wohngeschichten
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Wohn-Geschichten<br />
25 Jahre<br />
1991 - 2016<br />
Nachbarschaftlich leben<br />
für Frauen im Alter e.V.
Hebammen<br />
Im April 2006 besuchte ich die „Messe<br />
66“ in München/Freimann. Auf dieser<br />
entdeckte ich den Stand unseres Vereins,<br />
die Frauen machten Werbung, um<br />
neue Mitfrauen zu gewinnen.<br />
Ich war beeindruckt von der Idee, war Single,<br />
habe jahrelang in einer Personalabteilung<br />
mit Frauen zusammen gearbeitet und stellte mir auch<br />
ein schönes Wohnen mit Frauen vor. Das Haus der<br />
Wohngruppe stand in Pasing. Ich kannte Pasing sehr<br />
gut, denn ich wohnte einst in Gräfelfing/Lochham,<br />
deshalb der Wunsch, dort in der Ebenböcktraße zu<br />
wohnen.<br />
Ich kaufte mir das blaue Buch = Beschreibung der<br />
Wohngruppe I, Frauen der Ebenböckstrasse. Zu Hause<br />
angekommen legte ich das Buch erst zur Seite, bis ich<br />
alles über die Ebenböckstraße erfahren hatte.<br />
Meine Euphorie legte sich, weil ich mich doch nicht so<br />
schnell binden wollte. Mittlerweile war es Herbst 2006<br />
und ich erhielt einen Anruf aus der Ebenböckstraße<br />
mit der Bitte, ich sollte doch mal zu einer Veranstaltung<br />
des Vereins in die Herzog-Wilhelm-Strasse gehen,<br />
um den Verein näher kennen zu lernen. Ich bekam<br />
den Veranstaltungsplan zugeschickt und<br />
wunderte mich über das Thema: „Die Frau als Hebamme“.<br />
(Titel kann anderes gewesen sein, jedoch<br />
Hebamme war Mittelpunkt). Mein Interesse war geweckt.<br />
Ich dachte mir, „Nachbarschaftlich leben für<br />
Frauen im Alter“ und Hebamme, wie passt das zusammen?<br />
Eine ordinierte Pastorin berichtete über<br />
ihre Forschungsarbeiten über „Die Frau als Mit-<br />
Schöpferin“. Das war hoch spannend.<br />
Ich habe also die Veranstaltung besucht und dachte<br />
mir danach: Hier gehöre ich hin und habe meinen Entschluss<br />
wahr gemacht - bin eingetreten. Seitdem bin<br />
ich ein Mitglied des Fördervereins Nachbarschaftlich<br />
leben für Frauen im Alter; und das Schöne daran ist,<br />
seit dem 1. November 2013 wohne ich in der Ebenböckstraße<br />
in der ersten Wohngruppe und bin eine<br />
der inzwischen vier Nachrückerinnen.<br />
Edith Nitzsche
Umerziehen kann man niemanden mehr!<br />
Eine mir fremde Frau hatte erzählt,<br />
dass sie von dem Verein „Nachbarschaftlich<br />
leben für Frauen im Alter”<br />
gehört habe und ich dort mal hingehen<br />
solle. Ich ging also zu dem Ort in München<br />
hin, um mich zu informieren. Dort<br />
wurde ich von zwei Frauen überschwänglich<br />
freundlich begrüßt, was mich schon wunderte. Dann<br />
haben sie mich ausgefragt und in einen anderen<br />
Raum geführt. Zwei Frauen sind zur Tür gegangen<br />
und haben der Vorsitzenden aufgemacht, die nach<br />
Rita Kraus gefragt hat. Ja, die ist schon da. Sie sitzt im<br />
Arbeitszimmer. Währenddessen erzählte mir die Verbliebene,<br />
dass es Wohnungen im München Modell<br />
gäbe, die aber für mich als nicht in München Ansässige<br />
nicht in Frage kämen. Ich war so enttäuscht.<br />
Dann kamen die anderen mit Frau Dr. Lippmann rein<br />
und sie sagte, dass ich jetzt Fragen an die Gruppe<br />
stellen könne. Ja, was sollte ich denn fragen? Ich<br />
kannte doch niemanden und den Verein auch nicht. Es<br />
hatte doch die fremde Frau nur gesagt, ich solle dort<br />
mal hingehen und dann weiter sehen. Sie hat doch<br />
nicht gesagt, dass ich gleich eine Wohnung bekomme.<br />
Aber da ich für das München Modell sowieso keine<br />
Chance hatte, blieb ich stumm. Frau Dr. Lippmann<br />
kam dann darauf, dass ich nicht die erwartete Rita<br />
Kraus war, sondern eine Neue. Rita Kraus war doch<br />
viel größer und dann klärte sich alles auf. Rita Kraus<br />
wurde erwartet, weil die Gruppe sie für die letzte<br />
Wohnung haben wollte. Doch die Frauen, die Erna Öttl<br />
in Empfang nahmen, kannten die andere nicht und so<br />
dachten sie, ich sei Rita Kraus.<br />
Wir haben uns dann doch gut unterhalten, und ich<br />
habe von mir erzählt. Ich sollte dann einen Schein<br />
beim Wohnungsamt besorgen, was ich auch tat und<br />
was verhältnismäßig schnell ging. Aber ich war noch<br />
misstrauisch, denn dass ich eine so schöne Wohnung<br />
bekommen sollte, war doch unwahrscheinlich. Hinterher<br />
habe ich gehört, dass die Gruppe für mich gestimmt<br />
hatte und ich bald einziehen konnte. Da war<br />
ich so glücklich. Mein Glück basierte darauf, dass die<br />
andere, die gewünschte Rita nicht kam. (Aber Rita<br />
wohnt jetzt auch in dem Haus und gehört zur Gruppe.<br />
Wie das geschah, beschreibt sie selber.)<br />
Heute bin ich mit der Gruppe sehr zufrieden und<br />
nehme alle, wie sie sind. Manche scheinen überempfindlich<br />
zu sein, aber da gehe ich drüber hinweg. Am<br />
Samstag hatten wir Jour fixe und es war so schön.<br />
Einmal im Monat treffen wir uns zum Frühstück im<br />
Gemeinschaftsraum und besprechen alles Wichtige.<br />
Es wird jetzt nach acht Jahren immer besser, weil wir<br />
uns gut kennen. Eigenheiten lasse ich einfach so stehen<br />
und gehe nicht drauf ein. Wir haben aufgehört,<br />
uns zu kritisieren. Umerziehen kann man in dem Alter<br />
sowieso niemanden mehr. Man muss jede so akzeptieren,<br />
wie sie ist.<br />
Erna Öttl
„Ziehst du mit dem Radl um? Hast du so wenig Zeug?“<br />
Es war der 21. August 2014, als ich ausgerechnet<br />
die Süddeutsche Zeitung unseres<br />
Nachbarn durchblätterte, in welcher<br />
der Artikel „Am einfachsten ist es,<br />
wenn jemand authentisch ist“ beschrieben<br />
wurde. Nach nur ganz kurzer Überlegung<br />
griff ich zum Hörer und rief die Vorsitzende,<br />
Frau Dr. Lippmann an.<br />
Schon am darauffolgenden Donnerstag, den 28. August,<br />
trafen wir uns im Haus des Stiftens. Ich war von<br />
der Idee begeistert, denn bis dahin hatte ich keine Ahnung,<br />
dass es einen solchen Verein in München gab.<br />
Als ich mich dann mit ihr unterhielt und mir klar<br />
wurde, wie umfangreich die Aufgaben sind und wieviel<br />
Engagement und Zeit es erfordert, diesen Verein zu<br />
führen, blieb mir der Mund offen stehen. Ich konnte es<br />
nicht fassen, wie „frau“ es in all den Jahren schafft,<br />
die ganzen Anforderungen immer mit der gleichen<br />
Power zu bewältigen. Als ich dann begriff, dass für<br />
mich u.U. die Möglichkeit bestand, eine Wohnung im<br />
neuen Projekt in Gern zu bekommen, war ich sprachlos.<br />
Ich musste einen Wohnberechtigungsschein beantragen<br />
und viel Schriftliches erledigen. Wenn es mir<br />
zu viel wurde, schaute ich wieder auf das Bild auf der<br />
Bautafel. Dort war ein jüngerer Mann und eine Seniorin<br />
abgebildet, die auch noch beide eine Katze im Arm<br />
hatten. Wir hatten doch auch eine Katze, die mein<br />
Sohn so liebte und die er als kleiner Bub bekommen<br />
hatte. Sie war jetzt zwar alt, sollte aber unbedingt mit<br />
umziehen.<br />
Ich wohnte bis dahin gleich ums Eck in der Borstei in<br />
einer Art „WG“ mit meinem erwachsenen Sohn. Eine<br />
bezahlbare Wohnung als Rentnerin in München zu finden,<br />
ist eigentlich so gut wie aussichtslos. Bis ich es<br />
wirklich realisiert hatte, dass dies der Beginn eines<br />
ganz neuen Lebensabschnitts sein könnte, vergingen<br />
noch ein paar Tage. Aber dann hielt mich nichts<br />
und niemand mehr auf, diesen Traum zu verwirklichen.<br />
Was danach folgte, war ein Aneinanderreihen<br />
der Ereignisse; und für mich<br />
lief es wie am Schnürchen, es klappte alles.<br />
Ich kam gleich in die Vorbereitungsgruppe<br />
mit der Psychologin Dr. Lang und so lernten<br />
wir uns, die neuen Nachbarinnen, kennen.<br />
Die Begeisterung auf meine neue schöne Wohnung im<br />
Mehrgenerationenhaus kannte keine Grenzen und im<br />
März 2015 konnte unsere Wohngruppe pünktlich einziehen.<br />
Für mich war der Umzug einfach, denn ich<br />
konnte regelrecht jede Tasse einzeln rüber tragen. Als<br />
ich immer wieder mit dem Rad und mit Taschen beladen<br />
in den Hof fuhr, stand da ein kleiner Junge und<br />
beobachtete mich prüfend. Nach der zehnten Tour<br />
fragte er mich ganz ungläubig: „Sag mal, ziehst du mit<br />
dem Radl um, hast du so wenig Zeug? Wir haben zwei<br />
große Lastwagen gebraucht.“<br />
Nun wohnen wir Frauen schon über ein Jahr hier in<br />
Gern und sind jeden Tag dankbar, so ein Glück mit<br />
dem Verein und seiner Vorsitzenden Frau Dr. Christa<br />
Lippmann zu haben. Sie war der Zeit weit voraus und<br />
ist in jeder Hinsicht Vorreiterin und Kämpferin für die<br />
Bedürfnisse der Frauen, vor allem der älteren Generation.<br />
Ihr Buch „Wohnen im Alter“ beschreibt in ausführlicher<br />
Weise den langen Weg, angefangen von der<br />
Pionierzeit bis zu der Verwirklichung der Wohnprojekte.<br />
Wir alle können ihr nicht genug danken.<br />
Bärbel Draxinger
Endlich angekommen!<br />
Nachdem mich mein Vermieter wegen<br />
Eigenbedarfs nach 20 Jahren gekündigt<br />
hatte, war ich total am Boden zerstört.<br />
Wie soll ich eine adäquate und auch bezahlbare<br />
Wohnung in diesem teuren<br />
München finden?<br />
Der Wink des Schicksals war unser Frauenverein! Ich<br />
trat ein und arbeitete auch mit. Dann wurde die<br />
Gruppe Giesing gegründet und wir bekamen eine Moderation<br />
und arbeiteten die möglichen Probleme<br />
durch. Wir waren eine richtig nette Gruppe. Erst nach<br />
der Baustellenbesichtigung bekam ich Zweifel. Wieder<br />
wurde der Bau um ein Jahr verschoben. Dann waren<br />
endlich die Fenster drin – aber es ging nicht weiter.<br />
Noch ein Jahr warten ging nicht. Mir saß der Anwalt<br />
meines Vermieters im Rücken.<br />
Jetzt telefonierte nicht mehr nur mein Vermieter und<br />
fragte, wann ich endlich ausziehen würde, sondern<br />
nun rief der Anwalt an. Frau Dr. Lippmann schrieb<br />
mehrere Briefe und danach war wieder erst Mal Ruh’.<br />
Doch lange ging das so nicht. Frau Dr. Lippmann tröstete<br />
mich, dass der Vermieter noch gar nicht ordentlich<br />
gekündigt hätte. Es gab einen Formfehler. Sie hat<br />
sich sehr engagiert und ich habe ihr viel zu verdanken,<br />
denn ich konnte plötzlich in die andere Vorbereitungsgruppe<br />
für Gern. Dort ging alles ganz flott mit dem<br />
Bau. Wir konnten pünktlich einziehen. Hier fühle ich<br />
mich rundum wohl! Ich bin sogar wieder in meiner<br />
„alten” Gegend geblieben, habe durch die Wohngruppe<br />
viele liebe Freundschaften geschlossen und<br />
bin total integriert. Es ist wie ein „6er” im Lotto – ich<br />
bin angekommen!<br />
Eva Lama
Freiraum für den Sohn<br />
Über viele Jahre habe ich in meinem<br />
Haushalt erst meine Schwiegermutter,<br />
später auch meine eigene Mutter versorgt.<br />
Zwei alte Damen, die immer<br />
stärker auf Hilfe angewiesen waren, erfordern<br />
Geduld, Energie und trotzdem<br />
gute Laune. Ein Kraftakt, der an die eigenen<br />
Grenzen geht. Deshalb war ich so froh,<br />
im Verein „Nachbarschaftlich leben für<br />
Frauen im Alter“ eine Heimat zu finden, die<br />
mir Unabhängigkeit und familiären Zusammenhalt<br />
gibt, und meinem Sohn in der Gestaltung<br />
seines eigenen Lebens Freiräume<br />
lässt. Im Alter bin ich unabhängig,<br />
aber nicht allein, und mein Sohn muss<br />
nicht dasselbe Schicksal auf sich nehmen<br />
wie ich es hatte.<br />
Ingrid Küster<br />
WG-Hund<br />
Mein Frauchen Ingrid umsorgt mich liebevoll.<br />
Ich höre schon immer genau hin,<br />
wenn sich die Menschen unterhalten.<br />
Wenn wir dann mit der Wandergruppe<br />
auf freier Strecke sind, darf ich laufen<br />
und an der Leine ziehen. Nur wenn andere<br />
Hundeweibchen auf meine Herde zukommen,<br />
kläffe ich heftig und fletsche meine Zähne. Ingrid reißt<br />
mich am Halsband weg und sagt, die andere Hündin<br />
hätte angefangen, das würde sie an meinem Verhalten<br />
sehen, aber das stimmt nicht immer. Manchmal habe<br />
ich auch Lust, der anderen Hündin zu zeigen, dass<br />
ich die Herrin von acht Menschenfrauen bin. Kommt<br />
ein Hundekerl auf uns zu, ist alles gut.<br />
Als wir mal an der Amper gewandert sind, wollte ich<br />
am Ufer einem Biber nach. Ich durfte nicht die steile<br />
Böschung runter, hab es aber immer wieder versucht.<br />
Die anderen Frauen hatten auch Angst um<br />
mich, dabei hätte ich dem Biber eine mitgegeben. Die<br />
Menschenfrauen meinten alle, der Bieber sei stärker,<br />
aber ich bin stärker. Bin schließlich ein ungarischer<br />
Mischling und auf der Straße groß geworden. Erst als<br />
Ingrid mich in Deutschland aufgenommen hatte,<br />
konnte ich in die Schule gehen. Jetzt sitze ich brav auf<br />
meiner Decke, wenn die Menschenfrauen Vorträge anhören.<br />
Aber nach dem letzten Wort komme ich hervor<br />
und lass mich von allen streicheln. Die Menschenfrauen<br />
wundern sich, woher ich wisse, dass Schluss<br />
sei. Na, ganz klar, die klatschen und rutschen auf ihren<br />
Stühlen herum. Dann darf ich jede begrüßen und beschnuppern.<br />
Das ist das Schönste.<br />
Hund Emma
Ich bin genau die Richtige für Euch!<br />
Ich habe immer gesagt, spätestens<br />
wenn ich in Rente bin, möchte ich anders<br />
wohnen. Nun hatte ich auch noch<br />
einige Jahre Zeit.<br />
Eines Tages berichtete meine Tochter<br />
mir von einem Gespräch, das sie in der<br />
S-Bahn belauscht hatte: Zwei Frauen unterhielten<br />
sich über das Wohnprojekt „Nachbarschaftlich<br />
leben für Frauen im Alter” und dann meinte sie zu<br />
mir, „das wäre doch was für dich!”<br />
Sofort fing ich an zu googlen und schrieb der Vorsitzenden<br />
Fr. Dr. Lippmann. Sie hat mir prompt geantwortet<br />
und vorgeschlagen, dass ich zu einem Vortrag<br />
zum ersten Kennenlernen kommen solle. Das habe<br />
ich nicht gemacht ... vielleicht keine Zeit oder es war<br />
mir noch nicht wichtig genug.<br />
Ein halbes Jahr später hatte ich eine Fortbildung mit<br />
dem Titel „Und das soll ich aushalten bis zur Rente?”,<br />
dabei ging es um die Frage welche Ziele ich noch bis<br />
dahin habe. Ich stellte für mich fest, dass ich beruflich<br />
keine großen Ziele mehr habe, aber privat schon,<br />
nämlich meine Wohnsituation in Zukunft. Die Dozentin<br />
riet mir, dass ich nun ganz zielgerichtet, intensiv und<br />
geduldig, mich nur um dieses Thema kümmern solle,<br />
alles andere hinten an stellen. Das wollte ich nun tun.<br />
Als ich nach Hause kam und den PC anmachte, sah<br />
ich zu meinem Erstaunen, dass Frau Dr. Lippmann<br />
mir geschrieben hatte und anfragte, ob ich noch Interesse<br />
an dem Verein habe. Und ob! Was für ein Zufall!<br />
Ein gutes halbes Jahr später bin ich in Pasing eingezogen.<br />
Vorher musste ich aber noch den Test bei den<br />
Frauen in der Wohngruppe bestehen: Das Vorstellungsgespräch,<br />
das sicher sehr anspruchsvoll ist! Als<br />
ich gefragt wurde, ob ich dies und das erfüllen könne,<br />
bin ich aufgestanden, habe die Arme ausgebreitet und<br />
gerufen: „Ich bin genau die Richtige für Euch!” Das<br />
war´s dann und sie haben mich einstimmig aufgenommen<br />
und ich bin dafür sehr dankbar, dass ich jetzt<br />
in der ältesten Wohngruppe in Bayern leben darf.<br />
Gaby Schlüter
Wir machen mit beim Hofflohmarkt<br />
Aufgrund meines Alters. habe ich mir<br />
schon immer wieder Gedanken gemacht,<br />
wie mein Lebensabend in Zukunft<br />
aussehen wird.<br />
Eines Tages kam eine Freundin aus<br />
München zu Besuch, ich wohnte noch in<br />
Nürnberg, die mir erzählte, dass es einen Verein<br />
gibt, der sich „Nachbarschaftlich leben im Alter“<br />
nennt oder so ähnlich und bei dem ich versuchen<br />
solle, eine Wohnung zu bekommen, damit ich nach<br />
München umziehen kann.<br />
Ich habe mich deswegen schlau gemacht, die Nummer<br />
rausgesucht und mich bei Frau Dr. Lippmann gemeldet.<br />
Ich bin auch in den Verein eingetreten, obwohl<br />
mir klar war, dass ich keine Förderwohnung in München<br />
bekommen werde, denn ich bin ja noch Nürnbergerin<br />
gewesen.<br />
Auch von Nürnberg bin ich regelmäßig zu den Vorträgen<br />
des Vereins nach München gefahren, um mich bei<br />
den Vereinsfrauen bekannt zu machen. Dr. Lippmann<br />
sagte, es würde nur eine Möglichkeit für mich als<br />
Nürnbergerin geben, wenn in Wohngruppe I Pasing<br />
eine Wohnung frei wird. Dort sei das Förderprogramm<br />
schon ausgelaufen und die restriktiven Voraussetzungen<br />
seien nicht mehr gegeben.<br />
Es hat auch nicht lange gedauert und da kam der Anruf,<br />
dass fast ein Wunder geschehen sei und eine<br />
Wohnung in WG I Pasing frei werden würde. Dr. Lippmann<br />
hat mich der Gruppe in Pasing vorgeschlagen,<br />
weil ich altersmäßig und vom Wesen her dort gut hin<br />
passen würde. Ich stellte mich vor und erzählte aus<br />
meinem Leben. Dabei war ich ganz fürchterlich aufgeregt<br />
und verhedderte mich auch mehrmals, was aber<br />
nicht schlimm war. Tatsächlich entschied sich die<br />
Gruppe für mich. Meine Freude war sehr groß und im<br />
November 2014 bin ich dann eingezogen. Den Umzug<br />
von Nürnberg organisierte ich mit Freundinnen und<br />
Freunden, so lief alles ziemlich glatt. In München half<br />
mir meine Schwester, die Wohnung einzurichten.<br />
Jetzt sind wir in der Gruppe ganz gut zusammengewachsen,<br />
und ich bin gerade dabei, einen Hofflohmarkt<br />
zu organisieren. Die Zustimmung habe ich von<br />
der Hausverwaltung eingeholt und die Nachbarinnen<br />
machen auch mit. So kann ich unten im Hof noch alte<br />
Sachen, die ich in München nicht mehr brauche, verkaufen.<br />
Ich bin schon mächtig gespannt, wie alles<br />
wird.<br />
Petra Fejes
Tür zu und Distanz schaffen<br />
Ich habe den Verein auf der Messe „Die<br />
66” kennen gelernt. Die Frauen am<br />
Stand waren mir sympathisch und gaben<br />
mir einen Flyer für eine Veranstaltung.<br />
Dorthin sollte ich hinkommen. Es<br />
wurde aber nur ein neues Buch vorgestellt,<br />
was mich im Moment nicht interessierte.<br />
Ich hatte gehofft, dass ich dort über den Verein informiert<br />
werde. Ich sollte dann zur Sprechstunde kommen,<br />
was ich aber nicht verstanden habe. Dafür ist<br />
Erna dort hingegangen und hat, verkürzt gesprochen,<br />
meine Wohnung erhalten (s. Text von Erna Öttl).<br />
Später habe ich mich noch Mal bei der Gruppe gemeldet<br />
und wir kamen ins Gespräch. Ich hatte den Eindruck,<br />
dass die Frauen mich gerne in der Gruppe gehabt<br />
hätten, aber jetzt waren alle Wohnungen belegt.<br />
Ich sollte aber trotzdem hinkommen. Es fand eine<br />
kleine Konferenz statt, wo es um eine psychisch<br />
kranke Frau ging, die sich erst im Laufe der Zeit als<br />
gruppenunfähig erwies. Frau Dr. Lippmann schickte<br />
mich in die Küche und die anderen, es war der ganze<br />
Vorstand anwesend, berieten sich mit der Frau, die<br />
nicht so recht passte. Nach einer langen Weile durfte<br />
ich wieder dazukommen und da hörte ich, dass ich die<br />
Wohnung bekommen könne. Darüber war ich unglaublich<br />
glücklich und später, als ich meine Vermieterin<br />
kennen lernte, war ich so froh, dass ich diese<br />
und keine andere Wohnung bekommen habe.<br />
Ich fühle mich wohl und helfe, wo ich kann. Wenn der<br />
Vorstand oder andere Frauen bei uns im Gemeinschaftsraum<br />
tagen, richte ich alles her und räume<br />
dann auf. Bei mir blinkt alles wie neu. Manche sagen,<br />
der Raum ist noch so schön, wie neu. Dann freue ich<br />
mich. Früher hatte ich es in meiner alten Wohngegend<br />
praktischer mit dem Einkaufen, aber das macht<br />
nichts. Ich kann ja wieder laufen nach der Knieoperation.<br />
Der alte Herr, den ich betreue, will immer Medizin<br />
geholt bekommen und geht nicht zum Orthopäden,<br />
obwohl ich doch ein laufendes Vorbild bin. Abends,<br />
wenn ich heimkomme, bin ich froh, dass ich die Wohnungstür<br />
einfach zumachen kann und niemand will<br />
was von mir. Aber am nächsten Tag bin ich wieder für<br />
alle da und weiß auch, dass mir die anderen Frauen<br />
unserer Gruppe helfen würden, wenn ich sie brauche.<br />
Tür zu und Distanz schaffen löst viele Konflikte. Darum<br />
funktionieren die Gruppen unseres Vereins gut.<br />
Rita Kraus
Von der Klinik – in den Vorstand<br />
Nach dem Tod meines Mannes war ich<br />
im Winter 2015/16 in einer schweren<br />
Lebenskrise und befand mich in einer<br />
psychosomatischen Klinik. Damals<br />
überlegte ich, wie ich mein zukünftiges<br />
Leben sinnvoll gestalten könnte.<br />
Während dieser inneren Auseinandersetzung<br />
stieß ich im Internet auf unseren Verein. Ich war beeindruckt<br />
vom Auftreten und den Zielen des Vereins.<br />
Besonders gefiel mir das neueste Wohnprojekt, das<br />
Mehrgenerationenhaus in Gern.<br />
Kurz entschlossen rief ich – noch aus der Klinik –<br />
Frau Dr. Lippmann an, die Vorsitzende des Vereines.<br />
In diesem Telefonat ging ich ganz offen mit meiner<br />
damaligen Situation um. Bei aller Freundlichkeit<br />
von Frau Dr. Lippmann spürte ich doch<br />
eine vorsichtige Reserviertheit. Zum<br />
Schluss meinte sie, ich solle mich<br />
doch wieder melden, wenn ich in<br />
München sei. Na gut, dachte ich,<br />
das wirst Du gewiss tun!<br />
Wieder in München recherchierte<br />
ich, wann die nächste Veranstaltung<br />
des Vereines stattfindet.<br />
Ich erinnere mich genau, es war<br />
der 16. Februar diesen Jahres<br />
und es gab einen interessanten<br />
Vortrag über Frauen in Japan. Ich<br />
war etwas früher da, es gab Kaffee und<br />
köstliche, selbst gebackene Kuchen. Die<br />
Atmosphäre war fröhlich, herzlich und ich<br />
fühlte mich gleich wohl. Durch Zufall saß ich<br />
am Tisch von Frau Küster, einer „Vorstandsfrau”,<br />
was ich damals natürlich nicht wusste.<br />
Bei ihr war ich mit meinen Fragen bestens aufgehoben.<br />
Dann lernte ich auch Frau Dr. Lippmann persönlich<br />
kennen und ließ mir ein Aufnahmeformular<br />
geben. Lange musste ich nicht überlegen. Kurz<br />
entschlossen trat ich unserem Verein bei.<br />
Wie ging es weiter?<br />
Bei einem Treffen im Büro des Vereines lernten<br />
Frau Dr. Lippmann und ich uns näher kennen und bei<br />
den heiteren Stammtischen im Café am Sendlinger<br />
Tor lernte ich etliche Mitfrauen des Vereines kennen.<br />
Zu meiner großen Überraschung fragte mich Frau Dr.<br />
Lippmann bei einem unserer Treffen, ob ich mir vorstellen<br />
könne, eine frei werdende Vorstandsposition<br />
einzunehmen. Ich wusste gar nicht, wie ich zu dieser<br />
Ehre kam, überlegte jedoch wieder nicht lange und<br />
sagte spontan zu. So wurde ich bei der Mitgliederversammlung<br />
am 22. Mai. 2016 von den Frauen unseres<br />
Vereines gewählt.<br />
So schnell kann es gehen – von der Klinik – in den<br />
Vorstand unseres wunderbaren Vereins<br />
„Nachbarschaftlich leben für Frauen im<br />
Alter”, dachte ich.<br />
Ich fühle mich sehr geehrt und<br />
freue mich darauf, im Rahmen<br />
meiner Möglichkeiten für unseren<br />
Verein arbeiten zu können.<br />
Arbeit gibt es genug und<br />
ich habe ja auch in meiner aktiven<br />
Zeit Wohngruppen geleitet<br />
und organisiert. Als Fachkrankenschwester<br />
für Psychiatrie<br />
bin ich auch Druck gewöhnt und<br />
kann gelassen auf alle möglichen und<br />
unmöglichen Anfragen eingehen. Manche<br />
halten mich für cool, doch eigentlich bin ich<br />
nur gut strukturiert und überlegt. Darum sei<br />
ich auch fähig, ein Vorstandsamt auszufüllen,<br />
sagt Frau Lippmann, was mich sehr freut. Wir<br />
drei sind ein gutes Gespann und auch mit den<br />
Frauen im Erweiterten Vorstand, den Fachfrauen<br />
und Minijobberinnen verstehe ich mich gut. Letztens<br />
haben wir erstmals nach meiner Wahl alle<br />
sieben zusammen getagt. Ich war berührt, dass<br />
ich in dem neuen Amt mit Sekt begrüßt wurde. Es<br />
wird nicht nur schwer diskutiert, sondern auch<br />
gefeiert.<br />
Marlies Nicolaus
Der geplatzte Traum<br />
Eine Gruppe von Frauen träumte einen<br />
Traum – von einer Gemeinschaft in München<br />
Obergiesing. Sie trafen sich regelmäßig<br />
mit ihrer „Kämpferin” an vorderster<br />
Linie Frau Dr. Lippmann und<br />
Angela Lang, unserer Psychologin in<br />
der Herzog-Wilhelm-Straße. Dort lernten<br />
sich die Frauen kennen, ihre Vorlieben<br />
und ihre Hobbies. Sie lernten miteinander zu reden<br />
und wie es gehen konnte, miteinander gut zusammen<br />
zu leben, dabei half ihnen Angela. Immer wieder<br />
sonntags gab’s auch Kaffee und Kuchen und manchmal<br />
einen Tanz im Kreis als Abschluss.<br />
Sie planten und planten die Einrichtung der Küche,<br />
der Gemeinschaftsräume vor Ort und ihre eigenen<br />
Räume, was nicht so einfach war, denn der Platz war<br />
begrenzt. Schön waren die Lage und der Balkon bzw.<br />
die Terrassen, was durch die Besichtigung der Baustelle<br />
klar wurde.<br />
Unsere erste Frau kämpfte wie eine Löwin für uns bei<br />
der Stadt, für unsere Interessen.<br />
Wir waren kurz vorm Ziel, das Haus war außen fertig,<br />
innen noch nicht ganz, da Insolvenzen der am Bau beteiligten<br />
Firmen immer wieder den Einzugstermin<br />
verzögerten. Der Druck wurde immer größer, weil die<br />
Frauen zum Teil schon gekündigt hatten und aus ihren<br />
Wohnungen heraus mussten.<br />
Da platzte unser Traum, denn das Projekt sollte von<br />
der Stadt ausgeweitet werden, andere Frauen sollten<br />
in unsere Wohngemeinschaft – das ging ja schon gar<br />
nicht, laut Frau Dr. Lippmann. Wir waren doch zu einer<br />
Gemeinschaft zusammengewachsen mit Hilfe von<br />
Angela und das sollte nun aufgebrochen werden?<br />
Nein, Nein und nochmals Nein.<br />
So fiel wie ein Kartenhaus unser Wohnprojekt zusammen<br />
– zwei Mitfrauen fanden in einem Wohnprojekt in<br />
Gern eine Wohnung, zwei gingen nach Augsburg, ein<br />
paar gingen eigene Wege und übrig blieben drei<br />
Frauen, die jetzt noch kein gemeinsames Zuhause<br />
haben. Schade, ein bisschen Wehmut und Trauer<br />
bleiben.<br />
Martha Geißler
Hauptgewinn oder Niete?<br />
Wie jede von uns acht Frauen hoffte<br />
auch ich, „meine“ Wunschwohnung am<br />
Reinmarplatz 20 in Gern zu bekommen.<br />
Einige Male bin ich um den Rohbau gegangen,<br />
aber es gelang mir nicht, mich<br />
an den Bauarbeitern ins Innere zu<br />
schmuggeln: Betreten verboten wurde mir beschieden.<br />
Aber wenigstens bekam ich von der Gewofag<br />
einen Grundrissplan, auf dem ich meine Traumwohnung<br />
auf dem Papier anschauen konnte. Jaaa, ich<br />
konnte mich sofort anfreunden, hätte aber doch so<br />
gerne einen Blick auf die reale Wohnung geworfen.<br />
An einem Freitag Anfang Februar 2015 sollte endlich<br />
die offizielle Besichtigung stattfinden. Große Freude!<br />
Zwei Tage davor, also am Mittwoch, rief mich der Herr<br />
von der Gewofag an: Sie können heute noch Ihren<br />
Mietvertrag unterschreiben (ich hatte darauf gedrängt,<br />
dachte aber, dass ich die Wohnung vorher anschauen<br />
kann). Oh Schreck, natürlich wollte ich mir<br />
einen weiteren Monat Miete für die bisherige Wohnung<br />
ersparen (lange Kündigungsfrist) – aber einen<br />
Mietvertrag für eine Wohnung unterschreiben, die ich<br />
nur vom Papier und den Außenwänden her kannte?<br />
Das habe ich noch nie in meinem Leben gemacht, so<br />
oft ich auch umgezogen bin. Ich bat um fünf Minuten<br />
Bedenkzeit und habe erst einmal tief Luft geholt. Was,<br />
wenn mir die Wohnung doch nicht gefallen würde?<br />
Dass ich statt des erhofften Hauptgewinns bloß eine<br />
Niete gezogen habe? Aber ich würde auf jeden Fall in<br />
den Kreis von optimistischen, fröhlichen und aktiven<br />
Frauen kommen. Wir kannten uns ja schon seit Monaten<br />
aus der Vorbereitungsgruppe. Ich stellte mir das<br />
einfach schön und entspannend vor.<br />
Kurz gesagt: Mantel angezogen, flugs zur Gewofag<br />
gefahren, unterschrieben und unterwegs die Kündigung<br />
für die alte Wohnung in den Postkasten geworfen.<br />
Damit war die Entscheidung gefallen. Zwei Tage<br />
Bauchgrimmen, aber auch Vorfreude. Endlich, Freitagmorgen,<br />
Besichtigungstermin. Ich hatte großes<br />
Herzklopfen: Hauptgewinn oder Niete? „Meine“ Wohnungstür<br />
ging auf, ich machte ein paar Schritte und<br />
wusste: Jaaa, es war meine Traumwohnung und ist es<br />
noch immer. Und noch immer freue ich mich, dass ich<br />
in so netter Nachbarschaft wohne. Auch wenn wir<br />
nicht ständig etwas gemeinsam unternehmen (wir<br />
treffen uns öfter ganz spontan), ist es doch ein gutes<br />
Gefühl zu wissen, die Anderen sind da und haben ein<br />
offenes Ohr.<br />
Mein Wunsch: Es möge immer so bleiben!<br />
Lore Großhans
Obdachlos mit höchster Stufe<br />
Da ich keine Bleibe hatte (nach dem Tod<br />
meines Lebensgefährten verkauften<br />
seine Kinder die Wohnung), nahm<br />
mich eine Freundin bei sich auf. Sie<br />
stellte mir ein kleines Apartment im<br />
Souterrain ihres Hauses zur Verfügung.<br />
Für die Behörden galt ich als Obdachlose, sozusagen<br />
in höchster Stufe. Inzwischen bekam ich das<br />
Angebot von Dr. Christa Lippmann, mich um ihr drittes<br />
Projekt, an der Deisenhofener Straße in Giesing, zu<br />
bewerben. Helle Freude! Zumal meine Freundin die<br />
Kellerräume für ihre eigene Familie benutzen wollte<br />
und mir kurzfristig kündigte.<br />
Strohhalm Deisenhofener Straße, Giesinger Projekt.<br />
Doch dort ging nichts vorwärts, wir wurden von Woche<br />
um Woche, ja, sogar von Monat zu Monat vertröstet,<br />
weil der Bau nicht fertig wurde. Inzwischen wusste ich<br />
(ich hatte die Kündigung meiner Kellerwohnung im<br />
Nacken) auch nicht, wie es bei mir weitergehen<br />
würde. Ich stand sozusagen in Kürze auf der Straße.<br />
Also rief ich Dr. Christa Lippmann an und erzählte von<br />
meinem Unglück. Ich brauche dringend eine Wohnung!<br />
Frau Dr. Lippmann sagte, sie werde sich was<br />
überlegen. Dann bei der Weihnachtsfeier machte sie<br />
mich mit den Frauen von WG IV, heute WG III, in Gern<br />
bekannt. Die gefielen mir auch gut. Nach einiger Zeit<br />
rief sie mich an und sagte: „Sie können am Reinmarplatz<br />
20 eine Wohnung bekommen, aber Sie müssen<br />
sich noch heute entscheiden.” Das hieß auch, dass ich<br />
die nötigen Papiere raussuchen musste, um sie der<br />
Gewofag vorlegen zu können. Die hatte ich zwar im<br />
häuslichen Schreibtisch, aber ich war gerade in der<br />
Innenstadt mit einer Freundin zum Kaffee trinken.<br />
Ganz energisch wurde Dr. Lippmann, was meine<br />
Freundin durch’s Telefon hörte. Sie sagte dann zu mir:<br />
„Du musst einfach sofort nach Hause fahren, die Papiere<br />
holen und dann zur Gewofag fahren. Wir können<br />
auch ein anderes Mal ins Café gehen.” Also hetzte ich<br />
erst einmal in meine alte Wohnung im Süden der<br />
Stadt, dann zur Gewofag in den Nordwesten. Meine<br />
Güte: Wie komme ich auf die schnellste Art dorthin?<br />
Geschafft! Dort begegnete ich meiner jetzigen Nachbarin,<br />
die eben auch den Mietvertrag unterschrieb.<br />
Wir kannten uns aus der Vorbereitungsgruppe, die der<br />
Verein organisiert.<br />
Anschließend sind wir beide voller Herzklopfen in ein<br />
benachbartes Cafè gegangen, um mit einem Glas<br />
Sekt auf unseren Sieg und unsere künftige Nachbarschaft<br />
anzustoßen. Wir kämpften mit den Freudentränen.<br />
Ich kann nur sagen: Ich bin hier angekommen und<br />
habe eine neue Familie gewonnen. Ich bin glücklich<br />
und dankbar!<br />
Heny Frohn
Wenn zwei schusselig sind, geht es immer auf<br />
Wir bekommen als sozialer Verein vom<br />
KulturRaum München immer schöne<br />
Konzert- und Theaterkarten und gehen<br />
dann auch als Gruppe in die Vorstellung.<br />
Als ich letztens mit meiner Namensliste<br />
zur Philharmonie fahre und mit<br />
den zehn Karten in der Hand auf die Frauen<br />
warte, kommt die erste fröhlich auf mich zu. Guten<br />
Tag, Christa. Ich frage, wo ist denn deine Wohnungsnachbarin?<br />
Wieso? Na, die hast du doch auch angemeldet<br />
und die steht auf meiner Liste und ich hab eine<br />
Karte. Nö, die kommt nicht. Das habe ich vergessen.<br />
Na, das fängt ja wieder gut an, denke ich. Und schon<br />
kommen die nächsten fröhlichen Frauen und lenken<br />
mich ab, auch sie bekommen ihre Karten. Dann trabt<br />
Inge mit Karin am Arm heran. Entschuldige, wir sind<br />
etwas spät, aber Karin hatte es vergessen und konnte<br />
sich nicht so schnell anziehen. Ist schon gut, sage ich<br />
und während ich noch denke, für Karin habe ich doch<br />
keine Karte, die steht nicht auf meiner Liste, strahlt<br />
sie mich an und freut sich auf das Konzert. Mir fällt<br />
plötzlich ein, dass ich ja zum Glück die eine Karte übrig<br />
habe. Die gebe ich Karin. Danke, sagt sie ganz<br />
nett. Niemand merkt etwas. Was haben wir für ein<br />
Glück, wenn zwei schusselig sind, geht es immer auf.<br />
Solche Situationen passieren oft und nie sage ich etwas.<br />
Es gibt immer eine Lösung. Alle denken, es geht<br />
ja alles easy in unserem Verein und von ganz alleine.<br />
Christa Lippmann
Regelförderung beschlossen – aber gestoppt<br />
Im Frühjahr letzten Jahres ist der Förderverein<br />
endgültig bei der Stadt München<br />
angekommen. Dazu waren Frau<br />
Dr. Lippmann und ich an einem sonnigen<br />
Frühlingstag am 12. März 2015 am<br />
Marienplatz verabredet. Unsere Internetrecherche<br />
ergab, dass der Sozialausschuss des<br />
Münchener Stadtrats an diesem Tag abstimmen<br />
würde, ob unser Verein in die Regelförderung aufgenommen<br />
wird oder nicht. Als wir die Treppen im ehrwürdigen<br />
Münchener Rathaus hochstiegen, wurde uns<br />
noch einmal bewusst, mit welch’ großer Anstrengung<br />
es verbunden war und welche Tragweite es haben<br />
würde, von der Stadt nicht mehr nur von einem Jahr<br />
auf’s andere gefördert zu werden und nicht mehr bangen<br />
zu müssen, ob kommunales Geld fließt oder nicht.<br />
Uns wurde aber auch klar, welche Ehre es bedeuten<br />
würde, mit finanziellen Zuschüssen dieser großartigen<br />
Stadt langfristig rechnen zu dürfen. Damit würde der<br />
Verein nochmal mehr Anerkennung erfahren als zuvor.<br />
Vor dem Sitzungssaal trafen wir Vertreterinnen der<br />
Förderstelle für Bürgerliches Engagement, die uns<br />
Mut machten, dass wir in die Regelförderung kommen<br />
werden und wir trafen auch einen alten Psychologieprofessor,<br />
bei dem wir beide an der LMU studiert hatten<br />
– in einem zeitlichen Fenster von 20 Jahren.<br />
Endlich betraten wir die Empore, d.h. den Zuschauerraum<br />
des städtischen Sitzungssaals hoch oben. Wir<br />
schauten mehrere Meter tief auf die Mitglieder des Sozialausschusses,<br />
deren Sitzung bereits begonnen<br />
hatte, hinab. Die damalige Sozialreferentin Brigitte<br />
Meier berichtete gerade und die Vertreterinnen und<br />
Vertreter der Parteien gruppierten sich im Halbkreis<br />
um sie herum. Zunächst wurden alle Tagungsordnungspunkte<br />
verlesen, darunter auch unser Antrag auf<br />
Regelförderung. Wir befanden uns im Paket mit zwei<br />
anderen Vereinen, die auch auf die Regelförderung<br />
hofften. Gespannt warteten wir auf die Abstimmung<br />
und erfuhren in dieser Zeit viel über andere interessante<br />
Themen wie den aktuellen Mietspiegel der Stadt<br />
München. Ein Universitätsvertreter, ich glaube aus<br />
Berlin, stellte eine neue fundiertere Berechnungsmethode<br />
vor, die ausführlichst diskutiert wurde. Unser<br />
Thema war noch lange nicht in Sicht. Schülerinnen<br />
und Schüler kamen und gingen wieder. Die Zeit verrann<br />
so schnell, dass ich leider die Empore verlassen<br />
musste, ohne die Abstimmung live mitzubekommen.<br />
Als Mutter von drei Kindern musste ich den Jüngsten<br />
abholen. Es war inzwischen schon Mittag.<br />
„Was für ein Aufwand, um dann doch zur falschen Zeit<br />
da gewesen zu sein”, dachte ich mir, als ich die herrschaftlichen<br />
Treppen im Rathausinneren wieder hinabstieg.<br />
Frau Dr. Lippmann harrte geduldig weiter im Zuschauerraum<br />
aus. Schließlich saß sie nur noch alleine<br />
dort oben. Später rief mich Frau Dr. Lippmann an und<br />
klärte auf: Sie hatte gerade eine Information von der<br />
Diakonie und von der Förderstelle für Bürgerliches Engagement<br />
erhalten, die ihr zur Regelförderung gratulierten.<br />
Mit der Verlesung der geklärten Tagesordnungspunkte<br />
am Anfang der Sitzung war die Zustimmung<br />
bereits vollzogen, dass der Förderverein „Nachbarschaftlich<br />
leben für Frauen im Alter” von nun an in<br />
die Regelförderung der Stadt übernommen wird. Was<br />
für eine herrliche Nachricht!<br />
Aber danach mussten wir dennoch unsichere Wochen<br />
durchstehen, denn der gesamte Sozialhaushalt wurde<br />
vom Kämmerer gestoppt und neu auf seine Notwendigkeiten<br />
geprüft. Frau Lippmann sagte, wie schade,<br />
jetzt wo wir drin sind, kommt das Schicksal und stoppt<br />
alles. Werden wir drin bleiben? So ging es noch ein<br />
paar Monate. Erst als bei einem Vortrag vom Sozialreferat<br />
verkündet wurde, dass die drei zuerst genehmigten<br />
Vereine im Haushalt gesichert sind – und dazu gehörten<br />
wir, – waren wir sicher und freuten uns riesig.<br />
Angela Lang
1991 wurde der Verein „Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter e.V.” gegründet, und<br />
er hat mit enormem Engagement, mit Ausdauer und gegen viele Widerstände und Vorurteile<br />
bis heute visionär und erfolgreich 3 Wohnprojekte verwirklicht, die Frauen im<br />
Alter mit schmaler Rente ermöglichen, selbstbestimmt und in Gemeinschaft zu leben.<br />
Voraussetzung für das Zusammenleben ist das intensive Kennenlernen und auch die<br />
Bereitschaft, in der Gruppe und für den Förderverein tätig zu sein, sich selbst aktiv einzubringen,<br />
Konflikte anzusprechen und ggf. mit Hilfe einer Mediation zu lösen.<br />
Wenn Frau dann nach dem Kennenlernen im Verein und oft nach langer Wartezeit die<br />
ersehnte Wohnung beziehen kann, ist ein großer Schritt geschafft. Unsere „Wohn-Geschichten”<br />
erzählen von den Hoffnungen, Wünschen, Enttäuschungen, aber vor allem<br />
von der Freude, wenn alles geklappt hat und die „Traum”-Wohnung bezogen wird.<br />
Wir sind weiterhin auf der Suche nach geeigneten Wohnungen, möglichst im geförderten<br />
Bereich, z.B. nach dem München Modell, evtl. auch altengerecht, damit die Frauen lange<br />
unbeschwert dort leben können. Bitte unterstützen Sie uns.<br />
Kontakt<br />
Förderverein Nachbarschaftlich leben<br />
für Frauen im Alter e.V.<br />
Herzog-Wilhelm-Str. 24<br />
80331 München<br />
Tel.: 089 6125902 oder 839310425<br />
nachbarschaftlich-leben@t-online.de<br />
www.frauenwohnen-im-alter.de<br />
Über Spenden freuen wir uns.<br />
IBAN: DE48 5206 0410 0003 4017 07<br />
Wir danken für die Förderung<br />
Gestaltung Cäcilie Halbleib<br />
Redaktion<br />
Christa Lippmann<br />
Illustrationen Cäcilie Halbleib<br />
Titelbild „Baustelle” © Gerhard Riessbeck