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04.07.2016 Von Dirk Schulze<br />

Sebnitz.<br />

„Willkommen in Dunkeldeutschland“ und „Das Pack grüßt Gauck“ waren<br />

noch die harmloseren Sprüche. „Volksverräter“ und „Hau ab“ wurde<br />

Bundespräsident Joachim Gauck in Sebnitz entgegengebrüllt.<br />

© Steffen Unger<br />

Wenn die Gewerbetreibenden und die Einwohner still bleiben,<br />

überlassen sie es den Pöblern, die Außenwahrnehmung von Sebnitz<br />

zu prägen. Diese Befürchtung äußerte die Chefin des Hotels<br />

Sebnitzer Hof, Margaux Steiger, vergangene Woche. Der Anlass<br />

waren eine Urlaubs-Stornierung und mehrere Anrufe in dem Hotel.<br />

Die verschreckten Gäste zeigten sich bestürzt über die aggressiven<br />

Pöbeleien, mit denen Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem<br />

Besuch in Sebnitz belegt wurde. Bundesweit wurde darüber<br />

berichtet. Der Sebnitzer Hof veröffentlichte eine Stellungnahme auf<br />

seiner Facebook-Seite, um verunsicherten Urlaubern zu zeigen, dass<br />

solche Aktionen in der Stadt nicht auf allgemeine Zustimmung<br />

stoßen. Gleichzeitig wunderte sich die Hotelchefin, dass sich sonst<br />

niemand öffentlich äußerte. „Wenn wir uns nicht distanzieren, siegen<br />

die negativen Schlagzeilen“, sagte Margaux Steiger. Jetzt gibt es<br />

Reaktionen aus der Kommunalpolitik. Braucht es weitere<br />

Stellungnahmen zu den Anti-Gauck-Pöbeleien? „Eher nicht“, sagt<br />

Annegret Schowalter, Sebnitzer Stadträtin und Vorsitzende des<br />

CDU-Stadtverbands. Allerdings nicht, weil sie etwa Verständnis für die Störaktion hätte. Sondern: „weil dies die wenigen<br />

unanständigen Schreihälse nur mit einem Maß an Aufmerksamkeit belohnt, das sie wahrhaftig nicht verdienen.“ Die<br />

CDU-Stadträtin ist durchaus zwiegespalten in ihrer Meinung. Sie will die Pöbeleien, die sie als „abscheulich und beschämend“<br />

bezeichnet, keinesfalls kleinreden. Anderseits möchte sie vermeiden, dass die Störer noch mehr im Fokus stehen. „Nein, unsere<br />

Stadt wird eben nicht von rechten Pöblern geprägt, diese sind und bleiben eine Randerscheinung, eine sehr hässliche!“, sagt sie.<br />

Annegret Schowalter möchte stattdessen, die positiven Aspekte in den Vordergrund rücken. Sie berichtet von couragierten<br />

Sebnitzern, die hinliefen zu den Störern und ein Gespräch suchten, nach den Gründen für den Zorn fragten und um Ruhe baten.<br />

Ohne Erfolg. „Den Sebnitzern aber pauschal zu unterstellen, sie hielten eine Distanzierung für unnötig, halte ich für falsch“, sagt<br />

sie. Wenn man als Stadt 30 000 Gäste hat, wolle man als Gastgeber nicht noch mehr Unruhe riskieren. Ob das nach außen auch<br />

so wahrgenommen wird, ist zumindest fraglich. Die verschreckte Touristin, die ihren Urlaub im Sebnitzer Hof stornierte, hatte<br />

genau diese Ruhe der Mehrheit bemängelt. Ihr sei klar, dass es sich um eine radikale Minderheit handele, sie könne aber nicht<br />

verstehen, dass keine Gegenstimmen hörbar werden, schrieb sie in ihrer Absage-Mail. „Zu viele Menschen schweigen dazu<br />

einfach nur.“<br />

Die Sebnitzer Stadträtin Annegret Schowalter ist optimistisch, dass trotz der Vorfälle um den Gauck-Besuch die positiven<br />

Eindrücke überwiegen. „Unsere Gäste aus den Alt-Bundesländern haben eventuell weniger Probleme damit, als wir befürchten“,<br />

sagt sie. Schließlich gehörten Bürgerproteste, auch lautstarke und gewagte, dort seit Jahrzehnten zum politischen Leben. Anders<br />

als in der DDR, wo man für eine Meinungsäußerung ganz fix im Knast landen konnte. Ganz viele Sebnitzer und Besucher seien<br />

voll des Lobes und hielten sowohl Stadtfest als auch Wandertag für wunderbar gelungen. „Der Wandertag wird für uns als Stadt<br />

und Region einen riesigen Imagegewinn bringen“, sagt Annegret Schowalter. „Fünfzig Minuten Störung werden dieses durchweg<br />

positive Gesamtbild nicht gänzlich auslöschen können.“<br />

Annegret Schowalter sagt aber auch noch etwas anderes: „Es hätten noch viel mehr Einwohner die Sebnitzer Erklärung<br />

unterzeichnen müssen.“ Dieser Meinung sei sie nach wie vor. Die Erklärung, die sich für Toleranz und Gewaltlosigkeit ausspricht<br />

und sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Extremismus richtet, hat der Stadtrat im Herbst verabschiedet. Bislang haben laut<br />

Stadtverwaltung über 1 200 Bürger als Zeichen der Unterstützung ihre Unterschrift unter den Text gesetzt. Viele Vereine wollten<br />

der Erklärung aber nicht pauschal beitreten. Laut SZ-Informationen meist mit der Begründung, sie würden sich nicht politisch<br />

äußern wollen. Für Annegret Schowalter geht es bei der Sebnitzer Erklärung jedoch nicht um politisch oder unpolitisch. „Es geht<br />

um unser humanistisches Werteverständnis.“<br />

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