STELLUNGNAHME
STELLUNGNAHME
STELLUNGNAHME
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>STELLUNGNAHME</strong><br />
der fünf Selbsthilfe- und Abstinenzverbände<br />
zum „Ambulanten Gruppenprogramm zum kontrollierten Trinken“ (AkT)<br />
(Entwickelt von Prof. Dr. Joachim Körkel, erprobt in der PSBB für Suchtkranke des Caritasverbandes Nürnberg)<br />
Das von Prof. Dr. Joachim Körkel (Nürnberg) entwickelte „Ambulante Gruppenprogramm<br />
zum kontrollierten Trinken“ (AkT) hat zum Ziel, Veränderungsprozesse bei Menschen, die ihren<br />
Alkoholkonsum als problematisch einschätzen, mit Methoden der Verhaltenstherapie zu<br />
bewirken und zu unterstützen. Es möchte konkrete Hilfen zur Reduzierung des Alkoholkonsums<br />
bieten.<br />
Das Gruppenangebot richtet sich an Personen, die an einem unschädlichen Alkoholkonsum<br />
interessiert sind, und es schließt daher insbesondere die Personengruppe<br />
ein, die riskanten oder bereits schädigenden Alkoholkonsum betreibt und vom bestehenden<br />
Hilfesystem bisher nur zu einem kleinen Teil erreicht wird. Zu diesem Personenkreis<br />
können auch Alkoholkranke gehören, die bisher ihre Krankheit noch nicht<br />
erkannt bzw. vor ihr noch nicht kapituliert haben.<br />
Das AkT resümiert: „Wenn Ihnen das Ziel der Abstinenz ... momentan unrealistisch hoch gesteckt<br />
oder aus einem anderen Grund nicht erwünscht erscheint, kann kontrolliertes Trinken<br />
die zweitbeste Alternative zu unkontrolliertem Zuviel-Trinken sein.“ (Ausführliche Informationen<br />
sind der Web-Site www.kontrolliertes-trinken.de zu entnehmen.)<br />
Das Abstinenzziel als „Ziel erster Wahl“ wird von Körkel (nach wie vor) für diejenigen Personen<br />
in Betracht gezogen,<br />
� die bereits abstinent leben,<br />
� die körperlich vorgeschädigt sind und bei denen sich der Gesundheitszustand durch weiteren<br />
Alkoholkonsum verschlimmern würde,<br />
� die bereits körperliche Entzugserscheinungen erlebt haben,<br />
� die eine Schwangerschaft planen oder schwanger sind,<br />
� bei denen es bereits zu unbedachten Handlungen unter Alkoholkonsum gekommen ist,<br />
� die Medikamente einnehmen, die nicht zusammen mit Alkohol genommen werden dürfen.<br />
Körkels „Ambulantes Gruppenprogramm zum kontrollierten Trinken“ möchte für Menschen<br />
mit riskantem Alkoholmissbrauch präventive Maßnahmen anbieten und ein Instrumentarium<br />
zur Selbsteinschätzung und „Diagnostik“ bieten. Es möchte weiterhin Hilfe anbieten, bevor<br />
Alkoholabhängigkeit entsteht. Schließlich beabsichtigt es, den Zugang zu therapeutischen<br />
Hilfen zu erleichtern, wenn jemand sich klar darüber wird, alkoholkrank zu sein.<br />
Kritische Bewertung:<br />
Die Vorsitzenden und Geschäftsführer der fünf in der Deutschen Hauptstelle gegen die<br />
Suchtgefahren (DHS) vertretenen Selbsthilfe- und Abstinenzverbände (d. s. Blaues Kreuz in<br />
Deutschland, Blaues Kreuz in der Evangelischen Kirche, Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe,<br />
Guttempler in Deutschland und Kreuzbund) kritisieren am vorgelegten „AkT“ die nicht<br />
klar genug definierte Zielgruppe des Programms, die sowohl Risikotrinker und Missbraucher<br />
wie auch zugleich Alkoholkranke umschreibt. Die Unschärfe dieser Zielgruppenbeschreibung<br />
kann fatale Folgen zeitigen, da sich für Alkoholkranke die (lebenslange und unbedingte)<br />
Abstinenzverpflichtung - wie von Körkel sogar selbst „in Betracht gezogen“ (s. o.) - per se<br />
aus der Alkoholkrankheit ableitet und ergibt. Im Gegenteil würde sich nach Überzeugung der<br />
unterzeichneten Verbände ein Angebot zum kontrollierten Trinken - wie jahrzehntelange Er-<br />
1
fahrungen dokumentieren - für Alkoholkranke rückfallgefährdend, krankheitsverlängernd und<br />
somit gesundheitsschädigend auf diese Zielgruppe auswirken.<br />
Desweiteren wird von den Verbänden der Sucht-Selbsthilfe in Zweifel gezogen, ob sich die<br />
primär angesprochene Gruppe der Risikotrinker und Missbraucher tatsächlich klar genug von<br />
der der Alkoholkranken abgrenzen lässt, da sich sehr häufig Risikotrinken bzw. missbräuchliches<br />
Konsumieren als Vorstufe einer manifesten Alkoholabhängigkeit darstellt.<br />
Das Postulat der Selbsthilfe- und Abstinenzverbände zur Notwendigkeit einer lebenslangen<br />
Abstinenzverpflichtung für alkoholkranke Menschen galt und gilt über alle Verbandsgrenzen<br />
hinweg. Z. T. über 100 Jahre lange Erfahrungen haben die Berechtigung, Gültigkeit und<br />
Richtigkeit dieses Postulats immer wieder neu untermauert. Die Selbsthilfe- und Abstinenzverbände<br />
sehen aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus die Abstinenz vom Alkohol als Idealziel<br />
und beste Lösung an. Gleichwohl sind sie für jede differenzierte fachliche und inhaltliche<br />
Diskussion offen, so lange sie sich an repräsentativen Ergebnissen und an klarer Problemdefinition<br />
orientiert. Die Verbände der Sucht-Selbsthilfe lehnen jede Form von<br />
Pauschalisierung in Bezug auf den Umgang mit „Kontrolliertem Trinken“ ab, so lange nicht<br />
darauf hingewiesen wird, dass kontrolliertes Trinken nur dann „funktionieren“ kann, wenn a)<br />
therapeutische Unterstützung gewährleistet ist, b) der jeweilige Abhängigkeitsgrad klar definiert<br />
ist, c) Zutrauen in die eigene Kontrollfähigkeit und Disziplinierung besteht und d) das<br />
unterstützende Umfeld mit einbezogen wird. Jede Unterschlagung eines dieser Faktoren<br />
führt in eine unfachliche Diskussion.<br />
Diese auf Erfahrungen gegründete und damit belegte Notwendigkeit einer lebenslangen Abstinenz<br />
für Alkoholkranke gilt es, dauerhaft und unmissverständlich zu vertreten und zu untermauern.<br />
Jeglicher Infragestellung einer solchen Notwendigkeit für alkoholkranke Menschen<br />
treten die Unterzeichner entschlossen und geschlossen entgegen. Alkoholkranken<br />
Menschen bleibt daher - trotz gegenteiliger Behauptungen mancher deutscher und europäischer<br />
Wissenschaftlicher - „keine andere Wahl“, als sich nach dem Eingeständnis, alkoholkrank<br />
zu sein, für die Abstinenz vom Suchtmittel zu entscheiden. Es wäre jedenfalls fahrlässig<br />
und gefährlich, wenn einem Alkoholkranken aufgrund des AkT suggeriert würde, (wieder)<br />
kontrolliert trinken zu können.<br />
Hamm, 26. Oktober 2000<br />
Heinz-Josef Janßen<br />
Bundesgeschäftsführer des Kreuzbund e. V.<br />
(im Auftrag der Selbsthilfe- und Abstinenzverbände)<br />
Kontaktanschrift:<br />
Kreuzbund e. V.<br />
Bundesgeschäftsstelle<br />
Münsterstraße 25<br />
59065 Hamm/Westf.<br />
Ruf: 02381/67272-0; Fax: 02381/67272-33;<br />
eMail: info@kreuzbund.de<br />
2