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Verlagsbeilage 8. September 2016<br />

Raus aus dem<br />

Dornröschenschlaf<br />

Über die Herausforderungen des digitalen Zeitalters und wie Privatbanken ihnen begegnen sollten<br />

Horst Schmidt<br />

Vorstandsvorsitzender der<br />

Bethmann Bank AG<br />

Technische Revolutionen sind in<br />

der Geschichte schon immer unterschätzt<br />

worden. Das Automobil<br />

hatte seine Kritiker ebenso wie das<br />

Telefon. Viele Stimmen schrieben<br />

diesen Innovationen nur eine kurze<br />

Lebensdauer zu. Ebendiese Stimmen<br />

verpassten aber wichtige Chancen<br />

und ignorierten die Möglichkeiten,<br />

die sich ihnen boten.<br />

Auch bei der Digitalisierung, die<br />

längst alle Wirtschaftszweige und<br />

-branchen verändert, gibt es noch<br />

immer Zweifler, die der Ansicht<br />

sind, sie seien die Ausnahme von<br />

der Regel. So steht die Finanzbranche<br />

zumindest teilweise im Ruf, den<br />

Anschluss an die Digitalisierung zu<br />

verlieren. Internet und alles, was mit<br />

Online- und Mobile-Dienstleistungen<br />

zu tun hat, seien Fremdkörper für<br />

Unternehmenskulturen, bei denen<br />

andere Werte wichtiger seien. Dies<br />

gilt nicht zuletzt für die Private-Banking-Branche.<br />

Und es gibt in der Tat<br />

Privatbanken, die diese Einstellung<br />

noch immer zu pflegen scheinen.<br />

Sie argumentieren damit, dass ihre<br />

Kunden keine Digitalisierung wollten,<br />

weil sie keine Selbstentscheider<br />

seien. Die Kunden, so heißt es, wollten<br />

ihre Geldanlage den Experten der<br />

Vermögensverwaltung überlassen<br />

und seien bestens bedient mit digitalen<br />

Basisfunktionen wie einem Reportingversand<br />

via Internet. Zudem<br />

sei die Steuerung von Vermögen ein<br />

zu komplexes Geschäft für rein digitale<br />

Lösungen.<br />

Veränderte<br />

Erwartungen<br />

der Kunden<br />

Diese Haltung trägt der Lebenswirklichkeit<br />

der allermeisten Kunden jedoch<br />

nicht ausreichend Rechnung.<br />

Denn ob Wetter-App oder Navigationssysteme:<br />

Für viele Bankkunden<br />

gehören digitale Anwendungen, die<br />

persönliche Wünsche berücksichtigen,<br />

längst zum Alltag. So entwickeln<br />

sich dank des Internets auch immer<br />

mehr Vermögende zu Selbstentscheidern.<br />

Der große Umfang von online<br />

verfügbaren Markt- und Produktinformationen<br />

macht die Finanzmärkte<br />

transparent und für jedermann zugänglich.<br />

Leistungsfähige Tools liefern<br />

Informationen und Möglichkeiten,<br />

um Anlageentscheidungen selbst<br />

zu treffen. Das Anlageverhalten von<br />

Vermögenden verteilt sich dabei<br />

zunehmend auf zwei Pole: Auf der<br />

einen Seite stehen jene, die auf die<br />

Kenntnisse und Erfahrungen ihrer<br />

Bankberater voll vertrauen und sich<br />

von ihnen durch die überaus komplexen<br />

Finanzmärkte „chauffieren“<br />

lassen möchten. Auf der anderen Seite<br />

gibt es diejenigen, die technikaffin<br />

sind, über eigenes Finanz-Know-how<br />

verfügen und sich von der sogenannten<br />

Robo-Vermögensverwaltung,<br />

also von computergestützten Anlageprogrammen,<br />

erfolgreiche Anlageentscheidungen<br />

versprechen. Ihnen<br />

bieten die Privatbanken derzeit<br />

keine digitalen Lösungen.<br />

Doch Privatbanken sind im besten<br />

Sinne Kundenbanken. Sie leben<br />

von vertrauensvollen Kundenbeziehungen,<br />

die oft über viele Jahre<br />

bestehen. Persönliche Beratung und<br />

intensiver Dialog sind Kernaufgaben<br />

unserer Branche. Darin unterscheiden<br />

wir uns von Direktbanken. Um<br />

für unsere Kunden die bestmöglichen<br />

Entscheidungen zu treffen, müssen<br />

wir ihre Interessen, Familienverhältnisse,<br />

Ziele, Wünsche und Bedürfnisse<br />

kennen – und dieses Wissen mit<br />

unseren Erfahrungen und Kenntnissen<br />

in entsprechenden Anlageentscheidungen<br />

umsetzen. Dazu gehört<br />

auch, unseren Kunden unterstützende<br />

digitale Tools und Systeme anzubieten,<br />

auch wenn damit in unseren<br />

eigenen Organisationen erhebliche<br />

Veränderungen einhergehen. Denn<br />

im Private Banking nimmt mit der Digitalisierung<br />

der persönliche Dialog<br />

zwischen dem Bankberater und dem<br />

Kunden zu, nicht ab.<br />

Privatbanken sollten die Digitalisierung<br />

aus Perspektive ihrer Kunden<br />

betrachten. Noch reagieren Kunden –<br />

erstaunlicherweise durch alle Altersgruppen<br />

hindurch – eher ablehnend<br />

auf rein digitale Vermögenslösungen.<br />

Sie wollen aus guten Gründen nicht<br />

auf die persönliche Beratung ver-<br />

Börsen-Zeitung spezial

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