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abstracts - Studien zur Maltechnik Ernst Ludwig Kirchners - Staatliche

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Interdisziplinäres Symposium<br />

AUFBRUCH IN DIE FARBE<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und das Neue Malen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

ABSTRACTS DER VORTRÄGE<br />

Die Originalität der „Brücke“<br />

AYA SOIKA<br />

Ausgehend von der Arbeit am Werkverzeichnis der Ölgemälde Max Pechsteins beschäftigt<br />

sich der Vortrag mit Fragen von Originalität, Authentizität und künstlerischer Intention im<br />

Werk der „Brücke“. Anders als einige Vertreter der europäischen Avantgarde stellten die Brücke-Künstler<br />

den Originalitätsbegri� nicht in Frage, sondern bejahten ihn durch die Betonung<br />

der Hand des Künstlers im Scha� ensprozess. Mithilfe von Beispielen wie freigelegten Bildrückseiten<br />

und Expressionismus-Fälschungen soll die Bedeutung des Originals und die Idee des<br />

Authentischen in der Kunst der „Brücke“ herausgearbeitet werden.<br />

Aya Soika lehrt Kunstgeschichte an der Berliner Universität ECLA of Bard, A Liberal Arts University.<br />

Autorin des Werkverzeichnisses der Ölgemälde Max Pechsteins (2 Bde, Hirmer Verlag<br />

München, 2011) und der Biographie Max Pechstein. The Rise and Fall of Expressionism (mit<br />

Bernhard Fulda, De Gruyter Berlin/New York, 2012). Forschungsgebiete u. a.: Expressionismus,<br />

Avantgarde-Netzwerke, Kunst und Erster Weltkrieg.<br />

„Der Künstler scha� e bewußt!“<br />

Wilhelm Ostwalds „Malerbriefe“ (1904) als kunsttechnologisches Paradigma einer kommenden Kunst<br />

ALBRECHT POHLMANN<br />

Im April 1904 hält der Leipziger Chemiker Wilhelm Ostwald einen Vortrag über <strong>Maltechnik</strong><br />

im Dresdener Kunstverein. Ob auch die Architekturstudenten der Technischen Hochschule,<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und Fritz Bleyl, zugegen sind, ist nicht bekannt. Ostwald hatte in seinen<br />

gerade erschienenen „Malerbriefen“ die maltechnischen Konventionen seiner Zeit gegen den<br />

Strich gebürstet und viele Vorurteile mit dem nüchternen Blick des Naturwissenschaftlers hinweg<br />

gefegt. Die als „Briefe“ – im Anschluss an � ktive „Ateliergespräche“ - deklarierten kunsttechnologischen<br />

Bemerkungen � nden Resonanz bei Künstlern aller Generationen. Der junge<br />

Klee etwa ist begeistert. Ostwald selbst p� egt in diesen Jahren die Freundschaft mit etablierten<br />

Künstlern wie Max Klinger oder Sascha Schneider, von den revolutionären Bestrebungen<br />

der „Brücke“-Künstler im Königreich Sachsen bekommt er nichts mit.<br />

Die üblichen Malereihandbücher waren per de� nitionem konservativ. Die Dresdner Expressionisten<br />

mussten sich ihre eigene Technik er� nden. Der kunsttechnologische Kanon der<br />

Zeit war vom Akademismus bestimmt – während Ostwalds „Malerbriefe“ quer zu allen Kunstrichtungen<br />

stehen, den konservativen ebenso, wie den revolutionären. Ihr sachlicher Gehalt<br />

jedoch ist zweifellos revolutionär und weist auf technologische Tendenzen des 20. Jahrhunderts<br />

voraus. Ostwalds maltechnische Ideen sind in diesem Kontext paradigmatisch für die<br />

Umbruchsituation nach 1900, welche der Umwälzung Europas ebenso vorausging wie der<br />

Umwälzung der Kunst.<br />

Symposium am 15. und 16. November 2012 − <strong>Staatliche</strong> Akademie der Bildenden Künste, Am Weißenhof 1, 70191 Stuttgart 1


Interdisziplinäres Symposium<br />

AUFBRUCH IN DIE FARBE<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und das Neue Malen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Albrecht Pohlmann, geb. 1961. Studium der Gemälderestaurierung an der HfBK, Dresden, danach<br />

Restaurator an der Stiftung Moritzburg – Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt. Seit<br />

1999 Lehrbeauftragter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dissertation 2010:<br />

„Von der Kunst <strong>zur</strong> Wissenschaft und <strong>zur</strong>ück: Farbenlehre und Ästhetik bei Wilhelm Ostwald<br />

(1853-1932)“. Bücher, Aufsätze u. Vorträge über Künstler im Exil 1933-1945, Porträtkunst um<br />

1800, Farbenlehre, Kunsttechnik. Arbeiten <strong>zur</strong> <strong>Maltechnik</strong> u. a. von Franz Marc (2006), Karl Völker<br />

(2007) und Lyonel Feininger (2012).<br />

Cuno Amiet und die Temperamalerei in der Schweiz um 1900<br />

KAROLINE BELTINGER<br />

Als <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottlu� Anfang Juni 1905 die Künstlervereinigung<br />

‹Brücke› gründeten, hatten sie kurz zuvor mit grossem Interesse in der Dresdner<br />

Galerie Richter eine Ausstellung von Werken des Schweizer Malers Cuno Amiet (1868–<br />

1961) <strong>zur</strong> Kenntnis genommen. Ein gutes Jahr später, im September 1906, schrieb Heckel an<br />

Amiet: «Mit Bewunderung und Begeisterung haben wir Ihre Werke gesehen und wir erlauben<br />

uns Sie zu fragen ob sie unserer Gruppe Brücke beitreten wollen. Einstimmig haben wir in<br />

Ihnen einen der Unseren erkannt […]». Amiet, der heute zu den wichtigsten Schweizer Malern<br />

der klassischen Moderne gezählt wird, nahm die Einladung umgehend an. Die Gemälde,<br />

mit denen er seine jungen Dresdner Kollegen so beeindruckt hatte, stammen aus einer auch<br />

in maltechnischer Hinsicht äusserst interessanten Phase, in der er regelmässig anstelle der<br />

traditionellen Ölfarben sogenannte Temperafarben verwendete. Wie aktuelle Forschungen<br />

am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft in Zürich zeigen, war Amiet mit seinem<br />

Interesse für die breitgefächerte Farbengattung der Tempera in der Schweizer Künstlerszene<br />

nicht allein. Der Vortrag berichtet über die laufende Auswertung zeitgenössischer Quellen zu<br />

Amiet und verschiedenen Schweizer Zeitgenossen, die um 1900 auf verschiedenste Weisen<br />

mit Tempera arbeiteten und untereinander im Austausch standen, sowie über technologische<br />

Untersuchungsbefunde zu einigen ihrer Gemälde.<br />

Karoline Beltinger studierte 1984–1987 an der Fachklasse für Konservierung und Restaurierung,<br />

Vertiefungsrichtung Sta� eleibild, gefasste Skulptur und Wandmalerei an der Höheren<br />

Fachschule für Gestaltung, Bern, Abschluss mit Diplom (FH). 1988 –1994 Mitarbeiterin, später<br />

Co-Direktorin der Stichting Kollektief Restauratie Atelier, Amsterdam/NL. 1994–1998 Chefrestauratorin<br />

am Historischen Museum Basel. Seit 1998 Leiterin der Abteilung Kunsttechnologie<br />

am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft SIK-ISEA, Zürich.<br />

Unmittelbar und expressiv? Zur technischen Genese der Malerei <strong>Kirchners</strong><br />

HEIDE SKOWRANEK<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> Malerei ist untrennbar mit der direkten Wiedergabe des Lebens verbunden:<br />

„Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum<br />

Scha� en drängt“ schnitt Kirchner 1906 im Programm für die Künstlergruppe „Brücke“ in Holz.<br />

Er wandte sich von akademischen Traditionen ab und verzichtete auf überlieferte Gesetze von<br />

Symposium am 15. und 16. November 2012 − <strong>Staatliche</strong> Akademie der Bildenden Künste, Am Weißenhof 1, 70191 Stuttgart 2


Interdisziplinäres Symposium<br />

AUFBRUCH IN DIE FARBE<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und das Neue Malen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Perspektive und Proportion. Den malerischen Ausdruck steigerte er durch Reduzierung der<br />

Form und Verwendung reiner, kaum ausgemischter Farben. Auch die Rezeption seiner Gemälde<br />

ist geprägt von dieser Anschauung. Mitunter wird er als Maler der spontanen Expression<br />

stilisiert. Doch sind <strong>Kirchners</strong> charakteristisch matte Ober� ächen und leuchtstarke Farben<br />

auch Ergebnis einer wenig elaborierten malerischen Technik? Entstanden seine Bilder durch<br />

schnell und eruptiv auf Leinwand geworfene Farbe, ähnlich den gezeichneten Viertelstundenakten<br />

der „Brücke“-Künstler? Auf Basis der Untersuchung zahlreicher Gemälde des Künstlers<br />

und seinen schriftlichen Äußerungen zeichnet der Vortrag ein anderes, di� erenzierteres Bild<br />

seines Scha� ens. Dabei werden zeitgenössische maltechnische Strömungen berücksichtigt<br />

und der Atelierpraxis <strong>Kirchners</strong> gegenübergestellt.<br />

Heide Skowranek, geb. 1973, ist Koordinatorin des Forschungsprojektes. Studium der Restaurierung<br />

und Technologie der Malerei, Kunsttheorie und Kulturphilosophie in Stuttgart und<br />

Wien. Nach Volontariat an der Staatsgalerie Stuttgart und Alten Pinakothek München, Restauratorin<br />

für die Documenta 11 und das Kunstmuseum Stuttgart, seit 2008 am Doerner Institut<br />

der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München. Lehrt seit 2006 an der Stuttgarter<br />

Kunstakademie. Arbeitet an einer Dissertation <strong>zur</strong> <strong>Maltechnik</strong> <strong>Kirchners</strong>. Forschungsgebiete<br />

u. a. historische Kunsttechnologie, Malerei der Avantgarde, Konservierung zeitgenössischer<br />

Kunst und Ethik der Restaurierung.<br />

Die Farben <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> – Eine Einführung<br />

CHRISTOPH KREKEL<br />

Ähnlich wie der individuelle Farbauftrag, die Art der Grundierung oder das allmählich entwickelte<br />

Bindemittelsystem, ist auch die Verwendung von Pigmenten durch <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner<br />

an seinen spezi� schen künstlerischen Bedürfnissen orientiert. Kirchner nutzte kommerzielle<br />

Ölfarben wahrscheinlich verschiedener Hersteller. Innerhalb eines Gemäldes scheint er<br />

bisweilen ganze Sätze einer Tubenfarbenmarke eingesetzt zu haben. Es gibt keinen Hinweis<br />

auf die Beimischung pulverförmiger Pigmente. Ausgehend von den technischen Lehren der<br />

Neoimpressionisten erreichte er leuchtkräftige Malschichten durch Verwendung eines sehr<br />

breiten Spektrums reiner Grundprodukte, die wenig, und wenn dann eher mit im Farbenkreis<br />

nebenstehenden Farben vermischt werden. Es konnten innerhalb eines Gemäldes bis zu<br />

sechs verschiedene Pigmente eines einzigen Farbtons nachgewiesen werden. Mehr als 80%<br />

aller Farben wird Bleiweiß zugemischt. Dunkle Farben werden kaum durch Beimischung von<br />

Schwarz erzeugt, zumeist werden dafür weniger leuchtkräftige Reinpigmente verwendet.<br />

Christoph Krekel, geb. 1966, studierte an den Universitäten Münster, Göttingen, Bonn und<br />

München Chemie, Kunstgeschichte und Christliche Archäologie. Nach einigen Jahren am Doerner<br />

Institut München, seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls Archäometrie und Konservierungswissenschaften<br />

an der <strong>Staatliche</strong>n Akademie der Bildenden Künste. Die Forschungsinteressen<br />

liegen in der Entwicklung neuer Konservierungsmethoden und -Materialien, der Edition<br />

kunsttechnologischer Quellenschriften, dem Handel mit Künstlermaterialien sowie der Materialuntersuchung<br />

an Kunst- und Kulturgut.<br />

Symposium am 15. und 16. November 2012 − <strong>Staatliche</strong> Akademie der Bildenden Künste, Am Weißenhof 1, 70191 Stuttgart 3


Interdisziplinäres Symposium<br />

AUFBRUCH IN DIE FARBE<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und das Neue Malen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Indanthrenblau, Lackrot und Pigmentscharlach – Nachweise von Teerfarbsto� pigmenten auf der<br />

Palette <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> mittels Raman-Mikroskopie<br />

HEIKE STEGE, MARK RICHTER UND CHRISTOPH STEUER<br />

Seit einigen Jahren rückt die analytische Identi� zierung synthetischer organischer Pigmente,<br />

auch bekannt als Teer- oder Anilinfarbsto� pigmente, stärker in den Forschungsfokus <strong>zur</strong><br />

Malerei des 20. Jahrhunderts, nicht zuletzt mit Gewinn auch für Authentizitätsgutachten. Vor<br />

allem die sog. Raman-Mikroskopie, eine zerstörungsarme Analysenmethode, erö� nete hier<br />

weitreichende Möglichkeiten. Die ersten Teerfarbsto� e kamen im späten 19. Jahrhundert auf<br />

den Markt (in Deutschland etablierte sich mit Erfolg ein neuer Chemieindustriezweig) – ihre<br />

Beständigkeit und Eignung für hochqualitative Künstlerfarben waren aber noch bis in die<br />

1920er Jahre heftig umstritten. Da eine Konkordanz zwischen den damaligen Marktbezeichnungen<br />

der Industrie und den Phantasienamen der Farbenhersteller über archivalische Quellen<br />

nicht zu erarbeiten ist, spielt hier die Pigmentanalytik eine besondere Rolle.<br />

Die im Rahmen des BMBF-Verbundprojektes <strong>zur</strong> <strong>Maltechnik</strong> <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> durchgeführten<br />

Pigmentanalysen boten eine exzellente Möglichkeit, den lückenhaften Kenntnisstand<br />

<strong>zur</strong> frühen Verwendung organischer Pigmente in kommerziellen Tubenfarben ansatzweise zu<br />

schließen. So gelangen eine Reihe von Erstnachweisen organischer Pigmente in den zwischen<br />

1906 und 1936 gescha� enen Gemälden <strong>Kirchners</strong>, beispielsweise von Pigment Red 60 (Pigmentscharlach<br />

3B, 1902) oder Pigment Blue 60 (Indanthrenblau, 1901). Generell überrascht<br />

die Häu� gkeit und chemische Vielfalt vor allem roter und blauer Teerfarbsto� pigmente in<br />

<strong>Kirchners</strong> Malfarben. Da nicht davon auszugehen ist, dass sich der Künstler bewusst für Pigmente<br />

aus Teerfarbsto� en entschied, re� ektiert dies wohl den Umstand, dass Farbenhersteller<br />

sich trotz der ö� entlichen Kritik recht schnell neuer, verbesserter Teerfarbsto� pigmente bedienten.<br />

O� enbar nicht zu Unrecht, weisen die Gemälde <strong>Kirchners</strong> doch heute keine nennenswerten<br />

Farbverluste auf.<br />

Heike Stege, geb. 1970, studierte Chemie in Freiberg und Berlin. Im Rahmen von Dissertation<br />

(1998) und Habilitation (2005) befasste sie sich mit der materialanalytischen Untersuchung<br />

historischer Glas- und Emailarbeiten. Zwischen 1998 - 2002 wissenschaftliche Assistentin am<br />

Institut für Chemie der TU Berlin sowie am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und<br />

Konservierungswissenschaft der TU München. Post-Doc-Aufenthalt am Scienti� c Department<br />

des British Museum London (2000). Seit 2002 am Doerner Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen,<br />

München, dort seit 2006 Leitung der naturwissenschaftlichen Abteilung.<br />

Forschungsschwerpunkt: Identi� zierung, Verwendungsgeschichte und Alterungsverhalten<br />

historischer und moderner Pigmente in Künstlerfarben. Ihre Tätigkeit umfasst kunsttechnologische<br />

Forschungen, die Erstellung von Echtheitsgutachten und Lehraufgaben für den <strong>Studien</strong>gang<br />

Restaurierung der TU München.<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> Bindemittel – Material und optische Bildwirkung<br />

PATRICK DIETEMANN, CEDRIC BEIL, IRENE FIEDLER, URSULA BAUMER<br />

Der Vortrag befasst sich mit den Bindemitteln <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> und basiert auf den<br />

Analysen, die im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsprojektes <strong>zur</strong> <strong>Maltechnik</strong> des<br />

Künstlers durchgeführt wurden. Es ist lange bekannt, dass Kirchner Ölfarben benutzte und ihnen<br />

Wachs beifügte oder sie mit Wachsbenzin stark verdünnte, um – in Kombination mit stark<br />

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Interdisziplinäres Symposium<br />

AUFBRUCH IN DIE FARBE<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und das Neue Malen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

saugenden Grundierungen – schnell malen zu können. Die Untersuchungen bestätigten, dass<br />

Kirchner für seine Malerei wohl fast ausschließlich Öl-Tubenfarben verschiedener Hersteller<br />

benutzte. Wachsanteile fanden sich aber nicht in allen Gemälden auf denen sie erwartet wurden.<br />

So enthielten beispielsweise die Malfarben der Fehmarndüne mit Badenden unter Japanschirmen<br />

(1913), die mit stark verdünnten Ölfarben gemalt wurde, keine Wachsanteile.<br />

Zumindest in einigen Fällen scheint also die zu beobachtende optische Wirkung eher auf den<br />

hohen Lösemittelanteil der Farben <strong>zur</strong>ückzuführen sein als auf Wachsanteile. Hohe Wachsanteile<br />

wurden bei den hier durchgeführten Analysen insbesondere in <strong>Kirchners</strong> späteren Werken<br />

identi� ziert. <strong>Kirchners</strong> Grundierungen erwiesen sich als schwach gebundene Halbölgrundierungen.<br />

Deren mageren und stark saugenden Eigenschaften sind allein auf den niedrigen<br />

Bindemittelgehalt <strong>zur</strong>ückzuführen. Wie sich Wachsanteile in Ölfarben sowie Lösemittel auf die<br />

optische Erscheinung der resultierenden Malerei auswirken, und wie dies <strong>zur</strong> Leuchtkraft der<br />

Farben <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> beitragen könnte, wird im Vortrag kurz diskutiert werden.<br />

Patrick Dietemann studierte Chemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH<br />

Zürich und untersuchte in seiner Doktorarbeit in analytischer Chemie die Alterung von Naturharz�<br />

rnissen auf Gemälden (ebenfalls an der ETH Zürich). Ab 2003 war er verantwortlich für<br />

die organische Analytik im Zentrallabor des Bayerischen Landesamtes für Denkmalp� ege, seit<br />

2007 ist er zuständig für die Bindemittelanalytik am Doerner Institut in München.<br />

Die Ästhetik der Ober� äche<br />

Der Umgang mit Firnis in der deutschen Malerei um 1900 mit Blick auf die „Brücke“<br />

CAROLINE VON SAINT-GEORGE<br />

Den Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert begleitete ein tiefgreifender Wandel in der<br />

deutschen Malerei. Der traditionellen Historienmalerei wich die hellere und zunehmend farbenfreudigere<br />

Palette des deutschen Naturalismus, Impressionismus und späteren Expressionismus.<br />

Zeitgleich und inspiriert vom französischen Impressionismus vollzog sich eine<br />

Veränderung der ästhetischen Emp� ndung von Bildober� ächen, weg von dem Gebrauch<br />

glänzender und getönter Firnisüberzüge hin zu einer Vorliebe für unge� rniste und damit ursprünglich<br />

belassene, matte bis seidenmatte Ober� ächen. Der Umbruch vollzog sich innerhalb<br />

weniger Jahre, nicht selten innerhalb ein und desselben Künstlerlebens, wie ein Blick auf<br />

die Œuvres von Künstlern wie Lovis Corinth, Max Liebermann oder Alfred Deusser zeigen. Der<br />

deutsche Expressionismus scheint von dem Verzicht auf Firnis bereits vollends durchdrungen.<br />

All dies ist der Fachwelt bereits im Weitesten bekannt. Neben einem kurzen geschichtlichen<br />

Abriss und der Skizzierung des Forschungsstandes, möchte der vorliegende Beitrag aufzeigen,<br />

dass zwischen dem pauschalisierten Status „ge� rnist“ oder „unge� rnist“ noch eine Reihe<br />

an „Graustufen“ von partiellen oder auch matten Firnissen anzutre� en sind, dass selbst die<br />

expressionistischen Künstler in der Frage des Firnissens ihrer Gemälde nicht immer stringent<br />

verfuhren und sich ihre dahingehenden Aussagen durchaus widersprechen können. Ausgewählte<br />

Fallbeispiele sollen einen sensibilisierten Blick auf das Spektrum der anzutre� enden<br />

Bildober� ächen gewähren und die Probleme darstellen, mit denen wir uns als Restauratoren<br />

mit der Behandlung dieser Werke konfrontiert sehen.<br />

Caroline von Saint-George ist diplomierte Gemälde-Restauratorin und arbeitet seit 2002 am<br />

Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln. Sie studierte Kunstgeschichte an der<br />

Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster sowie Konservierung und Restaurierung von Ge-<br />

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Interdisziplinäres Symposium<br />

AUFBRUCH IN DIE FARBE<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und das Neue Malen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

mälden und Skulpturen am Hamilton Kerr Institute in Cambridge und an der Fachhochschule<br />

Köln, wo sie 2001 das Diplom erwarb. Neben der Restaurierung von Gemälden der europäischen<br />

Malerei vom Mittelalter bis <strong>zur</strong> klassischen Moderne spezialisierte sie sich insbesondere<br />

auf die kunsttechnologische Erforschung des französischen Impressionismus und des deutschen<br />

Expressionismus.<br />

Vorderseite? Rückseite? Oder beides?<br />

Über den Umgang mit <strong>Kirchners</strong> doppelseitig benutzten Leinwänden<br />

LUCIUS GRISEBACH<br />

Von den mehr als tausend erhaltenen Gemälden <strong>Kirchners</strong> weisen ca. 150 bis 250 eine beidseitig<br />

bemalte Leinwand auf. Wie ist das zu beurteilen? Kann es grundsätzlich doppelseitige Leinwandbilder<br />

geben? Was ist Vorderseite, was Rückseite? Was war jeweils die Absicht des Künstlers?<br />

Wie erkennt man heute, was im Sinne des Künstlers wäre? Wer entscheidet darüber nach<br />

welchen Kriterien? Wer wird dabei von welchen Interessen geleitet? Das Referat versucht, eine<br />

Problemlage zu beschreiben und Anhaltspunkte für eine angemessene wissenschaftliche Argumentation<br />

zu formulieren.<br />

Lucius Grisebach, geb. 1942 in Marburg. Studium der Kunstgeschichte in Freiburg / Brsg. und<br />

Berlin, Promotion an der FU Berlin 1972. Assistent an der Universität Göttingen 1973-74. Kurator<br />

an der Nationalgalerie Berlin (West) 1974-88, Direktor der Kunsthalle Nürnberg 1988-97,<br />

Gründungsdirektor des Neuen Museums in Nürnberg 1997-2007. Lebt in Rüschlikon bei Zürich.<br />

Farbe in Schwarz-Weiß: Kompositionen bei Kirchner<br />

KARIN SCHICK<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner strebte als Maler „strengste Komposition“, „stra� e Form“ und „scharfe<br />

Flächen“ an. Zugleich formulierte er stets das Primat der Farbe vor der Form: Malerei sei „eben<br />

nicht colorierte Form, sondern farbig aufgebaut“, die Form werde „durch die Farbe bestimmt<br />

im Bilde“.<br />

Untersucht man <strong>Kirchners</strong> Gestaltungsweise, wird man zunächst seine Werke, seine Gemälde,<br />

Zeichnungen, farbige Druckgra� k und bemalten Skulpturen, betrachten. Wichtige Wegweiser<br />

sind aber auch die zahlreichen Schwarzweiβ-Fotogra� en, die der Künstler von seinen Arbeiten<br />

anfertigte. Sie dienten ihm nicht nur <strong>zur</strong> Dokumentation, Diskussion und Bewerbung seines<br />

Scha� ens, mit ihnen prüfte er immer wieder Kompositionsprinzipien und sogar Farbwerte.<br />

Erhellend ist weiterhin ein Blick auf <strong>Kirchners</strong> Buchgestaltung: Sie erschöpfte sich für ihn<br />

nicht in einer Bebilderung von Texten. Er verstand das Buchobjekt selbst – mit Einband, Papier,<br />

Vor- und Nachsatz – als eigenständige Komposition aus Form und Farbe, vergleichbar einem<br />

gemalten Bild.<br />

Um die Malerei <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> <strong>Kirchners</strong> in ihrer Vielschichtigkeit zu ergründen, muss man weitere<br />

seiner Medien durchwandern – und dem mäandernden Faden der Farbe folgen.<br />

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Interdisziplinäres Symposium<br />

AUFBRUCH IN DIE FARBE<br />

<strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner und das Neue Malen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Podiumsdiskussion<br />

Karin Schick, Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik an der Eberhard<br />

Karls Universität Tübingen und der Tufts University, Medford. Dissertation <strong>zur</strong> Rezeption Paul<br />

Cézannes in den USA. Nach Anstellungen in Hamburg und Stuttgart seit Juli 2006 Direktorin<br />

des Kirchner Museum Davos; ab Dezember 2012 Kuratorin Klassische Moderne, Hamburger<br />

Kunsthalle. Publikationen und Ausstellungen zu Sonia und Robert Delaunay, Otto Dix, <strong>Ernst</strong><br />

<strong>Ludwig</strong> Kirchner, Emil Nolde, Sophie Taeuber-Arp, Andy Warhol u. a.<br />

URSULA HALLER studierte Restaurierung und Technologie von Gemälden und gefassten Skulpturen an<br />

der SABK Stuttgart. 1994 – 2007 wiss. Mitarbeiterin an Lehrstühlen in Dresden, München und Stuttgart.<br />

2004 Dissertation an der TU München »Das Einnahmen- und Ausgabenbuch des Wolfgang Pronner. Die<br />

Aufzeichnungen des ›Verwalters der Malerei‹ Herzog Wilhelms V. von Bayern als Quelle zu Herkunft, Handel<br />

und Verwendung von Künstlermaterialien im ausgehenden 16. Jahrhundert«. Seit 2007 Professorin für<br />

Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Malerei auf mobilen Bildträgern an der Hochschule<br />

für Bildende Künste Dresden, seit 2008 <strong>Studien</strong>dekanin.<br />

WOLFGANG HENZE, geb. 1944, Kunsthistoriker, Kunsthändler und Galerist vermittelt Kunstwerke sowie<br />

die Kenntnis von Werk und Kunst durch Ausstellungen und Kataloge der eigenen Galerie wie auch in von<br />

ihm kuratierten Ausstellungen ö� entlicher Institute und durch Publikationen, Betreuung von künstlerischen<br />

Gesamtwerken, Nachlässen und Archiven im Bereich Expressionismus insbesondere von <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong><br />

Kirchner, Exil in Italien 1933-1945, Abstraktion und Figuration der 50er Jahre, Neue Figuration nach<br />

1960.<br />

EBERHARD W. KORNFELD, geb. 1923, Schweizer Kunsthändler und Sammler. Ab 1945 Volontär im Jahr<br />

1951 Übernahme der Berner Kunsthandlung Gutekunst und Klipstein, später Fortführung als Galerie Kornfeld<br />

und Ausbau der Auktionstätigkeit auf den Spezialgebieten Graphik und Handzeichnungen des 15. –<br />

18.Jh. sowie Kunst des 19. und 20. Jh. Freundschaften mit zahlreichen Künstlern u.a. Sam Francis, Alberto<br />

Giacometti, Chagall und Picasso. Werkverzeichnisse des graphischen Oeuvres von Klee, Chagall, Schiele,<br />

Signac, Gauguin, Alberto Giacometti etc. Wichtige Publikationen zu Kirchner, u.a. 1979 <strong>Ernst</strong> <strong>Ludwig</strong> Kirchner,<br />

Nachzeichnung seines Lebens. 1961Kauf Wildbodenhaus und 1981 Haus in den Lärchen, beides Wohnstätten<br />

und Ateliers von Kirchner in Davos Frauenkirch. Machte das Wildbodenhaus bis <strong>zur</strong> Erö� nung des<br />

Kirchner Museum Davos als Gedenkstätte der Ö� entlichkeit zugänglich.<br />

STEFAN ZUMBÜHL studierte Konservierung und Restaurierung an der Höheren Fachschule für Gestaltung<br />

in Bern. 2011 promovierte er im Bereich Kunsttechnologie an der <strong>Staatliche</strong>n Akademie der Bildenden<br />

Künste Stuttgart. Er ist Dozent an der Hochschule der Künste der Berner Fachhochschule. Seit zehn Jahren<br />

ist er zudem Mitglied des Unabhängigen Wissenschaftlichen Beirats des Alexej von Jawlensky-Archivs und<br />

dort für die materialtechnologischen Untersuchungen zuständig.<br />

Symposium am 15. und 16. November 2012 − <strong>Staatliche</strong> Akademie der Bildenden Künste, Am Weißenhof 1, 70191 Stuttgart 7

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