2. Themenblock STADT:KLIMA Impulsvortrag Michael Narodoslawsky – 28 Zusammenfassung Podiumsdiskussion: Heinrich Bruns, André Kuper, Cornelia Rösler – 32 STADT:MENSCH:HEIMAT // STADT:KLIMA 26/27
Impulsvortrag zum Thema Stadt:Klima Prof. Dr. Michael Narodoslawsky: Ein Weitwinkel-Blick Einleitung <strong>Die</strong> derzeitige Debatte über den Klimawandel und die Rolle, die <strong>Städte</strong> in diesem globalen Phänomen spielen, ist stark fokussiert. Einerseits wird die Debatte auf die Reduktion <strong>des</strong> Ausstoßes von klimarelevanten Gasen, allen voran von Kohlendioxid, zugespitzt. Andererseits werden die katastrophalen Einflüsse <strong>des</strong> Klimawandels, insbesondere Extremwetter-Situationen, in der Debatte angesprochen. Ich will hier bewusst nicht diese gängigen und weithin bekannten Positionen vortragen. Ich will Ihnen vielmehr den Blickwinkel öffnen, auf Aspekte hinweisen, die gerne übersehen werden im lauten Getöse der Klimadiskussion. Aspekte, von denen ich aber überzeugt bin, dass sie gerade für <strong>Städte</strong> von großer Bedeutung sind. Wenn man heute in den Medien Bilder von Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen, Hochwasser oder extremer Hitze und Kälte und ihren Auswirkungen auf <strong>Städte</strong> ins Wohnzimmer serviert bekommt, so stellt sich immer stärker die bange Frage: Ist denn das noch ›Wetter‹ oder ist das schon ›Klima‹? Der allgemeine wissenschaftliche Konsens ist ernüchternd: Klimawandel ist nicht mehr etwas theoretisch Mögliches, er ist bereits im Gange, und das mit mehr Dynamik, als noch vor wenigen Jahren erwartet. Der Klimawandel ist Realität Der Konsens geht aber noch weiter: Klimawandel ist offensichtlich ›systemisch‹, also einerseits durch viele Faktoren bestimmt und andererseits mit einer Bandbreite von Auswirkungen versehen. Unter den Faktoren, die den Klimawandel bestimmen, sind natürlich Treibhausgase, wobei das Kohlendioxid zwar sicher wichtig, aber nicht allein ausschlaggebend ist. Wasser spielt in der Klimagleichung eine weit höhere Bedeutung als alle ›trockenen‹ Klimagase zusammen. Schließlich spielen Gase wie Methan und Lach- gas, auch wenn sie vergleichsweise nur in Spuren in der Atmosphäre vorkommen, ebenfalls eine gewichtige Rolle. Mit dieser Erkenntnis ist aber nicht nur die Energieversorgung <strong>unserer</strong> Gesellschaft, mit ihrer starken fossilen Ausrichtung, klimarelevant. Auch die Landwirtschaft kommt damit in die Klimadebatte. Ein wesentlicher weiterer Faktor <strong>des</strong> Klimawandels ist aber auch die Bodennutzung. Das Zurückdrängen von Urwäldern, das Trockenlegen von Feuchtgebieten, die Ausweitung von (bewässerten) Agrarflächen und die Versiegelung der Böden durch Ausbreiten von Siedlungsräumen haben für sich Klimawirkung, verändern aber auch den Wasserkreislauf, verändern die Emission von Spurengasen und lösen zusätzlichen Energiebedarf in der Gesellschaft aus. Klimawandel ist daher nicht eine Folge der Fehlentwicklung eines bestimmten Sektors <strong>unserer</strong> Gesellschaft. Er ist die Folge der Art und Weise, wie der moderne Mensch lebt. Ein weiterer Konsenspunkt ist die Erkenntnis, dass der Klimawandel global ist. Das bedeutet aber auch, dass man sich nicht lokal vom Klimawandel freikaufen, quasi seine Klimasünden exportieren kann. Auch wenn wir hier alle mit Biotreibstoffen fahren, so werden wir doch mit den Klimafolgen eines ungezügelten Anbaus etwa von Ölpalmen und der dadurch bedingten Abholzung <strong>des</strong> Regenwal<strong>des</strong> in Indonesien konfrontiert. Unsere Sünden kommen wieder zu uns zurück! Schließlich besteht eindeutiger Konsens darüber, dass der Klimawandel zumin<strong>des</strong>t zu einem wesentlichen Anteil auf menschliche (Fehl-) Handlungen zurückgeht. Damit ist auch klar, dass der Mensch aufgerufen ist, sich nicht nur gegen die Folgen <strong>des</strong> Klimawandels zu schützen, sondern dass er auch verpflichtet und in der Lage dazu ist, die gesellschaftlichen und technischen Faktoren, die zum Klimawandel führen, zurückzufahren. <strong>Städte</strong> als Klima-Hotspots und Klimalösung Will man die Rolle von <strong>Städte</strong>n im Klimaspiel erkennen, so lohnt sich ein Blick aus dem Weltall. Satellitenaufnahmen machen deutlich, dass die Erderwärmung in den <strong>Städte</strong>n bereits Realität ist: <strong>Städte</strong> sind um vieles wärmer als ihr grünes Umland. <strong>Die</strong> Gründe dafür sind vielfältig, liegen aber alle in der Versiegelung <strong>des</strong> Bodens und er damit einher gehenden Störung natürlicher Kreisläufe, insbesondere <strong>des</strong> Wasserkreislaufes. <strong>Städte</strong> sind die Kochplatten <strong>unserer</strong> Gesellschaft, Wälder und Feuchtgebiete sind die Kühlrippen unseres Planeten. Dazu kommt, dass natürlich in <strong>Städte</strong>n besonders viele Treibhausgase emittiert werden. Darauf haben aber meine Vorredner schon eingehend hingewiesen. Aus dieser Erkenntnis kann man natürlich eine simplifizierende Lösung ableiten: Willst du das Klima heilen, musst du die <strong>Städte</strong> auflösen. So einfach ist es jedoch nicht. Tatsache ist, dass der Trend der Urbanisierung ständig stärker wird. Wir werden nicht nur mehr Menschen auf diesem Planeten, wir ziehen auch zunehmend in die Stadt. Bereits heute leben mehr Menschen in <strong>Städte</strong>n als auf dem Land, 2030 werden zwei von drei Menschen in der Stadt leben. <strong>Die</strong> Stadt ist der Lebensraum <strong>des</strong> modernen Menschen, dieser Trend ist nicht umkehrbar. Akzeptiert man, dass ein wesentlicher Anteil <strong>des</strong> Klimawandels Mensch gemacht ist, so muss man auch die zentrale Rolle von <strong>Städte</strong>n bei der Reduzierung jener Faktoren, die den Klimawandel auslösen, akzeptieren. Man kann nicht ein Mensch gemachtes Problem lösen wollen, ohne die zwei Drittel der Menschheit, die in <strong>Städte</strong>n leben, in diese Lösung einzubeziehen! Ein neuer Blickwinkel Ich könnte es mir an dieser Stelle einfach machen und Sie mit den üblichen Lösungsansätzen im Klimaschutz konfrontie- SIEDLUNG SCHÜNGELBERG+HALDE RUNGENBERG, GELSENKIRCHEN ren. Ich könnte Ihnen von den Vorteilen der Elektromobilität in <strong>Städte</strong>n erzählen, auf die positive Klimawirkung eines verstärkten ÖPNV-Angebotes hinweisen, Ihnen die Klimavorteile von mehr Radwegen und von Fußläufigkeit in <strong>Städte</strong>n darlegen, Ihnen gute Beispiele für die thermische und überhaupt energetische Sanierung von Gebäuden und Infrastruktur anbieten oder ein paar schöne Bilder von Solar-, Wind- oder Biomassekraftwerken zeigen. Aber all dies wissen Sie schon und ich bin überzeugt davon, dass das hier (anders als in meiner engeren Heimat Österreich) schon intensiv umgesetzt wird, die Ausführungen <strong>des</strong> Herrn Ministers haben mich darin noch weiter bestärkt. Ich will daher etwas ganz anderes mit Ihnen machen. Ich will Ihnen den Blick auf drei – oft übersehene – Aspekte <strong>des</strong> Klimaschutzes und der Rolle der <strong>Städte</strong> in diesen Bemühungen lenken: �� die Ressourcen der <strong>Städte</strong> �� den Zusammenhang zwischen Zeit und Klima und �� neue Funktionen, die auf <strong>Städte</strong> aus dem Titel <strong>des</strong> Klimaschutzes zukommen können, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Stadt und Umland. <strong>Die</strong> verborgenen Ressourcen Beginnen wir mit der Ressourcenlage. <strong>Städte</strong> haben weit mehr Ressourcen im Kampf gegen die Erderwärmung zur Verfügung, als gemeinhin angenommen wird. Üblicherweise werden <strong>Städte</strong> ja nur als Ressourcenverbraucher gesehen. Dem ist aber nicht so. Betrachtet man die ursprünglichste erneuerbare Energie, die Sonnenenergie. Selbst eine so dicht bevölkerte (und daher mit relativ wenig Fläche ausgestattete) Stadt wie Köln hat einen enormen Solarenergieüberschuss verglichen mit ihrem Verbrauch: <strong>Die</strong> Sonne strahlt etwa acht mal soviel STADT:MENSCH:HEIMAT // STADT:KLIMA 28/29