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TradiTion<br />
ZuVerlässigkeiT<br />
kompeTenZ<br />
125 Jahre<br />
H. <strong>Vogemann</strong>
Impressum<br />
Umschlagentwurf: Lohrengel Mediendesign<br />
© Firmengruppe H. <strong>Vogemann</strong>, 2011<br />
Verlagsort Hamburg<br />
Erschienen im Selbstverlag<br />
Gestaltung und Produktion: Lohrengel Mediendesign, Hamburg<br />
Litho: Lohrengel Mediendesign, Fire Dept. Hamburg<br />
Druck: Ourdas druckt, www.ourdas.de
Reinhard Barth, Friedemann Bedürftig<br />
125 Jahre<br />
h. <strong>Vogemann</strong><br />
TradiTion<br />
ZuVerlässigkeiT<br />
kompeTenZ
Ralf Nagel<br />
Zum geleit<br />
Ein Schifffahrtsunternehmen, das mit der Bark „Western Chief“ und zwei kleinen<br />
Frachtdampfern vor 125 Jahren seine Geschäfte aufnahm und heute zu einer international<br />
aufgestellten Unternehmensgruppe mit einer Flotte von zwei Mio. Tonnen<br />
Tragfähigkeit gewachsen ist, ist in vieler Hinsicht bemerkenswert.<br />
Bemerkenswert, weil sich die Familienunternehmer sehr früh mit den Großen der<br />
Branche anlegten und sich daran gewöhnten, im Wettbewerb um Größe, Schnelligkeit<br />
und Marktanteile mitzuhalten. In dem Jahr der Einweihung der Freiheitsstatue auf der<br />
anderen Seite des Atlantiks wurde die Reederei 1886 in Hamburg gegründet, noch ausschließlich<br />
auf den europäischen Handel ausgerichtet. Schnell aber richtete sich der<br />
Blick über den Ozean. Ebenso wie die Dame am Hafeneingang von New York seit 1886<br />
als Startsymbol von Millionen von Einwanderern in ein besseres Leben wahrgenommen<br />
wird, verkörpern die vielen und immer größeren seither in Dienst gestellten Schiffe der<br />
Reederei Ideenreichtum, Schaffenskraft und Beharrlichkeit bis zum heutigen Tage.<br />
Bemerkenswert ist dieses Unternehmen auch deshalb, weil es bis heute in privatem Ei-<br />
gentum ist. Erst vor zwei Jahren taufte die Ururenkelin des Firmengründers, Christiane<br />
von Saldern, in Japan die „Vogerunner“, das zweitgrößte Schiff der deutschen Flagge.<br />
In ihrer gewitzten und charmanten Taufrede hob die Patin die enge Verbindung der<br />
Gründerfamilie mit den heutigen Firmeninhabern hervor. Als Vertreter des Verbandes<br />
Deutscher Reeder erlebte dessen Justiziar Dr. Heitmann bei dieser Taufe die Loyalität,<br />
Treue und Freundschaft der heutigen Firmenlenker sowohl zu den Wurzeln des Unternehmens<br />
als auch zu allen Partnern. Eine derartige Mischung aus familiärer Herzlichkeit,<br />
hanseatischer Kaufmannschaft und innovativer Schaffenskraft ist es, die eine der<br />
großen Stärken des deutschen Schifffahrtsstandortes ausmacht. Die aktive Mitarbeit<br />
des Unternehmens im Reederverband freut uns gerade deshalb ganz besonders.<br />
Die Schifffahrt ist ein von wirtschaftlichen Zyklen abhängiges und von technischen<br />
Entwicklungen geprägtes Geschäftsfeld. Der Reederei <strong>Vogemann</strong> ist es gelungen, über<br />
eineinviertel Jahrhunderte diese Herausforderungen zu meistern. Sie kann stolz sein<br />
auf diese Tradition als Fundament ihrer Arbeit.<br />
Ralf Nagel, Senator a.D.<br />
Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied<br />
Verband Deutscher Reeder<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 5
6 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
kapitel 1<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 7<br />
Werdegang der Firma<br />
h.<strong>Vogemann</strong><br />
1886 – 1946
Bark<br />
„Western Chief“<br />
1886<br />
Entmündigung (wegen<br />
Geisteskrankheit) und<br />
Selbstmord König Ludwigs II.<br />
von Bayern.<br />
Gründung eines Vereins deutscher und<br />
ausländischer Seeleute in Hamburg,<br />
der sich die kostenlose Arbeitsvermitt-<br />
lung zum Ziel setzt.<br />
Einweihung der Freiheitsstatue<br />
in New York.<br />
Carl Benz erhält das<br />
Patent auf seinen<br />
dreirädrigen „Motorwagen<br />
mit Gasbetrieb durch Benzin“.<br />
Werdegang der Firma<br />
h.<strong>Vogemann</strong> 1886 – 1946<br />
Im Jahr 1946 hat Richard <strong>Vogemann</strong>, der Sohn des Gründers Johann<br />
Heinrich <strong>Vogemann</strong>, den Werdegang seiner Firma von der Gründung bis an<br />
die Schwelle der Nachkriegszeit in einem detaillierten, zum größten Teil aus<br />
eigenem Erleben geschöpften Bericht geschildert. Sein Text bildet in leicht<br />
überarbeiteter Form die Grundlage für den hier folgenden ersten Abschnitt<br />
der Firmengeschichte, die Jahre 1886–1946.<br />
B<br />
ereits mehrere Jahre bevor die Firma H. <strong>Vogemann</strong> am 22. April<br />
1886 im Handelsregister zu Hamburg von meinem Vater Johann<br />
Heinrich <strong>Vogemann</strong> (geb. 22. Juli 1849) eingetragen wurde, war<br />
er in Vegesack, in der Buchtstraße, als Korrespondentreeder tä-<br />
tig, und zwar für das von meinem Großvater, Kapitän Ferdinand Haesloop,<br />
geführte Segelschiff „Western Chief“. Dieses Schiff wurde zuerst gemeinsam<br />
mit dem in Vegesack wohnhaften Segelschiffs-Reeder Hinrich Kückens be-<br />
reedert und fuhr unter dessen Reedereiflagge, welche die Buchstaben H.K.<br />
zeigte. Nach kurzer Zeit wurden die Anteile des Herrn Kückens von meinem<br />
Vater übernommen, so dass alle Parten in seinem Besitze waren. Aus einer<br />
alten roten englischen Handelsflagge, auf welche nach Entfernung des Union<br />
Jack ein weißes „V“ aufgenäht wurde, ist dann die Reedereiflagge der Firma H.<br />
<strong>Vogemann</strong> entstanden.<br />
Ungefähr zu dieser Zeit muss es gewesen sein, als mein Vater<br />
bei seinem Schwager Carl Ulrichs, Mitinhaber der Vegesacker Werft H.C. Ul-<br />
richs (später ein Teil des Bremer Vulkan) den Dampfer „Walküre“ (etwa 750 t<br />
Tragfähigkeit) bauen ließ. Ursprünglich bestand, wie mir erzählt wurde, die<br />
Absicht, dem Schiff den Namen „Vesuv“ zu geben, weil ein mit „V“ beginnender<br />
Name zur Wahl stand. Man nahm aber davon Abstand, weil der Kapitän er-<br />
klärte, „auf einem feuerspeienden Berge wolle er nicht fahren“. So entschied<br />
man sich dann für den Namen „Walküre“ und wählte für das nächste Schiff,<br />
welches der Werft von H.C. Ulrichs in Auftrag gegeben wurde, den Namen<br />
„Rheingold“.<br />
8 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Der Gründer: Johann Heinrich <strong>Vogemann</strong>. Der Nachfolger: Richard <strong>Vogemann</strong>.<br />
Die „Western Chief“ muss hauptsächlich in großer Fahrt beschäftigt<br />
gewesen sein, denn mein Vater erzählte, dass er bei Abfahrt des<br />
Schiffes von Buenos Aires ein Telegramm erhielt, lautend: „Western Chief desemboca“,<br />
welches er nicht ohne weiteres verstand, bis er herausfand, dass<br />
die Meldung besagte, dass das Schiff im Begriffe war aus der Mündung des<br />
La Plata auszulaufen.<br />
Da die Arbeiten im Zusammenhang mit der Bereederung der<br />
Schiffe sich häuften, beschloss mein Vater im Jahre 1885 das von meinem<br />
Großvater übernommene, sehr einträgliche Manufakturwarengeschäft zu<br />
verkaufen und nach Hamburg, dem Zentrum des deutschen Reedereiwesens,<br />
überzusiedeln. Anfangs befanden sich unsere Wohnung und das Kontor am<br />
Steindamm 63. Bald darauf wurde die Privatwohnung nach der Uhlandstraße<br />
und das Kontor nach der Admiralitätsstraße 8 (Ecke Heiligengeistbrücke) ver-<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 9<br />
Erstmals wird eine deutsche Werft, die<br />
Vulkan in Stettin, mit dem Bau großer<br />
Passagierdampfer betraut.<br />
1887<br />
Grundsteinlegung zum<br />
Kaiser-Wilhelm-Kanal zwischen<br />
Nord- und Ostsee<br />
.<br />
Heinrich Hertz weist<br />
elektromagnetische Wellen nach.<br />
Julius Maggi beginnt mit der<br />
Produktion von Suppenwürze.<br />
Gründung des HSV-Vorläufer-Vereins<br />
SC Germania.<br />
1888<br />
Dreikaiserjahr:<br />
Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I.<br />
besteigt sein Sohn Friedrich III.<br />
schwerkrank den Thron und stirbt<br />
noch im selben Jahr. Nachfolger wird<br />
der Enkel Wilhelm II.<br />
Zollanschluss von Hamburg und<br />
Bremen an das Deutsche Reich.
Teile des Hamburger Hafens wer-<br />
den als Freihafen eingerichtet.<br />
Durch ein neues Abkommen mit<br />
dem Sultan von Sansibar wird<br />
der deutschen Kolonie Ostafrika<br />
der Zugang zur See gesichert.<br />
Suezkanal-Konvention erklärt<br />
den 1869 eröffneten Suezkanal<br />
zum internationalen Gewässer.<br />
1889<br />
Der Reichstag nimmt das<br />
Invaliditäts- und Altersversiche-<br />
rungsgesetz an.<br />
Im Hamburger Stadtteil<br />
Eppendorf wird das Allgemeine<br />
Krankenhaus (seit 1934 Univer-<br />
sitätskrankenhaus), mit 1300<br />
Betten das größte Krankenhaus<br />
Deutschlands, eröffnet.<br />
Mit der Indienststellung<br />
des Schnelldampfers<br />
„Hohenzollern“ greift der<br />
Norddeutsche Lloyd Bremen<br />
in das Transatlantik-<br />
Geschäft ein.<br />
legt, wo es bis zum Jahre 1911 verblieb, als wir neue, modernere Büroräume<br />
im Hause Mönckebergstraße 22 bezogen.<br />
Aufnahme neuer Teilhaber. Ende der 1880er Jahre war eine<br />
schwere Krise in der Schifffahrt, und es wurde viel Geld verloren. Die Dampfer<br />
„Walküre“ und „Rheingold“, welche zu jener Zeit schon ansehnliche Fracht-<br />
dampfer gewesen sein müssen (denn sie waren die größten Schiffe, welche<br />
damals bis Bremen-Stadt die Weser hinauffahren konnten), wurden meines<br />
Wissens hauptsächlich in der Fahrt nach St. Petersburg beschäftigt. Dieser<br />
Dienst wurde zusammen mit der Firma Gerhard & Hey betrieben, welche die<br />
Dampfer „Johanna Oelssner“ und „Wilhelm Oelssner“ eingestellt hatten.<br />
An Kontorpersonal wurden von der Firma Edward Carr die Herren<br />
Johannes Gans und Carl Wohlenberg übernommen, ersterer als Prokurist,<br />
letzterer als Buchhalter. Da mein Vater der Ansicht war, dass er zur Fortführung<br />
der Firma mehr Kapital benötige, nahm er zu dieser Zeit Herrn Henry<br />
Wehner als Teilhaber auf. Dieser war in London geboren, wo sein Vater hannoverscher<br />
Generalkonsul gewesen war und fühlte sich daher als Engländer,<br />
obgleich er rein deutscher Abkunft und mit einer Deutschen, Tochter des<br />
Inhabers der Firma Uhlmann & Co., verheiratet war. Während der Prokurist,<br />
Herr Gans, welcher sich infolge seiner Tätigkeit bei der Firma Edward Carr<br />
gute Kenntnisse im Schiffsmaklergeschäft angeeignet hatte, sehr tätig und<br />
spekulativ veranlagt war, kümmerte sich Herr Wehner wenig um das Geschäft<br />
Blick auf Manhattan und den Hafen von New York. Holzstich von 1893.<br />
10 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
und reiste viel zum Vergnügen, so dass man häufig nicht wusste, wo er sich<br />
aufhielt. Andererseits hielt er mit seiner Kritik nicht zurück, wenn nicht genügend<br />
verdient oder mit Verlust gearbeitet wurde.<br />
Als die Lage in der Schifffahrt sich zusehends verschlechterte,<br />
wurden Anfang der 1890er Jahre die Dampfer „Walküre“ und ‚Rheingold“ verkauft.<br />
In Konkurrenz mit der Hapag. Vermutlich auf Veranlassung<br />
von Herrn Gans, welcher dieses Geschäft infolge seiner Tätigkeit bei der Firma<br />
Edward Carr gut kannte, wurde dann ein regelmäßiger Dienst von Hamburg<br />
nach New York, zuerst als Agent für die Knott‘s Prince Line, später mit<br />
gecharterten, meist englischen Schiffen, eingerichtet. Ein Bild des Herrn<br />
James Knott in der Tracht eines englischen Barristers hing noch lange in unserem<br />
Büro.<br />
Das Risiko dieses Dienstes in Konkurrenz mit der Hamburg-<br />
Amerika Linie war recht groß, denn es wurden Frachtkontrakte für monatliche<br />
Abfahrten abgeschlossen, während die Schiffe zum Teil erst später im Laufe<br />
des Jahres, meist auf Zeitcharter aufgenommen wurden. Die Basis der Ladung<br />
nach New York war damals Rohzucker, später auch Kalisalz. Diese Ladungen<br />
wurden sehr billig übernommen; der Verdienst lag in den höheren Raten,<br />
welche für die aus Stückgütern bestehende Beiladung erhältlich waren. Diese<br />
wurden häufig persönlich von meinem Vater abgeschlossen, indem er die<br />
Hamburger Fischmarkt.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 11<br />
1890<br />
Entlassung des Reichskanzlers<br />
Bismarck.<br />
Das Deutsche Reich gibt Sansibar<br />
an England und erhält dafür<br />
die Insel Helgoland.<br />
Nach Erlöschen des Sozialistengesetzes<br />
verzeichnet die Sozialdemokratie<br />
Erfolge bei den Reichstagswahlen.<br />
Otto Lilienthal unternimmt die<br />
ersten Flugversuche mit einem vogelähnlichen<br />
Gleitflugzeug.<br />
1891<br />
Inkrafttreten einer neuen Gewerbeordnung.<br />
Sie verbietet die Sonntagsarbeit<br />
sowie die Fabrikarbeit von<br />
Kindern unter 13 Jahren; die tägliche<br />
Arbeitszeit von Jugendlichen unter 16<br />
Jahren wird auf 10, die von Frauen auf<br />
11 Stunden begrenzt.<br />
Abbildung nächste Seite:<br />
Der Hamburger Hafen.<br />
Gemälde von Hans Bohrdt,<br />
1900.
12 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 13
Als erstes deutsches Schiff<br />
gewinnt der Hapag-Schnell-<br />
dampfer „Fürst Bismarck“ das<br />
Blaue Band auf der Strecke<br />
England-Amerika.<br />
Der Bielefelder Apotheker<br />
August Oetker legt mit der<br />
Einführung des Backpulvers<br />
„Backin“ den Grund für<br />
den Lebensmittelkonzern<br />
„Dr. Oetker“.<br />
Max Liebermann: „Bürgermeister<br />
Petersen“ (Gemälde).<br />
1892<br />
Der Reichstag nimmt das Gesetz<br />
über die „Gesellschaften mit be-<br />
schränkter Haftung“ (GmbH) an.<br />
In Hamburg wird der<br />
erste Fall von asiatischer Cholera<br />
festgestellt. An der Seuche<br />
sterben bis Mitte Oktober<br />
8500 Menschen.<br />
Emil von Behring entdeckt das<br />
Diphterieserum.<br />
Rudolf Diesel meldet das Patent<br />
auf einen Verbrennungsmotor<br />
ohne Zündkerzen an.<br />
Industriegegenden, insbesondere Thüringen, Sachsen und Böhmen bereiste<br />
und Frachtabschlüsse für Spielwaren, Steingut, Glaswaren und dergleichen<br />
für Woolworth, New York, Marshall, Field & Co., Chicago, usw. tätigte. Seine<br />
Reisen führten ihn sogar nach St. Petersburg, Moskau, Warschau, Budapest<br />
usw. Welche Ladungsmengen erforderlich waren, geht daraus hervor, dass es<br />
sich bei den gecharterten Dampfern um solche von 10–12.000 t Tragfähigkeit<br />
handelte, wie z.B. D. „Westmeath“ und D. „Knight Errant“, welche verschiedene<br />
Reisen unter unserer Zeitcharter ausführten. In New York wurde zu dieser Zeit<br />
ein ausschließlich für die <strong>Vogemann</strong> Linie verfügbarer Kaischuppen in Brook-<br />
lyn gemietet, dessen Abbildung, mit D. „Knight Errant“ längsseits liegend, bis<br />
zu den Tagen der Hamburger Katastrophe (1943) im Börsenkontor hing.<br />
Zusammenarbeit mit Grünhut. In diese Geschäftsperiode fällt<br />
auch die Gründung der Firma Max Grünhut. Sie wurde Mitte der 1890er Jahre<br />
von meinem Vater und Herrn Wehner als Speditionsgeschäft gegründet, um<br />
für die New Yorker Linie Güter heranzuschaffen. Herr Grünhut stammte aus<br />
der Firma des Schwiegervaters des Herrn Wehner, der Speditionsfirma Uhl-<br />
mann & Co. Er war fleißig und tüchtig, dabei vorsichtig und durchaus nicht<br />
spekulativ veranlagt. Während wir in Konkurrenz gegen die Hapag nach New<br />
York fuhren und die Firma Max Grünhut über die <strong>Vogemann</strong> Linie billiger als<br />
Hamburger Hafen. Vorsetzen, um 1890.<br />
14 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
andere Spediteure verladen konnte, kam Grünhut sehr schnell ins Geschäft,<br />
hauptsächlich für Güter nach Nordamerika. Sehr peinlich war es natürlich<br />
für ihn, als die <strong>Vogemann</strong> Linie, nach Abschluss des Übereinkommens mit der<br />
Hamburg-Amerika Linie (worauf ich noch später zu sprechen komme), den<br />
Dienst nach New York einstellte, und er für alle Verladungen auf die Hapag<br />
angewiesen war. Er vermochte aber sehr geschickt sich auf die neuen Verhältnisse<br />
umzustellen und war später einer der größten Kunden der Hapag für<br />
Ladungen nach Nordamerika.<br />
An der Firma Max Grünhut waren wir noch bis zum Tode des<br />
Herrn Grünhut im Jahre 1924 beteiligt und zwar mit etwa 40 % des Gewinnes,<br />
nachdem Herr Wehner sowohl aus der Firma H. <strong>Vogemann</strong> als auch aus der<br />
Firma Max Grünhut ausgeschieden war. Herr Grünhut hatte seine Anteile an<br />
die beiden Söhne seiner Wirtin, Berthold und Erich Schröder, vererbt. Mit der<br />
Familie Schröder, welche ihn „Onkel Max“ nannte, war er seit seiner Übersiedlung<br />
aus Bremen nach Hamburg sehr befreundet, besonders durch den<br />
Umstand, dass ein Los, welches er Frau Schröder zu Weihnachten schenkte,<br />
mit dem großen Gewinn von M 60.000,– herauskam. Frau Schröder verkaufte<br />
daraufhin den von ihr geleiteten Mittagstisch am Alten Wall für M 10.000,–.<br />
Dieses Geld wurde für den Ankauf eines Hauses in der Maria-Louisen-Straße<br />
verwandt, wohin die Familie Schröder mit „Onkel Max“ übersiedelte. Die beiden<br />
Söhne wurden in der Firma angestellt.<br />
Die Aufrechterhaltung des Dienstes nach New York sowie das<br />
damit verbundene Chartergeschäft, welches ein großes Risiko involvierte, war<br />
sehr aufreibend für meinen Vater und hat ihm häufig, besonders wenn Streiks<br />
und dergleichen die normale Abwicklung behinderten, große Sorgen bereitet.<br />
Ich weiß mich noch zu entsinnen, dass im Jahre 1900, während eines lang<br />
anhaltenden Streiks in Hamburg, mehrere Zeitcharter-Dampfer mit einer<br />
täglichen Miete von M 1.000,– und mehr im Hafen lagen und große Verluste<br />
verursachten.<br />
Die Vertretung in New York hatte anfangs die Firma Simpson,<br />
Spence & Young, New York, wurde aber später an Barber & Co. übertragen,<br />
bis im Jahre 1900 ein eigenes Büro in New York, 21/24 State Street, eröffnet<br />
wurde. Herr Gans, damals als Teilhaber aufgenommen, siedelte nach New<br />
York über, wo er sich bald John H. Gans nannte. Da er, wie schon gesagt, sehr<br />
spekulativ veranlagt war, genügte ihm die Abfertigung der Hamburger Dampfer<br />
nicht, und seine Transaktionen wurden immer wilder. 1901 wurde ein Büro<br />
in New Orleans, unter Leitung des von Hamburg nach New York gesandten<br />
Herrn Richard Meyer, eröffnet, ein Jahr später eine Niederlassung in Norfolk,<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 15<br />
1893<br />
In Berlin wird der „Centralverein<br />
deutscher Staatsbürger jüdischen<br />
Glaubens“ gegründet, der sich für<br />
die gesellschaftliche Gleichbehandlung<br />
der Juden in Deutschland<br />
einsetzt.<br />
Einführung der Mitteleuropäischen<br />
Zeit (MEZ) als Einheitsszeit für das<br />
gesamte Reichsgebiet.<br />
Karl May veröffentlicht den letzten<br />
seiner Winnetou-Romane.<br />
Gründung des Deutschnationalen<br />
Handlungsgehilfenverbandes<br />
(DHV) in Hamburg, der sich als<br />
Gegengewicht gegen die sozialdemokratische<br />
Agitation unter den<br />
Handlungsgehilfen (= Angestellten)<br />
versteht.<br />
1894<br />
Das nordöstliche Neuguinea<br />
wird unter deutschen Schutz<br />
gestellt.
Erste Sitzung des Reichstags im neuen<br />
von Paul Wallot errichteten Gebäude.<br />
In Paris wird der jüdische Offizier<br />
Alfred Dreyfus wegen angeblicher<br />
Spionage zu Verbannung verurteilt.<br />
Friedrich Engels gibt den dritten Band<br />
von Karl Marx‘ „Kapital“ heraus.<br />
1895<br />
In der Industrie wird die gesetzliche<br />
Sonntagsruhe für verbindlich erklärt.<br />
Einweihung des Kaiser-Wilhelm-<br />
Kanals (heute Nord-Ostsee-Kanal)<br />
nach achtjähriger Bauzeit.<br />
Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt die<br />
„X-Strahlen“ (später nach ihm<br />
Röntgenstrahlen benannt).<br />
Theodor Fontane: „Effi Briest“ (Roman).<br />
1896<br />
In Hamburg wird die erste Anlage<br />
zur Müllverbrennung in Betrieb<br />
genommen.<br />
Kaiser Wilhelm II. beglückwünscht in<br />
einem Telegramm („Krüger-Depesche“)<br />
den Präsidenten der Burenrepublik<br />
Südafrika zur erfolgreichen Abwehr<br />
eines britischen Einfalls nach Transvaal<br />
(„Jameson-Raid“).<br />
Va. unter der Leitung des Herrn Eduard Nanninga, welcher zusammen mit<br />
Herrn Gans nach New York übergesiedelt war. In diese Zeit fiel auch die Er-<br />
richtung der Filiale in Savannah, Ga. unter Leitung des Herrn Henry Nannin-<br />
ga, während später, im Jahre 1905, noch ein Büro in Texas City, unter Leitung<br />
von Herrn Lafonta, hinzukam.<br />
Ballins Angebot. Etwa im Jahre 1902 oder 1903 muss es ge-<br />
wesen sein, als die Hamburg-Amerika Linie (Herr Ballin) an meinen Vater<br />
herantrat mit dem Vorschlag, sich über die Hamburg–New York-Fahrt zu<br />
verständigen. Da es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden war,<br />
gegen die Hamburg-Amerika Linie mit ihren schnelleren Dampfern und häu-<br />
figeren Abfahrten zu konkurrieren, wurden die Verhandlungen alsbald aufge-<br />
nommen. Der Hapag, welche sich inzwischen auf ihren anderen Hauptlinien<br />
mit ihren Konkurrenten verständigt hatte, lag viel daran, einen ihrer lästigsten<br />
Konkurrenten loszuwerden, um ihre Raten nach New York erheblich heraufsetzen<br />
zu können. Es kam dann zu dem für uns sehr günstigen Abschluss,<br />
laut welchem die Hapag sich bereit erklärte, für unseren Verzicht auf die<br />
Albert Ballin, Chef der<br />
Hamburg-Amerika-Linie.<br />
Werbeplakat der<br />
Hamburg-Amerika-Linie.<br />
16 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Konkurrenz nach und von den von ihr bedienten Häfen im Nordatlantik und<br />
Golf eine monatliche Entschädigung an die Firma von M 12.000,– (wenn ich<br />
mich des Betrages recht entsinne) zu bezahlen, und zwar wurde der Vertrag<br />
für mehrere Jahre abgeschlossen, denn er war bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />
1914 noch in Kraft. Außer den erwähnten Beträgen erhielt die Firma<br />
H. <strong>Vogemann</strong> noch das Recht der Beteiligung an den Verladungen des Kalisyndikates<br />
nach den südatlantischen und Golfhäfen der Vereinigten Staaten.<br />
Die Ladungen des Kalisyndikates nach diesen Häfen wurden von der Hapag<br />
übernommen und Dampfer im freien Markt dafür gechartert. Der Erlös ging<br />
zu 35 % für H. <strong>Vogemann</strong>, zu 25 % für die Hapag und zu je 20 % für Rob. M.<br />
Sloman jr. und D. Fuhrmann, Nissle & Günther Nflg. Die Charterung, Abfertigung<br />
und Beladung dieser Schiffe erfolgte zu 35 % durch H. <strong>Vogemann</strong>, die<br />
übrigen Dampfer wurden für die Hapag von Sloman und Fuhrmann abgefertigt.<br />
Dieses Geschäft war sehr einträglich für uns, denn es ergab sich bei den<br />
Charterungen nicht nur fast immer eine Frachtdifferenz zu unseren Gunsten,<br />
sondern die Beladung von 35 % der Schiffe durch unsere Stauereiabteilung,<br />
welche etwa um 1900 eingerichtet war, machte sich gut bezahlt.<br />
Der Vertrag mit der Hapag war auch insofern besonders günstig,<br />
als er uns nur Beschränkungen auf den regelmäßigen Routen der Hapag<br />
auferlegte, während wir von und nach den übrigen Atlantik- und Golfhäfen,<br />
wohin die Hapag keinen regelmäßigen Dienst unterhielt, expedieren konnten.<br />
100 Schiffe auf der Dampferliste. Nachdem der regelmäßige<br />
Dienst zwischen Hamburg und New York auf Grund des Vertrages mit der<br />
Hamburg-Amerika Linie eingestellt war, fühlte sich Herr Gans in New York<br />
veranlasst, weit größere Geschäfte von anderen Häfen nach allen Häfen Europas,<br />
z.B. nach Dänemark, Frankreich, dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer<br />
usw. zu machen, und zwar in solchem Umfange, dass im Jahre 1906 fast 100<br />
Schiffe auf unserer Dampferliste standen. Die zur Finanzierung benötigten<br />
Gelder beschaffte er sich durch Wechsel, welche gegen die Frachten auf die<br />
Hamburger Firma gezogen wurden. Diese Geschäfte waren im Ganzen gesehen<br />
nicht gewinnbringend und zehrten einen Teil der Entschädigung, welche die<br />
Hapag zahlte, wieder auf. In New York brachten die großen Geschäfte Herrn<br />
Gans in den Ruf eines sehr smarten Charterers, denn er machte Frachtgeschäfte,<br />
welche andere Befrachter in New York sich nicht als gewinnbringend<br />
ausrechnen konnten. Sie wussten natürlich nicht, dass er diese Geschäfte nur<br />
machen konnte, weil er im Stande war, seine Verluste durch die Zahlungen<br />
der Hapag auszugleichen.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 17<br />
Beginn des großen Hafenarbeiterstreiks<br />
in Hamburg, der sich gegen<br />
die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen<br />
im Hafen richtet.<br />
Die ersten Olympischen Spiele der<br />
Neuzeit, zurückgehend auf eine Idee<br />
des Barons Pierre de Coubertin,<br />
finden in Athen statt.<br />
1897<br />
Der Streik der Hamburger<br />
Hafenarbeiter bricht nach<br />
11 Wochen Dauer zusammen,<br />
ohne dass die Forderungen nach<br />
Lohnerhöhungen und Verbesserung<br />
der Arbeitsbedingungen erfüllt<br />
worden sind.<br />
Karl Ferdinand Braun entwickelt die<br />
„Braunsche Röhre“ (Kathodenstrahl-<br />
Leuchtschirm-Röhre).<br />
In Zusammenarbeit mit dem Erfinder<br />
Rudolf Diesel produzieren die<br />
Krupp-Werke und die Augsburger<br />
Maschinenfabrik die ersten Dieselmotoren.
Fertigstellung des Hamburger<br />
Rathauses. Wegen des sumpfigen<br />
Bodens ist der Bau auf 4000 Eichen-<br />
pfählen errichtet worden.<br />
1898<br />
Das Deutsche Reich pachtet die<br />
Halbinsel Kiautschou auf 99 Jahre<br />
vom Kaiserreich China.<br />
Die österreichische Kaiserin<br />
Elisabeth („Sissi“), eine geborene<br />
bayerische Prinzessin, wird von<br />
einem Anarchisten in Genf erstochen.<br />
1899<br />
Auf der Ersten Haager Friedenskon-<br />
ferenz, an der 26 Staaten teilneh-<br />
men, ist auch das Deutsche Reich<br />
vertreten. Die Konferenz trifft Ab-<br />
kommen zur friedlichen Erledigung<br />
internationaler Streitfälle sowie zur<br />
Einhaltung bestimmter Regeln im<br />
Land- und Seekrieg.<br />
Die Firma Friedrich Bayer & Co. in<br />
Leverkusen bringt das Schmerzmit-<br />
tel Aspirin auf den Markt.<br />
Arbeiter im Hamburger Hafen. Foto von 1899.<br />
Da sowohl mein Vater wie auch Herr Wehner diese Art der Ge-<br />
schäftsführung, welche sie noch dazu finanziell in die größte Gefahr brachte,<br />
nicht billigen konnten – sie hielten es für sinnlos, die von der Hapag erzielten<br />
Einnahmen für diese Spekulationen herzugeben –, kam es zu erheblichen<br />
Differenzen, welche schließlich dadurch beigelegt wurden, dass Herr Gans<br />
aus der Firma ausschied. Sein Austritt konnte allerdings nur erreicht werden,<br />
indem vereinbart wurde, dass die Firma aufgelöst würde, die verbleibenden<br />
Inhaber aber berechtigt waren, das Geschäft unter unveränderter Firma fortzusetzen.<br />
Wegen der durch die Charterungen des New Yorker Büros erlittenen<br />
Verluste kam man dahin überein, dass diese für alleinige Rechnung des<br />
Herrn Gans abgewickelt werden sollten. Gleichzeitig wurde bestimmt, dass<br />
Herr Gans, welcher inzwischen einen Anteil an der Firma Max Grünhut erworben<br />
hatte, aus dieser austrat.<br />
Filiale in Rotterdam. Zu den Filialengründungen, welche um<br />
die Jahrhundertwende erfolgten, ist noch die Errichtung der Rotterdamer<br />
Agentur, der <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co. zu erwähnen. Die Leitung der dortigen<br />
Firma wurde Herrn Oliemüller übertragen, welcher wohl geschäftstüchtig,<br />
18 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
aber nicht zuverlässig war. Nachdem sich die Ladungsempfänger verschiedentlich<br />
über Herrn Oliemüller beschwert hatten und wir u.a. eine anonyme<br />
Postkarte erhielten mit dem Text: „Der Olie ist ein Dieb“, wurde festgestellt,<br />
dass kleinere Partien Holz von ihm verschoben waren. Er wurde daraufhin<br />
entlassen und die Leitung Herrn van Slooten, welcher bei der Firma Wm. H.<br />
Müller & Co. tätig gewesen war, übertragen. Er leitete die Rotterdamer Filiale<br />
bis etwa 1917, als infolge des Krieges das Geschäft auf ein Minimum absank.<br />
Die <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co. hat in den Jahren ihres Bestehens, ausgenommen<br />
während des Zweiten Weltkrieges, kaum größere Gewinne erzielt, hat<br />
sich aber insofern indirekt gut bezahlt gemacht, als sie mit dazu beitrug, dass<br />
wir einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg einen sehr günstigen Vertrag mit<br />
der Holland-Amerika Linie abschließen konnten, und später, im Jahre 1935<br />
von Thomsen‘s Havenbedrijf zum Ankauf von Schiffen Anleihen erhielten.<br />
Als wir uns im Jahre 1906 von Herrn Gans trennten, wäre es<br />
naheliegend gewesen, dass mein Bruder Heinrich die Leitung der New Yorker<br />
Firma übernommen hätte, denn er war damals 26 Jahre alt und schon zwei<br />
Jahre in New York gewesen. Da er sich aber während dieser Zeit mit Herrn<br />
Gans nicht vertragen hatte und bis zur Abwicklung im Oktober des Jahres<br />
1906 die Auseinandersetzung fürchtete, während mein Vater derselben auch<br />
aus dem Wege zu gehen versuchte, wurde beschlossen, dass ich, damals 21<br />
Jahre alt, die Leitung der New Yorker Firma mit Filiale in New Orleans übernehmen<br />
sollte.<br />
Ich schiffte mich Anfang April 1906 auf dem Lloyddampfer „Kaiser<br />
Wilhelm der Große“ nach New York ein. Mein Vater wollte einige Wochen<br />
später nachkommen, zögerte aber seine Reise bis Mitte August hin, da er<br />
wegen der bestehenden Differenzen mit Herrn Gans eine gleichzeitige Anwesenheit<br />
im selben Büro möglichst vermeiden wollte. Wegen der von Gans<br />
verursachten Verluste war, wie schon erwähnt, vereinbart worden, dass alle<br />
in Amerika getätigten Geschäfte bis zum 1. Oktober 1906 für Gans‘ Rechnung<br />
gehen sollten. Infolgedessen gehörte ihm das im Büro befindliche Inventar,<br />
während der Büroraum laut Abkommen der Firma verblieb. Um uns möglichst<br />
viele Schwierigkeiten zu bereiten, nahm er, anstatt sich eine Abfindung zahlen<br />
zu lassen, alle Büromöbel mit und wollte sogar die elektrischen Lampen<br />
abmontieren lassen, was ihm aber von der Hausverwaltung verwehrt wurde,<br />
da Beleuchtungskörper in Amerika zum Haus und nicht den Mietern gehören.<br />
Durch seine bereits fünf Jahre währende Tätigkeit in New York<br />
wie auch durch die großen Geschäfte, welche er für die Firma, wenn auch<br />
mit Verlust, getätigt hatte, hatte Gans natürlich zu allen Maklern die besten<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 19<br />
Albert Ballin übernimmt die<br />
Leitung der „Hamburg-AmerikanischenPacketfahrt-Actien-Gesellschaft“<br />
(Hapag) und baut die 1856<br />
gegründete Reederei bis 1914 zur<br />
größten der Welt aus.<br />
1900<br />
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und<br />
Handelsgesetzbuch (HGB) treten<br />
in Kraft.<br />
Beim Aufstand der Boxer, einem<br />
fremdenfeindlichen Geheimbund in<br />
China, wird der deutsche Gesandte<br />
in Peking, Klemens Freiherr von<br />
Ketteler, ermordet. Das Deutsche<br />
Reich beteiligt sich daraufhin<br />
an einer internationalen<br />
Militäraktion zur Niederschlagung<br />
des Aufstandes.<br />
Graf Ferdinand von Zeppelin<br />
unternimmt die erste Fahrt mit<br />
einem 128 m langen Starrluftschiff.<br />
Ein Streik der Hamburger<br />
Hafenarbeiter wird ohne Ergebnis<br />
abgebrochen.
1901<br />
Die „Berliner Orthographische<br />
Konferenz“, einberufen von<br />
Deutschland, Österreich und<br />
der Schweiz, bringt die Ver-<br />
einheitlichung der deutschen<br />
Rechtschreibung.<br />
Tod der britischen<br />
Königin Victoria.<br />
In Stockholm werden<br />
erstmals Nobelpreise<br />
verliehen.<br />
Der Passagierdampfer<br />
„Deutschland“ empfängt<br />
Telegramme aus 150 km<br />
Entfernung.<br />
Thomas Mann:<br />
„Buddenbrooks“ (Roman).<br />
1902<br />
Mehr als 30 Jahre nach<br />
dem Ende des deutsch-<br />
französischen Krieges wird der<br />
Ausnahmezustand in Elsass-<br />
Lothringen aufgehoben.<br />
Der Reichstag verabschiedet<br />
ein neues Zollgesetz, das<br />
Schutzzölle für die Landwirt-<br />
schaft verankert.<br />
Ende des Burenkrieges in<br />
Südafrika.<br />
Schiffsverkehr im Hafen von New York, 1905.<br />
Beziehungen. Er versuchte nun diese auszunutzen und mir, wo er nur konnte,<br />
das Leben schwer zu machen. So passierte es einmal, dass ich Herrn Zimmer,<br />
welcher damals bei der im gleichen Kontorhaus ansässigen Firma Howard,<br />
Houlder & Co. angestellt war, ein festes Gebot für einen Dampfer machte,<br />
welches Herr Zimmer am nächsten Tage akzeptierte. Einige Stunden später<br />
kam er aufgeregt in mein Büro und teilte mir mit, dass Herr Gans, welcher<br />
in Erfahrung gebracht hatte, dass ich auf den Dampfer geboten hatte, eine<br />
etwas höhere Offerte nach London gekabelt hatte, um zu verhindern, dass<br />
ich den Dampfer befrachtete. Das Akzept, welches die Firma Howard, Houl-<br />
der & Co. von London erhalten hatte, war die Annahme des von Gans direkt<br />
gekabelten Angebots. Um Herrn Zimmer und die Firma Howard, Houlder &<br />
Co. nicht in Ungelegenheiten zu bringen, verzichtete ich auf das Schiff und<br />
ließ Herrn Gans damit glücklich werden. Es gelang mir auch bald darauf, ein<br />
passendes Ersatzschiff zu bekommen.<br />
Geschäfte in New York und in New Orleans. In meinem New<br />
Yorker Büro hatte ich, da es nur ein Charter-Büro für unseren Dienst vom Golf<br />
war, nur einen Angestellten namens Sagell, welcher eine Zeitlang vorher im<br />
20 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Charterbrief der Reederei <strong>Vogemann</strong> von 1903.<br />
Hamburger Büro beschäftigt gewesen war. In New Orleans engagierte ich den<br />
früheren Assistenten des Herrn Meyer, Herrn George Plant, damals etwa 27<br />
Jahre alt, welcher sich als sehr tüchtig, später aber als etwas zu spekulativ<br />
erwies.<br />
Mein Vater traf dann schließlich im August 1906 in New York<br />
ein und blieb bis Ende November. Die Auseinandersetzungen mit Herrn Gans<br />
waren unerfreulichster Art. Er machte uns Schwierigkeiten, wo er nur konnte;<br />
fast das gesamte Personal, welches wir nach und nach von Hamburg nach<br />
Amerika geschickt hatten, ging zu Gans über, da es ihn für die Seele des<br />
Geschäftes hielt und gleichzeitig die Möglichkeit sah, sich selbständig zu machen.<br />
So errichtete Herr Nanninga sein eigenes Büro in Savannah, Richard<br />
Meyer die Richard Meyer-Co. in New Orleans usw. Es wurde uns damals klar,<br />
dass es ein großer Fehler gewesen war, junge Leute, welche sich untereinander<br />
kannten und private Geschäftskorrespondenz miteinander unterhielten,<br />
von Hamburg nach Amerika zu schicken.<br />
Da mein Vater, mein Bruder und ich uns darin einig waren, das<br />
Geschäft in Amerika in sehr viel kleinerem Umfange fortzusetzen, und da wir<br />
keine Absicht hatten, Charterungen von der Südatlantikküste auszuführen,<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 21<br />
In den Haushalten kommen<br />
vermehrt Elektrogeräte wie<br />
Staubsauger, Bügeleisen, Bratund<br />
Backöfen zum Einsatz.<br />
Max Liebermann: „Terrasse im<br />
Restaurant Jacob in Nienstedten<br />
an der Elbe“ (Gemälde).<br />
1903<br />
In Konstantinopel werden die<br />
letzten Verträge zum Bau der<br />
Bagdadbahn unterzeichnet.<br />
Die Konzerne Siemens, Braun<br />
und AEG gründen gemeinsam<br />
eine Gesellschaft für drahtlose<br />
Telegraphie, die Telefunken AG.<br />
Im Endspiel der zum ersten<br />
Mal ausgetragenen Deutschen<br />
Fußballmeisterschaft siegt der<br />
VFB Leipzig über den DFC Prag.<br />
Die deutsche Marine richtet<br />
ihre ersten Funkstationen<br />
zum drahtlosen Nachrichtenverkehr<br />
mit Schiffen auf hoher<br />
See ein.<br />
Orville und Wilbur Wright starten<br />
zu ihrem ersten Motorflug.
1904<br />
Ausbruch des Herero-Aufstandes<br />
in Deutsch-Südwestafrika. Die<br />
Hereros werden in der Schlacht am<br />
Waterberg besiegt und in die was-<br />
serlose Wüste abgedrängt, wo sie zu<br />
Tausenden umkommen.<br />
Beginn des russisch-japanischen<br />
Krieges mit der Beschießung von<br />
Port Arthur.<br />
1905<br />
Sieg der japanischen Flotte<br />
über die russische in der<br />
Seeschlacht von Tsushima.<br />
Die österreichische Pazifistin<br />
Bertha von Suttner erhält<br />
den Friedensnobelpreis.<br />
Richard Strauss: „Salome“ (Oper)<br />
1906<br />
Auf der Konferenz von<br />
Algeciras (Spanien) wird die Krise<br />
um Marokko beigelegt.<br />
In Köpenick bei Berlin besetzt der<br />
als Offizier verkleidete arbeitslose<br />
Schuster Wilhelm Voigt mit einem<br />
Trupp Soldaten, die er auf der<br />
Straße angeheuert hat, das Bürger-<br />
meisteramt und beschlagnahmt die<br />
Stadtkasse.<br />
trafen wir mit der Firma Strachan & Co. ein Übereinkommen dahingehend,<br />
dass wir auf das Geschäft im Südatlantik verzichteten und die Interessen von<br />
Strachan in Rotterdam und Hamburg vertraten. Dieses Abkommen wirkte<br />
sich in späteren Jahren für das Rotterdamer und Hamburger Büro, beson-<br />
ders nach dem Ersten Weltkrieg, sehr günstig aus, da Strachan‘s, obgleich<br />
kein Abkommen mehr bestand, ihre Schiffe weiter an uns konsignierten und<br />
unserer Stauereiabteilung die Entlöschung der Schiffe überließen, wodurch<br />
wir eine gute Einnahme hatten, denn wir fertigten etwa 18 bis 20 Schiffe im<br />
Laufe des Jahres ab. Soweit ich mich erinnere, trat mein Vater 1906 aus den<br />
Firmen in Hamburg, Rotterdam und Amerika aus und übertrug seine Anteile<br />
zu gleichen Anteilen auf meinen Bruder und mich.<br />
Eine Linie mit eigenen Schiffen? Zwar waren in den Jahren<br />
1906–1908, als ich das Büro in New York mit Filiale in New Orleans leitete,<br />
keine Verluste entstanden und die Unkosten verdient worden, ich kam aber<br />
doch zu der Überzeugung, dass es zu kostspielig war, für die Expeditionen,<br />
welche wir vom Golf ausführten, ein besonderes Charterbüro in New York zu<br />
unterhalten. Außerdem erschien mir die Aufrechterhaltung von regelmäßigen<br />
Abfahrten mit nur gecharterten Schiffen als zu nervenaufreibend, denn<br />
häufig mussten bei anziehendem Frachtenmarkt im letzten Augenblick, um<br />
den Verladeverpflichtungen nachzukommen, Schiffe aufgenommen werden,<br />
welche sich für die besondere Ladung, Deckfracht usw. nicht eigneten. Ich<br />
neigte daher dazu, wieder eine Linie mit eigenen Schiffen zu betreiben. Um<br />
dieses zu besprechen, fuhr ich Anfang des Jahres 1908 nach Hamburg und<br />
übergab meinem Angestellten, Herrn Sagell, für die kurze Zeit meiner Abwesenheit<br />
die Führung des New Yorker Büros. Dieser hatte nichts Eiligeres zu<br />
tun, als sich von Herrn Gans engagieren zu lassen, bedachte allerdings nicht,<br />
dass dies nicht seinetwegen geschah, sondern nur, um mir Schwierigkeiten<br />
zu bereiten.<br />
Obgleich mein Bruder das New Yorker Büro, aus mir unverständlichen<br />
Gründen, nicht aufgeben wollte, und sich auch bezüglich des<br />
Erwerbs eines Dampfers sehr passiv verhielt, setzte ich es doch durch, dass<br />
auf meine Vorstellungen, die Charterungen der von New Orleans zu expedierenden<br />
Dampfer könnten ebenso gut von Hamburg vorgenommen werden,<br />
das New Yorker Büro aufgegeben wurde. Ich kehrte dann im Juli 1908,<br />
nachdem ich die laufenden Sachen abgewickelt hatte von New York nach<br />
Hamburg zurück, und überließ den Kontorraum unserer Firma Max Grünhut,<br />
deren Geschäftsleiter Herrn Freund mit Herrn Berthold Schröder ich 1906<br />
22 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
zur Verbilligung der gemeinsamen Unkosten in mein Kontor aufgenommen<br />
hatte. Nach meiner Rückkehr nach Hamburg schlug ich meinem Bruder eine<br />
Arbeitsteilung dahingehend vor, dass ich hauptsächlich das amerikanische,<br />
er das europäische Geschäft bearbeiten solle. Mein Bruder wollte sich jedoch<br />
hierauf nicht einlassen, da er immer befürchtete irgendwie zu kurz zu<br />
kommen. Wir machten daher alles gemeinsam. Dadurch, dass wir zusammen<br />
wohnten und abends eintreffende Kabel, welche sofort beantwortet werden<br />
mussten, besprechen und erledigen konnten, ließ sich die gemeinsame Tätigkeit<br />
auch einigermaßen aufrecht erhalten, besonders, da mein Bruder zu<br />
dieser Zeit noch ziemlich pünktlich im Geschäft erschien.<br />
Der erste Neubau. Mochten die Zeiten (1907–1909) für die Reedereien<br />
denkbar schlecht sein, und mein Vater, nachdem er nach Ausscheiden<br />
des Herrn Gans die aus dem Vertrag mit der Hapag erzielten Einnahmen voll<br />
einkassiert hatte, Bedenken tragen, dieses Geld in einem Dampferneubau anzulegen<br />
– gleichwohl setzte ich es unter Tränen durch, dass wir schließlich<br />
Anfang des Jahres 1909 mit der Werft Wm. Doxford & Sons, Sunderland, einen<br />
Neubau von 6.250 t Tragfähigkeit kontrahierten, und zwar zu dem außeror-<br />
Dampfer „Vogesen“. Gemälde von 1949 nach einer fotografischen Vorlage.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 23<br />
San Francisco wird durch ein<br />
Erdbeben zerstört.<br />
Enthüllung des Bismarck-Denkmals<br />
von Hugo Lederer in Hamburg.<br />
1907<br />
Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg<br />
gelingt es der SPD, die Zahl ihrer<br />
Mandate zu verdoppeln.<br />
Gründung des Deutschen Werkbundes<br />
in München, der sich zum Ziel setzt,<br />
die handwerkliche Arbeit zu veredeln<br />
und mit der Kunst und der Industrie zu<br />
verbinden.<br />
Carl Hagenbeck gründet in<br />
Hamburg-Stellingen den<br />
ersten Tierpark mit<br />
Freigehege.<br />
1908<br />
Kolonialtruppen unter<br />
Hauptmann Erckert stürmen die<br />
letzte von aufständischen<br />
Hottentotten in Deutsch-<br />
Südwestafrika gehaltene Stellung.<br />
Der Reichstag nimmt eine Novelle<br />
zum Flottengesetz an, die bedeutende<br />
Ausgabensteigerungen vorsieht.
Österreich-Ungarn annektiert<br />
Bosnien und die Herzegowina und<br />
beschwört damit eine internationale<br />
Krise herauf.<br />
In Detroit beginnt Henry Ford mit<br />
der Fließbandproduktion von Autos.<br />
1909<br />
Die Deutsche Reichspost führt den<br />
bargeldlosen Zahlungsverkehr mit<br />
Postschecks ein.<br />
In Berlin wird auf einer 150 m lan-<br />
gen Bahn aus Holz das erste Sechs-<br />
tagerennen der Welt veranstaltet.<br />
Louis Blériot überquert den Ärmel-<br />
kanal in einem Flugzeug.<br />
1910<br />
Die Wiederkehr des Halleyschen<br />
Kometen regt Weltuntergangs-<br />
phantasien an.<br />
Mit dem Einlaufen französischer<br />
Kriegsschiffe in den marokkani-<br />
schen Hafen Agadir beginnt die<br />
zweite Marokkokrise.<br />
dentlich billigen Preise von $ 5 per ton d.w. = $ 32.000,–. Dieser Betrag war<br />
bei Ablieferung zu bezahlen. Wir überwiesen aber bereits während des Baus<br />
laufend Anzahlungen, da wir auf solche Beträge 5 % Zinsen p.a. abziehen<br />
konnten. Eine Hypothek wurde nicht aufgenommen, der gesamte Kaufpreis<br />
vielmehr aus eigenen Mitteln bezahlt. Dies war sehr wichtig, denn in An-<br />
betracht der schlechten Zeiten musste man immerhin damit rechnen, dass<br />
das Schiff würde aufliegen müssen, in welchem Falle Zinsverpflichtungen auf<br />
Hypotheken sehr unangenehm gewesen wären.<br />
Das Anfang 1909 in Auftrag gegebene Schiff, welches den Na-<br />
men „Vogesen“ erhielt, wurde im März auf Stapel gelegt und bereits Anfang<br />
Oktober desselben Jahres abgeliefert. Die Frachten waren zu dieser Zeit noch<br />
sehr niedrig; immerhin erzielten die ersten Reisen einen, wenn auch nur ge-<br />
ringen Überschuss, weil das Schiff besonders für die Holzfahrt gebaut war<br />
und daher eine wesentlich größere Deckladung nehmen konnte als andere<br />
gecharterte Dampfer der gleichen Größe. Im Jahre 1911 besserten sich dann<br />
die allgemeinen Frachtraten langsam, während sie in den Jahren 1912–1914<br />
recht gut waren, so dass sehr gute Überschüsse erzielt wurden und der Dampfer<br />
bei Kriegsausbruch sehr niedrig (soweit erinnerlich mit etwa M 300.000,–)<br />
zu Buch stand. Unsere finanzielle Lage hatte sich in diesen Jahren sowohl dadurch,<br />
dass die Einnahmen durch die Hapag und die Holland-Amerika Linie<br />
(siehe unten) nicht durch fehlerhafte Spekulationen wieder verloren gingen,<br />
wie auch durch die guten Resultate des Dampfers „Vogesen“ sehr verbessert,<br />
so dass die Firma bei Kriegsausbruch außer dem schuldenfreien Dampfer<br />
„Vogesen“ noch über mehr als M 1.000.000,– an in- und ausländischen Wertpapieren<br />
sowie über genügend flüssiges Kapital verfügte.<br />
Da Dampfer „Vogesen“ ein sehr günstiges Resultat aufwies, hatte<br />
mein Vater allmählich wieder Vertrauen zur Reederei gewonnen, auch war<br />
mein Bruder nun hell begeistert, so dass wir im Jahre 1912 gemeinsam den<br />
Entschluss fassten, einen zweiten Dampfer bei Doxford‘s in Auftrag zu geben.<br />
Wir knüpften allerdings die Bedingung daran, dass Doxford‘s, welche<br />
für die Firma Heyne & Hessenmüller drei Turret-Schiffe gebaut und infolge<br />
der Zahlungsunfähigkeit dieser Firma die Schiffe hatten übernehmen müssen,<br />
uns die Bereederung dieser Dampfer, welche zeitweilig dem Reeder Heinrich<br />
Schmidt übertragen war, übergeben sollten, wenn wir ein neues Schiff bei<br />
ihnen bestellten. Doxford‘s konnten sich aber hierzu nicht entschließen, und<br />
so wurden die Verhandlungen dann fallen gelassen. Infolge Ausbruch des<br />
Weltkrieges kam es dann nicht mehr zur Vergebung eines zweiten Neubauauftrages.<br />
24 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Auseinandersetzungen mit den Teilhabern. Für die Jahre<br />
1906–1908 ist noch nachzutragen, dass Herr Wehner, welcher Teilhaber der<br />
Hamburger Firma geblieben war, etwa 1907 oder 1908 austrat, nachdem in<br />
diesem Jahre in der Hamburger Firma ein kleiner Verlust entstanden war.<br />
Da er wenig Interesse am Geschäft hatte und nur Geld verdienen wollte, beschleunigten<br />
wir seinen Austritt dadurch, dass wir uns bereit erklärten, ihm<br />
seinen Anteil an den noch zu erwartenden Zahlungen der Hapag zu bevorschussen.<br />
Wir waren über seinen Austritt sehr froh, da er, wie schon erwähnt,<br />
nicht arbeitete, dafür aber um so mehr kritisierte. Die beiden Teilhaber meines<br />
Vaters hatten sich überhaupt als sehr unerfreulich erwiesen: Herr Wehner<br />
tat nichts und war unzufrieden, wenn nicht gut verdient wurde, Herr Gans war<br />
fleißig und geschäftstüchtig, ließ sich aber von seinen wilden Spekulationen<br />
nicht zurückhalten und brachte unser Vermögen dadurch in die größte Gefahr.<br />
Mein Bruder und ich waren uns deshalb in diesem Punkt vollkommen einig,<br />
unter keinen Umständen Teilhaber wieder aufzunehmen. Leider habe ich mit<br />
meinem Bruder nachher ähnliche Erfahrungen machen müssen wie mein Vater<br />
mit Herrn Wehner.<br />
Kurze Zeit nach Austritt der Teilhaber – ich glaube es war im<br />
Jahre 1910 – gelang es uns noch, mit der Holland-Amerika Linie, welche unsere<br />
Konkurrenz von New Orleans nach Rotterdam ausschalten wollte, ein<br />
sehr günstiges Abkommen zu treffen. Nachdem wir einige Zeit auf dieser<br />
Schauerleute mit Reissäcken im Hamburger Hafen. Foto von 1889.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 25<br />
Nach dem Sieg des Farbigen<br />
Jack Johnson über den<br />
Weißen Jeff Jeffries in einem<br />
Box-Weltmeisterschaftskampf<br />
kommt es zu Ausschreitungen<br />
in den USA.<br />
Gründung des Fußballvereins<br />
FC St. Pauli.<br />
1911<br />
Gründung der Kaiser-Wilhelm-<br />
Gesellschaft zur Förderung der<br />
Naturwissenschaften in Berlin<br />
(heute Max-Planck-Gesellschaft).<br />
Durch Entsendung des Kanonenbootes<br />
„Panther“ nach Agadir<br />
macht die Reichsregierung die<br />
Marokkokrise zu einer internationalen<br />
Streitfrage.<br />
Verabschiedung der Reichsversicherungsordnung<br />
(RVO) mit<br />
Zusammenfassung der gesetzlichen<br />
Krankheits-, Unfall- und<br />
Invalidenversicherung.<br />
Nach vierjähriger Bauzeit wird<br />
in Hamburg der 448 m lange<br />
Tunnel unter der Elbe eröffnet.<br />
Erste Ausstellung der Münchener<br />
expressionistischen Künstlervereinigung<br />
„Blauer Reiter“.
1912<br />
Bei den Reichstagswahlen gibt es einen<br />
Erdrutschsieg für die Sozialdemokraten.<br />
Sie erringen 110 Mandate<br />
(von 397). Das bisher führende Zentrum<br />
erhält 91 Mandate.<br />
Wissenschaftler der Deutschen<br />
Orientgesellschaft finden in einer<br />
Bildhauerwerkstatt in Amarna<br />
(Ägypten) die Porträtbüste der<br />
Pharaonin Nofretete (16. Jh. v.Chr.)<br />
Alexander Behm entwickelt das Echolot.<br />
1913<br />
Der Passagierdampfer „Imperator“ der<br />
Hamburg-Amerika-Linie, das größte<br />
Schiff der damaligen Welt, läuft aus<br />
Cuxhaven zu seiner Jungfernfahrt aus.<br />
Fertigstellung der Rendsburger Hoch-<br />
brücke über den Kaiser-Wilhelm-Kanal,<br />
der längsten Eisenbahnbrücke (2,4 km)<br />
Deutschlands.<br />
Fritz Haber und Carl Bosch gelingt die<br />
Hochdruck-Ammoniak-Synthese.<br />
Friedrich Bergius entwickelt ein Verfah-<br />
ren zur Verflüssigung von Kohle.<br />
Franz Marc: „Der Turm der<br />
blauen Pferde“ (Gemälde).<br />
1914<br />
Tödliches Attentat auf den Erzherzog<br />
Franz Ferdinand und seine Gemahlin in<br />
Sarajevo durch serbische Nationalisten.<br />
Route in Konkurrenz gefahren waren, wurde mit der Direktion in Rotterdam<br />
(Herrn Reuchlin) ein Übereinkommen getroffen, dahingehend, dass die von<br />
uns expedierten monatlichen Dampfer für Rechnung der Holland-Amerika<br />
Linie gechartert werden sollten, während die Schiffe in New Orleans von<br />
uns, damals <strong>Vogemann</strong>‘s Shipping Co., und in Rotterdam von der <strong>Vogemann</strong>‘s<br />
Transport Co. gegen festgesetzte Kommissionen abzufertigen waren. Für den<br />
Fall, dass Expeditionen ausfielen, zahlte die Holland-Amerika Linie für jede<br />
monatlich ausgefallene Expedition $ 1.000,– an die Firma in New Orleans<br />
und Hfl. 1.000,– an die Firma in Rotterdam. Nachdem einige Expeditionen<br />
ausgeführt waren, zog es die Holland- Amerika Linie vor, die Expeditionen<br />
ausfallen zu lassen und monatlich $ 1.000,– und Hfl. 1.000,– zu zahlen, wodurch<br />
beide Büros, ohne Arbeit zu leisten, eine gute Einnahme hatten. Dieser<br />
Vertrag lief bis zum Jahre 1916, wurde dann aber infolge des Krieges nicht<br />
erneuert, da sich die Verhältnisse geändert hatten.<br />
Der Verzicht auf die New Orleans–Rotterdam-Fahrt war für uns<br />
insofern leicht zu verschmerzen, als wir für unseren Dampfer „Vogesen“ und<br />
gecharterte Schiffe in der Holzfahrt von den übrigen Golfhäfen, und zwar<br />
Pensacola, Mobile, Gulfport, Beaumont, Galveston usw. gute Beschäftigung<br />
fanden, so dass unser Geschäft durch den Vertrag mit der Holland-Amerika<br />
Linie keineswegs brachgelegt war.<br />
Schwindelunternehmen Lemore & Co. Nachdem der Weltkrieg<br />
ausgebrochen war, gelang es meinem Bruder, welcher von panischer Angst<br />
ergriffen war, er könnte eingezogen werden, die Erlaubnis zu erhalten, nach<br />
Amerika zu reisen. Er hatte dort insofern noch einige Schwierigkeiten, als die<br />
Gläubiger der Firma A. Lemore & Co., für welche die <strong>Vogemann</strong>‘s Shipping<br />
Co., New Orleans, vor dem Kriege gutgläubig im Voraus Konnossemente gezeichnet<br />
hatte, versuchten, ihre Forderungen gegen ihn geltend zu machen.<br />
Die Firma A. Lemore & Co., von welcher wir vor dem Kriege ganze Dampferladungen<br />
mit Fassdauben von New Orleans nach Bordeaux und Sète zu<br />
guten Raten übernahmen und auf deren Wunsch Konnossemente zeichneten,<br />
bevor die Ware, die auf deren Lager in New Orleans lag, tatsächlich in unserem<br />
Gewahrsam war, erwies sich als ein Schwindelunternehmen, als der<br />
Empfänger in Bordeaux, Herr Gairard von Gairard Fils, plötzlich starb. Der<br />
Zusammenbruch dieses Unternehmens war für uns um so überraschender,<br />
als es äußerst solide erschien. Die Inhaber, Lemore und Carriere, lebten in<br />
New Orleans sehr sparsam und mit wenig Aufwand, obgleich sie sehr große<br />
Geschäfte machten. Man hatte daher den Eindruck, dass es sich um sehr<br />
26 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
solide Geschäftsleute handle, welche noch dazu mit einem großen Fassdaubenkonzern<br />
in Frankreich, den alteingesessenen Firmen Gairard Fils, Petit<br />
und Gaffinel arbeiteten, aus welchem Grunde Herr Plant vielleicht etwas zu<br />
leichtsinnig mit den Konnossementen umgegangen war.<br />
Als Gairard starb und die Bank-Transaktionen auf Grund der<br />
von uns ausgehändigten Konnossemente sich als schwindelhaft erwiesen,<br />
fehlte die Ware für eine Anzahl Konnossemente, für die wir naturgemäß verantwortlich<br />
gehalten wurden. Dieses ereignete sich im Jahre 1913. Mein Vater<br />
und ich fuhren gemeinsam nach Bordeaux und zahlten, soweit mir erinnerlich,<br />
an Petit und Gaffinel insgesamt Frs. 120.000,¬–, einen Betrag, welcher<br />
damals etwa M 96.000,– entsprach. Es war ein unangenehmer Verlust; in<br />
Anbetracht der guten Resultate, welche wir sowohl mit Dampfer „Vogesen“<br />
als auch durch die Verladungen mit Lemore erzielt hatten, konnten wir ihn<br />
aber verschmerzen. Die ganze Angelegenheit war besonders peinlich für uns,<br />
weil die durch den Konkurs Lemore Geschädigten vermuteten, dass wir durch<br />
Ausstellen der Konnossemente an dem Schwindel beteiligt waren, während<br />
wir tatsächlich selbst düpiert worden waren. Um nicht persönlich von den<br />
noch nicht befriedigten amerikanischen Gläubigern der Firma A. Lemore &<br />
Co. gerichtlich belangt zu werden, verließ mein Bruder während des Krieges<br />
New Orleans und siedelte zuerst nach Philadelphia, dann nach New York über,<br />
denn ihm konnte nur im Staate Louisiana eine Klage zugestellt werden.<br />
Einwanderer im Hafen von New York, um 1910.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 27<br />
International werden starke Spannungen<br />
ausgelöst. Sie steigern sich zur „Juli-<br />
Krise“ und führen zum Ersten Weltkrieg.<br />
Bewilligung der Kriegskredite<br />
durch die deutsche Sozialdemokratie.<br />
Schlacht an der Marne, der deutsche<br />
Vormarsch kommt zum Stehen.<br />
Großbritannien erklärt die Nordsee zum<br />
Kriegsgebiet und verhängt eine Wirtschaftsblockade<br />
gegen das<br />
Deutsche Reich.<br />
1915<br />
Italien tritt an der Seite der<br />
Alliierten in den Krieg ein.<br />
Einsatz von Giftgas gegen die<br />
alliierten Truppen bei Ypern.<br />
Bei der Torpedierung des britischen<br />
Passagierdampfers „Lusitania“<br />
kommen 120 US-Bürger ums Leben.<br />
Untergang des Kreuzers<br />
„Blücher“ im Seegefecht an<br />
der Doggerbank.<br />
1916<br />
Verlustreiche Schlachten bei Verdun und<br />
an der Somme.<br />
Beginn des verschärften U-Boot-Kriegs:<br />
Mit Geschützen bestückte Handelsschiffe<br />
werden wie feindliche Kriegsschiffe<br />
behandelt.
Im Sykes-Picot-Abkommen<br />
verständigen sich Großbritannien und<br />
Frankreich über die Aufteilung des<br />
Osmanischen Reichs.<br />
Seeschlacht vor dem Skagerrak<br />
zwischen der englischen und der<br />
deutschen Hochseeflotte<br />
1917<br />
Beginn des uneingeschränkten<br />
U-Boot-Kriegs in den Sperrgebieten<br />
um Großbritannien und im Mittelmeer.<br />
Kriegseintritt der USA.<br />
Abdankung des russischen Zaren<br />
Nikolaus II. Bildung einer bürgerlichen<br />
Regierung. Sieg der bolschewistischen<br />
Revolution in Russland.<br />
Gründung der Universum Film AG<br />
(Ufa) in Berlin als Propaganda-<br />
Instrument der Obersten Heeresleitung.<br />
1918<br />
Der amerikanische Präsident Woodrow<br />
Wilson legt sein 14-Punkte-Programm<br />
für eine Welt-Friedensordnung vor.<br />
Unterzeichnung des Friedens von<br />
Brest-Litowsk: Russland verliert über<br />
25 Prozent seiner Bevölkerung und<br />
27 Prozent seines wirtschaftlich<br />
nutzbaren Bodens.<br />
Die deutsche Frühjahrsoffensive an der<br />
Westfront bleibt nach Anfangserfolgen<br />
stecken.<br />
Eine Anlage fonds à perdu. Bis zum Eintritt der Vereinigten<br />
Staaten in den Krieg arbeitete das Büro in New Orleans sehr zufriedenstel-<br />
lend, und zwar erwies sich als besonders rentabel die Vertretung der Nor-<br />
way-Mexico Gulf Line und der Swedish America-Mexico Line, welche ihre<br />
Abfahrten sehr viel häufiger gestalteten, da viele Ladungen am Anfang des<br />
Krieges über Norwegen und Schweden nach Deutschland weiter gingen. Die<br />
Norway-Mexico Gulf Line war etwa im Jahre 1909/1910 von Kapitän Bryde in<br />
Oslo (damals Christiania) gegründet worden. Auf Veranlassung von Herrn<br />
Plant bewarben wir uns damals um die Agentur in New Orleans, welche uns<br />
übertragen wurde unter der Bedingung, dass wir Kr. 5.000,– in Aktien übernahmen.<br />
Mein Vater sagte damals – und ich stimmte mit ihm darin überein<br />
–, dass man diese Anlage wohl als fonds à perdu betrachten müsse, da sie<br />
vermutlich keine Dividende abwerfen würde. Später habe ich aber nach dem<br />
Weltkriege diese Aktien mit Kr. 40.000,– verkauft und bekam noch obendrein<br />
30 % Dividende ausbezahlt. Da die Mark inzwischen durch die Inflation entwertet<br />
war, kam uns dieses Geld sehr zustatten, um damit Devisenverpflichtungen<br />
abzudecken.<br />
Die Büros in Hamburg und Rotterdam lagen während des Ersten<br />
Weltkrieges brach. Bis zu meiner Einberufung im Juni 1915 versuchte ich<br />
noch Geschäfte zu machen, so u.a. mit der Firma Weber & Schaer für den<br />
Transport von Rohgummi von Para nach Hamburg. Es kam aber nicht mehr<br />
zum Abschluss, da die Versicherung nicht mehr gedeckt werden konnte.<br />
Beim Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg wurde das<br />
Büro in New Orleans geschlossen und Herr Plant sicherte sich die Agenturen<br />
der Norway-Mexico Gulf Line und der Swedish America-Mexico Line, indem<br />
er sich unter der Firma Trosdal, Plant & Lafonta etablierte. Das mit großer<br />
Mühe und viel Arbeit aufgebaute Geschäft in New Orleans (seit 1911 hatten<br />
wir noch die Agentur von Armement Adolf Deppe mit regelmäßigen Abfahrten<br />
von New Orleans nach Antwerpen, wozu ich den Inhaber, Herrn Scheidt,<br />
veranlasst hatte) hatte damit sein Ende gefunden, und unser Dampfer „Vogesen“<br />
wurde in Pensacola, wo er seit Kriegsausbruch lag, beschlagnahmt.<br />
Bei Beendigung des Krieges im November 1918 war die Lage für<br />
uns trostlos: Geschäft und Werte in New Orleans sowie Dampfer „Vogesen“<br />
beschlagnahmt, die Mark entwertet, die ausländischen Wertpapiere an die<br />
deutsche Regierung abgeliefert. An eine Weiterführung der Geschäfte wie vor<br />
dem Krieg war vorderhand nicht zu denken. Die Lage besserte sich aber bald<br />
insofern, als die für die Regierung ankommenden Schiffe unter die Schiffsmakler<br />
im Turnus verteilt wurden.<br />
28 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Die nach dem Ersten Weltkrieg abgelieferte „Vogesen“ als USS „Quincy“ in<br />
einem amerikanischen Hafen.<br />
Die Herren Landau und Ainsworth. Mein Bruder war bei Kriegsende<br />
noch in New York und hatte dort Gelegenheit, sich für die Hamburger<br />
und Rotterdamer Firma um Agenturen zu bewerben, womit er sich auch große<br />
Mühe gab. Es gelang ihm auch, von der Pacat Steamship Corporation, welche<br />
mit Dampfern des Shipping Board einen regelmäßigen Dienst von New York<br />
eröffnen sollte, die Agenturen für Hamburg und Rotterdam zu erhalten. Die<br />
Inhaber dieser Gesellschaft waren ein aus Wien stammender amerikanischer<br />
Jude namens Landau und sein Sohn Kurt Landau sowie Mr. Ainsworth. Diese<br />
Herren waren im Kriege schnell reich geworden und machten alle möglichen<br />
Geschäfte, hatten aber von der Schifffahrt nicht viel Ahnung. Sie waren<br />
daher, insbesondere Mr. Ainsworth, in Bezug auf die Maklergebühren sehr<br />
liberal, auf meine Frage an Herrn Ainsworth, welche Agenturkommission er<br />
bewilligen würde, antwortete er: „We pay $ 500,– for full cargoes, $ 250,– for<br />
part cargoes“, was unter Berücksichtigung der damals bereits eingetretenen<br />
Markentwertung eine geradezu phantastische Bezahlung war. Ein Schuppen<br />
der Hapag wurde durch unsere Vermittlung gemietet und auf demselben ein<br />
großes Plakat mit dem Namen Pacat Steamship Corporation angebracht.<br />
Herr Ainsworth war ein typischer amerikanischer Geschäftsmann,<br />
der kein Blatt vor den Mund nahm und sich stets zu helfen wusste.<br />
So kaufte er sich, als die Eisenbahner streikten, kurzerhand ein Auto, um<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 29<br />
Österreich scheidet aus dem Krieg aus.<br />
Waffenstillstand von Compiègne<br />
beendet den Krieg im Westen.<br />
Aus dem Matrosenaufstand in Kiel<br />
entwickelt sich eine Revolution in<br />
Deutschland. Arbeiter- und Soldatenräte<br />
übernehmen kurzzeitig die Macht.<br />
Kaiser Wilhelm II. dankt ab und geht<br />
ins Exil nach Holland.<br />
Friedrich Ebert (SPD) wird<br />
Reichskanzler.<br />
Ausrufung der Republik.<br />
1919<br />
In Deutschland werden sozialistische<br />
Aufstände von Regierungstruppen und<br />
Freikorps niedergeschlagen.<br />
Bei den Wahlen zur Verfassunggebenden<br />
Nationalversammlung erringt die<br />
SPD die meisten Stimmen.<br />
Friedrich Ebert wird Reichspräsident.<br />
Unterzeichnung des<br />
Friedensvertrags durch das<br />
Deutsche Reich im Spiegelsaal<br />
von Versailles:<br />
Deutschland muss die alleinige<br />
Kriegsschuld anerkennen und unter<br />
anderem seine Kolonien und<br />
große Teile seiner Handelsflotte<br />
abtreten sowie hohe<br />
Reparationen zahlen.<br />
Walter Gropius gründet das<br />
Kunstinstitut Bauhaus in Weimar.
1920<br />
Die internationale<br />
Reparationskommission nimmt<br />
ihre Arbeit auf.<br />
Adolf Hitler verkündet auf einer<br />
Veranstaltung in München das<br />
25-Punkte-Programm der DAP,<br />
die sich wenig später in Nationalso-<br />
zialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />
(NSDAP) umbenennt.<br />
Kapp-Lüttwitz-Putsch gegen die<br />
Reichsregierung bricht nach wenigen<br />
Tagen zusammen.<br />
Ernst Jünger: „In Stahlgewittern“<br />
(Kriegserlebnisbuch).<br />
Robert Wiene: „Das Cabinet des<br />
Dr. Caligari“ (Film).<br />
1921<br />
Die deutschen Reparationszahlungen<br />
werden auf 226 Milliarden<br />
Goldmark festgelegt, zahlbar<br />
innerhalb von 42 Jahren.<br />
Gründung der Deutschen<br />
Luftpost GmbH zur Beförderung von<br />
Personen und Post.<br />
Dramatischer Kursverfall der<br />
deutschen Mark an der Frankfurter<br />
Börse. Beginn der Inflation.<br />
Nach Volksabstimmungen<br />
kommen Teile Oberschlesiens an Polen.<br />
Hugo von Hofmannsthal:<br />
„Der Schwierige“ (Lustspiel)<br />
damit nach Kopenhagen zu fahren. Als er auf verschiedene Kabel, welche er<br />
an seine Teilhaber nach New York gesandt hatte, keine prompte Antwort er-<br />
hielt, beauftragte er mich, ein Telegramm nach New York in offener Sprache<br />
zu senden, welches wie folgt begann: „Why in the hell don‘t you answer my<br />
cables you are making a damned fool of me“ usw. Ich musste ihn im Hotel<br />
meistens gegen Mittag abholen. Er empfing mich dann im Bademantel und<br />
machte seine Geschäftsbesuche gegen 1 Uhr, wenn die meisten Inhaber zu<br />
Tisch gegangen waren oder sich an der Börse aufhielten. Die Expeditionen<br />
der Pacat Steamship Corporation wurden noch bis etwa 1922 fortgesetzt; das<br />
Geschäft schlief dann aber langsam ein, weil die Gesellschaft in finanzielle<br />
Schwierigkeiten geriet.<br />
Zu dieser Zeit gelang es uns noch, die Agentur der New York<br />
& Argentine Steamship Co. zu erhalten, welche einen Dienst von Hamburg<br />
nach Buenos Aires einrichtete. Auch dieser Dienst wurde mit Shipping Board-<br />
Dampfern betrieben, aber nach etwa einem Jahr wieder eingestellt, weil die<br />
Schiffe anderweitige Verwendung finden mussten.<br />
Ein weiterer Lichtblick war für uns, dass ein Holländer, Herr<br />
Goedhart, welcher früher in Hamburg tätig gewesen war und meinen Bruder<br />
gut kannte, uns vorschlug, mit den drei Dampfern der Bothnia Linie (C. Goudriaan)<br />
Rotterdam einen Dienst von New Orleans nach Rotterdam einzurichten<br />
und eine gemeinsame Agentur in New Orleans zu eröffnen. Da wir hierdurch<br />
die Möglichkeit sahen, unser seit 1901 bestehendes Büro in New Orleans wieder<br />
zu betreiben, willigten wir ein, die Agentur daselbst unter der Bezeichnung<br />
<strong>Vogemann</strong>, Goudriaan Co. Inc. zu errichten und Herrn Goudriaan mit 50<br />
% an dem $ 10.000,– betragenden Kapital und am Gewinn zu beteiligen. Mein<br />
Bruder hatte gleichzeitig mit Herrn Nihlen von der Continentalen Reederei<br />
gesprochen, um ihn zu veranlassen, seine Dampfer in die Fahrt New Orleans –<br />
Hamburg einzustellen, welchen Vorschlag dieser annahm.<br />
Abenteuer am Grasbrook. Ich begab mich daher im Jahre 1921<br />
nach New Orleans und schiffte mich dazu auf dem Dampfer „Manchuria“ der<br />
Atlantic Transport Line in Hamburg ein, da die deutschen Linien noch nicht<br />
wieder in Betrieb waren. Die Passagiere wurden von den Passagierhallen am<br />
Grasbrook nach dem Kaischuppen der Hapag übergesetzt und mussten dort<br />
über einen langen Laufsteg an Bord gehen. Da wir wegen der gleichzeitigen<br />
Fahrkartenkontrolle lange warten mussten, stellte ich meinen Handkoffer auf<br />
dem Laufsteg ab. Der Koffer kippte über und fiel genau zwischen Kaimauer<br />
und Schiff ins Wasser. Er enthielt meine sämtlichen Papiere, Vollmachten für<br />
30 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Passagierhallen der Hamburg-Amerika-Linie am Grasbrook.<br />
die Errichtung der <strong>Vogemann</strong>, Goudriaan Co. usw., und ich hätte bei Verlust<br />
desselben meine Reise aufgeben müssen. Gottlob gelang es, den Koffer, welcher<br />
nicht sofort unterging, mit einem Peekhaken aufzufischen. Die Papiere<br />
waren nur wenig beschädigt, und so konnte ich denn meine Reise antreten. In<br />
New York angekommen, wunderte ich mich, dass der Name <strong>Vogemann</strong> trotz<br />
Krieg und Aufgabe unseres New Yorker Büros bei den Telegraphengesellschaften<br />
noch bekannt war.<br />
Ich fuhr sofort nach New Orleans weiter und besuchte dort<br />
den von früher her mir bekannten Herrn Dumont, Leiter der Standard Export<br />
Lumber Co., mit welchem wir vor dem Kriege große Geschäfte gemacht<br />
hatten. Er empfahl mir als Geschäftsleiter Herrn George Simno, welchen ich<br />
dann auch engagierte. Als Buchhalter stellte ich meinen Vetter Carl Ulrichs,<br />
der schon früher bei uns tätig gewesen war, wieder ein und mietete ein Kontor<br />
im Perrin Building (später Baronne Building).<br />
Das Geschäft ließ sich gut an, denn auf die Frachten, welche<br />
noch verhältnismäßig hoch waren, erhielten wir 4 % Kommission, so dass<br />
nach Abzug der Unkosten noch ein erheblicher Gewinn verblieb. Leider stellte<br />
die Bothnia Linie nach etwa 12 Monaten ihren Dienst ein, da Herr Goudriaan,<br />
welcher die Schiffe im Kriege sehr teuer gekauft hatte, in finanzielle Schwierigkeiten<br />
geriet.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 31<br />
1922<br />
Der Vertrag von Rapallo zwischen dem<br />
Deutschen Reich und Sowjetrussland<br />
beendet die außenpolitische Isolation<br />
Deutschlands<br />
Abzug der alliierten Luftfahrt-<br />
Überwachungskommission aus<br />
Deutschland.<br />
Baubeginn für den Rhein-Main-<br />
Donau-Kanal als Teil eines<br />
durchgehenden Wasserwegs von der<br />
Nordsee bis zum Schwarzen Meer.<br />
Das Projekt wird erst 1992 vollendet.<br />
Ermordung von Reichsaußenminister<br />
Walther Rathenau in Berlin-<br />
Grunewald.<br />
Panikstimmung an den deutschen<br />
Börsen. Der Wert des US-Dollars ist<br />
auf 860 Mark gestiegen.<br />
Fritz Lang:<br />
„Dr. Mabuse der Spieler“ (Film).<br />
1923<br />
Französische und belgische Truppen<br />
besetzen das Ruhrgebiet wegen<br />
ausgebliebener Kohlelieferungen.<br />
Inflation auf dem Höhepunkt:<br />
Für einen US-Dollar werden<br />
12 Milliarden Mark gezahlt.<br />
Niederschlagung der Separatistenbewegung<br />
im Rheinland.<br />
Kommunistischer Umsturzversuch<br />
in Hamburg.
„Hitler-Putsch“ in München.<br />
Errichtung der Deutschen Rentenbank,<br />
die mit der Ausgabe der neuen Renten-<br />
mark eine Währungsreform einleitet.<br />
1924<br />
Gründung des Republikschutzbundes<br />
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.<br />
„Dawes-Plan“ zur Regelung der<br />
deutschen Reparationen.<br />
Verhaftung des Massenmörders<br />
Fritz Haarmann.<br />
Thomas Mann: „Der Zauberberg“<br />
(Roman)<br />
1925<br />
1925<br />
Tod des Reichspräsidenten<br />
Friedrich Ebert. Als Nachfolger<br />
wird Generalfeldmarschall<br />
Paul von Hindenburg gewählt.<br />
Der Reichstag verabschiedet Schutzzölle<br />
für die Landwirtschaft<br />
und Industrie.<br />
Konferenz von Locarno über ein<br />
Sicherheitsabkommen in Europa.<br />
Egon Erwin Kisch:<br />
„Der rasende Reporter“ (Reportagen)<br />
Die Continentale Reederei hielt ihren Dienst noch einige Jahre<br />
aufrecht. Herr Nihlen, der Direktor der Gesellschaft, kam, wenn ich mich<br />
recht erinnere, im Jahre 1924 nach New Orleans und erzählte, dass er die<br />
Absicht habe, eventuell Dampfer mit Passagiereinrichtung einzustellen. Es<br />
kam jedoch nicht dazu, denn kurze Zeit darauf wurde die Continentale Reederei<br />
von einem Konzern unter Führung von Axel Dahlström übernommen und<br />
später an die Firma Hugo Stinnes weiterverkauft. Diese Firmen hatten kein<br />
Interesse an der Aufrechterhaltung des New Orleans-Dienstes und stellten<br />
ihn alsbald ein.<br />
Der Verlust der beiden Agenturen war natürlich sehr schmerzlich<br />
und stellte uns vor die Frage, entweder das New Orleans Büro wieder<br />
aufzugeben oder andere Dampfer, eventuell eigene, einzustellen. Wir entschlossen<br />
uns dann im Jahre 1925 zum Ankauf des Dampfers „Manchester<br />
1926 – Unfall auf Dampfer „Vogesen“<br />
Im November 1926 verunglückte ein<br />
Schauermann bei Ladearbeiten auf<br />
dem <strong>Vogemann</strong>-Dampfer „Vogesen“<br />
im Hamburger Hafen. Der Bericht des<br />
Hafenbetriebsrates enthüllt die Unzulänglichkeiten<br />
bei der Versorgung<br />
von Unfallopfern in jener Zeit:<br />
„Der Unfall passierte um 10 Uhr vormittags. Der Dampfer ‚Vogesen‘ gab<br />
sogleich die nötigen Signale, aber keine Barkasse der Behörde zur Beförderung<br />
des Verletzten kam. Obgleich die Barkasse der Kaiververwaltung<br />
vorbeilief und die Signale hörte, nahm sie keine Veranlassung, zum<br />
mindesten einen Transportkorb an Bord zu bringen, auch verweigerte die<br />
Schuppenleitung, die telefonische Nachricht an die Unfallstation zu geben.<br />
Erst als um 11 Uhr 10 noch die Signale des Dampfers ertönten, wurde<br />
dem stattgegeben ... Auf Grund der langen Verzögerung der Beförderung<br />
von Bord ins Krankenhaus ist eine Empörung an Bord hervorgerufen, der<br />
man eine Berechtigung nicht absprechen kann. Es gibt uns erneut Veranlassung,<br />
auf die Unzuverlässigkeit der Beförderungsmittel bei Unfällen<br />
hinzuweisen ...“<br />
Klaus Weinhauer: Alltag und Arbeitskampf im Hamburger Hafen 1914–1933.<br />
Paderborn 1994, S. 163<br />
32 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Port“, welcher damals 20 Jahre alt war, und nannten ihn wiederum „Vogesen“.<br />
Da ein Dampfer in der Fahrt nicht genügte und das frühere Chartergeschäft<br />
schon wegen der Devisenschwierigkeiten nicht wieder aufgenommen werden<br />
konnte, kauften wir – ich glaube, es war im Jahre 1927 – von der Firma Röchling,<br />
Menzell & Co. den Dampfer „Rhein“ (früher „Elisabeth Rickmers“), der<br />
den Namen „Vogtland“ erhielt.<br />
Herrn Siemens in Rotterdam gelang es dann noch, den Dampfer<br />
„Delia“, an dem wir uns finanziell beteiligten, für die Fahrt zu interessieren.<br />
Dieser Dampfer machte einige Reisen. Es entstanden aber bald erhebliche<br />
Differenzen mit dem Kapitän, welcher am Schiff beteiligt war, und seinen<br />
übrigen Geldgebern, so dass wir schließlich das Schiff in Rotterdam an die<br />
Kette legen mussten, bis es uns gelang, die vorgestreckten Gelder zurückzuerhalten.<br />
Die Mittel für den Erwerb der Schiffe hatten wir zum Teil durch die<br />
Überschüsse in der New Orleans-Firma erworben, zum Teil aber erhielten wir<br />
sie aus Amerika durch die sogenannte Freigabeaktion. Die Hamburg-Amerika<br />
Linie und der Norddeutsche Lloyd, welche am meisten an den Kriegsverlusten<br />
in Amerika beteiligt waren, hatten durch Herrn Dr. Kiesselbach in den<br />
Vereinigten Staaten eine Entschädigungsaktion für die im Kriege verlorenen<br />
Dampfer eingeleitet, welche erfolgreich durchgeführt wurde. Unser Dampfer<br />
„Vogesen“, welcher im Jahre 1917 in Pensacola beschlagnahmt worden war,<br />
wurde, soweit mir erinnerlich, mit M 1.200.000,– bewertet, obgleich er uns<br />
1909 als Neubau nur M 650.000,– gekostet hatte. Wir erhielten à conto dieser<br />
Freigabebeträge mehrere Zahlungen, im ganzen etwa M 550.000,– und später<br />
von der deutschen Regierung für aufgelaufene Zinsen noch etwa M 120.000,–.<br />
Als die nationalsozialistische Regierung ans Ruder kam, wurden seitens der<br />
USA die Zahlungen eingestellt, weil angeblich die deutsche Regierung ihren<br />
Verpflichtungen gegenüber den amerikanischen Gläubigern, welche Forderungen<br />
an Deutschland hatten, nicht nachkam.<br />
Bis zum Jahre 1929 wurden mit den beiden Dampfern „Vogesen“<br />
und „Vogtland“ verhältnismäßig gute Resultate erzielt; dann wurden aber die<br />
Raten auf dem Frachtenmarkt so schlecht, dass jede Reise mit Verlust abschloss.<br />
Es ist mir später von meinem Bruder der Vorwurf gemacht worden,<br />
dass ich die Schiffe zu lange in Fahrt gelassen und dadurch mehr verloren<br />
hätte, als wenn sie aufgelegt worden wären. Er bedachte dabei nicht, dass<br />
bei einem geringen Verlust es vorteilhafter war, die Schiffe in Fahrt zu lassen,<br />
denn erstens war die Unterhaltung während des Aufliegens recht hoch, da<br />
die Schiffe instandgehalten werden mussten, und zweitens fehlten die Einnahmen<br />
in New Orleans, so dass dort durch den Ausfall der Kommissionen<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 33<br />
1926<br />
Gründung der Deutschen Lufthansa<br />
AG durch den Zusammenschluss von<br />
Junkers Luftverkehr und Aero Lloyd.<br />
Die amerikanische Tänzerin<br />
Josephine Baker gastiert im<br />
Berliner Nelson-Theater.<br />
Einführung einer einheitlichen<br />
Straßenverkehrsordnung.<br />
Arbeitsbeschaffungsprogramm zur<br />
Senkung der hohen Arbeitslosenzahlen.<br />
Max Schmeling Deutscher Boxmeister<br />
im Halbschwergewicht.<br />
Aufnahme Deutschlands<br />
in den Völkerbund.<br />
Arthur Schnitzler:<br />
„Traumnovelle“ (Erzählung)<br />
1927<br />
Die Alliierte Militärkommission beendet<br />
ihre Tätigkeit im Deutschen Reich.<br />
Proteste gegen den Bau<br />
des Panzerkreuzers A.<br />
Martin Heidegger: „Sein und Zeit“<br />
(Philosophische Abhandlung).<br />
Fritz Lang: „Metropolis“ (Film).
1928<br />
Die SPD geht mit den Deutschen<br />
Demokraten, der Deutschen Volkspartei<br />
und der Bayerischen Volkspartei eine<br />
große Koalition ein.<br />
Tschiang Kai-schek marschiert mit<br />
seiner nationalrevolutionären Armee in<br />
Peking ein.<br />
Der Polarforscher Amundsen kehrt von<br />
einem Flug über das Nordpolargebiet<br />
nicht zurück.<br />
Walt Disney bringt den ersten<br />
Tonfilm mit Mickey Maus als<br />
Hauptdarsteller heraus.<br />
Aufstieg der Schwedin Greta Garbo<br />
zum internationalen Filmidol.<br />
Erich Kästner: „Emil und die<br />
Detektive“ (Jugendroman).<br />
Bertolt Brecht/Kurt Weill:<br />
„Die Dreigroschenoper“.<br />
1929<br />
Tod des Außenministers<br />
Gustav Stresemann.<br />
Young-Plan zur Regelung<br />
der Reparationsfrage.<br />
Adam Opel AG wird vom<br />
US-Automobilkonzern General Motors<br />
übernommen.<br />
Der Turbinenschnelldampfer<br />
„Bremen“ des Norddeutschen Lloyd<br />
gewinnt das Blaue Band.<br />
Aufliegende Schiffe im Hamburger Hafen, 1931.<br />
ein großer Verlust entstanden wäre. In einigen Fällen war es auch so, dass<br />
man sich auf Basis der Frachten, welche von New Orleans in Aussicht gestellt<br />
wurden, einen geringen Verdienst ausrechnen konnte, während es sich später<br />
nach Beladung herausstellte, dass die tatsächlich erzielte Fracht niedriger<br />
war. Mein Bruder kümmerte sich schon damals wenig um die Einzelheiten im<br />
Geschäft, da er meistens erst gegen Mittag im Kontor erschien, er verstand es<br />
aber sehr gut im Nachhinein zu kritisieren und zu behaupten, dass man nicht<br />
auf ihn gehört und dass er alles viel besser gemacht hätte.<br />
Unter Panamaflagge. In den Jahren 1931–1932 wurde die Lage<br />
auf dem Frachtenmarkt allerdings so prekär, dass nichts weiter übrig blieb<br />
als die Schiffe aufzulegen, weil die einzelnen Rundreisen zeitweise mit M<br />
20.000,– bis M 30.000,– Verlust abschlossen.<br />
Bevor es hierzu kam, versuchten wir noch auf Wunsch meines<br />
Bruders den Dampfer „Vogtland“ dadurch in Fahrt zu halten, dass wir ihn<br />
unter der Panamaflagge fahren ließen. Wir taten es deshalb, weil man unter<br />
der Panamaflagge an keinen Lohntarif gebunden war, auch brauchten<br />
wir keine sozialen Abgaben zu bezahlen. Obgleich zu allen Zeiten Reedereien<br />
ihre Schiffe unter fremden Flaggen haben fahren lassen (die Engländer unter<br />
norwegischer Flagge, die Amerikaner unter englischer Flagge usw.), wurde<br />
durch unsere Maßnahme viel Staub aufgewirbelt, weil die sozialdemokratische<br />
Regierung fürchtete, der Flaggenwechsel könnte Schule machen und der<br />
von ihr aufgestellte Lohntarif sowie die sozialen Abgaben illusorisch werden.<br />
34 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Während das Angebot von Mannschaften so groß war, dass die Leute, welche<br />
sich anmustern lassen wollten, vor unserem Kontor bis auf die Straße<br />
Schlange standen, schrieben Berliner Zeitungen, z.B. das Berliner Tageblatt,<br />
dass wir zu unseren Löhnen keine Leute bekommen könnten. Infolge dieser<br />
wissentlich falschen Zeitungsmeldungen wurden wir nur noch mehr bestürmt<br />
und erhielten von allen Teilen Deutschlands Musterbücher zugesandt mit der<br />
Bitte um sofortige Einstellung.<br />
Wir haben dann mehrere Reisen unter der Panamaflagge ausgeführt<br />
mit dem Ergebnis, dass unsere Schiffe noch fahren konnten, als andere<br />
bereits aufliegen mussten. Der Kapitän und die Mannschaften waren<br />
denn auch sehr dankbar, dass sie zu den, wenn auch etwas geringeren Löhnen<br />
eine Anstellung hatten, während ihre Kollegen arbeitslos waren. Im Jahre<br />
<strong>Vogemann</strong>-Schiffe unter Panamaflagge<br />
In der deutschen Arbeiterbewegung erregte das von der Reederei <strong>Vogemann</strong><br />
1931 praktizierte Ausflaggen beträchtliche Empörung. Der Schriftsteller<br />
Erich Mühsam veröffentlichte dazu in der Zeitung „Welt am Montag“ am<br />
16. Februar 1931 ein satirisches Gedicht:<br />
Die nationale Würde steht<br />
bei <strong>Vogemann</strong>s im Vordergrund,<br />
und wer sich wider sie vergeht,<br />
der ist für sie ein Schweinehund.<br />
Für ihr von Verrat umdrohtes<br />
deutsches Vaterland erglüht<br />
immerdar ihr schwarzweißrotes,<br />
stahlbehelmtes Kampfgemüt.<br />
Sofern er ihnen nützlich sei,<br />
bejahen <strong>Vogemann</strong>s den Staat.<br />
Ansonsten schreit die Reederei:<br />
Pfui Panama! Landsverrat!<br />
<strong>Vogemann</strong>s sollen teure Steuern<br />
zahlen vom Profit? – Man nicht!<br />
Soll‘n sich beim Matrosenheuern<br />
scheren um soziale Pflicht?<br />
Die Firma zeigt‘s der Republik. -<br />
Und mit Verrecke! und Hurra!,<br />
mit Fridericus-Blechmusik<br />
schwenkt <strong>Vogemann</strong> den Panama.<br />
Runter mit der Gösch! – Au bagge!<br />
<strong>Vogemann</strong> lacht sich den Ast,<br />
und die Panamesen-Flagge<br />
flattert froh vom „Vogtland“-Mast.<br />
Das Schiffsvolk darbt. Die Firma spart.<br />
Volldampf voraus für das Geschäft!<br />
Fürs Vaterland geht‘s auf die Fahrt,<br />
für welches Vaterland? – Wie trefft! ...<br />
Das ist Deutschlands Heldenblüte<br />
(<strong>Vogemann</strong>s sind reichlich da!):<br />
Schwarzweißrötlich im Gemüte,<br />
und im Hauptbuch – Panama!<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 35<br />
Schwarzer Tag an der Wallstreet:<br />
Der historische Börsenkrach leitet eine<br />
Weltwirtschaftskrise ein.<br />
Erich Mühsam
Nobelpreis für Literatur<br />
geht an Thomas Mann.<br />
Konkordat zwischen dem Vatikan und<br />
dem faschistischen Regime in Italien<br />
Erich Maria Remarque: „Im Westen<br />
nichts Neues“ (Weltkriegsroman)<br />
1930<br />
Der Zentrumspolitiker Brüning bildet<br />
das erste Präsidialkabinett,<br />
die Regierung stützt sich auf<br />
Notverordnungen des Reichspräsidenten.<br />
Durchbruch der NSDAP bei den<br />
Reichstagswahlen.<br />
Alliierte räumen das Rheinland.<br />
„Salzmarsch“ der indischen<br />
Unabhängigkeitsbewegung<br />
gegen die britischen<br />
Kolonialherren.<br />
Max Schmeling besiegt<br />
Joe Sharkey und wird<br />
Weltmeister im Schwergewicht.<br />
Joseph von Sternberg:<br />
1932 wurden allerdings das Ladungsangebot so gering und die Frachten so<br />
schlecht, dass wir trotz Panamaflagge auch die „Vogtland“ auflegen mussten.<br />
Da ihre Klasse abgelaufen war, und wir in Anbetracht der schlechten Markt-<br />
lage die hohen Klassifikationskosten scheuten, haben wir das Schiff dann zum<br />
Abbruch verkauft, soweit ich mich entsinne, zum Preise von M 50.000,–. Die<br />
nationalsozialistische Regierung hatte allerdings für den Flaggenwechsel ge-<br />
nau so wenig Verständnis wie die frühere Regierung, sie machte ein Gesetz,<br />
dass nur diejenigen Reeder in den Genuss der Reichshilfe kommen sollten,<br />
welche keine Schiffe unter fremder Flagge fahren ließen. Da die zum Abbruch<br />
verkaufte „Vogtland“ noch unter der Panamaflagge auflag, konnte ich die ers-<br />
te Reichshilfe für Dampfer „Vogesen“ nicht erhalten, weil Dampfer „Vogtland“<br />
zu jener Zeit noch nicht von den Käufern übernommen und abgewrackt war.<br />
Die Jahre 1929–1933 waren für uns besonders verlustbringend,<br />
denn auch nach Auflegung der Dampfer hielten die Verluste an, und die Un-<br />
kosten in New Orleans und Rotterdam liefen weiter, ohne dass ihnen Einnah-<br />
men gegenüberstanden. Erst nachdem die nationalsozialistische Regierung<br />
die Reichshilfe einführte, wodurch ungefähr die gesamte monatliche Lohn-<br />
summe zu Lasten des Reiches ging, besserten sich die Zeiten für die Reeder.<br />
Dampfer „Vogesen“ wurde bald darauf wieder in Fahrt gesetzt.<br />
Ankäufe mit holländischem Geld. Es mag Anfang des Jahres<br />
1935 gewesen sein, als Herr Siemens, Leiter der <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co.<br />
uns darauf hinwies, dass durch Kredite in holländischen Gulden sogenannte<br />
Auswanderermark zu einem sehr vorteilhaften Kurse erworben werden könne.<br />
„Der blaue Engel“ (Film) Gedränge vor der Hamburger Arbeitsvermittlung für Seeleute.<br />
36 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Es gelang uns dann nach längeren Verhandlungen einen größeren Kredit von<br />
der Thomsen‘s Havenbedrijf, welchem wir im Laufe der Jahre viele Geschäfte<br />
zugewiesen hatten, zu erhalten. Gleichzeitig beteiligte sich die <strong>Vogemann</strong>‘s<br />
Transport Co. an diesem Kredit, so dass etwa Hfl. 60.000,– bis 70.000,– für den<br />
Erwerb von Auswanderermark zur Verfügung standen. Zum normalen Kurs<br />
waren dieses etwa RM 100.000,– bis 120.000,–, während wir an Auswanderermark,<br />
welche wir für den Ankauf eines Schiffes verwenden konnten, etwa RM<br />
300.000,– erhielten.<br />
Wir betrieben nun gleichzeitig den Ankauf des der Hamburg-<br />
Amerika Linie gehörenden Turbinendampfers „Schwarzwald“ zum Preis von<br />
M 330.000,–. Die Hapag konnte den Verkauf nicht sofort genehmigen, weil<br />
das Schiff erst in Amerika entpfändet werden musste. Der Kauf des Dampfers,<br />
welcher durch die Firma Knöhr & Burchardt vermittelt wurde, wurde<br />
daher vorbehaltlich Entpfändung abgeschlossen. Als nach einigen Monaten<br />
Die Auswanderermark<br />
In Deutschland herrschte bereits seit 1931 eine Devisenbewirtschaftung,<br />
die sich seit 1933 unter der Herrschaft des Nationalsozialismus<br />
massiv verschärfte. Sie führte bei Auswanderungen dazu, dass beim<br />
Umtausch von Reichsmark in Devisen erhebliche Abschlagszahlungen<br />
an die Deutsche Golddiskontbank fällig wurden. 1934 mussten bereits<br />
65 % der transferierten Gesamtsumme als Abgabe bezahlt werden,<br />
d.h. real konnten nur 35 % umgetauscht werden. Im Jahr 1939 waren<br />
es schließlich 96 %, die bei Auswanderung fällig wurden. Dieser<br />
Mechanismus funktionierte natürlich auch umgekehrt: Durch das Hereinholen<br />
von Devisen konnte man hohe Reichsmarkbeträge erwerben.<br />
Im geschilderten Fall, dem Ankauf eines Schiffes mit einem Kredit aus<br />
Holland, scheint es sich um ein solches Kopplungsgeschäft gehandelt<br />
zu haben: Hereinholen von Gulden, Auszahlung von RM-Beträgen aus<br />
jenen Abschlagszahlungen, die Auswanderer an die Golddiskontbank<br />
abgeführt hatten. Insofern hätte die Firma tatsächlich von Devisenbewirtschaftung<br />
auf der einen und Zwangsauswanderung auf der<br />
anderen Seite profitiert.<br />
Auskunft Dr. Frank Bajohr, Forschungsstelle für Zeitgeschichte<br />
Hamburg, September 2009<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 37<br />
1931<br />
Die deutsche Regierung verfolgt<br />
strikten Sparkurs, um den<br />
Haushalt zu sanieren.<br />
„Hoover-Moratorium“ zur Stundung<br />
der deutschen Reparationsleistungen.<br />
Die „nationale Opposition“ schließt sich<br />
zur „Harzburger Front“ zusammen.<br />
Konkurs der Darmstädterund<br />
Nationalbank.<br />
Einweihung des Empire State Building<br />
in New York.<br />
Carl Zuckmayer: „Der Hauptmann von<br />
Köpenick“ (Schauspiel).<br />
1932<br />
Arbeitslosenzahl auf dem<br />
Höchststand (6,1 Mio.).<br />
Hindenburg als Reichspräsident<br />
wiedergewählt.<br />
Die Autohersteller Audi, Horch, DKW<br />
und Wanderer schließen sich zur<br />
Auto-Union zusammen.<br />
Gustaf Gründgens tritt erstmals<br />
in der Rolle des Mephisto in<br />
Goethes „Faust“ auf.<br />
Hans Fallada: „Kleiner Mann –<br />
was nun?“ (Roman)<br />
Nächste Seite:<br />
Der Hamburger Hafen<br />
mit dem Luftschiff „Graf<br />
Zeppelin“. Panorama-<br />
Wandbild von Erich Kips,<br />
1931.
38 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 39
1933<br />
Hindenburg beruft Adolf Hitler<br />
zum Reichskanzler. Beginn der<br />
nationalsozialistischen Diktatur.<br />
Terror gegen Regimegegner.<br />
Auflösung der politischen Parteien,<br />
„Gleichschaltung“ von Verbänden<br />
und Organisationen. Aufhebung der<br />
Gewerkschaften, an ihre Stelle tritt die<br />
Deutsche Arbeitsfront.<br />
Austritt Deutschlands aus dem<br />
Völkerbund.<br />
Präsident Roosevelt begründet in den<br />
USA den „New Deal“ zur Reform des<br />
Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.<br />
1934<br />
Tod des Reichspräsidenten Hindenburg,<br />
Hitler ernennt sich zum<br />
Staatsoberhaupt.<br />
Mordaktion gegen die Führung der SA<br />
wegen angeblicher Vorbereitung eines<br />
Staatsstreiches.<br />
Putschversuch der Nationalsozialisten<br />
in Österreich scheitert.<br />
Zentralisierung der deutschen Justiz.<br />
Der Außenhandel des<br />
Deutschen Reiches wird unter<br />
staatliche Kontrolle gestellt.<br />
1935<br />
Rückgabe des Saargebietes an das<br />
Deutsche Reich.<br />
die Entpfändung perfekt wurde, wäre die Hapag am liebsten vom Verkauf des<br />
Dampfers wieder zurückgetreten, weil die Frachtraten inzwischen angezogen<br />
hatten. Da der Verkauf aber fest abgeschlossen war, konnte sie nicht mehr<br />
zurück.<br />
„Schwarzwald“ wird „Rheingold“. Wir hatten die Absicht, den<br />
Namen des Dampfers unverändert zu lassen, da „Schwarzwald“ und „Vogesen“<br />
gut zueinander passten, die Hapag bestand aber auf einer Namensänderung,<br />
und so entschieden wir uns dann, den alten Namen „Rheingold“ wieder auf-<br />
leben zu lassen.<br />
Mein Bruder hatte für den Ankauf des Dampfers „Rheingold“,<br />
trotz seines durch den holländischen Kredit außerordentlich billigen Preises,<br />
nur widerstrebend seine Einwilligung gegeben, es lag ihm mehr daran, seine<br />
Wertpapiersammlung zu vergrößern als wieder Schiffe in Fahrt zu setzen.<br />
Nachdem die ersten Reisen ein zufriedenstellendes Resultat<br />
ergeben hatten und mein Bruder auch zu der Überzeugung gekommen war,<br />
dass durch den Kredit von Thomsen‘s Havenbedrijf Dampfer „Rheingold“ zu<br />
einem Spottpreis erworben worden war, bemühten wir uns, auf der gleichen<br />
Basis ein zweites Schiff anzukaufen. Durch Vermittlung der Firma Daniel<br />
Milberg wurde uns der Dampfer „Lisa“ der Firma John T. Essberger für RM<br />
395.000,– angeboten. Dieser Preis war schon wesentlich höher als der für<br />
Dampfer „Rheingold“ bezahlte, dabei war Dampfer „Rheingold“ 1922 erbaut,<br />
Dampfer „Lisa“ dagegen im Jahre 1914. Trotzdem war aber auch dieser Kaufpreis<br />
sehr annehmbar, insbesondere weil wir nach Rückzahlung des ersten<br />
Kredites ein weiteres Darlehen von Thomsen‘s erhielten, so dass wir wiederum<br />
mit billiger Mark bezahlen konnten.<br />
Durch den Ankauf des Dampfers „Lisa“, welchen wir „Walküre“<br />
nannten, ging mein langersehnter Wunsch, für unsere Fahrten vom Golf drei<br />
eigene Dampfer zu besitzen, endlich in Erfüllung. Leider konnten die Schiffe<br />
in den letzten zwei Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg in der Golffahrt nicht so<br />
vorteilhaft beschäftigt werden wie auf anderen Routen, da die Dollarfrachten<br />
verhältnismäßig niedriger waren als die Markfrachten. Die Dollars mussten<br />
an die Reichsbank abgeliefert werden und wurden uns nur zum normalen<br />
Kurs gutgeschrieben. Wir entschlossen uns daher, Dampfer „Vogesen“ für 12<br />
Monate an die Firma Bornhofen auf Zeitcharter abzugeben. Der Gewinn war<br />
sehr hoch, denn das Schiff kostete uns nur etwa M 350,– pro Tag, während<br />
Bornhofen, soweit ich mich entsinne, M 850,– bis M 900,– an Chartermiete<br />
pro Tag bezahlte, so dass ein Gewinn von ca. M 500,– pro Tag verblieb. Auch<br />
40 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Dampfer „Rheingold“. Gemälde nach einer fotografischen Vorlage.<br />
Dampfer „Rheingold“, hier noch als „Schwarzwald“, im Hamburger Hafen.<br />
Dampfer „Rheingold“ wurde später in Zeitcharter abgegeben und zwar an die<br />
Deutsche Afrika Linie für eine Rundreise nach Südafrika. Die Chartermiete<br />
für die Südafrikareise war ca. M 1.100,– pro Tag, während die Tageskosten<br />
sich auf etwa M 700,– beliefen. Leider wurde Dampfer „Rheingold“ kurz nach<br />
Kriegsausbruch südlich Island beim Versuch, die Blockade zu durchbrechen,<br />
vom englischen Kreuzer „Delhi“ aufgebracht und mitsamt seiner Ladung beschlagnahmt,<br />
nachdem er einige Monate vorher gänzlich überholt und mit<br />
Ölfeuerung versehen war. Dampfer „Vogesen“ wurde am 6. Mai 1940 auf einer<br />
Reise mit Kohlen nach Oslo vor Göteborg torpediert. Dampfer „Walkü-<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 41<br />
„Nürnberger Gesetze“: Ächtung und<br />
Entrechtung der Juden in Deutschland.<br />
Deutsch-britisches Flottenabkommen<br />
ermöglicht maritime Aufrüstung.<br />
Italien führt Krieg gegen Abessinien.<br />
Ende des „Langen Marsches“<br />
der chinesischen Kommunisten<br />
unter Mao Zedong.<br />
Leni Riefenstahl: „Triumph des Willens“<br />
(NS-Parteitagsfilm).<br />
1936<br />
Deutsche Truppen besetzen<br />
die entmilitarisierte Zone des<br />
Rheinlandes.<br />
Ausbruch des spanischen<br />
Bürgerkrieges.<br />
Olympische Spiele finden in<br />
Deutschland statt.<br />
(Garmisch-Partenkirchen, Berlin).<br />
Hitlerjugend wird zur<br />
Staatsjugend erklärt.<br />
Die „Queen Mary“, derzeit größtes<br />
Schiff der Welt, auf Jungfernfahrt.<br />
Max Schmeling besiegt den „braunen<br />
Bomber“ Joe Louis.<br />
1937<br />
Hitler enthüllt seine Kriegspläne vor<br />
führenden Militärs und Politikern<br />
(„Hoßbach-Protokoll“).<br />
Stapellauf des KdF-Dampfers<br />
„Wilhelm Gustloff“.
Explosion des Luftschiffes<br />
„Hindenburg“ in Lakehurst<br />
bei New York.<br />
Ausstellung „Entartete Kunst“ in<br />
München.<br />
Carl Orff: „Carmina Burana“<br />
(szenische Kantate).<br />
1938<br />
Besetzung Österreichs („Anschluss“).<br />
Konferenz in München: Die<br />
Tschechoslowakei muss das Sudeten-<br />
land an das Deutsche Reich abtreten.<br />
Terror gegen die Juden in Deutschland<br />
mit Zerstörung der Synagogen,<br />
Morden und Verhaftungen<br />
(„Reichskristallnacht“).<br />
1939<br />
Einmarsch deutscher Truppen<br />
in die Tschechoslowakei.<br />
Sieg der Militärpartei unter General<br />
Franco in Spanien.<br />
Deutsch-sowjetischer Nichtangriffs-<br />
pakt mit geheimem Zusatzprotokoll<br />
zur Abgrenzung der Interessens-<br />
sphären in Nordosteuropa.<br />
Beginn des Zweiten Weltkrieges mit<br />
dem deutschen Angriff auf Polen.<br />
Übergang zur Kriegswirtschaft<br />
(Rationierungen, Steuererhöhungen).<br />
Seeblockade der Alliierten gegen das<br />
Deutsche Reich.<br />
re“ sank am 22. Dezember 1942 an der schwedischen Küste. Da es sich bei<br />
letzterem um einen Seeschaden handelte, mussten die Assekuradeure den<br />
Verlust bezahlen, und wir erhielten ca. M 900.000,– ausgezahlt. Um zu ver-<br />
meiden, dass dieses Geld vielleicht nach Kriegsende entwertet werden würde,<br />
hielten wir es für ratsam, uns noch an dem sogenannten Hansaprogramm zu<br />
beteiligen, laut welchem 100 Schiffe von 3.000 t Tragfähigkeit für die deutschen<br />
Reeder während des Krieges gebaut werden sollten. Die Baukosten<br />
dieser Schiffe betrugen je M 1.800.000,–. Hiervon bezahlte die Regierung M<br />
800.000,–, während der Reeder M 1.000.000,– aufzubringen hatte. Nachdem<br />
wir für Dampfer „Walküre“ von den Assekuradeuren M 900.000,– erhalten<br />
hatten, konnten wir den Preis für den Neubau ohne Aufnahme einer Anleihe<br />
bezahlen. Das Schiff, welches „Tannhäuser“ genannt wurde, übernahmen<br />
wir am 6. April 1944. Es hat nur zwei kurze Reisen ausgeführt und wurde<br />
auf seiner dritten Reise am 8. Juli 1944 westlich von Helgoland versenkt.<br />
1942 – Das Hansa-Bauprogramm<br />
Um Ersatz für die Kriegsverluste<br />
der deutschen Seeschiffahrt<br />
zu schaffen, lief 1942<br />
das Hansa-Bauprogramm an.<br />
Finanziert wurde es von acht<br />
großen deutschen Reederei-<br />
Hansa-Schiff, 3550 t (Entwurf)<br />
en, die für diesen Zweck die<br />
Schiffahrt Treuhand GmbH<br />
gründeten. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten die Liberty-Schiffe, sollten<br />
die Einheitsfrachter des Hansa-Bauprogramms in Serie nach feststehenden<br />
Mustern gebaut werden. Es gab drei Typen, ein kleiner zu 3000 t, ein mittlerer<br />
zu 5000 t und ein großer zu 9000 t. Die Deutsche Werft in Hamburg, der<br />
Bremer Vulkan und Schichau in Danzig fungierten als „Vorbauwerften“, die<br />
die ersten Exemplare fertigten. Wegen Rohstoffknappheit musste man auf<br />
den eigentlich zu spröden Thomasstahl zurückgreifen und kohlebefeuerte<br />
Dampfkessel und Kolbendampfmaschinen einbauen, die nicht mehr dem neuesten<br />
Stand der Technik entsprachen. Bis Kriegsende entstanden im Hansa-<br />
Bauprogramm insgesamt 65 Schiffe, von denen einige (nach Umrüstung auf<br />
Ölfeuerung der Kessel) noch bis in die späten 1970er Jahre fuhren.<br />
42 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Holzfahrt von Schweden und Finnland. Nach Verlust unserer<br />
Dampfer „Rheingold“ und „Vogesen“ durch Kriegsereignisse wurde uns<br />
als Entschädigung zuerst der schwedische Dampfer „Start“ im Juni 1940 als<br />
Eigentum überwiesen und unter dem Namen „Tristan“ in Fahrt gesetzt. Das<br />
Schiff war 1.700 BRT groß und hatte eine Tragfähigkeit von ca. 2.500 t. Es war<br />
für Kohlen-Holzladungen etc. sehr geeignet und machte sich in der Holzfahrt<br />
von Schweden und Finnland gut bezahlt, denn es lud etwa 750–780 Standards.<br />
Dampfer „Tristan“ ist im Februar 1943 auf der Reise von Danzig nach Reval<br />
verschollen, ohne dass uns irgendeine Nachricht erreicht hätte.<br />
Im April 1942 erhielten wir weiter noch den lettischen Dampfer<br />
„Everonika“ zugewiesen. Dieses Schiff, das wir in „Irma“ umtauften, wurde von<br />
uns für den Reichskommissar für die Seeschiffahrt bewirtschaftet. Es war ein<br />
Schiff von 3.757 BRT mit einer Gesamtladefähigkeit von ca. 6.100 t. Es ist am<br />
14. März 1944 an der norwegischen Küste aufgelaufen und gesunken.<br />
Im Laufe des Krieges erhielten wir weiter noch als Eigentum<br />
Dampfer „Rastenburg“ ‚ welcher bei der Übernahme im Dezember 1943 in Bordeaux<br />
lag und anschließend einige Reisen mit Erz von Bilbao nach Bordeaux<br />
ausführte. Die Raten für diese Ladungen waren sehr gut, so dass jede kurze<br />
Reise einen erheblichen Überschuss ließ. Leider konnten aber nur sechs bis<br />
sieben Reisen bis Kriegsende ausgeführt werden. Am 25. August 1944 wurde<br />
das Schiff in Bordeaux von unserer Kriegsmarine versenkt.<br />
Zerstörungen im Hamburger Hafen, 1943.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 43<br />
1940<br />
Deutsche Operation „Weserübung“<br />
gegen Dänemark und Norwegen.<br />
Angriff im Westen auf die Niederlande,<br />
Belgien und Frankreich.<br />
Handelskrieg gegen<br />
Großbritannien mit Überseestreitkräften<br />
und U-Booten.<br />
Luftschlacht um England mit<br />
deutscher Bomberoffensive<br />
gegen britische Städte.<br />
Lion Feuchtwanger: „Exil“ (Roman).<br />
1941<br />
Deutsche Truppen unter<br />
General Rommel unterstützen die<br />
Italiener in Nordafrika.<br />
Untergang des Schlachtschiffes<br />
„Bismarck“.<br />
Deutscher Angriff auf Russland<br />
(„Unternehmen Barbarossa“).<br />
Atlantik-Charta legt die Ziele<br />
der Westalliierten fest.<br />
Angriff der Japaner auf den<br />
US-Kriegshafen Pearl Harbor.<br />
Beginn des Krieges im Pazifik.
1942<br />
Wannsee-Konferenz zur Planung der<br />
Judenvernichtung im deutschen<br />
Herrschaftsbereich.<br />
Erster Start der Rakete A4<br />
in Peenemünde.<br />
Britischer Sieg in der Schlacht<br />
von El Alamein.<br />
Erstflug des Düsenjägers<br />
Me 262 „Schwalbe“.<br />
Erste kontrollierte Kettenreaktion<br />
im Rahmen des amerikanischen<br />
„Manhattan-Projekts“.<br />
1943<br />
Kapitulation der 6. Armee<br />
in Stalingrad.<br />
Italien scheidet aus dem Krieg aus.<br />
Offensive im Kursker Bogen scheitert.<br />
Schwere Luftangriffe auf Hamburg<br />
(„Unternehmen Gomorrha“).<br />
Erste Konferenz der<br />
„Großen Drei“ in Teheran.<br />
Am 20. Oktober 1944 erhielten wir zur Bewirtschaftung noch<br />
den finnischen Dampfer „Ursa“ (2.982 BRT), welcher einige Reisen für uns<br />
ausführte. Auch dieses Schiff wurde von unserer Kriegsmarine versenkt, und<br />
zwar am 24. April 1945 in Bremen, ohne dass irgend etwas vom Inventar oder<br />
Proviant geborgen werden konnte. Zum Schluss ist noch der lettische Damp-<br />
fer „Everiga“ zu erwähnen, welcher sich als Wrack in Libau befand und uns<br />
zur Betreuung überwiesen wurde; er sollte später von uns als Eigentum über-<br />
nommen werden. Nachdem das Schiff etwa ein halbes Jahr in Libau gelegen<br />
hatte und die dortige Marinewerft sich nicht entschließen konnte, ernstlich<br />
mit den Reparaturarbeiten zu beginnen, wurde es zur Werft von Burmeister &<br />
Wain in Kopenhagen geschleppt, um dort gründlich instandgesetzt zu werden.<br />
Bei Kriegsende war das Schiff nicht annähernd fertig. Es ist mir nicht bekannt,<br />
was aus ihm geworden ist, vermutlich haben es die Russen übernommen.<br />
Verlust aller Fahrzeuge. Nach dem Zusammenbruch im Mai<br />
1945 hatten wir nicht nur den Verlust unserer eigenen Schiffe, sondern auch<br />
sämtlicher uns während des Krieges zugeteilten Fahrzeuge zu beklagen. Das<br />
Der Rathausmarkt nach den Bombenangriffen von 1943. Im ausgebrannten Gebäude mit der<br />
runden Ecke am Eingang zur Mönckebergstraße befand sich der Firmensitz.<br />
44 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Büro der <strong>Vogemann</strong>, Goudriaan Co. Inc., New Orleans, konnte seit Eintritt der<br />
Vereinigten Staaten in den Krieg nicht weiter arbeiten, und der seit 1929 dort<br />
tätige Geschäftsleiter Horace Upton gab seine Stellung auf. Die in Amerika<br />
vorhandenen Werte sind zweifellos, wie auch im Ersten Weltkrieg, beschlagnahmt<br />
worden. Die <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co., Rotterdam hatte während des<br />
Krieges noch gut gearbeitet, da ihr auf Veranlassung des Herrn Siemens, welcher<br />
eine Zeitlang beim Reichskommissar für die Seeschiffahrt tätig war, die<br />
Betreuung der holländischen Seeleute übertragen wurde. Die Überschüsse<br />
aus dieser Tätigkeit wurden in holländischen Wertpapieren angelegt, welche<br />
bei der Besetzung Hamburgs durch die Engländer sofort abgeliefert werden<br />
mussten, wie auch die ausländischen Wertpapiere der <strong>Vogemann</strong>, Goudriaan<br />
Co. Inc., welche sich in Hamburg befanden.<br />
Das einzige Geschäft, welches uns bei Kriegsende verblieb, war<br />
die Entlöschung und Beladung von Dampfern der Militärregierung, sowie einige<br />
Aufräumungsarbeiten im Hafen für Rechnung der Behörde für Stromund<br />
Hafenbau. Unsere Forderungen an das Kriegsschädenamt betragen M<br />
1.000.000,– für den Verlust des Dampfers „Tannhäuser“, etwa M 950.000,– für<br />
Dampfer „Rheingold“ und etwa M 250.000,– für Dampfer „Vogesen“. Ferner ist<br />
noch der Wert des Inventars und der Ausrüstung zu vergüten, so dass sich die<br />
Gesamtforderung an das Kriegsschädenamt auf etwa M 2 ½ Millionen beläuft.<br />
Die Büroräume wurden einige Monate nach Kriegsende nach der<br />
Mönckebergstraße 31 verlegt. Das im Jahre 1911 bezogene Kontor in der Mönckebergstraße<br />
22 brannte im Juli 1943 in den Katastrophentagen vollkommen aus,<br />
während das von der Reederei Heinrich F.C. Arp in der Mönckebergstraße 9 zur<br />
Verfügung gestellte Kontor im Juli 1944 durch einen Bombenangriff vollständig<br />
zerstört wurde. Von Juli 1944 bis Oktober 1945 wurde das Geschäft behelfsmäßig<br />
in der Privatwohnung, Skagerrakstraße 1 a, später im 2. Stock der Deutschen<br />
Bank und nach Beschädigung des Bankgebäudes in einem Raum der Assekuranzfirma<br />
Heinrich Heins in der Bohnenstraße 12/14 betrieben.<br />
Die letzten Kriegsjahre hat mein Bruder nicht mehr miterlebt.<br />
Er litt seit Anfang 1943 an Lungenkrebs und verschied am 22. April 1944,<br />
nachdem er noch im Juli 1943 das elterliche Haus, in dem er wohnte, in den<br />
Katastrophentagen verloren hatte. Seit dem Tode meines Bruders bin ich alleiniger<br />
Inhaber der Firma H. <strong>Vogemann</strong>, welche ich zuerst im Jahre 1906<br />
und zum zweiten Male im Jahre 1918 habe neu aufbauen müssen, um dann<br />
am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wieder vor einem Nichts zu stehen.<br />
Hoffentlich gelingt mir der Aufbau noch ein drittes Mal, um meinem Sohn<br />
Herbert eine Reederei mit eigenem Schiff hinterlassen zu können.<br />
Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 45<br />
1944<br />
Alliierte Landung in der Normandie.<br />
Sowjetische Großoffensive gegen die<br />
Heeresgruppe Mitte.<br />
Attentat gegen Hitler schlägt fehl.<br />
Bildung des „Volkssturms“ aus<br />
Männern zwischen 16 und 60 Jahren.<br />
Sowjets rücken in Ostpreußen ein.<br />
1945<br />
Konferenz der Großen Drei in Jalta.<br />
Schwerer Luftangriff auf Dresden.<br />
Sowjets erobern Berlin. Selbstmord<br />
Adolf Hitlers im Bunker unter der<br />
Reichskanzlei.<br />
Bedingungslose Kapitulation der<br />
deutschen Streikräfte.<br />
Potsdamer Konferenz zur<br />
Nachkriegsordnung Europas.<br />
Atombombenabwürfe auf Hiroshima<br />
und Nagasaki.<br />
Ende des Zweiten Weltkrieges mit der<br />
Kapitulation Japans.
46 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Kapitel 2<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
Nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg<br />
47
1946<br />
Unter dem Druck der Sowje-<br />
tischen Militäradministration<br />
vereinigen sich in Ost-Berlin<br />
SPD und KPD zur SED.<br />
US-Außenminister Byrnes lei-<br />
tet mit einer Rede in Stuttgart<br />
die Neuorientierung der west-<br />
lichen Besatzungspolitik ein.<br />
In Hamburg beginnen die<br />
Arbeiten für die Hochhaussied-<br />
lungen am Grindelberg, der<br />
ersten deutschen Hochhaus-<br />
siedlung.<br />
Erste Vollversammlung der<br />
Vereinten Nationen in London.<br />
Nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg<br />
Richard <strong>Vogemann</strong>s Hoffnung hat sich erfüllt. Ihm, seinem Sohn Herbert<br />
und seinem Schwiegersohn Paul Speckter gelang ein dritter Anlauf nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg. Die nachfolgende Darstellung basiert vor allem auf<br />
den Erinnerungen von Paul Speckter und auf denen von Udo Wiese, der 1968<br />
ins Geschäft eintrat und seit 1978 als Partner beteiligt ist.<br />
A<br />
nfangs sah es jahrelang nicht sonderlich vielversprechend aus<br />
für Firmen, die im Schifffahrtsgewerbe an ihre vormaligen Ge-<br />
schäfte anknüpfen oder sich neu ausrichten wollten. Es gab so<br />
gut wie keinen Schiffsraum, und den allenfalls vorhandenen<br />
durften deutsche Betriebe nicht nutzen. In der Kontrollratsproklamation Nr.<br />
2 der Siegermächte vom 20.9.1945, die Hamburg besonders schwer traf, hieß<br />
es in Abschnitt VII:<br />
„23. a) Kein Handelsschiff, einschl. Fischerei oder anderer Schif-<br />
fe, darf von irgendeinem deutschen Hafen, es sei denn mit der Erlaubnis oder<br />
auf Befehl der Alliierten Vertreter, auslaufen. Deutsche Schiffe in Häfen au-<br />
ßerhalb Deutschlands müssen im Hafen verbleiben, und diejenigen, die sich<br />
auf hoher See befinden, müssen den nächsten deutschen Hafen oder den<br />
nächsten Hafen der Vereinten Nationen anlaufen und dort bis zum Eintreffen<br />
der Anweisungen der Alliierten Vertreter verbleiben.<br />
b) Die gesamte deutsche Handelsflotte, einschl. Schiffsraum<br />
unter Konstruktion oder Reparatur, muß den Alliierten Vertretern für die<br />
von ihnen vorgeschriebene Verwendung zu deren Bedingungen verfügbar ge-<br />
macht werden.<br />
c) Ausländische Handelsschiffe in deutschem Dienst oder unter<br />
deutscher Kontrolle müssen gleichfalls den Alliierten Vertretern für die von<br />
ihnen vorgeschriebene Verwendung und zu deren Bedingungen verfügbar ge-<br />
macht werden. In Fällen, in denen es sich um ausländische Handelsschiffe<br />
handelt, die in einem neutralen Land eingetragen sind, müssen die deutschen<br />
48 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Der zerstörte Schuppen 28 am Petersenkai. Große Teile des Hamburger Hafens lagen nach<br />
Kriegsende in Trümmern.<br />
Behörden alle die von den Alliierten Vertretern benötigten Schritte unternehmen,<br />
um alle diesbezüglichen Rechte an die Alliierten Vertreter zu übertragen<br />
oder die Übertragung zu veranlassen.<br />
d) Jede Unterstellung unter irgendeine andere Flagge, anderen<br />
Dienst oder andere Kontrolle der unter die Unterparagraphen b) und c) oben<br />
fallenden Schiffe ist verboten, soweit sie nicht von den Alliierten Vertretern<br />
angeordnet wird.“<br />
Das kam einem nahezu lückenlosen Betätigungsverbot für<br />
Firmen wie H. <strong>Vogemann</strong> gleich, die ohnedies mit schweren Problemen zu<br />
kämpfen hatten. Mehrmals war im Kriege das gesamte Büro durch Bombeneinwirkung<br />
verloren gegangen; jetzt (seit Oktober 1945) „residierte“ man<br />
in zwei kleinen Zimmern im 2. Stock des beschädigten Bürohauses in der<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
49<br />
Abwurf von Atombomben über<br />
dem Bikini-Atoll im Stillen<br />
Ozean.<br />
In Nürnberg werden die<br />
Todesurteile an zehn Hauptkriegsverbrechern<br />
vollstreckt.<br />
Hermann Göring hat zuvor<br />
Selbstmord begangen.
Abkommen über die<br />
wirtschaftliche Vereini-<br />
gung der US-Zone und der<br />
britischen Besatzungszone<br />
Deutschlands.<br />
Mit dem Vespa-Roller<br />
kommt ein neuer Typ von<br />
Zweirad auf den Markt.<br />
Gründung der Zeitung<br />
„Neues Deutschland“ als<br />
Zentralorgan der SED.<br />
Der Rowohlt Verlag gibt<br />
die ersten Rotationsroma-<br />
ne (rororo) heraus.<br />
Wolfgang Staudte: „Die<br />
Mörder sind unter uns“<br />
(Film mit Hildegard Knef).<br />
1947<br />
Versorgungskrise in West-<br />
deutschland wegen des<br />
langanhaltenden Winters.<br />
US-Außenminister<br />
Marshall kündigt ein<br />
Mönckebergstraße 31. „Man“, das waren Richard <strong>Vogemann</strong>, sein seit 1944<br />
eingetragener Prokurist Johannes Jaensch und der seit 1942 für <strong>Vogemann</strong><br />
tätige Hermann Friedenauer. Hinzu kamen sozusagen außer Haus die beiden<br />
langjährigen Stauervize Hermann Behrendt und Willi Preuss.<br />
Neuanfang unter erschwerten Bedingungen. Betriebsmittel<br />
standen im Grunde fast keine zur Verfügung, denn schon am 4. Juni zuvor<br />
hatte <strong>Vogemann</strong> auf Anordnung der Finance Section der Militärregierung<br />
sämtliche ausländischen Vermögenswerte an die Reichsbankhauptstelle<br />
Hamburg zu melden. Sie wurden in die Urkundenrolle Nr. 1945/1353 einge-<br />
tragen und durch den Notar Dr. Gottfried Wäntig beglaubigt. Kostenpunkt 4<br />
Reichsmark (RM) zuzügl. 2 Prozent Umsatzsteuer, insgesamt also RM 4,08.<br />
Die wenigsten Menschen – meist nicht einmal diejenigen, die<br />
diese Zeit bewusst mitgemacht haben – vermögen sich heute die Bedingun-<br />
gen vorzustellen, unter denen in der unmittelbaren Nachkriegszeit gelebt und<br />
gearbeitet werden musste. Angestellte wie Firmeninhaber hangelten sich von<br />
einem Notbehelf zum anderen, suchten durch Tauschen und „Organisieren“<br />
das Nötigste zu ergattern und bedienten sich, mit wie schlechtem Gewissen<br />
auch immer, notfalls auf dem Schwarzmarkt, sofern sie noch über Tauschbares<br />
verfügten. Vergleichsweise fein raus waren zu Beginn der Zuteilungsperioden<br />
die Nichtraucher, denn mit ihren begehrten Rauchermarken konnten sie<br />
manches sonst nicht Erschwingliche erwerben.<br />
Es fehlte an allem. Das Büro war zunächst nicht einmal heizbar.<br />
Gottlob gelang noch vor Einbruch der kalten Zeit der Einbau eines Ofens,<br />
dessen Abzugsrohr mangels Schornstein durch eine Klappe im Fenster geführt<br />
wurde. Eine schöne Errungenschaft, doch angesichts der dramatischen<br />
Brennstoffknappheit nur dann eine Lösung, wenn man irgendwoher Verfeuerbares<br />
bekam. Die Trümmergrundstücke waren „abgegrast“, die Parks bewacht,<br />
die Wälder zu weit draußen vor der Stadt und außerdem kaum Transportmittel<br />
vorhanden. Wer nicht frieren wollte, musste Gerümpel aus dem eigenen<br />
Keller oder Gesträuch aus dem Garten heranschaffen. Zwar ließ sich das nicht<br />
durchgängig leisten, doch kam das Büro mit einigem Glück und Geschick über<br />
die harten Winter 1945/46 und 1946/47.<br />
Gegen die ständigen Stromabschaltungen hingegen gab es kein<br />
Rezept; die Bürotätigkeit musste immer wieder, manchmal mehrere Stunden<br />
lang, unterbrochen werden. Telefonieren geriet beim notorisch überlasteten,<br />
vom Krieg schwer mitgenommenen Netz zur Glücksache, und Ferngespräche<br />
kamen so gut wie überhaupt nicht zustande. Geringfügige Einkünfte wurden<br />
50 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Richard <strong>Vogemann</strong>. Altersporträt.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
51<br />
Wiederaufbauprogramm<br />
für Europa an (Marshall-<br />
Plan, ERP).<br />
Auflösung des Staates<br />
Preußen.<br />
Die ostdeutschen Minister<br />
verlassen die Münchener<br />
Ministerkonferenz zur<br />
Bildung einer deutschen<br />
Zentralverwaltung.<br />
Kommunistische Parteien<br />
beschließen die Gründung<br />
eines Informationsbüros<br />
(Kominform).<br />
Nach neunjähriger Unterbrechung<br />
findet wieder<br />
ein „Hamburger Dom“<br />
auf dem Heiligengeistfeld<br />
statt.<br />
Kartoffelkäferplage in<br />
Bayern, Schulkinder und<br />
Erwachsenen beteiligen<br />
sich am Kartoffelkäfer-<br />
Suchdienst.<br />
Hein ten Hoff wird<br />
Deutscher Meister im<br />
Boxschwergewicht.<br />
Wolfgang Borchert:<br />
„Draußen vor der Tür“<br />
(Drama).
1948<br />
Ende der Alliierten Viermäch-<br />
teverwaltung (Kontrollrat).<br />
Zollunion zwischen<br />
Belgien, den Niederlanden und<br />
Luxemburg tritt in Kraft.<br />
Der Parlamentarische Rat<br />
beginnt mit der Ausarbeitung<br />
des Grundgesetzes für die<br />
Bundesrepublik Deutschland.<br />
Währungsreform: Einführung<br />
der D-Mark in Westdeutsch-<br />
land.<br />
Gründung der kommunisti-<br />
schen Jugendorganisation<br />
„Junge Pioniere“ in Ost-Berlin.<br />
Die Sowjets blockieren West-<br />
berlin, um die Einführung der<br />
D-Mark zu verhindern.<br />
Die Alliierten richten eine<br />
Luftbrücke zur Versorgung der<br />
Bevölkerung ein.<br />
Eröffnung der Freien<br />
Universität Berlin.<br />
Ausrufung des souveränen<br />
Staates Israel. Beginn des<br />
Krieges mit den arabischen<br />
Nachbarn.<br />
Gründung der Organisation<br />
für europäische wirtschaftli-<br />
che Zusammenarbeit (OEEC).<br />
Ermordung des indischen<br />
Politikers Mahatma Gandhi.<br />
anfangs fast nur durch Aushilfsarbeiten erzielt, wenn etwa unter Mitwirkung<br />
der beiden Stauervize Räumkolonnen gebildet wurden, die bei der Schutt-<br />
und Trümmerbeseitigung zum Einsatz kamen.<br />
Im August 1945 war der Sohn des Chefs, Herbert <strong>Vogemann</strong>,<br />
aus Kriegsgefangenschaft zurückgekommen und wieder „unter die Lebenden“<br />
aufgenommen worden: Das Ortsamt Winterhude, Abteilung Wirtschaft und<br />
Ernährung, „genehmigte“ seine Heimkehr und bescheinigte: „Lebensmittelkarten<br />
können ausgegeben werden.“ Arbeit in der väterlichen Firma gab es<br />
nicht, und das kam den Plänen des jungen Mannes entgegen, der sonst womöglich<br />
gleich eingespannt worden wäre. So konnte er, von Haus aus an allen<br />
Schifffahrtsdingen natürlich hoch interessiert, eine Lehre bei der Firma Carl<br />
Bock & Co. antreten, bei der er schon 1944 als Aushilfe gearbeitet hatte. Die<br />
Prägung, die er dort erfuhr, sollte sich später für das Familienunternehmen<br />
auszahlen.<br />
Erst ein Jahr nach Kriegsende begann sich der Horizont ganz<br />
leicht aufzuhellen: Firmen, die von der Verwaltung für Verkehr des Vereinigten<br />
Wirtschaftsgebietes als „unbedenklich“ eingestuft wurden, und <strong>Vogemann</strong><br />
gehörte zu diesem bevorzugten Kreis, wurden zum Entlöschen und Beladen<br />
August 1945: Das Ortsamt Winterhude bestätigt die Rückkehr<br />
Herbert <strong>Vogemann</strong>s aus der Kriegsgefangenschaft.<br />
52 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Um die Firma wechseln zu dürfen, musste das Arbeitsamt gefragt werden.<br />
ausländischer Schiffe herangezogen, die Hamburg anliefen. Die beiden Vize<br />
Preuss und Behrendt holten sich dafür die erforderlichen Hafenarbeiter „vom<br />
Stall“. So hieß im Hafenjargon die Stelle, wo Hilfskräfte tageweise zu Stauerarbeiten<br />
eingeteilt wurden.<br />
Als „unbedenklich“ konnten natürlich nur Betriebe gelten, die<br />
nicht „braun“ belastet waren. Um das festzustellen, lud der „Fachausschuss 18<br />
d für die Ausschaltung von Nationalsozialisten“ Richard <strong>Vogemann</strong> im Sommer<br />
1946 vor. Die penible Befragung erbrachte keinerlei Anhaltspunkte für<br />
wie auch immer geartete Vorbehalte, und am 5. Mai 1947 hielt <strong>Vogemann</strong> die<br />
Bescheinigung in Händen, nach der seine „Stellung als Inhaber Ihrer Firma<br />
bestätigt“ sei. Weiter hieß es – man konnte ja nicht vorsichtig genug sein – :<br />
„Diese Mitteilung ist widerruflich im Falle anderslautender Entscheidung der<br />
Militärregierung.“<br />
Lockerung der Restriktionen. An eine Wiederaufnahme der<br />
Reederei-Tätigkeit war allerdings noch lange in keiner Weise zu denken.<br />
Gleichwohl war Richard <strong>Vogemann</strong> intensiv darum bemüht, die durch den<br />
Krieg unterbrochenen und beschädigten Verbindungen mit ausländischen<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
53<br />
1949<br />
Das Grundgesetz wird im Parlamentarischen<br />
Rat mit 53 zu 12<br />
Stimmen angenommen. Entscheidung<br />
für Bonn als Hauptstadt der<br />
Bundesrepublik (statt Frankfurt).<br />
Gründung der Bundesrepublik in<br />
den drei Westzonen. In der sowjetisch<br />
besetzten Zone konstituiert<br />
sich die Deutsche Demokratische<br />
Republik (DDR).<br />
Nach dem Sieg über den Nationalisten<br />
Chiang Kai-shek verkündet<br />
Mao Zedong die Gründung der<br />
Volksrepublik China.<br />
Die osteuropäischen Staaten bilden<br />
einen Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe.<br />
Ende der Blockade Westberlins.<br />
Gründung der NATO.<br />
Schaffung des Europarates mit Delegierten<br />
aus zunächst 10 Staaten.
Borgward präsentiert<br />
den ersten vollkommen<br />
neukonstruierten Nach-<br />
kriegs-Personenwagen<br />
(„Hansa 1500“)<br />
C.W. Ceram, „Götter, Gräber<br />
und Gelehrte“ (Geschichte<br />
der Archäologie)<br />
Nach ihrem Sieg bei der<br />
Bürgerschaftswahl führt<br />
die SPD die sechsjährige<br />
Grundschule in Hamburg<br />
ein.<br />
1950<br />
Der französische<br />
Außenminister Schuman<br />
legt den Plan für eine<br />
Montanunion vor.<br />
Beginn des Koreakrieges.<br />
In Paris wird das<br />
Abkommen über die<br />
Europäische Zahlungsunion<br />
(EPU) unterzeichnet.<br />
Erstes Nachkriegs-<br />
Länderspiel der Deutschen<br />
Fußballmannschaft (gegen<br />
die Schweiz).<br />
Geschäftspartnern neu zu knüpfen und Pläne für spätere gemeinsame Pro-<br />
jekte zu erörtern. Insbesondere war ihm an guten Kontakten nach England<br />
und Übersee gelegen; wichtigste Firma dabei war Simpson, Spence & Young<br />
(SSY), die sowohl einen Sitz in London, als auch einen in New York unterhielt.<br />
Auf der Basis solcher Beziehungen wollte <strong>Vogemann</strong> wieder ei-<br />
nen regelmäßigen Dienst zwischen nordeuropäischen und an der Ostküste<br />
der USA gelegenen Häfen eröffnen, sobald die Militärregierung ihre Restrik-<br />
tionen lockern würde. Auf Dauer würden sich deutsche Unternehmen nicht<br />
vom internationalen Seehandel aussperren lassen. Eigene Schiffe kamen<br />
dafür sicher zunächst nicht in Frage, weswegen geplant war, ausländische<br />
Tonnage zu chartern.<br />
Das bestätigte sich, als <strong>Vogemann</strong> unter der Nummer 11/0018<br />
am 1. April 1949 die bis 31. März des Folgejahrs befristete Erlaubnis erhielt<br />
„zur Betätigung im internationalen Handel gemäß Bestimmungen der Anwei-<br />
sung Nr. 11 der JEIA (Joint Export Import Agency)“. Die Firma durfte mithin<br />
wieder als Schiffsagent, Schiffmakler, Reederei und Stauerbetrieb auftreten.<br />
Das war eine Folge des am 1. Januar 1947 erfolgten Zusammenschlusses des<br />
Wirtschaftsraums der britischen und der amerikanischen Besatzungszone<br />
zur so genannten Bizone, im März 1948 durch Hinzutritt der französischen<br />
Besatzungszone zur Trizone erweitert, und der im Juni 1948 durchgeführten<br />
Barkassen bringen Hafenarbeiter zu ihren Arbeitsstätten. Foto von 1951.<br />
54 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Währungsreform, bei der die Reichsmark (RM) von der Deutschen Mark (DM)<br />
abgelöst worden war.<br />
Herbert <strong>Vogemann</strong> tritt ein. Die Handels-Genehmigung konnte<br />
allerdings jederzeit von der Transport Group des BICO (Bipartite Control<br />
Office) im Einvernehmen mit der JEIA oder von der Verwaltung für Verkehr<br />
bei Vorliegen stichhaltiger Gründe widerrufen werden. Entsprechend genau<br />
mussten die Auflagen der JEIA eingehalten werden. Zahlungen für sämtliche<br />
Leistungen des Inhabers im Dienst ausländischer Auftraggeber durften nur<br />
zugunsten des Kontos der Militärregierung geleistet werden. Trotz der strengen<br />
Reglementierungen wurde die Genehmigung als wichtiger Fortschritt<br />
beim Bemühen um mehr Handlungsspielraum für deutsche Unternehmen<br />
gewertet.<br />
Unterdessen hatte der Junior Herbert <strong>Vogemann</strong> sein Lehre als<br />
Schifffahrtskaufmann bei der Firma Carl Bock & Co. erfolgreich abgeschlossen.<br />
Seine erste Stelle fand er bei der Hamburger Zweigstelle der traditionsreichen<br />
englischen Schifffahrts-Agentur Hogg Robinson. Aufgrund seiner<br />
perfekten englischen Sprachkenntnisse orientierte er sich dort rasch und war<br />
zuständig für die Betreuung englischer Schiffe, die vermehrt den Hafen Hamburg<br />
anliefen, weil er in der britischen Besatzungszone lag (Bremerhaven und<br />
Bremen hingegen standen unter US-Kontrolle). Durch Aufenthalte in London<br />
und Montreal vertiefte er seine Erfahrungen, die ihm dann seit 1949 rund<br />
ein Jahr lang bei der Firma Strachan Shipping Agency in New Orleans zugute<br />
kamen. Mit ihr war H. <strong>Vogemann</strong> schon vor dem Krieg freundschaftlich<br />
verbunden gewesen. Ebenso mit dem Unternehmen Glaessel in New York, wo<br />
sich Herbert auch kurze Zeit aufhielt, ehe er die Heimreise antrat.<br />
Im Sommer 1950 trat er in das väterliche Geschäft ein und setzte<br />
sogleich neue Akzente. Er sah, wie intensiv, aber vergeblich der Vater um<br />
Wiederaufnahme der Schifffahrtslinie bemüht war. Die Alliierten schienen<br />
vorerst nicht daran zu denken und würden es vermutlich noch länger nicht<br />
in Erwägung ziehen, wieder deutsche Konkurrenz im Liniendienst zuzulassen.<br />
Als klare Schlussfolgerung daraus ergab sich für Herbert, dass man es wenigstens<br />
fürs Erste mit einer anderen Schwerpunktbildung versuchen sollte:<br />
Die alten, von ihm und vom Vater wieder aktivierten Geschäftsverbindungen<br />
legten es nahe, sich auf die Tätigkeit als Befrachtungsmakler zu konzentrieren.<br />
So einfach freilich war auch das nicht. Der Erfolg hing entscheidend<br />
davon ab, wie rasch man Kontakte knüpfen und auf Änderungen reagie-<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
55<br />
Aufhebung aller Rationierungsmaßnahmen<br />
mit<br />
Ausnahme von Zucker.<br />
Rücktritt von Bundesminister<br />
Heinemann wegen der<br />
geplanten deutschen<br />
Wiederbewaffnung.<br />
In Ost-Berlin wird die<br />
Ruine des Stadtschlosses<br />
gesprengt.<br />
Die Alliierte Hohe Kommission<br />
hebt den Lizenzzwang<br />
für politische Parteien auf.<br />
Eröffnung der ersten<br />
Nachkriegs-Spielwarenmesse<br />
in Nürnberg.<br />
Einmarsch chinesischer<br />
Truppen in Tibet.<br />
1951<br />
Die Bundesrepublik wird<br />
Vollmitglied im Europarat.<br />
Das „Wohnungsbau-<br />
Prämiengesetz“ verschafft<br />
Beziehern kleiner Einkommen<br />
die Möglichkeit,<br />
Eigenheime zu erwerben.<br />
Verleihung des<br />
Friedenspreises des<br />
deutschen Buchhandels<br />
an Albert Schweitzer.
Verbot der kommunistischen<br />
Jugendorganisation FDJ in<br />
der Bundesrepublik.<br />
Einrichtung eines<br />
Zollgrenzbezirks an der<br />
Grenze zur DDR.<br />
Chinesische Truppen greifen<br />
in den Koreakrieg ein.<br />
Skandal um den Film<br />
„Die Sünderin“.<br />
Abkommen über den Inter-<br />
zonenhandel zwischen der<br />
Bundesrepublik und der DDR.<br />
Ernst von Salomon:<br />
„Der Fragebogen“.<br />
1952<br />
Unterzeichnung des Wieder-<br />
gutmachungsabkommens<br />
mit Israel.<br />
Der Bundestag nimmt das<br />
Gesetz über den Lastenaus-<br />
gleich an.<br />
Die sowjetische Regierung<br />
schlägt Abschluss eines<br />
Friedensvertrages mit<br />
Deutschland vor („Stalin-<br />
Note“).<br />
Die Bundesrepublik tritt dem<br />
Internationalen Währungs-<br />
fonds (IWF) bei.<br />
ren konnte. War dies innerhalb der Bundesrepublik schon schwierig aufgrund<br />
des noch längst nicht überall und in der erwünschten Qualität wiederherge-<br />
stellten Fernsprechnetzes, so kam es dauernd zu Problemen bei den für den<br />
Schifffahrtssektor lebenswichtigen Auslandsverbindungen.<br />
Umzug in den Fölsch-Block. <strong>Vogemann</strong> besaß seinerzeit nur<br />
zwei Telefonanschlüsse und bekam auf Herberts dringende Vorstellungen<br />
hin 1950 den ersten Fernschreiber (Telex-Gerät). Doch auch der war, mit ei-<br />
nem schwäbischen Wort gesagt, eher ein Pötäterle (von französisch peut-<br />
être = vielleicht), das mal funktionierte, bisweilen aber auch streikte oder<br />
den Schneckengang einlegte: Wollte man eine ausländische Firma erreichen,<br />
musste Frankfurt angeschrieben werden, von wo oft lange keine Reaktion er-<br />
folgte. Hatte man endlich den Kontakt, musste man die gewünschte Nummer<br />
durchgeben und konnte von Glück sagen, wenn Frankfurt bei deren Erreichen<br />
nach zuweilen erheblichen Wartezeiten zurückrief – für den Geschäftserfolg<br />
keineswegs immer rechtzeitig.<br />
Büro und Büroausrüstung verbesserten sich, als Anfang der<br />
1950er Jahre gegenüber vom Rathaus ein Komplex mit Geschäftsräumen er-<br />
56 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />
Der früh verstorbene<br />
Herbert <strong>Vogemann</strong>.
Im neu errichteten Fölsch-Block am Rathausmarkt konnte die Reederei Büroräume beziehen.<br />
richtet wurde, der so genannte Fölsch-Block (Name nach den Bauherren, den<br />
Erben des Hamburger Kaufmanns H. C. J. Fölsch). <strong>Vogemann</strong> mietete darin<br />
vier Zimmer und stattete sie nach damaligem Standard recht modern aus und<br />
hatte nun sogar vier Telefonanschlüsse. Nur wer das Provisorium in der Mönckebergstraße<br />
kannte, konnte ermessen, was das für ein großer Fortschritt<br />
war. Zwei weitere junge Schifffahrtsleute traten zu dieser Zeit in die Firma ein,<br />
die Herren von Hein und Hinsch.<br />
Die offizielle Arbeitszeit reichte Montags bis Freitags von 9 bis<br />
18 Uhr bei einer Stunde Mittagspause, am Sonnabend nur bis 14 Uhr; seit<br />
1962 erschien am Sonnabend nur noch die halbe Besatzung, 1970 wurde sie<br />
auf einen Befrachter im Notdienst reduziert, und von 1978 an war der letzte<br />
Werktag der Woche arbeitsfrei. Selbstverständlich waren alle Mitarbeiter,<br />
auch die Bürodamen, bereit, Überstunden zu machen, wenn es der Arbeitsanfall<br />
erforderte.<br />
Das war für Gernesser und Kaffeefreunde nicht immer leicht,<br />
weil <strong>Vogemann</strong> senior, der bis in sein letztes Lebensjahr 1969 ins Büro kam,<br />
es nicht schätzte, wenn während der Arbeitszeit gegessen oder Kaffee getrunken<br />
wurde. „Wir sind Schiffsmakler und kein Kaffeehaus!“ stellte er kate-<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
57<br />
Staatsstreich in Ägypten.<br />
König Faruk geht ins Exil.<br />
Explosion der ersten Wasserstoffbombe.<br />
An den Olympischen Spielen<br />
in Oslo und Helsinki nehmen<br />
erstmals wieder deutsche<br />
Sportler teil.<br />
Im Hamburger Springer-<br />
Verlag erscheint das erste<br />
Exemplar der „Bildzeitung“<br />
Der Nordwestdeutsche Rundfunk<br />
beginnt mit Fernsehübertragungen.<br />
Robert Jungk: „Die Zukunft<br />
hat schon begonnen“.<br />
1953<br />
Volksaufstand in der DDR.<br />
Sieg der CDU/CSU bei der<br />
Bundestagswahl.<br />
Verbot der rechtsradikalen<br />
Sozialistischen<br />
Reichspartei (SRP).
Hillary und Tensing bestei-<br />
gen den Mount Everest.<br />
Elisabeth II. wird zur Königin<br />
von England gekrönt.<br />
„Tauwetter“ in der<br />
sowjetischen Führung nach<br />
Stalins Tod.<br />
Das Waffenstillstands-<br />
abkommen von Panmunjom<br />
beendet den Koreakrieg.<br />
Verhaftung des<br />
iranischen Ministerpräsiden-<br />
ten Mossadegh, Rückkehr<br />
des vertriebenen Schahs<br />
Resa Pahlawi.<br />
Veröffentlichung des „Kinsey<br />
Reports“ zum sexuellen<br />
Verhalten der Frau.<br />
1954<br />
Die Unterzeichnung der<br />
Pariser Verträge macht den<br />
Weg frei für die Wiederher-<br />
stellung der Souveränität<br />
der Bundesrepublik.<br />
Der Fall der Festung Dien<br />
Bien Phu besiegelt das Ende<br />
der französischen Kolonial-<br />
herrschaft in Indochina.<br />
Beginn des Krieges um<br />
Algerien.<br />
Mitteilung des Amtsgerichts über den Eintritt Herbert <strong>Vogemann</strong>s als persönlich haftender<br />
Gesellschafter.<br />
gorisch fest, als die Mitarbeiter über die Anschaffung einer Kaffeemaschine<br />
diskutieren wollten. Sie setzten sich letztlich trotz des Widerstands vom Chef<br />
durch, doch Herr <strong>Vogemann</strong> selbst hat nie eine Tasse im Büro getrunken. Dafür<br />
durfte geraucht werden; erst seit den 1980er Jahren war auch das verpönt.<br />
Die neuen Leute und der Junior Herbert unternahmen konzentrierte<br />
Bemühungen, Schiffe zu befrachten. Dabei hielten sie sich schon wegen<br />
der skizzierten Kommunikationsschwierigkeiten vornehmlich an befreundete<br />
deutsche Firmen, die Kohle-, Getreide- oder Erzladungen zu vergeben<br />
hatten. Da deutsche Tonnage so gut wie nicht aufzutreiben war, suchten sie<br />
durch <strong>Vogemann</strong>s alte Verbindungen vor allem in London und New York nach<br />
ausländischem Schiffsraum. Neue Kontakte knüpften sie zu italienischen<br />
Reedern und Maklern, die den interessanten Mittelmeer-Markt gut kannten,<br />
<strong>Vogemann</strong> einige gute Abschlüsse bescherten und mithalfen, die Firma als<br />
bedeutenden Maklerbetrieb zu etablieren.<br />
Herbert <strong>Vogemann</strong>s früher Tod. Mit dem Jahresbeginn 1952<br />
wurde Herbert <strong>Vogemann</strong> Teilhaber der Firma. Durch ausgedehnte Reisen<br />
nach Süd- und Westeuropa bahnte er unermüdlich Geschäftsbeziehungen<br />
58 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Familie <strong>Vogemann</strong> in den frühen 1950er Jahren. Von links nach rechts: Richard <strong>Vogemann</strong>,<br />
Irma <strong>Vogemann</strong>, Herbert <strong>Vogemann</strong>; Renate <strong>Vogemann</strong>, Schwiegersohn Paul Speckter.<br />
an, die geeignet schienen, ihre Stellung zu festigen und auszubauen. Sein<br />
jugendlicher Elan, seine ausgezeichneten Fachkenntnisse und sein gewinnendes<br />
Wesen schufen Vertrauen, wohin er kam. Leider war es ihm nicht vergönnt<br />
selber zu ernten, was er so erfolgreich gesät hatte. Auf der Rückfahrt von<br />
einem Besuch in Italien geriet er am 21. Juni 1954 gegen 20 Uhr mit seinem<br />
Wagen kurz vor der Heimkehr bei Winsen an der Luhe während eines Überholmanövers<br />
auf den Sommerweg neben der Landstraße, verlor die Kontrolle<br />
über die Lenkung und kollidierte mit einem Baum. Man transportierte ihn<br />
zwar noch ins Krankenhaus, doch erlag er unterwegs seinen Verletzungen. Er<br />
wurde 27 Jahre alt.<br />
Wettläufe zur Treuhand. Auf der Basis der Beziehungen und<br />
Aktivitäten von Herbert <strong>Vogemann</strong> konnte die verbliebene Mannschaft aufbauen.<br />
Dabei erwiesen sich die Getreideimporte aus den Vereinigten Staaten<br />
und aus Kanada als große Stütze für das Maklergeschäft. Diese Hilfslieferungen<br />
mussten den alliierten Bestimmungen zufolge über die in Hamburg<br />
ansässige Frachten-Treuhand abgewickelt werden. Diese wiederum war bemüht,<br />
alle Maklerfirmen gleichermaßen zu berücksichtigen und gab daher<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
59<br />
Das Projekt einer Europäischen<br />
Verteidigungsgemeinschaft (EVG)<br />
scheitert..<br />
Die Mannschaft der Bundesrepublik<br />
gewinnt die Fußballweltmeisterschaft<br />
in Bern.<br />
Ernest Hemingway erhält Literaturnobelpreis.<br />
Erster Nachkriegsstart von<br />
Mercedes-“Silberpfeilen“ beim<br />
Großen Preis von Frankreich.<br />
Thomas Mann: „Bekenntnisse des<br />
Hochstaplers Felix Krull“ (Roman).<br />
1955<br />
Die Pariser Verträge werden vom<br />
Bundestag ratifiziert.<br />
Souveränität der Bundesrepublik.<br />
Volksabstimmung im Saarland<br />
entscheidet gegen das französische<br />
Saarstatut.<br />
Bundeskanzler Adenauer<br />
vereinbart bei einem Besuch in<br />
Moskau die Aufnahme diplomatischer<br />
Beziehungen zur Sowjetunion.<br />
Rückkehr der letzten<br />
Kriegsgefangenen.<br />
Die Lufthansa nimmt den Liniendienst<br />
wieder auf.<br />
BMW präsentiert den Kleinwagen<br />
„Isetta“.<br />
Die letzten Besatzungstruppen<br />
verlassen Österreich.
„Tagebuch der Anne Frank“ er-<br />
scheint in Deutschland.<br />
1956<br />
Der XX. Parteitag der KPdSU<br />
verurteilt den Stalinkult.<br />
Die Bundeswehr beruft die ersten<br />
1000 Freiwilligen ein.<br />
Die Volkskammer der DDR<br />
beschließt den Aufbau nationaler<br />
Streitkräfte (NVA).<br />
Verbot der KPD in der<br />
Bundesrepublik.<br />
Volksaufstand in Ungarn gegen<br />
das kommunistische Regime.<br />
Helmut Käutner: „Der Hauptmann<br />
von Köpenick“ (Film mit Heinz<br />
Rühmann)<br />
Landung britischer und französi-<br />
scher Truppen in Ägypten, um die<br />
Kontrolle über den Suez-Kanal<br />
wiederzuerlangen.<br />
Das Saargebiet wird Teil der Bun-<br />
desrepublik.<br />
Untergang des italienischen<br />
Passagierdampfers „Andrea<br />
durch Rundschreiben bekannt, wenn Ladung zum Befrachten anstand und die<br />
Einzelheiten zu einem bestimmten Termin bei ihr abgeholt werden konnten.<br />
Das wurde dann so etwas wie ein Wettlauf zwischen den jungen<br />
Leuten der Maklerfirmen, die zur Treuhand entsandt wurden zwecks Infor-<br />
mation über Umfang, Ziel und andere Details der Getreidelieferung. Diese<br />
Daten mussten dann schnellstmöglich der eigenen Firma übermittelt werden,<br />
damit sich die Kollegen auf die Suche nach geeignetem Schiffsraum begeben<br />
konnten. Einem Lehrling wurde die Rennerei offenbar zuviel, und er ban-<br />
delte mit einer Verkäuferin im Trikotagen-Geschäft neben der Treuhand an;<br />
fortan konnte er von dort die Einzelheiten telefonisch ins Büro durchgeben,<br />
was <strong>Vogemann</strong> immer einen kleinen Vorsprung sicherte. Außerdem kamen<br />
der Firma bei der Suche nach Lademöglichkeiten die vielen guten, ja freund-<br />
schaftlichen Verbindungen zu Reedern im In- und Ausland zugute. Bei Ladun-<br />
gen – Größenordnung gewöhnlich um die 10.000 Tonnen –, die nach Hamburg<br />
bestimmt waren, konnte <strong>Vogemann</strong> in vielen Fällen auch die Klarierung der<br />
Schiffe übernehmen, was sich als recht einträgliches Geschäft erweisen sollte.<br />
Richard <strong>Vogemann</strong> hatte nach dem Krieg nie die Hoffnung auf-<br />
gegeben, seine Firma auch wieder als Reederei zu etablieren. Es zeigte sich,<br />
dass seine Vermutung, die Alliierten würden deutsche Reeder nicht auf Dauer<br />
am Betreiben von Seeschiffen hindern, richtig war. In dem Maß, in dem<br />
die Deutschen als Verbündete wichtig wurden, lockerten die Westmächte auf<br />
vielen Gebieten die zunächst sehr strikten Beschränkungen. Im Gefolge des<br />
Washingtoner Abkommens aus dem April 1949, das den Nordatlantikpakt<br />
(NATO) begründete, fielen auch einige restriktive Bestimmungen hinsichtlich<br />
des Neubaus und des Ankaufs von Schiffen. Deutschen Reedern wurde für die<br />
Folgejahre in gewissen Grenzen der Erwerb von zum Verkauf stehender ausländischer<br />
Tonnage gestattet.<br />
Obwohl Herr <strong>Vogemann</strong> damals schon 64 Jahre alt war, sah<br />
er sich endlich in der Lage, ein Reedereigeschäft mit eigenen Schiffen aufzubauen.<br />
Und er erhielt von der befreundeten traditionsreichen Hamburger<br />
Maklerfirma Daniel Milberg auch gleich einen sehr interessanten Tipp: Das<br />
1922 bei der Deutschen Werft gebaute Motorschiff „Tiradentes“ wurde auf<br />
dem Markt angeboten. Die Deutsche Bank aber, mit der <strong>Vogemann</strong> damals in<br />
erster Linie zusammenarbeitete, zeigte kein oder doch nur marginales Interesse,<br />
einen Ankauf zu finanzieren.<br />
Erstmals wieder Schiffseigner. Positiver reagierte hingegen<br />
die Leitung der Schifffahrtsabteilung der Hamburgischen Landesbank. Vo-<br />
60 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
gemann konnte unter Aufbietung aller persönlichen Mittel in Verhandlungen<br />
mit dem Schiffseigner, der Firma Wilhelm Wilhelmsen im norwegischen<br />
Tønsberg am Oslofjord, eintreten. Man war sich relativ rasch einig, und nach<br />
Erlangung der Ankaufserlaubnis von der Alliierten Hohen Kommission konnte<br />
das Geschäft am 16. August 1950 rechtswirksam abgeschlossen werden. Für<br />
einen Preis von 110.000 Pfund Sterling (DM 1.378.620,79) ging die „Tiradentes“<br />
an <strong>Vogemann</strong> über und erhielt den Namen „Vogtland“; die feierliche Übernahme<br />
fand im Oktober 1950 statt. Gäste und Eignerfamilie konnten schon<br />
auf der Anfahrt dazu in einer Hamburger Tageszeitung lesen, wie das abgelaufen<br />
sei, was doch erst an Festivitäten und Formalitäten bevorstand. Die<br />
Presse war schon damals zuweilen ihrer Zeit voraus.<br />
Die Tragfähigkeit des Schiffes betrug rund 9200 t als „open<br />
shelterdecker“ (Freidecker) mit drei Decks in Luke 1 und 2, „deeptanks“ mittschiffs<br />
in Luke 3 und einem Zwischendeck in Luke 4 und 5. Die „MS Vogtland“<br />
war vorübergehend das größte Handelsschiff unter deutscher Flagge, weil es<br />
zu den ersten überhaupt gehörte.<br />
Im Jahr 1950 herrschte ein fester Befrachtungsmarkt, und <strong>Vogemann</strong><br />
gelang es, das Schiff zu einer Spitzenrate für eine Fernost-Rundreise<br />
auf Zeitcharter zu schließen. Obwohl das Schiff vom Vorbesitzer hervorragend<br />
gehalten worden und ohne Vorbehalte im Besitz aller Zertifikate der<br />
Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register war, kam es bei der Ausreise zu<br />
MS „Vogtland“ im Hamburger Hafen.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
61<br />
Doria“ nach Kollision mit der<br />
schwedischen „Stockholm“<br />
vor New York.<br />
Friedrich Dürrenmatt: „Der<br />
Besuch der alten Dame“<br />
(Drama).<br />
1957<br />
In der Bundesrepublik tritt<br />
die Rentenreform in Kraft.<br />
Bei den Wahlen zum Bundestag<br />
erringt die CDU/CSU<br />
unter Konrad Adenauer die<br />
absolute Mehrheit.<br />
Erster deutscher Kernreaktor<br />
der TH München in Garching<br />
in Betrieb.<br />
In Rom werden die Verträge<br />
über den Gemeinsamen<br />
Markt (EWG) und die Europäische<br />
Atomgemeinschaft<br />
(EURATOM) unterzeichnet.<br />
Die DDR-Volkskammer beschließt<br />
die Einführung der<br />
45-Stunden-Woche. Einige<br />
bundesdeutsche Betriebe<br />
führen sie gleichfalls ein.<br />
Das US-Repräsentantenhaus<br />
billigt die sog. Eisenhower-<br />
Doktrin zur Sicherung des
Mittleren Ostens gegen<br />
das Vordringen des<br />
Kommunismus.<br />
Die Sowjets starten den<br />
künstlichen Erdsatelliten<br />
„Sputnik“.<br />
Gesellschaftsskandal um die<br />
Ermordung der Frankfurter<br />
Edelprostituierten Rosemarie<br />
Nitribitt.<br />
Untergang des Segelschul-<br />
schiffs „Pamir“ in einem<br />
Hurrikan im Südatlantik.<br />
1958<br />
Proteste gegen die<br />
Aufrüstung der Bundeswehr<br />
mit Atomwaffen.<br />
In der Kleinindustrie und<br />
der Landwirtschaft der<br />
DDR wird der Zusammen-<br />
schluss zu Produktions-<br />
genossenschaften forciert.<br />
Fidel Castro stürzt die<br />
Regierung Batista<br />
in Kuba.<br />
einem Malheur: Eine Pleuelstange des einen Hauptmotors löste sich, und die<br />
„Vogtland“ musste mit der zweiten Hauptmaschine Antwerpen als Nothafen<br />
anlaufen. Die zeitaufwendige Reparatur wurde dort bei der Firma Mercantile<br />
Marine Engineering & Graving Dock Co. vorgenommen. Natürlich versuchte<br />
<strong>Vogemann</strong> durch seinen technischen Inspektor Curt M. Johns im Wege der<br />
Gewährleistung die Firma Wilhelmsen in Haftung zu nehmen. Leider ohne<br />
Erfolg.<br />
MS „Vogtland“. So mussten die Kosten ebenso geschluckt wer-<br />
den wie die Tatsache, dass wegen der Dauer der Reparaturen der Zeitcharterer<br />
absprang und den Vertrag für nichtig erklärte. Ein herber Rückschlag. Her-<br />
bert <strong>Vogemann</strong> schätzte damals: „Wenn wir die gebuchte Rundreise hätten<br />
durchführen können, wäre der Kaufpreis für das Schiff schon auf der ersten<br />
großen Fahrt weitgehend reingeholt worden.“ So musste es nach der Reparatur<br />
auf dem freien Markt neu geschlossen werden. Es machte in der Folgezeit<br />
etliche Reisen mit Getreide vom La Plata nach Norden oder transportierte<br />
Schiffsmessbrief für<br />
MS „Vogtland“.<br />
62 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Die „Vogtland“ am Getreidespeicher Mackprang.<br />
Kohle von Hampton Roads (Wasserweg im US-Staat Virginia mündend in die<br />
Chesapeake Bay) zur Hamburg-Antwerp-Range (Sammelbezeichnung für die<br />
großen nordeuropäischen Häfen Hamburg, Bremerhaven, Amsterdam, Rotterdam,<br />
Antwerpen und Zeebrügge entlang der Nordseeküste). Eine langfristige<br />
Zeitcharter aber war zu guten Raten nicht zu erreichen.<br />
<strong>Vogemann</strong> erlebte mit seinem ersten Schiff manche Abenteuer.<br />
Nur zwei Beispiele: Auf einer Reise vom La Plata hatte es außer Fracht auch<br />
Passagiere an Bord, nämlich zehn Nonnen. Das Schiff geriet in so schlechtes<br />
Wetter und entsprechend schwere See, dass selbst der Erste Offizier ausfiel.<br />
Die Nonnen aber banden nur ihre Hauben fester, beteten, sangen und überstanden<br />
die Reise munter und gesund in ungetrübtem Gottvertrauen. Wenig<br />
später geriet die „Vogtland“ auf ähnlicher Route ins Randgebiet eines Hurrikans.<br />
Der Kapitän drahtete seine Position und fügte hinzu: „Lenzen in schwerer<br />
See“. Auf <strong>Vogemann</strong>s Rückfrage, wo sich der Wassereinbruch denn ereignet<br />
habe, gab es zunächst Verwirrung. Wasser sei nirgends eingebrochen. Die<br />
Landratten im Büro begriffen erst nach einigem Hin und Her, dass Seeleute<br />
mit „lenzen“ auch ein Manöver benennen, bei dem das Heck sicherheitshalber<br />
gegen den schweren Seegang gedreht wird. 1955 hätte die „Vogtland“ Klasse<br />
machen müssen (Voraussetzung für die Verlängerung der Betriebsgenehmigung).<br />
In den Jahren nach 1950 waren sowohl die technischen Anforderungen<br />
als auch die Ansprüche an den Komfort für die Mannschaften gewachsen.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
63<br />
Syrien und Ägypten schließen<br />
sich zur Vereinigten Arabischen<br />
Republik (VAR) zusammen.<br />
Aufstand der Algerienfranzosen<br />
gegen die Pariser<br />
Regierung.<br />
Der Rockstar Elvis Presley<br />
absolviert einen Teil seines<br />
Militärdienstes in Deutschland.<br />
Die sowjetische Regierung<br />
kündigt den Viermächtestatus<br />
Berlins.<br />
Mit der „Lex Soraya“ wird<br />
versucht, die Berichterstattung<br />
über das persische Kaiserpaar<br />
und andere Prominente<br />
einzudämmen.<br />
Werner Heisenberg präsentiert<br />
seine „Weltformel“.<br />
Kurt Hoffmann:<br />
„Wir Wunderkinder“ (Film).<br />
1959<br />
Die SPD beschließt im „Godesberger<br />
Programm“ die Abkehr<br />
vom Marxismus.<br />
Das Saarland wird wirtschaftlich<br />
an die Bundesrepublik<br />
angegliedert.<br />
Das Passagierschiff<br />
„Bremen“ tritt seine<br />
Jungfernfahrt nach<br />
New York an.
64 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Motorschiff „Vogtland“<br />
Das Modell der MS „Vogtland“ steht heute in der Eingangshalle<br />
des Reedereigebäudes in der Hamburger Hallerstraße. 1950 in<br />
<strong>Vogemann</strong>s Besitz gelangt, war die „Vogtland“ ex „Tiradentes“<br />
zeitweilig das größte Schiff unter deutscher Flagge. Im Nachkriegsdeutschland,<br />
das fast die gesamte Handelstonnage verloren hatte,<br />
zählte ein 9.200-Tonner schon eine ganze Menge.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
65
De Gaulle wird Staatspräsident<br />
in Frankreich.<br />
Gründung der Europäischen<br />
Freihandels-Assoziation (EFTA)<br />
in Stockholm.<br />
Günstige Wetterbedingungen<br />
bescheren den deutschen<br />
Winzern einen<br />
„Jahrhundertwein“.<br />
Das Segelschulschiff „Gorch<br />
Fock“ der Bundesmarine läuft<br />
zur ersten Fahrt aus.<br />
Mit der Ausgabe von Preussag-<br />
Aktien beginnt die<br />
Privatisierung von Teilen des<br />
Bundesvermögens.<br />
Der Schah von Persien, Resa<br />
Pahlawi, heiratet in dritter Ehe.<br />
Günter Grass:<br />
„Die Blechtrommel“ (Roman).<br />
1960<br />
Bei den Olympischen Spielen in<br />
Squaw Valley (Winter)<br />
und Rom (Sommer) tritt<br />
eine gesamtdeutsche<br />
Mannschaft an.<br />
Der Bundestag billigt<br />
die Privatisierung des<br />
Volkswagenwerks.<br />
In der Bundesrepublik endet<br />
die Zwangsbewirtschaftung<br />
des Wohnraums.<br />
Verkauf der „Vogtland“. Dem allen Rechnung zu tragen, wäre<br />
sehr ins Geld gegangen, und Richard <strong>Vogemann</strong> entschloss sich daher, die<br />
Klassearbeiten für das fast dreieinhalb Jahrzehnte alte Schiff nicht durchfüh-<br />
ren zu lassen, sondern die „Vogtland“ zu veräußern. Der Zufall wollte es, dass<br />
eben zu diesem Zeitpunkt das British Ministry of Transport and Civil Aviation<br />
in London ein altes, aber noch fahrtüchtiges Schiff suchte.<br />
Es kam zu Verhandlungen, bei denen <strong>Vogemann</strong> das sprich-<br />
wörtliche Angebot gemacht wurde, das man nicht ablehnen kann. Die Fir-<br />
ma trennte sich von der „Vogtland“ zum Fabelpreis von 140.000 Pfund Ster-<br />
ling (= DM 1.638.000). Bedingung war: „The vessel shall be delivered safely<br />
afloat under her own power with windlass winches anchors and cables in<br />
good working order.” Das war gewährleistet, und am 19. Dezember 1955 wur-<br />
de das Schiff übergeben. Preis und Konditionen deuteten daraufhin, dass an<br />
eine Verschrottung nicht gedacht war. Was das Ministerium mit ihm vorhatte,<br />
blieb <strong>Vogemann</strong> unbekannt. In die Welt gesetzte Gerüchte aber, wonach<br />
die „Vogtland“ irgendwo im Atlantik mit „nuclear waste material“ (Atommüll)<br />
versenkt worden sei, entbehren jeder Grundlage. Nicht nur der gute Preis<br />
für die „Vogtland“ war ein Trostpflaster für die Trennung, sondern auch der<br />
glückliche Umstand, dass <strong>Vogemann</strong> zu Beginn des gleichen Jahres ein weiterer<br />
Kauf geglückt war. Erneut war es die Firma Daniel Milberg, die den<br />
Kontakt zum Verkäufer Wilhelm Wilhelmsen herstellte. Der wollte die „Temeraire“<br />
abgeben, ein 1927 auf der französischen Werft Chantiers de Penhoët in<br />
Saint-Nazaire gebautes Schiff mit einer Tragfähigkeit von 9420 t. Es war wie<br />
die „Vogtland“ in Linienfahrt, vor allem nach Indien, eingesetzt gewesen und<br />
brachte es mit zwei Hauptmaschinen von zusammen 7200 PS auf 13 Knoten<br />
Geschwindigkeit.<br />
Die Kaufverhandlungen mit der Reederei Wilhelmsen führte<br />
Richard <strong>Vogemann</strong> persönlich zusammen mit Herrn Schmüser von der Firma<br />
Milberg in Oslo. Die Finanzierung wurde ihm dadurch erleichtert, dass<br />
Wilhelmsen aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Käufer bereit war,<br />
eine Hypothek von 35.000 Pfund zu 4 Prozent p.a. (jährlich) zu gewähren.<br />
Am 3. Januar 1955 stand der Kaufvertrag zum Preis von 140.000 Pfund Sterling<br />
(= DM 1.646.000), Ablieferung wurde zum 28. Januar in Göteborg vereinbart.<br />
Kritik aus der deutschen Reederschaft. Das Schiff erhielt den<br />
neuen Namen „Vogesen“ und wurde vom Verkäufer für eine Indien-Rundreise<br />
zu 25 Shilling pro Tonne und Monat auf Zeitcharter genommen. Da-<br />
66 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
nach transportierte das Schiff überwiegend in der Atlantikfahrt Kohle von<br />
Hampton Roads nach Europa und mit Getreide vom La Plata zu den Häfen der<br />
Hamburg-Antwerp-Range. Über die Hamburger Frachten-Treuhand, die alle<br />
Befrachtungen von Getreide nach Deutschland vornahm, wurden <strong>Vogemann</strong><br />
fünf Folgereisen auf dieser Route angeboten. Die Firma griff zu, denn die Raten<br />
lagen recht günstig, und das Schiff war so über längere Zeit mit absolut<br />
sicheren Charterern beschäftigt; der relativ kleine Abschlag, den <strong>Vogemann</strong><br />
wegen der großen Anzahl von fünf Reisen auf die derzeit gültige Rate hinnehmen<br />
musste, fiel da nicht ins Gewicht.<br />
Teile der deutschen Reederschaft kritisierten das Geschäft<br />
scharf, zumal während der Abwicklung der Reisen die Frachtraten sanken, die<br />
„Vogesen“ aber weiter zu gleichbleibender Rate fahren konnte. Das steigerte<br />
die Neidempörung noch und führte zu Forderungen, <strong>Vogemann</strong> solle eine<br />
oder gar mehrere der noch anstehenden Reisen „subletten“ (weitervergeben).<br />
Darauf ging <strong>Vogemann</strong> bei sich verschlechterndem Markt verständlicherweise<br />
nicht ein.<br />
Natürlich gab es auch technische Probleme: Die annähernd<br />
dreißig Jahre alten Hauptmaschinen mit ihren Archaloff-Pumpen machten<br />
Die „Vogesen“ (früher „Temeraire“) fuhr seit Anfang 1955 für <strong>Vogemann</strong>.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
67<br />
Abschuss eines US-Aufklärungsflugzeuges<br />
über sowjetischem<br />
Territorium (U-2-Affäre).<br />
Erster französischer Kernwaffenversuch<br />
in der Sahara.<br />
Die ehemalige Kolonie Belgisch-<br />
Kongo erklärt sich zur unabhängigen<br />
Republik.<br />
Bei den Präsidentschaftswahlen<br />
in den USA siegt der Demokrat<br />
John F. Kennedy über den<br />
Republikaner Richard Nixon.<br />
Armin Hary läuft Weltrekord über<br />
100 Meter (10,0 Sek.).<br />
Erster Auftritt der Beatles im<br />
„Indra“ in Hamburg.<br />
1961<br />
Der Bundestag verabschiedet<br />
Gesetze zur Lohnfortzahlung im<br />
Krankheitsfall und zur Förderung der<br />
Vermögensbildung für Arbeitnehmer<br />
(312-DM-Gesetz).<br />
Der Bau der Berliner Mauer riegelt den<br />
Ostsektor der Stadt hermetisch ab.
Konfrontation amerikanischer<br />
und sowjetischer Panzer<br />
am Berliner Grenzübergang<br />
„Checkpoint Charly“.<br />
Staatsvertrag für das Zweite<br />
Deutsche Fernsehen (ZDF).<br />
Erster bemannter Raumflug<br />
mit dem russischen Astronauten<br />
Juri Gagarin.<br />
Ein Landeunternehmen<br />
von Exilkubanern scheitert<br />
in der Schweinebucht an der<br />
Südküste Kubas.<br />
Der Prozess gegen den nach<br />
Israel entführten ehemaligen<br />
SS-Obersturmbannführers<br />
Adolf Eichmann endet<br />
mit einem Todesurteil.<br />
In der DDR werden Stalin-<br />
Straßen umbenannt und Denk-<br />
mäler des Diktators entfernt.<br />
Die Bundesrepublik schließt mit<br />
der Türkei eine Anwerbeverein-<br />
barung für Gastarbeiter.<br />
Die Sowjetunion bringt eine<br />
60-Megatonnen-Wasserstoff-<br />
bombe zur Explosion.<br />
1962<br />
Norddeutschland wird von einer<br />
Flutkatastrophe betroffen, in<br />
Hamburg kommen 315 Men-<br />
schen ums Leben.<br />
allerhand Ärger, weil sie manchmal nur schwer ansprangen. In kritischen Si-<br />
tuationen konnte das äußerst gefährlich werden. So musste die „Vogesen“ bei<br />
einer Getreide-Reise vom La Plata nach Emden kurz vor dem Ziel bei Borkum<br />
vor Anker gehen, weil bei besonders schwerer See und auflandigem Sturm ein<br />
Einlaufen in den Hafen nicht zu verantworten war.<br />
Bei dem heftigen Schwell aber brachen beide Ankerketten und<br />
das Schiff drohte auf die Insel zuzutreiben. Trotz unermüdlichen Bemühens<br />
sprangen die Hauptmaschinen nicht an. Die Pressluft zum Anlassen ging<br />
schließlich bedrohlich zur Neige, so dass die Aussicht darauf, das Schiff mit<br />
Maschinenkraft manövrierfähig zu machen, rapide schwand. In dieser Bedrängnis<br />
forderte der Kapitän einen Seenotrettungskreuzer an, der äußerstenfalls<br />
die Besatzung hätte übernehmen können.<br />
Die Anfrage fing der Bergungsschlepper „Wotan“ von der Bugsier-,<br />
Reederei- und Bergungs-AG auf, der hinter Borkum lag und sofort auslief,<br />
um die „Vogesen“ zu bergen. Es kam tatsächlich eine Verbindung zustande,<br />
doch führten unglückliche Manöver in der schweren See zum Reißen der<br />
Leine, so dass die „Vogesen“ steuerungsunfähig liegen blieb. Es wurde bereits<br />
mit dem Verlust des Schiffes und seiner Ladung gerechnet, als endlich doch<br />
eine der Hauptmaschinen ansprang, so dass vielleicht doch noch der Hafen<br />
zu erreichen sein würde. Der Kapitän, der mit neuen Störungen rechnen<br />
musste, bat die „Wotan“ deswegen um Geleit bis Emden. Das wurde mit dem<br />
„Vogesen“ beim Beladen.<br />
68 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
USS „Des Moines“, der Kreuzer, mit dem die „Vogesen“ beinahe kollidiert wäre.<br />
Bescheid barsch abgelehnt, die Bugsier sei ein Bergungsunternehmen und<br />
kein Schleppdienst. So mussten aus Emden drei Schlepper gerufen werden,<br />
die die „Vogesen“ an ihren Löschplatz begleiteten.<br />
Beinah-Kollision mit einem US-Kreuzer. Ein anderes Mal sollte<br />
das Schiff Kohle in der Region von Hampton Roads laden und musste dafür<br />
in der Bucht von Norfolk (US-Bundesstaat Virginia) ankern, wo die sehr umfangreichen<br />
amerikanischen Zoll-Formalitäten zu erledigen waren. Erst dann<br />
bekam der Kapitän die Genehmigung zum Einlaufen. Da die „Vogesen“ während<br />
der Abfertigung vor Anker geschwojt hatte, musste sie zum Einlaufen<br />
hart backbord drehen. Die Steuerbord-Maschine sprang gleich voll voraus<br />
an, doch die Backbord-Maschine wollte partout nicht in Gang kommen, die<br />
dafür eingesetzte Pressluft verknallte durch den Schornstein. Dabei war es<br />
notwendig, dass die Maschine zum Drehen des Schiffes nach backbord voll<br />
rückwärts lief.<br />
Zum Schrecken aller war genau um diese Zeit das 21.000-Tonnen-<br />
US-Kriegsschiff „Des Moines“ aus Norfolk ausgelaufen und fuhr mit ziemlichem<br />
Tempo Richtung See, direkt auf die „Vogesen“ zu. Noch war die Entfernung stattlich,<br />
doch für ein Ausweichmanöver oder gar für ein Stoppen des Gun Cruisers<br />
(Schweren Kreuzers) war es schon zu spät. Machtlos sah man auf der Brücke das<br />
Ungetüm auf sich zukommen, während unter Deck fieberhaft versucht wurde, die<br />
Backbord-Maschine in Gang zu bekommen. Um es kurz zu machen: Noch gerade<br />
rechtzeitig sprang die bockige Maschine an, und die „Des Moines“ mit ihren neun<br />
20,3-cm-Geschützen in Drillingstürmen rauschte riesig an der „Vogesen“ vorbei,<br />
die nur noch das Kielwasser abkriegte.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
69<br />
Die Vereinbarungen über<br />
die Lateinamerikanische<br />
Freihandelszone (LAFTA)<br />
treten in Kraft.<br />
Eröffnung des Zweiten<br />
Vatikanischen Konzils zur<br />
Reform der katholischen<br />
Kirche.<br />
Die Kubakrise endet mit dem<br />
Abbau der sowjetischen<br />
Raketenbasen auf der Insel.<br />
Prozess gegen Vera Brühne,<br />
die beschuldigt wird, ihren<br />
Geliebten und dessen<br />
Haushälterin ermordet zu<br />
haben.<br />
Die Bundesregierung<br />
verhängt ein Exportverbot<br />
für Stahlröhren in die Sowjetunion<br />
(Röhren-Embargo).<br />
Einführung der allgemeinen<br />
Wehrpflicht in der DDR.<br />
„Spiegel-Affäre“:<br />
Durchsuchung der<br />
Redaktionsräume und<br />
Verhaftung von Redakteuren,<br />
die angeblich Landesverrat<br />
begangen haben.<br />
In Hamburg wird der<br />
„Starclub“ eröffnet, in dem<br />
u.a. die Beatles auftreten.
1963<br />
Der Freundschaftsvertrag zwischen<br />
der Bundesrepublik und Frankreich<br />
tritt in Kraft.<br />
Profumo-Skandal in England: Der<br />
Verteidigungsminister stürzt wegen<br />
Ableugnens einer Beziehung zum<br />
Callgirl Christine Keeler.<br />
Bundeskanzler Adenauer<br />
tritt zurück. Nachfolger wird<br />
der Wirtschaftsminister<br />
Ludwig Erhard.<br />
Das Moskauer<br />
Atomtestabkommen tritt in Kraft.<br />
Die Sowjetunion und China<br />
brechen ihre Verhandlungen<br />
über die Generallinie des<br />
Weltkommunismus ab.<br />
Ermordung des vietnamesischen<br />
Diktators Diem.<br />
Ermordung des US-Präsidenten<br />
Kennedy in Dallas (Texas).<br />
Marika Kilius und Hans-Jürgen<br />
Bäumler werden in Cortina<br />
d’Ampezzo Weltmeister im<br />
Eiskunstlauf der Paare.<br />
Rolf Hochhuth:<br />
„Der Stellvertreter“ (Drama).<br />
MS „Vogelsberg“. Eine Aufnahme vom Juni 1960.<br />
Gegen Ende der 1950-er Jahre waren durch das Schiffbaupro-<br />
gramm etliche Neubauten von 10.000 t und mehr auf den Markt gekommen.<br />
Diese Schiffe waren auf dem neuesten Stand der Technik und fuhren im Ver-<br />
gleich zur „Vogesen“, die 36 Mann Besatzung hatte, mit wesentlich weniger<br />
Personal. <strong>Vogemann</strong>s Schiff war überaltert und eine Modernisierung zu teuer,<br />
wenn sie denn überhaupt zu bewerkstelligen gewesen wäre. Schweren Her-<br />
zens musste sich die Reederei von ihrem zweiten Schiff trennen und verkaufte<br />
es Ende 1958 zum Verschrotten an die Eisen und Metall KG Lehr & Co.<br />
Hatte Richard <strong>Vogemann</strong> die ersten beiden Schiffe aus einer<br />
guten Einschätzung der Frachtenlage heraus erworben („Vogtland“ in der<br />
Korea-Krise, „Vogesen“ bei krisenhafter Entwicklung in Nahost), so leiteten<br />
ihn und seine Firma beim dritten Kauf andere Motive: Die „Vogtland“ war, wie<br />
geschildert, zu einem so guten Preis wieder verkauft worden, dass der Ge-<br />
winn nur dann nicht voll steuerlich zu Buche schlüge, wenn <strong>Vogemann</strong> in ein<br />
weiteres Schiff investierte. Ähnlich verhielt es sich mit dem für die „Vogtland“<br />
aufgenommenen „Wiederaufbau-Darlehen“ von DM 390.000, die zur Rückzahlung<br />
fällig würden, wenn der Betrag nicht auf einen Neuerwerb zu übertragen<br />
war; das Bundesverkehrsministerium hatte einer solchen Übertragung<br />
ausdrücklich zugestimmt. <strong>Vogemann</strong> „parkte“ daher die Summe auf einem<br />
„Verwahrkonto“ zur Freigabe bei Ankauf eines Schiffes.<br />
Es sollte möglichst ein etwas moderneres Schiff erworben werden,<br />
als das bei den beiden anderen der Fall war. Mitte 1956 erhielt <strong>Vogemann</strong><br />
einen Tipp des Maklers Ansgar Jensen in Oslo, dass die E.B. Aaby Reederi,<br />
ebenfalls ansässig in Oslo, das Motorschiff „Peik“ am Markt anbiete. Es han-<br />
70 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
delte sich um ein 1938 auf der Lindholmens Varw AB in Göteborg (englisch:<br />
Gothenburg) gebauten Frachter für Stückgut, insbesondere vorzüglich geeignet<br />
zum Transport von Schnittholz; Tragfähigkeit 3980 t. Hinzu kam, dass die<br />
„Peik“ auf Zeitcharter bis Ende 1957 von der Firma Paal Wilson im norwegischen<br />
Bergen zur Traumrate von 56/6 Shilling per ton und Monat genommen<br />
worden war. Der Charterer hatte keinen Einwand gegen einen Besitzerwechsel,<br />
vorausgesetzt natürlich, es handelte sich wieder um einen erstklassigen<br />
Reeder.<br />
All diese Umstände motivierten <strong>Vogemann</strong>, die „Peik“ anzukaufen,<br />
obwohl seinerzeit der Markt für Tonnage aus zweiter Hand sehr hoch<br />
war. Am 30. November 1956 war man sich handelseins, und die „Peik“ ging<br />
als „Vogelsberg“ für 260.000 Pfund Sterling (= DM 3.059.000) an <strong>Vogemann</strong>;<br />
die Übernahme war vereinbart im irischen Cork zu Jahresbeginn 1957. In der<br />
Folgezeit wickelte das Schiff unter Führung von Kapitän Bergmann, ehemals<br />
Erster Offizier auf der „Vogtland“, und dem Ersten Ingenieur Harz, ehemals<br />
Zweiter Ingenieur auf der „Vogtland“, die Zeitcharter für Paal Wilson ab. Team<br />
und Schiff bewährten sich, der Auftrag verlief ohne Störungen.<br />
Dann aber kam das dicke Ende. Der Frachtenmarkt war im<br />
Herbst 1957 völlig zusammengebrochen. Zwar wollte Paal Wilson das Schiff<br />
für eine weitere Rundreise chartern, doch das Angebot von 25/- Shilling per<br />
ton und Monat deckte nicht einmal mehr die Kosten. Verzweifelt bemühte<br />
sich <strong>Vogemann</strong> um anderweitige Befrachtung. Vergeblich. Wilsons Angebot<br />
für eine nächste Reise musste notgedrungen doch noch akzeptiert werden.<br />
Anschließend musste <strong>Vogemann</strong> die „Vogelsberg“ wieder auf dem freien<br />
Markt verchartern, der immer noch sehr schlecht war. Das Schiff fuhr viel<br />
im Stückgut-Dienst nach Mittelamerika, auf Einzelreise wie auf Zeitcharterbasis.<br />
Und natürlich fuhr es auch oft Schnittholz von Finnland, was aufgrund<br />
der erwähnten sehr guten „intakes“ des Schiffes wenigstens einen schmalen<br />
Profit brachte.<br />
Keine Fahrerlaubnis. Ende 1961 verkaufte <strong>Vogemann</strong> die „Vogelsberg“<br />
an Messrs. Nissille et Soini Oy. in Helsinki mit Ablieferung im Februar<br />
1962. Die Käufer machten zur Bedingung: „Delivery to be effected with<br />
engine survey passed, hull survey due.” Preis: 82.000 Pfund Sterling (knapp<br />
1 Million DM). Das „Memorandum of Agreement“ war von beiden Seiten gezeichnet.<br />
Zu <strong>Vogemann</strong>s Entsetzen verweigerte Lloyd’s Register in Piombino<br />
(Provinz Livorno) dem Schiff kategorisch die Weiterreise wegen erhebli-<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
71<br />
1964<br />
Ankunft des millionsten Gastarbeiters<br />
in der Bundesrepublik.<br />
Konstituierung des<br />
Sachverständigenrates zur<br />
gesamtwirtschaftlichen<br />
Entwicklung („Fünf Weise“).<br />
Das erste atomgetriebene<br />
Frachtschiff Europas, die „Otto<br />
Hahn“, läuft vom Stapel.<br />
KPdSU-Parteisekretär und Ministerpräsident<br />
Nikita Chruschtschow<br />
wird aus allen Ämtern entlassen.<br />
Der US-Senat schafft mit der<br />
„Tonkin-Resolution“ die Grundlage<br />
für ein massives Eingreifen in den<br />
Vietnam-Krieg.<br />
Cassius Clay wird durch einen Sieg<br />
über Sonny Liston Boxweltmeister<br />
im Schwergewicht.<br />
Der Bürgerrechtler Martin Luther<br />
King erhält den Friedensnobelpreis.
In der Volksrepublik China<br />
wird die erste Atombombe<br />
gezündet.<br />
Sergio Leone begründet mit<br />
seinem Film „Für eine Hand-<br />
voll Dollar“ (Hauptdarsteller:<br />
Clint Eastwood) das Genre des<br />
Italo-Western.<br />
Peter Weiss: „Die Verfolgung<br />
und Ermordung Jean Paul<br />
Marats“ (Drama).<br />
1965<br />
Im Frankfurter Auschwitz-<br />
Prozess werden die Urteile<br />
gegen ehemalige SS-<br />
Angehörige gesprochen.<br />
Der Rat der Evangelischen<br />
Kirche in Deutschland veröf-<br />
fentlicht die Denkschrift „Zur<br />
Lage der Vertriebenen und<br />
zum Verhältnis Deutschlands<br />
zu seinen östlichen Nachbarn“.<br />
Gesetz zur Vermögens-<br />
bildung in Arbeitnehmerhand<br />
(„624-Mark-Gesetz“).<br />
Die US-Armee eröffnet<br />
den Bombenkrieg gegen<br />
Nordvietnam.<br />
Die DDR-Zeitung „Neues<br />
Deutschland“ startet eine<br />
Kampagne gegen den<br />
Liedermacher Wolf Biermann.<br />
cher Mängel am „hull“ (Rumpf). <strong>Vogemann</strong>s Inspektor Johns reiste an die tos-<br />
kanische Küste und wollte sich vor Ort darum bemühen, dass der „Vogelsberg“<br />
nicht die Fahrterlaubnis entzogen würde. Vergeblich. Das Schiff erhielt keine<br />
Fahrterlaubnis ohne Klasse, wodurch der Kaufvertrag hinfällig wurde. Damit<br />
stand die Reederei vor dem Dilemma, das Schiff doch noch Klasse machen zu<br />
lassen oder es zu verschrotten. Letzteres allerdings hätte wegen der auf dem<br />
Schiff liegenden Belastungen (einschließlich des „Wiederaufbau-Darlehens“)<br />
einen schweren Verlust bedeutet. Andererseits war es unmöglich, in Piombi-<br />
no Klasse zu machen.<br />
<strong>Vogemann</strong> verhandelte mit etlichen Werften in Europa, was<br />
auch deswegen sehr schwierig war, weil man eine Firma finden musste, die<br />
eine Streckung der Bezahlung für die Reparaturen akzeptierte. Wieder kam<br />
<strong>Vogemann</strong> die Mercantile Marine Engineering & Graving Dock Co. in Antwer-<br />
pen aufgrund guter alter Verbindungen sehr entgegen. In langen Verhand-<br />
lungen mit der Klassifikationsgesellschaft und den Hafenbehörden erreichte<br />
72 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />
Flaggenzeugnis für<br />
MS „Vogelsberg“.
Ein Besatzungsmitglied hielt Bilder von seinen Fahrten mit MS „Vogelsberg“<br />
fest: Durchfahrt durch den Panamakanal.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
73<br />
Demonstrationen gegen den<br />
Bildungsnotstand in der<br />
Bundesrepublik.<br />
Die Bundesrepublik nimmt<br />
diplomatische Beziehungen zu<br />
Israel auf.<br />
Deutscher Kinostart des James-<br />
Bond-Films „Goldfinger“.<br />
1966<br />
In der Bundesrepublik wird der<br />
Schuljahrsbeginn von Ostern<br />
auf den 1. August verlegt.<br />
Nach dem Bruch des<br />
Regierungsbündnisses von<br />
CDU/CSU und FDP bilden Union<br />
und SPD eine Große Koalition<br />
unter Bundeskanzler<br />
Kurt Georg Kiesinger.<br />
Frankreich tritt aus der<br />
NATO aus.<br />
Bei der Fußball-WM verliert<br />
die deutsche Mannschaft im<br />
Endspiel 2:4 gegen England.<br />
Spielentscheidend ist dabei<br />
die Anerkennung eines<br />
zweifelhaften Treffers für<br />
England in der Verlängerung.<br />
Herausforderer Karl Mildenberger<br />
unterliegt beim<br />
Weltmeisterschaftsboxkampf<br />
gegen den Titelverteidiger<br />
Cassius Clay.
An den westdeutschen<br />
Universitäten erproben die<br />
Studenten neue Formen<br />
der politischen Aktion (Sit-in,<br />
Go-in, Teach-in).<br />
1967<br />
Beim Besuch des Schahs in Berlin<br />
wird der Student Benno Ohnesorg<br />
von einem Polizisten erschossen.<br />
Die Bundesrepublik nimmt<br />
diplomatische Beziehungen<br />
zu Rumänien auf und<br />
verabschiedet sich damit von<br />
der „Hallstein-Doktrin“, nach der<br />
keine Beziehungen zu Staaten<br />
unterhalten werden sollten, die<br />
die DDR anerkennen.<br />
Sechstagekrieg Israels gegen seine<br />
arabischen Nachbarn. Sperrung<br />
des Suez-Kanals für die internati-<br />
onale Schifffahrt.<br />
In den USA kommt es zu blutigen<br />
Rassenunruhen.<br />
Die Unabhängigkeitserklärung<br />
der nigerianischen Provinz Biafra<br />
löst einen Bürgerkrieg aus.<br />
Der Internationale Weltraum-<br />
vertrag sichert allen Nationen<br />
freie Nutzung des Weltalls zu.<br />
Mit Oswalt Kolles „Wunder der<br />
Liebe“ beginnt eine Serie von<br />
Aufklärungsfilmen.<br />
MS „Vogelsberg“ im Hafen von Vancouver.<br />
Johns schließlich, dass die „Vogelsberg“ in Ballast nach Antwerpen versegeln<br />
durfte.<br />
Ein Käufer für MS „Vogelsberg“. Die Mercantile führte die not-<br />
wendigen Reparaturen aus, so dass die Klasse wieder gegeben war. Allerdings<br />
erwies es sich wegen der allgemeinen Frachtenlage als nicht sinnvoll, das<br />
Schiff weiter zu beschäftigen. Mit einigen Mühen fand <strong>Vogemann</strong> einen Käufer,<br />
die Firma Johanship Oy. im finnischen Vasa, der bereits das Schwesterschiff<br />
„Pan“ der Ex-„Peik“ gehörte. Sie knüpfte den Kauf aber an die Bedingung: „The<br />
vessel has been inspected in drydock whilst completing classification works<br />
and accepted thereafter. Therefore the sale becomes definite.” Der Preis „fully<br />
classed” betrug 75.000 Pfund Sterling (rund DM 900.000).<br />
Nach verlustreichem Betrieb und Verkauf der „Vogelsberg“ en-<br />
dete vorerst das Reedereigeschäft der Firma H. <strong>Vogemann</strong>. Es sollten dreiein-<br />
halb Jahrzehnte vergehen, ehe eine neue Generation in der Geschäftsführung<br />
einen Neuanfang wagte.<br />
Bis dahin blieb es bei der Orientierung auf das Befrachtungs-<br />
geschäft, in dem <strong>Vogemann</strong> in den 1950/60er Jahren gute Erfolge erzielte<br />
74 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Reedersorgen<br />
Ende 1961 brachte der „Spiegel“ einen langen, mit den<br />
üblichen Bosheiten gespickten Artikel über die Nöte der<br />
deutschen Reeder, die sich mit der Bitte um Subventionen<br />
an Bundeskanzler Adenauer gewandt hatten. <strong>Vogemann</strong>s<br />
Flagge war auf der Titelseite mit abgebildet, die Reederei<br />
wird zwar namentlich nicht genannt, aber dass <strong>Vogemann</strong><br />
im folgenden Jahr sich von seinem letzten Schiff<br />
trennte und längere Zeit dem Reedereigeschäft fernblieb,<br />
passt zum Tenor des Artikels. Hier ein Auszug:<br />
„Die westdeutschen Reeder sind die Spätheimkehrer<br />
zur See“, so begründete der Direktor des<br />
Unter den Reedereiflaggen, die Norddeutschen Lloyd; Richard Bertram – Chef der größ-<br />
die Titelseite des „Spiegel“ zieren,<br />
ten deutschen Schiffahrtsgesellschaft –, die Hilfsbedürf-<br />
findet sich auch die der Reederei<br />
<strong>Vogemann</strong>.<br />
tigkeit der Reeder. „Erst seit 1951 können wir uns wieder<br />
im internationalen Geschäft betätigen. Solange lagen wir<br />
an der Kette der Besatzungsmächte, und in letzter Zeit sind wir immer mehr in eine<br />
wirtschaftliche Flaute hineingeraten.“<br />
„Es ist betrüblich“, bedauerte Bertram, „daß es nur für das physikalische<br />
Auf und Ab der See Tabletten gibt, während für die wirtschaftliche Seekrankheit<br />
derartige Linderungsmittel nicht gefunden wurden.“<br />
Die Reeder verlangen von Bonn mindestens für die nächsten zwei Jahre<br />
- Staatszuschüsse und<br />
- zinsbillige Kredite.<br />
Sie wollen genauso wie die Grüne Front und der Bergbau als subventionsreife<br />
Stiefkinder der freien Marktwirtschaft anerkannt werden und betätigten<br />
sich in Bonn als Heulbojen, die immer wieder dasselbe Leidmotiv ertönen ließen:<br />
„Schiffahrt in Not. Rettet uns vor dem Ruin.“<br />
Unermüdlich drückten die Schiffahrtsunternehmer die SOS-Taste, um<br />
auch die Skeptiker zu überzeugen, „daß die meisten Reeder nicht leben und nicht<br />
sterben können“ – so motiviert der Geschäftsführer des Reederverbandes, Dr. Hans<br />
Georg Röhreke, die vielen Bonn-Reisen und Interpellationen der Vorstandsmitglieder.<br />
Zum Beweis ihrer Existenznot zitieren die Reeder ein Gutachten der<br />
Deutschen Revisions- und Treuhand AG, in dem nachgewiesen wird, daß 80 bis 90<br />
Prozent aller Reeder während der letzten Jahre buchmäßig mit Verlust fuhren, das<br />
heißt, ihre Einnahmen deckten höchstens die Betriebsausgaben, wie Heuer, Treibstoff,<br />
Schiffsversicherung und den Unternehmerlohn, den sich die Reeder selbst bewilligen.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
75<br />
1968<br />
Nach dem Mordanschlag<br />
auf den Studentenführer<br />
Rudi Dutschke kommt es<br />
in vielen deutschen Städten<br />
zu Unruhen.<br />
Mai-Unruhen in<br />
Frankreich gegen die<br />
Regierung Pompidou.<br />
Für kurze Zeit verbrüdern<br />
sich Studenten und Arbeiter.<br />
Tet-Offensive der<br />
Vietcong gegen die<br />
Amerikaner in<br />
Südvietnam.<br />
Ende des „Prager Frühlings“<br />
durch eine Invasion der sozialistischen<br />
„Bruderstaaten“.<br />
Beginn des „Contergan-<br />
Prozesses“ gegen<br />
leitende Angestellte des<br />
Pharmaproduzenten<br />
Grünental.<br />
Einführung der Mehrwertsteuer<br />
in der Bundesrepublik.
In der EWG tritt der<br />
Gemeinsame Zolltarif<br />
in Kraft.<br />
Siegfried Lenz:<br />
„Deutschstunde“ (Roman).<br />
1969<br />
Erste Landung eines<br />
Menschen auf dem Mond<br />
(Programm „Apollo 11“).<br />
Charles de Gaulle<br />
tritt nach einem<br />
Referendum mit negativem<br />
Ausgang zurück.<br />
Gustav Heinemann (SPD)<br />
löst Heinrich Lübke (CDU)<br />
als Bundespräsident ab.<br />
Nach der Bundestagswahl<br />
vereinbaren SPD und FDP eine<br />
sozialliberale Koalition.<br />
Mit Willy Brandt wird<br />
erstmals ein Sozialdemokrat<br />
Bundeskanzler.<br />
Die westdeutschen<br />
Kultusminister vereinbaren<br />
Schulversuche mit Ganztags-<br />
und Gesamtschulen.<br />
Unterzeichnung des<br />
Kernwaffensperrvertrages<br />
in Moskau; keine Atomwaffen<br />
für die Bundesrepublik.<br />
R.W. Fassbinder:<br />
„Katzelmacher“ (Film).<br />
und sich einen Ruf als zuverlässiger Schiffsagent erwarb. Immer mehr aus-<br />
ländische Reedereien übertrugen <strong>Vogemann</strong> die Abfertigung ihrer Schiffe in<br />
Hamburg. Sie konnten sich darauf verlassen, dass korrekt abgerechnet und<br />
dass alle Rabatte und Skonti, die <strong>Vogemann</strong> als Agent erhielt, den Prinzipa-<br />
len gutgeschrieben wurden. Nicht ohne Stolz erzählen bis heute Vogemänner<br />
immer wieder gern von der Anfrage eines ausländischen Reeders bei einer<br />
Maklerfirma in London. Der Mann wollte wissen, ob H. <strong>Vogemann</strong> bei „freight<br />
payable at destination“ sicher genug sei, die Seefracht zu kassieren und die<br />
Konnossements danach freizugeben. Die Antwort des englischen Vertrauens-<br />
manns: „<strong>Vogemann</strong> is as safe as the Bank of England“ – damals der Gipfel der<br />
Verlässlichkeit.<br />
<strong>Vogemann</strong> kümmerte sich allerdings nicht nur um Klarierung,<br />
sondern nahm sich auch anderer Tätigkeitsfelder an. So war das Haus als<br />
Buchungsagent für ausländische Reedereien aktiv; zu den Kunden gehörten<br />
die Linien Deen Shipping, Silver Line, Naviera del Odiel und Compañia Sud-<br />
americana de Fletes, deren Schiffe regelmäßig Hamburg anliefen und für die<br />
<strong>Vogemann</strong> Stückgüter (liner parcels) buchte. Diese immer wiederkehrenden<br />
Buchungen waren anfänglich eine solide Grundlage zur Erhaltung des Ge-<br />
schäfts, obschon weiterhin die Hauptaktivität auf der Befrachtung lag. Voge-<br />
mann bemühte sich stets darum, alle Kundenwünsche zu erfüllen, auch wenn<br />
es sich dabei manchmal um höchst exotische Aufgaben handelte. Dazu nur<br />
ein Beispiel:<br />
Captain Chivers von der eben genannten Reederei Deen Shipping<br />
führte u.a. den 11.000-Tonner „Exdeen“ mit einer Besatzung aus dem<br />
indischen Goa, die sich aus Angehörigen diverser Hindu-Glaubensrichtungen<br />
zusammensetzte. Jede dieser Sekten hatte ihren eigenen Koch an Bord, der<br />
die entsprechenden Speisevorschriften kannte und einhielt. Einer dieser Köche<br />
fiel aus nicht mehr erinnerlichen, vermutlich gesundheitlichen Gründen<br />
eines Tages aus, und seine Kollegen weigerten sich, für die betroffene Gruppe<br />
zu kochen. Chivers wandte sich an seinen Agenten <strong>Vogemann</strong>, der wiederum<br />
beim Konsulat vorstellig wurde, so dass nach zwei Tagen tatsächlich ein geeigneter<br />
Koch gefunden war. Auf die Liegekosten für die beiden verlorenen<br />
Tage nahm der Captain keine Rücksicht; am Seelenheil seiner Leute war ihm<br />
mehr gelegen.<br />
Beziehungen zu den großen Getreidehäusern. Die von Herbert<br />
<strong>Vogemann</strong> geknüpften und gefestigten Verbindungen wurden nach seinem<br />
Tod weiter gepflegt durch etliche Reisen und Besuche von Befrachtern wie<br />
76 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
den Herren Hinsch und von Hein bei den ausländischen Firmen. Dadurch<br />
erweiterte sich das Netz der Kontakte, wobei für <strong>Vogemann</strong> die reichen Erfahrungen<br />
in der Befrachtung insbesondere von Getreide eine große Rolle<br />
spielten. Wohl zu allen großen Getreidehäusern in Genf, Lausanne und Paris,<br />
um nur einige Haupthandelsplätze zu nennen, unterhielt <strong>Vogemann</strong> beste<br />
Beziehungen. So suchte die Compagnie de Change International in Paris unter<br />
Leitung von Isaac Pinto laufend Tonnage, und <strong>Vogemann</strong> vermittelte dem Unternehmen<br />
unzählige Schiffe von 10.000 und mehr Tonnen. Hierbei kam den<br />
Hamburgern die gute Verbindung zur Società Ligure di Armamento (Ligurian<br />
Shipowning Co.) in Genua zugute. Deren Geschäftsführer Dottore Centore<br />
achtete peinlich darauf, dass seine Schiffe immer vorbildlich gehalten wurden.<br />
<strong>Vogemann</strong> konnte mit den fünf Frachtern „Ercta“, „Tideo“, „Fineo“, „Sirio“<br />
und „Atrea“ erstklassige Tonnage für drei Jahre Zeitcharter an den Pariser<br />
Kunden vermitteln. Dessen Tochterfirma in Hamburg, die Hanimex, kaufte<br />
damals einen Ölbrenner (Bezeichnung für Schiff mit Dieselantrieb) mit einem<br />
enormen Kubikraum. Dieses Schiff, „George M.“ genannt, vertraute die Compagnie<br />
de Change <strong>Vogemann</strong> zur Verwaltung an. Es fuhr nur eigene Ladung,<br />
so dass für <strong>Vogemann</strong> keine Befrachtungsaufgaben anfielen.<br />
Die vermehrten sich weiter, weil <strong>Vogemann</strong> mit der Zeit nicht<br />
nur Getreide, sondern auch Zucker, Zement und andere Massengüter unterbrachte.<br />
In den 1960-er Jahren betraf das vor allem Stahl, der einen Boom<br />
erlebte. Das rief neue Reedereien auf den Plan, mit denen <strong>Vogemann</strong> ins<br />
Geschäft kam. Manchmal freilich auch nur vorübergehend, wenn ein Kunde<br />
meinte, sich über Ratschläge von <strong>Vogemann</strong> hinwegsetzen zu sollen. So einer<br />
war J. Willi Siems mit seiner Speedy International Shipping Company, für<br />
die viele Schiffe auf Zeitcharter befrachtet wurden. Siems buchte Stahl nach<br />
Häfen in den USA, allerdings zu Dumping-Raten. Auf Vorhaltungen, dass die<br />
Folgekosten im Zielland sich erst recht spät niederschlügen und außerdem<br />
ziemlich hoch seien, reagierte er nicht. Das böse Erwachen kam mit den Endabrechnungen<br />
aus den USA. Zu spät begriff Siems, dass nicht nur die Chartermiete,<br />
sondern stets auch die nicht unerheblichen Hafen- und Beladungskosten<br />
zu berücksichtigen sind. <strong>Vogemann</strong>s Warnungen aber hatte er ignoriert<br />
und musste daher schließlich sein „Geschäft“ mit Verlust aufgeben.<br />
Andere waren da einsichtiger, griffen gern auf die Erfahrungen<br />
des Befrachters zurück und überließen <strong>Vogemann</strong> nach einer gewissen Zeit<br />
der Zusammenarbeit ihre Tonnage oder ihre Ladungen sogar ganz zur exklusiven<br />
Befrachtung. In besonders erfreulicher Erinnerung ist da A. C. Neleman<br />
in Rotterdam, dessen Schiffsnamen mit „...singel“ endeten. Das bezieht sich<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
77<br />
1970<br />
Bundeskanzler Brandt<br />
trifft sich in Erfurt mit dem<br />
DDR-Ministerpräsidenten<br />
Stoph.<br />
An der innerdeutschen<br />
Grenze werden die<br />
ersten Selbstschussanlagen<br />
montiert.<br />
Abschluss eines<br />
deutsch-sowjetischen<br />
Gewaltverzichtvertrages und<br />
eines Vertrages mit Polen<br />
über die Normalisierung der<br />
gegenseitigen Beziehungen.<br />
Thor Heyerdahl überquert<br />
mit seinem Papyrusboot<br />
„Ra II“ den Atlantik.<br />
Gesetz über die<br />
Gleichstellung nichtehelicher<br />
Kinder in der<br />
Bundesrepublik.<br />
Der sowjetische Dissident<br />
Alexander Solschenizyn<br />
erhält den<br />
Literaturnobelpreis.
1971<br />
Erich Honecker löst Walter<br />
Ulbricht im Amt des 1. Sekretärs<br />
des ZK der SED ab.<br />
Viermächteabkommen über<br />
Berlin garantiert den<br />
ungehinderten zivilen Verkehr von<br />
Personen und Gütern zwischen der<br />
Bundesrepublik und Westberlin.<br />
Wiederaufnahme des<br />
Telefonverkehrs zwischen Ost-<br />
und Westberlin.<br />
Der Bundestag verabschiedet<br />
ein neues<br />
„Städtebauförderungsgesetz“.<br />
Willy Brandt erhält<br />
den Friedensnobelpreis.<br />
In Uganda gelangt<br />
Idi Amin durch einen Militär-<br />
putsch an die Macht.<br />
Einweihung des Assuan-<br />
Staudammes zur Nilregulierung.<br />
Mit einer Protestaktion gegen<br />
US-Atomversuche beginnt<br />
die Umweltschutzorganisation<br />
Greenpeace ihre Arbeit.<br />
Die Bundesbahn eröffnet<br />
zwischen 33 Großstädten einen<br />
regelmäßigen Intercity-Verkehr.<br />
Walter Kempowski:<br />
„Tadellöser & Wolff“ (Roman).<br />
Zu Paul Speckters<br />
Vorfahren<br />
gehört der<br />
bekannte Hamburger<br />
Maler<br />
Otto Speckter<br />
(1807–1871),<br />
hier auf einer<br />
frühen Fotografie.<br />
Daneben<br />
sein Gemälde<br />
„Kirchgang in<br />
Alt-Rahlstedt“.<br />
auf die niederländische Bezeichnung von Straßen, die entlang von ehemali-<br />
gen Befestigungen oder Gräben verlaufen: „Statensingel“, „Coolsingel“, „Pro-<br />
venierssingel“ und andere.<br />
Herbert <strong>Vogemann</strong> hatte im Geschäft eine empfindliche Lücke<br />
hinterlassen. Sein Vater Richard war bemüht, sie zu schließen, und nahm im<br />
September 1954 seinen dreißigjährigen Schwiegersohn Paul Speckter als per-<br />
sönlich haftenden Gesellschafter in die OHG auf. Das bewies Mut und Men-<br />
schenkenntnis, denn Speckter war ausgebildeter Versicherungsmakler und<br />
Exportkaufmann, verfügte aber allenfalls über rudimentäre Kenntnisse von<br />
den Aufgaben eines Schiffsmaklers. Er war zuletzt bei der Firma Georg Dun-<br />
cker tätig gewesen, die sich in erster Linie mit Schiffsversicherungen beschäf-<br />
tigte. Insofern brachte Speckter ein gewisses Maß an Beziehungen zu Reede-<br />
reien mit, zu deutschen und weniger intensiv auch zu einigen ausländischen.<br />
Die fehlenden Erfahrungen sollte er nach sechsmonatiger Ein-<br />
arbeitung bei <strong>Vogemann</strong> durch einen Aufenthalt in England bei der schon<br />
eingangs erwähnten befreundeten Firma Simpson, Spence & Young (SSY) ge-<br />
winnen. Es kam aber anders, denn Richard <strong>Vogemann</strong>, damals schon siebzig<br />
Jahre alt, brauchte dauerhafte Unterstützung vor Ort und mochte den jungen<br />
Schwiegersohn nicht so lange entbehren. Hinzu kam, dass Richard sehr ok-<br />
78 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
kupiert war durch seine Pläne für den Erwerb und den Betrieb eigener Schiffe,<br />
so dass er für das Makler-Tagesgeschäft kaum Zeit fand. Speckter blieb nur<br />
der autodidaktische Weg des Lernens durch Praxis, wofür er sich allerdings<br />
nach Unterstützung umschaute:<br />
Er fand sie 1955 in Gestalt des erfahrenen Schifffahrtskaufmanns<br />
Hans-Dieter Westendorf, der die Befrachtungsabteilung der Deutschen<br />
Afrika-Linien/ John T. Essberger geleitet hatte. Außerdem engagierte Speckter<br />
zwei weitere junge Leute mit Maklererfahrung, die Westendorf und ihm<br />
zuarbeiteten. Neben dem allgemeinen Befrachtungsgeschäft, aus dem keine<br />
besonders spektakulären Vorgänge erinnerlich sind, beruhten <strong>Vogemann</strong>s<br />
Erfolg und Einkommen in großem Maße auf Agententätigkeit, insonderheit<br />
auf Buchungen von Stückgütern und auf der Betreuung von Hamburg anlaufenden<br />
ausländischen Schiffen. Leider verabschiedete sich Herr Westendorf<br />
schon nach nur einem knappen Jahrzehnt plötzlich wieder. Er hatte eine beachtliche<br />
Erbschaft gemacht und beabsichtigte, als Bauunternehmer tätig zu<br />
werden; sein Fernziel war ein Jurastudium. Obwohl Paul Speckter inzwischen<br />
längst mit allen Maklerwassern gewaschen war, verlangte das angewachsene<br />
Geschäftsvolumen nach Ersatz für Westendorf. Nach etlichen Gesprächen<br />
mit jungen Bewerbern gelang 1964 die Verpflichtung von Herrn Ulrich Prüss,<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
79<br />
1972<br />
Misstrauensvotum der CDU/<br />
CSU gegen Bundeskanzler<br />
Brandt scheitert.<br />
Bei den vorgezogenen<br />
Bundestagswahlen wird die<br />
SPD stärkste Fraktion.<br />
Der Grundlagenvertrag mit<br />
der DDR wird unterzeichnet.<br />
Während der Olympischen<br />
Sommerspiele in München<br />
verüben palästinensische<br />
Terroristen einen Anschlag<br />
auf das Quartier der<br />
israelischen Sportler.<br />
„Blutsonntag“ von<br />
Londonderry: Britische<br />
Fallschirmjäger erschießen<br />
13 nordirische Katholiken.<br />
Verhaftung der RAF-Terroristen<br />
Andreas Baader, Holger<br />
Meins und Jan-Carl Raspe.<br />
Bobby Fisher (USA) wird<br />
Schachweltmeister.<br />
Heinrich Böll erhält den<br />
Nobelpreis für Literatur.
1973<br />
Die Bundesrepublik und die<br />
DDR werden Mitglieder der<br />
Vereinten Nationen.<br />
Die DDR lehnt<br />
Wiedergutmachungs-<br />
zahlungen gegenüber<br />
Israel ab.<br />
Der Prager Vertrag zwischen<br />
der Bundesrepublik und der<br />
Tschechoslowakei hebt das<br />
Münchener Abkommen von<br />
1938 auf.<br />
Anwerbestopp für<br />
Gast arbeiter in der Bundes-<br />
republik.<br />
Der zivile Ersatzdienst wird<br />
dem Wehrdienst gesetzlich<br />
gleichgestellt.<br />
Jom-Kippur-Krieg der<br />
arabischen Staaten gegen<br />
Israel. Die Öllieferungen an<br />
westliche Staaten werden ein-<br />
geschränkt. Vorübergehende<br />
Fahrverbote auf bundesdeut-<br />
schen Autobahnen.<br />
Ulrich Plenzdorf: „Die neuen<br />
Leiden des jungen Werthers“<br />
(Schauspiel).<br />
Joachim C. Fest: „Hitler“<br />
(Biographie).<br />
der bei seinem Arbeitgeber, der relativ kleinen Maklerfirma W. Vollert & Co.,<br />
keine ausreichende Basis für seine vielseitigen Ideen als Schiffsmakler und –<br />
was ihm besonders am Herzen lag – als Reeder sah.<br />
Verpflichtung von Ulrich Prüss. Mit Leidenschaft engagierte<br />
sich Prüss bei <strong>Vogemann</strong>, wobei ihm seine ausgezeichneten Fachkenntnisse<br />
zugute kamen. Nach seinem Eintritt konnte die Firma die Befrachtungser-<br />
träge beachtlich steigern. Lag das Ergebnis auf diesem Sektor 1965 noch bei<br />
DM 380.000, so stieg es 1966 auf DM 420.000 und im Folgejahr bereits auf<br />
DM 622.000. Das war natürlich nicht nur Prüssens Verdienst, sondern Ergebnis<br />
immer besserer Teamarbeit, an der die Befrachter Jochen Lüdemann und<br />
später Reinhard Westphal ebenso Anteil hatten wie Gesellschafter Speckter.<br />
Es bewährten sich dabei zudem die intensiv gepflegten Beziehungen zu Fir-<br />
80 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />
Muster eines<br />
Charterbriefes<br />
von 1969.
men wie Atlantic Shipping, Spliethoff, Nidera Handelscompagnie, Conti-Lines,<br />
Peter Cremer, Krohn (Thai Europe Tapioca Service), Panchaud Frères, A.C. Neleman,<br />
Toepfer, Hansa Hout und manchen anderen. Neue Kontakte wurden<br />
geknüpft zu Inflot Moscow, Polish Ocean Line, Mahart Shipping und einigen<br />
weiteren.<br />
Natürlich gab es auch Pannen und Rückschläge. Gabriel Rybier<br />
(sprich: Rübjéh), Chef der Rotterdamer Firma Blaesberg, hatte durch <strong>Vogemann</strong>s<br />
Vermittlung ein Schiff des Reeders Hans Edwin Reith für sechs Monate<br />
gechartert. Rybier zahlte selten fristgerecht. Reith saß damit auf nicht unerheblichen<br />
Mietforderungen und bat Herrn Speckter, mit ihm nach Rotterdam<br />
zu reisen und dort bei Blaesberg das Bestmögliche herauszuholen. Bei der<br />
Ankunft wurde beiden gesagt, Herr Rybier sei in einer wichtigen Besprechung,<br />
man möge sich gedulden. Reith entdeckte in dem Raum, wo er mit Speckter<br />
warten sollte, ein Telefon und ein Verzeichnis mit den internen Nummern,<br />
auch der von Rybier. Kurz entschlossen wählte Reith sie; Rybier meldete sich<br />
sofort. „Wenn Sie nicht umgehend hier erscheinen, Herr Rybier“, polterte<br />
Reith los, „dann lasse ich den ganzen Laden hochgehen.“ Prompt tauchte der<br />
Geschäftsführer auf und versprach, einen Teil der ausstehenden Miete durch<br />
Der geplatzte Reith-Wechsel von 1975.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
81<br />
1974<br />
Bonn und Ostberlin richten<br />
wechselseitig<br />
„Ständige Vertretungen“ ein.<br />
„Guillaume-Affäre“ führt zum<br />
Rücktritt Willy Brandts. Nachfolger<br />
als Bundeskanzler wird<br />
Helmut Schmidt.<br />
In der Bundesrepublik wird die<br />
Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre<br />
herabgesetzt.<br />
Im VW-Werk Wolfsburg rollt der<br />
letzte „Käfer“ vom Band.
Eröffnung der Köhlbrandbrücke<br />
in Hamburg.<br />
US-Präsident Nixon tritt wegen<br />
der Watergate-Affäre zurück.<br />
Muhammad Ali (vormals<br />
Cassius Clay) gewinnt gegen<br />
den Titelträger George Foreman<br />
die Boxweltmeisterschaft im<br />
Schwergewicht.<br />
Deutschland wird mit einem<br />
2:1 über die Niederlande<br />
Fußballweltmeister.<br />
1975<br />
Mao Zedong empfängt<br />
Franz-Josef Strauß als ersten<br />
offiziellen Besucher aus der<br />
Bundesrepublik.<br />
Das Bundesverfassungsgericht<br />
lehnt die Reform des<br />
Abtreibungsparagraphen<br />
218 ab.<br />
Die Deutsche Bank kauft<br />
ein Daimler-Benz-Aktienpaket<br />
von Flick und verfügt damit<br />
über 57,5 Prozent der<br />
Daimler Benz AG.<br />
Wiederöffnung des<br />
Suez-Kanals.<br />
In Helsinki wird die KSZE-<br />
Schlussakte unterzeichnet.<br />
Riesige Waldbrände in<br />
Niedersachsen.<br />
Bankabtretung zu bezahlen. Für den weit größeren Rest allerdings stellte er<br />
bloß einen Wechsel aus. Bitter fragte Reith seinen Schuldner, welchen Wert<br />
denn so ein Papier habe. Rybier entgegnete lachend: „Wechsel sind immer so-<br />
viel wert wie die Unterschrift darauf.“ Auf der Rückreise prophezeite Speckter,<br />
dass Reith den Betrag getrost in den Schornstein schreiben könne. Darauf-<br />
hin schenkte ihm Reith den Wechsel, der erwartungsgemäß platzte. Speckter<br />
machte sich dann den Spaß und schickte Reith mit einem herzlichen Dan-<br />
keschön ein antiquarisch erworbenes Bündel Inflationsgeld in der Höhe der<br />
fraglichen Summe. Seitdem herrschte bestes Einvernehmen zwischen Voge-<br />
mann und Reith. Rybiers Firma Blaesberg ging übrigens bald darauf Konkurs.<br />
Wie schon angedeutet, war für Prüss die Bereederung oder der<br />
Erwerb von Schiffen ein Hauptanliegen. Er stellte dazu Herrn Busch ein, der<br />
sich fast ausschließlich mit der Durchkalkulation von am Markt angebotenen<br />
Schiffen beschäftigte. 1968 machte Prüss eine Reise nach Finnland, nachdem<br />
<strong>Vogemann</strong> zwei Leonhardt-Schiffe mit der Finnlines Oy., die „Finnleonhardt“<br />
(21 Monate) und die „Finnheide“ (ebenfalls 21-24 Monate) geschlossen hatte.<br />
In Helsinki erfuhr Prüss, dass die schwedische Reederei Wallenius drei Bulk-<br />
carrier (Massengutfrachter) von 36.000 t Tragfähigkeit bei der Inflot Moscow<br />
gebucht hatte zum Bau bei der Leninwerft in Leningrad. Außerdem hatte Wallenius<br />
eine Option auf ein viertes solches Schiff, von der die Firma jedoch<br />
keinen Gebrauch machen wollte.<br />
Es stand also ein Schiff einer ausgefeilten Reihe von Neubauten<br />
zum Ankauf, und Prüss bemühte sich sogleich bei Inflot Moscow um den<br />
Erwerb des frei gewordenen Frachters. Bei einem Preis von 22 Millionen DM<br />
war der Ankauf seitens <strong>Vogemann</strong>s zwar nicht realistisch, doch verhandelte<br />
Prüss unter der Formel „for account of whom it may concern“. Inflot ging darauf<br />
widerspruchslos ein und machte feste Kaufofferten. Ein namentlich nicht<br />
mehr erinnerlicher Anwalt mit Büro in der Hamburger Esplanade hörte von<br />
<strong>Vogemann</strong>s Verhandlungen, nahm Kontakt auf und erklärte, er verfüge über<br />
Verbindungen zu Kreisen, die an umfangreichen Geldanlagen in Form von<br />
Schiffen oder Schiffsbeteiligungen Interesse hätten.<br />
Bei den „Kreisen“ handelte es sich um einen einzigen Interessenten,<br />
nämlich Herrn Friedrich Brante in Berlin, der zu einem Ankauf zum<br />
genannten Preis bereit war. <strong>Vogemann</strong> gelang es flankierend dazu, mit der<br />
Firma Star Shipping im norwegischen Bergen einen Vertrag über fünf Jahre<br />
Zeitcharter „subject purchase of the Wallenius type vessel“ abzuschließen. Es<br />
standen damit sowohl ein Geldgeber als auch ein Befrachter zur Verfügung.<br />
Prüss, Brante und dessen Prokurist, ein Herr Schneider, reisten nach Moskau<br />
82 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
„Star Ravenna“, das Schiff, das Ende der 1960er Jahre in die Hand eines Finanzjongleurs geriet.<br />
und machten dort den Kaufvertrag klar. Der Zeitcharter-Vertrag mit der Firma<br />
Star Lines konnte also ebenfalls in Kraft treten.<br />
<strong>Vogemann</strong> hatte in Brantes Augen damit seine Schuldigkeit getan<br />
und wurde nicht mehr benötigt, ja störte nur. Brante nämlich, ein windiger<br />
„Finanzjongleur“, wie <strong>Vogemann</strong> erfuhr, machte sich daran, das Schiff<br />
bei seinen Anlegern für 28 Millionen DM anzubieten. Einwände von <strong>Vogemann</strong>,<br />
wonach das Schiff bei einem Preis von 22 Millionen kostendeckend, ja<br />
profitabel würde fahren können, bei dem höheren Preis aber nicht, wischten<br />
Brante und Schneider vom Tisch. <strong>Vogemann</strong> musste mit einer bescheidenen<br />
Ankaufsprovision vorlieb nehmen, die sich die Firma hälftig mit Prüss teilte.<br />
Das Schiff wurde der Firma Stinnes ins Management gegeben, machte die<br />
erwarteten Verluste und musste schließlich mit weiterem Verlust veräußert<br />
werden. Brante ging mit seiner Firma Ravenna KG restlos pleite und setzte<br />
sich unter Hinterlassung erklecklicher Steuerschulden ab. Ob die zur Ergreifung<br />
des „Abschreibungskünstlers“ ausgesetzte Belohnung von DM 50.000<br />
erfolgreich war, darüber liegen <strong>Vogemann</strong> keine Erkenntnisse vor.<br />
Am 1. Januar 1971 wurde Herr Prüss persönlich haftender Gesellschafter,<br />
nachdem Richard <strong>Vogemann</strong> am 6. Oktober 1969 gestorben<br />
war. Ulrich Prüss konzentrierte sich nach den trüben Erfahrungen mit dem<br />
flüchtigen „Geldgeber“ fortan aufs Befrachten von Schiffen. Zusammen mit<br />
dem Kollegen und Prokuristen Reinhard Westphal erzielte er vorzügliche Ergebnisse.<br />
Leider musste <strong>Vogemann</strong> bald auf ihn verzichten: Ende 1973 befiel<br />
Prüss eine zunächst unerklärliche Krankheit, eine von den unteren Extremi-<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
83<br />
Volker Schlöndorff: „Die verlorene<br />
Ehre der Katharina Blum“<br />
(Film nach einem Roman von<br />
Heinrich Böll).<br />
1976<br />
Erste Demonstration gegen<br />
den Kernkraftwerksbau in<br />
Brokdorf.<br />
Der Bundestag billigt das Gesetz<br />
über die Mitbestimmung<br />
der Arbeitnehmer.<br />
In Ostberlin wird der Palast<br />
der Republik eröffnet.<br />
Die DDR bürgert den Liedermacher<br />
Wolf Biermann aus.<br />
Erich Honecker übernimmt<br />
das Amt des Staatsratsvorsitzenden<br />
der DDR.<br />
Der Sicherheitsgurt im Auto<br />
wird Pflicht.<br />
Bei der Bundesbahn werden<br />
die letzten Dampfloks<br />
stillgelegt.<br />
Wim Wenders‘ Film „Im Lauf<br />
der Zeit“ erhält den Kritikerpreis<br />
in Cannes.
1977<br />
Terroristen erschießen in<br />
Karlsruhe den General-<br />
bundesanwalt Siegfried<br />
Buback.<br />
„Deutscher Herbst“:<br />
Entführung des Arbeit-<br />
geber-Präsidenten<br />
Schleyer, der Lufthansa-<br />
Maschine „Landshut“,<br />
Erstürmung der Maschine<br />
in Mogadischu, Freitod der<br />
in Stammheim einsitzen-<br />
den Terroristen Baader,<br />
Ensslin und Raspe und<br />
Ermordung Schleyers.<br />
Tschechoslowakische<br />
Bürgerrechtler<br />
schließen sich zur „Charta<br />
77“ zusammen.<br />
Die neue Verfassung der<br />
Sowjetunion erweitert<br />
die Rechte der einzelnen<br />
Bürger.<br />
In der Bundesrepublik<br />
wird die allgemeine<br />
Pockenimpfpflicht<br />
aufgehoben.<br />
Die Staufer-Austellung<br />
in Stuttgart wird zum<br />
Publikumserfolg.<br />
täten ausgehende und unaufhaltsam nach oben wandernde beidseitige Läh-<br />
mung. Als endlich klar war, dass es sich um Landry-Paralyse (Sonderform<br />
des so genannten Guillain-Barré-Syndroms, GBS) handelte, war die tückische<br />
Nervenkrankheit so weit fortgeschritten, dass die Ärzte nicht mehr zu helfen<br />
vermochten. Prüss starb am 30. März 1974 an Atemlähmung. Herr Speckter<br />
als Komplementär und seine Frau Renate als Kommanditistin (seit 1956) wa-<br />
ren wieder alleinige Inhaber von H. <strong>Vogemann</strong>.<br />
Gründung der Trident GmbH. Die weitere personelle Entwick-<br />
lung der Firmenführung vollzog sich in groben Zügen so: Um den Bestand<br />
von H. <strong>Vogemann</strong> auf sichere – quasi unsterbliche – Beine zu stellen, gründe-<br />
te Paul Speckter 1975 die Trident Befrachtungs GmbH, die als weitere Komple-<br />
mentärin in die nunmehr H. <strong>Vogemann</strong> GmbH & Co. genannte Firma eintrat;<br />
den Zusatz „& Co.“ brauchte sie allerdings nicht zu führen, da sie schon vor<br />
dem Jahr 1900 gegründet worden war. Seit Anfang der 1970-er Jahre war Udo<br />
Wiese, der 1968 als Lehrling angefangen hatte, sehr aktiv tätig und machte<br />
zusammen mit dem Kollegen Westphal ausgezeichnete Geschäfte. Wiese erhielt<br />
1974 Einzelprokura und wurde 1978 Mitinhaber. Zur gleichen Zeit trat<br />
Herr Speckter als Komplementär zurück und machte von seinem Recht Gebrauch,<br />
seinen Komplementäranteil in einen Kommanditanteil umzuwandeln.<br />
Nunmehr war die Trident Befrachtungs GmbH einzige Komplementärin<br />
in der KG in der Firma H. <strong>Vogemann</strong> GmbH gegen eine „Risiko-<br />
Vergütung“ von DM 5000 p.a. Kommanditisten waren Paul Speckter, Renate<br />
Speckter und Udo Wiese. 1983 kam Hans-Joachim Boller als Kommanditist<br />
hinzu, 1988 folgte Roland Hensel in derselben Eigenschaft. Ende 1992 sind<br />
Renate und Paul Speckter aus der Firma ausgetreten. Es wurde vereinbart,<br />
dass dem Ehepaar über die kommenden zwölf Jahre eine Vergütung von fünf<br />
Prozent des jeweiligen Bilanzgewinns unter Abzug festgelegter Gesellschafter-Vergütungen<br />
ausgezahlt wird.<br />
Nicht zuletzt sollte diese Regelung ein Dank der Firma sein für<br />
Herrn Speckters Verdienste, die im Einzelnen natürlich nicht aufzählbar sind.<br />
Berichtet werden soll nur von zwei ihm besonders wichtigen Kunden, mit denen<br />
<strong>Vogemann</strong> dank seiner Bemühungen in sehr gedeihlichen Beziehungen<br />
stand:<br />
Topics Liberty-Frachter. Die Verbindung zur ursprünglich in<br />
Triest ansässigen Reederei der Familie Topic reichte zurück bis in <strong>Vogemann</strong>s<br />
Anfänge als Schiffsmaklerfirma. Das hervorragend geführte Unternehmen<br />
84 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Paul Speckter.<br />
mit den Inspektoren Sladovic und Senjanovic verlegte seinen Sitz später nach<br />
Monte Carlo (Monaco). Seine Schiffe waren immer bestens gepflegt, selbst die<br />
so genannten Liberty-Frachter. Dabei handelte es sich um billige, genormte<br />
Kriegsbauten, die im Schnellverfahren (rund 240 Tage) in Kanada und in den<br />
USA zu Tausenden aufgelegt wurden als Ersatz für die hohen Tonnageverluste<br />
durch U-Boote. Diese 11 Knoten schnellen 10.000-Tonner mit Kohle- oder<br />
Ölfeuerung waren meist in erbärmlicher Verfassung, weswegen sie bei <strong>Vogemann</strong><br />
abfällig als Schrottlauben bezeichnet wurden.<br />
Nicht so die Schiffe von Topic; die Reederei wartete auch diese<br />
denkbar einfach konstruierten Frachter vorzüglich und ersetzte sie in den<br />
1960/70-er Jahren nach und nach durch moderne, gewöhnlich bei japanischen<br />
Werften gebaute Schiffe. Da war der Seniorchef bereits verstorben, und<br />
eine Familie Augustini führte die Firma in der bewährten Tradition weiter.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
85<br />
1978<br />
Der Bundestag billigt die<br />
Anti-Terrorgesetze der<br />
Regierung.<br />
Im Emdener VW-Werk<br />
rollt der letzte „Käfer“<br />
vom Band.<br />
Hafenarbeiterstreiks<br />
legen den Betrieb in den<br />
deutschen Seehäfen lahm.<br />
Acht Jahre Haft für den<br />
DDR-Regimekritiker<br />
Rudolf Bahro.<br />
Dänemark, Großbritannien<br />
und Irland werden<br />
Vollmitglieder der<br />
Europäischen Gemeinschaft.<br />
Unterzeichnung eines<br />
Rahmenabkommens zwischen<br />
Ägypten und Israel in<br />
Camp David.<br />
Der polnische Kardinal<br />
Karol Wojtyla wird zum<br />
Papst gewählt<br />
(Johannes Paul II.)<br />
Untergang des deutschen<br />
Containerschiffes<br />
„München“ mit 28 Mann<br />
Besatzung.
1979<br />
Der Bundestag schafft die<br />
30jährige Verjährung für<br />
Mord ab.<br />
NATO-Doppelbeschluss<br />
zur Nachrüstung im<br />
Bereich der nuklearen<br />
Mittelstreckenraketen.<br />
In Hamburg entdeckt die<br />
Polizei eine Giftmülldepo-<br />
nie der Firma Stoltzenberg<br />
in einem Wohngebiet.<br />
Bei der Bürgerschafts-<br />
wahl in Bremen gelingt<br />
den Grünen erstmals der<br />
Einzug in ein Landespar-<br />
lament.<br />
Die US-Fernsehserie<br />
„Holocaust“ läuft in<br />
Deutschland an.<br />
Margret Thatcher wird<br />
erster weiblicher Premier-<br />
minister in England.<br />
Das Europäische<br />
Währungssystem (EWS)<br />
tritt in Kraft.<br />
Erste Direktwahl zum<br />
Europäischen Parlament.<br />
Einmarsch der Sowjets in<br />
Afghanistan.<br />
<strong>Vogemann</strong> hat auch mit ihr eine hohe Zahl von Schiffen bis hin zu Massen-<br />
gutfrachtern von 64.000 Tonnen geschlossen. Nie gab es Unstimmigkeiten bei<br />
der Abwicklung der Charters, jedenfalls nicht mit der Firma Topic, zu der ein<br />
echtes Vertrauensverhältnis bestand.<br />
Wenn einmal Probleme auftauchten, dann kamen sie von dritter<br />
Seite. So schloss <strong>Vogemann</strong> Anfang der 1960-er Jahre über die Firma Neptunia/<br />
Otto Schreuders die „Panamant“ von Topic mit Getreide von Brasilien<br />
nach Italien. Als bald darauf eine weitere Ladung anstand, wandte sich Schreuders<br />
direkt an Topic und wollte nunmehr Schiffe unter Umgehung von<br />
<strong>Vogemann</strong> schließen. Natürlich zeigte sich Sladovic interessiert an künftigen<br />
Geschäften, teilte aber Schreuders mit, dass er ohne <strong>Vogemann</strong> nicht<br />
handeln werde, da durch die Hamburger ja erst die erfreuliche Verbindung<br />
zustande gekommen sei. Schreuders hat diese Loyalität offenbar beeindruckt;<br />
jedenfalls hat <strong>Vogemann</strong> später noch viele Schiffe von Topic (und auch von<br />
anderen Reedereien) mit Schreuders schließen können. Es kam nie wieder zu<br />
Störungen.<br />
Beziehungen zu Panchaud Frères. Topic war nicht ohne weiteres<br />
zu schließen, sondern erforderte genaue Angebote und geschickte Verhandlung.<br />
War aber ein Abschluss getätigt, wurde die Charter vorbildlich<br />
durchgeführt. Topic hat ein Panamax-Schiff von ca. 62.000 Tonnen für eine<br />
Rundreise Brasilien/Europa für 2 Dollar pro Tonne und Monat genauso erstklassig<br />
abgewickelt wie spätere Abschlüsse – bei besserem Markt – für 7 Dollar<br />
je Tonne und Monat. Differenzen bei Abrechnungen gab es eigentlich nur<br />
einmal. Und auch da lag dies nicht an Topic, sondern an einem Dritten, der<br />
gerade deswegen letztlich ebenfalls zu einem vorzüglichen Geschäftspartner<br />
<strong>Vogemann</strong>s wurde:<br />
Die Makler hatten das Topic-Schiff „Panamante“ nach Ravenna<br />
geschlossen. Die Firma Panchaud Frères in Lausanne war der Charterer<br />
und Ferruzzi S.p.A. der Empfänger der Ladung am Zielort. <strong>Vogemann</strong> sollte<br />
das Frachtinkasso für Topic „freight payable at destination“ durchführen und<br />
nach Erhalt die Konnossemente zur Auslieferung freistempeln. Dabei gab es<br />
Schwierigkeiten mit Panchaud, der die Konnossements erst frei haben und<br />
erst nach Erhalt dieser Freistellung die Fracht bezahlen wollte. Paul Speckter<br />
flog daraufhin nach Ravenna, um die Interessen von Topic vor Ort wahrzunehmen.<br />
Es glückte ihm, zwischen Panchaud und Topic zu vermitteln, die<br />
Zwistigkeiten auszuräumen und eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung<br />
zu finden.<br />
86 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Panchaud gewann dadurch offenkundig ein sehr positives Bild<br />
von <strong>Vogemann</strong>. Der Geschäftsführer Herr Meister zog aus dem Vorfall die<br />
Konsequenz: „If you can’t beat him, join him“ und knüpfte eine für beide Teile<br />
erfolgreiche Geschäftsbeziehung zu <strong>Vogemann</strong> an. Die Hamburger haben<br />
in der Folgezeit dem Lausanner Haus viele Schiffe auf Reise- wie auf Zeitcharterbasis<br />
vermittelt; Topic war dabei oft eingebunden. Panchaud Frères<br />
S.A. wurde zu einem weiteren der speziellen Speckter-Kunden: Seit dem<br />
kleinen „Zusammenstoß“ in Ravenna wegen der „Panamante“ herrschte<br />
ungetrübtes Einvernehmen zwischen Panchaud unter Herrn Meister und<br />
dem zweiten Geschäftsführer Herrn Ruska sowie <strong>Vogemann</strong>. Eines Vertrages<br />
bedurfte es dazu nicht.<br />
Über zwei Jahrzehnte lang hat <strong>Vogemann</strong> alle Befrachtungen<br />
für die Firma durchgeführt, wobei es sich zunächst meistens um Soja- oder<br />
Mais-Ladungen von Brasilien nach Europa in der Größenordnung von ca.<br />
10.000 Tonnen handelte. Später folgten auch Abschlüsse über Rundreisen<br />
von Einheiten bis zu Panamax-Größe.<br />
Dabei konnte <strong>Vogemann</strong> ein Kombinationsgeschäft anregen:<br />
Rudi Glitz, einer der Ablader aus dem brasilianischen Porto Alegre (Rio Grande<br />
do Sul), fragte anlässlich eines Hamburg-Besuchs bei <strong>Vogemann</strong> an, ob<br />
die Firma bedeutenden Schiffsraum für Ladungen nach Brasilien besorgen<br />
könne. Der Unternehmer importierte nämlich auch Mähdrescher der Firma<br />
Claas im ostwestfälischen Harsewinkel für Südamerika. Das bedeutete, dass<br />
die für Panchaud von Brasilien nach Europa befrachteten Schiffe auf der<br />
Rückreise die Landmaschinen an Bord nehmen konnten. <strong>Vogemann</strong> empfahl<br />
Panchaud daher diese Schiffe für Rundreisen auf Zeitcharter-Basis zu mieten,<br />
was in Lausanne sogleich akzeptiert wurde und beiden Teilen gute Gewinne<br />
brachte. <strong>Vogemann</strong> hatte dabei noch die profitable Aufgabe der Abfertigung<br />
und Beladung der Schiffe in Hamburg. Zudem übernahm <strong>Vogemann</strong> für Panchaud<br />
auch die gesamte Zeitcharterkalkulation inklusive Segel- und Bunkerungsorders.<br />
Vermehrt kamen dabei Schiffe von Panamax-Größe in Betracht.<br />
<strong>Vogemann</strong> musste dafür sorgen, dass die Kosten der Zeitcharter in einem<br />
marktgerechten Ratenniveau „per ton“ Ladung „northbound“ (also von Brasilien<br />
Richtung Europa) lagen. Es waren nun auch die Kosten für Hafenleistungen,<br />
Brennstoff, Dauer der Reise, Laden und Löschen einzubeziehen, was<br />
manchmal ein schwieriges Puzzle ergab. <strong>Vogemann</strong> war stolz, dass es gelang,<br />
die „per ton“-Rate für die Ladungsreise immer im Rahmen des Marktpreises<br />
zu halten oder diesen sogar zu unterschreiten.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
87<br />
1980<br />
Verbot der rechtsextremen<br />
„Wehrsportgruppe Hoffmann“.<br />
Künstler und Intellektuelle<br />
schließen sich zu Anti-Strauß-<br />
Initiativen zusammen.<br />
In der Bundesrepublik wird erstmals<br />
die Sommerzeit eingeführt.<br />
Die EG räumt in der Nahosterklärung<br />
den Palästinensern das<br />
Recht auf Selbstbestimmung ein.<br />
Der frühere Filmschauspieler<br />
Ronald Reagan wird<br />
40. Präsident der USA.<br />
Wegen des sowjetischen Einmarsches<br />
in Afghanistan boykottieren<br />
mehrere westliche Staaten die<br />
Olympischen Sommerspiele in<br />
Moskau.<br />
Der Circus Roncalli feiert Riesenerfolge<br />
mit seinem Programm<br />
„Reise zum Regenbogen“.<br />
Der deutsche Beitrag<br />
„Die Blechtrommel“ erhält<br />
den Oscar für den besten<br />
ausländischen Film.
1981<br />
Mehr als 300 000 Menschen<br />
versammeln sich in Bonn zur<br />
größten Friedensdemonst-<br />
ration in der Geschichte der<br />
Bundesrepublik.<br />
In Stuttgart rollt der letzte<br />
Mercedes 600 vom Band.<br />
Erdgasgeschäft zwischen<br />
der Bundesrepublik und der<br />
Sowjetunion.<br />
François Mitterand wird<br />
französischer Präsident.<br />
Die USA geben den Bau der<br />
Neutronenbombe bekannt.<br />
Eröffnung der Neuen Pinako-<br />
thek in München.<br />
Wolfgang Petersen: „Das<br />
Boot“ (Kriegsfilm).<br />
1982<br />
Die sozialliberale Koalition<br />
zerbricht. Nach konstrukti-<br />
vem Misstrauensvotum des<br />
Bundestages gegen Kanzler<br />
Schmidt wird Helmut Kohl<br />
(CDU) zum Kanzler gewählt.<br />
Er bildet zusammen mit<br />
der FDP eine neue Regie-<br />
rungskoalition.<br />
Wahlerfolge der Grünen<br />
in Hamburg, Hessen und<br />
Bayern.<br />
Besuch von der Staatsanwaltschaft. Im Mai 1992 verhängte<br />
der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein Handels- und Ölembargo ge-<br />
gen die Bundesrepublik Jugoslawien, damals nur noch bestehend aus Serbien<br />
und Montenegro, um den auf dem Balkan tobenden Bürgerkrieg einzudäm-<br />
men. Die Sanktionen wurden im September 1994 gelockert und im November<br />
1995, im Zusammenhang mit dem Dayton-Abkommen, endgültig ausgesetzt.<br />
Im Jahre 1993 aber galten sie, der Flugverkehr mit Belgrad war<br />
eingestellt, vor der Küste Montenegros patrouillierten NATO-Kriegsschiffe<br />
und –Flugzeuge, serbisch Auslandskonten waren eingefroren..<br />
Der jugoslawische Reeder, mit dem <strong>Vogemann</strong> zusammenarbei-<br />
tete, hatte sein Schiff, die „Rumija“, rechtzeitig nach Malta ausgeflaggt. So<br />
durfte es trotz Embargo weiter fahren. Im August 1992 transportierte es für<br />
die Firma Alfred C. Toepfer eine Ladung von 12.000 t Futtermittel von Rangun<br />
(Burma) nach Rotterdam. Für <strong>Vogemann</strong> ein Geschäft, das legal schien.<br />
Das wäre es auch geblieben, wenn nicht noch ein jugoslawischer Makler aus<br />
Hamburg mitbeteiligt gewesen wäre. „Jugo Agent“ erhielt von <strong>Vogemann</strong> im<br />
Mai 1993 eine Provision von 4434 US-Dollar auf sein Konto in den Vereinigten<br />
Staaten überwiesen, und daran nahmen die Ermittler Anstoß. Zu fünft erschienen<br />
sie eines Tages in Udo Wieses Büro, um den Geschäftsführer zu befragen<br />
und Unterlagen zu beschlagnahmen. Bei Toepfer wurden sie ebenfalls<br />
vorstellig. Während aber der Befrachter bald danach wieder in Ruhe gelassen<br />
wurde, blieb die Staatsanwaltschaft am Makler dran.<br />
Ausriss aus dem „Hamburger Abendblatt“ vom Februar 1998.<br />
88 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Geschäfte mit Coutinho, Caro & Co.<br />
Manch lohnende Kooperation kam auch dadurch zustande, dass Befrachter<br />
mit besonderen Wünschen an <strong>Vogemann</strong> herantraten. So war es im Fall<br />
des 1895 in Hamburg gegründeten Stahlhandelshauses Coutinho, Caro &<br />
Co. Einer seiner langjährigen leitenden Angestellten und Vorstandsmitglieder<br />
(seit 1990) war im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts und darüber<br />
hinaus Harring-Detlef Arndt. Er erinnert sich an die Zusammenarbeit<br />
so:<br />
Der engere Kontakt zur Firma H. <strong>Vogemann</strong> reicht zurück<br />
bis in das Jahr 1971. Gegen Ende des Jahres 1970 hatte ich gerade die<br />
Leitung der Verschiffungsabteilung von Coutinho, Caro & Co (CCC) übernommen<br />
(seit 1971 als Prokurist) und bemühte mich, vor allem unseren<br />
wachsenden Stahlhandel mit neuen Ideen weltweit verschiffungsmäßig<br />
weiter zu intensivieren. Es war die Zeit, als Stahl im internationalen Handel<br />
nicht mehr nur von Nordeuropa, sondern in zunehmendem Maße auch<br />
von den Häfen des Mittelmeers sowie von Fernost und von der Ostküste<br />
Südamerikas verladen wurde. Hinzu kam, dass zur gleichen Zeit auch ein<br />
etwa gleichaltriger Kollege bei CCC die Chemieabteilung aufbauen sollte.<br />
Dadurch hatten wir nicht nur Stahl, sondern u.a. auch Düngemittel in<br />
Größenordnungen zu verladen, die das Einchartern von Schiffen voraussetzten.<br />
Bei diesen Aktivitäten waren bei <strong>Vogemann</strong> der junge, findige<br />
Udo Wiese (seinerzeit 21 Jahre alt und seit drei Jahren bei der Maklerfirma<br />
an Bord) und sein Chef Paul Speckter für mich eine große Hilfe. Kollege<br />
Speckter aufgrund seines großen Erfahrungsschatzes und Udo Wiese<br />
mit seiner schier unerschöpflichen Energie haben damals entscheidend<br />
dazu beigetragen, dass Coutinho, Caro & Co. im internationalen Stahlhandel<br />
immer auf Ballhöhe war, was die Transporte betraf. Mit Unterstützung<br />
der versierten Leute von <strong>Vogemann</strong> gelang es uns, auch ungewöhnliche<br />
und nicht selten hoch komplizierte Verschiffungen zu organisieren. Insbesondere<br />
die vielen neuen Ver- und Entladeplätze stellten uns und die<br />
<strong>Vogemann</strong>-Makler vor ungekannte Herausforderungen und Probleme, zu<br />
deren Lösung große kaufmännische Phantasie erforderlich war.<br />
Nachdem wir anfänglich nur Schiffe auf Reisebasis eincharterten,<br />
gingen wir nach einigen Jahren auf Anregung der Vogemänner<br />
dazu über, Schiffe auch auf Zeitcharter hereinzunehmen. Zuerst nur für<br />
Reisen, die beispielsweise für hauseigene Stahlladungen von Brasilien<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
89<br />
Der Skandal um die gewerk-<br />
schaftseigene Neue Heimat<br />
erschüttert das Vertrauen in<br />
DGB-Funktionäre.<br />
In der Unterhaltungselektronik<br />
wird das Zeitalter der Digitaltechnologie<br />
eingeläutet.<br />
In der DDR wird unter dem<br />
Motto „Schwerter zu Pflugscharen“<br />
eine Friedensbewegung<br />
aktiv.<br />
Auseinandersetzungen um den<br />
Bau der Startbahn West des<br />
Frankfurter Flughafens.<br />
Die Schlagersängerin Nicole<br />
gewinnt den Grand Prix de la<br />
Chanson mit dem Lied „Ein<br />
bisschen Frieden“.<br />
1983<br />
Bei Neuwahlen wird das CDU/<br />
CSU-FDP-Regierungsbündnis<br />
bestätigt. Die Grünen erstmals<br />
im Bundestag.<br />
Großdemonstration in<br />
Mutlangen gegen die<br />
Stationierung von<br />
Pershing-II-Raketen.<br />
Angebliche Hitler-<br />
Tagebücher werden als<br />
Fälschung entlarvt.
US-Präsident Reagan präsen-<br />
tiert Pläne für ein weltraum-<br />
gestütztes Abwehrsystem (SDI).<br />
Beginn des Bildschirmtexts Btx.<br />
In der Bundesrepublik treten<br />
erste AIDS-Fälle auf.<br />
Bei den Feierlichkeiten zum<br />
500. Geburtstag von Martin<br />
Luther wird die restaurierte<br />
Wartburg wiedereröffnet.<br />
1984<br />
Bayern nimmt als erstes<br />
Bundesland den Umweltschutz<br />
in die Verfassung auf.<br />
Rücktritt des Bundeswirt-<br />
schaftsministers Otto Graf<br />
Lambsdorff wegen<br />
Verwicklung in die Flick-<br />
Parteispendenaffäre.<br />
Die DDR baut die Selbstschuss-<br />
anlagen an der Grenze ab.<br />
Großbritannien und China<br />
einigen sich über die<br />
Rückgabe der Kronkolonie<br />
Hongkong an China.<br />
Ermordung der indischen<br />
Ministerpräsidentin Indira<br />
Gandhi.<br />
In der Bundesrepublik nimmt<br />
die erste Kabelfernsehanstalt<br />
den Sendebetrieb auf.<br />
und/ oder Argentinien nach Fernost durchzuführen waren. Es dauerte<br />
nicht lange, bis uns auch von anderen Firmen über unsere Agenten Ladungen<br />
angeboten wurden, mit der Bitte diese doch zu möglichst günstigen<br />
Frachtraten mitzutransportieren. Diese Dienstleistung entwickelte<br />
sich rasch zu einem wichtigen Standbein. Unsere Schifffahrtsaktivitäten<br />
nahmen mit der Zeit derartige Dimensionen an, dass ich mir Gedanken zu<br />
machen begann, wie ich sie bündeln und von den anderen Handelsaktivitäten<br />
des Hauses Coutinho, Caro & Co. trennen könnte.<br />
Es gab bereits seit einiger Zeit eine CCC-Tochtergesellschaft<br />
namens Coreck, die vorsorglich gegründet worden war, aber noch wenige<br />
nennenswerten Aktivitäten entfaltet hatte. Sie schien mir und meinen<br />
Kollegen das richtige Dach für unsere Schifffahrtstätigkeiten zu sein: Seit<br />
etwa 1980 wurden sie unter dem Namen Coreck Maritime GmbH abgewickelt;<br />
1983 übernahm ich die Geschäftsführung. Da Udo Wiese inzwischen<br />
zum Partner bei H. <strong>Vogemann</strong> aufgerückt war, wurden wir nunmehr<br />
bezüglich unserer Zeitchartertätigkeiten bei H. <strong>Vogemann</strong> von unserem<br />
Hamburger Dänen Frank Jensen betreut. Sämtliche Zeitcharterabschlüsse<br />
wurden exklusiv über H. <strong>Vogemann</strong> getätigt. Unter den Zeitcharterschiffen<br />
befanden sich auch einige langfristig eingecharterte Stückgutfrachter.<br />
Über die Firma H. <strong>Vogemann</strong> haben wir damals unter anderem sehr gute<br />
Coreck-Schiffe auf Reede.<br />
90 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Anteilsschein der H. <strong>Vogemann</strong> Inc.<br />
Kontakte zu verschiedenen kroatischen Reedereien aufgebaut. Udo Wiese<br />
und ich haben diese Reeder während der 1980er und Anfang der 1990er<br />
Jahre mehrfach gemeinsam in Dalmatien besucht und gute Konditionen<br />
ausgehandelt. Außerdem riefen wir gemeinsam die amerikanische Firma<br />
H. <strong>Vogemann</strong> Inc. in Stamford (Connecticut) ins Leben, die amerikanische<br />
Exportladungen makelte; <strong>Vogemann</strong> hielt 40, CCC und Coreck je 30 Prozent<br />
an diesem Unternehmen.<br />
Mitte der 1990er Jahre wurden durch Coreck Maritime GmbH<br />
ca. 60 Abfahrten weltweit angeboten, vornehmlich regelmäßig von Brasilien/<br />
Argentinien nach Fernost, von den baltischen Häfen und von anderen<br />
nordeuropäischen Häfen nach Fernost, vom Mittelmeer nach Fernost, von<br />
Indonesien nach Europa einschließlich von Mittelmeerhäfen sowie bis zu<br />
zwei Mal monatliche Abfahrten von Fernost (insbesondere China) nach<br />
Europa, ebenfalls inklusive Mittelmeer. Darüber hinaus wurden Abfahrten<br />
vom US-Golf nach Fernost, von Fernost nach Südafrika und zur Ostküste<br />
Südamerikas sowie von den Ostseehäfen zum US-Golf und in die Karibik<br />
angeboten. Jährlich wurden alles in allem rund 1,2 Millionen Frachttons<br />
abgefahren, wobei auch ein Teil der Ladungsbuchungen durch<br />
H. <strong>Vogemann</strong> erfolgte.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
91<br />
Nach einer Waldschadenserhebung<br />
gelten 50 % der deutschen Wälder als<br />
geschädigt.<br />
„Tatort“-Krimis mit Götz George<br />
(„Schimanski“) haben die höchsten<br />
Einschaltquoten in der ARD.<br />
1985<br />
Schengener Abkommen zum Abbau<br />
der Kontrollen an den gemeinsamen<br />
Grenzen bestimmter europäischer<br />
Länder.<br />
Der Reformpolitiker Michail<br />
Gorbatschow wird<br />
Generalsekretär der KPdSU.<br />
Friedrich Karl Flick verkauft sein<br />
Unternehmen an die Deutsche Bank.<br />
In Hessen wird die erste rot-grüne<br />
Landesregierung unter Holger Börner<br />
und Joschka Fischer gebildet.<br />
Einweihung der wiederaufgebauten<br />
Semper-Oper in Dresden.<br />
Boris Becker gewinnt das<br />
Tennisturnier in Wimbledon.<br />
Beginn der Fernsehserie<br />
„Lindenstraße“.<br />
1986<br />
Reaktorunfall in Tschernobyl (Ukraine).<br />
Der Bundestag beschließt die<br />
Einführung des maschinenlesbaren<br />
Ausweises und Europapasses.
Erstmals wird in der<br />
Bundesrepublik ein<br />
künstliches Herz verpflanzt.<br />
Frankreich und Großbritan-<br />
nien einigen sich über den<br />
Bau eines Kanaltunnels.<br />
Der schwedische Minister-<br />
präsident Olof Palme wird<br />
erschossen.<br />
Das Musical „Cats“ von<br />
Andrew Lloyd Webber hat<br />
Premiere in Deutschland.<br />
Durch den Kauf des<br />
Verlagshauses<br />
Doubleday & Co. steigt Ber-<br />
telsmann in den Kreis der<br />
weltweit größten Medien-<br />
konzerne auf.<br />
1987<br />
Bei der Bundestagswahl<br />
erleidet die CDU/CSU Stim-<br />
menverluste, stellt jedoch<br />
mit Helmut Kohl weiterhin<br />
den Kanzler.<br />
Staatsbesuch des DDR-<br />
Staatsratsvorsitzenden Erich<br />
Honecker in Bonn.<br />
Gorbatschow verkündet sein<br />
Reformprogramm mit den<br />
Zielen „Glasnost“ (Öffent-<br />
lichkeit) und „Perestroika“<br />
(Umbau).<br />
Zunächst blieb die Coreck und ihre Kooperation mit <strong>Vogemann</strong><br />
vom Verkauf der Mutterfirma CCC 1984 und deren Weiterveräußerungen<br />
1988 und 1996 wenig berührt. Erst Umorientierungen in der<br />
Geschäftspolitik der Mehrheitsgesellschafter zu Beginn des neuen Jahrhunderts<br />
wirkten bremsend. 2003 endete die lange so gedeihliche Entwicklung<br />
mit dem Insolvenzantrag. <strong>Vogemann</strong> betraf das allenfalls noch<br />
am Rande, denn das Unternehmen hatte sich inzwischen zu einer beachtlichen<br />
Firmengruppe erweitert; die Maklerei war nur noch eines von einer<br />
ganzen Reihe von Geschäftsfeldern.<br />
Fünf Jahre später wurde der Prozess gegen Udo Wiese wegen<br />
Verstoßes gegen die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates eröffnet. Er endete<br />
mit einem Freispruch. Die Staatsanwaltschaft nahm das nicht hin und legte<br />
Berufung ein. Daraufhin einigten sich Gericht und Angeklagter auf eine Ein-<br />
stellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße von 8000 Mark, zu zahlen an<br />
soziale Einrichtungen. Eine Eintragung ins Vorstrafenregister blieb Udo Wiese<br />
damit erspart. Die 30.000 Mark Anwaltskosten, die im Laufe des Verfahrens<br />
geflossen waren, nahm ihm allerdings niemand ab.<br />
Zum Komplex „Krieg in Jugoslawien“ gehört eine weitere Geschichte.<br />
Der Geschäftsführer einer mit <strong>Vogemann</strong> befreundeten kroatischen<br />
Maklerfirma wandte sich eines Tages an Udo Wiese mit der Bitte, seinen Sohn,<br />
dem die Einberufung in die kroatische Armee drohte, vor dem gefährlichen<br />
Militärdienst zu retten. Man verständigte sich darauf, den jungen Mann für<br />
kurze Zeit als Volontär einzustellen. So kam Boris Babic nach Hamburg. Aus<br />
der „kurzen Zeit“ wurden 13 Jahre, in denen er für die Firma wertvolle Arbeit<br />
leistete.<br />
Cremer – Krohn – Toepfer. Seit Ende der 1970er Jahre war<br />
<strong>Vogemann</strong> als Befrachtungsmakler stark im Futtermittelgeschäft mit Asien<br />
engagiert. Die Rohstoffe kamen aus Thailand, Indonesien und den Philippinen.<br />
Auch Indien gehörte ursprünglich zu den Lieferanten, schied aber später<br />
aus, da mit zunehmender Verschärfung der Kontrollen und der Anhebung<br />
der Belastungsgrenzen das indische Material nicht mehr den Anforderungen<br />
genügte. Die Schiffe, die dafür gechartert wurden, waren zumeist Zwischendecker<br />
mit einer Tragfähigkeit von 10.000 bis 20.000 Tonnen. Sie gehörten<br />
griechischen Reedern oder auch Firmen aus dem Ostblock, aus Polen oder<br />
Jugoslawien. Drei große Häuser gab es damals in Hamburg, die mit Futtermitteln<br />
zur Mischfutterherstellung handelten: Das eine war Peter Cremer, das<br />
92 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
andere Krohn & Co., das dritte Alfred C. Toepfer. Mit Cremer und Krohn unterhielt<br />
<strong>Vogemann</strong> schon länger Beziehungen, mit Toepfer nicht. Toepfer hatte<br />
seine eigenen Makler. Doch blickte man dort mit Interesse auf die rührigen<br />
Leute bei <strong>Vogemann</strong>. Es fiel auf, dass <strong>Vogemann</strong> auch dann noch Schiffe beschaffen<br />
konnte, wenn andere die Suche schon aufgegeben hatten. Das lag<br />
wohl daran, dass man bei Toepfer gewohnt war, nordeuropäische Schiffe zu<br />
chartern, die aber oft zu groß waren, um sie sinnvoll nutzen zu können. <strong>Vogemann</strong><br />
dagegen mit seinen griechischen oder kroatischen Reedern, die kleinere<br />
Schiffe besaßen, konnte da gut die Lücken füllen.<br />
Es geschah bei einem Essen zu viert, Wiese und Boller von <strong>Vogemann</strong><br />
und Schröder und Meier von Toepfer saßen beisammen, als wieder<br />
so ein Problem auf dem Tisch lag: Toepfer wollte ein Schiff von Indonesien<br />
auf Zeitcharter schließen. Seinen Maklern war jedoch nicht gelungen. eines<br />
aufzutreiben. Tagelang hatten sie es probiert, ohne Erfolg. Die Vogemänner<br />
waren mit einer anderen Sorge beschäftigt. Sie hatten die „Amelia Topic“ vom<br />
jugoslawischen Reeder Topic mit der Firma Krohn & Co. auf Reisecharter<br />
schließen wollen, doch die Vorbehalte nicht gekriegt. Die Runde fand eine<br />
schöne Lösung: Toepfer nahm die „Amelia Topic“, aber nicht auf Zeitcharter,<br />
wie seine Norweger sonst, sondern auf Reisebasis.<br />
Das Geschäft lief so gut, dass Toepfer über <strong>Vogemann</strong> gleich<br />
zwei weitere Schiffe schloss. Allerdings achtete man darauf, dass es sich wieder<br />
um Fälle handelte, an denen sich andere die Zähne ausgebissen hatten<br />
oder ausbeißen würden. <strong>Vogemann</strong> bestand auch diesen Test, es entwickelten<br />
Historische Büromaschinen, heute bei <strong>Vogemann</strong> in einer Vitrine verwahrt.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
93<br />
Selbstmord des schleswigholsteinischenMinisterpräsidenten<br />
Barschel.<br />
Der Sportpilot Manfred Rust<br />
landet mit seiner Cessna auf<br />
dem Roten Platz in Moskau.<br />
Einweihung des ersten deutschen<br />
Windenergieparks in<br />
Dithmarschen.<br />
Werner Tübke vollendet<br />
sein Riesen-Panoramabild<br />
„Frühbürgerliche Revolution in<br />
Deutschland“.<br />
Katarina Witt gewinnt die<br />
Weltmeisterschaft im Eiskunstlauf.<br />
Steffi Graf rückt auf<br />
Platz 1 der Tennis-<br />
Weltrangliste vor.<br />
1988<br />
Michael Jackson gibt ein<br />
Konzert an der Berliner<br />
Mauer.<br />
Bei einem Unglück<br />
während einer Flugschau<br />
in Ramstein kommen<br />
70 Menschen ums Leben.<br />
Schließung des Krupp-<br />
Stahlwerkes in Duisburg.<br />
Das Geiseldrama von<br />
Gladbeck endet mit dem Tod<br />
dreier Menschen.
Die Sowjets beginnen<br />
mit dem Abzug ihrer Mittel-<br />
streckenraketen aus der<br />
DDR und der ČSSR.<br />
Ende des iranisch-irakischen<br />
Golfkrieges.<br />
1989<br />
Massaker an protestieren-<br />
den Studenten auf dem<br />
Tienanmen-Platz in Peking.<br />
Erosion des Ostblocks:<br />
Ungarn öffnet sich gegen<br />
den Westen.<br />
Beginn der großen Flucht-<br />
bewegung aus der DDR.<br />
Montagsdemonstrationen in<br />
Leipzig. Das Regime bricht<br />
zusammen.<br />
Öffnung der Grenzen zur<br />
Bundesrepublik. Bürger-<br />
rechtler bilden<br />
„Runde Tische“.<br />
Sturz und Hinrichtung des<br />
rumänischen Diktators<br />
Ceauşescu.<br />
Die letzten Sowjettruppen<br />
verlassen Afghanistan.<br />
Reagan und Gorbatschow<br />
unterzeichnen einen Vertrag<br />
über den vollständigen<br />
Abbau aller atomaren Mit-<br />
telstreckenwaffen.<br />
sich stabile Geschäftsbeziehungen, die, wenn auch nicht mehr im gleichen<br />
Umfang, bis auf den heutigen Tag andauern. Bei Toepfer nannte man Udo<br />
Wiese bald den „deutschen Griechen“. Das war als Anerkennung für Wieses<br />
Verhandlungsgeschick gemeint. Wiese sah „seine“ griechischen Reeder ohne<br />
Vorurteile. Hauptsache, sie hatten die passenden Schiffe. Natürlich lief manches<br />
anders bei den Verhandlungen, aber er vermochte sich darauf einzustellen<br />
und mitzuhalten, auch wo es nach herkömmlicher Auffassung allzu<br />
levantinisch herging. Besonderes Vergnügen machte es ihm, Gespräche auf<br />
zwei Telefonen gleichzeitig zu führen. Den Reeder aus Piräus am einen Ohr,<br />
den deutschen Futtermittelhändler am anderen, dann den Griechen per Lautsprecher<br />
verstärkt, so dass der Geschäftspartner aus Hamburg die Lamentos<br />
und Schimpfkanonaden aus der anderen Leitung hören konnte – und das ganze<br />
Büro hatte seinen Spaß daran.<br />
Auf Geschäftsreisen nach Griechenland war es dann üblich,<br />
dass man, egal wo man einkehrte, Fisch vorgesetzt bekam. Nun traf es sich,<br />
dass einmal ein Mann von Toepfer dabei war, dem es vor Fisch graute, besonders<br />
wenn er im ganzen Stück, mit Kopf und Schwanz auf dem Teller lag.<br />
Und genauso wurde der Fisch überall serviert. Nachdem das einige Tage so<br />
gegangen war, verlangte der Mann endlich ein Fleischgericht und bekam es<br />
auch nach einigem Hin und Her.<br />
Bedeutung der polnischen Tonnage. Toepfer gehörte auch zu<br />
den Befrachtern im innereuropäischen Getreidehandel. Bei <strong>Vogemann</strong> lag<br />
dies Geschäftsfeld in den Händen von Hans Boller, der erst 2008 aus der<br />
Gesellschaft ausschied. Boller verfügte über gute Beziehungen zu dem Mann<br />
bei Toepfer, der die europäischen Ladungen unter sich hatte, und es gelang<br />
ihm immer wieder, für dieses Geschäft einen Fuß in die Tür zu bekommen.<br />
Wichtig war der Zugang zu der polnischen Tonnage. Man hatte es dort mit<br />
der staatlichen Maklerfirma Polfracht Gdynia zu tun, die Reederei hieß Polish<br />
Steamship Company (PSC), mit Sitz in Stettin. Einen guten Zugang besaß Roland<br />
Hensel, der jedoch für die Konkurrenz arbeitete. Grund genug, ihn dort<br />
wegzuholen. 1984 wurde er bei <strong>Vogemann</strong> eingestellt, 1988 erhielt er Prokura,<br />
1992 wurde er Gesellschafter. Er schloss mit Toepfer alle transatlantischen<br />
Ladungen mit PSC, was den innereuropäischen Handel in wünschenswerter<br />
Weise ergänzte. Das Geschäft florierte, zeitweilig waren mehr als zehn Schiffe<br />
im Monat mit Ladung für Toepfer unterwegs.<br />
Bei Toepfer ging das Wort um, mit den Polen sei es wie mit den<br />
Ehefrauen daheim – „Wir lieben sie, aber wir verstehen sie nicht“ –, doch bei<br />
94 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
<strong>Vogemann</strong> wusste man sich auf die unterschiedlichen Mentalitäten einzustellen.<br />
Dabei war es äußerst mühselig, die Kommunikation aufrecht zu erhalten.<br />
Im sozialistischen Polen gab es wenig Telefone, Auslandsverbindungen<br />
mussten über Frankfurt abgewickelt werden, vielfach konnte man nicht anders<br />
als über den Fernschreiber miteinander verkehren. Geschäftsreisen etwa<br />
nach Danzig dauerten von Hamburg aus zehn bis zwölf Stunden. Gern sahen<br />
es die polnischen Partner, wenn die Deutschen zu ihnen kamen, man traf sich<br />
nicht nur in den Hafenstädten Danzig und Stettin, sondern auch an Orten, die<br />
touristisch etwas boten, Krakau, Breslau oder die Masuren. Wie nicht anders<br />
zu erwarten, floss bei den Treffen in Polen der Wodka in Strömen, was den<br />
Vogemännern einiges Stehvermögen abverlangte. Da half es nicht, mit dem<br />
Kellner ein heimliches Abkommen zu treffen, dass er die Gläser mit Wasser<br />
statt mit Wodka füllte - der Mann tat doch wieder Wodka hinein. Und den<br />
Schnaps still in eine Blumenvase zu kippen gelang auch nicht immer. Bei Besuchen<br />
der Polen im Westen durften die Starkgetränke genauso wenig fehlen,<br />
statt Wodka gab es eben Korn und Aquavit. Aber wie es scheint, haben sich<br />
inzwischen die Bräuche geändert, man säuft einander nicht mehr bei jeder<br />
Gelegenheit unter den Tisch. Seit der Auflösung des Ostblocks hat sich das<br />
Trinkverhalten gemäßigt, die Gelage waren wohl das Zubehör einer bestimmten<br />
historischen Epoche, des Staatssozialismus eben.<br />
Aus <strong>Vogemann</strong>s Vitrine: Abkürzungsverzeichnis für den Kabelverkehr.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
95<br />
Steffi Graf und Boris Becker<br />
siegen beim Tennisturnier in<br />
Wimbledon.<br />
1990<br />
Besetzung der Stasi-Zentrale<br />
in Berlin.<br />
Bei den ersten freien<br />
Volkskammerwahlen in der<br />
DDR wird die CDU stärkste<br />
Fraktion.<br />
„Zwei-plus-Vier-Konferenz“<br />
zu den außenpolitischen Aspekten<br />
der deutschen Einheit.<br />
Währungs-, Wirtschaftsund<br />
Sozialunion von<br />
Bundesrepublik und DDR.<br />
Die DDR tritt dem<br />
Geltungsbereich des<br />
Grundgesetzes bei: Wiedervereinigung<br />
Deutschlands.<br />
Die KSZE-Konferenz in Paris<br />
verabschiedet eine Charta<br />
zum Ende des kalten Krieges<br />
in Europa.<br />
Die baltischen Staaten erklären<br />
ihre Unabhängigkeit.<br />
Die deutsche Nationalmannschaft<br />
gewinnt die Fußballweltmeisterschaft<br />
in Italien.
Aufführung der Rock-Oper „The<br />
Wall“ von Pink Floyd an der nieder-<br />
gerissenen Mauer in Berlin.<br />
1991<br />
Eine internationale Streitmacht<br />
vertreibt die irakischen Truppen aus<br />
dem besetzten Kuwait.<br />
Der Bundestag entscheidet<br />
sich für Berlin als Hauptstadt<br />
Deutschlands.<br />
Rechtsextremisten überfallen<br />
ein Asylbewerberheim in<br />
Hoyerswerda (Sachsen).<br />
Die letzten „Wartburg“ und<br />
„Trabant“ rollen von<br />
den Bändern.<br />
In Maastricht beschließen<br />
die Staats- und Regierungschefs<br />
der 12 EG-Staaten die<br />
Gründung der<br />
Europäischen Union (EU).<br />
Boris Jelzin wird<br />
russischer Präsident.<br />
Ein Putschversuch gegen<br />
den sowjetischen<br />
Staatspräsidenten<br />
Gorbatschow scheitert.<br />
Bürgerkrieg im<br />
zerfallenden Jugoslawien.<br />
Die Geschäfte mit der polnischen Reederei, nun umgewandelt<br />
in eine private Gesellschaft, laufen auch heute noch, wenn auch nicht mehr<br />
im gleichen Umfang.<br />
Schwierige Kommunikation. Gefragt, wie überhaupt die Kommunikation<br />
in den 1970er oder 1980er Jahren ablief, kommt als erste Antwort<br />
immer der Stoßseufzer: Die Kosten! 20.000 Mark im Monat für Telefon, nochmal<br />
denselben Betrag für Telex! Auf alle Weise wurde versucht, die Kosten zu<br />
drücken. Man schickte Telexe über Holland, weil sie dort billiger waren, man<br />
erfand Abkürzungssysteme, um den Umfang der Mitteilungen zu verkleinern.<br />
Man verkehrte etwa mit den USA auf die Weise, dass Telexe nur an einen<br />
einzigen Empfänger in Deutschland gerichtet wurden, der sie dann im Inland<br />
vervielfältigte. Wegen des Lärms, den sie beim Betrieb machten, konnten<br />
Telexgeräte nur in abgetrennten Räumen stehen, möglichst weit entfernt von<br />
den normalen Arbeitsplätzen, im Keller oder am Ende des Flurs. Während<br />
der Arbeit wurde geraucht, in Erinnerung sind noch bestimmte Mitarbeiter,<br />
die am Telexgerät sitzend eine Zigarette nach der anderen qualmten und sie<br />
an der Kante des Tisches abzulegen pflegten, wovon dann Brandspuren im<br />
Holz dauerhaft Auskunft gaben. Der erste PC tauchte bei <strong>Vogemann</strong>s im Jahr<br />
1984 auf, ein Gerät namens Sirius, erworben zum stolzen Preis von 15.000<br />
Mark. Das Gerät konnte wenig im Vergleich zu heutigen Rechnern, aber es<br />
erlaubte die schriftliche Kommunikation vom Arbeitsplatz aus, zunächst wenigstens<br />
das Senden, später auch das Empfangen von Nachrichten, so dass<br />
die Gänge zur Telex-Kabine weniger wurden und schließlich ganz entfallen<br />
konnten. Inzwischen, im Zeitalter der E-Mails, treffen bei <strong>Vogemann</strong> täglich<br />
5000 elektronische Mitteilungen ein, gegenüber „nur“ 100 Telexen zu Zeiten<br />
der ratternden Fernschreiber. Wartete man damals auf die Nachrichten von<br />
draußen und saß auf glühenden Kohlen, bis sie endlich kamen, muss man<br />
heute Methoden ersinnen, wie man den Zustrom bremst, muss Filter einbauen,<br />
die das Wichtige herausfischen, weil niemand mehr imstande ist alles zu<br />
lesen, was in den Betrieb hineinflutet.<br />
Steigender Rohstoffbedarf. <strong>Vogemann</strong> setzte die mit Coreck<br />
(siehe S. 89 ff.) eingeleitete Zusammenarbeit auf ähnlich gelagerten Geschäftsfeldern<br />
fort, zum Teil mit Leuten, die von Coreck weggegangen waren<br />
und eigene Firmen gegründet hatten, wie z.B. MACS Cross, Pro Line Carrier,<br />
Hamburg Bulk Carrier. Eine abwechslungsreiche Zeit. „Kein Tag wie der andere“,<br />
sagt heute Gesellschafter Frank Jensen.<br />
96 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Der Firmensitz<br />
Hallerstraße 57.<br />
<strong>Vogemann</strong> hatte sich unter anderem in einer Nische etabliert,<br />
der Befrachtung von Zwischendeckern, Schiffen mit einer Tragfähigkeit von<br />
15.000 bis 20.000 t., Lückenfüllern sozusagen, die gut passten, wenn es keine<br />
Riesenmengen zu transportieren gab. Doch Mitte der 1990er Jahre wurden<br />
die Geschäfte mit diesem Schiffstyp spärlicher. Das lag an der zunehmenden<br />
Verbreitung des Containers als Allzweck-Transportbehälter und an der Globalisierung.<br />
Stückgüter wurden nicht mehr einzeln verladen, sondern zuvor in<br />
Containern verpackt, die in großen Mengen auf speziell zu diesem Zweck gebauten<br />
Schiffen befördert wurden. Und der weltweit steigende Rohstoffbedarf<br />
führte dazu, dass Massengüter fast ausschließlich in den Bäuchen neuartiger<br />
Großtransporter, so genannter Bulkcarrier, verschifft wurden.<br />
Der Zwischendecker alter Art hatte ausgedient. Natürlich gab<br />
es ihn weiter und gibt es ihn auch heute noch, allerdings beschränkt auf<br />
bestimmte, eng umrissene Zwecke. Für <strong>Vogemann</strong> aber kam er nicht mehr<br />
in Betracht. Der Weltentwicklung entsprechend, stieg die Firma in das Geschäft<br />
mit den Bulkcarriern ein, den „Panamaxen“ mit einer Tragfähigkeit von<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
97<br />
1992<br />
Das Stasi-Unterlagengesetz<br />
tritt in Kraft.<br />
Neuregelung des Paragraphen<br />
218: Abtreibungen bleiben<br />
straffrei bis zur 12. Schwangerschaftswoche.<br />
Gemeinsamer<br />
Selbstmord der beiden<br />
Grünen-Politiker<br />
Petra Kelly und Gert Bastian.<br />
Das letzte Teilstück des<br />
umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanals<br />
wird eingeweiht.<br />
Helmut Dietl erhält das Filmband<br />
in Gold für „Schtonk!“.<br />
Maria Jepsen wird erste<br />
Bischöfin der evangelischlutherischen<br />
Kirche.<br />
Die deutsche Olympiamannschaft<br />
wird erfolgreichste<br />
Nation bei den Winterspielen<br />
im französischen Albertville.
1993<br />
Die Post führt fünfstellige<br />
Postleitzahlen ein.<br />
Zusammenschluss<br />
der Grünen mit der<br />
ostdeutschen Bürger-<br />
bewegung Bündnis 90.<br />
Der Prozess gegen Erich<br />
Honecker wird eingestellt.<br />
Verbot der Kurdischen<br />
Arbeiterpartei PKK in<br />
Deutschland.<br />
Die sächsische Foron<br />
Haushaltswaren GmbH<br />
produziert den weltweit<br />
ersten FCKW-freien<br />
Kühlschrank.<br />
Die Tschechoslowakei<br />
teilt sich in Tschechische<br />
Republik und<br />
Slowakische Republik.<br />
Unterzeichnung des<br />
Gaza-Jericho-Abkommens<br />
zwischen der israelischen<br />
Regierung und der PLO.<br />
60.000 bis 75.000 t oder den kleineren „Handysize“ mit 20.000 bis 40.000 t.<br />
Zu den bisher überwiegenden Getreideladungen kamen auch solche mit Koh-<br />
le und Erz hinzu.<br />
Der 2003 eingetretene Lars Rudebeck öffnete die Tür zu einem<br />
weiteren Geschäftsfeld, der Befrachtung von Rohstoffen und Zuschlagstoffen<br />
für die Metall-, vornehmlich die Aluminiumindustrie. Allein Jahr 2003 konn-<br />
ten für die Firma BHP Billiton in Australien 25 Fahrten vom fünften Kontinent<br />
nach Südafrika geschlossen werden. Aus einem kleinen Geschäft mit 1700<br />
t „Anode Scrap paste“ (Petrolkoks, der beim thermischen Kracken von Erdöl<br />
zurückbleibende Rückstand, der zur Herstellung von Elektroden und Elektro-<br />
graphit verwendet wird) vom Mississippi nach Südafrika, das Rudebeck ver-<br />
mittelte, entwickelte sich eine stabile Beziehung, bei der die Kunden Mengen<br />
bis zu 200.000 t Petrolkoks pro Jahr befördern ließen. Im Jahr 2008 war es<br />
dann so weit: Der zehntausendste Abschluss konnte gefeiert werden.<br />
Adressenwechsel. Die Maklerszene veränderte sich. Stellten<br />
noch in den 1960er Jahren kleine Firmen mit drei oder vier Maklern das Gros<br />
der Betriebe, gewannen die großen Firmen immer mehr an Boden. Die Ge-<br />
schichte des Hauses <strong>Vogemann</strong> spiegelt diese Entwicklung. 1978 waren sie<br />
zu fünft, dazu noch eine Sekretärin. Heute zählt die Firma dreizehn Makler,<br />
dazu kommen noch drei im Postfixing. Der Aufgabenkreis des Befrachtungs-<br />
maklers ist gewachsen, seine Dienstleistungen reichen von Marktanalysen<br />
und Reisekalkulationen über das Erstellen von Frachtverträgen und die Be-<br />
treuung während der Laufzeit bis hin zur Liegezeitabrechnung und den final<br />
accountings.<br />
1971 war <strong>Vogemann</strong> innerhalb des Fölsch-Blocks von der West-<br />
seite des Gebäudes zur Ostseite gewechselt, von der Adresse Plan 5 zur Ad-<br />
resse Hermannstraße 46. 1994 erfolgte der Umzug weg aus der City zum Ro-<br />
thenbaum. Das neue Domizil lag an der Hallerstraße Nr. 57. Zehn Jahre später,<br />
im Jahr 2004, kam der Sprung auf die andere Straßenseite, <strong>Vogemann</strong> bezog<br />
Quartier an der Hallerstraße Nr. 40, in einem Gebäude, in dem früher Warner<br />
Bros. residierte (im Tonstudio im Keller begann Dieter Bohlen seine Karriere).<br />
Der vorige Standort wurde indes nicht aufgegeben, an der Hallerstraße 57<br />
verblieb die zur <strong>Vogemann</strong>-Gruppe gehörende Wallem GmbH & Co. KG.<br />
Treffen bei Eisbein. Was wäre das Berufsleben ohne den geselligen<br />
Betrieb drumherum? Einmal im Jahr, am ersten Freitag im November,<br />
lädt die Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten zum Eis-<br />
98 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
VDR-Justiziar Jan-Thiess Heitmann (links) mit den <strong>Vogemann</strong>-Gesellschaftern Udo Wiese und<br />
Jens Arndt beim Reederempfang 2009.<br />
beinessen. Das geht zurück auf einen Brauch, den der damalige Geschäftsführer<br />
der Vereinigung, Bruno Jansen, begründete. Er versammelte im November<br />
1948 die Chefs der Mitgliedsfirmen, 110 an der Zahl, zu einem Essen auf dem<br />
stillgelegten Dampfer „St. Louis“, den man nach schweren Bombentreffern<br />
notdürftig zusammengeflickt hatte und als schwimmendes Hotel und Restaurant<br />
benutzte. Heute kommen zu dieser Veranstaltung, die mittlerweile im<br />
CCH stattfindet, 5000 bis 6000 Leute aus der Schifffahrt.<br />
Bei <strong>Vogemann</strong> pflegt man sich schon ab Montag der fraglichen<br />
Woche mit Privatfeiern in Restaurants auf das große Ereignis einzustimmen.<br />
Am Mittwoch bittet die Firma dann ihre Geschäftsfreunde ins Brauhaus Albrecht<br />
an der Adolphsbrücke, bis es dann am Freitag endlich soweit ist, dass<br />
man ins CCH pilgert. Eine Tradition, die keiner missen mag. Genauso wenig<br />
wie die Mitgliedertreffen und Empfänge beim Verband Deutscher Reeder oder<br />
Sommerfeste, die seit 1995 in den Gärten der Bürovillen an der Hallerstraße<br />
zusammen mit lokalen Kunden abgehalten werden – wozu dann, wenn gleichzeitig<br />
um die Welt- oder Europameisterschaft im Fußball gespielt wird, ein<br />
stilvolles „Public Viewing“ mit Großbildwand gehört.<br />
Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
99<br />
1994<br />
Bei der Bundestagswahl wird<br />
die CDU/CSU-FDP-Koalition<br />
knapp bestätigt.<br />
Der Europäische Wirtschaftsraum<br />
(EWR) für freien Waren-,<br />
Dienstleistungs- und Kapitalverkehr<br />
tritt in Kraft.<br />
Das Bundesverfassungsgericht<br />
erklärt Auslandseinsätze der<br />
Bundeswehr auch außerhalb<br />
des NATO-Gebietes für zulässig.<br />
Die Deutsche Bundesbahn<br />
und die Deutsche Reichsbahn<br />
werden privatisiert und zur<br />
Deutschen Bahn AG zusammengeführt.<br />
Die Treuhandanstalt zur<br />
Verwaltung des Volkseigentums<br />
der DDR beendet ihre Arbeit.<br />
Die sog. Uruguay-Runde<br />
beschließt die Gründung der<br />
Welthandelsorganisation WTO.<br />
Festnahme des Kaufhaus-Erpressers<br />
„Dagobert“ in Berlin.<br />
Michael Schumacher gewinnt<br />
erstmals die Weltmeisterschaft<br />
der Formel-1.
100 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Kapitel 3<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
Neuaufbau der Flotte<br />
seit 1995<br />
101
1995<br />
In einer Kunstaktion des<br />
Ehepaars Christo und Jeanne<br />
Claude wird der Berliner<br />
Reichstag verhüllt.<br />
Nach internationalen<br />
Protesten muss der Shell-<br />
Konzern darauf verzichten,<br />
seine ausgediente Ölplattform<br />
„Brent Spar“ in der Nordsee zu<br />
versenken.<br />
Die Kultusminister der<br />
Bundesländer beschließen die<br />
Reform der deutschen Recht-<br />
schreibung.<br />
Durch den Beitritt von Öster-<br />
reich, Finnland und Schweden<br />
wird die Europäische Union<br />
Neuaufbau der Flotte<br />
seit 1995<br />
Mitte der 1990er Jahre war es so weit, dass die alte Firmentradition wieder<br />
zu Ehren kommen konnte: <strong>Vogemann</strong> stieg mit eigenen Schiffen ins Reedereigeschäft<br />
ein. Mit dem Ankauf eines 20.900-Tonnen-Frachters aus dem<br />
Besitz der ehemaligen jugoslawischen Staatsreederei Jadroplov begann der<br />
Aufbau einer Flotte, die heute 23 Einheiten mit Größen bis zu 170.000 Tonnen<br />
zählt. Die folgende Darstellung basiert auf den Erinnerungen von Udo Wiese<br />
und Jens Arndt.<br />
D<br />
er Geist eines Hauses kann auch dann noch das Selbstverständ-<br />
nis prägen, wenn er sich bis zur Unkenntlichkeit gewandelt oder<br />
gar verflüchtigt zu haben scheint. Die Reederei-Geschichte je-<br />
denfalls ließ H. <strong>Vogemann</strong> auch dann nicht los, als der Grün-<br />
dersohn Richard Anfang der 1960er Jahre hatte einsehen müssen, dass die<br />
Zukunft der Firma nicht in einer eigenen Flotte zu suchen war. Der umtriebige<br />
Ulrich Prüss nahm dennoch kurz nach dem Tod des Prinzipals den Faden<br />
wieder auf, scheiterte aber ebenfalls, dieses Mal an einem unseriösen „Geld-<br />
geber“. Weiteren Ideen eines erneuten Reederei-Engagements begegneten<br />
die damals und später Verantwortlichen fortan mit erheblicher Skepsis. Paul<br />
Speckter und seine Frau Renate jedenfalls mochten davon nichts wissen und<br />
konzentrierten alles auf das Maklergeschäft.<br />
Kaum jedoch war 1993 der Führungswechsel vollzogen, ließen<br />
sich Gedanken ans Reedereigeschäft als zweites Standbein nicht mehr unterdrücken.<br />
Auslöser für einen solchen Neustart wurden die bereits erwähnten<br />
von Udo Wiese angebahnten guten Beziehungen zu kroatischen Reedern,<br />
insonderheit zu der in Split ansässigen Firma Jadroplov. Die ehemalige jugoslawische<br />
Staatsreederei befand sich als Folge des Zusammenbruchs der<br />
kommunistischen Planwirtschaft im Umbau, Teile waren als Split Shipmanagement<br />
(SSM) ausgegliedert. Jadroplov/SSM war im Zuge einer kostspieligen<br />
Erneuerung seiner Flotte gezwungen, ältere Schiffe abzugeben. Für die<br />
„Marko Marulic“, nach dem bekannten kroatischen Dichter und Humanisten<br />
(16. Jahrhundert) benannt, fand sich zunächst kein Abnehmer. Die für das<br />
102 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
1977 in Bilbao gebaute 20.900-Tonnen-Schiff geforderten 3,6 Millionen Dollar<br />
überstiegen zwar auch <strong>Vogemann</strong>s Möglichkeiten, doch bot Jadroplov<br />
einen 50:50-Kompromiss an: Die Firma wollte weiterhin für das technische<br />
Management und die Besatzung sorgen, während <strong>Vogemann</strong> das kommerzielle<br />
Management inklusive der Befrachtung übernehmen und seinen Anteil<br />
in Raten zahlen sollte.<br />
Auf dieser Basis kam es zu einer Einigung. Seit 1995 prangte<br />
das <strong>Vogemann</strong>-Logo wieder auf einem Massengutfrachter, der zunächst in<br />
„Marul“ ohne die kroatische Endung umbenannt wurde. Er brachte auch gute<br />
Gewinne, <strong>Vogemann</strong> konnte seine Raten schnell tilgen. Aber die Überschüsse<br />
wurden von der Partnerfirma auf kaum nachprüfbare Weise abgeschöpft.<br />
Tatsächliche oder angebliche Schäden am Schiff wurden in Rechnung gestellt,<br />
so dass vom eingefahrenen Ergebnis wenig bis nichts übrig blieb.<br />
Nicht nur das, in den drei Jahren, die <strong>Vogemann</strong> das Schiff<br />
fuhr, ereignete sich auch eine überaus peinliche Episode, die der Firmenleitung<br />
wochenlang zu schaffen machte. Die „Marul“ war für 18 Monate an die<br />
Bremer Firma Pac Line verchartert, mit der es in finanzieller Hinsicht nicht<br />
zum Besten stand. Die Mieten wurden mit immer größerem Verzug gezahlt.<br />
Schließlich, die „Marul“ lag in New Orleans, hatte gerade gelöscht und sollte<br />
Mit der in Kroatien gekauften „Marul“ begann <strong>Vogemann</strong>s Wiedereinstieg ins Reedereigeschäft.<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
103<br />
(EU) zu einer Gemeinschaft<br />
von 15 Staaten.<br />
Zehn Jahre nach seiner Unterzeichnung<br />
tritt das Schengener<br />
Abkommen zum Abbau der<br />
Personenkontrollen an den<br />
europäischen Binnengrenzen<br />
in Kraft.<br />
Bei der UN-Klimakonferenz in<br />
Berlin können sich die Teilnehmerstaaten<br />
nicht auf konkrete<br />
Maßnahmen zum Klimaschutz<br />
einigen.<br />
Bosnische Serben ermorden<br />
mehrere tausend Muslime<br />
in der UN-Schutzzone<br />
Srebrenica.<br />
Das Abkommen von Dayton<br />
beendet den Bürgerkrieg im<br />
ehemaligen Jugoslawien.<br />
Der israelische Ministerpräsident<br />
Yitzhak Rabin wird von<br />
einem jüdischen Fanatiker<br />
erschossen.<br />
1996<br />
Erste Fälle der Rinderseuche<br />
BSE („Rinderwahnsinn“) in<br />
Deutschland.<br />
Konkurs des Schiffsbauunternehmens<br />
Bremer Vulkan<br />
Verbund AG.<br />
Die Änderung des Ladenschlussgesetzes<br />
erlaubt dem<br />
Einzelhandel Öffnungszeiten<br />
von 6 bis 20 Uhr.<br />
Entführung des Millionärs<br />
Jan-Philipp Reemtsma.
Der Euro-Stabilitätspakt legt<br />
ein maximales Haushalts-<br />
defizit von 3 % des<br />
Bruttoinlandsprodukts fest.<br />
Radikal-islamische<br />
Taliban-Milizen erobern<br />
die afghanische<br />
Hauptstadt Kabul.<br />
Der Deutsche Dom in Berlin<br />
wird wiedereröffnet.<br />
1997<br />
Eröffnung der sogenannten<br />
Wehrmachtsausstellung mit<br />
Dokumenten zum<br />
Vernichtungskrieg im Osten.<br />
Wegen Überschwemmun-<br />
gen an der Oder müssen<br />
Tausende von Menschen ihre<br />
Häuser verlassen.<br />
Die britische Prinzessin<br />
Diana kommt bei einem<br />
Autounfall in Paris<br />
ums Leben.<br />
Die UN-Klimakonferenz in<br />
Kyoto (Japan) beschließt die<br />
Reduzierung der<br />
Treibhausgase.<br />
Im sogenannten Politbüro-<br />
Prozess erhält Egon Krenz,<br />
der letzte Staats- und Partei-<br />
chef der DDR, sechseinhalb<br />
Jahre Gefängnis.<br />
wieder Getreide am Mississippi laden, versuchte Pac Line sich aus seinen<br />
Zahlungsverpflichtungen mit dem Argument zu stehlen, das Schiff entspre-<br />
che nicht den Sicherheitsvorschriften, die Luken seien nicht wasserdicht. Mit<br />
einem Ultraschalltest wurde das „bewiesen“.<br />
Streit um „undichte“ Lukendeckel. Nun war dieses „Ultrasonic“-<br />
Verfahren nicht das gemeinhin übliche. <strong>Vogemann</strong> ließ die Lukendeckel wie<br />
gewohnt mit einem Hochdruckwasserstrahl prüfen. Dabei wurden nur kleine<br />
Leckagen sichtbar, die <strong>Vogemann</strong> sogleich reparieren ließ. Das genügte dem<br />
Befrachter nicht, er blieb bei den Ergebnissen seines Tests, setzte das Schiff<br />
off-hire und wollte erkennbar die Charter loswerden, die Frachtraten waren<br />
nämlich mittlerweile gesunken und lagen weit unter der Miete, die Pac Line<br />
bezahlen musste. <strong>Vogemann</strong> seinerseits steckte gleichfalls in der Zwickmühle,<br />
er konnte das Schiff nicht zurückziehen und Schadensersatzanspruch stellen,<br />
eben weil das Schiff offiziell off-hire war. Nervtötende Verhandlungen über<br />
das richtige Prüfverfahren für Lukendeckel folgten, bis eine Einigung erzielt<br />
wurde und das Schiff nach vier Wochen Liegezeit endlich den Hafen verlassen<br />
konnte. Die nächste Mietzahlung traf wieder nicht fristgerecht ein, so dass<br />
<strong>Vogemann</strong> nun eine Handhabe besaß, das Schiff aus der Charter zurückzuziehen<br />
und – zu niedrigerem Preis – an die Firma Macs Cross zu verchartern.<br />
„Vogetrader“, ein Massengutfrachter von 72.000 Tonnen.<br />
104 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Pac Line jedoch ließ nicht locker. Es arrestierte die „Marul“ in<br />
Rotterdam wegen angeblich entgangener Gewinne, und <strong>Vogemann</strong> musste<br />
eine Garantie von 450.000 US-Dollar hinterlegen, um das Schiff aus dem Arrest<br />
zu befreien. Dazu musste <strong>Vogemann</strong> in eine Arbitrage gehen und diese bis<br />
zu Ende führen, obwohl Pac Line in der Zwischenzeit Insolvenz angemeldet<br />
hatte; anders waren die 450.000 Dollar nicht zurückzubekommen. <strong>Vogemann</strong><br />
erhielt seine Ansprüche gegen Pac Line auch in einer Arbitrage zugesprochen,<br />
aber das nützte wenig, denn da es noch viele weitere Gläubiger gab, war kein<br />
Geld mehr zu holen.<br />
Insofern war es besonders erstaunlich, dass <strong>Vogemann</strong> den<br />
Frachter dennoch halten und die „Marul“ in Argentinien für ca. 300.000 US-<br />
Dollar sogar noch Klasse machen lassen konnte. Was aber anfangen mit dem<br />
Schiff? <strong>Vogemann</strong> hatte einen Käufer an der Hand, der es für 900.000 Dollar<br />
kaufen wollte. Der kroatische Partner jedoch hatte andere Pläne, Jadroplov/<br />
SSM gedachte die „Marul“ zu verschrotten, für 600.000 Dollar, und verwies<br />
darauf, dass ein Verkauf an Dritte mit zu vielen Risiken behaftet sei. Daraufhin<br />
beschloss <strong>Vogemann</strong>, dem Partner seinen 50-Prozent-Anteil abzukaufen,<br />
unter Zugrundelegung des Schrottwertes. Dem verweigerten sich die Kroaten.<br />
Udo Wiese musste in Split Marathonverhandlungen absolvieren, bis endlich<br />
eine Einigung gefunden wurde: Jadroplov gab seinen Anteil her, allerdings<br />
mit einem Aufschlag von 10 Prozent auf den Schrottwert. Sehr kooperativ<br />
verhielt sich hier die Bremer Landesbank, die die Kaufsumme finanzierte.<br />
Dem undurchsichtigen Konstrukt Jadroplov/SSM – das technische<br />
Shipmanagement (SSM) stand glänzend da, während es mit der Reederei<br />
(Jadroplov) immer weiter bergab ging, sie stand kurz vor dem Konkurs –,<br />
wurde übrigens später ein Ende gemacht, die Reederei wurde in den Jahren<br />
2000/2001 gerettet, wobei <strong>Vogemann</strong> und der Hamburger Reeder Peter Döhle<br />
maßgeblich beteiligt waren. Eine Folge davon war, dass <strong>Vogemann</strong> die drei<br />
Jadroplov-Massengutfrachter „Ist“, „Solta“ und „Don Frane Bulic“ exklusiv befrachten<br />
durfte. Das gilt für das zuletzt genannte Schiff heute noch, die anderen<br />
wurden in der Zwischenzeit verkauft.<br />
Die Bilanz der ersten Jahre als Schiffseigner: Nicht gerade ein<br />
Erfolg, und einige unangenehme Erfahrungen hatte man dazu gemacht. Dennoch<br />
ließ sich die neue Firmenleitung auf ihrem neuen Weg nicht beirren.<br />
Im Jahr 2001 bot eine Reederei aus Taiwan sechs Massengutfrachter<br />
zum Kauf an. In Fernost herrschte Krise, die Frachtraten waren<br />
niedrig, die Reederei litt unter Liquiditätsproblemen. Man verfolgte die Vorgänge<br />
bei <strong>Vogemann</strong> mit Aufmerksamkeit. Als ein Schiff nach dem anderen<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
105<br />
Jan Ullrich gewinnt als<br />
erster Deutscher die<br />
Tour de France.<br />
Hongkong wird als<br />
Sonderverwaltungszone<br />
China unterstellt.<br />
Der Komet Hale-Bopp<br />
nähert sich der Erde bis auf<br />
197 Millionen Kilometer.<br />
Eine Million Menschen<br />
feiert die „Love Parade“ in<br />
Berlin.<br />
1998<br />
Bei einem Zugunglück<br />
in Eschede kommen 101<br />
Menschen ums Leben.<br />
Erstmals in der Geschichte<br />
der Bundesrepublik kommt<br />
es zu einer vollständigen<br />
Ablösung der Regierungspartei<br />
durch die Opposition:<br />
Bei den Bundestagswahlen<br />
werden die Sozialdemokraten<br />
stärkste Fraktion.<br />
Gerhard Schröder bildet<br />
eine Koalitionsregierung<br />
mit den Grünen unter<br />
Joschka Fischer.<br />
Deutsche Post und Telekom<br />
AG verlieren ihre Monopole<br />
im Briefverkehr bzw. in der<br />
Telefonie.
Die Konzerne Daimler-Benz<br />
und Chrysler schließen sich<br />
zusammen.<br />
Durch die Fusion von Deut-<br />
scher Bank und Bankers<br />
Trust entsteht das weltgrößte<br />
Kreditinstitut.<br />
Monica Lewinsky, Praktikantin<br />
im Weißen Haus, bezichtigt<br />
Präsident Clinton, sexuelle<br />
Kontakte mit ihr gehabt zu<br />
haben.<br />
Großbritannien und Irland<br />
schließen ein Friedens-<br />
abkommen für die Region<br />
Nordirland.<br />
1999<br />
Nach dem Scheitern der<br />
Kosovo-Friedenskonferenz von<br />
Paris beginnt die NATO<br />
mit Luftangriffen auf<br />
Jugoslawien.<br />
Die jugoslawische Armee<br />
zieht sich daraufhin aus dem<br />
Kosovo zurück.<br />
Der Euro wird als bargeldloses<br />
Zahlungsmittel eingeführt.<br />
Die Bundesregierung und<br />
zwölf deutsche Konzerne<br />
einigen sich auf einen Fonds<br />
zur Entschädigung der NS-<br />
Zwangsarbeiter.<br />
Oskar Lafontaine legt seine<br />
Ämter als Parteivorsitzender<br />
der SPD und als Finanzminis-<br />
ter der Regierung Schröder/<br />
Fischer nieder.<br />
zu niedrigen Preisen wegging, sagte man sich in Hamburg: Warum nicht wir<br />
auch, kriegen wir das nicht auch hin? So wurde dann beschlossen, zuzugrei-<br />
fen. Buchstäblich im letzten Moment, die Unterlagen zum Kaufangebot wa-<br />
ren schon im Papierkorb gelandet, fischte sie Hans Boller wieder heraus. Die<br />
letzten beiden aus der Flotte von ehemals sechs Schiffen, zwei 72.000-Ton-<br />
nen-Massengutfrachter vom Baujahr 1996, kamen für jeweils ca. 20 Mio. US-<br />
Dollar an <strong>Vogemann</strong> und fuhren fortan als „Vogetrader“ und „Vogevoyager“.<br />
Finanziert wurde das Geschäft von der Hamburgischen Landesbank, zu der<br />
<strong>Vogemann</strong> exzellente Verbindungen aufgebaut hatte. Ebenso hilfreich war die<br />
Mitwirkung von Jason Chan von der Firma Wallem.<br />
Für zehn Jahre waren „Vogetrader“ und „Vogevoyager“ an die<br />
Verkäufergesellschaften zurück verchartert, und zwar in der Form der Bareboat-Charter,<br />
wonach der Charterer selbst für die Bereederung zu sorgen hat<br />
und während des Nutzungszeitraums die Kosten für Wartung, Reparaturen<br />
und Betriebsstoffe tragen muss. In der Schifffahrt selten, aber hier ein nützliches<br />
Verfahren, weil <strong>Vogemann</strong> nach den schlechten Erfahrungen mit der<br />
„Marul“ das technische Management nicht erneut an Dritte vergeben wollte,<br />
man jedoch als reiner Befrachtungsmakler – noch – nicht wieder über eine<br />
Brückenansicht der „Xin Shi Hai“, aus der „Voge West“ wurde.<br />
106 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
eigene Reedereiinspektion zur Abwicklung des technischen Managements<br />
verfügte.<br />
<strong>Vogemann</strong> hatte den Taiwanesen eine Rückkaufoption nach<br />
sechs Jahren auf dem Niveau des ursprünglichen Kaufpreises von ca. 20 Mio.<br />
US-Dollar eingeräumt. Hatte man 2001 die Ausübung dieser Option noch als<br />
äußerst unwahrscheinlich angesehen, hatten sich die Märkte für Bulkcarrier<br />
in den Folgejahren in eine Richtung entwickelt, die alle Erwartungen übertraf:<br />
Ende 2006 war der Marktwert für die dann zehn Jahre alten Schiffe bereits<br />
auf 35 Mio. US-Dollar gestiegen. Da <strong>Vogemann</strong> die Schiffe behalten wollte,<br />
kaufte man den Taiwanesen die Kaufoptionen für einen zweistelligen Mio-US-<br />
Dollar-Betrag wieder ab. Unter Berücksichtigung des Anschaffungspreises<br />
hatte <strong>Vogemann</strong> damit jeweils über 35 Mio. US-Dollar für die Schiffe bezahlt.<br />
Aber das Geld war gut angelegt, 2007 wurden „Vogetrader“ und „Vogevoyager“<br />
für je 43 Mio. US-Dollar an einen geschlossenen Schiffsfonds verkauft, der<br />
von <strong>Vogemann</strong> als Vertragsreeder heute noch gemanagt wird. Ein Jahr später<br />
hätte sich auch ein Preis von über 60 Millionen erzielen lassen, aber das war<br />
nicht vorhersehbar.<br />
Ein Kaufvertrag so dick wie ein Buch. Vorteilhafte Angebote<br />
wie das damals aus Taiwan kommen so schnell nicht wieder, dachte man bei<br />
<strong>Vogemann</strong>. Doch kurze Zeit darauf lag schon wieder so eines auf dem Tisch.<br />
Es kam von einer norwegischen Reederei, die von ihrer Bank gezwungen worden<br />
war, die gesamte Flotte zu verkaufen. Zwei Panamax Carrier waren dabei,<br />
die gut in <strong>Vogemann</strong>s Konzept passten. Der Kaufpreis betrug jeweils 15,5 Mio.<br />
US-Dollar. Für 10 Jahre waren die Schiffe an die chinesische Staatsreederei<br />
Cosco verchartert. Bei einem Reederwechsel hätte Cosco die Möglichkeit gehabt,<br />
aus der Charter auszusteigen. <strong>Vogemann</strong> musste daher die Schiffseignerfirmen<br />
kaufen, um die Charter nicht zu verlieren. Dadurch gestalteten sich<br />
die Kaufverhandlungen in Norwegen äußerst schwierig. Zehn Mann saßen da<br />
am Tisch, Juristen und Wirtschaftsprüfer dabei, die Hypotheken beurteilen<br />
und steuerliche Betrachtungen anstellen mussten.<br />
Der Kaufvertrag, der schließlich herauskam, war ein dickes Buch.<br />
Die Banken zogen willig mit, der gute Name des chinesischen Staatsreeders<br />
tat sein Übriges, um die Finanzierung glatt laufen zu lassen. Im Kaufvertrag<br />
war <strong>Vogemann</strong> die Option zugesprochen, sich nach sechs Jahren für 1 Mio.<br />
Dollar aus der Charter herauszukaufen. 2008 nahm die Firma das wahr. Der<br />
70.000-Tonner „Xin Shi Hai“ hieß danach „Voge West“, aus dem 68.000-Tonner<br />
„Xin Xing Hai“ wurde „Belem“. Letzterer ist derzeit für fünf Jahre an die<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
107<br />
Deutschland beteiligt sich an der<br />
Internationalen Friedenstruppe im<br />
Kosovo (KFOR).<br />
Eröffnung des von Daniel Libeskind<br />
entworfenen Jüdischen Museums<br />
in Berlin.<br />
Der Bundestag entscheidet sich für<br />
den Bau eines Holocaust-Denkmals<br />
in Berlin nach Entwürfen<br />
von Peter Eisenman.<br />
Die Weltbevölkerung hat die Sechs-<br />
Milliarden-Grenze überschritten.<br />
Günter Grass erhält den Nobelpreis<br />
für Literatur.<br />
Der Film „Lola rennt“ von Tom<br />
Tykwer erhält acht Auszeichnungen<br />
bei der Verleihung des Deutschen<br />
Filmpreises.<br />
2000<br />
Angela Merkel wird Parteivorsitzende<br />
der CDU.<br />
Bundesregierung und Atomwirtschaft<br />
einigen sich auf einen<br />
Ausstieg aus der Kernenergie.<br />
In der Bundesrepublik können<br />
gleichgeschlechtliche Paare eine<br />
eheähnliche Bindung („Eingetragene<br />
Partnerschaft“) eingehen.<br />
Im Vertrag von Nizza verständigen<br />
sich die Staats- und Regierungschefs<br />
der Europäischen Union auf<br />
eine Osterweiterung der EU.
108 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
109<br />
Alltag an Bord<br />
Ein Schiff, das ruhig seine<br />
Bahn zieht, und Seeleute, die<br />
konzentriert ihrer Arbeit nachgehen<br />
– Bilder von einer Fahrt<br />
mit dem Handysize Bulkcarrier<br />
„Voge Eva“ im Januar 2010.
Die Lizenzen für die nächste<br />
Mobilfunkgeneration UMTS<br />
werden für 98,8 Milliarden<br />
DM versteigert.<br />
Eröffnung der<br />
Weltausstellung Expo 2000<br />
in Hannover.<br />
Hamburg Süd-Gruppe verchartert. Auch bei den beiden Norwegern war das<br />
– selten angewandte – Prinzip der Bareboat-Charter zum Tragen gekommen.<br />
Es wurde nun aber Zeit, dass die Geschäfte andere Formen bekamen.<br />
Reederei Roth zuständig fürs technische Management. Einen<br />
verlässlichen Partner, der das technische Management übernehmen konn-<br />
te, fand <strong>Vogemann</strong> in der Hamburger Reederei Roth. Roth besaß selbst drei<br />
Panamax Carrier und bereederte für die Pro Line im Linienverkehr Ostküste<br />
Südamerika – Fernost fünf Tweendecker, von denen vier allerdings gerade<br />
verschrottet wurden. Roth war daran interessiert, diese Lücke durch Voge-<br />
mann-Schiffe zu schließen.<br />
Der erste Carrier, der so unter Roths technisches Management<br />
kam, war die „Greta R“, benannt nach Udo Wieses Mutter Greta Reinkendorff.<br />
<strong>Vogemann</strong> erwarb sie Anfang 2003 von einer in Monte Carlo ansässigen Ree-<br />
„Greta R“ in schwerer See vor der japanischen Küste.<br />
110 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
derei für 10,1 Mio. US-Dollar. Das Geschäft wurde vermittelt durch die Firma<br />
Hamburg Bulkcarrier (HBC), die es auch partnerschaftlich begleitete und<br />
über ihr Emissionshaus das Eigenkapital einwarb. „Greta R“ blieb bis 2009 in<br />
<strong>Vogemann</strong>s Besitz, zumeist verchartert an Alfred C. Toepfer.<br />
Der nächste in der Reihe war die „Ulla R“. Bevor es zu dem<br />
Erwerb kam, ereignete sich eine Affäre, die mal wieder enthüllte, auf wie<br />
schwankendem Boden man sich manchmal beim Kauf und Verkauf von Schiffen<br />
befinden kann. Eigentlich hatte <strong>Vogemann</strong> nämlich ein anderes Schiff im<br />
Auge gehabt. Ein 50.000-Tonner, ungefähr 20 Jahre alt, aus der Flotte des<br />
türkischen Reeders Karahasan. Der hatte seine Schiffe von der Hamburgischen<br />
Landesbank finanzieren lassen, war mit dieser in Streit geraten, und<br />
das hatte damit geendet, dass die Bank seine gesamte Flotte, fünf Schiffe, an<br />
die Kette legte und zur Zwangsversteigerung ausschrieb. Der Frachter, für<br />
den sich <strong>Vogemann</strong> interessierte, lag im chinesischen Tianjin, dem früheren<br />
Tientsin.<br />
Marktbewertung und Charteraussichten waren günstig, <strong>Vogemann</strong><br />
entschloss sich, mitzubieten und hinterlegte eine Million Dollar Sicherheit<br />
beim Auktionshaus in Tianjin. Eine Delegation fuhr nach China, um<br />
bei der Versteigerung dabei zu sein. Am Abend der Ankunft kam die Nachricht:<br />
Die Charterraten steigen. Das hieß, auch der Wert des Schiffes stieg.<br />
Bei der Versteigerung würde vermutlich ein höherer Preis erzielt werden als<br />
ursprünglich gedacht. <strong>Vogemann</strong> musste den als Charterer vorgesehenen<br />
Alfred C. Toepfer um eine Nachbesserung der vorab geschlossenen Chartervereinbarung<br />
angehen. Toepfer versprach ein Entgegenkommen. So gerüstet<br />
gingen die Vogemänner in die Versteigerung. 25 Bieter waren registriert, davon<br />
blieben drei übrig: ein Chinese, ein Grieche und <strong>Vogemann</strong>. Der Grieche<br />
machte das Rennen und bekam den Zuschlag, obwohl ihm aus irgendwelchen<br />
Gründen erspart geblieben war, ein Depot zu hinterlegen.<br />
Unverrichteter Dinge mussten die Vogemänner nach Hamburg<br />
zurückkehren. Dort wartete die Nachricht: Das Auktionshaus weigert sich, die<br />
hinterlegte Million herauszurücken. Das Geld sei nie angekommen, hieß es.<br />
Udo Wiese musste sich wieder auf den Weg in den Fernen Osten machen.<br />
Zweimal verhandelte er in Tianjin. Immer saßen mindestens zehn Mann am<br />
Tisch. Zunächst war eine chinesische Dolmetscherin dabei, die ausgezeichnet<br />
Deutsch sprach. Sie wurde jedoch bald durch einen männlichen Kollegen ersetzt,<br />
der weder Deutsch noch Englisch konnte. Mit großer Mühe gelang es,<br />
die sprachkundige Chinesin wieder hinzuzuziehen. Mit wohlgesetzten Worten<br />
aber war dann doch nicht alles zu regeln. Udo Wiese ist sich heute sicher,<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
111<br />
2001<br />
Die afghanischen Taliban<br />
befehlen trotz internationaler<br />
Proteste die Zerstörung der<br />
Buddha-Statuen von Bamian.<br />
Muslimische Terroristen,<br />
Angehörige des Netzwerks<br />
al-Qaida, entführen in Amerika<br />
vier Verkehrsflugzeuge und<br />
lenken sie ins Pentagon und ins<br />
World Trade Center in New York.<br />
Die USA fordern vom Taliban-<br />
Regime in Afghanistan die Auslieferung<br />
des al-Qaida-Gründers<br />
Osama bin Laden.<br />
Die NATO erklärt erstmals in ihrer<br />
Geschichte den Bündnisfall,<br />
auch Deutschland beteiligt sich<br />
am Krieg gegen den Terror.<br />
Beim PISA-Ländervergleich der<br />
Schulleistungen belegt Deutschland<br />
einen der hinteren Plätze.<br />
Eröffnung des neuen Bundeskanzleramtes<br />
in Berlin.<br />
Die Deutsche Angestellten<br />
Gewerkschaft (DAG) und vier<br />
weitere Arbeitnehmervertretungen<br />
des öffentlichen Dienstes<br />
schließen sich zur Gewerkschaft<br />
„ver.di“ zusammen. Diese ist<br />
mit über 3 Mio. Mitgliedern<br />
die weltweit größte<br />
Einzelgewerkschaft.
2002<br />
Ein gegen die rechtsextreme<br />
NPD eingeleitetes Verbotsver-<br />
fahren wird vom Verfas-<br />
sungsgericht ausgesetzt.<br />
In Deutschland und elf<br />
weiteren Ländern wird das<br />
Euro-Bargeld eingeführt.<br />
Die Schweiz wird 190. Mit-<br />
glied der Vereinten Nationen<br />
Ein ehemaliger Schüler des<br />
Erfurter Gutenberg-<br />
Gymnasiums erschießt in<br />
einem Amoklauf 14 Lehrer<br />
und zwei Schüler und<br />
anschließend sich selbst.<br />
Eine Kommission unter<br />
Leitung des früheren VW-<br />
Managers Hartz entwickelt<br />
Pläne für „Ich-AGs“ und<br />
„Mini-Jobs“ zur Reform der<br />
Arbeitsvermittlung.<br />
In Schanghai absolviert die<br />
Transrapid-Schwebebahn<br />
ihre Jungfernfahrt.<br />
Weltgipfel der Vereinten<br />
Nationen (UN) in Johannes-<br />
burg zur Armutsbekämpfung<br />
und zum Umweltschutz.<br />
„Jahrhundertflut“ auf der<br />
Elbe.<br />
dass die Verhandlung ewig weitergegangen wäre, wenn er nicht an einer be-<br />
stimmten Stelle ganz unchinesisch derb auf den Tisch gehauen hätte. So aber<br />
kam <strong>Vogemann</strong> endlich zu seinem Geld.<br />
Zwangsversteigerung in Singapur. Das alles geschah im Ok-<br />
tober 2003. Im November dann kam „Ulla R“ als Neuerwerb zur <strong>Vogemann</strong>-<br />
Flotte. Ein Schiff ebenfalls aus dem Besitz von Karahasan, ein 43.000-Tonner,<br />
damals noch mit dem Namen„Edip Karahasan“. Das Schiff wartete in Singapur<br />
auf die Zwangsversteigerung. Diesmal fuhr von <strong>Vogemann</strong> keiner hin, man<br />
überließ es einem dortigen Anwalt, als <strong>Vogemann</strong>s Vertreter mitzubieten,<br />
und verfolgte die Versteigerung am Telefon. Jens Arndt hatte den Anwalt in<br />
der Leitung, Alan Woo die koreanische Firma, die man als Charterer gewonnen<br />
hatte. Die Telefone waren auf laut gestellt, damit jeder beim anderen<br />
mithören konnte und wusste, wie die Dinge standen. Die Entscheidung fiel,<br />
als es in Hamburg drei Uhr morgens war. <strong>Vogemann</strong> erhielt den Zuschlag<br />
gegen den letzten verbliebenen Mitbewerber, denselben Griechen übrigens,<br />
der die Hamburger in Tianjin ausgestochen hatte. 12,6 Mio. Dollar lautete das<br />
letzte Gebot, ein gewaltiger Preis, und die Finanziers von der Hamburgischen<br />
Landesbank (seit ihrer Fusion mit der Landesbank Schleswig-Holstein einige<br />
Monate zuvor hieß sie nun HSH Nordbank) zeigten sich entsetzt, als sie davon<br />
erfuhren, stimmten aber schließlich zu.<br />
In der Zwangsversteigerung erworbene Schiffe sind lastenfrei,<br />
so der Grundsatz in der Seefahrt. In der Türkei wird er allerdings nicht anerkannt,<br />
wenigstens nicht in Fällen, wo die Versteigerung außerhalb der Türkei<br />
stattfindet. Ein Schiff, das in der Türkei registriert ist, bleibt nach einer Versteigerung<br />
im Ausland weiterhin türkisch. <strong>Vogemann</strong> wusste das nicht, und auch<br />
die anderen Käufer, die Schiffe aus der Karahasan-Flotte erwarben, wussten<br />
das nicht und mussten erleben, dass ihre Schiffe arrestiert wurden, wenn sie<br />
Häfen anliefen, in denen der frühere Eigentümer seine Besitzansprüche den<br />
Behörden hatte glaubhaft machen können. Auf alle Fälle den Bosporus galt<br />
es zu meiden, hier musste man befürchten, dass auch mit Hinterlegung einer<br />
Sicherheit das Schiff, wenn es einmal arrestiert war, nicht freizubekommen<br />
war. Die Ladungen, die „Ulla R“ transportieren sollte, stammten aber zum<br />
guten Teil aus Häfen im Schwarzen Meer, da ließ sich eine Fahrt durch türkische<br />
Hoheitsgewässer nicht vermeiden. Trotz dieser Einschränkung der Einsatzfähigkeit<br />
konnte das Schiff erfolgreich betrieben werden, und auch bei der<br />
Veräußerung des Schiffes 2006 fand man einen Ausweg. „Ulla R“ wurde an<br />
eine chinesische Reederei verkauft, die den Frachter ausschließlich zwischen<br />
112 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
„Ulla R“ vor der Skyline von San Francisco.<br />
chinesischen Häfen verkehren lässt – dorthin reicht Karahasans Arm nicht.<br />
Und immer noch war es ein gutes Geschäft für die von HBC Capital Consult<br />
eingeworbenen Anleger, denn die Chinesen zahlten 15 Mio. US-Dollar für den<br />
Carrier.<br />
Finale am Heiligabend. November 2003, das Jahr war noch<br />
nicht zu Ende. „Beinahe im Wochenrhythmus“, so erinnern sich die Gesellschafter,<br />
wurden Schiffe gekauft. „Bulk Asia“ und „Bulk Europe“ hießen die<br />
letzten Zugänge dieses Jahres, moderne, in Japan gebaute Capesize Carrier<br />
vom Baujahr 2001, jeder mit einer Tragfähigkeit von mehr als 170.000 Tonnen.<br />
Sie gehörten der Reederei Livanos in Monte Carlo. Eine Notlage war nicht<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
113<br />
2003<br />
Die USA beseitigen im Bund<br />
mit einer „Koalition der<br />
Willigen“ das Regime von<br />
Saddam Hussein. Der Diktator<br />
des Irak steht im Verdacht,<br />
Massenvernichtungswaffen<br />
zu entwickeln.<br />
Bundeskanzler Schröder lehnt<br />
eine deutsche Beteiligung an<br />
dem Angriff ab.
Selbstmord des FDP-Politi-<br />
kers Jürgen Möllemann.<br />
Die IG-Metall bricht den<br />
Streik zur Einführung der<br />
35-Stunden-Woche in den<br />
neuen Bundesländern ab.<br />
In Perl-Nennig im Saarland<br />
wird mit 40,8 Grad Celsius<br />
ein neuer Hitzerekord in<br />
Deutschland gemessen.<br />
Bundeskanzler Schröder<br />
stellt ein Reformprogramm<br />
(„Agenda 2010“) zur Verbes-<br />
serung der wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen und<br />
Entlastung der Kommunen,<br />
verbunden mit Einschnitten<br />
im Sozialbereich, vor.<br />
In Belgrad wird der serbi-<br />
sche Ministerpräsident Zoran<br />
Djindjic erschossen.<br />
Der Internationale Straf-<br />
gerichtshof in Den Haag<br />
nimmt seine Arbeit auf.<br />
Weltweites Auftreten der<br />
bisher unbekannten Lun-<br />
genkrankheit SARS.<br />
Nach der „Roten Liste“ der<br />
Welttierschutzorganisation<br />
JUCN sind weltweit mehr als<br />
12 000 Tier- und Pflanzen-<br />
arten bedroht.<br />
Caroline Links Roman-<br />
verfilmung „Nirgendwo in<br />
Afrika“ erhält den Oscar für<br />
den besten ausländischen<br />
Film.<br />
gegeben, die Reederei wollte verkaufen, um die Bilanz zu optimieren, und<br />
gedachte die Schiffe für sieben Jahre zurückzuchartern. Die Einwerbung der<br />
Anleger übernahm diesmal HCI. Das Finale der Kaufverhandlungen fand am<br />
Heiligen Abend statt, für je 52 Mio. US-Dollar wechselten die beiden Riesen<br />
den Besitzer.<br />
Die Verbindung zur Reederei Roth, weiterhin zuständig für das<br />
technische Management, wurde enger. <strong>Vogemann</strong> übernahm 20 Prozent der<br />
Anteile und bewog die Firmenleitung, ihr Domizil in der Hamburger City Nord<br />
aufzugeben und mit in das Gebäude Hallerstraße 40, seit 2004 Firmensitz von<br />
<strong>Vogemann</strong>, zu ziehen.<br />
Im Jahr 2004 passierte wieder eine der Pannen, ohne die es im<br />
Geschäftsleben wohl nicht abgehen kann. Das Stichwort lautet „Top Glory“.<br />
Top Glory hieß das chinesische Handelshaus, zu dem auch eine Reederei gehörte.<br />
Die wiederum wollte auf einen Schlag ihre gesamte Flotte von Bulkcarriern<br />
loswerden. Aus Peking erging eine Einladung zu Kaufverhandlungen an<br />
<strong>Vogemann</strong>. Udo Wiese und Jens Arndt reisten hin. Gemeinsam mit Anwälten,<br />
Maklern und Vertretern von HCI saßen sie einer Reihe von mindestens zehn<br />
Chinesen aus dem Handelshaus Top Glory gegenüber. Ein Chairman eröffnete<br />
in feierlicher Form die Sitzung und hielt erst einmal eine Ansprache von<br />
einer Stunde Länge. Ein Dolmetscher übersetzte, aber nur unzulänglich. Soweit<br />
die Gäste verstanden, handelte die Rede ausschließlich von den blühenden<br />
Geschäften, die das Haus Top Glory in aller Welt tätigte. Kein Wort von<br />
„Voge Katja“ mit einer Holzfracht beim Verlassen des Hafens von Napier (Neuseeland).<br />
114 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Familie <strong>Vogemann</strong> in den frühen 1950er Jahren. Von links nach rechts: Richard <strong>Vogemann</strong>,<br />
Irma <strong>Vogemann</strong>, Herbert <strong>Vogemann</strong>; Renate <strong>Vogemann</strong>, Schwiegersohn Paul Speckter.<br />
Handysize Bulkcarrier „Lake Maja“ kam im Frühjahr 2005 zur <strong>Vogemann</strong>-Flotte.<br />
irgendwelchen Schiffen, die zum Verkauf ständen. Dann, nach einer Stunde,<br />
die knappe Mitteilung: Die Schiffe sind gestern an jemand anders verkauft<br />
worden. Ende der Sitzung, alles erhob sich. Später kam heraus, dass es den<br />
Käufer schon länger gab, die Chinesen hatten wahrscheinlich mit der Einschaltung<br />
eines Interessenten aus dem Westen den Verhandlungen nur noch<br />
ein wenig Beschleunigung geben wollen. Im übrigen hätte der Chairman die<br />
gewünschten Informationen auch ohne den unbeholfenen Dolmetscher geben<br />
können. Denn als er die Gäste zur Tür geleitete und höflichen Smalltalk<br />
machte, stellte sich heraus, dass er fließend Englisch sprach.<br />
Wie um die peinliche Erfahrung abzurunden, fiel dann auch das<br />
Abendessen, das sich die Hamburger gönnen wollten, besonders unerfreulich<br />
aus. Man traf sich in einem edlen Restaurant, wo einer aus der Delegation,<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
115<br />
2004<br />
Erweiterung der EU um<br />
10 Mitglieder (Estland, Lettland,<br />
Litauen, Malta, Polen, Slowakei,<br />
Slowenien, Tschechische Republik,<br />
Ungarn und Zypern).<br />
Massenproteste gegen die Hartz<br />
IV-Gesetze zur Arbeitsmarktreform<br />
(Zusammenlegung von Arbeitslosen-<br />
und Sozialhilfe).<br />
Folgende Doppelseite:<br />
„Vogerunner“ in Fahrt.
116 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
117
Im Prozess um<br />
Millionenprämien bei der<br />
Übernahme des Mannes-<br />
mann-Konzerns durch<br />
Vodafone<br />
werden alle sechs<br />
Angeklagten, darunter<br />
Deutsche-Bank-Chef Josef<br />
Ackermann und der<br />
frühere IG-Metall-Vor-<br />
sitzende Klaus Zwickel,<br />
freigesprochen.<br />
Bei den Wahlen zum<br />
Europäischen Parlament<br />
erleidet die SPD eine<br />
Schlappe, während die<br />
Grünen erstmals ein zwei-<br />
stelliges Ergebnis<br />
(11,9 %) erzielen.<br />
Eine Flutwelle (Tsunami),<br />
ausgelöst durch ein Seebe-<br />
ben, verwüstet die Küsten<br />
in Südostasien, ca.<br />
300.000 Menschen kom-<br />
men ums Leben.<br />
Bei Terroranschlägen auf<br />
Vorortszüge in Madrid<br />
sterben 200 Menschen.<br />
Videos mit Bildern<br />
von Gefangenenmisshand-<br />
lungen durch US-Soldaten<br />
im Irak lösen einen<br />
Skandal aus.<br />
der behauptete sich auszukennen, mit wichtiger Miene ein Gericht empfahl,<br />
das in zahllosen kleinen Gefäßen gereicht wurde, die nur wenig Genießbares<br />
enthielten. Am besten kam noch Udo Wiese weg, der der Empfehlung<br />
misstraut und sich schlicht gebratenen Reis bestellt hatte. Er wurde wenigstens<br />
satt, während die übrigen deprimiert und hungrig vom Tisch aufstehen<br />
mussten.<br />
Kauf der ersten Handysize Bulkcarrier. Zu den Frachtern aus<br />
China gab es allerdings noch eine Alternative, auf die <strong>Vogemann</strong> zurückgreifen<br />
konnte. Das waren zwei 1996 in Spanien gebaute Capesize Carrier, die<br />
ein griechischer Reeder anbot, der sie wiederum vom großen Handelshaus<br />
Cargill erworben hatte. Zu Cargill hatte <strong>Vogemann</strong> schon seit langem Verbindung.<br />
Das trug Früchte, nach dem Kauf von „Vogesailor“ und „Vogecarrier“<br />
konnten die beiden Schiffe an Cargill verchartert werden. Der Erwerb von<br />
„Vogebulker“ (ex „Heng Shan“) aus dem Besitz einer chinesisch-kanadischen<br />
Reederei in Vancouver im Jahr 2004 schloss die Serie der Käufe von Capesize<br />
Carriern dann erst einmal ab.<br />
Im Frühjahr 2005 reihte <strong>Vogemann</strong> mit dem Ankauf von „Lake<br />
Maja“ (24.500 t) und „Voge Katja“ (23.900 t) die ersten Handysize Bulkcarrier<br />
in seine Flotte ein. Was die Panamax Carrier betraf, war man inzwischen gut<br />
versehen, mit Capesize Carriern gleichfalls. Sechs bis sieben jeweils zur Verfügung<br />
zu haben, war das Ziel, und es war einigermaßen erreicht. Nun kam<br />
es darauf an, auch in der kleineren Klasse präsent zu ein; eigentlich war das<br />
Handysize-Segment sogar das, in dem <strong>Vogemann</strong> auch als Befrachtungsmakler<br />
schon immer sein Hauptbetätigungsfeld gesehen hatte.<br />
Bis 2009 wuchs die Zahl der Handysize Carrier bei <strong>Vogemann</strong><br />
auf sieben an, darunter drei, „Voge Paul“, „Voge Renate“ und „Voge Eva“,<br />
die man im Paket von der dänischen Reederei Clipper übernahm. Bei der<br />
Namensgebung griff man diesmal auf Vornamen aus den Familien der Unternehmensgründer<br />
bzw. Partner zurück: Renate Speckter geb. <strong>Vogemann</strong>, Paul<br />
Speckter, Maja Wiese, Katja Wiese, Eva Arndt.<br />
Noch hatte es sich bei den Ankäufen stets um gebrauchte Schiffe<br />
gehandelt. Nicht gerade die ältesten, die Handysize Carrier etwa stammten<br />
aus den Jahren 1996 bis 1998, aber Neubauten waren sie nun mal nicht. Den<br />
Schritt, der noch fehlte, tat <strong>Vogemann</strong> Anfang 2006. Die japanische Werft<br />
Namura in Osaka erhielt den Auftrag, einen Capesize Carrier von 176.800 t<br />
zu bauen. Diskussionen innerhalb der Firma waren vorausgegangen. Hieß<br />
es doch, Neuland zu betreten, in größeren Zeiträumen zu planen und höhere<br />
118 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Die „Vogtland“ am Getreidespeicher Mackprang.<br />
Taufe der „Vogerunner“ in Osaka.<br />
Risiken einzugehen als vorher, daran musste man sich erst gewöhnen. Der<br />
Befrachtungsmakler wickelt seine Geschäfte binnen Minuten oder Stunden<br />
ab, vielleicht auch Tagen, aber wenn es mehr als eine Woche zum Abschluss<br />
braucht, dann stimmt meistens etwas nicht.<br />
Beim Ankauf eines Gebrauchtschiffes verhandelt man Wochen<br />
oder Monate, bis alles unter Dach und Fach ist. Aber beim Neubau ist in Jahren<br />
zu rechnen. Selbst wenn alles gut geht, dauert es bestimmt 1 ½ Jahre<br />
bis zur Ablieferung, und wenn die Werften volle Auftragsbücher haben, noch<br />
viel länger. Dennoch, bei <strong>Vogemann</strong> entschied man sich für den Neubau, war<br />
doch auf diese Weise möglich, Schiffe von genau der Größe und mit genau den<br />
Eigenschaften zu bekommen, wie man sie haben wollte.<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
119<br />
Mit 4,5 Mio. Zuschauern<br />
wird „Der Untergang“<br />
(mit Bruno Ganz in der<br />
Rolle des Adolf Hitler) zu<br />
einem der erfolgreichsten<br />
Filme der deutschen<br />
Nachkriegsgeschichte.
2005<br />
Start der LKW-Maut auf<br />
deutschen Autobahnen.<br />
Nach dem Verlust der<br />
Landtagswahl in Nordrhein-<br />
Westfalen stellt Bundes-<br />
kanzler Schröder im Bun-<br />
destag die Vertrauensfrage.<br />
Es kommt zu Neuwahlen,<br />
bei denen die CDU/CSU<br />
stärkste Fraktion wird.<br />
Allerdings, große Einflussmöglichkeiten wurden der Reederei<br />
beim Bau ihres Erstlings nicht eingeräumt. Die Werft hatte klare Vorstellun-<br />
gen von dem Schiff, das sie liefern würde, und ließ Mitsprache von außen<br />
nicht zu, Sonderwünsche erst recht nicht. Das alles würde die minutiös ge-<br />
planten Abläufe stören, hieß es. So war nur mit größter Mühe möglich, die<br />
von der deutschen Seeberufsgenossenschaft geforderte Zahl von Toiletten<br />
durchzusetzen. Japanische Vorschriften verlangten nicht so viele, also gab<br />
es sie nicht im Plan, und den Plan wollte niemand auf der Werft ändern.<br />
Schließlich wurden doch zusätzliche Toiletten eingebaut, sechs Stück an der<br />
Zahl – aber die schlugen dann mit insgesamt 105.000 Dollar zu Buche. Ehe<br />
die Werft an die Arbeit ging, gab es manches zu klären, mit dem bei Voge-<br />
Bei der Übergabe der „Voge Trust“. Von links nach rechts: Jens Arndt, der Charterer Mr. Y.K. Chung, die Taufpatin Mrs. Chung, Alan Woo.<br />
120 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
mann niemand gerechnet hatte. So mussten die Hamburger einen umfangreichen<br />
Fragenkatalog zur Firmengeschichte beantworten. Wann der letzte<br />
Firmeninhaber mit dem Namen <strong>Vogemann</strong> gestorben, wann Paul Speckter<br />
in Ruhestand gegangen sei, alles wollten die Japaner wissen. An die einmal<br />
getroffenen Abmachungen aber hielt sich die Werft, Vertragstreue ist ein hoher<br />
Wert in Japan, Nachverhandlungen kamen nicht in Frage, und einmal als<br />
Kunde der einen Werft registriert, fand sich <strong>Vogemann</strong> auch bei den anderen<br />
japanischen Werften aufgenommen in den Kreis seriöser Besteller.<br />
Neubau unter deutscher Flagge. Das neue Schiff, von Christiane<br />
von Saldern, der Tochter Paul Speckters, auf den Namen „Vogerunner“<br />
getauft, wurde im Dezember 2008 abgeliefert. Eine Frau übernahm auch das<br />
Kommando an Bord, Birte Jessen, eine der fünf weiblichen Kapitäne, die es in<br />
Deutschland gibt. Sie ist nach wie vor bei <strong>Vogemann</strong> beschäftigt und einer der<br />
besten Kapitäne der <strong>Vogemann</strong>-Flotte.<br />
„Vogerunner“ wurde wie der 2007 erworbene Capesize Bulker<br />
„Vogemaster“ unter deutsche Flagge genommen. <strong>Vogemann</strong> entsprach damit<br />
der Selbstverpflichtung, die die deutschen Reedereien eingegangen waren,<br />
einen Teil der Gesamtflotte unter deutscher Flagge fahren zu lassen.<br />
Das Anwachsen des Bestandes machte es nötig, eine zweite<br />
Reederei für das technische Management heranzuziehen. Es war dies die Firma<br />
Wallem, ein Ende des 19. Jahrhunderts vom Norweger Harkon Wallem<br />
gegründetes Schifffahrtsunternehmen mit Hauptsitz in Hongkong. Wallem<br />
wollte (und musste) Ende 2004 eine Niederlassung in Deutschland gründen,<br />
um Reedereien als Kunden für das technische Management zu gewinnen. Den<br />
jahrzehntelang dominierenden Abschreibungsmodellen unter den Schiffsbeteiligungen<br />
drohte das endgültige Aus. Um in den Genuss des nun geltenden<br />
Tonnagesteuersystems mit seiner niedrigen Pauschalbesteuerung zu kommen,<br />
musste das technische Management seinen Sitz in Deutschland haben. Der<br />
Staat sicherte sich so die Einnahmen aus Lohn- und Einkommenssteuern. Wie<br />
viele andere ausländische Ship-Manager gründete Wallem daher in Hamburg<br />
eine Niederlassung, Wallem Deutschland. Zunächst war sie lediglich von einem<br />
einzigen Mann, Captain Joe Corcoran aus England, repräsentiert. Heute<br />
zählt Wallem Deutschland, inzwischen im alten <strong>Vogemann</strong>-Sitz Hallerstraße<br />
57 untergebracht, rund 30 Mitarbeiter. Das Unternehmen, an dem <strong>Vogemann</strong><br />
rund 41 Prozent Anteile hält, ist gegenwärtig Technischer Manager für 30<br />
Schiffe, zehn davon kommen von <strong>Vogemann</strong>. Wallem hatte Erfahrungen im<br />
Tankerwesen und war geschätzt bei den Oil Majors. Das bewog <strong>Vogemann</strong>,<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
121<br />
Sie bildet unter Kanzlerin<br />
Angela Merkel eine Große<br />
Koalition mit der SPD.<br />
Nach dem Tod von<br />
Johannes Paul II. gelangt<br />
der deutsche Kardinal<br />
Josef Ratzinger<br />
als Benedikt XVI. auf den<br />
Papstthron.<br />
Sieben Jahre nach seiner<br />
Unterzeichnung tritt das<br />
Kyoto-Abkommen zum<br />
Klimaschutz in Kraft.<br />
Der europäische Flugzeugbauer<br />
Airbus stellt in<br />
Toulouse den A 380, das<br />
größte zivile Verkehrsflugzeug<br />
der Welt, vor.<br />
Die Lufthansa übernimmt<br />
die Schweizer Fluggesellschaft<br />
Swiss.<br />
Eröffnung des Holocaust-<br />
Mahnmals in Berlin.<br />
60 Jahre nach ihrer<br />
Zerstörung im<br />
Bombenkrieg wird die<br />
neuerrichtete<br />
Frauenkirche in Dresden<br />
feierlich geweiht.
2006<br />
Die in Deutschland ausgetra-<br />
gene Fußball-WM gerät für<br />
die enthusiastischen Massen<br />
zum „Sommermärchen“.<br />
Die deutsche Mannschaft<br />
verpasst<br />
jedoch durch eine Niederlage<br />
im Halbfinale gegen Italien<br />
den Einzug ins Endspiel.<br />
Ein Sonderberichterstatter<br />
der Vereinten Nationen<br />
kritisiert das deutsche Schul-<br />
system und die Benachteili-<br />
gung von Ausländerkindern<br />
im Bildungswesen.<br />
Nachdem alle Versuche, ihn<br />
einzufangen, gescheitert sind,<br />
wird der in Tirol und Bayern<br />
wildernde Braunbär „Bruno“<br />
von bayerischen Jägern<br />
erschossen.<br />
2007<br />
Deutschland ist Gastgeber<br />
beim G8-Gipfel in Heiligen-<br />
damm an der Ostsee.<br />
Rumänien und Bulgarien<br />
treten der EU bei.<br />
Der Konservative Nicolas<br />
Sarkozy gewinnt die<br />
Stichwahl zum Präsidenten-<br />
amt in Frankreich.<br />
sein Neubauprogramm auf Tanker auszudehnen. „Voge Dignity“ und „Voge<br />
Trust“, zwei Product Tanker von je 38.000 t, im Jahr 2009 auf der GSI Werft<br />
in China fertiggestellt, wurden zu Wallem ins technische Management gege-<br />
ben. Sie blieben jedoch vorerst die einzigen Tankschiffe unter der <strong>Vogemann</strong>-<br />
Flagge.<br />
Ausschnitt aus der kenianischen Zeitung „The Star“ zur Havarie der „Voge Trust“.<br />
Die befürchtete Ölpest trat nicht ein.<br />
Mit großen Schritten dagegen ging es voran im Segment der<br />
Handysize Carrier. Seit Ende 2006 liefen die Verhandlungen für den Bau von 12<br />
Schiffen zu je 35.000 t von der indischen Werft ABG an ihrem neuen Standort<br />
in Dahej nordwestlich von Mumbai. Die Ablieferung des ersten Schiffes ist für<br />
die zweite Hälfte 2011 zu erwarten. <strong>Vogemann</strong> unterhält bei ABG ein eigenes<br />
Team zur Bauaufsicht. Ein für den 26. November 2008 dort geplanter, aber im<br />
letzten Moment abgesagter Besuch von Jens Arndt und Markus Lange hätte<br />
für beide katastrophal enden können. An eben diesem 26. November 2008<br />
ereignete sich der Überfall islamistischer Terroristen auf mehrere Gebäude<br />
in Mumbai, bei denen mindestens 163 Menschen ums Leben kamen. Eines<br />
der Terrorziele war das Hotel Taj Mahal, und für eben dieses Hotel waren die<br />
Hamburger gebucht. Wenn ihre Reise wie vorgesehen geklappt hätte, hätte es<br />
ihnen passieren können, dass sie in die Geiselnahmen, Bombenexplosionen<br />
122 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
und Schießereien geraten wären. Mit der indischen Werft machte <strong>Vogemann</strong><br />
wieder ganz neue Erfahrungen. In Japan hatte man ein straffes System mit<br />
hohem Automationsgrad kennengelernt. Beim Bau waren nur wenig Arbeiter<br />
zu sehen, die Leitung hatte die Abläufe bis in die kleinste Kleinigkeit durchkalkuliert<br />
und duldete keine Abweichungen, blieb aber stets den einmal vereinbarten<br />
Bedingungen treu. Hierarchien und Befugnisse waren jederzeit klar<br />
erkennbar. In China dagegen ein viel größerer Einsatz von Personal; wenn<br />
Pause war, strömten Scharen von Arbeitern aus dem Schiff, aber wer genau<br />
und in welchem Bereich das Sagen hatte, war nicht immer zu unterscheiden,<br />
und mit nachträglichen Korrekturen an den Vertragskonditionen musste gerechnet<br />
werden. In Indien wiederum galt es den allfälligen Verzögerungen<br />
mit Geduld, Nervenstärke und Improvisationstalent zu begegnen.<br />
Im mittleren Segment legte <strong>Vogemann</strong> gleichfalls noch zu. Zwei<br />
Kamsarmax Bulkcarrier von je 80.000 t sind soeben abgeliefert: „Voge Challenger“,<br />
gebaut von New Times/New Century nahe Schanghai, im Dezember<br />
2010, und „Voge Enterprise“, gebaut von Cosco in Dalian (China), im Februar<br />
2011.<br />
Havarien und Piratengefahr. Von Havarien blieben die <strong>Vogemann</strong>-Schiffe<br />
nicht verschont. Als Hurrikan „Katrina“ im August 2005 die<br />
Küstenregionen der US-Staaten im Golf von Mexiko heimsuchte, lag „Greta R“<br />
im Mississippi vor Anker. Die Ketten brachen, das Schiff trieb und rammte die<br />
Jetty. Ein Schlepper bot Hilfe an, verlangte aber erst einmal die Unterzeichnung<br />
einer Kostenübernahme-Garantie. Anschließend gab es noch langen<br />
Streit um die Millionen, die die Bergung kosten sollte. In dem Chaos, das an<br />
der Küste herrschte, waren Reparaturdienste kaum aufzutreiben, und wenn<br />
einer kam, dann hatte er Mühe an das Schiff heranzukommen, das ja nicht<br />
friedlich am Kai lag, sondern irgendwo draußen in einer Wüste, in der nicht<br />
mehr zu unterscheiden war, was Schiffahrtsweg und was überschwemmtes<br />
Land war.<br />
Der Tanker „Voge Trust“ lief bei seiner Jungfernfahrt im Dezember<br />
2009 im Hafen von Mombasa auf Grund, obwohl Hafenlotsen an Bord<br />
waren. Durch ein Leck in der Außenhaut strömte Wasser ein, das Schiff bekam<br />
Schlagseite. Für die Zuschauer, die sich an Land versammelten, sah das<br />
gefährlich aus, man befürchtete auch bereits eine ökologische Katastrophe<br />
durch austretendes Öl. Doch zum Glück war nur die äußere Hülle beschädigt,<br />
die innere Hülle des Doppelrumpfes hielt, und die Reparatur war relativ leicht<br />
zu bewerkstelligen.<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
123<br />
Die radikal-islamische Hamas<br />
bringt den Gazastreifen unter<br />
ihre Kontrolle.<br />
Das Eisbärenbaby Knut<br />
begeistert die Berliner.<br />
Deutschland verzeichnet den<br />
wärmsten Winter seit Beginn<br />
der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen<br />
im Jahr 1901.<br />
Satellitenbilder zeigen die<br />
Nordwestpassage vor der<br />
Küste Kanadas erstmals seit<br />
30 Jahren eisfrei und somit für<br />
Schiffe befahrbar.<br />
2008<br />
In Hamburg gehen CDU und<br />
Grün-Alternative Liste (GAL) ein<br />
Regierungsbündnis ein.<br />
Frankreichs Staatspräsident<br />
Nicolas Sarkozy heiratet die<br />
Sängerin Carla Bruni.<br />
Die Bundesmarine beteiligt sich<br />
an der Mission „Atalanta“ zur<br />
Bekämpfung der Piraterie am<br />
Horn von Afrika.<br />
Die Dresdner Bank wird von der<br />
Commerzbank übernommen.
Die Insolvenz der US-Invest-<br />
mentbank Lehman Brothers<br />
verschärft die internationale<br />
Finanzkrise. In Deutschland<br />
wird ein Bankenrettungspaket<br />
im Volumen von 480 Milliarden<br />
Euro aufgelegt.<br />
Wahlsieg des demokratischen<br />
Präsidentschaftskandidaten<br />
Barack Obama in den USA.<br />
Mit Notkrediten werden<br />
die Autokonzerne<br />
General Motors und Chrysler<br />
vor der Pleite gerettet.<br />
Eröffnung der Svalbard-<br />
Saatgutbank auf der Insel<br />
Spitzbergen.<br />
2009<br />
Nach der<br />
Bundestagswahl kommt<br />
es zu einer Regierungskoalition<br />
von CDU/CSU und FDP unter<br />
Angela Merkel.<br />
Die G20 einigen sich auf<br />
Billionen-Hilfen für<br />
die Bekämpfung der<br />
Wirtschafts- und Finanzkrise.<br />
Zum Schuldenabbau<br />
beschließen Bundestag<br />
und Bundesrat eine „Schulden-<br />
bremse“ ins Grundgesetz<br />
einzubauen.<br />
Einen Monat später, im Januar 2010, traf es „Vogetrader“ auf<br />
Hawaii. Obwohl sich auch diesmal ein Lotse an Bord befand und zwei Schlep-<br />
per das Schiff unterstützten, lief es trotz bester Wetterbedingungen und kla-<br />
rer Sicht in der Anfahrt zum Liegeplatz auf ein Riff. Wie das gelungen war,<br />
blieb ein Rätsel. Luftaufnahmen zeigen den steckengebliebenen Frachter am<br />
Rand einer durch dunklere Wasserfärbung klar erkennbaren Fahrrinne, er<br />
hätte bloß geradeaus fahren müssen. Aber der Lotse, statt sich zu erklären,<br />
verschwand sofort nach der Havarie und wurde nicht mehr gesehen.<br />
Bekanntschaft mit der Piraterie am Horn von Afrika muss-<br />
te Reederei <strong>Vogemann</strong> auch bereits machen. Wenigstens einmal zeigte der<br />
Radarschirm die Annäherung mehrerer Kaperboote, die allerdings, als das<br />
Schiff einen Notruf absetzte und ein Hubschrauber der Atalanta-Mission er-<br />
schien, schnell beidrehten.<br />
Und die Krise? Von den Erschütterungen auf dem Finanzmarkt<br />
seit 2008 war am schwersten die Containerschifffahrt betroffen, dann die Tan-<br />
ker und schließlich auch – in nicht ganz dem gleichen Maßstab – die Bulk-<br />
carrier. Die Finanzierungsmodelle mit eingeworbenem Kapital waren vorher<br />
bereits untergegangen. Die Emissionshäuser blieben hinter ihren Verspre-<br />
chungen zurück, das nötige Eigenkapital zur Finanzierung von Neubauten<br />
musste <strong>Vogemann</strong> selbst besorgen.<br />
Stacheldraht an der Bordwand zum Schutz vor Piraten.<br />
124 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
Der zweitjüngste <strong>Vogemann</strong>-Neubau, Kamsarmax Bulkcarrier „Voge Challenger“<br />
beim Ablegen vom Kai der chinesischen Werft New Times/New Century.<br />
Die Belastung gingen bis an die Schmerzgrenze und teilweise<br />
darüber hinaus. Das Verhalten der Banken änderte sich unter den Bedingungen<br />
der Krise. Strukturen, die bisher problemlos von den Banken genehmigt<br />
worden waren, wurden auf einmal nicht mehr mitgetragen.<br />
Bei aller Kritik an den Banken haben diese die Reederei aber bei<br />
ihren Projekten nicht im Regen stehen gelassen. Restrukturierung der „Voge<br />
Trust“, Neuordnung der indischen Neubauten und Abbestellung der „Voge<br />
Spirit“ waren gewaltige Herausforderungen, die ohne Unterstützung der Banken<br />
nicht allein hätten bewältigt werden können. Ein bitterer Beigeschmack<br />
bleibt aber: Die <strong>Vogemann</strong>-Partner, die Emissionshäuser, wurden nicht zur<br />
Kasse gebeten. Kurze Zeit später stellten sich ihre Chefs vor die Presse und<br />
verkündeten schon wieder zarte Gewinne. Asymmetrische Lastenverteilung<br />
nennt man dies im Bankenjargon. Trotz der großen Finanzierungsklemme<br />
war <strong>Vogemann</strong> in der Lage, auch in der schwierigsten Zeit Anfang 2009 zwei<br />
Neubauprojekte anzuschieben. „Voge Lucia“ und „Voge Lena“ wurden in der<br />
Hochzeit der Krise finanziert. Maßgeblichen Anteil daran hatte die Bremer<br />
Landesbank, die <strong>Vogemann</strong> dabei vorbildlich unterstützte.<br />
Die Realisierung dieser Projekte gibt Zuversicht, dass es auch<br />
zukünftig möglich sein wird, Eigenkapital von privaten Investoren einzusammeln<br />
und Fremdkapital von Banken zu bekommen. Ein Geschäftsmodell, das<br />
es schon seit 400 Jahren gibt und das es auch in Zukunft geben wird.<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
125<br />
Israel führt eine Militäroffensive<br />
gegen die Hamas<br />
im Gazastreifen.<br />
Beim Einsturz des<br />
Kölner Stadtarchivs gehen<br />
unersetzliche Kulturwerte<br />
verloren.<br />
2010<br />
Die Bundesregierung<br />
beschließt ein Sparpaket<br />
zum Schuldenabbau.<br />
Bei der Love-Parade in<br />
Duisburg kommt es zu einer<br />
Massenpanik mit 21 Toten.<br />
Horst Köhler tritt vom<br />
Amt des Bundespräsidenten<br />
zurück, Nachfolger wird<br />
der niedersächsische<br />
Ministerpräsident<br />
Christian Wulff.<br />
Ölpest im Golf von<br />
Mexiko nach dem<br />
Untergang einer<br />
Bohrplattform.<br />
Das Ruhrgebiet ist<br />
Europäische<br />
Kulturhauptstadt.
126 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz
38<br />
43<br />
28<br />
Die <strong>Vogemann</strong>-Crew<br />
17<br />
1<br />
23<br />
39<br />
25<br />
2<br />
44<br />
3<br />
29<br />
18<br />
24<br />
1 Hauke Wetzel Chartering Manager 23 Angelique Richter Reception/<br />
2 Moritz Hartmann Trainee<br />
Assistance<br />
3 Tabea Ohlendorf Chartering<br />
24 Tim-Philipp Werkholz Trainee<br />
4 Steven Jacob Chartering Manager 25 Valeri Zaika Facility Management<br />
5 Monika Fabich Accounting<br />
26 Frank Jensen Director, Chartering<br />
6 Heike Kraschutzki Accounting 27 Saskia Drews Head of Accounting<br />
7 Kai Elsen Director, Chartering 28 Melanie Wriedt Assistance<br />
8 Frank Kruss Accounting<br />
29 Markus Lange Managing Director<br />
9 Ilka Auerswald Accounting<br />
30 Jens-Michael Arndt<br />
10 Jevgenij Gorelik Facility Management Managing Director<br />
11 Heike Patjens Accounting<br />
31 Lars Rudebeck Director, Chartering<br />
12 Jurik Harmeyer Trainee<br />
32 Nils Luedecke Chartering Manager<br />
13 Olaf Brüning Manager IT Systems 33 Udo Wiese Managing Director<br />
14 Ivana Kravar Operations<br />
34 Stephanie Collée<br />
15 Lioba Müller Accounting<br />
Head of Ship Finanance/Controlling<br />
16 Nicole Riedemann Accounting 35 Alan Woo Managing Director<br />
17 Karl Mohr Head of Operations 36 Maria Katsaouni Operations,<br />
18 Philipp Sichtling Chartering Manager Chartering<br />
19 Roland Hensel Managing Director 37 Aleksander Niemas Chartering<br />
20 Andreas Rau Accounting<br />
38 Alexander Dreißig Chartering<br />
21 Jens Wanitschke Project Manager Manager<br />
22 Andreea Stoica Accounting<br />
39 Romina Cob Arranz Operations<br />
26<br />
40<br />
4<br />
5<br />
7<br />
30<br />
45<br />
6<br />
Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />
19<br />
8<br />
31<br />
9<br />
20<br />
10<br />
32<br />
46<br />
12<br />
27<br />
41<br />
33<br />
11<br />
13<br />
34<br />
127<br />
14<br />
21<br />
47<br />
42<br />
15<br />
16<br />
22<br />
35<br />
36<br />
40 Olaf Münch Deputy Head of<br />
Accounting<br />
41 Robert Stegen Ship Finance/<br />
Controlling<br />
42 Anika Harms Chartering Manager<br />
43 Stefan Boldt Project Manager<br />
44 Peter Brasch Operations Manager,<br />
Chartering<br />
45 Franziska Klier Operations<br />
46 Angela Reimann Operations<br />
Manager, Chartering<br />
47 Marion Haaks Operations, Chartering<br />
48 Renate Neumann Operations<br />
Manager, Chartering<br />
Nicht dabei:<br />
Rüdiger Hartwig Project Manager,<br />
Chartering<br />
Britta Strehlau Reception/Assistance<br />
Harald Schmidt IT Administrator<br />
Ophelia Peters Administration<br />
48<br />
37
Friedemann<br />
Bedürftig<br />
In memoriam Friedemann Bedürftig<br />
Die Konzeption dieses Buches stammt von dem Hamburger<br />
Autor Friedemann Bedürftig, mit dem ich seit langem bekannt<br />
und befreundet war. Beabsichtigt war, dass Friedemann Bedürftig<br />
den Text herstellen und die dafür nötigen Interviews<br />
führen sollte, während sein Kollege Reinhard Barth, mit dem<br />
er schon bei vielen Buchprojekten zusammengearbeitet hatte,<br />
sich um Bildbeschaffung, Redaktion und Gestaltung kümmern<br />
sollte. Die Arbeitsteilung ließ sich indes nicht durchhalten.<br />
Eine schwere Erkrankung nötigte Friedemann Bedürftig<br />
im Sommer 2010 die Arbeit am Text zunächst teilweise, dann<br />
ganz in die Hände seines Kollegen Barth zu geben. Die Fertigstellung<br />
des Buches hat er nicht mehr erleben können, er<br />
Danksagung<br />
Folgende Hamburger Institutionen lieferten<br />
Bildmaterial, wofür wir uns herzlich<br />
bedanken: Museum für Hamburgische Geschichte,<br />
Hamburger Kunsthalle, Denkmalschutzamt<br />
Bildarchiv, Museum der Arbeit.<br />
Wertvolle sachliche Hinweise gaben<br />
Prof. Frank Bajohr von der Forschungsstelle<br />
Bildnachweis<br />
Archiv für Kunst und Geschichte Berlin: S. 8<br />
Randsp. unten, 10, 11 Randsp., 14 u. Randsp.<br />
unten, 16 links, 16 Randsp., 20, 21 Randsp. unten,<br />
24 Randsp., 26 Randsp., 27 Randsp., 29 Randsp.,<br />
30 Randsp., 31, 33 Randsp. oben, 36 Randsp.<br />
unten, 37 Randsp., 44 Randsp. Mitte, 45 Randsp.<br />
Mitte, 52 Randsp., 68 Randsp., 69 Randsp., 74<br />
Randsp., 91 Randsp.<br />
Denkmalschutzamt Hamburg Bildarchiv: S. 11,<br />
18, 25, 32, 43, 44, 49, 54, 57<br />
Kunsthalle Hamburg: S.79<br />
Museum der Arbeit Hamburg: S. 34, 36<br />
Museum für hamburgische Geschichte: S. 12/13,<br />
38/39<br />
Christoph Papsch: S. 4, 108/109, 116/117<br />
für Zeitgeschichte in Hamburg und Jürgen-<br />
Wolfgang Goette von der Erich-Mühsam-Gesellschaft<br />
in Lübeck sowie Willem Meier von<br />
der Firma H.F. Navigator in Hamburg und<br />
Max Johns vom Verband Deutscher Reeder.<br />
Für Interviews stellten sich zur Verfügung:<br />
Jens Arndt, Harring-Detlef Arndt,<br />
Picture alliance/dpa: S. 102 Randsp., 10 Randsp.,<br />
71 Randsp. oben, 87 Randsp. unten, 105 Randsp.,<br />
107 Randsp., 110–112 Randsp., 118 Randsp.,<br />
121–124 Randsp.<br />
<strong>Vogemann</strong> Firmenarchiv: S. 8 Randsp. oben, 9<br />
Randsp. oben, 14 Randsp. oben, 21, 23, 29, 41, 42,<br />
51–53, 56, 58, 59, 61–65, 66 Randsp. unten, 67,<br />
68, 70, 72, 73–75, 80, 81, 83, 83 Randsp. 85, 88,<br />
90, 91, 93, 95, 95 Randsp., 97, 99, 103, 104, 106,<br />
110, 113–115, 119, 120, 122, 124, 125<br />
Christian Zentner, München: S. 16 rechts, 56<br />
Randsp., 60 Randsp., 62 Randsp. oben, 66<br />
Randsp. oben, 69 Randsp., 70 Randsp. oben, 78,<br />
78 Randsp., 81 Randsp., 85 Randsp., 89 Randsp.,<br />
95 Randsp., 99 Randsp., 33 Randsp. unten, 63<br />
Randsp.<br />
ist im November 2010 gestorben. Ich verliere in ihm einen<br />
einzigartigen Gesprächspartner und Freund. Wer ihn kannte,<br />
und das waren viele bei <strong>Vogemann</strong>, dem wird sein profundes<br />
Wissen, seine Aufmerksamkeit für die Welt ringsum, sein Witz<br />
und seine Gradlinigkeit im zwischenmenschlichen Verkehr<br />
unvergesslich bleiben.<br />
Hamburg, im März 2011<br />
Udo Wiese<br />
Geschäftsführender Gesellschafter<br />
Firmengruppe H. <strong>Vogemann</strong><br />
Robert Krewaldt, Bonn: S. 9 Randsp. oben<br />
Gemeinfrei: 9 Randsp. unten, 10 Randsp., 15<br />
Randsp., 17 Randsp., 18 Randsp. oben, 19<br />
Randsp., 20 Randsp., 21 Randsp. oben, 23<br />
Randsp., 28 Randsp., 34 Randsp., 35 Randsp.<br />
oben, 42 Randsp. (Gus Pasquerella), 43 Randsp.<br />
unten, 44 Randsp., 45 Randsp. unten, 49 Randsp.,<br />
50 Randsp. unten, 53 Randsp., 54 Randsp. unten,<br />
57 Randsp. oben, 62 Randsp. unten (Library of<br />
Congress), 70 Randsp. unten, 71 Randsp. unten<br />
(Library of Congress), 73 Randsp., 75 Randsp., 77<br />
Randsp. (Berthold Werner), 80 Randsp., 87<br />
Randsp. oben, 90 Randsp., 96–97 Randsp.<br />
Henry Mühlpfordt: 25 Randsp.<br />
Bayer: 18 Randsp. unten<br />
128 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />
Roland Hensel, Frank Jensen, Lars Rudebeck,<br />
Paul Speckter, Udo Wiese, Alan Woo. Die Autoren<br />
konnten darüber hinaus schriftliche<br />
Aufzeichnungen von Harring-Detlef Arndt,<br />
Markus Lange und Paul Speckter benutzen.<br />
Bei der Bildbeschaffung halfen<br />
Stefan Boldt und Tabea Ohlendorf.<br />
Bernhard Hossner: 31 Randsp.<br />
Deutsches Bundesarchiv: 32 Randsp., 35 Randsp.<br />
unten, 36 Randsp. oben, 40 Randsp., 43 Randsp.<br />
oben (Lange, Eitel), 48 Randsp., 50 Randsp. oben,<br />
55 Randsp., 57 Randsp. unten, 61 Randsp., 76<br />
Randsp., 82 Randsp., 84 Randsp., 88 Randsp.,<br />
92–94 Randsp.<br />
World Telegram staff photographer: 41 Randsp.<br />
National Archives USA: 45 Randsp. oben<br />
Lars-Göran Lindgren, Sweden: 54 Randsp.<br />
Kroelleboelle: 59 Randsp.<br />
Thomas Zarges: 126/127
www.vogemann.de