Sarah Kirsch: Biografie: * 16.04.1935, Limlingerode ... - rafelt.de
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<strong>Sarah</strong> <strong>Kirsch</strong>:<br />
<strong>Biografie</strong>:<br />
– * <strong>16.04.1935</strong>, <strong>Limlingero<strong>de</strong></strong> (Nordthüringen)<br />
– Ingrid Hella Irmelin<strong>de</strong> <strong>Kirsch</strong>, geborene Bernstein<br />
– Vater war Fernmel<strong>de</strong>techniker<br />
– Kindheit und Jugend ab 1937/38 in Halmerstadt<br />
– nach Abitur Forstarbeiterinnenlehre begonnen --><br />
Hang zur Natur, aber Abbruch <strong>de</strong>s Studiums<br />
– 1940-50 Arbeit in einer Zuckerfabrik<br />
– 1954-58 Biologiestudium in Halle --> Diplombiologin<br />
– 1960 Heirat Lyriker Rainer <strong>Kirsch</strong>, 8 Jahre verheiratet<br />
– ab 1960 Veröffentlichung lyrischer Texte unter Vornamen-Pseudonym <strong>Sarah</strong> (Protest gegen<br />
Ju<strong>de</strong>nvernichtung)<br />
– 1963-65 gemeinsam mit Mann Studium am Literaturinstitut Leipzig --> ab 1965 freischaffen<strong>de</strong><br />
Schriftsteller in Halle<br />
– Mitglied Schriftstellerverband DDR<br />
– nach Scheidung Umzug nach Ostberlin<br />
– 1969 Sohn Moritz (Vater: Karl Mickel)<br />
– Journalistin, Hörfunkmitarbeiterin, Übersetzerin<br />
– Vorstandsmitglied Schriftstellerverband DDR<br />
– 1976 Ausschluss aus SED und Schriftstellerverband, da sie Erstunterzeichnerin <strong>de</strong>r<br />
Protesterklärung gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns war<br />
– 1977 Umzug mit Sohn nach Westberlin<br />
– 1978 Stipendiatin in <strong>de</strong>r Villa Massimo in Rom<br />
– 1980 mit G. Grass, T. Brasch und P. Schnei<strong>de</strong>r Brief an Kanzler Helmut Schmidt – kritischer<br />
Umgang mit USA-Außenpolitik<br />
– seit 1983 in Thielenhemme (Schleswig-Holstein)<br />
– 1996 übernahm Brü<strong>de</strong>r-Grimm-Professur an Uni Kassel, Gastdozentin an Goethe-Uni in<br />
Frankfurt a.M.<br />
– 2006 Ehrentitel Professorin<br />
Stil und Themen:<br />
– starke Intensität <strong>de</strong>r Ich-Aussage<br />
– pointiert verknappter, sinnlich intensiver sprachlicher Ausdruck<br />
– natürlich, spontan<br />
– bewusst weibliche Subjektivität<br />
– „<strong>Sarah</strong>-Ton“ : fortlaufen<strong>de</strong> Zeilen, Auslassen von Zeichensetzung, Weglassen von Vorsilben und<br />
Suffixen, Prägen neuer Wörter<br />
– bestand auf Gültigkeit persönlicher Emotionen und individueller Wahrnehmungen<br />
– Natur- und mil<strong>de</strong> Liebeslyrik mit versteckter Zeitkritik<br />
– Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur<br />
– Trauer und Verlassenheit<br />
– scheinbare Idylle<br />
– Aufgreifen politscher Themen (DDR)<br />
1
Einige Werke:<br />
• 1962: Kin<strong>de</strong>rhörspiel „Die betrunkene Sonne“ mit Rainer <strong>Kirsch</strong><br />
• 1965: Gedichtband „Gespräch mit <strong>de</strong>m Saurier“ mit Rainer <strong>Kirsch</strong><br />
• 1967: Gedichtband „Landaufenthalt“<br />
• 1973: Gedichtband „Zaubersprüche“<br />
Prosabän<strong>de</strong> „Die Pantherfrau or<strong>de</strong>r“ & „Die ungeheuren bergehohen Wellen auf<br />
See“<br />
• 1975: Kin<strong>de</strong>rbuch „Caroline im Wassertropfen“<br />
• 1978: Gedichtbän<strong>de</strong> „Wintergedichte“ & „Katzenkopfpflaster“<br />
• 1980: Kin<strong>de</strong>rbuch „Hans mein Igel“ nach <strong>de</strong>n Märchen <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r Grimm<br />
• 1984: Gedichtband „Katzenleben“<br />
• 1986: Prosaband „Irrstern“<br />
• 1989: Gedichtband „Schneewärme“<br />
• 1991: Prosaband „Schwingrasen“<br />
Bil<strong>de</strong>rtagebuch „Spreu“<br />
• 1996: Gedichtband „Bo<strong>de</strong>nlos“<br />
• 2000: Kunstband „<strong>Sarah</strong> <strong>Kirsch</strong> - Beim Malen bin ich weggetreten“<br />
• 2005: Prosaband „Kommt <strong>de</strong>r Schnee im Sturm geflogen“<br />
Einige Auszeichnungen:<br />
• 1965: Erich-Weinert-Medaille mit Rainer <strong>Kirsch</strong><br />
• 1973: Heinrich-Heine-Preis<br />
• 1981: Österreichischer Staatspreis für Literatur<br />
• 1988: Kunstpreis <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Schleswig-Holstein<br />
• 1996: Georg-Büchner-Preis<br />
• 2005: Jean-Paul-Preis <strong>de</strong>s Freistaates Bayern<br />
• 2007: Samuel-Bogumil-Lin<strong>de</strong>-Preis<br />
Gedichtinterpretation:<br />
Trauriger Tag<br />
1 Ich bin ein Tiger im Regen<br />
Wasser scheitelt mir das Fell<br />
Trofen tropfen in die Augen<br />
Ich schlurfe langsam, schleudre die Pfoten<br />
5 die Friedrichstraße entlang<br />
und bin im Regen abgebrannt<br />
Ich hau mich durch Autos bei Rot<br />
geh ins Café um Magenbitter<br />
freß die Kapelle und schaukle fort<br />
10 Ich brülle am Alex <strong>de</strong>n Regen scharf<br />
2
das Hochhaus wird naß, verliert seinen Gürtel<br />
( ich knurre : man tut was man kann )<br />
Aber es regnet <strong>de</strong>n siebten Tag<br />
Da bin ich bös bis un die Wimpern<br />
15 Ich fauchte mir die Straße leer<br />
und setzt mich unter ehrliche Möwen<br />
Die sehen alle nach links in die Spree<br />
Und wenn ich gewaltiger Tiger heule<br />
verstehn sie : ich meine es müßte hier<br />
20 noch an<strong>de</strong>re Tiger geben<br />
– Gedicht von <strong>Sarah</strong> <strong>Kirsch</strong> in <strong>de</strong>r Zeit als sie in Berlin lebte<br />
– mittellang<br />
– keine Reime<br />
– 'Strophen' unterschiedlich lang: 1-3 Zeilen<br />
– freier Rhythmus<br />
– Zeilensprünge (Enjabement) – typisch für <strong>Sarah</strong>'s Lyrik<br />
– sowie fehlen<strong>de</strong> Zeichensetzung (außer in Zeile 12)<br />
– Hochsprache mit umgangssprachlichen Zügen, vor allem ausdrucksvolle, harte Verben (Z.5 –<br />
schleudre, Z.8 – hau, Z.10 – freß, Z.11 – brülle, Z.13 – knurre, Z.16 – fauchte, Z.19 - heule)<br />
– Gedicht klingt wie Überschrift schon besagt traurig, ergriffen, ernst, intensiv, auffor<strong>de</strong>rnd<br />
– lyrisches Ich drückt eigene Meinung aus<br />
– Überschrift: bil<strong>de</strong>t Einheit durch Anfangsbuchstabe 'T' – wie 'Tiger'; lässt vermuten, dass das<br />
Gedicht sehr traurigen Inhalt hat, melancholisch und ergreifend ist und<br />
Beschreibungen <strong>de</strong>r Natur beinhaltet; dies trifft auch zu, doch zwischen <strong>de</strong>n<br />
Zeilen ist auch Zeitkritik versteckt<br />
– in Zeile 1 wird gesagt, dass das lyrische Ich ein Tiger ist (Personifizierung, Symbol für Stärke<br />
und Energie, furcht- und respekterregend, dynamisch, unabhängig); dass ein Tiger und kein<br />
Tier, das eher zu 'traurig' passt und somit eher Schwäche ausdrücken wür<strong>de</strong>, gewählt wur<strong>de</strong>,<br />
<strong>de</strong>utet darauf hin, dass das lyrische Ich trotz Trauer eine starke Persönlichkeit besitzt und gewillt<br />
ist, etwas gegen diese Trauer, <strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong> nicht bekannt sind, zu unternehmen; das lyrische<br />
Ich verkörpert die damalige Situation <strong>Sarah</strong>s, sie besaß die Eigenschaften <strong>de</strong>s Tigers und auch<br />
das Gefühl <strong>de</strong>s Tigers am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gedichts alleine zu sein<br />
– <strong>de</strong>r Regen, <strong>de</strong>r das Fell <strong>de</strong>s Tigers scheitelt, ver<strong>de</strong>utlicht die bedrückte Stimmung im Gedicht<br />
und spaltet / beeinflusst das lyrische Ich; <strong>de</strong>r Regen steht <strong>de</strong>n Zielen und Vorstellungen <strong>de</strong>s<br />
lyrischen Ich's im Weg – es sollte i<strong>de</strong>alerweise klares, sonniges Wetter sein; das ver<strong>de</strong>utlichen<br />
auch die Regentropfen, die in die störend Augen tropfen – es wird aufgezählt was <strong>de</strong>r Regen am<br />
Tiger bewirkt und ein Wortspiel (Z.3 – Tropfen tropfen) verwen<strong>de</strong>t<br />
– in <strong>de</strong>r nächsten 'Strophe' erfährt man, dass sich das lyrische Ich in einer Stadt befin<strong>de</strong>t, da es<br />
eine Straße (Friedrichstraße – eine <strong>de</strong>r berühmtesten Straßen Berlins, verläuft über <strong>de</strong>n<br />
ehemaligen alliierten Grenzübergang) entlang läuft, es ist gefangen in <strong>de</strong>r Stadt und läuft<br />
<strong>de</strong>swegen langsam, aber <strong>de</strong>nnoch im Inneren energiegela<strong>de</strong>n und feurig; die genaue Angabe<br />
wo sich das lyrische Ich befin<strong>de</strong>t, gibt <strong>de</strong>m Leser ein genaues Bild und bessere Vorstellungen<br />
von <strong>de</strong>r Situation<br />
– in Zeile 6 ist im Gegensatz zum Rest <strong>de</strong>s Gedichts eine an<strong>de</strong>re Zeitform verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n –<br />
Perfekt, was be<strong>de</strong>utet, dass <strong>de</strong>r Regen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Fall sinnbildlich für das Problem <strong>de</strong>s Tigers<br />
steht, <strong>de</strong>n Tiger negativ beeinflusst und bedrückt – im Regen abgebrannt ist somit eine<br />
3
Metapher<br />
– die dritte Strophe beginnt wie 4 an<strong>de</strong>re Strophen auch mit <strong>de</strong>m Wort 'Ich'; das zeigt die starke<br />
Intensität <strong>de</strong>r Ich-Aussage von <strong>Sarah</strong>'s Lyrik – es geht größtenteils nur um das lyrische Ich,<br />
<strong>de</strong>ssen Gefühle, Gedanken und Empfindungen<br />
– auch die Zeit und die Umgebung in <strong>de</strong>r sich das lyrische Ich im Gedicht befin<strong>de</strong>t wird gezeigt –<br />
'Ich hau mich durch die Autos bei Rot' be<strong>de</strong>utet, dass es in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Zeit ist (es gibt schon<br />
Ampeln, viele Autos,...), und es Tag sein muss (viel Verkehr,...); doch <strong>de</strong>m lyrischen Ich ist das<br />
egal, es läuft wie neben sich und in sich gekehrt durch die Straßen – es ist ihm egal, dass es<br />
gegen 'Verkehrsregeln verstößt', es scheint ihm alleine und in seiner Situation alles ohne Sinn;<br />
bei Rot ist umgangssprachlich und zeigt, dass das lyrische Ich <strong>de</strong>m Großstadtleben sehr vertraut<br />
ist<br />
– im Cafe versucht das lyrische Ich seine getrübte Stimmung und seine Probleme durch Alkohol<br />
etwas runterzuspülen und zu verdauen; 'Magenbitter' veranschaulicht metaphorisch in gewisser<br />
Hinsicht auch noch, dass <strong>de</strong>m lyrischen Ich nicht wohl ist mit <strong>de</strong>r ganzen Situation<br />
– in Zeile 9 ('Freß die Kapelle') wird wie<strong>de</strong>r ein ausdrucksstarkes Verb verwen<strong>de</strong>t, was die Wut<br />
<strong>de</strong>s lyrischen Ichs auf die restliche Bevölkerung ausdrückt – es könnte alle die nichts gegen die<br />
jetzige Situation unternehmen wollen 'auffressen' (Metapher)<br />
– das lyrische Ich verlässt das Cafe wie<strong>de</strong>r – schaukelnd, ist vielleicht etwas angetrunken und<br />
amüsiert sich schon fast über seine Lage<br />
– in Zeile 10 erfährt man wie<strong>de</strong>r, dass <strong>de</strong>r Tiger stadtkundig ist – Alex ist die umgangssprachliche<br />
Bezeichnung für <strong>de</strong>n Alexan<strong>de</strong>rplatz in Berlin; mit 'brülle ... scharf' hat <strong>Sarah</strong> <strong>Kirsch</strong> ein<br />
Synonym für 'anbrüllen' eingesetzt, diese Metapher be<strong>de</strong>utet, dass das lyrische Ich <strong>de</strong>n immer<br />
noch vorherrschen<strong>de</strong>n Regen verabscheut und loswer<strong>de</strong>n will, <strong>de</strong>r Tiger will etwas gegen das<br />
Problem tun, scheint alleine aber machtlos zu sein und kann <strong>de</strong>n Regen nicht beeinflussen<br />
– mit 'Hochhaus' wird wie<strong>de</strong>r die Umgebung veranschaulicht und dass <strong>de</strong>r Regen alles und je<strong>de</strong>n<br />
unterdrückt und beeinflusst und macht über die Lebensverhältnisse hat; auch mit <strong>de</strong>r Metapher<br />
'verliert seinen Gürtel' wird dies dargestellt<br />
– mit <strong>de</strong>r in Klammern gehaltenen Zeile 12 drückt <strong>Sarah</strong> gleichzeitig das Verständnis für <strong>de</strong>n<br />
Regen aus, dass er nuneinmal Macht besitzt und diese <strong>de</strong>swegen auch zu seinen Gunsten ausübt,<br />
und das Unverständnis für die an<strong>de</strong>ren Individuen, die im Gegensatz zu <strong>de</strong>m lyrischen Ich nicht<br />
gewillt sind, <strong>de</strong>m Regen mutig entgegenzutreten; ein Sprichwort wur<strong>de</strong> verwen<strong>de</strong>t<br />
– Zeile 13 ('Aber es regnet <strong>de</strong>n siebten Tag') könnte be<strong>de</strong>uten, dass Sonntag ist, also Ruhetag<br />
(Gott ruhte am siebten Tag <strong>de</strong>r Schöpfung) und <strong>de</strong>nnoch übt <strong>de</strong>r Regen Druck aus, lange und<br />
immer schon, da das lyrische Ich darüber erbost ist, zeigt sich, dass es sich sozusagen für die<br />
'Menschenrechte' einsetzen will; in dieser erstmalig zweizeiligen Strophe verwen<strong>de</strong>t <strong>Sarah</strong> für<br />
<strong>de</strong>n Ausdruck <strong>de</strong>r Wut nicht die übliche Bezeichnung bis in die Fußspitzen, son<strong>de</strong>rn 'bis in die<br />
Wimpern' – ein Tiger besitzt keine Füße; die Wimpern sind aber ebenfalls ein äußerstes<br />
Körpermerkmal<br />
– in Zeile 15 wird abermals ver<strong>de</strong>utlicht wie sehr <strong>de</strong>r Tiger nicht nur auf die Situation wütend ist,<br />
son<strong>de</strong>rn auch auf <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r Menschen, die nichts dagegen unternehmen – wenn man nichts<br />
tut ist es auch unnütz überhaupt da zu sein<br />
– das Symbol 'ehrliche Möwen', unter <strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r Tiger befin<strong>de</strong>t, steht für diese an<strong>de</strong>ren<br />
Menschen, die nichts tun, wie eine Möwe nur auf sich bedacht sind und sich in <strong>de</strong>r Gruppe<br />
einglie<strong>de</strong>rn; ehrlich könnte man ironisch sehen; die an<strong>de</strong>ren Menschen sind zwar nicht<br />
unehrlich, aber wollen einfach nichts an <strong>de</strong>r Situation än<strong>de</strong>rn<br />
– in Zeile 17 wird nicht die Ich-Form verwen<strong>de</strong>t, es wird von <strong>de</strong>n 'Möwen' gesprochen; sie sehen<br />
alle in die Spree - mit 'alle' zeigt <strong>Sarah</strong>, dass sie alle eine Einheit bil<strong>de</strong>n und nur <strong>de</strong>r Löwe sich<br />
davon abgrenzt; sie schauen ins Wasser, weil sich dort die Nahrung von Möwen befin<strong>de</strong>t – sie<br />
nehmen dies hin und akzeptieren die Situation, obwohl sie durch gemeinschaftlichen<br />
Zusammenhalt noch besser wer<strong>de</strong>n könnte; 'Spree' zeigt abermals, dass sich <strong>de</strong>r Tiger in Berlin<br />
4
efin<strong>de</strong>t<br />
– in <strong>de</strong>r letzten Strophe wird zum Ausdruck gebracht, dass <strong>de</strong>r Tiger, trotz seiner Stärke,<br />
wi<strong>de</strong>rwillig unter <strong>de</strong>n Möwen untergeht, er 'heult' und verliert seine Stärke – er kann nur wollen,<br />
dass es noch an<strong>de</strong>re Tiger gibt, die wie er etwas bewältigen wollen, doch er kann nieman<strong>de</strong>n<br />
zwingen und es steht ihm keiner zur Seite, da je<strong>de</strong>r 'die Macht <strong>de</strong>s Regens' fürchtet und sich<br />
unterstellt<br />
– das lyrische Ich ist sich <strong>de</strong>r Richtigkeit seiner Einstellung sicher und <strong>de</strong>nkt dass die Möwen<br />
falsch han<strong>de</strong>ln<br />
– erinnert an Rilkes „Der Panther“<br />
– nach <strong>de</strong>r Analyse <strong>de</strong>s Gedichts fällt auf, dass es sich dabei nicht um einen einzigen traurigen Tag<br />
han<strong>de</strong>lt, son<strong>de</strong>rn um einen von vielen vergangenen traurigen Tagen, wobei nicht noch mehr<br />
folgen sollen, aber wahrscheinlich folgen wer<strong>de</strong>n<br />
– das Gedicht zeigt <strong>de</strong>n Hang <strong>de</strong>r Mensch dazu mitläuferisch zu sein und nichts zu unternehmen,<br />
wie auch schon im Zweiten Weltkrieg, als Ju<strong>de</strong>n verfolgt wur<strong>de</strong>n und die <strong>de</strong>utsche Bevölkerung<br />
tatenlos zusah<br />
– das Gedicht verkörpert <strong>Sarah</strong> <strong>Kirsch</strong>s kritische Einstellung zur sozialistischen Bürokratie <strong>de</strong>r<br />
DDR, das war ab <strong>de</strong>n 80er Jahren typisch und weitestgehend erlaubt; <strong>de</strong>s weiteren ist es ein<br />
Merkmal <strong>de</strong>r DDR-Literatur, dass es um die 'Befindlichkeit <strong>de</strong>s allseitig entwickelten<br />
Individuums' geht<br />
– <strong>Sarah</strong> prangert vor allem die Menschen <strong>de</strong>r DDR an, da diese <strong>de</strong>n Sozialismus einfach<br />
hinnehmen und nicht beispielsweise wie sie etwas dagegen unternehmen (durch propagandische<br />
Gedichte, war Unterzeichnerin gegen die Ausbürgerung <strong>de</strong>s Kritikers gegenüber <strong>de</strong>m<br />
Sozialismus – Wolf Biermann); fürchtet, dass sich nichts an <strong>de</strong>r Situation <strong>de</strong>r DDR än<strong>de</strong>rn<br />
wird und die Regierung immer Macht über die Bürger behält<br />
– <strong>Sarah</strong> for<strong>de</strong>rt mit ihrem Gedicht die Menschen auf sich zusammenzuschließen und einzusehen,<br />
dass es bessere Formen wie <strong>de</strong>n Sozialismus gibt, und will zeigen, dass man zusammen etwas<br />
bewegen kann; sie <strong>de</strong>nkt das vielen An<strong>de</strong>ren tief im Inneren <strong>de</strong>r Sozialismus auch wi<strong>de</strong>rstrebt,<br />
doch <strong>de</strong>n Mut zur Revolte fassen, ist schwer, vor allem alleine und mit <strong>de</strong>m Wissen wie oft<br />
gegen Sozialismusgegner vorgegangen wur<strong>de</strong><br />
5