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September 2016

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Saubere Energie für Bissendorf trifft<br />

Hochschule Osnabrück<br />

Anfang August fand ein Austausch zwischen dem Energieverein<br />

und Wissenschaftlern des Projekts „Net-Future-Niedersachsen“<br />

in den Räumen der Hochschule statt. Der Kreis setzte sich<br />

aus den Juristen Prof. Dr. Volker Lüdemann und Juliette Große<br />

Gehling, dem Kommunikationswissenschaftler Dimitrij Umansky<br />

sowie Prof. Dr.-Ing. Peter Vossiek und Daniel Hölker von der<br />

Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik der Hochschule<br />

zusammen. Von unserer Seite aus nahmen Gerd Hündorf und<br />

Rolf Schwager vom Vereinsvorstand, Bürgermeister Guido Halfter<br />

und Sabine Driehaus teil.<br />

Im Folgenden stellen wir eine Auswahl der ersten Forschungsarbeiten<br />

vor:„Flexibilitätsmanagement“.<br />

Besitzer von Solaranlagen ohne Speicher kennen das: Großverbraucher<br />

wie Waschmaschinen oder Wärmepumpen zur Warmwasserbereitung<br />

lässt man vorzugsweise dann laufen, wenn die<br />

hauseigene Solaranlage am meisten Strom produziert. Daniel<br />

Hölker und Juliette Große Gehling setzen sich mit der Frage auseinander,<br />

wie man den Stromverbrauch auch in großem Rahmen<br />

zeitlich besser an die Stromproduktion anpassen kann, um Netzüber-<br />

aber auch -unterlastungen zu vermeiden. Wird mehr Strom<br />

produziert als verbraucht, werden momentan die flexibleren<br />

Ökostromanlagen abgeschaltet, da das Netz keinen Überschussstrom<br />

speichern kann. Im umgekehrten Fall müssen Kraftwerke<br />

kurzfristig zugeschaltet werden, um den Strombedarf zu decken<br />

(Regelreserve). Alternative Steuerungsmöglichkeiten bieten sogenannte<br />

„intelligente Verbraucher“, wie z.B. eine computergesteuerte<br />

Waschmaschine, die durch die Vernetzung „merkt“,<br />

wann sehr viel Strom verfügbar ist und sich dann selbst anschaltet.<br />

Denkbar wären auch Anreize über einen günstigeren Strompreis<br />

für Zeiten mit Stromüberschuss; dafür sind dann intelligente<br />

Stromzähler („Smartmeter“) zur minutengenauen Abrechnung<br />

erforderlich.<br />

„Zustimmung gegen Geld?“<br />

Die Übertragungsnetzbetreiber dürfen laut Stromnetzentgeltsverordnung<br />

(StromNEV) den vom Leitungsausbau betroffenen<br />

Kommunen Geld zahlen, als Ausgleich für dadurch entstehende<br />

Belastungen. Die Kommunen müssen allerdings weder Belastungen<br />

nachweisen, noch eine Gegenleistung erbringen, und sie<br />

dürfen das Geld frei verwenden. Bis zu 40.000 Euro pro Kilometer<br />

Freileitung können die Netzbetreiber dabei über die Stromrechnung<br />

(Netzentgelte) auf die Verbraucher umlegen. Prof. Dr.<br />

Volker Lüdemann und Juliette Große Gehling untersuchten die<br />

Rechtmäßigkeit der dieser Praxis zugrunde liegenden Verordnung<br />

und kommen zu dem Schluss, dass die Ausgleichszahlungen und<br />

insbesondere die Umlage auf die Verbraucher rechtlich gesehen<br />

auf sehr wackeligen Füßen stehen. Der Gesetzgeber müsse jetzt<br />

reagieren und die Regelung für alle Beteiligten rechtssicher und<br />

gerecht gestalten. „Viele Kommunen lehnen diese Zahlungen jedoch<br />

ohnehin ab, um sich nicht dem Vorwurf „Zustimmung gegen<br />

Geld“ auszusetzen“, meint Juliette Große Gehling.<br />

Ein weiteres aktuelles Thema der Arbeitsgruppe ist die Prüfung<br />

der Gesetzesgrundlage für den Erdkabelvorrang.<br />

„Das ist so ungerecht!“<br />

Prof. Dr. Reinhold Fuhrberg, Mona Thieme und Dimitrij Umansky<br />

erarbeiteten Kriterien für gerechte Bürgerbeteiligungsverfahren.<br />

Dazu gehören beispielsweise eine gute Zugänglichkeit sowohl<br />

zum Verfahren selbst als auch zu den Informationen, verständlich<br />

dargebotene Informationen, Ehrlichkeit und Offenheit sowie Gespräche<br />

mit den Betroffenen „auf Augenhöhe“.<br />

Die Arbeit der Kommunikationswissenschaftler brachte Bürgermeister<br />

Guido Halfter sehr schnell auf das Thema „Bissendorfer<br />

Trassenfindungsprozess“. Er klärte über die Schwierigkeiten der<br />

Gemeindevertretung auf, eine Bürgerbeteiligung durchzuführen,<br />

die von allen Betroffenen als fair empfunden wird; wir konnten<br />

darlegen, wie der Trassenfindungsprozess von vielen Bürgern<br />

wahrgenommen wurde. Für die Wissenschaftler also ein interessantes<br />

Beispiel aus der Praxis.<br />

„Steuerung des Netzausbaus“<br />

Ein vierter Aspekt des Forschungsprojekts wurde nur randlich<br />

erwähnt, da die Arbeitsgruppe leider nicht an dem Gespräch teilnehmen<br />

konnte. Prof. Dr. Dominik Halstrup und Viktoria Brendler<br />

beschäftigen sich mit der Art und Weise, wie Planung und<br />

Umsetzung des Netzausbaus effektiv gesteuert werden können.<br />

Der Netzausbau ist ein sehr komplexes Projekt mit vielen beteiligten<br />

Personen und Instanzen, die unterschiedliche Interessen,<br />

Verantwortung und Befugnisse auf verschiedenen Ebenen haben<br />

und miteinander kommunizieren und koordiniert werden müssen.<br />

Lösungen könnten hier Methoden und Verfahren aus den<br />

Disziplinen Betriebswirtschaftslehre, Organisationssoziologie (die<br />

Erforschung von „Arbeitsteilung“- „Kooperation“- „Herrschaft“<br />

in Organisationen) und Sozialpsychologie (Wie wirkt sich die tatsächliche<br />

oder vorgestellte Gegenwart anderer Menschen auf das<br />

Erleben und Verhalten des Einzelnen aus?) bieten, die bisher in<br />

diesem Zusammenhang kaum angewendet werden. In „Expertengesprächen“<br />

befragen die Wissenschaftler „zentrale Akteure<br />

des Netzausbaus auf Landes- und Bundesebene“ (Politik und<br />

Verwaltung) nach ihren derzeitigen Verfahren zu dessen Umsetzung<br />

und speziell zum Umgang mit Konflikten, um Verbesserungsvorschläge<br />

zu erarbeiten. So erscheint es z.B. sinnvoll, in<br />

Konfliktsituationen – oder um diese gar nicht erst entstehen zu<br />

lassen – vermittelnde Instanzen einzuschalten.<br />

Wir bedanken uns herzlich bei unseren Gastgebern, insbesondere<br />

bei Juliette Große Gehling als Organisatorin, für den netten Empfang<br />

und ein - trotz unserer gegensätzlichen Positionen bezüglich<br />

der Notwendigkeit des Netzausbaus – sachliches und sehr interessantes<br />

Gespräch mit der Aussicht, weiter in Kontakt zu bleiben.<br />

Ein konstruktiver Austausch trotz gegensätzlicher Ansichten zum Thema<br />

„Netzausbau“: Wissenschaftler des Projekts „Net-Future-Niedersachsen“<br />

mit Mitgliedern des Vereins „Saubere Energie für Bissendorf“ (Foto: HS Osnabrück,<br />

Projekt Net-Future-Niedersachsen)<br />

In eigener Sache…<br />

An dieser Stelle einige Anmerkungen zum Artikel<br />

„Dinner for one“ (Blickpunkt, Juli-Ausgabe):<br />

Wir begrüßen ausdrücklich, dass Übertragungsnetzbetreiber<br />

Amprion und Gemeindevertretung Bissendorf die<br />

Meinung der Bürger zum geplanten Netzausbau in der Gemeinde<br />

eingeholt haben, bemängeln aber die Art und Weise, in der der<br />

Trassenfindungsprozess durchgeführt wurde.<br />

Verbesserungswürdig waren unter anderem die sehr kurzfristige<br />

/ unauffällige Ankündigung der Informationsveranstaltung zum<br />

Start des Trassenfindungsprozesses, der Termin derselben (werktags<br />

nachmittags), der ursprünglich auf die Weihnachtszeit begrenzte<br />

Beteiligungszeitraum, die sehr „sperrigen“ und nicht unbedingt<br />

allgemeinverständlichen Informationen im Internet und<br />

der Umgang mit tiefer gehenden Fragen und Einwänden von<br />

Bürgern seitens der Firma Amprion.

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