br />
als 150 Jahren diagnostiziert hatte.<br />
Absicherung der Diagnose<br />
Anhand der Symptome allein lässt sich<br />
keine Leukämie-Diagnose stellen. Zur Absicherung<br />
müssen eine Blut- <strong>und</strong> eine Knochenmarkprobe,<br />
bei Verdacht auf CLL<br />
auch Lymphknotengewebe untersucht<br />
werden. In diesen Proben lassen sich Art<br />
<strong>und</strong> Ausmaß der entarteten Blutzellen<br />
genau bestimmen. Zur Gewinnung einer<br />
Knochenmarkprobe betäubt der Arzt ein<br />
etwa 2-Euro-Stück großes Hautareal am<br />
oberen Beckenkamm. Mit einer etwas dickeren<br />
Hohlnadel sticht er dann in den Beckenknochen<br />
hinein <strong>und</strong> entnimmt eine<br />
zylinderförmige Probe, die so genannte<br />
Stanze. Ergänzend zu dieser Stanzbiopsie<br />
kann anschließend durch den Stanzkanal<br />
auch flüssiges Mark in eine Spritze gesaugt<br />
<strong>und</strong> direkt unter dem Mikroskop beurteilt<br />
werden.<br />
Chemo- <strong>und</strong> Strahlentherapie<br />
Eine Leukämie lässt sich im Unterschied<br />
zu Organtumoren nicht operieren, weil sie<br />
nicht nur ein Organ, sondern den gesamten<br />
Organismus befällt. Chemo- <strong>und</strong><br />
Strahlentherapie bilden deshalb die beiden<br />
Säulen jeder Leukämiebehandlung. Häufig<br />
werden bei der Chemotherapie zwei<br />
oder drei verschiedene Medikamente<br />
kombiniert, die sich in ihrer Wirkung<br />
gegenseitig verstärken. Bei nahezu allen<br />
Leukämieformen wird derzeit aber auch<br />
untersucht, inwieweit die Patienten von<br />
einer so genannten Hochdosis-Chemotherapie<br />
mit anschließender Stammzellübertragung<br />
profitieren.<br />
Bei dieser Hochdosistherapie werden die<br />
Chemotherapeutika in so hohen Dosen<br />
verabreicht, dass nicht nur die Krebszellen,<br />
sondern alle Zellen des blutbildenden Systems<br />
im Knochenmark vernichtet werden.<br />
Stammzelltransplantation<br />
Im Anschluss daran erhält der Patient<br />
mittels Infusion ges<strong>und</strong>e Blutstammzellen.<br />
Diese Zellen wandern vom Blut ins Knochenmark,<br />
vermehren sich dort <strong>und</strong> sorgen<br />
so <strong>für</strong> den Aufbau eines komplett<br />
neuen, krebsfreien blutbildenden Systems.<br />
Was als theoretisches Konzept einfach <strong>und</strong><br />
überzeugend klingt, lässt sich praktisch<br />
nur in spezialisierten Zentren durchführen.<br />
Denn während der Behandlung können<br />
Komplikationen wie Unverträglichkeitsreaktionen<br />
oder schwere Infektionen auftreten.<br />
Akute Formen sofort behandeln<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt, dass die akuten Leukämieformen<br />
(ALL <strong>und</strong> AML) sofort mit<br />
einer konventionellen oder einer Hochdosis-Chemotherapie<br />
behandelt werden<br />
müssen. Bei der ALL werden zusätzlich<br />
Praxis<br />
<strong>Journal</strong><br />
noch der Kopf <strong>und</strong> die obere<br />
Halswirbelsäule bestrahlt, da<br />
die entarteten Zellen auch das<br />
Gehirn befallen können. An<br />
eine erfolgreiche Erstbehandlung<br />
schließt sich in der Regel<br />
eine mindestens 12-monatige<br />
Erhaltungstherapie an.<br />
CML: Stammzelltransplantation<br />
Wenn sie sich in gutem Allgemeinzustand<br />
befinden, ist <strong>für</strong><br />
CML-Patienten die Hochdosis-<br />
Chemotherapie mit anschließender<br />
Stammzellübertragung<br />
die aus heutiger Sicht vielversprechendste<br />
Therapie. Aus<br />
den Blutstammzellen eines geeigneten<br />
Fremdspenders können<br />
sich Abwehrzellen entwickeln, die<br />
sogar gegen möglicherweise noch vorhandene<br />
Krebszellen im Körper des Patienten<br />
aktiv werden. Als besonders geeignete<br />
Fremdspender gelten ges<strong>und</strong>e Geschwister<br />
des Patienten. Daneben steht mittlerweile<br />
ein noch recht neuer Wirkstoff gegen<br />
die CML zur Verfügung: Imatinib blockiert<br />
die krankhafte Entstehung desjenigen Eiweißes,<br />
das die Zelle zu unkontrolliertem<br />
Wachstum veranlasst. Bei etwa 90 Prozent<br />
der CML-Patienten ist der Einsatz von Imatinib<br />
sinnvoll.<br />
Wachsames Beobachten<br />
Bei der chronisch lymphatischen Leukämie<br />
(CLL) ist es häufig ratsam, zunächst gar<br />
keine Medikamente einzusetzen; denn die<br />
Erkrankung schreitet nur sehr langsam fort.<br />
Erst wenn die roten Blutkörperchen beziehungsweise<br />
die Blutplättchen stark abfallen<br />
oder Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Fieber<br />
<strong>und</strong> andere Symptome den Patienten zu<br />
sehr belasten, wird in der Regel eine chemotherapeutische<br />
Behandlung eingeleitet.<br />
Bis heute ist unklar, warum die Vorläufer<br />
der Blutzellen im Knochenmark entarten.<br />
Keine Diät <strong>und</strong> kein Lebensstil können<br />
davor schützen. Radioaktive Strahlen <strong>und</strong><br />
das Lösungsmittel Benzol gehören zu den<br />
bekannten Risikofaktoren. Eine echte Vorbeugung<br />
gegen die Leukämie gibt es leider<br />
nicht.
Stich<br />
Wort<br />
Schon <strong>für</strong> Mephistopheles in Goethes<br />
Faust war Blut ein „ganz besonderer<br />
Saft”. Es versorgt das Gewebe mit Sauerstoff,<br />
entsorgt Kohlendioxid <strong>und</strong> Stoffwechselschlacken<br />
<strong>und</strong> beeinflusst die<br />
Körpertemperatur. Hier lesen Sie, wie<br />
Blut entsteht.<br />
Blut: Wasser, Eiweiß, Zellen<br />
Blut ist dicker als Wasser: In dieser Volksweisheit<br />
steckt mehr Wahrheit als man<br />
gemeinhin annimmt. Denn in der unvorstellbar<br />
kleinen Menge von einem<br />
Millionstel Liter Blut tummeln sich mehrere<br />
Millionen Blutzellen. Die meisten<br />
haben nur eine begrenzte Lebensdauer.<br />
Pro Sek<strong>und</strong>e müssen etwa zwei Millionen<br />
aussortiert <strong>und</strong> wieder ersetzt werden.<br />
Den notwendigen Nachschub liefert das so<br />
genannte blutbildende System im Knochenmark:<br />
Jede Minute produziert es etwa<br />
160 Millionen rote <strong>und</strong> mehr als 100 Millionen<br />
weiße Blutkörperchen.<br />
Die roten Blutkörperchen, auch Erythrozyten<br />
genannt, transportieren Sauerstoff<br />
von den Lungen zu jeder einzelnen Körperzelle,<br />
<strong>und</strong> die weißen Blutkörperchen<br />
(Leukozythen) benötigen wir <strong>für</strong> unsere<br />
Immunabwehr. Auch die <strong>für</strong> die Blutstillung<br />
<strong>und</strong> -gerinnung notwendigen Blutplättchen<br />
(Thrombozyten) entstehen im<br />
Knochenmark, <strong>und</strong> zwar etwa 30 Millionen<br />
pro Minute.<br />
Multitalente im Knochenmark<br />
Erythrozyten, Leukozyten <strong>und</strong> Thrombozyten<br />
haben im Knochenmark einen ge-<br />
6<br />
Blut: Ein ganz<br />
besonderer Saft<br />
meinsamen zellulären Ursprung. Sie alle<br />
entwickeln sich aus den so genannten blutbildenden<br />
Stammzellen oder kurz Blutstammzellen.<br />
Wegen ihrer Vielseitigkeit<br />
werden sie auch als pluripotent – alles könnend<br />
– bezeichnet. Stammzellen vermehren<br />
sich – wie andere Zellen auch – durch<br />
Zellteilung, aber: Die beiden entstehenden<br />
Tochterzellen entwickeln sich jeweils in<br />
eine andere Richtung. Die eine wird wieder<br />
eine pluripotente Stammzelle, die andere<br />
beginnt einen mehrere Tage dauernden<br />
Reifeprozess, den Fachleute als Differenzierung<br />
bezeichnen. Sie verlieren ihre<br />
„Alles-Könner-Eigenschaft“ <strong>und</strong> entwickeln<br />
sich zu einer spezialisierten Blutzelle.<br />
Fähren <strong>für</strong> den Sauerstoff<br />
Die Spezialität roter Blutkörperchen sieht<br />
man dem Blut mit bloßem Auge an: die<br />
rote Farbe. Sie stammt von einem Eiweißmolekül,<br />
dem Hämoglobin, mit dem jedes<br />
rote Blutkörperchen vollgestopft ist. Es ist<br />
in der Lage, Sauerstoff oder Kohlendioxid<br />
an sich zu binden <strong>und</strong> wieder abzugeben.<br />
Dank dieser Eigenschaft des Hämoglobins<br />
wirkt jedes rote Blutkörperchen<br />
wie eine Fähre, die Sauerstoff<br />
von der Lunge in die Gewebe<br />
<strong>und</strong> Kohlendioxid<br />
von den Geweben in die<br />
Lunge transportiert.<br />
Plättchen bilden<br />
Pfropfen<br />
Die Thrombozyten reifen über das<br />
Zwischenstadium der so genannten Knochenmarksriesenzellen<br />
(Megakaryozyten).<br />
Jede dieser Riesenzellen schnürt etwa 4.000<br />
bis 5.000 flache, kernlose Blutplättchen ab,<br />
die anschließend aus dem Knochenmark<br />
ins Blut auswandern. Diese Plättchen oder<br />
Thrombozyten prüfen ständig, ob die<br />
Wände der Blutgefäße intakt sind oder<br />
nicht. Sobald eine Gefäßverletzung auftritt,<br />
sammeln sie sich am Ort der Verletzung,<br />
bilden einen Pfropf <strong>und</strong> leiten so die Blutstillung<br />
beziehungsweise Blutgerinnung<br />
ein.<br />
Spezialisten mit Hilfspersonal<br />
Die komplexeste Entwicklung durchlaufen<br />
die weißen Blutkörperchen, die Leukozyten.<br />
Während der Differenzierung reifen<br />
zunächst zwei Zelltypen heran: die lymphatischen<br />
<strong>und</strong> die myeloischen Vorläuferzellen.<br />
Aus lymphatischen Vorläuferzellen entwickeln<br />
sich die Spezialisten der Immunabwehr:<br />
die B- <strong>und</strong> T-Lymphozyten. Die<br />
meisten befinden sich in Lymphknoten, in<br />
den Rachenmandeln <strong>und</strong> in den Schleimhäuten<br />
des Magendarmtraktes, immer auf<br />
der Suche nach Infektionserregern. Die B-<br />
Lymphozyten reifen im Knochenmark<br />
(engl. bone marrow) heran <strong>und</strong> sind <strong>für</strong> die<br />
Produktion von Antikörpern zuständig.<br />
Die T-Lymphozyten absolvieren ihren letzten<br />
Reifungsschritt in der Thymusdrüse<br />
hinter dem Brustbein <strong>und</strong> steuern die Abwehrreaktion<br />
oder können sich auch selbst<br />
zu spezialisierten Killerzellen entwickeln.<br />
Aus myeloischen Vorläuferzellen entwickeln<br />
sich die sozusagen ausführenden<br />
Organe der Immunabwehr,<br />
beispielsweise die großen Fresszellen<br />
(Makrophagen) <strong>und</strong> die<br />
kleinen (neutrophile Granulozyten).<br />
Alles, was die Lymphozyten<br />
zur Vernichtung freigegeben haben,<br />
verleiben sie sich ein <strong>und</strong> machen es unschädlich.<br />
Mephisto hatte Recht<br />
Seit Goethes Tagen wissen wir sehr viel<br />
mehr über Blut, <strong>und</strong> wir wissen auch, dass<br />
Mephisto Recht hatte; denn Störungen in<br />
der Blutbildung bedrohen unsere Ges<strong>und</strong>heit,<br />
beispielsweise in Form von Immunschwächekrankheiten,<br />
Leukämien oder<br />
Lymphdrüsenkrebs.
Stenographie<br />
<strong>für</strong> Onkologen<br />
Wenn es darum geht, die <strong>für</strong> den einzelnen<br />
Patienten optimale Behandlungsstrategie<br />
festzulegen, ist nicht nur die Tumorart,<br />
sondern auch das Stadium der<br />
Krebserkrankung von großer Bedeutung.<br />
Weltweit wird zur Stadienbestimmung<br />
das so genannte TNM-System genutzt.<br />
Vielleicht haben Sie es in Ihrem Bef<strong>und</strong>bericht<br />
ja selbst schon einmal gesehen: In<br />
einer Reihe merkwürdig anmutender Kürzel<br />
beschreiben Onkologen das Stadium<br />
einer Krebserkrankung, beispielsweise so:<br />
pT1pN2pM0C3G2V0L0G1R0<br />
Was aussieht wie ein kompliziertes Passwort<br />
<strong>für</strong> ein Computerprogramm, ist tatsächlich<br />
so etwas wie die Kurzschrift der<br />
Onkologen, das so genannte TNM-System.<br />
Es wurde vor etwa 30 Jahren von der Internationalen<br />
Gesellschaft gegen den Krebs<br />
(Union Internationale contre le Cancer,<br />
UICC) entwickelt <strong>und</strong> wird seither ständig<br />
fortgeschrieben. Die aktuelle Ausgabe der<br />
TNM-Klassifikation ist Anfang 2005 erschienen.<br />
T<br />
Tumor<br />
Mit diesem Buchstaben wird die Ausdehnung<br />
des Primärtumors beschrieben. In<br />
unserem Beispiel folgt auf T eine 1, das<br />
heißt, der Tumor ist klein <strong>und</strong> auf das befallene<br />
Organ (beispielsweise die Brust)<br />
beschränkt. Die Ziffern 2 <strong>und</strong> 3 werden <strong>für</strong><br />
größere Tumoren vergeben, die ebenfalls<br />
auf das Organ beschränkt sind, die 4 bedeutet,<br />
dass der Tumor die Organgrenze<br />
überschritten hat.<br />
Praxis<br />
<strong>Journal</strong><br />
Diagnose: NSo werden die Stadien bösartiger Tumoren beschrieben<br />
Lymphknoten (Nodi)<br />
Lymphknoten werden fachsprachlich als<br />
Nodi bezeichnet. Folgt auf N eine Zahl größer<br />
als Null, so sind Lymphknoten befallen.<br />
Die Ziffern 1 oder 2 bedeuten, dass<br />
Lymphknoten in der unmittelbaren Umgebung<br />
des Primärtumors befallen sind.<br />
Die Ziffer 3 zeigt den Befall entfernter<br />
Lymphknoten oder sehr großer Lymphknotenpakete<br />
an.<br />
M = Metastasen<br />
Metastasen sind Tochtergeschwulste des<br />
Primärtumors. Ist das M wie in unserem<br />
Beispiel mit 0 bezeichnet, so konnten keine<br />
Metastasen nachgewiesen werden. M1 dagegen<br />
zeigt an, dass Fernmetastasen in anderen<br />
Organen vorhanden sind. Um welches<br />
Organ es sich genau handelt, kann<br />
durch einen abgekürzten Zusatz wie HEP<br />
(<strong>für</strong> Leberbefall) oder PUL (<strong>für</strong> Lungenbefall)<br />
bezeichnet werden.<br />
C = Sicherung des Bef<strong>und</strong>es<br />
Mit dem englischen Begriff certainty (= Sicherheit)<br />
beschreiben Onkologen die Sicherheit<br />
oder Zuverlässigkeit, mit der ihre<br />
Einschätzungen bezüglich T, N <strong>und</strong> M zu<br />
beurteilen sind. Diese Sicherheit steigt mit<br />
der Qualität der eingesetzten Untersuchungsverfahren.<br />
C1 bedeutet, dass die Bef<strong>und</strong>e<br />
durch Tastuntersuchungen oder<br />
Standard-Röntgenaufnahmen erhoben<br />
worden sind. Unter C2 fallen spezielle apparative<br />
Untersuchungen wie Computertomografie,<br />
Kernspintomographie, Ultraschalluntersuchung<br />
oder Endoskopie mit<br />
Probenentnahme. C3 bedeutet, dass eine<br />
Operation mit Probenentnahme stattgef<strong>und</strong>en<br />
hat, C4 wird vergeben, wenn die<br />
Stadienbeurteilung im Licht aller Bef<strong>und</strong>e<br />
eindeutig ist.<br />
M V L<br />
G<br />
G = Grad der Differenzierung<br />
Mit dem englischen Begriff grading beschreiben<br />
Onkologen, inwieweit das Tu-<br />
morgewebe noch ges<strong>und</strong>em Gewebe ähnelt.<br />
Ges<strong>und</strong>es Gewebe ist nie unreif, sondern<br />
in Hinblick auf Gestalt <strong>und</strong> Funktion<br />
ausgereift, in der Fachsprache der Mediziner<br />
ist ges<strong>und</strong>es Gewebe komplett differenziert.<br />
Ein vergleichsweise noch stark<br />
differenzierter Tumor ist ges<strong>und</strong>em Gewebe<br />
recht ähnlich <strong>und</strong> wird mit G1 bezeichnet.<br />
Je unreifer das Tumorgewebe ist <strong>und</strong> je<br />
schneller es wächst, desto unähnlicher<br />
wird es ges<strong>und</strong>em Gewebe <strong>und</strong> um so größer<br />
ist die Ziffer hinter dem G. Wird ein<br />
Tumor mit G4 beurteilt, bedeutet das, dass<br />
seine Zellen völlig unreif sind <strong>und</strong> völlig<br />
unkontrolliert wachsen.<br />
V <strong>und</strong> L: Invasion der Gefäße<br />
V steht <strong>für</strong> venöse, L <strong>für</strong> lymphatische Invasion,<br />
also <strong>für</strong> das mögliche Eindringen<br />
von Tumorzellen ins Blut- oder Lymphgefäßsystem.<br />
V0 beziehungsweise L0 bedeutet,<br />
dass in den Gefäßen keine Tumorzellen<br />
nachweisbar sind. V1 beziehungsweise<br />
L1 zeigt an, dass Tumorzellen in den<br />
Gefäßen gef<strong>und</strong>en wurden.<br />
R = Resektionsrand<br />
Mit R wird beschrieben, ob der Tumor im<br />
Ges<strong>und</strong>en herausgeschnitten werden<br />
konnte (R0) oder ob das Tumorgewebe bis<br />
an den Schnittrand reichte (R1). Bei R1 ist<br />
nicht auszuschließen, dass noch Tumorzellen<br />
im Körper verblieben sind.<br />
R<br />
Kleinbuchstaben<br />
Die Buchstaben T, N <strong>und</strong> M können mit<br />
zusätzlichen Kleinbuchstaben versehen<br />
sein. In unserem Beispiel ist es der Buchstabe<br />
„p“. Das bedeutet, die Stadienbestimmung<br />
ist auf Gr<strong>und</strong>lage einer pathologischen<br />
Untersuchung unter dem Mikroskop<br />
durchgeführt worden. Fehlt das p, so<br />
ist die Bestimmung lediglich auf Gr<strong>und</strong>lage<br />
klinischer Untersuchungen, zum Beispiel<br />
auf Gr<strong>und</strong>lage eines Tastbef<strong>und</strong>es,<br />
durchgeführt worden.<br />
7
8<br />
Kurz<br />
berichtet<br />
Neues aus der Forschung<br />
Die Idee ist so genial wie einfach: Man verändere<br />
körpereigene Blutzellen so, dass sie<br />
zielgenau einen Tumor im Organismus des<br />
Krebspatienten zerstören. Genau das ist<br />
das Ziel eines internationalen Forschungsverb<strong>und</strong>es,<br />
der von der Europäischen<br />
Union gefördert wird.<br />
Ein Tumor kann deshalb entstehen, weil<br />
seine Zellen sich der Überwachung durch<br />
das Immunsystem zu entziehen vermögen.<br />
Genau an dieser Stelle wollen die Forscher<br />
ansetzen. T-Zellen, das sind weiße<br />
Blutzellen, die wesentliche Funktionen bei<br />
der Steuerung <strong>und</strong> der Ausführung der<br />
Immunreaktion haben, sollen fit gemacht<br />
werden <strong>für</strong> den Kampf gegen den Tumor.<br />
Dazu wollen die Forscher menschliche T-<br />
Zellen mit einem Rezeptor auf der Außen-<br />
Anzeige<br />
Mit<br />
Blutzellen<br />
gegen<br />
Krebs<br />
seite ausstatten, der Zielstrukturen auf Tumorzellen<br />
erkennt. Außerdem muss da<strong>für</strong><br />
gesorgt werden, dass nach der Bindung an<br />
den Rezeptor auf der äußeren Membran im<br />
Inneren der T-Zelle genau die Schritte ablaufen,<br />
die notwendig sind, um eine Immunreaktion<br />
auszulösen. Wie die Universität<br />
Köln mitteilt, haben Forscher in Köln<br />
<strong>und</strong> Manchester kürzlich im Reagenzglas<br />
zeigen können, dass diese Strategie tatsächlich<br />
funktioniert.<br />
Quelle: Pressemitteilung der Universität zu Köln<br />
vom 13.03.2006<br />
Seit dem 3. März 2006 dürfen gesetzliche<br />
Krankenversicherungen die Kosten <strong>für</strong> die<br />
Positronen-Emissions-Tomographie, kurz<br />
PET, bei Patienten mit nicht-kleinzelligem<br />
Bronchialkarzinom übernehmen. Allerdings<br />
in der Regel nur dann, wenn die betroffenen<br />
Patienten sich zur stationären Behandlung<br />
in einem Krankenhaus befinden.<br />
So lautet der Beschluss des <strong>für</strong> die Be-<br />
Das Menschenmögliche tun.<br />
Praxis<br />
<strong>Journal</strong><br />
PET beim<br />
nicht-kleinzelligen<br />
Bronchialkarzinom<br />
Impressum<br />
© 2006, LUKON GmbH<br />
Chefredaktion:<br />
Dr. Renate Uhle, Dr. Gerd Müller,<br />
Dr. Hendrik Kröning<br />
Grafik-Design, Illustration:<br />
Charlotte Schmitz<br />
Druck:<br />
DigitalDruckHilden GmbH<br />
urteilung der Kostenübernahme durch gesetzliche<br />
Krankenversicherungen zuständigen<br />
gemeinsamen B<strong>und</strong>esausschusses.<br />
PET-Experten in Deutschland erhoffen sich<br />
von der Zulassung der Untersuchung eine<br />
Signalwirkung; denn in vielen europäischen<br />
Ländern <strong>und</strong> den USA gehört die<br />
PET zu den etablierten Untersuchungstechniken.<br />
Mit der PET lassen sich Zellen<br />
mit hohem Glukoseverbrauch bildlich darstellen.<br />
Tumorzellen verbrauchen sehr viel<br />
Glukose <strong>und</strong> sind mit Hilfe der PET bei bestimmten<br />
Krebsformen schon auffindbar,<br />
wenn sich mit herkömmlichen Verfahren<br />
wie Röntgen, Computer- oder Kernspintomographie<br />
noch keine Tumorherde nachweisen<br />
lassen.<br />
Quelle: Pressemitteilung des Gemeinsamen<br />
B<strong>und</strong>esausschusses vom 02.03.2006