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D - H. Vogemann

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TradiTion<br />

ZuVerlässigkeiT<br />

kompeTenZ<br />

125 Jahre<br />

H. <strong>Vogemann</strong>


Impressum<br />

Umschlagentwurf: Lohrengel Mediendesign<br />

© Firmengruppe H. <strong>Vogemann</strong>, 2011<br />

Verlagsort Hamburg<br />

Erschienen im Selbstverlag<br />

Gestaltung und Produktion: Lohrengel Mediendesign, Hamburg<br />

Litho: Lohrengel Mediendesign, Fire Dept. Hamburg<br />

Druck: Ourdas druckt, www.ourdas.de


Reinhard Barth, Friedemann Bedürftig<br />

125 Jahre<br />

h. <strong>Vogemann</strong><br />

TradiTion<br />

ZuVerlässigkeiT<br />

kompeTenZ


Ralf Nagel<br />

Zum geleit<br />

Ein Schifffahrtsunternehmen, das mit der Bark „Western Chief“ und zwei kleinen<br />

Frachtdampfern vor 125 Jahren seine Geschäfte aufnahm und heute zu einer international<br />

aufgestellten Unternehmensgruppe mit einer Flotte von zwei Mio. Tonnen<br />

Tragfähigkeit gewachsen ist, ist in vieler Hinsicht bemerkenswert.<br />

Bemerkenswert, weil sich die Familienunternehmer sehr früh mit den Großen der<br />

Branche anlegten und sich daran gewöhnten, im Wettbewerb um Größe, Schnelligkeit<br />

und Marktanteile mitzuhalten. In dem Jahr der Einweihung der Freiheitsstatue auf der<br />

anderen Seite des Atlantiks wurde die Reederei 1886 in Hamburg gegründet, noch ausschließlich<br />

auf den europäischen Handel ausgerichtet. Schnell aber richtete sich der<br />

Blick über den Ozean. Ebenso wie die Dame am Hafeneingang von New York seit 1886<br />

als Startsymbol von Millionen von Einwanderern in ein besseres Leben wahrgenommen<br />

wird, verkörpern die vielen und immer größeren seither in Dienst gestellten Schiffe der<br />

Reederei Ideenreichtum, Schaffenskraft und Beharrlichkeit bis zum heutigen Tage.<br />

Bemerkenswert ist dieses Unternehmen auch deshalb, weil es bis heute in privatem Ei-<br />

gentum ist. Erst vor zwei Jahren taufte die Ururenkelin des Firmengründers, Christiane<br />

von Saldern, in Japan die „Vogerunner“, das zweitgrößte Schiff der deutschen Flagge.<br />

In ihrer gewitzten und charmanten Taufrede hob die Patin die enge Verbindung der<br />

Gründerfamilie mit den heutigen Firmeninhabern hervor. Als Vertreter des Verbandes<br />

Deutscher Reeder erlebte dessen Justiziar Dr. Heitmann bei dieser Taufe die Loyalität,<br />

Treue und Freundschaft der heutigen Firmenlenker sowohl zu den Wurzeln des Unternehmens<br />

als auch zu allen Partnern. Eine derartige Mischung aus familiärer Herzlichkeit,<br />

hanseatischer Kaufmannschaft und innovativer Schaffenskraft ist es, die eine der<br />

großen Stärken des deutschen Schifffahrtsstandortes ausmacht. Die aktive Mitarbeit<br />

des Unternehmens im Reederverband freut uns gerade deshalb ganz besonders.<br />

Die Schifffahrt ist ein von wirtschaftlichen Zyklen abhängiges und von technischen<br />

Entwicklungen geprägtes Geschäftsfeld. Der Reederei <strong>Vogemann</strong> ist es gelungen, über<br />

eineinviertel Jahrhunderte diese Herausforderungen zu meistern. Sie kann stolz sein<br />

auf diese Tradition als Fundament ihrer Arbeit.<br />

Ralf Nagel, Senator a.D.<br />

Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied<br />

Verband Deutscher Reeder<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 5


6 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


kapitel 1<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 7<br />

Werdegang der Firma<br />

h.<strong>Vogemann</strong><br />

1886 – 1946


Bark<br />

„Western Chief“<br />

1886<br />

Entmündigung (wegen<br />

Geisteskrankheit) und<br />

Selbstmord König Ludwigs II.<br />

von Bayern.<br />

Gründung eines Vereins deutscher und<br />

ausländischer Seeleute in Hamburg,<br />

der sich die kostenlose Arbeitsvermitt-<br />

lung zum Ziel setzt.<br />

Einweihung der Freiheitsstatue<br />

in New York.<br />

Carl Benz erhält das<br />

Patent auf seinen<br />

dreirädrigen „Motorwagen<br />

mit Gasbetrieb durch Benzin“.<br />

Werdegang der Firma<br />

h.<strong>Vogemann</strong> 1886 – 1946<br />

Im Jahr 1946 hat Richard <strong>Vogemann</strong>, der Sohn des Gründers Johann<br />

Heinrich <strong>Vogemann</strong>, den Werdegang seiner Firma von der Gründung bis an<br />

die Schwelle der Nachkriegszeit in einem detaillierten, zum größten Teil aus<br />

eigenem Erleben geschöpften Bericht geschildert. Sein Text bildet in leicht<br />

überarbeiteter Form die Grundlage für den hier folgenden ersten Abschnitt<br />

der Firmengeschichte, die Jahre 1886–1946.<br />

B<br />

ereits mehrere Jahre bevor die Firma H. <strong>Vogemann</strong> am 22. April<br />

1886 im Handelsregister zu Hamburg von meinem Vater Johann<br />

Heinrich <strong>Vogemann</strong> (geb. 22. Juli 1849) eingetragen wurde, war<br />

er in Vegesack, in der Buchtstraße, als Korrespondentreeder tä-<br />

tig, und zwar für das von meinem Großvater, Kapitän Ferdinand Haesloop,<br />

geführte Segelschiff „Western Chief“. Dieses Schiff wurde zuerst gemeinsam<br />

mit dem in Vegesack wohnhaften Segelschiffs-Reeder Hinrich Kückens be-<br />

reedert und fuhr unter dessen Reedereiflagge, welche die Buchstaben H.K.<br />

zeigte. Nach kurzer Zeit wurden die Anteile des Herrn Kückens von meinem<br />

Vater übernommen, so dass alle Parten in seinem Besitze waren. Aus einer<br />

alten roten englischen Handelsflagge, auf welche nach Entfernung des Union<br />

Jack ein weißes „V“ aufgenäht wurde, ist dann die Reedereiflagge der Firma H.<br />

<strong>Vogemann</strong> entstanden.<br />

Ungefähr zu dieser Zeit muss es gewesen sein, als mein Vater<br />

bei seinem Schwager Carl Ulrichs, Mitinhaber der Vegesacker Werft H.C. Ul-<br />

richs (später ein Teil des Bremer Vulkan) den Dampfer „Walküre“ (etwa 750 t<br />

Tragfähigkeit) bauen ließ. Ursprünglich bestand, wie mir erzählt wurde, die<br />

Absicht, dem Schiff den Namen „Vesuv“ zu geben, weil ein mit „V“ beginnender<br />

Name zur Wahl stand. Man nahm aber davon Abstand, weil der Kapitän er-<br />

klärte, „auf einem feuerspeienden Berge wolle er nicht fahren“. So entschied<br />

man sich dann für den Namen „Walküre“ und wählte für das nächste Schiff,<br />

welches der Werft von H.C. Ulrichs in Auftrag gegeben wurde, den Namen<br />

„Rheingold“.<br />

8 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Der Gründer: Johann Heinrich <strong>Vogemann</strong>. Der Nachfolger: Richard <strong>Vogemann</strong>.<br />

Die „Western Chief“ muss hauptsächlich in großer Fahrt beschäftigt<br />

gewesen sein, denn mein Vater erzählte, dass er bei Abfahrt des<br />

Schiffes von Buenos Aires ein Telegramm erhielt, lautend: „Western Chief desemboca“,<br />

welches er nicht ohne weiteres verstand, bis er herausfand, dass<br />

die Meldung besagte, dass das Schiff im Begriffe war aus der Mündung des<br />

La Plata auszulaufen.<br />

Da die Arbeiten im Zusammenhang mit der Bereederung der<br />

Schiffe sich häuften, beschloss mein Vater im Jahre 1885 das von meinem<br />

Großvater übernommene, sehr einträgliche Manufakturwarengeschäft zu<br />

verkaufen und nach Hamburg, dem Zentrum des deutschen Reedereiwesens,<br />

überzusiedeln. Anfangs befanden sich unsere Wohnung und das Kontor am<br />

Steindamm 63. Bald darauf wurde die Privatwohnung nach der Uhlandstraße<br />

und das Kontor nach der Admiralitätsstraße 8 (Ecke Heiligengeistbrücke) ver-<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 9<br />

Erstmals wird eine deutsche Werft, die<br />

Vulkan in Stettin, mit dem Bau großer<br />

Passagierdampfer betraut.<br />

1887<br />

Grundsteinlegung zum<br />

Kaiser-Wilhelm-Kanal zwischen<br />

Nord- und Ostsee<br />

.<br />

Heinrich Hertz weist<br />

elektromagnetische Wellen nach.<br />

Julius Maggi beginnt mit der<br />

Produktion von Suppenwürze.<br />

Gründung des HSV-Vorläufer-Vereins<br />

SC Germania.<br />

1888<br />

Dreikaiserjahr:<br />

Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I.<br />

besteigt sein Sohn Friedrich III.<br />

schwerkrank den Thron und stirbt<br />

noch im selben Jahr. Nachfolger wird<br />

der Enkel Wilhelm II.<br />

Zollanschluss von Hamburg und<br />

Bremen an das Deutsche Reich.


Teile des Hamburger Hafens wer-<br />

den als Freihafen eingerichtet.<br />

Durch ein neues Abkommen mit<br />

dem Sultan von Sansibar wird<br />

der deutschen Kolonie Ostafrika<br />

der Zugang zur See gesichert.<br />

Suezkanal-Konvention erklärt<br />

den 1869 eröffneten Suezkanal<br />

zum internationalen Gewässer.<br />

1889<br />

Der Reichstag nimmt das<br />

Invaliditäts- und Altersversiche-<br />

rungsgesetz an.<br />

Im Hamburger Stadtteil<br />

Eppendorf wird das Allgemeine<br />

Krankenhaus (seit 1934 Univer-<br />

sitätskrankenhaus), mit 1300<br />

Betten das größte Krankenhaus<br />

Deutschlands, eröffnet.<br />

Mit der Indienststellung<br />

des Schnelldampfers<br />

„Hohenzollern“ greift der<br />

Norddeutsche Lloyd Bremen<br />

in das Transatlantik-<br />

Geschäft ein.<br />

legt, wo es bis zum Jahre 1911 verblieb, als wir neue, modernere Büroräume<br />

im Hause Mönckebergstraße 22 bezogen.<br />

Aufnahme neuer Teilhaber. Ende der 1880er Jahre war eine<br />

schwere Krise in der Schifffahrt, und es wurde viel Geld verloren. Die Dampfer<br />

„Walküre“ und „Rheingold“, welche zu jener Zeit schon ansehnliche Fracht-<br />

dampfer gewesen sein müssen (denn sie waren die größten Schiffe, welche<br />

damals bis Bremen-Stadt die Weser hinauffahren konnten), wurden meines<br />

Wissens hauptsächlich in der Fahrt nach St. Petersburg beschäftigt. Dieser<br />

Dienst wurde zusammen mit der Firma Gerhard & Hey betrieben, welche die<br />

Dampfer „Johanna Oelssner“ und „Wilhelm Oelssner“ eingestellt hatten.<br />

An Kontorpersonal wurden von der Firma Edward Carr die Herren<br />

Johannes Gans und Carl Wohlenberg übernommen, ersterer als Prokurist,<br />

letzterer als Buchhalter. Da mein Vater der Ansicht war, dass er zur Fortführung<br />

der Firma mehr Kapital benötige, nahm er zu dieser Zeit Herrn Henry<br />

Wehner als Teilhaber auf. Dieser war in London geboren, wo sein Vater hannoverscher<br />

Generalkonsul gewesen war und fühlte sich daher als Engländer,<br />

obgleich er rein deutscher Abkunft und mit einer Deutschen, Tochter des<br />

Inhabers der Firma Uhlmann & Co., verheiratet war. Während der Prokurist,<br />

Herr Gans, welcher sich infolge seiner Tätigkeit bei der Firma Edward Carr<br />

gute Kenntnisse im Schiffsmaklergeschäft angeeignet hatte, sehr tätig und<br />

spekulativ veranlagt war, kümmerte sich Herr Wehner wenig um das Geschäft<br />

Blick auf Manhattan und den Hafen von New York. Holzstich von 1893.<br />

10 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


und reiste viel zum Vergnügen, so dass man häufig nicht wusste, wo er sich<br />

aufhielt. Andererseits hielt er mit seiner Kritik nicht zurück, wenn nicht genügend<br />

verdient oder mit Verlust gearbeitet wurde.<br />

Als die Lage in der Schifffahrt sich zusehends verschlechterte,<br />

wurden Anfang der 1890er Jahre die Dampfer „Walküre“ und ‚Rheingold“ verkauft.<br />

In Konkurrenz mit der Hapag. Vermutlich auf Veranlassung<br />

von Herrn Gans, welcher dieses Geschäft infolge seiner Tätigkeit bei der Firma<br />

Edward Carr gut kannte, wurde dann ein regelmäßiger Dienst von Hamburg<br />

nach New York, zuerst als Agent für die Knott‘s Prince Line, später mit<br />

gecharterten, meist englischen Schiffen, eingerichtet. Ein Bild des Herrn<br />

James Knott in der Tracht eines englischen Barristers hing noch lange in unserem<br />

Büro.<br />

Das Risiko dieses Dienstes in Konkurrenz mit der Hamburg-<br />

Amerika Linie war recht groß, denn es wurden Frachtkontrakte für monatliche<br />

Abfahrten abgeschlossen, während die Schiffe zum Teil erst später im Laufe<br />

des Jahres, meist auf Zeitcharter aufgenommen wurden. Die Basis der Ladung<br />

nach New York war damals Rohzucker, später auch Kalisalz. Diese Ladungen<br />

wurden sehr billig übernommen; der Verdienst lag in den höheren Raten,<br />

welche für die aus Stückgütern bestehende Beiladung erhältlich waren. Diese<br />

wurden häufig persönlich von meinem Vater abgeschlossen, indem er die<br />

Hamburger Fischmarkt.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 11<br />

1890<br />

Entlassung des Reichskanzlers<br />

Bismarck.<br />

Das Deutsche Reich gibt Sansibar<br />

an England und erhält dafür<br />

die Insel Helgoland.<br />

Nach Erlöschen des Sozialistengesetzes<br />

verzeichnet die Sozialdemokratie<br />

Erfolge bei den Reichstagswahlen.<br />

Otto Lilienthal unternimmt die<br />

ersten Flugversuche mit einem vogelähnlichen<br />

Gleitflugzeug.<br />

1891<br />

Inkrafttreten einer neuen Gewerbeordnung.<br />

Sie verbietet die Sonntagsarbeit<br />

sowie die Fabrikarbeit von<br />

Kindern unter 13 Jahren; die tägliche<br />

Arbeitszeit von Jugendlichen unter 16<br />

Jahren wird auf 10, die von Frauen auf<br />

11 Stunden begrenzt.<br />

Abbildung nächste Seite:<br />

Der Hamburger Hafen.<br />

Gemälde von Hans Bohrdt,<br />

1900.


12 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 13


Als erstes deutsches Schiff<br />

gewinnt der Hapag-Schnell-<br />

dampfer „Fürst Bismarck“ das<br />

Blaue Band auf der Strecke<br />

England-Amerika.<br />

Der Bielefelder Apotheker<br />

August Oetker legt mit der<br />

Einführung des Backpulvers<br />

„Backin“ den Grund für<br />

den Lebensmittelkonzern<br />

„Dr. Oetker“.<br />

Max Liebermann: „Bürgermeister<br />

Petersen“ (Gemälde).<br />

1892<br />

Der Reichstag nimmt das Gesetz<br />

über die „Gesellschaften mit be-<br />

schränkter Haftung“ (GmbH) an.<br />

In Hamburg wird der<br />

erste Fall von asiatischer Cholera<br />

festgestellt. An der Seuche<br />

sterben bis Mitte Oktober<br />

8500 Menschen.<br />

Emil von Behring entdeckt das<br />

Diphterieserum.<br />

Rudolf Diesel meldet das Patent<br />

auf einen Verbrennungsmotor<br />

ohne Zündkerzen an.<br />

Industriegegenden, insbesondere Thüringen, Sachsen und Böhmen bereiste<br />

und Frachtabschlüsse für Spielwaren, Steingut, Glaswaren und dergleichen<br />

für Woolworth, New York, Marshall, Field & Co., Chicago, usw. tätigte. Seine<br />

Reisen führten ihn sogar nach St. Petersburg, Moskau, Warschau, Budapest<br />

usw. Welche Ladungsmengen erforderlich waren, geht daraus hervor, dass es<br />

sich bei den gecharterten Dampfern um solche von 10–12.000 t Tragfähigkeit<br />

handelte, wie z.B. D. „Westmeath“ und D. „Knight Errant“, welche verschiedene<br />

Reisen unter unserer Zeitcharter ausführten. In New York wurde zu dieser Zeit<br />

ein ausschließlich für die <strong>Vogemann</strong> Linie verfügbarer Kaischuppen in Brook-<br />

lyn gemietet, dessen Abbildung, mit D. „Knight Errant“ längsseits liegend, bis<br />

zu den Tagen der Hamburger Katastrophe (1943) im Börsenkontor hing.<br />

Zusammenarbeit mit Grünhut. In diese Geschäftsperiode fällt<br />

auch die Gründung der Firma Max Grünhut. Sie wurde Mitte der 1890er Jahre<br />

von meinem Vater und Herrn Wehner als Speditionsgeschäft gegründet, um<br />

für die New Yorker Linie Güter heranzuschaffen. Herr Grünhut stammte aus<br />

der Firma des Schwiegervaters des Herrn Wehner, der Speditionsfirma Uhl-<br />

mann & Co. Er war fleißig und tüchtig, dabei vorsichtig und durchaus nicht<br />

spekulativ veranlagt. Während wir in Konkurrenz gegen die Hapag nach New<br />

York fuhren und die Firma Max Grünhut über die <strong>Vogemann</strong> Linie billiger als<br />

Hamburger Hafen. Vorsetzen, um 1890.<br />

14 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


andere Spediteure verladen konnte, kam Grünhut sehr schnell ins Geschäft,<br />

hauptsächlich für Güter nach Nordamerika. Sehr peinlich war es natürlich<br />

für ihn, als die <strong>Vogemann</strong> Linie, nach Abschluss des Übereinkommens mit der<br />

Hamburg-Amerika Linie (worauf ich noch später zu sprechen komme), den<br />

Dienst nach New York einstellte, und er für alle Verladungen auf die Hapag<br />

angewiesen war. Er vermochte aber sehr geschickt sich auf die neuen Verhältnisse<br />

umzustellen und war später einer der größten Kunden der Hapag für<br />

Ladungen nach Nordamerika.<br />

An der Firma Max Grünhut waren wir noch bis zum Tode des<br />

Herrn Grünhut im Jahre 1924 beteiligt und zwar mit etwa 40 % des Gewinnes,<br />

nachdem Herr Wehner sowohl aus der Firma H. <strong>Vogemann</strong> als auch aus der<br />

Firma Max Grünhut ausgeschieden war. Herr Grünhut hatte seine Anteile an<br />

die beiden Söhne seiner Wirtin, Berthold und Erich Schröder, vererbt. Mit der<br />

Familie Schröder, welche ihn „Onkel Max“ nannte, war er seit seiner Übersiedlung<br />

aus Bremen nach Hamburg sehr befreundet, besonders durch den<br />

Umstand, dass ein Los, welches er Frau Schröder zu Weihnachten schenkte,<br />

mit dem großen Gewinn von M 60.000,– herauskam. Frau Schröder verkaufte<br />

daraufhin den von ihr geleiteten Mittagstisch am Alten Wall für M 10.000,–.<br />

Dieses Geld wurde für den Ankauf eines Hauses in der Maria-Louisen-Straße<br />

verwandt, wohin die Familie Schröder mit „Onkel Max“ übersiedelte. Die beiden<br />

Söhne wurden in der Firma angestellt.<br />

Die Aufrechterhaltung des Dienstes nach New York sowie das<br />

damit verbundene Chartergeschäft, welches ein großes Risiko involvierte, war<br />

sehr aufreibend für meinen Vater und hat ihm häufig, besonders wenn Streiks<br />

und dergleichen die normale Abwicklung behinderten, große Sorgen bereitet.<br />

Ich weiß mich noch zu entsinnen, dass im Jahre 1900, während eines lang<br />

anhaltenden Streiks in Hamburg, mehrere Zeitcharter-Dampfer mit einer<br />

täglichen Miete von M 1.000,– und mehr im Hafen lagen und große Verluste<br />

verursachten.<br />

Die Vertretung in New York hatte anfangs die Firma Simpson,<br />

Spence & Young, New York, wurde aber später an Barber & Co. übertragen,<br />

bis im Jahre 1900 ein eigenes Büro in New York, 21/24 State Street, eröffnet<br />

wurde. Herr Gans, damals als Teilhaber aufgenommen, siedelte nach New<br />

York über, wo er sich bald John H. Gans nannte. Da er, wie schon gesagt, sehr<br />

spekulativ veranlagt war, genügte ihm die Abfertigung der Hamburger Dampfer<br />

nicht, und seine Transaktionen wurden immer wilder. 1901 wurde ein Büro<br />

in New Orleans, unter Leitung des von Hamburg nach New York gesandten<br />

Herrn Richard Meyer, eröffnet, ein Jahr später eine Niederlassung in Norfolk,<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 15<br />

1893<br />

In Berlin wird der „Centralverein<br />

deutscher Staatsbürger jüdischen<br />

Glaubens“ gegründet, der sich für<br />

die gesellschaftliche Gleichbehandlung<br />

der Juden in Deutschland<br />

einsetzt.<br />

Einführung der Mitteleuropäischen<br />

Zeit (MEZ) als Einheitsszeit für das<br />

gesamte Reichsgebiet.<br />

Karl May veröffentlicht den letzten<br />

seiner Winnetou-Romane.<br />

Gründung des Deutschnationalen<br />

Handlungsgehilfenverbandes<br />

(DHV) in Hamburg, der sich als<br />

Gegengewicht gegen die sozialdemokratische<br />

Agitation unter den<br />

Handlungsgehilfen (= Angestellten)<br />

versteht.<br />

1894<br />

Das nordöstliche Neuguinea<br />

wird unter deutschen Schutz<br />

gestellt.


Erste Sitzung des Reichstags im neuen<br />

von Paul Wallot errichteten Gebäude.<br />

In Paris wird der jüdische Offizier<br />

Alfred Dreyfus wegen angeblicher<br />

Spionage zu Verbannung verurteilt.<br />

Friedrich Engels gibt den dritten Band<br />

von Karl Marx‘ „Kapital“ heraus.<br />

1895<br />

In der Industrie wird die gesetzliche<br />

Sonntagsruhe für verbindlich erklärt.<br />

Einweihung des Kaiser-Wilhelm-<br />

Kanals (heute Nord-Ostsee-Kanal)<br />

nach achtjähriger Bauzeit.<br />

Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt die<br />

„X-Strahlen“ (später nach ihm<br />

Röntgenstrahlen benannt).<br />

Theodor Fontane: „Effi Briest“ (Roman).<br />

1896<br />

In Hamburg wird die erste Anlage<br />

zur Müllverbrennung in Betrieb<br />

genommen.<br />

Kaiser Wilhelm II. beglückwünscht in<br />

einem Telegramm („Krüger-Depesche“)<br />

den Präsidenten der Burenrepublik<br />

Südafrika zur erfolgreichen Abwehr<br />

eines britischen Einfalls nach Transvaal<br />

(„Jameson-Raid“).<br />

Va. unter der Leitung des Herrn Eduard Nanninga, welcher zusammen mit<br />

Herrn Gans nach New York übergesiedelt war. In diese Zeit fiel auch die Er-<br />

richtung der Filiale in Savannah, Ga. unter Leitung des Herrn Henry Nannin-<br />

ga, während später, im Jahre 1905, noch ein Büro in Texas City, unter Leitung<br />

von Herrn Lafonta, hinzukam.<br />

Ballins Angebot. Etwa im Jahre 1902 oder 1903 muss es ge-<br />

wesen sein, als die Hamburg-Amerika Linie (Herr Ballin) an meinen Vater<br />

herantrat mit dem Vorschlag, sich über die Hamburg–New York-Fahrt zu<br />

verständigen. Da es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden war,<br />

gegen die Hamburg-Amerika Linie mit ihren schnelleren Dampfern und häu-<br />

figeren Abfahrten zu konkurrieren, wurden die Verhandlungen alsbald aufge-<br />

nommen. Der Hapag, welche sich inzwischen auf ihren anderen Hauptlinien<br />

mit ihren Konkurrenten verständigt hatte, lag viel daran, einen ihrer lästigsten<br />

Konkurrenten loszuwerden, um ihre Raten nach New York erheblich heraufsetzen<br />

zu können. Es kam dann zu dem für uns sehr günstigen Abschluss,<br />

laut welchem die Hapag sich bereit erklärte, für unseren Verzicht auf die<br />

Albert Ballin, Chef der<br />

Hamburg-Amerika-Linie.<br />

Werbeplakat der<br />

Hamburg-Amerika-Linie.<br />

16 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Konkurrenz nach und von den von ihr bedienten Häfen im Nordatlantik und<br />

Golf eine monatliche Entschädigung an die Firma von M 12.000,– (wenn ich<br />

mich des Betrages recht entsinne) zu bezahlen, und zwar wurde der Vertrag<br />

für mehrere Jahre abgeschlossen, denn er war bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges<br />

1914 noch in Kraft. Außer den erwähnten Beträgen erhielt die Firma<br />

H. <strong>Vogemann</strong> noch das Recht der Beteiligung an den Verladungen des Kalisyndikates<br />

nach den südatlantischen und Golfhäfen der Vereinigten Staaten.<br />

Die Ladungen des Kalisyndikates nach diesen Häfen wurden von der Hapag<br />

übernommen und Dampfer im freien Markt dafür gechartert. Der Erlös ging<br />

zu 35 % für H. <strong>Vogemann</strong>, zu 25 % für die Hapag und zu je 20 % für Rob. M.<br />

Sloman jr. und D. Fuhrmann, Nissle & Günther Nflg. Die Charterung, Abfertigung<br />

und Beladung dieser Schiffe erfolgte zu 35 % durch H. <strong>Vogemann</strong>, die<br />

übrigen Dampfer wurden für die Hapag von Sloman und Fuhrmann abgefertigt.<br />

Dieses Geschäft war sehr einträglich für uns, denn es ergab sich bei den<br />

Charterungen nicht nur fast immer eine Frachtdifferenz zu unseren Gunsten,<br />

sondern die Beladung von 35 % der Schiffe durch unsere Stauereiabteilung,<br />

welche etwa um 1900 eingerichtet war, machte sich gut bezahlt.<br />

Der Vertrag mit der Hapag war auch insofern besonders günstig,<br />

als er uns nur Beschränkungen auf den regelmäßigen Routen der Hapag<br />

auferlegte, während wir von und nach den übrigen Atlantik- und Golfhäfen,<br />

wohin die Hapag keinen regelmäßigen Dienst unterhielt, expedieren konnten.<br />

100 Schiffe auf der Dampferliste. Nachdem der regelmäßige<br />

Dienst zwischen Hamburg und New York auf Grund des Vertrages mit der<br />

Hamburg-Amerika Linie eingestellt war, fühlte sich Herr Gans in New York<br />

veranlasst, weit größere Geschäfte von anderen Häfen nach allen Häfen Europas,<br />

z.B. nach Dänemark, Frankreich, dem Mittelmeer, dem Schwarzen Meer<br />

usw. zu machen, und zwar in solchem Umfange, dass im Jahre 1906 fast 100<br />

Schiffe auf unserer Dampferliste standen. Die zur Finanzierung benötigten<br />

Gelder beschaffte er sich durch Wechsel, welche gegen die Frachten auf die<br />

Hamburger Firma gezogen wurden. Diese Geschäfte waren im Ganzen gesehen<br />

nicht gewinnbringend und zehrten einen Teil der Entschädigung, welche die<br />

Hapag zahlte, wieder auf. In New York brachten die großen Geschäfte Herrn<br />

Gans in den Ruf eines sehr smarten Charterers, denn er machte Frachtgeschäfte,<br />

welche andere Befrachter in New York sich nicht als gewinnbringend<br />

ausrechnen konnten. Sie wussten natürlich nicht, dass er diese Geschäfte nur<br />

machen konnte, weil er im Stande war, seine Verluste durch die Zahlungen<br />

der Hapag auszugleichen.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 17<br />

Beginn des großen Hafenarbeiterstreiks<br />

in Hamburg, der sich gegen<br />

die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen<br />

im Hafen richtet.<br />

Die ersten Olympischen Spiele der<br />

Neuzeit, zurückgehend auf eine Idee<br />

des Barons Pierre de Coubertin,<br />

finden in Athen statt.<br />

1897<br />

Der Streik der Hamburger<br />

Hafenarbeiter bricht nach<br />

11 Wochen Dauer zusammen,<br />

ohne dass die Forderungen nach<br />

Lohnerhöhungen und Verbesserung<br />

der Arbeitsbedingungen erfüllt<br />

worden sind.<br />

Karl Ferdinand Braun entwickelt die<br />

„Braunsche Röhre“ (Kathodenstrahl-<br />

Leuchtschirm-Röhre).<br />

In Zusammenarbeit mit dem Erfinder<br />

Rudolf Diesel produzieren die<br />

Krupp-Werke und die Augsburger<br />

Maschinenfabrik die ersten Dieselmotoren.


Fertigstellung des Hamburger<br />

Rathauses. Wegen des sumpfigen<br />

Bodens ist der Bau auf 4000 Eichen-<br />

pfählen errichtet worden.<br />

1898<br />

Das Deutsche Reich pachtet die<br />

Halbinsel Kiautschou auf 99 Jahre<br />

vom Kaiserreich China.<br />

Die österreichische Kaiserin<br />

Elisabeth („Sissi“), eine geborene<br />

bayerische Prinzessin, wird von<br />

einem Anarchisten in Genf erstochen.<br />

1899<br />

Auf der Ersten Haager Friedenskon-<br />

ferenz, an der 26 Staaten teilneh-<br />

men, ist auch das Deutsche Reich<br />

vertreten. Die Konferenz trifft Ab-<br />

kommen zur friedlichen Erledigung<br />

internationaler Streitfälle sowie zur<br />

Einhaltung bestimmter Regeln im<br />

Land- und Seekrieg.<br />

Die Firma Friedrich Bayer & Co. in<br />

Leverkusen bringt das Schmerzmit-<br />

tel Aspirin auf den Markt.<br />

Arbeiter im Hamburger Hafen. Foto von 1899.<br />

Da sowohl mein Vater wie auch Herr Wehner diese Art der Ge-<br />

schäftsführung, welche sie noch dazu finanziell in die größte Gefahr brachte,<br />

nicht billigen konnten – sie hielten es für sinnlos, die von der Hapag erzielten<br />

Einnahmen für diese Spekulationen herzugeben –, kam es zu erheblichen<br />

Differenzen, welche schließlich dadurch beigelegt wurden, dass Herr Gans<br />

aus der Firma ausschied. Sein Austritt konnte allerdings nur erreicht werden,<br />

indem vereinbart wurde, dass die Firma aufgelöst würde, die verbleibenden<br />

Inhaber aber berechtigt waren, das Geschäft unter unveränderter Firma fortzusetzen.<br />

Wegen der durch die Charterungen des New Yorker Büros erlittenen<br />

Verluste kam man dahin überein, dass diese für alleinige Rechnung des<br />

Herrn Gans abgewickelt werden sollten. Gleichzeitig wurde bestimmt, dass<br />

Herr Gans, welcher inzwischen einen Anteil an der Firma Max Grünhut erworben<br />

hatte, aus dieser austrat.<br />

Filiale in Rotterdam. Zu den Filialengründungen, welche um<br />

die Jahrhundertwende erfolgten, ist noch die Errichtung der Rotterdamer<br />

Agentur, der <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co. zu erwähnen. Die Leitung der dortigen<br />

Firma wurde Herrn Oliemüller übertragen, welcher wohl geschäftstüchtig,<br />

18 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


aber nicht zuverlässig war. Nachdem sich die Ladungsempfänger verschiedentlich<br />

über Herrn Oliemüller beschwert hatten und wir u.a. eine anonyme<br />

Postkarte erhielten mit dem Text: „Der Olie ist ein Dieb“, wurde festgestellt,<br />

dass kleinere Partien Holz von ihm verschoben waren. Er wurde daraufhin<br />

entlassen und die Leitung Herrn van Slooten, welcher bei der Firma Wm. H.<br />

Müller & Co. tätig gewesen war, übertragen. Er leitete die Rotterdamer Filiale<br />

bis etwa 1917, als infolge des Krieges das Geschäft auf ein Minimum absank.<br />

Die <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co. hat in den Jahren ihres Bestehens, ausgenommen<br />

während des Zweiten Weltkrieges, kaum größere Gewinne erzielt, hat<br />

sich aber insofern indirekt gut bezahlt gemacht, als sie mit dazu beitrug, dass<br />

wir einige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg einen sehr günstigen Vertrag mit<br />

der Holland-Amerika Linie abschließen konnten, und später, im Jahre 1935<br />

von Thomsen‘s Havenbedrijf zum Ankauf von Schiffen Anleihen erhielten.<br />

Als wir uns im Jahre 1906 von Herrn Gans trennten, wäre es<br />

naheliegend gewesen, dass mein Bruder Heinrich die Leitung der New Yorker<br />

Firma übernommen hätte, denn er war damals 26 Jahre alt und schon zwei<br />

Jahre in New York gewesen. Da er sich aber während dieser Zeit mit Herrn<br />

Gans nicht vertragen hatte und bis zur Abwicklung im Oktober des Jahres<br />

1906 die Auseinandersetzung fürchtete, während mein Vater derselben auch<br />

aus dem Wege zu gehen versuchte, wurde beschlossen, dass ich, damals 21<br />

Jahre alt, die Leitung der New Yorker Firma mit Filiale in New Orleans übernehmen<br />

sollte.<br />

Ich schiffte mich Anfang April 1906 auf dem Lloyddampfer „Kaiser<br />

Wilhelm der Große“ nach New York ein. Mein Vater wollte einige Wochen<br />

später nachkommen, zögerte aber seine Reise bis Mitte August hin, da er<br />

wegen der bestehenden Differenzen mit Herrn Gans eine gleichzeitige Anwesenheit<br />

im selben Büro möglichst vermeiden wollte. Wegen der von Gans<br />

verursachten Verluste war, wie schon erwähnt, vereinbart worden, dass alle<br />

in Amerika getätigten Geschäfte bis zum 1. Oktober 1906 für Gans‘ Rechnung<br />

gehen sollten. Infolgedessen gehörte ihm das im Büro befindliche Inventar,<br />

während der Büroraum laut Abkommen der Firma verblieb. Um uns möglichst<br />

viele Schwierigkeiten zu bereiten, nahm er, anstatt sich eine Abfindung zahlen<br />

zu lassen, alle Büromöbel mit und wollte sogar die elektrischen Lampen<br />

abmontieren lassen, was ihm aber von der Hausverwaltung verwehrt wurde,<br />

da Beleuchtungskörper in Amerika zum Haus und nicht den Mietern gehören.<br />

Durch seine bereits fünf Jahre währende Tätigkeit in New York<br />

wie auch durch die großen Geschäfte, welche er für die Firma, wenn auch<br />

mit Verlust, getätigt hatte, hatte Gans natürlich zu allen Maklern die besten<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 19<br />

Albert Ballin übernimmt die<br />

Leitung der „Hamburg-AmerikanischenPacketfahrt-Actien-Gesellschaft“<br />

(Hapag) und baut die 1856<br />

gegründete Reederei bis 1914 zur<br />

größten der Welt aus.<br />

1900<br />

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und<br />

Handelsgesetzbuch (HGB) treten<br />

in Kraft.<br />

Beim Aufstand der Boxer, einem<br />

fremdenfeindlichen Geheimbund in<br />

China, wird der deutsche Gesandte<br />

in Peking, Klemens Freiherr von<br />

Ketteler, ermordet. Das Deutsche<br />

Reich beteiligt sich daraufhin<br />

an einer internationalen<br />

Militäraktion zur Niederschlagung<br />

des Aufstandes.<br />

Graf Ferdinand von Zeppelin<br />

unternimmt die erste Fahrt mit<br />

einem 128 m langen Starrluftschiff.<br />

Ein Streik der Hamburger<br />

Hafenarbeiter wird ohne Ergebnis<br />

abgebrochen.


1901<br />

Die „Berliner Orthographische<br />

Konferenz“, einberufen von<br />

Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz, bringt die Ver-<br />

einheitlichung der deutschen<br />

Rechtschreibung.<br />

Tod der britischen<br />

Königin Victoria.<br />

In Stockholm werden<br />

erstmals Nobelpreise<br />

verliehen.<br />

Der Passagierdampfer<br />

„Deutschland“ empfängt<br />

Telegramme aus 150 km<br />

Entfernung.<br />

Thomas Mann:<br />

„Buddenbrooks“ (Roman).<br />

1902<br />

Mehr als 30 Jahre nach<br />

dem Ende des deutsch-<br />

französischen Krieges wird der<br />

Ausnahmezustand in Elsass-<br />

Lothringen aufgehoben.<br />

Der Reichstag verabschiedet<br />

ein neues Zollgesetz, das<br />

Schutzzölle für die Landwirt-<br />

schaft verankert.<br />

Ende des Burenkrieges in<br />

Südafrika.<br />

Schiffsverkehr im Hafen von New York, 1905.<br />

Beziehungen. Er versuchte nun diese auszunutzen und mir, wo er nur konnte,<br />

das Leben schwer zu machen. So passierte es einmal, dass ich Herrn Zimmer,<br />

welcher damals bei der im gleichen Kontorhaus ansässigen Firma Howard,<br />

Houlder & Co. angestellt war, ein festes Gebot für einen Dampfer machte,<br />

welches Herr Zimmer am nächsten Tage akzeptierte. Einige Stunden später<br />

kam er aufgeregt in mein Büro und teilte mir mit, dass Herr Gans, welcher<br />

in Erfahrung gebracht hatte, dass ich auf den Dampfer geboten hatte, eine<br />

etwas höhere Offerte nach London gekabelt hatte, um zu verhindern, dass<br />

ich den Dampfer befrachtete. Das Akzept, welches die Firma Howard, Houl-<br />

der & Co. von London erhalten hatte, war die Annahme des von Gans direkt<br />

gekabelten Angebots. Um Herrn Zimmer und die Firma Howard, Houlder &<br />

Co. nicht in Ungelegenheiten zu bringen, verzichtete ich auf das Schiff und<br />

ließ Herrn Gans damit glücklich werden. Es gelang mir auch bald darauf, ein<br />

passendes Ersatzschiff zu bekommen.<br />

Geschäfte in New York und in New Orleans. In meinem New<br />

Yorker Büro hatte ich, da es nur ein Charter-Büro für unseren Dienst vom Golf<br />

war, nur einen Angestellten namens Sagell, welcher eine Zeitlang vorher im<br />

20 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Charterbrief der Reederei <strong>Vogemann</strong> von 1903.<br />

Hamburger Büro beschäftigt gewesen war. In New Orleans engagierte ich den<br />

früheren Assistenten des Herrn Meyer, Herrn George Plant, damals etwa 27<br />

Jahre alt, welcher sich als sehr tüchtig, später aber als etwas zu spekulativ<br />

erwies.<br />

Mein Vater traf dann schließlich im August 1906 in New York<br />

ein und blieb bis Ende November. Die Auseinandersetzungen mit Herrn Gans<br />

waren unerfreulichster Art. Er machte uns Schwierigkeiten, wo er nur konnte;<br />

fast das gesamte Personal, welches wir nach und nach von Hamburg nach<br />

Amerika geschickt hatten, ging zu Gans über, da es ihn für die Seele des<br />

Geschäftes hielt und gleichzeitig die Möglichkeit sah, sich selbständig zu machen.<br />

So errichtete Herr Nanninga sein eigenes Büro in Savannah, Richard<br />

Meyer die Richard Meyer-Co. in New Orleans usw. Es wurde uns damals klar,<br />

dass es ein großer Fehler gewesen war, junge Leute, welche sich untereinander<br />

kannten und private Geschäftskorrespondenz miteinander unterhielten,<br />

von Hamburg nach Amerika zu schicken.<br />

Da mein Vater, mein Bruder und ich uns darin einig waren, das<br />

Geschäft in Amerika in sehr viel kleinerem Umfange fortzusetzen, und da wir<br />

keine Absicht hatten, Charterungen von der Südatlantikküste auszuführen,<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 21<br />

In den Haushalten kommen<br />

vermehrt Elektrogeräte wie<br />

Staubsauger, Bügeleisen, Bratund<br />

Backöfen zum Einsatz.<br />

Max Liebermann: „Terrasse im<br />

Restaurant Jacob in Nienstedten<br />

an der Elbe“ (Gemälde).<br />

1903<br />

In Konstantinopel werden die<br />

letzten Verträge zum Bau der<br />

Bagdadbahn unterzeichnet.<br />

Die Konzerne Siemens, Braun<br />

und AEG gründen gemeinsam<br />

eine Gesellschaft für drahtlose<br />

Telegraphie, die Telefunken AG.<br />

Im Endspiel der zum ersten<br />

Mal ausgetragenen Deutschen<br />

Fußballmeisterschaft siegt der<br />

VFB Leipzig über den DFC Prag.<br />

Die deutsche Marine richtet<br />

ihre ersten Funkstationen<br />

zum drahtlosen Nachrichtenverkehr<br />

mit Schiffen auf hoher<br />

See ein.<br />

Orville und Wilbur Wright starten<br />

zu ihrem ersten Motorflug.


1904<br />

Ausbruch des Herero-Aufstandes<br />

in Deutsch-Südwestafrika. Die<br />

Hereros werden in der Schlacht am<br />

Waterberg besiegt und in die was-<br />

serlose Wüste abgedrängt, wo sie zu<br />

Tausenden umkommen.<br />

Beginn des russisch-japanischen<br />

Krieges mit der Beschießung von<br />

Port Arthur.<br />

1905<br />

Sieg der japanischen Flotte<br />

über die russische in der<br />

Seeschlacht von Tsushima.<br />

Die österreichische Pazifistin<br />

Bertha von Suttner erhält<br />

den Friedensnobelpreis.<br />

Richard Strauss: „Salome“ (Oper)<br />

1906<br />

Auf der Konferenz von<br />

Algeciras (Spanien) wird die Krise<br />

um Marokko beigelegt.<br />

In Köpenick bei Berlin besetzt der<br />

als Offizier verkleidete arbeitslose<br />

Schuster Wilhelm Voigt mit einem<br />

Trupp Soldaten, die er auf der<br />

Straße angeheuert hat, das Bürger-<br />

meisteramt und beschlagnahmt die<br />

Stadtkasse.<br />

trafen wir mit der Firma Strachan & Co. ein Übereinkommen dahingehend,<br />

dass wir auf das Geschäft im Südatlantik verzichteten und die Interessen von<br />

Strachan in Rotterdam und Hamburg vertraten. Dieses Abkommen wirkte<br />

sich in späteren Jahren für das Rotterdamer und Hamburger Büro, beson-<br />

ders nach dem Ersten Weltkrieg, sehr günstig aus, da Strachan‘s, obgleich<br />

kein Abkommen mehr bestand, ihre Schiffe weiter an uns konsignierten und<br />

unserer Stauereiabteilung die Entlöschung der Schiffe überließen, wodurch<br />

wir eine gute Einnahme hatten, denn wir fertigten etwa 18 bis 20 Schiffe im<br />

Laufe des Jahres ab. Soweit ich mich erinnere, trat mein Vater 1906 aus den<br />

Firmen in Hamburg, Rotterdam und Amerika aus und übertrug seine Anteile<br />

zu gleichen Anteilen auf meinen Bruder und mich.<br />

Eine Linie mit eigenen Schiffen? Zwar waren in den Jahren<br />

1906–1908, als ich das Büro in New York mit Filiale in New Orleans leitete,<br />

keine Verluste entstanden und die Unkosten verdient worden, ich kam aber<br />

doch zu der Überzeugung, dass es zu kostspielig war, für die Expeditionen,<br />

welche wir vom Golf ausführten, ein besonderes Charterbüro in New York zu<br />

unterhalten. Außerdem erschien mir die Aufrechterhaltung von regelmäßigen<br />

Abfahrten mit nur gecharterten Schiffen als zu nervenaufreibend, denn<br />

häufig mussten bei anziehendem Frachtenmarkt im letzten Augenblick, um<br />

den Verladeverpflichtungen nachzukommen, Schiffe aufgenommen werden,<br />

welche sich für die besondere Ladung, Deckfracht usw. nicht eigneten. Ich<br />

neigte daher dazu, wieder eine Linie mit eigenen Schiffen zu betreiben. Um<br />

dieses zu besprechen, fuhr ich Anfang des Jahres 1908 nach Hamburg und<br />

übergab meinem Angestellten, Herrn Sagell, für die kurze Zeit meiner Abwesenheit<br />

die Führung des New Yorker Büros. Dieser hatte nichts Eiligeres zu<br />

tun, als sich von Herrn Gans engagieren zu lassen, bedachte allerdings nicht,<br />

dass dies nicht seinetwegen geschah, sondern nur, um mir Schwierigkeiten<br />

zu bereiten.<br />

Obgleich mein Bruder das New Yorker Büro, aus mir unverständlichen<br />

Gründen, nicht aufgeben wollte, und sich auch bezüglich des<br />

Erwerbs eines Dampfers sehr passiv verhielt, setzte ich es doch durch, dass<br />

auf meine Vorstellungen, die Charterungen der von New Orleans zu expedierenden<br />

Dampfer könnten ebenso gut von Hamburg vorgenommen werden,<br />

das New Yorker Büro aufgegeben wurde. Ich kehrte dann im Juli 1908,<br />

nachdem ich die laufenden Sachen abgewickelt hatte von New York nach<br />

Hamburg zurück, und überließ den Kontorraum unserer Firma Max Grünhut,<br />

deren Geschäftsleiter Herrn Freund mit Herrn Berthold Schröder ich 1906<br />

22 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


zur Verbilligung der gemeinsamen Unkosten in mein Kontor aufgenommen<br />

hatte. Nach meiner Rückkehr nach Hamburg schlug ich meinem Bruder eine<br />

Arbeitsteilung dahingehend vor, dass ich hauptsächlich das amerikanische,<br />

er das europäische Geschäft bearbeiten solle. Mein Bruder wollte sich jedoch<br />

hierauf nicht einlassen, da er immer befürchtete irgendwie zu kurz zu<br />

kommen. Wir machten daher alles gemeinsam. Dadurch, dass wir zusammen<br />

wohnten und abends eintreffende Kabel, welche sofort beantwortet werden<br />

mussten, besprechen und erledigen konnten, ließ sich die gemeinsame Tätigkeit<br />

auch einigermaßen aufrecht erhalten, besonders, da mein Bruder zu<br />

dieser Zeit noch ziemlich pünktlich im Geschäft erschien.<br />

Der erste Neubau. Mochten die Zeiten (1907–1909) für die Reedereien<br />

denkbar schlecht sein, und mein Vater, nachdem er nach Ausscheiden<br />

des Herrn Gans die aus dem Vertrag mit der Hapag erzielten Einnahmen voll<br />

einkassiert hatte, Bedenken tragen, dieses Geld in einem Dampferneubau anzulegen<br />

– gleichwohl setzte ich es unter Tränen durch, dass wir schließlich<br />

Anfang des Jahres 1909 mit der Werft Wm. Doxford & Sons, Sunderland, einen<br />

Neubau von 6.250 t Tragfähigkeit kontrahierten, und zwar zu dem außeror-<br />

Dampfer „Vogesen“. Gemälde von 1949 nach einer fotografischen Vorlage.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 23<br />

San Francisco wird durch ein<br />

Erdbeben zerstört.<br />

Enthüllung des Bismarck-Denkmals<br />

von Hugo Lederer in Hamburg.<br />

1907<br />

Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg<br />

gelingt es der SPD, die Zahl ihrer<br />

Mandate zu verdoppeln.<br />

Gründung des Deutschen Werkbundes<br />

in München, der sich zum Ziel setzt,<br />

die handwerkliche Arbeit zu veredeln<br />

und mit der Kunst und der Industrie zu<br />

verbinden.<br />

Carl Hagenbeck gründet in<br />

Hamburg-Stellingen den<br />

ersten Tierpark mit<br />

Freigehege.<br />

1908<br />

Kolonialtruppen unter<br />

Hauptmann Erckert stürmen die<br />

letzte von aufständischen<br />

Hottentotten in Deutsch-<br />

Südwestafrika gehaltene Stellung.<br />

Der Reichstag nimmt eine Novelle<br />

zum Flottengesetz an, die bedeutende<br />

Ausgabensteigerungen vorsieht.


Österreich-Ungarn annektiert<br />

Bosnien und die Herzegowina und<br />

beschwört damit eine internationale<br />

Krise herauf.<br />

In Detroit beginnt Henry Ford mit<br />

der Fließbandproduktion von Autos.<br />

1909<br />

Die Deutsche Reichspost führt den<br />

bargeldlosen Zahlungsverkehr mit<br />

Postschecks ein.<br />

In Berlin wird auf einer 150 m lan-<br />

gen Bahn aus Holz das erste Sechs-<br />

tagerennen der Welt veranstaltet.<br />

Louis Blériot überquert den Ärmel-<br />

kanal in einem Flugzeug.<br />

1910<br />

Die Wiederkehr des Halleyschen<br />

Kometen regt Weltuntergangs-<br />

phantasien an.<br />

Mit dem Einlaufen französischer<br />

Kriegsschiffe in den marokkani-<br />

schen Hafen Agadir beginnt die<br />

zweite Marokkokrise.<br />

dentlich billigen Preise von $ 5 per ton d.w. = $ 32.000,–. Dieser Betrag war<br />

bei Ablieferung zu bezahlen. Wir überwiesen aber bereits während des Baus<br />

laufend Anzahlungen, da wir auf solche Beträge 5 % Zinsen p.a. abziehen<br />

konnten. Eine Hypothek wurde nicht aufgenommen, der gesamte Kaufpreis<br />

vielmehr aus eigenen Mitteln bezahlt. Dies war sehr wichtig, denn in An-<br />

betracht der schlechten Zeiten musste man immerhin damit rechnen, dass<br />

das Schiff würde aufliegen müssen, in welchem Falle Zinsverpflichtungen auf<br />

Hypotheken sehr unangenehm gewesen wären.<br />

Das Anfang 1909 in Auftrag gegebene Schiff, welches den Na-<br />

men „Vogesen“ erhielt, wurde im März auf Stapel gelegt und bereits Anfang<br />

Oktober desselben Jahres abgeliefert. Die Frachten waren zu dieser Zeit noch<br />

sehr niedrig; immerhin erzielten die ersten Reisen einen, wenn auch nur ge-<br />

ringen Überschuss, weil das Schiff besonders für die Holzfahrt gebaut war<br />

und daher eine wesentlich größere Deckladung nehmen konnte als andere<br />

gecharterte Dampfer der gleichen Größe. Im Jahre 1911 besserten sich dann<br />

die allgemeinen Frachtraten langsam, während sie in den Jahren 1912–1914<br />

recht gut waren, so dass sehr gute Überschüsse erzielt wurden und der Dampfer<br />

bei Kriegsausbruch sehr niedrig (soweit erinnerlich mit etwa M 300.000,–)<br />

zu Buch stand. Unsere finanzielle Lage hatte sich in diesen Jahren sowohl dadurch,<br />

dass die Einnahmen durch die Hapag und die Holland-Amerika Linie<br />

(siehe unten) nicht durch fehlerhafte Spekulationen wieder verloren gingen,<br />

wie auch durch die guten Resultate des Dampfers „Vogesen“ sehr verbessert,<br />

so dass die Firma bei Kriegsausbruch außer dem schuldenfreien Dampfer<br />

„Vogesen“ noch über mehr als M 1.000.000,– an in- und ausländischen Wertpapieren<br />

sowie über genügend flüssiges Kapital verfügte.<br />

Da Dampfer „Vogesen“ ein sehr günstiges Resultat aufwies, hatte<br />

mein Vater allmählich wieder Vertrauen zur Reederei gewonnen, auch war<br />

mein Bruder nun hell begeistert, so dass wir im Jahre 1912 gemeinsam den<br />

Entschluss fassten, einen zweiten Dampfer bei Doxford‘s in Auftrag zu geben.<br />

Wir knüpften allerdings die Bedingung daran, dass Doxford‘s, welche<br />

für die Firma Heyne & Hessenmüller drei Turret-Schiffe gebaut und infolge<br />

der Zahlungsunfähigkeit dieser Firma die Schiffe hatten übernehmen müssen,<br />

uns die Bereederung dieser Dampfer, welche zeitweilig dem Reeder Heinrich<br />

Schmidt übertragen war, übergeben sollten, wenn wir ein neues Schiff bei<br />

ihnen bestellten. Doxford‘s konnten sich aber hierzu nicht entschließen, und<br />

so wurden die Verhandlungen dann fallen gelassen. Infolge Ausbruch des<br />

Weltkrieges kam es dann nicht mehr zur Vergebung eines zweiten Neubauauftrages.<br />

24 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Auseinandersetzungen mit den Teilhabern. Für die Jahre<br />

1906–1908 ist noch nachzutragen, dass Herr Wehner, welcher Teilhaber der<br />

Hamburger Firma geblieben war, etwa 1907 oder 1908 austrat, nachdem in<br />

diesem Jahre in der Hamburger Firma ein kleiner Verlust entstanden war.<br />

Da er wenig Interesse am Geschäft hatte und nur Geld verdienen wollte, beschleunigten<br />

wir seinen Austritt dadurch, dass wir uns bereit erklärten, ihm<br />

seinen Anteil an den noch zu erwartenden Zahlungen der Hapag zu bevorschussen.<br />

Wir waren über seinen Austritt sehr froh, da er, wie schon erwähnt,<br />

nicht arbeitete, dafür aber um so mehr kritisierte. Die beiden Teilhaber meines<br />

Vaters hatten sich überhaupt als sehr unerfreulich erwiesen: Herr Wehner<br />

tat nichts und war unzufrieden, wenn nicht gut verdient wurde, Herr Gans war<br />

fleißig und geschäftstüchtig, ließ sich aber von seinen wilden Spekulationen<br />

nicht zurückhalten und brachte unser Vermögen dadurch in die größte Gefahr.<br />

Mein Bruder und ich waren uns deshalb in diesem Punkt vollkommen einig,<br />

unter keinen Umständen Teilhaber wieder aufzunehmen. Leider habe ich mit<br />

meinem Bruder nachher ähnliche Erfahrungen machen müssen wie mein Vater<br />

mit Herrn Wehner.<br />

Kurze Zeit nach Austritt der Teilhaber – ich glaube es war im<br />

Jahre 1910 – gelang es uns noch, mit der Holland-Amerika Linie, welche unsere<br />

Konkurrenz von New Orleans nach Rotterdam ausschalten wollte, ein<br />

sehr günstiges Abkommen zu treffen. Nachdem wir einige Zeit auf dieser<br />

Schauerleute mit Reissäcken im Hamburger Hafen. Foto von 1889.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 25<br />

Nach dem Sieg des Farbigen<br />

Jack Johnson über den<br />

Weißen Jeff Jeffries in einem<br />

Box-Weltmeisterschaftskampf<br />

kommt es zu Ausschreitungen<br />

in den USA.<br />

Gründung des Fußballvereins<br />

FC St. Pauli.<br />

1911<br />

Gründung der Kaiser-Wilhelm-<br />

Gesellschaft zur Förderung der<br />

Naturwissenschaften in Berlin<br />

(heute Max-Planck-Gesellschaft).<br />

Durch Entsendung des Kanonenbootes<br />

„Panther“ nach Agadir<br />

macht die Reichsregierung die<br />

Marokkokrise zu einer internationalen<br />

Streitfrage.<br />

Verabschiedung der Reichsversicherungsordnung<br />

(RVO) mit<br />

Zusammenfassung der gesetzlichen<br />

Krankheits-, Unfall- und<br />

Invalidenversicherung.<br />

Nach vierjähriger Bauzeit wird<br />

in Hamburg der 448 m lange<br />

Tunnel unter der Elbe eröffnet.<br />

Erste Ausstellung der Münchener<br />

expressionistischen Künstlervereinigung<br />

„Blauer Reiter“.


1912<br />

Bei den Reichstagswahlen gibt es einen<br />

Erdrutschsieg für die Sozialdemokraten.<br />

Sie erringen 110 Mandate<br />

(von 397). Das bisher führende Zentrum<br />

erhält 91 Mandate.<br />

Wissenschaftler der Deutschen<br />

Orientgesellschaft finden in einer<br />

Bildhauerwerkstatt in Amarna<br />

(Ägypten) die Porträtbüste der<br />

Pharaonin Nofretete (16. Jh. v.Chr.)<br />

Alexander Behm entwickelt das Echolot.<br />

1913<br />

Der Passagierdampfer „Imperator“ der<br />

Hamburg-Amerika-Linie, das größte<br />

Schiff der damaligen Welt, läuft aus<br />

Cuxhaven zu seiner Jungfernfahrt aus.<br />

Fertigstellung der Rendsburger Hoch-<br />

brücke über den Kaiser-Wilhelm-Kanal,<br />

der längsten Eisenbahnbrücke (2,4 km)<br />

Deutschlands.<br />

Fritz Haber und Carl Bosch gelingt die<br />

Hochdruck-Ammoniak-Synthese.<br />

Friedrich Bergius entwickelt ein Verfah-<br />

ren zur Verflüssigung von Kohle.<br />

Franz Marc: „Der Turm der<br />

blauen Pferde“ (Gemälde).<br />

1914<br />

Tödliches Attentat auf den Erzherzog<br />

Franz Ferdinand und seine Gemahlin in<br />

Sarajevo durch serbische Nationalisten.<br />

Route in Konkurrenz gefahren waren, wurde mit der Direktion in Rotterdam<br />

(Herrn Reuchlin) ein Übereinkommen getroffen, dahingehend, dass die von<br />

uns expedierten monatlichen Dampfer für Rechnung der Holland-Amerika<br />

Linie gechartert werden sollten, während die Schiffe in New Orleans von<br />

uns, damals <strong>Vogemann</strong>‘s Shipping Co., und in Rotterdam von der <strong>Vogemann</strong>‘s<br />

Transport Co. gegen festgesetzte Kommissionen abzufertigen waren. Für den<br />

Fall, dass Expeditionen ausfielen, zahlte die Holland-Amerika Linie für jede<br />

monatlich ausgefallene Expedition $ 1.000,– an die Firma in New Orleans<br />

und Hfl. 1.000,– an die Firma in Rotterdam. Nachdem einige Expeditionen<br />

ausgeführt waren, zog es die Holland- Amerika Linie vor, die Expeditionen<br />

ausfallen zu lassen und monatlich $ 1.000,– und Hfl. 1.000,– zu zahlen, wodurch<br />

beide Büros, ohne Arbeit zu leisten, eine gute Einnahme hatten. Dieser<br />

Vertrag lief bis zum Jahre 1916, wurde dann aber infolge des Krieges nicht<br />

erneuert, da sich die Verhältnisse geändert hatten.<br />

Der Verzicht auf die New Orleans–Rotterdam-Fahrt war für uns<br />

insofern leicht zu verschmerzen, als wir für unseren Dampfer „Vogesen“ und<br />

gecharterte Schiffe in der Holzfahrt von den übrigen Golfhäfen, und zwar<br />

Pensacola, Mobile, Gulfport, Beaumont, Galveston usw. gute Beschäftigung<br />

fanden, so dass unser Geschäft durch den Vertrag mit der Holland-Amerika<br />

Linie keineswegs brachgelegt war.<br />

Schwindelunternehmen Lemore & Co. Nachdem der Weltkrieg<br />

ausgebrochen war, gelang es meinem Bruder, welcher von panischer Angst<br />

ergriffen war, er könnte eingezogen werden, die Erlaubnis zu erhalten, nach<br />

Amerika zu reisen. Er hatte dort insofern noch einige Schwierigkeiten, als die<br />

Gläubiger der Firma A. Lemore & Co., für welche die <strong>Vogemann</strong>‘s Shipping<br />

Co., New Orleans, vor dem Kriege gutgläubig im Voraus Konnossemente gezeichnet<br />

hatte, versuchten, ihre Forderungen gegen ihn geltend zu machen.<br />

Die Firma A. Lemore & Co., von welcher wir vor dem Kriege ganze Dampferladungen<br />

mit Fassdauben von New Orleans nach Bordeaux und Sète zu<br />

guten Raten übernahmen und auf deren Wunsch Konnossemente zeichneten,<br />

bevor die Ware, die auf deren Lager in New Orleans lag, tatsächlich in unserem<br />

Gewahrsam war, erwies sich als ein Schwindelunternehmen, als der<br />

Empfänger in Bordeaux, Herr Gairard von Gairard Fils, plötzlich starb. Der<br />

Zusammenbruch dieses Unternehmens war für uns um so überraschender,<br />

als es äußerst solide erschien. Die Inhaber, Lemore und Carriere, lebten in<br />

New Orleans sehr sparsam und mit wenig Aufwand, obgleich sie sehr große<br />

Geschäfte machten. Man hatte daher den Eindruck, dass es sich um sehr<br />

26 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


solide Geschäftsleute handle, welche noch dazu mit einem großen Fassdaubenkonzern<br />

in Frankreich, den alteingesessenen Firmen Gairard Fils, Petit<br />

und Gaffinel arbeiteten, aus welchem Grunde Herr Plant vielleicht etwas zu<br />

leichtsinnig mit den Konnossementen umgegangen war.<br />

Als Gairard starb und die Bank-Transaktionen auf Grund der<br />

von uns ausgehändigten Konnossemente sich als schwindelhaft erwiesen,<br />

fehlte die Ware für eine Anzahl Konnossemente, für die wir naturgemäß verantwortlich<br />

gehalten wurden. Dieses ereignete sich im Jahre 1913. Mein Vater<br />

und ich fuhren gemeinsam nach Bordeaux und zahlten, soweit mir erinnerlich,<br />

an Petit und Gaffinel insgesamt Frs. 120.000,¬–, einen Betrag, welcher<br />

damals etwa M 96.000,– entsprach. Es war ein unangenehmer Verlust; in<br />

Anbetracht der guten Resultate, welche wir sowohl mit Dampfer „Vogesen“<br />

als auch durch die Verladungen mit Lemore erzielt hatten, konnten wir ihn<br />

aber verschmerzen. Die ganze Angelegenheit war besonders peinlich für uns,<br />

weil die durch den Konkurs Lemore Geschädigten vermuteten, dass wir durch<br />

Ausstellen der Konnossemente an dem Schwindel beteiligt waren, während<br />

wir tatsächlich selbst düpiert worden waren. Um nicht persönlich von den<br />

noch nicht befriedigten amerikanischen Gläubigern der Firma A. Lemore &<br />

Co. gerichtlich belangt zu werden, verließ mein Bruder während des Krieges<br />

New Orleans und siedelte zuerst nach Philadelphia, dann nach New York über,<br />

denn ihm konnte nur im Staate Louisiana eine Klage zugestellt werden.<br />

Einwanderer im Hafen von New York, um 1910.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 27<br />

International werden starke Spannungen<br />

ausgelöst. Sie steigern sich zur „Juli-<br />

Krise“ und führen zum Ersten Weltkrieg.<br />

Bewilligung der Kriegskredite<br />

durch die deutsche Sozialdemokratie.<br />

Schlacht an der Marne, der deutsche<br />

Vormarsch kommt zum Stehen.<br />

Großbritannien erklärt die Nordsee zum<br />

Kriegsgebiet und verhängt eine Wirtschaftsblockade<br />

gegen das<br />

Deutsche Reich.<br />

1915<br />

Italien tritt an der Seite der<br />

Alliierten in den Krieg ein.<br />

Einsatz von Giftgas gegen die<br />

alliierten Truppen bei Ypern.<br />

Bei der Torpedierung des britischen<br />

Passagierdampfers „Lusitania“<br />

kommen 120 US-Bürger ums Leben.<br />

Untergang des Kreuzers<br />

„Blücher“ im Seegefecht an<br />

der Doggerbank.<br />

1916<br />

Verlustreiche Schlachten bei Verdun und<br />

an der Somme.<br />

Beginn des verschärften U-Boot-Kriegs:<br />

Mit Geschützen bestückte Handelsschiffe<br />

werden wie feindliche Kriegsschiffe<br />

behandelt.


Im Sykes-Picot-Abkommen<br />

verständigen sich Großbritannien und<br />

Frankreich über die Aufteilung des<br />

Osmanischen Reichs.<br />

Seeschlacht vor dem Skagerrak<br />

zwischen der englischen und der<br />

deutschen Hochseeflotte<br />

1917<br />

Beginn des uneingeschränkten<br />

U-Boot-Kriegs in den Sperrgebieten<br />

um Großbritannien und im Mittelmeer.<br />

Kriegseintritt der USA.<br />

Abdankung des russischen Zaren<br />

Nikolaus II. Bildung einer bürgerlichen<br />

Regierung. Sieg der bolschewistischen<br />

Revolution in Russland.<br />

Gründung der Universum Film AG<br />

(Ufa) in Berlin als Propaganda-<br />

Instrument der Obersten Heeresleitung.<br />

1918<br />

Der amerikanische Präsident Woodrow<br />

Wilson legt sein 14-Punkte-Programm<br />

für eine Welt-Friedensordnung vor.<br />

Unterzeichnung des Friedens von<br />

Brest-Litowsk: Russland verliert über<br />

25 Prozent seiner Bevölkerung und<br />

27 Prozent seines wirtschaftlich<br />

nutzbaren Bodens.<br />

Die deutsche Frühjahrsoffensive an der<br />

Westfront bleibt nach Anfangserfolgen<br />

stecken.<br />

Eine Anlage fonds à perdu. Bis zum Eintritt der Vereinigten<br />

Staaten in den Krieg arbeitete das Büro in New Orleans sehr zufriedenstel-<br />

lend, und zwar erwies sich als besonders rentabel die Vertretung der Nor-<br />

way-Mexico Gulf Line und der Swedish America-Mexico Line, welche ihre<br />

Abfahrten sehr viel häufiger gestalteten, da viele Ladungen am Anfang des<br />

Krieges über Norwegen und Schweden nach Deutschland weiter gingen. Die<br />

Norway-Mexico Gulf Line war etwa im Jahre 1909/1910 von Kapitän Bryde in<br />

Oslo (damals Christiania) gegründet worden. Auf Veranlassung von Herrn<br />

Plant bewarben wir uns damals um die Agentur in New Orleans, welche uns<br />

übertragen wurde unter der Bedingung, dass wir Kr. 5.000,– in Aktien übernahmen.<br />

Mein Vater sagte damals – und ich stimmte mit ihm darin überein<br />

–, dass man diese Anlage wohl als fonds à perdu betrachten müsse, da sie<br />

vermutlich keine Dividende abwerfen würde. Später habe ich aber nach dem<br />

Weltkriege diese Aktien mit Kr. 40.000,– verkauft und bekam noch obendrein<br />

30 % Dividende ausbezahlt. Da die Mark inzwischen durch die Inflation entwertet<br />

war, kam uns dieses Geld sehr zustatten, um damit Devisenverpflichtungen<br />

abzudecken.<br />

Die Büros in Hamburg und Rotterdam lagen während des Ersten<br />

Weltkrieges brach. Bis zu meiner Einberufung im Juni 1915 versuchte ich<br />

noch Geschäfte zu machen, so u.a. mit der Firma Weber & Schaer für den<br />

Transport von Rohgummi von Para nach Hamburg. Es kam aber nicht mehr<br />

zum Abschluss, da die Versicherung nicht mehr gedeckt werden konnte.<br />

Beim Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg wurde das<br />

Büro in New Orleans geschlossen und Herr Plant sicherte sich die Agenturen<br />

der Norway-Mexico Gulf Line und der Swedish America-Mexico Line, indem<br />

er sich unter der Firma Trosdal, Plant & Lafonta etablierte. Das mit großer<br />

Mühe und viel Arbeit aufgebaute Geschäft in New Orleans (seit 1911 hatten<br />

wir noch die Agentur von Armement Adolf Deppe mit regelmäßigen Abfahrten<br />

von New Orleans nach Antwerpen, wozu ich den Inhaber, Herrn Scheidt,<br />

veranlasst hatte) hatte damit sein Ende gefunden, und unser Dampfer „Vogesen“<br />

wurde in Pensacola, wo er seit Kriegsausbruch lag, beschlagnahmt.<br />

Bei Beendigung des Krieges im November 1918 war die Lage für<br />

uns trostlos: Geschäft und Werte in New Orleans sowie Dampfer „Vogesen“<br />

beschlagnahmt, die Mark entwertet, die ausländischen Wertpapiere an die<br />

deutsche Regierung abgeliefert. An eine Weiterführung der Geschäfte wie vor<br />

dem Krieg war vorderhand nicht zu denken. Die Lage besserte sich aber bald<br />

insofern, als die für die Regierung ankommenden Schiffe unter die Schiffsmakler<br />

im Turnus verteilt wurden.<br />

28 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Die nach dem Ersten Weltkrieg abgelieferte „Vogesen“ als USS „Quincy“ in<br />

einem amerikanischen Hafen.<br />

Die Herren Landau und Ainsworth. Mein Bruder war bei Kriegsende<br />

noch in New York und hatte dort Gelegenheit, sich für die Hamburger<br />

und Rotterdamer Firma um Agenturen zu bewerben, womit er sich auch große<br />

Mühe gab. Es gelang ihm auch, von der Pacat Steamship Corporation, welche<br />

mit Dampfern des Shipping Board einen regelmäßigen Dienst von New York<br />

eröffnen sollte, die Agenturen für Hamburg und Rotterdam zu erhalten. Die<br />

Inhaber dieser Gesellschaft waren ein aus Wien stammender amerikanischer<br />

Jude namens Landau und sein Sohn Kurt Landau sowie Mr. Ainsworth. Diese<br />

Herren waren im Kriege schnell reich geworden und machten alle möglichen<br />

Geschäfte, hatten aber von der Schifffahrt nicht viel Ahnung. Sie waren<br />

daher, insbesondere Mr. Ainsworth, in Bezug auf die Maklergebühren sehr<br />

liberal, auf meine Frage an Herrn Ainsworth, welche Agenturkommission er<br />

bewilligen würde, antwortete er: „We pay $ 500,– for full cargoes, $ 250,– for<br />

part cargoes“, was unter Berücksichtigung der damals bereits eingetretenen<br />

Markentwertung eine geradezu phantastische Bezahlung war. Ein Schuppen<br />

der Hapag wurde durch unsere Vermittlung gemietet und auf demselben ein<br />

großes Plakat mit dem Namen Pacat Steamship Corporation angebracht.<br />

Herr Ainsworth war ein typischer amerikanischer Geschäftsmann,<br />

der kein Blatt vor den Mund nahm und sich stets zu helfen wusste.<br />

So kaufte er sich, als die Eisenbahner streikten, kurzerhand ein Auto, um<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 29<br />

Österreich scheidet aus dem Krieg aus.<br />

Waffenstillstand von Compiègne<br />

beendet den Krieg im Westen.<br />

Aus dem Matrosenaufstand in Kiel<br />

entwickelt sich eine Revolution in<br />

Deutschland. Arbeiter- und Soldatenräte<br />

übernehmen kurzzeitig die Macht.<br />

Kaiser Wilhelm II. dankt ab und geht<br />

ins Exil nach Holland.<br />

Friedrich Ebert (SPD) wird<br />

Reichskanzler.<br />

Ausrufung der Republik.<br />

1919<br />

In Deutschland werden sozialistische<br />

Aufstände von Regierungstruppen und<br />

Freikorps niedergeschlagen.<br />

Bei den Wahlen zur Verfassunggebenden<br />

Nationalversammlung erringt die<br />

SPD die meisten Stimmen.<br />

Friedrich Ebert wird Reichspräsident.<br />

Unterzeichnung des<br />

Friedensvertrags durch das<br />

Deutsche Reich im Spiegelsaal<br />

von Versailles:<br />

Deutschland muss die alleinige<br />

Kriegsschuld anerkennen und unter<br />

anderem seine Kolonien und<br />

große Teile seiner Handelsflotte<br />

abtreten sowie hohe<br />

Reparationen zahlen.<br />

Walter Gropius gründet das<br />

Kunstinstitut Bauhaus in Weimar.


1920<br />

Die internationale<br />

Reparationskommission nimmt<br />

ihre Arbeit auf.<br />

Adolf Hitler verkündet auf einer<br />

Veranstaltung in München das<br />

25-Punkte-Programm der DAP,<br />

die sich wenig später in Nationalso-<br />

zialistische Deutsche Arbeiterpartei<br />

(NSDAP) umbenennt.<br />

Kapp-Lüttwitz-Putsch gegen die<br />

Reichsregierung bricht nach wenigen<br />

Tagen zusammen.<br />

Ernst Jünger: „In Stahlgewittern“<br />

(Kriegserlebnisbuch).<br />

Robert Wiene: „Das Cabinet des<br />

Dr. Caligari“ (Film).<br />

1921<br />

Die deutschen Reparationszahlungen<br />

werden auf 226 Milliarden<br />

Goldmark festgelegt, zahlbar<br />

innerhalb von 42 Jahren.<br />

Gründung der Deutschen<br />

Luftpost GmbH zur Beförderung von<br />

Personen und Post.<br />

Dramatischer Kursverfall der<br />

deutschen Mark an der Frankfurter<br />

Börse. Beginn der Inflation.<br />

Nach Volksabstimmungen<br />

kommen Teile Oberschlesiens an Polen.<br />

Hugo von Hofmannsthal:<br />

„Der Schwierige“ (Lustspiel)<br />

damit nach Kopenhagen zu fahren. Als er auf verschiedene Kabel, welche er<br />

an seine Teilhaber nach New York gesandt hatte, keine prompte Antwort er-<br />

hielt, beauftragte er mich, ein Telegramm nach New York in offener Sprache<br />

zu senden, welches wie folgt begann: „Why in the hell don‘t you answer my<br />

cables you are making a damned fool of me“ usw. Ich musste ihn im Hotel<br />

meistens gegen Mittag abholen. Er empfing mich dann im Bademantel und<br />

machte seine Geschäftsbesuche gegen 1 Uhr, wenn die meisten Inhaber zu<br />

Tisch gegangen waren oder sich an der Börse aufhielten. Die Expeditionen<br />

der Pacat Steamship Corporation wurden noch bis etwa 1922 fortgesetzt; das<br />

Geschäft schlief dann aber langsam ein, weil die Gesellschaft in finanzielle<br />

Schwierigkeiten geriet.<br />

Zu dieser Zeit gelang es uns noch, die Agentur der New York<br />

& Argentine Steamship Co. zu erhalten, welche einen Dienst von Hamburg<br />

nach Buenos Aires einrichtete. Auch dieser Dienst wurde mit Shipping Board-<br />

Dampfern betrieben, aber nach etwa einem Jahr wieder eingestellt, weil die<br />

Schiffe anderweitige Verwendung finden mussten.<br />

Ein weiterer Lichtblick war für uns, dass ein Holländer, Herr<br />

Goedhart, welcher früher in Hamburg tätig gewesen war und meinen Bruder<br />

gut kannte, uns vorschlug, mit den drei Dampfern der Bothnia Linie (C. Goudriaan)<br />

Rotterdam einen Dienst von New Orleans nach Rotterdam einzurichten<br />

und eine gemeinsame Agentur in New Orleans zu eröffnen. Da wir hierdurch<br />

die Möglichkeit sahen, unser seit 1901 bestehendes Büro in New Orleans wieder<br />

zu betreiben, willigten wir ein, die Agentur daselbst unter der Bezeichnung<br />

<strong>Vogemann</strong>, Goudriaan Co. Inc. zu errichten und Herrn Goudriaan mit 50<br />

% an dem $ 10.000,– betragenden Kapital und am Gewinn zu beteiligen. Mein<br />

Bruder hatte gleichzeitig mit Herrn Nihlen von der Continentalen Reederei<br />

gesprochen, um ihn zu veranlassen, seine Dampfer in die Fahrt New Orleans –<br />

Hamburg einzustellen, welchen Vorschlag dieser annahm.<br />

Abenteuer am Grasbrook. Ich begab mich daher im Jahre 1921<br />

nach New Orleans und schiffte mich dazu auf dem Dampfer „Manchuria“ der<br />

Atlantic Transport Line in Hamburg ein, da die deutschen Linien noch nicht<br />

wieder in Betrieb waren. Die Passagiere wurden von den Passagierhallen am<br />

Grasbrook nach dem Kaischuppen der Hapag übergesetzt und mussten dort<br />

über einen langen Laufsteg an Bord gehen. Da wir wegen der gleichzeitigen<br />

Fahrkartenkontrolle lange warten mussten, stellte ich meinen Handkoffer auf<br />

dem Laufsteg ab. Der Koffer kippte über und fiel genau zwischen Kaimauer<br />

und Schiff ins Wasser. Er enthielt meine sämtlichen Papiere, Vollmachten für<br />

30 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Passagierhallen der Hamburg-Amerika-Linie am Grasbrook.<br />

die Errichtung der <strong>Vogemann</strong>, Goudriaan Co. usw., und ich hätte bei Verlust<br />

desselben meine Reise aufgeben müssen. Gottlob gelang es, den Koffer, welcher<br />

nicht sofort unterging, mit einem Peekhaken aufzufischen. Die Papiere<br />

waren nur wenig beschädigt, und so konnte ich denn meine Reise antreten. In<br />

New York angekommen, wunderte ich mich, dass der Name <strong>Vogemann</strong> trotz<br />

Krieg und Aufgabe unseres New Yorker Büros bei den Telegraphengesellschaften<br />

noch bekannt war.<br />

Ich fuhr sofort nach New Orleans weiter und besuchte dort<br />

den von früher her mir bekannten Herrn Dumont, Leiter der Standard Export<br />

Lumber Co., mit welchem wir vor dem Kriege große Geschäfte gemacht<br />

hatten. Er empfahl mir als Geschäftsleiter Herrn George Simno, welchen ich<br />

dann auch engagierte. Als Buchhalter stellte ich meinen Vetter Carl Ulrichs,<br />

der schon früher bei uns tätig gewesen war, wieder ein und mietete ein Kontor<br />

im Perrin Building (später Baronne Building).<br />

Das Geschäft ließ sich gut an, denn auf die Frachten, welche<br />

noch verhältnismäßig hoch waren, erhielten wir 4 % Kommission, so dass<br />

nach Abzug der Unkosten noch ein erheblicher Gewinn verblieb. Leider stellte<br />

die Bothnia Linie nach etwa 12 Monaten ihren Dienst ein, da Herr Goudriaan,<br />

welcher die Schiffe im Kriege sehr teuer gekauft hatte, in finanzielle Schwierigkeiten<br />

geriet.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 31<br />

1922<br />

Der Vertrag von Rapallo zwischen dem<br />

Deutschen Reich und Sowjetrussland<br />

beendet die außenpolitische Isolation<br />

Deutschlands<br />

Abzug der alliierten Luftfahrt-<br />

Überwachungskommission aus<br />

Deutschland.<br />

Baubeginn für den Rhein-Main-<br />

Donau-Kanal als Teil eines<br />

durchgehenden Wasserwegs von der<br />

Nordsee bis zum Schwarzen Meer.<br />

Das Projekt wird erst 1992 vollendet.<br />

Ermordung von Reichsaußenminister<br />

Walther Rathenau in Berlin-<br />

Grunewald.<br />

Panikstimmung an den deutschen<br />

Börsen. Der Wert des US-Dollars ist<br />

auf 860 Mark gestiegen.<br />

Fritz Lang:<br />

„Dr. Mabuse der Spieler“ (Film).<br />

1923<br />

Französische und belgische Truppen<br />

besetzen das Ruhrgebiet wegen<br />

ausgebliebener Kohlelieferungen.<br />

Inflation auf dem Höhepunkt:<br />

Für einen US-Dollar werden<br />

12 Milliarden Mark gezahlt.<br />

Niederschlagung der Separatistenbewegung<br />

im Rheinland.<br />

Kommunistischer Umsturzversuch<br />

in Hamburg.


„Hitler-Putsch“ in München.<br />

Errichtung der Deutschen Rentenbank,<br />

die mit der Ausgabe der neuen Renten-<br />

mark eine Währungsreform einleitet.<br />

1924<br />

Gründung des Republikschutzbundes<br />

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.<br />

„Dawes-Plan“ zur Regelung der<br />

deutschen Reparationen.<br />

Verhaftung des Massenmörders<br />

Fritz Haarmann.<br />

Thomas Mann: „Der Zauberberg“<br />

(Roman)<br />

1925<br />

1925<br />

Tod des Reichspräsidenten<br />

Friedrich Ebert. Als Nachfolger<br />

wird Generalfeldmarschall<br />

Paul von Hindenburg gewählt.<br />

Der Reichstag verabschiedet Schutzzölle<br />

für die Landwirtschaft<br />

und Industrie.<br />

Konferenz von Locarno über ein<br />

Sicherheitsabkommen in Europa.<br />

Egon Erwin Kisch:<br />

„Der rasende Reporter“ (Reportagen)<br />

Die Continentale Reederei hielt ihren Dienst noch einige Jahre<br />

aufrecht. Herr Nihlen, der Direktor der Gesellschaft, kam, wenn ich mich<br />

recht erinnere, im Jahre 1924 nach New Orleans und erzählte, dass er die<br />

Absicht habe, eventuell Dampfer mit Passagiereinrichtung einzustellen. Es<br />

kam jedoch nicht dazu, denn kurze Zeit darauf wurde die Continentale Reederei<br />

von einem Konzern unter Führung von Axel Dahlström übernommen und<br />

später an die Firma Hugo Stinnes weiterverkauft. Diese Firmen hatten kein<br />

Interesse an der Aufrechterhaltung des New Orleans-Dienstes und stellten<br />

ihn alsbald ein.<br />

Der Verlust der beiden Agenturen war natürlich sehr schmerzlich<br />

und stellte uns vor die Frage, entweder das New Orleans Büro wieder<br />

aufzugeben oder andere Dampfer, eventuell eigene, einzustellen. Wir entschlossen<br />

uns dann im Jahre 1925 zum Ankauf des Dampfers „Manchester<br />

1926 – Unfall auf Dampfer „Vogesen“<br />

Im November 1926 verunglückte ein<br />

Schauermann bei Ladearbeiten auf<br />

dem <strong>Vogemann</strong>-Dampfer „Vogesen“<br />

im Hamburger Hafen. Der Bericht des<br />

Hafenbetriebsrates enthüllt die Unzulänglichkeiten<br />

bei der Versorgung<br />

von Unfallopfern in jener Zeit:<br />

„Der Unfall passierte um 10 Uhr vormittags. Der Dampfer ‚Vogesen‘ gab<br />

sogleich die nötigen Signale, aber keine Barkasse der Behörde zur Beförderung<br />

des Verletzten kam. Obgleich die Barkasse der Kaiververwaltung<br />

vorbeilief und die Signale hörte, nahm sie keine Veranlassung, zum<br />

mindesten einen Transportkorb an Bord zu bringen, auch verweigerte die<br />

Schuppenleitung, die telefonische Nachricht an die Unfallstation zu geben.<br />

Erst als um 11 Uhr 10 noch die Signale des Dampfers ertönten, wurde<br />

dem stattgegeben ... Auf Grund der langen Verzögerung der Beförderung<br />

von Bord ins Krankenhaus ist eine Empörung an Bord hervorgerufen, der<br />

man eine Berechtigung nicht absprechen kann. Es gibt uns erneut Veranlassung,<br />

auf die Unzuverlässigkeit der Beförderungsmittel bei Unfällen<br />

hinzuweisen ...“<br />

Klaus Weinhauer: Alltag und Arbeitskampf im Hamburger Hafen 1914–1933.<br />

Paderborn 1994, S. 163<br />

32 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Port“, welcher damals 20 Jahre alt war, und nannten ihn wiederum „Vogesen“.<br />

Da ein Dampfer in der Fahrt nicht genügte und das frühere Chartergeschäft<br />

schon wegen der Devisenschwierigkeiten nicht wieder aufgenommen werden<br />

konnte, kauften wir – ich glaube, es war im Jahre 1927 – von der Firma Röchling,<br />

Menzell & Co. den Dampfer „Rhein“ (früher „Elisabeth Rickmers“), der<br />

den Namen „Vogtland“ erhielt.<br />

Herrn Siemens in Rotterdam gelang es dann noch, den Dampfer<br />

„Delia“, an dem wir uns finanziell beteiligten, für die Fahrt zu interessieren.<br />

Dieser Dampfer machte einige Reisen. Es entstanden aber bald erhebliche<br />

Differenzen mit dem Kapitän, welcher am Schiff beteiligt war, und seinen<br />

übrigen Geldgebern, so dass wir schließlich das Schiff in Rotterdam an die<br />

Kette legen mussten, bis es uns gelang, die vorgestreckten Gelder zurückzuerhalten.<br />

Die Mittel für den Erwerb der Schiffe hatten wir zum Teil durch die<br />

Überschüsse in der New Orleans-Firma erworben, zum Teil aber erhielten wir<br />

sie aus Amerika durch die sogenannte Freigabeaktion. Die Hamburg-Amerika<br />

Linie und der Norddeutsche Lloyd, welche am meisten an den Kriegsverlusten<br />

in Amerika beteiligt waren, hatten durch Herrn Dr. Kiesselbach in den<br />

Vereinigten Staaten eine Entschädigungsaktion für die im Kriege verlorenen<br />

Dampfer eingeleitet, welche erfolgreich durchgeführt wurde. Unser Dampfer<br />

„Vogesen“, welcher im Jahre 1917 in Pensacola beschlagnahmt worden war,<br />

wurde, soweit mir erinnerlich, mit M 1.200.000,– bewertet, obgleich er uns<br />

1909 als Neubau nur M 650.000,– gekostet hatte. Wir erhielten à conto dieser<br />

Freigabebeträge mehrere Zahlungen, im ganzen etwa M 550.000,– und später<br />

von der deutschen Regierung für aufgelaufene Zinsen noch etwa M 120.000,–.<br />

Als die nationalsozialistische Regierung ans Ruder kam, wurden seitens der<br />

USA die Zahlungen eingestellt, weil angeblich die deutsche Regierung ihren<br />

Verpflichtungen gegenüber den amerikanischen Gläubigern, welche Forderungen<br />

an Deutschland hatten, nicht nachkam.<br />

Bis zum Jahre 1929 wurden mit den beiden Dampfern „Vogesen“<br />

und „Vogtland“ verhältnismäßig gute Resultate erzielt; dann wurden aber die<br />

Raten auf dem Frachtenmarkt so schlecht, dass jede Reise mit Verlust abschloss.<br />

Es ist mir später von meinem Bruder der Vorwurf gemacht worden,<br />

dass ich die Schiffe zu lange in Fahrt gelassen und dadurch mehr verloren<br />

hätte, als wenn sie aufgelegt worden wären. Er bedachte dabei nicht, dass<br />

bei einem geringen Verlust es vorteilhafter war, die Schiffe in Fahrt zu lassen,<br />

denn erstens war die Unterhaltung während des Aufliegens recht hoch, da<br />

die Schiffe instandgehalten werden mussten, und zweitens fehlten die Einnahmen<br />

in New Orleans, so dass dort durch den Ausfall der Kommissionen<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 33<br />

1926<br />

Gründung der Deutschen Lufthansa<br />

AG durch den Zusammenschluss von<br />

Junkers Luftverkehr und Aero Lloyd.<br />

Die amerikanische Tänzerin<br />

Josephine Baker gastiert im<br />

Berliner Nelson-Theater.<br />

Einführung einer einheitlichen<br />

Straßenverkehrsordnung.<br />

Arbeitsbeschaffungsprogramm zur<br />

Senkung der hohen Arbeitslosenzahlen.<br />

Max Schmeling Deutscher Boxmeister<br />

im Halbschwergewicht.<br />

Aufnahme Deutschlands<br />

in den Völkerbund.<br />

Arthur Schnitzler:<br />

„Traumnovelle“ (Erzählung)<br />

1927<br />

Die Alliierte Militärkommission beendet<br />

ihre Tätigkeit im Deutschen Reich.<br />

Proteste gegen den Bau<br />

des Panzerkreuzers A.<br />

Martin Heidegger: „Sein und Zeit“<br />

(Philosophische Abhandlung).<br />

Fritz Lang: „Metropolis“ (Film).


1928<br />

Die SPD geht mit den Deutschen<br />

Demokraten, der Deutschen Volkspartei<br />

und der Bayerischen Volkspartei eine<br />

große Koalition ein.<br />

Tschiang Kai-schek marschiert mit<br />

seiner nationalrevolutionären Armee in<br />

Peking ein.<br />

Der Polarforscher Amundsen kehrt von<br />

einem Flug über das Nordpolargebiet<br />

nicht zurück.<br />

Walt Disney bringt den ersten<br />

Tonfilm mit Mickey Maus als<br />

Hauptdarsteller heraus.<br />

Aufstieg der Schwedin Greta Garbo<br />

zum internationalen Filmidol.<br />

Erich Kästner: „Emil und die<br />

Detektive“ (Jugendroman).<br />

Bertolt Brecht/Kurt Weill:<br />

„Die Dreigroschenoper“.<br />

1929<br />

Tod des Außenministers<br />

Gustav Stresemann.<br />

Young-Plan zur Regelung<br />

der Reparationsfrage.<br />

Adam Opel AG wird vom<br />

US-Automobilkonzern General Motors<br />

übernommen.<br />

Der Turbinenschnelldampfer<br />

„Bremen“ des Norddeutschen Lloyd<br />

gewinnt das Blaue Band.<br />

Aufliegende Schiffe im Hamburger Hafen, 1931.<br />

ein großer Verlust entstanden wäre. In einigen Fällen war es auch so, dass<br />

man sich auf Basis der Frachten, welche von New Orleans in Aussicht gestellt<br />

wurden, einen geringen Verdienst ausrechnen konnte, während es sich später<br />

nach Beladung herausstellte, dass die tatsächlich erzielte Fracht niedriger<br />

war. Mein Bruder kümmerte sich schon damals wenig um die Einzelheiten im<br />

Geschäft, da er meistens erst gegen Mittag im Kontor erschien, er verstand es<br />

aber sehr gut im Nachhinein zu kritisieren und zu behaupten, dass man nicht<br />

auf ihn gehört und dass er alles viel besser gemacht hätte.<br />

Unter Panamaflagge. In den Jahren 1931–1932 wurde die Lage<br />

auf dem Frachtenmarkt allerdings so prekär, dass nichts weiter übrig blieb<br />

als die Schiffe aufzulegen, weil die einzelnen Rundreisen zeitweise mit M<br />

20.000,– bis M 30.000,– Verlust abschlossen.<br />

Bevor es hierzu kam, versuchten wir noch auf Wunsch meines<br />

Bruders den Dampfer „Vogtland“ dadurch in Fahrt zu halten, dass wir ihn<br />

unter der Panamaflagge fahren ließen. Wir taten es deshalb, weil man unter<br />

der Panamaflagge an keinen Lohntarif gebunden war, auch brauchten<br />

wir keine sozialen Abgaben zu bezahlen. Obgleich zu allen Zeiten Reedereien<br />

ihre Schiffe unter fremden Flaggen haben fahren lassen (die Engländer unter<br />

norwegischer Flagge, die Amerikaner unter englischer Flagge usw.), wurde<br />

durch unsere Maßnahme viel Staub aufgewirbelt, weil die sozialdemokratische<br />

Regierung fürchtete, der Flaggenwechsel könnte Schule machen und der<br />

von ihr aufgestellte Lohntarif sowie die sozialen Abgaben illusorisch werden.<br />

34 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Während das Angebot von Mannschaften so groß war, dass die Leute, welche<br />

sich anmustern lassen wollten, vor unserem Kontor bis auf die Straße<br />

Schlange standen, schrieben Berliner Zeitungen, z.B. das Berliner Tageblatt,<br />

dass wir zu unseren Löhnen keine Leute bekommen könnten. Infolge dieser<br />

wissentlich falschen Zeitungsmeldungen wurden wir nur noch mehr bestürmt<br />

und erhielten von allen Teilen Deutschlands Musterbücher zugesandt mit der<br />

Bitte um sofortige Einstellung.<br />

Wir haben dann mehrere Reisen unter der Panamaflagge ausgeführt<br />

mit dem Ergebnis, dass unsere Schiffe noch fahren konnten, als andere<br />

bereits aufliegen mussten. Der Kapitän und die Mannschaften waren<br />

denn auch sehr dankbar, dass sie zu den, wenn auch etwas geringeren Löhnen<br />

eine Anstellung hatten, während ihre Kollegen arbeitslos waren. Im Jahre<br />

<strong>Vogemann</strong>-Schiffe unter Panamaflagge<br />

In der deutschen Arbeiterbewegung erregte das von der Reederei <strong>Vogemann</strong><br />

1931 praktizierte Ausflaggen beträchtliche Empörung. Der Schriftsteller<br />

Erich Mühsam veröffentlichte dazu in der Zeitung „Welt am Montag“ am<br />

16. Februar 1931 ein satirisches Gedicht:<br />

Die nationale Würde steht<br />

bei <strong>Vogemann</strong>s im Vordergrund,<br />

und wer sich wider sie vergeht,<br />

der ist für sie ein Schweinehund.<br />

Für ihr von Verrat umdrohtes<br />

deutsches Vaterland erglüht<br />

immerdar ihr schwarzweißrotes,<br />

stahlbehelmtes Kampfgemüt.<br />

Sofern er ihnen nützlich sei,<br />

bejahen <strong>Vogemann</strong>s den Staat.<br />

Ansonsten schreit die Reederei:<br />

Pfui Panama! Landsverrat!<br />

<strong>Vogemann</strong>s sollen teure Steuern<br />

zahlen vom Profit? – Man nicht!<br />

Soll‘n sich beim Matrosenheuern<br />

scheren um soziale Pflicht?<br />

Die Firma zeigt‘s der Republik. -<br />

Und mit Verrecke! und Hurra!,<br />

mit Fridericus-Blechmusik<br />

schwenkt <strong>Vogemann</strong> den Panama.<br />

Runter mit der Gösch! – Au bagge!<br />

<strong>Vogemann</strong> lacht sich den Ast,<br />

und die Panamesen-Flagge<br />

flattert froh vom „Vogtland“-Mast.<br />

Das Schiffsvolk darbt. Die Firma spart.<br />

Volldampf voraus für das Geschäft!<br />

Fürs Vaterland geht‘s auf die Fahrt,<br />

für welches Vaterland? – Wie trefft! ...<br />

Das ist Deutschlands Heldenblüte<br />

(<strong>Vogemann</strong>s sind reichlich da!):<br />

Schwarzweißrötlich im Gemüte,<br />

und im Hauptbuch – Panama!<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 35<br />

Schwarzer Tag an der Wallstreet:<br />

Der historische Börsenkrach leitet eine<br />

Weltwirtschaftskrise ein.<br />

Erich Mühsam


Nobelpreis für Literatur<br />

geht an Thomas Mann.<br />

Konkordat zwischen dem Vatikan und<br />

dem faschistischen Regime in Italien<br />

Erich Maria Remarque: „Im Westen<br />

nichts Neues“ (Weltkriegsroman)<br />

1930<br />

Der Zentrumspolitiker Brüning bildet<br />

das erste Präsidialkabinett,<br />

die Regierung stützt sich auf<br />

Notverordnungen des Reichspräsidenten.<br />

Durchbruch der NSDAP bei den<br />

Reichstagswahlen.<br />

Alliierte räumen das Rheinland.<br />

„Salzmarsch“ der indischen<br />

Unabhängigkeitsbewegung<br />

gegen die britischen<br />

Kolonialherren.<br />

Max Schmeling besiegt<br />

Joe Sharkey und wird<br />

Weltmeister im Schwergewicht.<br />

Joseph von Sternberg:<br />

1932 wurden allerdings das Ladungsangebot so gering und die Frachten so<br />

schlecht, dass wir trotz Panamaflagge auch die „Vogtland“ auflegen mussten.<br />

Da ihre Klasse abgelaufen war, und wir in Anbetracht der schlechten Markt-<br />

lage die hohen Klassifikationskosten scheuten, haben wir das Schiff dann zum<br />

Abbruch verkauft, soweit ich mich entsinne, zum Preise von M 50.000,–. Die<br />

nationalsozialistische Regierung hatte allerdings für den Flaggenwechsel ge-<br />

nau so wenig Verständnis wie die frühere Regierung, sie machte ein Gesetz,<br />

dass nur diejenigen Reeder in den Genuss der Reichshilfe kommen sollten,<br />

welche keine Schiffe unter fremder Flagge fahren ließen. Da die zum Abbruch<br />

verkaufte „Vogtland“ noch unter der Panamaflagge auflag, konnte ich die ers-<br />

te Reichshilfe für Dampfer „Vogesen“ nicht erhalten, weil Dampfer „Vogtland“<br />

zu jener Zeit noch nicht von den Käufern übernommen und abgewrackt war.<br />

Die Jahre 1929–1933 waren für uns besonders verlustbringend,<br />

denn auch nach Auflegung der Dampfer hielten die Verluste an, und die Un-<br />

kosten in New Orleans und Rotterdam liefen weiter, ohne dass ihnen Einnah-<br />

men gegenüberstanden. Erst nachdem die nationalsozialistische Regierung<br />

die Reichshilfe einführte, wodurch ungefähr die gesamte monatliche Lohn-<br />

summe zu Lasten des Reiches ging, besserten sich die Zeiten für die Reeder.<br />

Dampfer „Vogesen“ wurde bald darauf wieder in Fahrt gesetzt.<br />

Ankäufe mit holländischem Geld. Es mag Anfang des Jahres<br />

1935 gewesen sein, als Herr Siemens, Leiter der <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co.<br />

uns darauf hinwies, dass durch Kredite in holländischen Gulden sogenannte<br />

Auswanderermark zu einem sehr vorteilhaften Kurse erworben werden könne.<br />

„Der blaue Engel“ (Film) Gedränge vor der Hamburger Arbeitsvermittlung für Seeleute.<br />

36 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Es gelang uns dann nach längeren Verhandlungen einen größeren Kredit von<br />

der Thomsen‘s Havenbedrijf, welchem wir im Laufe der Jahre viele Geschäfte<br />

zugewiesen hatten, zu erhalten. Gleichzeitig beteiligte sich die <strong>Vogemann</strong>‘s<br />

Transport Co. an diesem Kredit, so dass etwa Hfl. 60.000,– bis 70.000,– für den<br />

Erwerb von Auswanderermark zur Verfügung standen. Zum normalen Kurs<br />

waren dieses etwa RM 100.000,– bis 120.000,–, während wir an Auswanderermark,<br />

welche wir für den Ankauf eines Schiffes verwenden konnten, etwa RM<br />

300.000,– erhielten.<br />

Wir betrieben nun gleichzeitig den Ankauf des der Hamburg-<br />

Amerika Linie gehörenden Turbinendampfers „Schwarzwald“ zum Preis von<br />

M 330.000,–. Die Hapag konnte den Verkauf nicht sofort genehmigen, weil<br />

das Schiff erst in Amerika entpfändet werden musste. Der Kauf des Dampfers,<br />

welcher durch die Firma Knöhr & Burchardt vermittelt wurde, wurde<br />

daher vorbehaltlich Entpfändung abgeschlossen. Als nach einigen Monaten<br />

Die Auswanderermark<br />

In Deutschland herrschte bereits seit 1931 eine Devisenbewirtschaftung,<br />

die sich seit 1933 unter der Herrschaft des Nationalsozialismus<br />

massiv verschärfte. Sie führte bei Auswanderungen dazu, dass beim<br />

Umtausch von Reichsmark in Devisen erhebliche Abschlagszahlungen<br />

an die Deutsche Golddiskontbank fällig wurden. 1934 mussten bereits<br />

65 % der transferierten Gesamtsumme als Abgabe bezahlt werden,<br />

d.h. real konnten nur 35 % umgetauscht werden. Im Jahr 1939 waren<br />

es schließlich 96 %, die bei Auswanderung fällig wurden. Dieser<br />

Mechanismus funktionierte natürlich auch umgekehrt: Durch das Hereinholen<br />

von Devisen konnte man hohe Reichsmarkbeträge erwerben.<br />

Im geschilderten Fall, dem Ankauf eines Schiffes mit einem Kredit aus<br />

Holland, scheint es sich um ein solches Kopplungsgeschäft gehandelt<br />

zu haben: Hereinholen von Gulden, Auszahlung von RM-Beträgen aus<br />

jenen Abschlagszahlungen, die Auswanderer an die Golddiskontbank<br />

abgeführt hatten. Insofern hätte die Firma tatsächlich von Devisenbewirtschaftung<br />

auf der einen und Zwangsauswanderung auf der<br />

anderen Seite profitiert.<br />

Auskunft Dr. Frank Bajohr, Forschungsstelle für Zeitgeschichte<br />

Hamburg, September 2009<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 37<br />

1931<br />

Die deutsche Regierung verfolgt<br />

strikten Sparkurs, um den<br />

Haushalt zu sanieren.<br />

„Hoover-Moratorium“ zur Stundung<br />

der deutschen Reparationsleistungen.<br />

Die „nationale Opposition“ schließt sich<br />

zur „Harzburger Front“ zusammen.<br />

Konkurs der Darmstädterund<br />

Nationalbank.<br />

Einweihung des Empire State Building<br />

in New York.<br />

Carl Zuckmayer: „Der Hauptmann von<br />

Köpenick“ (Schauspiel).<br />

1932<br />

Arbeitslosenzahl auf dem<br />

Höchststand (6,1 Mio.).<br />

Hindenburg als Reichspräsident<br />

wiedergewählt.<br />

Die Autohersteller Audi, Horch, DKW<br />

und Wanderer schließen sich zur<br />

Auto-Union zusammen.<br />

Gustaf Gründgens tritt erstmals<br />

in der Rolle des Mephisto in<br />

Goethes „Faust“ auf.<br />

Hans Fallada: „Kleiner Mann –<br />

was nun?“ (Roman)<br />

Nächste Seite:<br />

Der Hamburger Hafen<br />

mit dem Luftschiff „Graf<br />

Zeppelin“. Panorama-<br />

Wandbild von Erich Kips,<br />

1931.


38 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 39


1933<br />

Hindenburg beruft Adolf Hitler<br />

zum Reichskanzler. Beginn der<br />

nationalsozialistischen Diktatur.<br />

Terror gegen Regimegegner.<br />

Auflösung der politischen Parteien,<br />

„Gleichschaltung“ von Verbänden<br />

und Organisationen. Aufhebung der<br />

Gewerkschaften, an ihre Stelle tritt die<br />

Deutsche Arbeitsfront.<br />

Austritt Deutschlands aus dem<br />

Völkerbund.<br />

Präsident Roosevelt begründet in den<br />

USA den „New Deal“ zur Reform des<br />

Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.<br />

1934<br />

Tod des Reichspräsidenten Hindenburg,<br />

Hitler ernennt sich zum<br />

Staatsoberhaupt.<br />

Mordaktion gegen die Führung der SA<br />

wegen angeblicher Vorbereitung eines<br />

Staatsstreiches.<br />

Putschversuch der Nationalsozialisten<br />

in Österreich scheitert.<br />

Zentralisierung der deutschen Justiz.<br />

Der Außenhandel des<br />

Deutschen Reiches wird unter<br />

staatliche Kontrolle gestellt.<br />

1935<br />

Rückgabe des Saargebietes an das<br />

Deutsche Reich.<br />

die Entpfändung perfekt wurde, wäre die Hapag am liebsten vom Verkauf des<br />

Dampfers wieder zurückgetreten, weil die Frachtraten inzwischen angezogen<br />

hatten. Da der Verkauf aber fest abgeschlossen war, konnte sie nicht mehr<br />

zurück.<br />

„Schwarzwald“ wird „Rheingold“. Wir hatten die Absicht, den<br />

Namen des Dampfers unverändert zu lassen, da „Schwarzwald“ und „Vogesen“<br />

gut zueinander passten, die Hapag bestand aber auf einer Namensänderung,<br />

und so entschieden wir uns dann, den alten Namen „Rheingold“ wieder auf-<br />

leben zu lassen.<br />

Mein Bruder hatte für den Ankauf des Dampfers „Rheingold“,<br />

trotz seines durch den holländischen Kredit außerordentlich billigen Preises,<br />

nur widerstrebend seine Einwilligung gegeben, es lag ihm mehr daran, seine<br />

Wertpapiersammlung zu vergrößern als wieder Schiffe in Fahrt zu setzen.<br />

Nachdem die ersten Reisen ein zufriedenstellendes Resultat<br />

ergeben hatten und mein Bruder auch zu der Überzeugung gekommen war,<br />

dass durch den Kredit von Thomsen‘s Havenbedrijf Dampfer „Rheingold“ zu<br />

einem Spottpreis erworben worden war, bemühten wir uns, auf der gleichen<br />

Basis ein zweites Schiff anzukaufen. Durch Vermittlung der Firma Daniel<br />

Milberg wurde uns der Dampfer „Lisa“ der Firma John T. Essberger für RM<br />

395.000,– angeboten. Dieser Preis war schon wesentlich höher als der für<br />

Dampfer „Rheingold“ bezahlte, dabei war Dampfer „Rheingold“ 1922 erbaut,<br />

Dampfer „Lisa“ dagegen im Jahre 1914. Trotzdem war aber auch dieser Kaufpreis<br />

sehr annehmbar, insbesondere weil wir nach Rückzahlung des ersten<br />

Kredites ein weiteres Darlehen von Thomsen‘s erhielten, so dass wir wiederum<br />

mit billiger Mark bezahlen konnten.<br />

Durch den Ankauf des Dampfers „Lisa“, welchen wir „Walküre“<br />

nannten, ging mein langersehnter Wunsch, für unsere Fahrten vom Golf drei<br />

eigene Dampfer zu besitzen, endlich in Erfüllung. Leider konnten die Schiffe<br />

in den letzten zwei Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg in der Golffahrt nicht so<br />

vorteilhaft beschäftigt werden wie auf anderen Routen, da die Dollarfrachten<br />

verhältnismäßig niedriger waren als die Markfrachten. Die Dollars mussten<br />

an die Reichsbank abgeliefert werden und wurden uns nur zum normalen<br />

Kurs gutgeschrieben. Wir entschlossen uns daher, Dampfer „Vogesen“ für 12<br />

Monate an die Firma Bornhofen auf Zeitcharter abzugeben. Der Gewinn war<br />

sehr hoch, denn das Schiff kostete uns nur etwa M 350,– pro Tag, während<br />

Bornhofen, soweit ich mich entsinne, M 850,– bis M 900,– an Chartermiete<br />

pro Tag bezahlte, so dass ein Gewinn von ca. M 500,– pro Tag verblieb. Auch<br />

40 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Dampfer „Rheingold“. Gemälde nach einer fotografischen Vorlage.<br />

Dampfer „Rheingold“, hier noch als „Schwarzwald“, im Hamburger Hafen.<br />

Dampfer „Rheingold“ wurde später in Zeitcharter abgegeben und zwar an die<br />

Deutsche Afrika Linie für eine Rundreise nach Südafrika. Die Chartermiete<br />

für die Südafrikareise war ca. M 1.100,– pro Tag, während die Tageskosten<br />

sich auf etwa M 700,– beliefen. Leider wurde Dampfer „Rheingold“ kurz nach<br />

Kriegsausbruch südlich Island beim Versuch, die Blockade zu durchbrechen,<br />

vom englischen Kreuzer „Delhi“ aufgebracht und mitsamt seiner Ladung beschlagnahmt,<br />

nachdem er einige Monate vorher gänzlich überholt und mit<br />

Ölfeuerung versehen war. Dampfer „Vogesen“ wurde am 6. Mai 1940 auf einer<br />

Reise mit Kohlen nach Oslo vor Göteborg torpediert. Dampfer „Walkü-<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 41<br />

„Nürnberger Gesetze“: Ächtung und<br />

Entrechtung der Juden in Deutschland.<br />

Deutsch-britisches Flottenabkommen<br />

ermöglicht maritime Aufrüstung.<br />

Italien führt Krieg gegen Abessinien.<br />

Ende des „Langen Marsches“<br />

der chinesischen Kommunisten<br />

unter Mao Zedong.<br />

Leni Riefenstahl: „Triumph des Willens“<br />

(NS-Parteitagsfilm).<br />

1936<br />

Deutsche Truppen besetzen<br />

die entmilitarisierte Zone des<br />

Rheinlandes.<br />

Ausbruch des spanischen<br />

Bürgerkrieges.<br />

Olympische Spiele finden in<br />

Deutschland statt.<br />

(Garmisch-Partenkirchen, Berlin).<br />

Hitlerjugend wird zur<br />

Staatsjugend erklärt.<br />

Die „Queen Mary“, derzeit größtes<br />

Schiff der Welt, auf Jungfernfahrt.<br />

Max Schmeling besiegt den „braunen<br />

Bomber“ Joe Louis.<br />

1937<br />

Hitler enthüllt seine Kriegspläne vor<br />

führenden Militärs und Politikern<br />

(„Hoßbach-Protokoll“).<br />

Stapellauf des KdF-Dampfers<br />

„Wilhelm Gustloff“.


Explosion des Luftschiffes<br />

„Hindenburg“ in Lakehurst<br />

bei New York.<br />

Ausstellung „Entartete Kunst“ in<br />

München.<br />

Carl Orff: „Carmina Burana“<br />

(szenische Kantate).<br />

1938<br />

Besetzung Österreichs („Anschluss“).<br />

Konferenz in München: Die<br />

Tschechoslowakei muss das Sudeten-<br />

land an das Deutsche Reich abtreten.<br />

Terror gegen die Juden in Deutschland<br />

mit Zerstörung der Synagogen,<br />

Morden und Verhaftungen<br />

(„Reichskristallnacht“).<br />

1939<br />

Einmarsch deutscher Truppen<br />

in die Tschechoslowakei.<br />

Sieg der Militärpartei unter General<br />

Franco in Spanien.<br />

Deutsch-sowjetischer Nichtangriffs-<br />

pakt mit geheimem Zusatzprotokoll<br />

zur Abgrenzung der Interessens-<br />

sphären in Nordosteuropa.<br />

Beginn des Zweiten Weltkrieges mit<br />

dem deutschen Angriff auf Polen.<br />

Übergang zur Kriegswirtschaft<br />

(Rationierungen, Steuererhöhungen).<br />

Seeblockade der Alliierten gegen das<br />

Deutsche Reich.<br />

re“ sank am 22. Dezember 1942 an der schwedischen Küste. Da es sich bei<br />

letzterem um einen Seeschaden handelte, mussten die Assekuradeure den<br />

Verlust bezahlen, und wir erhielten ca. M 900.000,– ausgezahlt. Um zu ver-<br />

meiden, dass dieses Geld vielleicht nach Kriegsende entwertet werden würde,<br />

hielten wir es für ratsam, uns noch an dem sogenannten Hansaprogramm zu<br />

beteiligen, laut welchem 100 Schiffe von 3.000 t Tragfähigkeit für die deutschen<br />

Reeder während des Krieges gebaut werden sollten. Die Baukosten<br />

dieser Schiffe betrugen je M 1.800.000,–. Hiervon bezahlte die Regierung M<br />

800.000,–, während der Reeder M 1.000.000,– aufzubringen hatte. Nachdem<br />

wir für Dampfer „Walküre“ von den Assekuradeuren M 900.000,– erhalten<br />

hatten, konnten wir den Preis für den Neubau ohne Aufnahme einer Anleihe<br />

bezahlen. Das Schiff, welches „Tannhäuser“ genannt wurde, übernahmen<br />

wir am 6. April 1944. Es hat nur zwei kurze Reisen ausgeführt und wurde<br />

auf seiner dritten Reise am 8. Juli 1944 westlich von Helgoland versenkt.<br />

1942 – Das Hansa-Bauprogramm<br />

Um Ersatz für die Kriegsverluste<br />

der deutschen Seeschiffahrt<br />

zu schaffen, lief 1942<br />

das Hansa-Bauprogramm an.<br />

Finanziert wurde es von acht<br />

großen deutschen Reederei-<br />

Hansa-Schiff, 3550 t (Entwurf)<br />

en, die für diesen Zweck die<br />

Schiffahrt Treuhand GmbH<br />

gründeten. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten die Liberty-Schiffe, sollten<br />

die Einheitsfrachter des Hansa-Bauprogramms in Serie nach feststehenden<br />

Mustern gebaut werden. Es gab drei Typen, ein kleiner zu 3000 t, ein mittlerer<br />

zu 5000 t und ein großer zu 9000 t. Die Deutsche Werft in Hamburg, der<br />

Bremer Vulkan und Schichau in Danzig fungierten als „Vorbauwerften“, die<br />

die ersten Exemplare fertigten. Wegen Rohstoffknappheit musste man auf<br />

den eigentlich zu spröden Thomasstahl zurückgreifen und kohlebefeuerte<br />

Dampfkessel und Kolbendampfmaschinen einbauen, die nicht mehr dem neuesten<br />

Stand der Technik entsprachen. Bis Kriegsende entstanden im Hansa-<br />

Bauprogramm insgesamt 65 Schiffe, von denen einige (nach Umrüstung auf<br />

Ölfeuerung der Kessel) noch bis in die späten 1970er Jahre fuhren.<br />

42 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Holzfahrt von Schweden und Finnland. Nach Verlust unserer<br />

Dampfer „Rheingold“ und „Vogesen“ durch Kriegsereignisse wurde uns<br />

als Entschädigung zuerst der schwedische Dampfer „Start“ im Juni 1940 als<br />

Eigentum überwiesen und unter dem Namen „Tristan“ in Fahrt gesetzt. Das<br />

Schiff war 1.700 BRT groß und hatte eine Tragfähigkeit von ca. 2.500 t. Es war<br />

für Kohlen-Holzladungen etc. sehr geeignet und machte sich in der Holzfahrt<br />

von Schweden und Finnland gut bezahlt, denn es lud etwa 750–780 Standards.<br />

Dampfer „Tristan“ ist im Februar 1943 auf der Reise von Danzig nach Reval<br />

verschollen, ohne dass uns irgendeine Nachricht erreicht hätte.<br />

Im April 1942 erhielten wir weiter noch den lettischen Dampfer<br />

„Everonika“ zugewiesen. Dieses Schiff, das wir in „Irma“ umtauften, wurde von<br />

uns für den Reichskommissar für die Seeschiffahrt bewirtschaftet. Es war ein<br />

Schiff von 3.757 BRT mit einer Gesamtladefähigkeit von ca. 6.100 t. Es ist am<br />

14. März 1944 an der norwegischen Küste aufgelaufen und gesunken.<br />

Im Laufe des Krieges erhielten wir weiter noch als Eigentum<br />

Dampfer „Rastenburg“ ‚ welcher bei der Übernahme im Dezember 1943 in Bordeaux<br />

lag und anschließend einige Reisen mit Erz von Bilbao nach Bordeaux<br />

ausführte. Die Raten für diese Ladungen waren sehr gut, so dass jede kurze<br />

Reise einen erheblichen Überschuss ließ. Leider konnten aber nur sechs bis<br />

sieben Reisen bis Kriegsende ausgeführt werden. Am 25. August 1944 wurde<br />

das Schiff in Bordeaux von unserer Kriegsmarine versenkt.<br />

Zerstörungen im Hamburger Hafen, 1943.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 43<br />

1940<br />

Deutsche Operation „Weserübung“<br />

gegen Dänemark und Norwegen.<br />

Angriff im Westen auf die Niederlande,<br />

Belgien und Frankreich.<br />

Handelskrieg gegen<br />

Großbritannien mit Überseestreitkräften<br />

und U-Booten.<br />

Luftschlacht um England mit<br />

deutscher Bomberoffensive<br />

gegen britische Städte.<br />

Lion Feuchtwanger: „Exil“ (Roman).<br />

1941<br />

Deutsche Truppen unter<br />

General Rommel unterstützen die<br />

Italiener in Nordafrika.<br />

Untergang des Schlachtschiffes<br />

„Bismarck“.<br />

Deutscher Angriff auf Russland<br />

(„Unternehmen Barbarossa“).<br />

Atlantik-Charta legt die Ziele<br />

der Westalliierten fest.<br />

Angriff der Japaner auf den<br />

US-Kriegshafen Pearl Harbor.<br />

Beginn des Krieges im Pazifik.


1942<br />

Wannsee-Konferenz zur Planung der<br />

Judenvernichtung im deutschen<br />

Herrschaftsbereich.<br />

Erster Start der Rakete A4<br />

in Peenemünde.<br />

Britischer Sieg in der Schlacht<br />

von El Alamein.<br />

Erstflug des Düsenjägers<br />

Me 262 „Schwalbe“.<br />

Erste kontrollierte Kettenreaktion<br />

im Rahmen des amerikanischen<br />

„Manhattan-Projekts“.<br />

1943<br />

Kapitulation der 6. Armee<br />

in Stalingrad.<br />

Italien scheidet aus dem Krieg aus.<br />

Offensive im Kursker Bogen scheitert.<br />

Schwere Luftangriffe auf Hamburg<br />

(„Unternehmen Gomorrha“).<br />

Erste Konferenz der<br />

„Großen Drei“ in Teheran.<br />

Am 20. Oktober 1944 erhielten wir zur Bewirtschaftung noch<br />

den finnischen Dampfer „Ursa“ (2.982 BRT), welcher einige Reisen für uns<br />

ausführte. Auch dieses Schiff wurde von unserer Kriegsmarine versenkt, und<br />

zwar am 24. April 1945 in Bremen, ohne dass irgend etwas vom Inventar oder<br />

Proviant geborgen werden konnte. Zum Schluss ist noch der lettische Damp-<br />

fer „Everiga“ zu erwähnen, welcher sich als Wrack in Libau befand und uns<br />

zur Betreuung überwiesen wurde; er sollte später von uns als Eigentum über-<br />

nommen werden. Nachdem das Schiff etwa ein halbes Jahr in Libau gelegen<br />

hatte und die dortige Marinewerft sich nicht entschließen konnte, ernstlich<br />

mit den Reparaturarbeiten zu beginnen, wurde es zur Werft von Burmeister &<br />

Wain in Kopenhagen geschleppt, um dort gründlich instandgesetzt zu werden.<br />

Bei Kriegsende war das Schiff nicht annähernd fertig. Es ist mir nicht bekannt,<br />

was aus ihm geworden ist, vermutlich haben es die Russen übernommen.<br />

Verlust aller Fahrzeuge. Nach dem Zusammenbruch im Mai<br />

1945 hatten wir nicht nur den Verlust unserer eigenen Schiffe, sondern auch<br />

sämtlicher uns während des Krieges zugeteilten Fahrzeuge zu beklagen. Das<br />

Der Rathausmarkt nach den Bombenangriffen von 1943. Im ausgebrannten Gebäude mit der<br />

runden Ecke am Eingang zur Mönckebergstraße befand sich der Firmensitz.<br />

44 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Büro der <strong>Vogemann</strong>, Goudriaan Co. Inc., New Orleans, konnte seit Eintritt der<br />

Vereinigten Staaten in den Krieg nicht weiter arbeiten, und der seit 1929 dort<br />

tätige Geschäftsleiter Horace Upton gab seine Stellung auf. Die in Amerika<br />

vorhandenen Werte sind zweifellos, wie auch im Ersten Weltkrieg, beschlagnahmt<br />

worden. Die <strong>Vogemann</strong>‘s Transport Co., Rotterdam hatte während des<br />

Krieges noch gut gearbeitet, da ihr auf Veranlassung des Herrn Siemens, welcher<br />

eine Zeitlang beim Reichskommissar für die Seeschiffahrt tätig war, die<br />

Betreuung der holländischen Seeleute übertragen wurde. Die Überschüsse<br />

aus dieser Tätigkeit wurden in holländischen Wertpapieren angelegt, welche<br />

bei der Besetzung Hamburgs durch die Engländer sofort abgeliefert werden<br />

mussten, wie auch die ausländischen Wertpapiere der <strong>Vogemann</strong>, Goudriaan<br />

Co. Inc., welche sich in Hamburg befanden.<br />

Das einzige Geschäft, welches uns bei Kriegsende verblieb, war<br />

die Entlöschung und Beladung von Dampfern der Militärregierung, sowie einige<br />

Aufräumungsarbeiten im Hafen für Rechnung der Behörde für Stromund<br />

Hafenbau. Unsere Forderungen an das Kriegsschädenamt betragen M<br />

1.000.000,– für den Verlust des Dampfers „Tannhäuser“, etwa M 950.000,– für<br />

Dampfer „Rheingold“ und etwa M 250.000,– für Dampfer „Vogesen“. Ferner ist<br />

noch der Wert des Inventars und der Ausrüstung zu vergüten, so dass sich die<br />

Gesamtforderung an das Kriegsschädenamt auf etwa M 2 ½ Millionen beläuft.<br />

Die Büroräume wurden einige Monate nach Kriegsende nach der<br />

Mönckebergstraße 31 verlegt. Das im Jahre 1911 bezogene Kontor in der Mönckebergstraße<br />

22 brannte im Juli 1943 in den Katastrophentagen vollkommen aus,<br />

während das von der Reederei Heinrich F.C. Arp in der Mönckebergstraße 9 zur<br />

Verfügung gestellte Kontor im Juli 1944 durch einen Bombenangriff vollständig<br />

zerstört wurde. Von Juli 1944 bis Oktober 1945 wurde das Geschäft behelfsmäßig<br />

in der Privatwohnung, Skagerrakstraße 1 a, später im 2. Stock der Deutschen<br />

Bank und nach Beschädigung des Bankgebäudes in einem Raum der Assekuranzfirma<br />

Heinrich Heins in der Bohnenstraße 12/14 betrieben.<br />

Die letzten Kriegsjahre hat mein Bruder nicht mehr miterlebt.<br />

Er litt seit Anfang 1943 an Lungenkrebs und verschied am 22. April 1944,<br />

nachdem er noch im Juli 1943 das elterliche Haus, in dem er wohnte, in den<br />

Katastrophentagen verloren hatte. Seit dem Tode meines Bruders bin ich alleiniger<br />

Inhaber der Firma H. <strong>Vogemann</strong>, welche ich zuerst im Jahre 1906<br />

und zum zweiten Male im Jahre 1918 habe neu aufbauen müssen, um dann<br />

am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 wieder vor einem Nichts zu stehen.<br />

Hoffentlich gelingt mir der Aufbau noch ein drittes Mal, um meinem Sohn<br />

Herbert eine Reederei mit eigenem Schiff hinterlassen zu können.<br />

Kapitel 1 – Werdegang der Firma H. <strong>Vogemann</strong> 1886–1946 45<br />

1944<br />

Alliierte Landung in der Normandie.<br />

Sowjetische Großoffensive gegen die<br />

Heeresgruppe Mitte.<br />

Attentat gegen Hitler schlägt fehl.<br />

Bildung des „Volkssturms“ aus<br />

Männern zwischen 16 und 60 Jahren.<br />

Sowjets rücken in Ostpreußen ein.<br />

1945<br />

Konferenz der Großen Drei in Jalta.<br />

Schwerer Luftangriff auf Dresden.<br />

Sowjets erobern Berlin. Selbstmord<br />

Adolf Hitlers im Bunker unter der<br />

Reichskanzlei.<br />

Bedingungslose Kapitulation der<br />

deutschen Streikräfte.<br />

Potsdamer Konferenz zur<br />

Nachkriegsordnung Europas.<br />

Atombombenabwürfe auf Hiroshima<br />

und Nagasaki.<br />

Ende des Zweiten Weltkrieges mit der<br />

Kapitulation Japans.


46 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Kapitel 2<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg<br />

47


1946<br />

Unter dem Druck der Sowje-<br />

tischen Militäradministration<br />

vereinigen sich in Ost-Berlin<br />

SPD und KPD zur SED.<br />

US-Außenminister Byrnes lei-<br />

tet mit einer Rede in Stuttgart<br />

die Neuorientierung der west-<br />

lichen Besatzungspolitik ein.<br />

In Hamburg beginnen die<br />

Arbeiten für die Hochhaussied-<br />

lungen am Grindelberg, der<br />

ersten deutschen Hochhaus-<br />

siedlung.<br />

Erste Vollversammlung der<br />

Vereinten Nationen in London.<br />

Nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg<br />

Richard <strong>Vogemann</strong>s Hoffnung hat sich erfüllt. Ihm, seinem Sohn Herbert<br />

und seinem Schwiegersohn Paul Speckter gelang ein dritter Anlauf nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg. Die nachfolgende Darstellung basiert vor allem auf<br />

den Erinnerungen von Paul Speckter und auf denen von Udo Wiese, der 1968<br />

ins Geschäft eintrat und seit 1978 als Partner beteiligt ist.<br />

A<br />

nfangs sah es jahrelang nicht sonderlich vielversprechend aus<br />

für Firmen, die im Schifffahrtsgewerbe an ihre vormaligen Ge-<br />

schäfte anknüpfen oder sich neu ausrichten wollten. Es gab so<br />

gut wie keinen Schiffsraum, und den allenfalls vorhandenen<br />

durften deutsche Betriebe nicht nutzen. In der Kontrollratsproklamation Nr.<br />

2 der Siegermächte vom 20.9.1945, die Hamburg besonders schwer traf, hieß<br />

es in Abschnitt VII:<br />

„23. a) Kein Handelsschiff, einschl. Fischerei oder anderer Schif-<br />

fe, darf von irgendeinem deutschen Hafen, es sei denn mit der Erlaubnis oder<br />

auf Befehl der Alliierten Vertreter, auslaufen. Deutsche Schiffe in Häfen au-<br />

ßerhalb Deutschlands müssen im Hafen verbleiben, und diejenigen, die sich<br />

auf hoher See befinden, müssen den nächsten deutschen Hafen oder den<br />

nächsten Hafen der Vereinten Nationen anlaufen und dort bis zum Eintreffen<br />

der Anweisungen der Alliierten Vertreter verbleiben.<br />

b) Die gesamte deutsche Handelsflotte, einschl. Schiffsraum<br />

unter Konstruktion oder Reparatur, muß den Alliierten Vertretern für die<br />

von ihnen vorgeschriebene Verwendung zu deren Bedingungen verfügbar ge-<br />

macht werden.<br />

c) Ausländische Handelsschiffe in deutschem Dienst oder unter<br />

deutscher Kontrolle müssen gleichfalls den Alliierten Vertretern für die von<br />

ihnen vorgeschriebene Verwendung und zu deren Bedingungen verfügbar ge-<br />

macht werden. In Fällen, in denen es sich um ausländische Handelsschiffe<br />

handelt, die in einem neutralen Land eingetragen sind, müssen die deutschen<br />

48 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Der zerstörte Schuppen 28 am Petersenkai. Große Teile des Hamburger Hafens lagen nach<br />

Kriegsende in Trümmern.<br />

Behörden alle die von den Alliierten Vertretern benötigten Schritte unternehmen,<br />

um alle diesbezüglichen Rechte an die Alliierten Vertreter zu übertragen<br />

oder die Übertragung zu veranlassen.<br />

d) Jede Unterstellung unter irgendeine andere Flagge, anderen<br />

Dienst oder andere Kontrolle der unter die Unterparagraphen b) und c) oben<br />

fallenden Schiffe ist verboten, soweit sie nicht von den Alliierten Vertretern<br />

angeordnet wird.“<br />

Das kam einem nahezu lückenlosen Betätigungsverbot für<br />

Firmen wie H. <strong>Vogemann</strong> gleich, die ohnedies mit schweren Problemen zu<br />

kämpfen hatten. Mehrmals war im Kriege das gesamte Büro durch Bombeneinwirkung<br />

verloren gegangen; jetzt (seit Oktober 1945) „residierte“ man<br />

in zwei kleinen Zimmern im 2. Stock des beschädigten Bürohauses in der<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

49<br />

Abwurf von Atombomben über<br />

dem Bikini-Atoll im Stillen<br />

Ozean.<br />

In Nürnberg werden die<br />

Todesurteile an zehn Hauptkriegsverbrechern<br />

vollstreckt.<br />

Hermann Göring hat zuvor<br />

Selbstmord begangen.


Abkommen über die<br />

wirtschaftliche Vereini-<br />

gung der US-Zone und der<br />

britischen Besatzungszone<br />

Deutschlands.<br />

Mit dem Vespa-Roller<br />

kommt ein neuer Typ von<br />

Zweirad auf den Markt.<br />

Gründung der Zeitung<br />

„Neues Deutschland“ als<br />

Zentralorgan der SED.<br />

Der Rowohlt Verlag gibt<br />

die ersten Rotationsroma-<br />

ne (rororo) heraus.<br />

Wolfgang Staudte: „Die<br />

Mörder sind unter uns“<br />

(Film mit Hildegard Knef).<br />

1947<br />

Versorgungskrise in West-<br />

deutschland wegen des<br />

langanhaltenden Winters.<br />

US-Außenminister<br />

Marshall kündigt ein<br />

Mönckebergstraße 31. „Man“, das waren Richard <strong>Vogemann</strong>, sein seit 1944<br />

eingetragener Prokurist Johannes Jaensch und der seit 1942 für <strong>Vogemann</strong><br />

tätige Hermann Friedenauer. Hinzu kamen sozusagen außer Haus die beiden<br />

langjährigen Stauervize Hermann Behrendt und Willi Preuss.<br />

Neuanfang unter erschwerten Bedingungen. Betriebsmittel<br />

standen im Grunde fast keine zur Verfügung, denn schon am 4. Juni zuvor<br />

hatte <strong>Vogemann</strong> auf Anordnung der Finance Section der Militärregierung<br />

sämtliche ausländischen Vermögenswerte an die Reichsbankhauptstelle<br />

Hamburg zu melden. Sie wurden in die Urkundenrolle Nr. 1945/1353 einge-<br />

tragen und durch den Notar Dr. Gottfried Wäntig beglaubigt. Kostenpunkt 4<br />

Reichsmark (RM) zuzügl. 2 Prozent Umsatzsteuer, insgesamt also RM 4,08.<br />

Die wenigsten Menschen – meist nicht einmal diejenigen, die<br />

diese Zeit bewusst mitgemacht haben – vermögen sich heute die Bedingun-<br />

gen vorzustellen, unter denen in der unmittelbaren Nachkriegszeit gelebt und<br />

gearbeitet werden musste. Angestellte wie Firmeninhaber hangelten sich von<br />

einem Notbehelf zum anderen, suchten durch Tauschen und „Organisieren“<br />

das Nötigste zu ergattern und bedienten sich, mit wie schlechtem Gewissen<br />

auch immer, notfalls auf dem Schwarzmarkt, sofern sie noch über Tauschbares<br />

verfügten. Vergleichsweise fein raus waren zu Beginn der Zuteilungsperioden<br />

die Nichtraucher, denn mit ihren begehrten Rauchermarken konnten sie<br />

manches sonst nicht Erschwingliche erwerben.<br />

Es fehlte an allem. Das Büro war zunächst nicht einmal heizbar.<br />

Gottlob gelang noch vor Einbruch der kalten Zeit der Einbau eines Ofens,<br />

dessen Abzugsrohr mangels Schornstein durch eine Klappe im Fenster geführt<br />

wurde. Eine schöne Errungenschaft, doch angesichts der dramatischen<br />

Brennstoffknappheit nur dann eine Lösung, wenn man irgendwoher Verfeuerbares<br />

bekam. Die Trümmergrundstücke waren „abgegrast“, die Parks bewacht,<br />

die Wälder zu weit draußen vor der Stadt und außerdem kaum Transportmittel<br />

vorhanden. Wer nicht frieren wollte, musste Gerümpel aus dem eigenen<br />

Keller oder Gesträuch aus dem Garten heranschaffen. Zwar ließ sich das nicht<br />

durchgängig leisten, doch kam das Büro mit einigem Glück und Geschick über<br />

die harten Winter 1945/46 und 1946/47.<br />

Gegen die ständigen Stromabschaltungen hingegen gab es kein<br />

Rezept; die Bürotätigkeit musste immer wieder, manchmal mehrere Stunden<br />

lang, unterbrochen werden. Telefonieren geriet beim notorisch überlasteten,<br />

vom Krieg schwer mitgenommenen Netz zur Glücksache, und Ferngespräche<br />

kamen so gut wie überhaupt nicht zustande. Geringfügige Einkünfte wurden<br />

50 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Richard <strong>Vogemann</strong>. Altersporträt.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

51<br />

Wiederaufbauprogramm<br />

für Europa an (Marshall-<br />

Plan, ERP).<br />

Auflösung des Staates<br />

Preußen.<br />

Die ostdeutschen Minister<br />

verlassen die Münchener<br />

Ministerkonferenz zur<br />

Bildung einer deutschen<br />

Zentralverwaltung.<br />

Kommunistische Parteien<br />

beschließen die Gründung<br />

eines Informationsbüros<br />

(Kominform).<br />

Nach neunjähriger Unterbrechung<br />

findet wieder<br />

ein „Hamburger Dom“<br />

auf dem Heiligengeistfeld<br />

statt.<br />

Kartoffelkäferplage in<br />

Bayern, Schulkinder und<br />

Erwachsenen beteiligen<br />

sich am Kartoffelkäfer-<br />

Suchdienst.<br />

Hein ten Hoff wird<br />

Deutscher Meister im<br />

Boxschwergewicht.<br />

Wolfgang Borchert:<br />

„Draußen vor der Tür“<br />

(Drama).


1948<br />

Ende der Alliierten Viermäch-<br />

teverwaltung (Kontrollrat).<br />

Zollunion zwischen<br />

Belgien, den Niederlanden und<br />

Luxemburg tritt in Kraft.<br />

Der Parlamentarische Rat<br />

beginnt mit der Ausarbeitung<br />

des Grundgesetzes für die<br />

Bundesrepublik Deutschland.<br />

Währungsreform: Einführung<br />

der D-Mark in Westdeutsch-<br />

land.<br />

Gründung der kommunisti-<br />

schen Jugendorganisation<br />

„Junge Pioniere“ in Ost-Berlin.<br />

Die Sowjets blockieren West-<br />

berlin, um die Einführung der<br />

D-Mark zu verhindern.<br />

Die Alliierten richten eine<br />

Luftbrücke zur Versorgung der<br />

Bevölkerung ein.<br />

Eröffnung der Freien<br />

Universität Berlin.<br />

Ausrufung des souveränen<br />

Staates Israel. Beginn des<br />

Krieges mit den arabischen<br />

Nachbarn.<br />

Gründung der Organisation<br />

für europäische wirtschaftli-<br />

che Zusammenarbeit (OEEC).<br />

Ermordung des indischen<br />

Politikers Mahatma Gandhi.<br />

anfangs fast nur durch Aushilfsarbeiten erzielt, wenn etwa unter Mitwirkung<br />

der beiden Stauervize Räumkolonnen gebildet wurden, die bei der Schutt-<br />

und Trümmerbeseitigung zum Einsatz kamen.<br />

Im August 1945 war der Sohn des Chefs, Herbert <strong>Vogemann</strong>,<br />

aus Kriegsgefangenschaft zurückgekommen und wieder „unter die Lebenden“<br />

aufgenommen worden: Das Ortsamt Winterhude, Abteilung Wirtschaft und<br />

Ernährung, „genehmigte“ seine Heimkehr und bescheinigte: „Lebensmittelkarten<br />

können ausgegeben werden.“ Arbeit in der väterlichen Firma gab es<br />

nicht, und das kam den Plänen des jungen Mannes entgegen, der sonst womöglich<br />

gleich eingespannt worden wäre. So konnte er, von Haus aus an allen<br />

Schifffahrtsdingen natürlich hoch interessiert, eine Lehre bei der Firma Carl<br />

Bock & Co. antreten, bei der er schon 1944 als Aushilfe gearbeitet hatte. Die<br />

Prägung, die er dort erfuhr, sollte sich später für das Familienunternehmen<br />

auszahlen.<br />

Erst ein Jahr nach Kriegsende begann sich der Horizont ganz<br />

leicht aufzuhellen: Firmen, die von der Verwaltung für Verkehr des Vereinigten<br />

Wirtschaftsgebietes als „unbedenklich“ eingestuft wurden, und <strong>Vogemann</strong><br />

gehörte zu diesem bevorzugten Kreis, wurden zum Entlöschen und Beladen<br />

August 1945: Das Ortsamt Winterhude bestätigt die Rückkehr<br />

Herbert <strong>Vogemann</strong>s aus der Kriegsgefangenschaft.<br />

52 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Um die Firma wechseln zu dürfen, musste das Arbeitsamt gefragt werden.<br />

ausländischer Schiffe herangezogen, die Hamburg anliefen. Die beiden Vize<br />

Preuss und Behrendt holten sich dafür die erforderlichen Hafenarbeiter „vom<br />

Stall“. So hieß im Hafenjargon die Stelle, wo Hilfskräfte tageweise zu Stauerarbeiten<br />

eingeteilt wurden.<br />

Als „unbedenklich“ konnten natürlich nur Betriebe gelten, die<br />

nicht „braun“ belastet waren. Um das festzustellen, lud der „Fachausschuss 18<br />

d für die Ausschaltung von Nationalsozialisten“ Richard <strong>Vogemann</strong> im Sommer<br />

1946 vor. Die penible Befragung erbrachte keinerlei Anhaltspunkte für<br />

wie auch immer geartete Vorbehalte, und am 5. Mai 1947 hielt <strong>Vogemann</strong> die<br />

Bescheinigung in Händen, nach der seine „Stellung als Inhaber Ihrer Firma<br />

bestätigt“ sei. Weiter hieß es – man konnte ja nicht vorsichtig genug sein – :<br />

„Diese Mitteilung ist widerruflich im Falle anderslautender Entscheidung der<br />

Militärregierung.“<br />

Lockerung der Restriktionen. An eine Wiederaufnahme der<br />

Reederei-Tätigkeit war allerdings noch lange in keiner Weise zu denken.<br />

Gleichwohl war Richard <strong>Vogemann</strong> intensiv darum bemüht, die durch den<br />

Krieg unterbrochenen und beschädigten Verbindungen mit ausländischen<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

53<br />

1949<br />

Das Grundgesetz wird im Parlamentarischen<br />

Rat mit 53 zu 12<br />

Stimmen angenommen. Entscheidung<br />

für Bonn als Hauptstadt der<br />

Bundesrepublik (statt Frankfurt).<br />

Gründung der Bundesrepublik in<br />

den drei Westzonen. In der sowjetisch<br />

besetzten Zone konstituiert<br />

sich die Deutsche Demokratische<br />

Republik (DDR).<br />

Nach dem Sieg über den Nationalisten<br />

Chiang Kai-shek verkündet<br />

Mao Zedong die Gründung der<br />

Volksrepublik China.<br />

Die osteuropäischen Staaten bilden<br />

einen Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe.<br />

Ende der Blockade Westberlins.<br />

Gründung der NATO.<br />

Schaffung des Europarates mit Delegierten<br />

aus zunächst 10 Staaten.


Borgward präsentiert<br />

den ersten vollkommen<br />

neukonstruierten Nach-<br />

kriegs-Personenwagen<br />

(„Hansa 1500“)<br />

C.W. Ceram, „Götter, Gräber<br />

und Gelehrte“ (Geschichte<br />

der Archäologie)<br />

Nach ihrem Sieg bei der<br />

Bürgerschaftswahl führt<br />

die SPD die sechsjährige<br />

Grundschule in Hamburg<br />

ein.<br />

1950<br />

Der französische<br />

Außenminister Schuman<br />

legt den Plan für eine<br />

Montanunion vor.<br />

Beginn des Koreakrieges.<br />

In Paris wird das<br />

Abkommen über die<br />

Europäische Zahlungsunion<br />

(EPU) unterzeichnet.<br />

Erstes Nachkriegs-<br />

Länderspiel der Deutschen<br />

Fußballmannschaft (gegen<br />

die Schweiz).<br />

Geschäftspartnern neu zu knüpfen und Pläne für spätere gemeinsame Pro-<br />

jekte zu erörtern. Insbesondere war ihm an guten Kontakten nach England<br />

und Übersee gelegen; wichtigste Firma dabei war Simpson, Spence & Young<br />

(SSY), die sowohl einen Sitz in London, als auch einen in New York unterhielt.<br />

Auf der Basis solcher Beziehungen wollte <strong>Vogemann</strong> wieder ei-<br />

nen regelmäßigen Dienst zwischen nordeuropäischen und an der Ostküste<br />

der USA gelegenen Häfen eröffnen, sobald die Militärregierung ihre Restrik-<br />

tionen lockern würde. Auf Dauer würden sich deutsche Unternehmen nicht<br />

vom internationalen Seehandel aussperren lassen. Eigene Schiffe kamen<br />

dafür sicher zunächst nicht in Frage, weswegen geplant war, ausländische<br />

Tonnage zu chartern.<br />

Das bestätigte sich, als <strong>Vogemann</strong> unter der Nummer 11/0018<br />

am 1. April 1949 die bis 31. März des Folgejahrs befristete Erlaubnis erhielt<br />

„zur Betätigung im internationalen Handel gemäß Bestimmungen der Anwei-<br />

sung Nr. 11 der JEIA (Joint Export Import Agency)“. Die Firma durfte mithin<br />

wieder als Schiffsagent, Schiffmakler, Reederei und Stauerbetrieb auftreten.<br />

Das war eine Folge des am 1. Januar 1947 erfolgten Zusammenschlusses des<br />

Wirtschaftsraums der britischen und der amerikanischen Besatzungszone<br />

zur so genannten Bizone, im März 1948 durch Hinzutritt der französischen<br />

Besatzungszone zur Trizone erweitert, und der im Juni 1948 durchgeführten<br />

Barkassen bringen Hafenarbeiter zu ihren Arbeitsstätten. Foto von 1951.<br />

54 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Währungsreform, bei der die Reichsmark (RM) von der Deutschen Mark (DM)<br />

abgelöst worden war.<br />

Herbert <strong>Vogemann</strong> tritt ein. Die Handels-Genehmigung konnte<br />

allerdings jederzeit von der Transport Group des BICO (Bipartite Control<br />

Office) im Einvernehmen mit der JEIA oder von der Verwaltung für Verkehr<br />

bei Vorliegen stichhaltiger Gründe widerrufen werden. Entsprechend genau<br />

mussten die Auflagen der JEIA eingehalten werden. Zahlungen für sämtliche<br />

Leistungen des Inhabers im Dienst ausländischer Auftraggeber durften nur<br />

zugunsten des Kontos der Militärregierung geleistet werden. Trotz der strengen<br />

Reglementierungen wurde die Genehmigung als wichtiger Fortschritt<br />

beim Bemühen um mehr Handlungsspielraum für deutsche Unternehmen<br />

gewertet.<br />

Unterdessen hatte der Junior Herbert <strong>Vogemann</strong> sein Lehre als<br />

Schifffahrtskaufmann bei der Firma Carl Bock & Co. erfolgreich abgeschlossen.<br />

Seine erste Stelle fand er bei der Hamburger Zweigstelle der traditionsreichen<br />

englischen Schifffahrts-Agentur Hogg Robinson. Aufgrund seiner<br />

perfekten englischen Sprachkenntnisse orientierte er sich dort rasch und war<br />

zuständig für die Betreuung englischer Schiffe, die vermehrt den Hafen Hamburg<br />

anliefen, weil er in der britischen Besatzungszone lag (Bremerhaven und<br />

Bremen hingegen standen unter US-Kontrolle). Durch Aufenthalte in London<br />

und Montreal vertiefte er seine Erfahrungen, die ihm dann seit 1949 rund<br />

ein Jahr lang bei der Firma Strachan Shipping Agency in New Orleans zugute<br />

kamen. Mit ihr war H. <strong>Vogemann</strong> schon vor dem Krieg freundschaftlich<br />

verbunden gewesen. Ebenso mit dem Unternehmen Glaessel in New York, wo<br />

sich Herbert auch kurze Zeit aufhielt, ehe er die Heimreise antrat.<br />

Im Sommer 1950 trat er in das väterliche Geschäft ein und setzte<br />

sogleich neue Akzente. Er sah, wie intensiv, aber vergeblich der Vater um<br />

Wiederaufnahme der Schifffahrtslinie bemüht war. Die Alliierten schienen<br />

vorerst nicht daran zu denken und würden es vermutlich noch länger nicht<br />

in Erwägung ziehen, wieder deutsche Konkurrenz im Liniendienst zuzulassen.<br />

Als klare Schlussfolgerung daraus ergab sich für Herbert, dass man es wenigstens<br />

fürs Erste mit einer anderen Schwerpunktbildung versuchen sollte:<br />

Die alten, von ihm und vom Vater wieder aktivierten Geschäftsverbindungen<br />

legten es nahe, sich auf die Tätigkeit als Befrachtungsmakler zu konzentrieren.<br />

So einfach freilich war auch das nicht. Der Erfolg hing entscheidend<br />

davon ab, wie rasch man Kontakte knüpfen und auf Änderungen reagie-<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

55<br />

Aufhebung aller Rationierungsmaßnahmen<br />

mit<br />

Ausnahme von Zucker.<br />

Rücktritt von Bundesminister<br />

Heinemann wegen der<br />

geplanten deutschen<br />

Wiederbewaffnung.<br />

In Ost-Berlin wird die<br />

Ruine des Stadtschlosses<br />

gesprengt.<br />

Die Alliierte Hohe Kommission<br />

hebt den Lizenzzwang<br />

für politische Parteien auf.<br />

Eröffnung der ersten<br />

Nachkriegs-Spielwarenmesse<br />

in Nürnberg.<br />

Einmarsch chinesischer<br />

Truppen in Tibet.<br />

1951<br />

Die Bundesrepublik wird<br />

Vollmitglied im Europarat.<br />

Das „Wohnungsbau-<br />

Prämiengesetz“ verschafft<br />

Beziehern kleiner Einkommen<br />

die Möglichkeit,<br />

Eigenheime zu erwerben.<br />

Verleihung des<br />

Friedenspreises des<br />

deutschen Buchhandels<br />

an Albert Schweitzer.


Verbot der kommunistischen<br />

Jugendorganisation FDJ in<br />

der Bundesrepublik.<br />

Einrichtung eines<br />

Zollgrenzbezirks an der<br />

Grenze zur DDR.<br />

Chinesische Truppen greifen<br />

in den Koreakrieg ein.<br />

Skandal um den Film<br />

„Die Sünderin“.<br />

Abkommen über den Inter-<br />

zonenhandel zwischen der<br />

Bundesrepublik und der DDR.<br />

Ernst von Salomon:<br />

„Der Fragebogen“.<br />

1952<br />

Unterzeichnung des Wieder-<br />

gutmachungsabkommens<br />

mit Israel.<br />

Der Bundestag nimmt das<br />

Gesetz über den Lastenaus-<br />

gleich an.<br />

Die sowjetische Regierung<br />

schlägt Abschluss eines<br />

Friedensvertrages mit<br />

Deutschland vor („Stalin-<br />

Note“).<br />

Die Bundesrepublik tritt dem<br />

Internationalen Währungs-<br />

fonds (IWF) bei.<br />

ren konnte. War dies innerhalb der Bundesrepublik schon schwierig aufgrund<br />

des noch längst nicht überall und in der erwünschten Qualität wiederherge-<br />

stellten Fernsprechnetzes, so kam es dauernd zu Problemen bei den für den<br />

Schifffahrtssektor lebenswichtigen Auslandsverbindungen.<br />

Umzug in den Fölsch-Block. <strong>Vogemann</strong> besaß seinerzeit nur<br />

zwei Telefonanschlüsse und bekam auf Herberts dringende Vorstellungen<br />

hin 1950 den ersten Fernschreiber (Telex-Gerät). Doch auch der war, mit ei-<br />

nem schwäbischen Wort gesagt, eher ein Pötäterle (von französisch peut-<br />

être = vielleicht), das mal funktionierte, bisweilen aber auch streikte oder<br />

den Schneckengang einlegte: Wollte man eine ausländische Firma erreichen,<br />

musste Frankfurt angeschrieben werden, von wo oft lange keine Reaktion er-<br />

folgte. Hatte man endlich den Kontakt, musste man die gewünschte Nummer<br />

durchgeben und konnte von Glück sagen, wenn Frankfurt bei deren Erreichen<br />

nach zuweilen erheblichen Wartezeiten zurückrief – für den Geschäftserfolg<br />

keineswegs immer rechtzeitig.<br />

Büro und Büroausrüstung verbesserten sich, als Anfang der<br />

1950er Jahre gegenüber vom Rathaus ein Komplex mit Geschäftsräumen er-<br />

56 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />

Der früh verstorbene<br />

Herbert <strong>Vogemann</strong>.


Im neu errichteten Fölsch-Block am Rathausmarkt konnte die Reederei Büroräume beziehen.<br />

richtet wurde, der so genannte Fölsch-Block (Name nach den Bauherren, den<br />

Erben des Hamburger Kaufmanns H. C. J. Fölsch). <strong>Vogemann</strong> mietete darin<br />

vier Zimmer und stattete sie nach damaligem Standard recht modern aus und<br />

hatte nun sogar vier Telefonanschlüsse. Nur wer das Provisorium in der Mönckebergstraße<br />

kannte, konnte ermessen, was das für ein großer Fortschritt<br />

war. Zwei weitere junge Schifffahrtsleute traten zu dieser Zeit in die Firma ein,<br />

die Herren von Hein und Hinsch.<br />

Die offizielle Arbeitszeit reichte Montags bis Freitags von 9 bis<br />

18 Uhr bei einer Stunde Mittagspause, am Sonnabend nur bis 14 Uhr; seit<br />

1962 erschien am Sonnabend nur noch die halbe Besatzung, 1970 wurde sie<br />

auf einen Befrachter im Notdienst reduziert, und von 1978 an war der letzte<br />

Werktag der Woche arbeitsfrei. Selbstverständlich waren alle Mitarbeiter,<br />

auch die Bürodamen, bereit, Überstunden zu machen, wenn es der Arbeitsanfall<br />

erforderte.<br />

Das war für Gernesser und Kaffeefreunde nicht immer leicht,<br />

weil <strong>Vogemann</strong> senior, der bis in sein letztes Lebensjahr 1969 ins Büro kam,<br />

es nicht schätzte, wenn während der Arbeitszeit gegessen oder Kaffee getrunken<br />

wurde. „Wir sind Schiffsmakler und kein Kaffeehaus!“ stellte er kate-<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

57<br />

Staatsstreich in Ägypten.<br />

König Faruk geht ins Exil.<br />

Explosion der ersten Wasserstoffbombe.<br />

An den Olympischen Spielen<br />

in Oslo und Helsinki nehmen<br />

erstmals wieder deutsche<br />

Sportler teil.<br />

Im Hamburger Springer-<br />

Verlag erscheint das erste<br />

Exemplar der „Bildzeitung“<br />

Der Nordwestdeutsche Rundfunk<br />

beginnt mit Fernsehübertragungen.<br />

Robert Jungk: „Die Zukunft<br />

hat schon begonnen“.<br />

1953<br />

Volksaufstand in der DDR.<br />

Sieg der CDU/CSU bei der<br />

Bundestagswahl.<br />

Verbot der rechtsradikalen<br />

Sozialistischen<br />

Reichspartei (SRP).


Hillary und Tensing bestei-<br />

gen den Mount Everest.<br />

Elisabeth II. wird zur Königin<br />

von England gekrönt.<br />

„Tauwetter“ in der<br />

sowjetischen Führung nach<br />

Stalins Tod.<br />

Das Waffenstillstands-<br />

abkommen von Panmunjom<br />

beendet den Koreakrieg.<br />

Verhaftung des<br />

iranischen Ministerpräsiden-<br />

ten Mossadegh, Rückkehr<br />

des vertriebenen Schahs<br />

Resa Pahlawi.<br />

Veröffentlichung des „Kinsey<br />

Reports“ zum sexuellen<br />

Verhalten der Frau.<br />

1954<br />

Die Unterzeichnung der<br />

Pariser Verträge macht den<br />

Weg frei für die Wiederher-<br />

stellung der Souveränität<br />

der Bundesrepublik.<br />

Der Fall der Festung Dien<br />

Bien Phu besiegelt das Ende<br />

der französischen Kolonial-<br />

herrschaft in Indochina.<br />

Beginn des Krieges um<br />

Algerien.<br />

Mitteilung des Amtsgerichts über den Eintritt Herbert <strong>Vogemann</strong>s als persönlich haftender<br />

Gesellschafter.<br />

gorisch fest, als die Mitarbeiter über die Anschaffung einer Kaffeemaschine<br />

diskutieren wollten. Sie setzten sich letztlich trotz des Widerstands vom Chef<br />

durch, doch Herr <strong>Vogemann</strong> selbst hat nie eine Tasse im Büro getrunken. Dafür<br />

durfte geraucht werden; erst seit den 1980er Jahren war auch das verpönt.<br />

Die neuen Leute und der Junior Herbert unternahmen konzentrierte<br />

Bemühungen, Schiffe zu befrachten. Dabei hielten sie sich schon wegen<br />

der skizzierten Kommunikationsschwierigkeiten vornehmlich an befreundete<br />

deutsche Firmen, die Kohle-, Getreide- oder Erzladungen zu vergeben<br />

hatten. Da deutsche Tonnage so gut wie nicht aufzutreiben war, suchten sie<br />

durch <strong>Vogemann</strong>s alte Verbindungen vor allem in London und New York nach<br />

ausländischem Schiffsraum. Neue Kontakte knüpften sie zu italienischen<br />

Reedern und Maklern, die den interessanten Mittelmeer-Markt gut kannten,<br />

<strong>Vogemann</strong> einige gute Abschlüsse bescherten und mithalfen, die Firma als<br />

bedeutenden Maklerbetrieb zu etablieren.<br />

Herbert <strong>Vogemann</strong>s früher Tod. Mit dem Jahresbeginn 1952<br />

wurde Herbert <strong>Vogemann</strong> Teilhaber der Firma. Durch ausgedehnte Reisen<br />

nach Süd- und Westeuropa bahnte er unermüdlich Geschäftsbeziehungen<br />

58 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Familie <strong>Vogemann</strong> in den frühen 1950er Jahren. Von links nach rechts: Richard <strong>Vogemann</strong>,<br />

Irma <strong>Vogemann</strong>, Herbert <strong>Vogemann</strong>; Renate <strong>Vogemann</strong>, Schwiegersohn Paul Speckter.<br />

an, die geeignet schienen, ihre Stellung zu festigen und auszubauen. Sein<br />

jugendlicher Elan, seine ausgezeichneten Fachkenntnisse und sein gewinnendes<br />

Wesen schufen Vertrauen, wohin er kam. Leider war es ihm nicht vergönnt<br />

selber zu ernten, was er so erfolgreich gesät hatte. Auf der Rückfahrt von<br />

einem Besuch in Italien geriet er am 21. Juni 1954 gegen 20 Uhr mit seinem<br />

Wagen kurz vor der Heimkehr bei Winsen an der Luhe während eines Überholmanövers<br />

auf den Sommerweg neben der Landstraße, verlor die Kontrolle<br />

über die Lenkung und kollidierte mit einem Baum. Man transportierte ihn<br />

zwar noch ins Krankenhaus, doch erlag er unterwegs seinen Verletzungen. Er<br />

wurde 27 Jahre alt.<br />

Wettläufe zur Treuhand. Auf der Basis der Beziehungen und<br />

Aktivitäten von Herbert <strong>Vogemann</strong> konnte die verbliebene Mannschaft aufbauen.<br />

Dabei erwiesen sich die Getreideimporte aus den Vereinigten Staaten<br />

und aus Kanada als große Stütze für das Maklergeschäft. Diese Hilfslieferungen<br />

mussten den alliierten Bestimmungen zufolge über die in Hamburg<br />

ansässige Frachten-Treuhand abgewickelt werden. Diese wiederum war bemüht,<br />

alle Maklerfirmen gleichermaßen zu berücksichtigen und gab daher<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

59<br />

Das Projekt einer Europäischen<br />

Verteidigungsgemeinschaft (EVG)<br />

scheitert..<br />

Die Mannschaft der Bundesrepublik<br />

gewinnt die Fußballweltmeisterschaft<br />

in Bern.<br />

Ernest Hemingway erhält Literaturnobelpreis.<br />

Erster Nachkriegsstart von<br />

Mercedes-“Silberpfeilen“ beim<br />

Großen Preis von Frankreich.<br />

Thomas Mann: „Bekenntnisse des<br />

Hochstaplers Felix Krull“ (Roman).<br />

1955<br />

Die Pariser Verträge werden vom<br />

Bundestag ratifiziert.<br />

Souveränität der Bundesrepublik.<br />

Volksabstimmung im Saarland<br />

entscheidet gegen das französische<br />

Saarstatut.<br />

Bundeskanzler Adenauer<br />

vereinbart bei einem Besuch in<br />

Moskau die Aufnahme diplomatischer<br />

Beziehungen zur Sowjetunion.<br />

Rückkehr der letzten<br />

Kriegsgefangenen.<br />

Die Lufthansa nimmt den Liniendienst<br />

wieder auf.<br />

BMW präsentiert den Kleinwagen<br />

„Isetta“.<br />

Die letzten Besatzungstruppen<br />

verlassen Österreich.


„Tagebuch der Anne Frank“ er-<br />

scheint in Deutschland.<br />

1956<br />

Der XX. Parteitag der KPdSU<br />

verurteilt den Stalinkult.<br />

Die Bundeswehr beruft die ersten<br />

1000 Freiwilligen ein.<br />

Die Volkskammer der DDR<br />

beschließt den Aufbau nationaler<br />

Streitkräfte (NVA).<br />

Verbot der KPD in der<br />

Bundesrepublik.<br />

Volksaufstand in Ungarn gegen<br />

das kommunistische Regime.<br />

Helmut Käutner: „Der Hauptmann<br />

von Köpenick“ (Film mit Heinz<br />

Rühmann)<br />

Landung britischer und französi-<br />

scher Truppen in Ägypten, um die<br />

Kontrolle über den Suez-Kanal<br />

wiederzuerlangen.<br />

Das Saargebiet wird Teil der Bun-<br />

desrepublik.<br />

Untergang des italienischen<br />

Passagierdampfers „Andrea<br />

durch Rundschreiben bekannt, wenn Ladung zum Befrachten anstand und die<br />

Einzelheiten zu einem bestimmten Termin bei ihr abgeholt werden konnten.<br />

Das wurde dann so etwas wie ein Wettlauf zwischen den jungen<br />

Leuten der Maklerfirmen, die zur Treuhand entsandt wurden zwecks Infor-<br />

mation über Umfang, Ziel und andere Details der Getreidelieferung. Diese<br />

Daten mussten dann schnellstmöglich der eigenen Firma übermittelt werden,<br />

damit sich die Kollegen auf die Suche nach geeignetem Schiffsraum begeben<br />

konnten. Einem Lehrling wurde die Rennerei offenbar zuviel, und er ban-<br />

delte mit einer Verkäuferin im Trikotagen-Geschäft neben der Treuhand an;<br />

fortan konnte er von dort die Einzelheiten telefonisch ins Büro durchgeben,<br />

was <strong>Vogemann</strong> immer einen kleinen Vorsprung sicherte. Außerdem kamen<br />

der Firma bei der Suche nach Lademöglichkeiten die vielen guten, ja freund-<br />

schaftlichen Verbindungen zu Reedern im In- und Ausland zugute. Bei Ladun-<br />

gen – Größenordnung gewöhnlich um die 10.000 Tonnen –, die nach Hamburg<br />

bestimmt waren, konnte <strong>Vogemann</strong> in vielen Fällen auch die Klarierung der<br />

Schiffe übernehmen, was sich als recht einträgliches Geschäft erweisen sollte.<br />

Richard <strong>Vogemann</strong> hatte nach dem Krieg nie die Hoffnung auf-<br />

gegeben, seine Firma auch wieder als Reederei zu etablieren. Es zeigte sich,<br />

dass seine Vermutung, die Alliierten würden deutsche Reeder nicht auf Dauer<br />

am Betreiben von Seeschiffen hindern, richtig war. In dem Maß, in dem<br />

die Deutschen als Verbündete wichtig wurden, lockerten die Westmächte auf<br />

vielen Gebieten die zunächst sehr strikten Beschränkungen. Im Gefolge des<br />

Washingtoner Abkommens aus dem April 1949, das den Nordatlantikpakt<br />

(NATO) begründete, fielen auch einige restriktive Bestimmungen hinsichtlich<br />

des Neubaus und des Ankaufs von Schiffen. Deutschen Reedern wurde für die<br />

Folgejahre in gewissen Grenzen der Erwerb von zum Verkauf stehender ausländischer<br />

Tonnage gestattet.<br />

Obwohl Herr <strong>Vogemann</strong> damals schon 64 Jahre alt war, sah<br />

er sich endlich in der Lage, ein Reedereigeschäft mit eigenen Schiffen aufzubauen.<br />

Und er erhielt von der befreundeten traditionsreichen Hamburger<br />

Maklerfirma Daniel Milberg auch gleich einen sehr interessanten Tipp: Das<br />

1922 bei der Deutschen Werft gebaute Motorschiff „Tiradentes“ wurde auf<br />

dem Markt angeboten. Die Deutsche Bank aber, mit der <strong>Vogemann</strong> damals in<br />

erster Linie zusammenarbeitete, zeigte kein oder doch nur marginales Interesse,<br />

einen Ankauf zu finanzieren.<br />

Erstmals wieder Schiffseigner. Positiver reagierte hingegen<br />

die Leitung der Schifffahrtsabteilung der Hamburgischen Landesbank. Vo-<br />

60 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


gemann konnte unter Aufbietung aller persönlichen Mittel in Verhandlungen<br />

mit dem Schiffseigner, der Firma Wilhelm Wilhelmsen im norwegischen<br />

Tønsberg am Oslofjord, eintreten. Man war sich relativ rasch einig, und nach<br />

Erlangung der Ankaufserlaubnis von der Alliierten Hohen Kommission konnte<br />

das Geschäft am 16. August 1950 rechtswirksam abgeschlossen werden. Für<br />

einen Preis von 110.000 Pfund Sterling (DM 1.378.620,79) ging die „Tiradentes“<br />

an <strong>Vogemann</strong> über und erhielt den Namen „Vogtland“; die feierliche Übernahme<br />

fand im Oktober 1950 statt. Gäste und Eignerfamilie konnten schon<br />

auf der Anfahrt dazu in einer Hamburger Tageszeitung lesen, wie das abgelaufen<br />

sei, was doch erst an Festivitäten und Formalitäten bevorstand. Die<br />

Presse war schon damals zuweilen ihrer Zeit voraus.<br />

Die Tragfähigkeit des Schiffes betrug rund 9200 t als „open<br />

shelterdecker“ (Freidecker) mit drei Decks in Luke 1 und 2, „deeptanks“ mittschiffs<br />

in Luke 3 und einem Zwischendeck in Luke 4 und 5. Die „MS Vogtland“<br />

war vorübergehend das größte Handelsschiff unter deutscher Flagge, weil es<br />

zu den ersten überhaupt gehörte.<br />

Im Jahr 1950 herrschte ein fester Befrachtungsmarkt, und <strong>Vogemann</strong><br />

gelang es, das Schiff zu einer Spitzenrate für eine Fernost-Rundreise<br />

auf Zeitcharter zu schließen. Obwohl das Schiff vom Vorbesitzer hervorragend<br />

gehalten worden und ohne Vorbehalte im Besitz aller Zertifikate der<br />

Klassifikationsgesellschaft Lloyd’s Register war, kam es bei der Ausreise zu<br />

MS „Vogtland“ im Hamburger Hafen.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

61<br />

Doria“ nach Kollision mit der<br />

schwedischen „Stockholm“<br />

vor New York.<br />

Friedrich Dürrenmatt: „Der<br />

Besuch der alten Dame“<br />

(Drama).<br />

1957<br />

In der Bundesrepublik tritt<br />

die Rentenreform in Kraft.<br />

Bei den Wahlen zum Bundestag<br />

erringt die CDU/CSU<br />

unter Konrad Adenauer die<br />

absolute Mehrheit.<br />

Erster deutscher Kernreaktor<br />

der TH München in Garching<br />

in Betrieb.<br />

In Rom werden die Verträge<br />

über den Gemeinsamen<br />

Markt (EWG) und die Europäische<br />

Atomgemeinschaft<br />

(EURATOM) unterzeichnet.<br />

Die DDR-Volkskammer beschließt<br />

die Einführung der<br />

45-Stunden-Woche. Einige<br />

bundesdeutsche Betriebe<br />

führen sie gleichfalls ein.<br />

Das US-Repräsentantenhaus<br />

billigt die sog. Eisenhower-<br />

Doktrin zur Sicherung des


Mittleren Ostens gegen<br />

das Vordringen des<br />

Kommunismus.<br />

Die Sowjets starten den<br />

künstlichen Erdsatelliten<br />

„Sputnik“.<br />

Gesellschaftsskandal um die<br />

Ermordung der Frankfurter<br />

Edelprostituierten Rosemarie<br />

Nitribitt.<br />

Untergang des Segelschul-<br />

schiffs „Pamir“ in einem<br />

Hurrikan im Südatlantik.<br />

1958<br />

Proteste gegen die<br />

Aufrüstung der Bundeswehr<br />

mit Atomwaffen.<br />

In der Kleinindustrie und<br />

der Landwirtschaft der<br />

DDR wird der Zusammen-<br />

schluss zu Produktions-<br />

genossenschaften forciert.<br />

Fidel Castro stürzt die<br />

Regierung Batista<br />

in Kuba.<br />

einem Malheur: Eine Pleuelstange des einen Hauptmotors löste sich, und die<br />

„Vogtland“ musste mit der zweiten Hauptmaschine Antwerpen als Nothafen<br />

anlaufen. Die zeitaufwendige Reparatur wurde dort bei der Firma Mercantile<br />

Marine Engineering & Graving Dock Co. vorgenommen. Natürlich versuchte<br />

<strong>Vogemann</strong> durch seinen technischen Inspektor Curt M. Johns im Wege der<br />

Gewährleistung die Firma Wilhelmsen in Haftung zu nehmen. Leider ohne<br />

Erfolg.<br />

MS „Vogtland“. So mussten die Kosten ebenso geschluckt wer-<br />

den wie die Tatsache, dass wegen der Dauer der Reparaturen der Zeitcharterer<br />

absprang und den Vertrag für nichtig erklärte. Ein herber Rückschlag. Her-<br />

bert <strong>Vogemann</strong> schätzte damals: „Wenn wir die gebuchte Rundreise hätten<br />

durchführen können, wäre der Kaufpreis für das Schiff schon auf der ersten<br />

großen Fahrt weitgehend reingeholt worden.“ So musste es nach der Reparatur<br />

auf dem freien Markt neu geschlossen werden. Es machte in der Folgezeit<br />

etliche Reisen mit Getreide vom La Plata nach Norden oder transportierte<br />

Schiffsmessbrief für<br />

MS „Vogtland“.<br />

62 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Die „Vogtland“ am Getreidespeicher Mackprang.<br />

Kohle von Hampton Roads (Wasserweg im US-Staat Virginia mündend in die<br />

Chesapeake Bay) zur Hamburg-Antwerp-Range (Sammelbezeichnung für die<br />

großen nordeuropäischen Häfen Hamburg, Bremerhaven, Amsterdam, Rotterdam,<br />

Antwerpen und Zeebrügge entlang der Nordseeküste). Eine langfristige<br />

Zeitcharter aber war zu guten Raten nicht zu erreichen.<br />

<strong>Vogemann</strong> erlebte mit seinem ersten Schiff manche Abenteuer.<br />

Nur zwei Beispiele: Auf einer Reise vom La Plata hatte es außer Fracht auch<br />

Passagiere an Bord, nämlich zehn Nonnen. Das Schiff geriet in so schlechtes<br />

Wetter und entsprechend schwere See, dass selbst der Erste Offizier ausfiel.<br />

Die Nonnen aber banden nur ihre Hauben fester, beteten, sangen und überstanden<br />

die Reise munter und gesund in ungetrübtem Gottvertrauen. Wenig<br />

später geriet die „Vogtland“ auf ähnlicher Route ins Randgebiet eines Hurrikans.<br />

Der Kapitän drahtete seine Position und fügte hinzu: „Lenzen in schwerer<br />

See“. Auf <strong>Vogemann</strong>s Rückfrage, wo sich der Wassereinbruch denn ereignet<br />

habe, gab es zunächst Verwirrung. Wasser sei nirgends eingebrochen. Die<br />

Landratten im Büro begriffen erst nach einigem Hin und Her, dass Seeleute<br />

mit „lenzen“ auch ein Manöver benennen, bei dem das Heck sicherheitshalber<br />

gegen den schweren Seegang gedreht wird. 1955 hätte die „Vogtland“ Klasse<br />

machen müssen (Voraussetzung für die Verlängerung der Betriebsgenehmigung).<br />

In den Jahren nach 1950 waren sowohl die technischen Anforderungen<br />

als auch die Ansprüche an den Komfort für die Mannschaften gewachsen.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

63<br />

Syrien und Ägypten schließen<br />

sich zur Vereinigten Arabischen<br />

Republik (VAR) zusammen.<br />

Aufstand der Algerienfranzosen<br />

gegen die Pariser<br />

Regierung.<br />

Der Rockstar Elvis Presley<br />

absolviert einen Teil seines<br />

Militärdienstes in Deutschland.<br />

Die sowjetische Regierung<br />

kündigt den Viermächtestatus<br />

Berlins.<br />

Mit der „Lex Soraya“ wird<br />

versucht, die Berichterstattung<br />

über das persische Kaiserpaar<br />

und andere Prominente<br />

einzudämmen.<br />

Werner Heisenberg präsentiert<br />

seine „Weltformel“.<br />

Kurt Hoffmann:<br />

„Wir Wunderkinder“ (Film).<br />

1959<br />

Die SPD beschließt im „Godesberger<br />

Programm“ die Abkehr<br />

vom Marxismus.<br />

Das Saarland wird wirtschaftlich<br />

an die Bundesrepublik<br />

angegliedert.<br />

Das Passagierschiff<br />

„Bremen“ tritt seine<br />

Jungfernfahrt nach<br />

New York an.


64 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Motorschiff „Vogtland“<br />

Das Modell der MS „Vogtland“ steht heute in der Eingangshalle<br />

des Reedereigebäudes in der Hamburger Hallerstraße. 1950 in<br />

<strong>Vogemann</strong>s Besitz gelangt, war die „Vogtland“ ex „Tiradentes“<br />

zeitweilig das größte Schiff unter deutscher Flagge. Im Nachkriegsdeutschland,<br />

das fast die gesamte Handelstonnage verloren hatte,<br />

zählte ein 9.200-Tonner schon eine ganze Menge.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

65


De Gaulle wird Staatspräsident<br />

in Frankreich.<br />

Gründung der Europäischen<br />

Freihandels-Assoziation (EFTA)<br />

in Stockholm.<br />

Günstige Wetterbedingungen<br />

bescheren den deutschen<br />

Winzern einen<br />

„Jahrhundertwein“.<br />

Das Segelschulschiff „Gorch<br />

Fock“ der Bundesmarine läuft<br />

zur ersten Fahrt aus.<br />

Mit der Ausgabe von Preussag-<br />

Aktien beginnt die<br />

Privatisierung von Teilen des<br />

Bundesvermögens.<br />

Der Schah von Persien, Resa<br />

Pahlawi, heiratet in dritter Ehe.<br />

Günter Grass:<br />

„Die Blechtrommel“ (Roman).<br />

1960<br />

Bei den Olympischen Spielen in<br />

Squaw Valley (Winter)<br />

und Rom (Sommer) tritt<br />

eine gesamtdeutsche<br />

Mannschaft an.<br />

Der Bundestag billigt<br />

die Privatisierung des<br />

Volkswagenwerks.<br />

In der Bundesrepublik endet<br />

die Zwangsbewirtschaftung<br />

des Wohnraums.<br />

Verkauf der „Vogtland“. Dem allen Rechnung zu tragen, wäre<br />

sehr ins Geld gegangen, und Richard <strong>Vogemann</strong> entschloss sich daher, die<br />

Klassearbeiten für das fast dreieinhalb Jahrzehnte alte Schiff nicht durchfüh-<br />

ren zu lassen, sondern die „Vogtland“ zu veräußern. Der Zufall wollte es, dass<br />

eben zu diesem Zeitpunkt das British Ministry of Transport and Civil Aviation<br />

in London ein altes, aber noch fahrtüchtiges Schiff suchte.<br />

Es kam zu Verhandlungen, bei denen <strong>Vogemann</strong> das sprich-<br />

wörtliche Angebot gemacht wurde, das man nicht ablehnen kann. Die Fir-<br />

ma trennte sich von der „Vogtland“ zum Fabelpreis von 140.000 Pfund Ster-<br />

ling (= DM 1.638.000). Bedingung war: „The vessel shall be delivered safely<br />

afloat under her own power with windlass winches anchors and cables in<br />

good working order.” Das war gewährleistet, und am 19. Dezember 1955 wur-<br />

de das Schiff übergeben. Preis und Konditionen deuteten daraufhin, dass an<br />

eine Verschrottung nicht gedacht war. Was das Ministerium mit ihm vorhatte,<br />

blieb <strong>Vogemann</strong> unbekannt. In die Welt gesetzte Gerüchte aber, wonach<br />

die „Vogtland“ irgendwo im Atlantik mit „nuclear waste material“ (Atommüll)<br />

versenkt worden sei, entbehren jeder Grundlage. Nicht nur der gute Preis<br />

für die „Vogtland“ war ein Trostpflaster für die Trennung, sondern auch der<br />

glückliche Umstand, dass <strong>Vogemann</strong> zu Beginn des gleichen Jahres ein weiterer<br />

Kauf geglückt war. Erneut war es die Firma Daniel Milberg, die den<br />

Kontakt zum Verkäufer Wilhelm Wilhelmsen herstellte. Der wollte die „Temeraire“<br />

abgeben, ein 1927 auf der französischen Werft Chantiers de Penhoët in<br />

Saint-Nazaire gebautes Schiff mit einer Tragfähigkeit von 9420 t. Es war wie<br />

die „Vogtland“ in Linienfahrt, vor allem nach Indien, eingesetzt gewesen und<br />

brachte es mit zwei Hauptmaschinen von zusammen 7200 PS auf 13 Knoten<br />

Geschwindigkeit.<br />

Die Kaufverhandlungen mit der Reederei Wilhelmsen führte<br />

Richard <strong>Vogemann</strong> persönlich zusammen mit Herrn Schmüser von der Firma<br />

Milberg in Oslo. Die Finanzierung wurde ihm dadurch erleichtert, dass<br />

Wilhelmsen aufgrund der guten Erfahrungen mit dem Käufer bereit war,<br />

eine Hypothek von 35.000 Pfund zu 4 Prozent p.a. (jährlich) zu gewähren.<br />

Am 3. Januar 1955 stand der Kaufvertrag zum Preis von 140.000 Pfund Sterling<br />

(= DM 1.646.000), Ablieferung wurde zum 28. Januar in Göteborg vereinbart.<br />

Kritik aus der deutschen Reederschaft. Das Schiff erhielt den<br />

neuen Namen „Vogesen“ und wurde vom Verkäufer für eine Indien-Rundreise<br />

zu 25 Shilling pro Tonne und Monat auf Zeitcharter genommen. Da-<br />

66 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


nach transportierte das Schiff überwiegend in der Atlantikfahrt Kohle von<br />

Hampton Roads nach Europa und mit Getreide vom La Plata zu den Häfen der<br />

Hamburg-Antwerp-Range. Über die Hamburger Frachten-Treuhand, die alle<br />

Befrachtungen von Getreide nach Deutschland vornahm, wurden <strong>Vogemann</strong><br />

fünf Folgereisen auf dieser Route angeboten. Die Firma griff zu, denn die Raten<br />

lagen recht günstig, und das Schiff war so über längere Zeit mit absolut<br />

sicheren Charterern beschäftigt; der relativ kleine Abschlag, den <strong>Vogemann</strong><br />

wegen der großen Anzahl von fünf Reisen auf die derzeit gültige Rate hinnehmen<br />

musste, fiel da nicht ins Gewicht.<br />

Teile der deutschen Reederschaft kritisierten das Geschäft<br />

scharf, zumal während der Abwicklung der Reisen die Frachtraten sanken, die<br />

„Vogesen“ aber weiter zu gleichbleibender Rate fahren konnte. Das steigerte<br />

die Neidempörung noch und führte zu Forderungen, <strong>Vogemann</strong> solle eine<br />

oder gar mehrere der noch anstehenden Reisen „subletten“ (weitervergeben).<br />

Darauf ging <strong>Vogemann</strong> bei sich verschlechterndem Markt verständlicherweise<br />

nicht ein.<br />

Natürlich gab es auch technische Probleme: Die annähernd<br />

dreißig Jahre alten Hauptmaschinen mit ihren Archaloff-Pumpen machten<br />

Die „Vogesen“ (früher „Temeraire“) fuhr seit Anfang 1955 für <strong>Vogemann</strong>.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

67<br />

Abschuss eines US-Aufklärungsflugzeuges<br />

über sowjetischem<br />

Territorium (U-2-Affäre).<br />

Erster französischer Kernwaffenversuch<br />

in der Sahara.<br />

Die ehemalige Kolonie Belgisch-<br />

Kongo erklärt sich zur unabhängigen<br />

Republik.<br />

Bei den Präsidentschaftswahlen<br />

in den USA siegt der Demokrat<br />

John F. Kennedy über den<br />

Republikaner Richard Nixon.<br />

Armin Hary läuft Weltrekord über<br />

100 Meter (10,0 Sek.).<br />

Erster Auftritt der Beatles im<br />

„Indra“ in Hamburg.<br />

1961<br />

Der Bundestag verabschiedet<br />

Gesetze zur Lohnfortzahlung im<br />

Krankheitsfall und zur Förderung der<br />

Vermögensbildung für Arbeitnehmer<br />

(312-DM-Gesetz).<br />

Der Bau der Berliner Mauer riegelt den<br />

Ostsektor der Stadt hermetisch ab.


Konfrontation amerikanischer<br />

und sowjetischer Panzer<br />

am Berliner Grenzübergang<br />

„Checkpoint Charly“.<br />

Staatsvertrag für das Zweite<br />

Deutsche Fernsehen (ZDF).<br />

Erster bemannter Raumflug<br />

mit dem russischen Astronauten<br />

Juri Gagarin.<br />

Ein Landeunternehmen<br />

von Exilkubanern scheitert<br />

in der Schweinebucht an der<br />

Südküste Kubas.<br />

Der Prozess gegen den nach<br />

Israel entführten ehemaligen<br />

SS-Obersturmbannführers<br />

Adolf Eichmann endet<br />

mit einem Todesurteil.<br />

In der DDR werden Stalin-<br />

Straßen umbenannt und Denk-<br />

mäler des Diktators entfernt.<br />

Die Bundesrepublik schließt mit<br />

der Türkei eine Anwerbeverein-<br />

barung für Gastarbeiter.<br />

Die Sowjetunion bringt eine<br />

60-Megatonnen-Wasserstoff-<br />

bombe zur Explosion.<br />

1962<br />

Norddeutschland wird von einer<br />

Flutkatastrophe betroffen, in<br />

Hamburg kommen 315 Men-<br />

schen ums Leben.<br />

allerhand Ärger, weil sie manchmal nur schwer ansprangen. In kritischen Si-<br />

tuationen konnte das äußerst gefährlich werden. So musste die „Vogesen“ bei<br />

einer Getreide-Reise vom La Plata nach Emden kurz vor dem Ziel bei Borkum<br />

vor Anker gehen, weil bei besonders schwerer See und auflandigem Sturm ein<br />

Einlaufen in den Hafen nicht zu verantworten war.<br />

Bei dem heftigen Schwell aber brachen beide Ankerketten und<br />

das Schiff drohte auf die Insel zuzutreiben. Trotz unermüdlichen Bemühens<br />

sprangen die Hauptmaschinen nicht an. Die Pressluft zum Anlassen ging<br />

schließlich bedrohlich zur Neige, so dass die Aussicht darauf, das Schiff mit<br />

Maschinenkraft manövrierfähig zu machen, rapide schwand. In dieser Bedrängnis<br />

forderte der Kapitän einen Seenotrettungskreuzer an, der äußerstenfalls<br />

die Besatzung hätte übernehmen können.<br />

Die Anfrage fing der Bergungsschlepper „Wotan“ von der Bugsier-,<br />

Reederei- und Bergungs-AG auf, der hinter Borkum lag und sofort auslief,<br />

um die „Vogesen“ zu bergen. Es kam tatsächlich eine Verbindung zustande,<br />

doch führten unglückliche Manöver in der schweren See zum Reißen der<br />

Leine, so dass die „Vogesen“ steuerungsunfähig liegen blieb. Es wurde bereits<br />

mit dem Verlust des Schiffes und seiner Ladung gerechnet, als endlich doch<br />

eine der Hauptmaschinen ansprang, so dass vielleicht doch noch der Hafen<br />

zu erreichen sein würde. Der Kapitän, der mit neuen Störungen rechnen<br />

musste, bat die „Wotan“ deswegen um Geleit bis Emden. Das wurde mit dem<br />

„Vogesen“ beim Beladen.<br />

68 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


USS „Des Moines“, der Kreuzer, mit dem die „Vogesen“ beinahe kollidiert wäre.<br />

Bescheid barsch abgelehnt, die Bugsier sei ein Bergungsunternehmen und<br />

kein Schleppdienst. So mussten aus Emden drei Schlepper gerufen werden,<br />

die die „Vogesen“ an ihren Löschplatz begleiteten.<br />

Beinah-Kollision mit einem US-Kreuzer. Ein anderes Mal sollte<br />

das Schiff Kohle in der Region von Hampton Roads laden und musste dafür<br />

in der Bucht von Norfolk (US-Bundesstaat Virginia) ankern, wo die sehr umfangreichen<br />

amerikanischen Zoll-Formalitäten zu erledigen waren. Erst dann<br />

bekam der Kapitän die Genehmigung zum Einlaufen. Da die „Vogesen“ während<br />

der Abfertigung vor Anker geschwojt hatte, musste sie zum Einlaufen<br />

hart backbord drehen. Die Steuerbord-Maschine sprang gleich voll voraus<br />

an, doch die Backbord-Maschine wollte partout nicht in Gang kommen, die<br />

dafür eingesetzte Pressluft verknallte durch den Schornstein. Dabei war es<br />

notwendig, dass die Maschine zum Drehen des Schiffes nach backbord voll<br />

rückwärts lief.<br />

Zum Schrecken aller war genau um diese Zeit das 21.000-Tonnen-<br />

US-Kriegsschiff „Des Moines“ aus Norfolk ausgelaufen und fuhr mit ziemlichem<br />

Tempo Richtung See, direkt auf die „Vogesen“ zu. Noch war die Entfernung stattlich,<br />

doch für ein Ausweichmanöver oder gar für ein Stoppen des Gun Cruisers<br />

(Schweren Kreuzers) war es schon zu spät. Machtlos sah man auf der Brücke das<br />

Ungetüm auf sich zukommen, während unter Deck fieberhaft versucht wurde, die<br />

Backbord-Maschine in Gang zu bekommen. Um es kurz zu machen: Noch gerade<br />

rechtzeitig sprang die bockige Maschine an, und die „Des Moines“ mit ihren neun<br />

20,3-cm-Geschützen in Drillingstürmen rauschte riesig an der „Vogesen“ vorbei,<br />

die nur noch das Kielwasser abkriegte.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

69<br />

Die Vereinbarungen über<br />

die Lateinamerikanische<br />

Freihandelszone (LAFTA)<br />

treten in Kraft.<br />

Eröffnung des Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils zur<br />

Reform der katholischen<br />

Kirche.<br />

Die Kubakrise endet mit dem<br />

Abbau der sowjetischen<br />

Raketenbasen auf der Insel.<br />

Prozess gegen Vera Brühne,<br />

die beschuldigt wird, ihren<br />

Geliebten und dessen<br />

Haushälterin ermordet zu<br />

haben.<br />

Die Bundesregierung<br />

verhängt ein Exportverbot<br />

für Stahlröhren in die Sowjetunion<br />

(Röhren-Embargo).<br />

Einführung der allgemeinen<br />

Wehrpflicht in der DDR.<br />

„Spiegel-Affäre“:<br />

Durchsuchung der<br />

Redaktionsräume und<br />

Verhaftung von Redakteuren,<br />

die angeblich Landesverrat<br />

begangen haben.<br />

In Hamburg wird der<br />

„Starclub“ eröffnet, in dem<br />

u.a. die Beatles auftreten.


1963<br />

Der Freundschaftsvertrag zwischen<br />

der Bundesrepublik und Frankreich<br />

tritt in Kraft.<br />

Profumo-Skandal in England: Der<br />

Verteidigungsminister stürzt wegen<br />

Ableugnens einer Beziehung zum<br />

Callgirl Christine Keeler.<br />

Bundeskanzler Adenauer<br />

tritt zurück. Nachfolger wird<br />

der Wirtschaftsminister<br />

Ludwig Erhard.<br />

Das Moskauer<br />

Atomtestabkommen tritt in Kraft.<br />

Die Sowjetunion und China<br />

brechen ihre Verhandlungen<br />

über die Generallinie des<br />

Weltkommunismus ab.<br />

Ermordung des vietnamesischen<br />

Diktators Diem.<br />

Ermordung des US-Präsidenten<br />

Kennedy in Dallas (Texas).<br />

Marika Kilius und Hans-Jürgen<br />

Bäumler werden in Cortina<br />

d’Ampezzo Weltmeister im<br />

Eiskunstlauf der Paare.<br />

Rolf Hochhuth:<br />

„Der Stellvertreter“ (Drama).<br />

MS „Vogelsberg“. Eine Aufnahme vom Juni 1960.<br />

Gegen Ende der 1950-er Jahre waren durch das Schiffbaupro-<br />

gramm etliche Neubauten von 10.000 t und mehr auf den Markt gekommen.<br />

Diese Schiffe waren auf dem neuesten Stand der Technik und fuhren im Ver-<br />

gleich zur „Vogesen“, die 36 Mann Besatzung hatte, mit wesentlich weniger<br />

Personal. <strong>Vogemann</strong>s Schiff war überaltert und eine Modernisierung zu teuer,<br />

wenn sie denn überhaupt zu bewerkstelligen gewesen wäre. Schweren Her-<br />

zens musste sich die Reederei von ihrem zweiten Schiff trennen und verkaufte<br />

es Ende 1958 zum Verschrotten an die Eisen und Metall KG Lehr & Co.<br />

Hatte Richard <strong>Vogemann</strong> die ersten beiden Schiffe aus einer<br />

guten Einschätzung der Frachtenlage heraus erworben („Vogtland“ in der<br />

Korea-Krise, „Vogesen“ bei krisenhafter Entwicklung in Nahost), so leiteten<br />

ihn und seine Firma beim dritten Kauf andere Motive: Die „Vogtland“ war, wie<br />

geschildert, zu einem so guten Preis wieder verkauft worden, dass der Ge-<br />

winn nur dann nicht voll steuerlich zu Buche schlüge, wenn <strong>Vogemann</strong> in ein<br />

weiteres Schiff investierte. Ähnlich verhielt es sich mit dem für die „Vogtland“<br />

aufgenommenen „Wiederaufbau-Darlehen“ von DM 390.000, die zur Rückzahlung<br />

fällig würden, wenn der Betrag nicht auf einen Neuerwerb zu übertragen<br />

war; das Bundesverkehrsministerium hatte einer solchen Übertragung<br />

ausdrücklich zugestimmt. <strong>Vogemann</strong> „parkte“ daher die Summe auf einem<br />

„Verwahrkonto“ zur Freigabe bei Ankauf eines Schiffes.<br />

Es sollte möglichst ein etwas moderneres Schiff erworben werden,<br />

als das bei den beiden anderen der Fall war. Mitte 1956 erhielt <strong>Vogemann</strong><br />

einen Tipp des Maklers Ansgar Jensen in Oslo, dass die E.B. Aaby Reederi,<br />

ebenfalls ansässig in Oslo, das Motorschiff „Peik“ am Markt anbiete. Es han-<br />

70 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


delte sich um ein 1938 auf der Lindholmens Varw AB in Göteborg (englisch:<br />

Gothenburg) gebauten Frachter für Stückgut, insbesondere vorzüglich geeignet<br />

zum Transport von Schnittholz; Tragfähigkeit 3980 t. Hinzu kam, dass die<br />

„Peik“ auf Zeitcharter bis Ende 1957 von der Firma Paal Wilson im norwegischen<br />

Bergen zur Traumrate von 56/6 Shilling per ton und Monat genommen<br />

worden war. Der Charterer hatte keinen Einwand gegen einen Besitzerwechsel,<br />

vorausgesetzt natürlich, es handelte sich wieder um einen erstklassigen<br />

Reeder.<br />

All diese Umstände motivierten <strong>Vogemann</strong>, die „Peik“ anzukaufen,<br />

obwohl seinerzeit der Markt für Tonnage aus zweiter Hand sehr hoch<br />

war. Am 30. November 1956 war man sich handelseins, und die „Peik“ ging<br />

als „Vogelsberg“ für 260.000 Pfund Sterling (= DM 3.059.000) an <strong>Vogemann</strong>;<br />

die Übernahme war vereinbart im irischen Cork zu Jahresbeginn 1957. In der<br />

Folgezeit wickelte das Schiff unter Führung von Kapitän Bergmann, ehemals<br />

Erster Offizier auf der „Vogtland“, und dem Ersten Ingenieur Harz, ehemals<br />

Zweiter Ingenieur auf der „Vogtland“, die Zeitcharter für Paal Wilson ab. Team<br />

und Schiff bewährten sich, der Auftrag verlief ohne Störungen.<br />

Dann aber kam das dicke Ende. Der Frachtenmarkt war im<br />

Herbst 1957 völlig zusammengebrochen. Zwar wollte Paal Wilson das Schiff<br />

für eine weitere Rundreise chartern, doch das Angebot von 25/- Shilling per<br />

ton und Monat deckte nicht einmal mehr die Kosten. Verzweifelt bemühte<br />

sich <strong>Vogemann</strong> um anderweitige Befrachtung. Vergeblich. Wilsons Angebot<br />

für eine nächste Reise musste notgedrungen doch noch akzeptiert werden.<br />

Anschließend musste <strong>Vogemann</strong> die „Vogelsberg“ wieder auf dem freien<br />

Markt verchartern, der immer noch sehr schlecht war. Das Schiff fuhr viel<br />

im Stückgut-Dienst nach Mittelamerika, auf Einzelreise wie auf Zeitcharterbasis.<br />

Und natürlich fuhr es auch oft Schnittholz von Finnland, was aufgrund<br />

der erwähnten sehr guten „intakes“ des Schiffes wenigstens einen schmalen<br />

Profit brachte.<br />

Keine Fahrerlaubnis. Ende 1961 verkaufte <strong>Vogemann</strong> die „Vogelsberg“<br />

an Messrs. Nissille et Soini Oy. in Helsinki mit Ablieferung im Februar<br />

1962. Die Käufer machten zur Bedingung: „Delivery to be effected with<br />

engine survey passed, hull survey due.” Preis: 82.000 Pfund Sterling (knapp<br />

1 Million DM). Das „Memorandum of Agreement“ war von beiden Seiten gezeichnet.<br />

Zu <strong>Vogemann</strong>s Entsetzen verweigerte Lloyd’s Register in Piombino<br />

(Provinz Livorno) dem Schiff kategorisch die Weiterreise wegen erhebli-<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

71<br />

1964<br />

Ankunft des millionsten Gastarbeiters<br />

in der Bundesrepublik.<br />

Konstituierung des<br />

Sachverständigenrates zur<br />

gesamtwirtschaftlichen<br />

Entwicklung („Fünf Weise“).<br />

Das erste atomgetriebene<br />

Frachtschiff Europas, die „Otto<br />

Hahn“, läuft vom Stapel.<br />

KPdSU-Parteisekretär und Ministerpräsident<br />

Nikita Chruschtschow<br />

wird aus allen Ämtern entlassen.<br />

Der US-Senat schafft mit der<br />

„Tonkin-Resolution“ die Grundlage<br />

für ein massives Eingreifen in den<br />

Vietnam-Krieg.<br />

Cassius Clay wird durch einen Sieg<br />

über Sonny Liston Boxweltmeister<br />

im Schwergewicht.<br />

Der Bürgerrechtler Martin Luther<br />

King erhält den Friedensnobelpreis.


In der Volksrepublik China<br />

wird die erste Atombombe<br />

gezündet.<br />

Sergio Leone begründet mit<br />

seinem Film „Für eine Hand-<br />

voll Dollar“ (Hauptdarsteller:<br />

Clint Eastwood) das Genre des<br />

Italo-Western.<br />

Peter Weiss: „Die Verfolgung<br />

und Ermordung Jean Paul<br />

Marats“ (Drama).<br />

1965<br />

Im Frankfurter Auschwitz-<br />

Prozess werden die Urteile<br />

gegen ehemalige SS-<br />

Angehörige gesprochen.<br />

Der Rat der Evangelischen<br />

Kirche in Deutschland veröf-<br />

fentlicht die Denkschrift „Zur<br />

Lage der Vertriebenen und<br />

zum Verhältnis Deutschlands<br />

zu seinen östlichen Nachbarn“.<br />

Gesetz zur Vermögens-<br />

bildung in Arbeitnehmerhand<br />

(„624-Mark-Gesetz“).<br />

Die US-Armee eröffnet<br />

den Bombenkrieg gegen<br />

Nordvietnam.<br />

Die DDR-Zeitung „Neues<br />

Deutschland“ startet eine<br />

Kampagne gegen den<br />

Liedermacher Wolf Biermann.<br />

cher Mängel am „hull“ (Rumpf). <strong>Vogemann</strong>s Inspektor Johns reiste an die tos-<br />

kanische Küste und wollte sich vor Ort darum bemühen, dass der „Vogelsberg“<br />

nicht die Fahrterlaubnis entzogen würde. Vergeblich. Das Schiff erhielt keine<br />

Fahrterlaubnis ohne Klasse, wodurch der Kaufvertrag hinfällig wurde. Damit<br />

stand die Reederei vor dem Dilemma, das Schiff doch noch Klasse machen zu<br />

lassen oder es zu verschrotten. Letzteres allerdings hätte wegen der auf dem<br />

Schiff liegenden Belastungen (einschließlich des „Wiederaufbau-Darlehens“)<br />

einen schweren Verlust bedeutet. Andererseits war es unmöglich, in Piombi-<br />

no Klasse zu machen.<br />

<strong>Vogemann</strong> verhandelte mit etlichen Werften in Europa, was<br />

auch deswegen sehr schwierig war, weil man eine Firma finden musste, die<br />

eine Streckung der Bezahlung für die Reparaturen akzeptierte. Wieder kam<br />

<strong>Vogemann</strong> die Mercantile Marine Engineering & Graving Dock Co. in Antwer-<br />

pen aufgrund guter alter Verbindungen sehr entgegen. In langen Verhand-<br />

lungen mit der Klassifikationsgesellschaft und den Hafenbehörden erreichte<br />

72 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />

Flaggenzeugnis für<br />

MS „Vogelsberg“.


Ein Besatzungsmitglied hielt Bilder von seinen Fahrten mit MS „Vogelsberg“<br />

fest: Durchfahrt durch den Panamakanal.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

73<br />

Demonstrationen gegen den<br />

Bildungsnotstand in der<br />

Bundesrepublik.<br />

Die Bundesrepublik nimmt<br />

diplomatische Beziehungen zu<br />

Israel auf.<br />

Deutscher Kinostart des James-<br />

Bond-Films „Goldfinger“.<br />

1966<br />

In der Bundesrepublik wird der<br />

Schuljahrsbeginn von Ostern<br />

auf den 1. August verlegt.<br />

Nach dem Bruch des<br />

Regierungsbündnisses von<br />

CDU/CSU und FDP bilden Union<br />

und SPD eine Große Koalition<br />

unter Bundeskanzler<br />

Kurt Georg Kiesinger.<br />

Frankreich tritt aus der<br />

NATO aus.<br />

Bei der Fußball-WM verliert<br />

die deutsche Mannschaft im<br />

Endspiel 2:4 gegen England.<br />

Spielentscheidend ist dabei<br />

die Anerkennung eines<br />

zweifelhaften Treffers für<br />

England in der Verlängerung.<br />

Herausforderer Karl Mildenberger<br />

unterliegt beim<br />

Weltmeisterschaftsboxkampf<br />

gegen den Titelverteidiger<br />

Cassius Clay.


An den westdeutschen<br />

Universitäten erproben die<br />

Studenten neue Formen<br />

der politischen Aktion (Sit-in,<br />

Go-in, Teach-in).<br />

1967<br />

Beim Besuch des Schahs in Berlin<br />

wird der Student Benno Ohnesorg<br />

von einem Polizisten erschossen.<br />

Die Bundesrepublik nimmt<br />

diplomatische Beziehungen<br />

zu Rumänien auf und<br />

verabschiedet sich damit von<br />

der „Hallstein-Doktrin“, nach der<br />

keine Beziehungen zu Staaten<br />

unterhalten werden sollten, die<br />

die DDR anerkennen.<br />

Sechstagekrieg Israels gegen seine<br />

arabischen Nachbarn. Sperrung<br />

des Suez-Kanals für die internati-<br />

onale Schifffahrt.<br />

In den USA kommt es zu blutigen<br />

Rassenunruhen.<br />

Die Unabhängigkeitserklärung<br />

der nigerianischen Provinz Biafra<br />

löst einen Bürgerkrieg aus.<br />

Der Internationale Weltraum-<br />

vertrag sichert allen Nationen<br />

freie Nutzung des Weltalls zu.<br />

Mit Oswalt Kolles „Wunder der<br />

Liebe“ beginnt eine Serie von<br />

Aufklärungsfilmen.<br />

MS „Vogelsberg“ im Hafen von Vancouver.<br />

Johns schließlich, dass die „Vogelsberg“ in Ballast nach Antwerpen versegeln<br />

durfte.<br />

Ein Käufer für MS „Vogelsberg“. Die Mercantile führte die not-<br />

wendigen Reparaturen aus, so dass die Klasse wieder gegeben war. Allerdings<br />

erwies es sich wegen der allgemeinen Frachtenlage als nicht sinnvoll, das<br />

Schiff weiter zu beschäftigen. Mit einigen Mühen fand <strong>Vogemann</strong> einen Käufer,<br />

die Firma Johanship Oy. im finnischen Vasa, der bereits das Schwesterschiff<br />

„Pan“ der Ex-„Peik“ gehörte. Sie knüpfte den Kauf aber an die Bedingung: „The<br />

vessel has been inspected in drydock whilst completing classification works<br />

and accepted thereafter. Therefore the sale becomes definite.” Der Preis „fully<br />

classed” betrug 75.000 Pfund Sterling (rund DM 900.000).<br />

Nach verlustreichem Betrieb und Verkauf der „Vogelsberg“ en-<br />

dete vorerst das Reedereigeschäft der Firma H. <strong>Vogemann</strong>. Es sollten dreiein-<br />

halb Jahrzehnte vergehen, ehe eine neue Generation in der Geschäftsführung<br />

einen Neuanfang wagte.<br />

Bis dahin blieb es bei der Orientierung auf das Befrachtungs-<br />

geschäft, in dem <strong>Vogemann</strong> in den 1950/60er Jahren gute Erfolge erzielte<br />

74 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Reedersorgen<br />

Ende 1961 brachte der „Spiegel“ einen langen, mit den<br />

üblichen Bosheiten gespickten Artikel über die Nöte der<br />

deutschen Reeder, die sich mit der Bitte um Subventionen<br />

an Bundeskanzler Adenauer gewandt hatten. <strong>Vogemann</strong>s<br />

Flagge war auf der Titelseite mit abgebildet, die Reederei<br />

wird zwar namentlich nicht genannt, aber dass <strong>Vogemann</strong><br />

im folgenden Jahr sich von seinem letzten Schiff<br />

trennte und längere Zeit dem Reedereigeschäft fernblieb,<br />

passt zum Tenor des Artikels. Hier ein Auszug:<br />

„Die westdeutschen Reeder sind die Spätheimkehrer<br />

zur See“, so begründete der Direktor des<br />

Unter den Reedereiflaggen, die Norddeutschen Lloyd; Richard Bertram – Chef der größ-<br />

die Titelseite des „Spiegel“ zieren,<br />

ten deutschen Schiffahrtsgesellschaft –, die Hilfsbedürf-<br />

findet sich auch die der Reederei<br />

<strong>Vogemann</strong>.<br />

tigkeit der Reeder. „Erst seit 1951 können wir uns wieder<br />

im internationalen Geschäft betätigen. Solange lagen wir<br />

an der Kette der Besatzungsmächte, und in letzter Zeit sind wir immer mehr in eine<br />

wirtschaftliche Flaute hineingeraten.“<br />

„Es ist betrüblich“, bedauerte Bertram, „daß es nur für das physikalische<br />

Auf und Ab der See Tabletten gibt, während für die wirtschaftliche Seekrankheit<br />

derartige Linderungsmittel nicht gefunden wurden.“<br />

Die Reeder verlangen von Bonn mindestens für die nächsten zwei Jahre<br />

- Staatszuschüsse und<br />

- zinsbillige Kredite.<br />

Sie wollen genauso wie die Grüne Front und der Bergbau als subventionsreife<br />

Stiefkinder der freien Marktwirtschaft anerkannt werden und betätigten<br />

sich in Bonn als Heulbojen, die immer wieder dasselbe Leidmotiv ertönen ließen:<br />

„Schiffahrt in Not. Rettet uns vor dem Ruin.“<br />

Unermüdlich drückten die Schiffahrtsunternehmer die SOS-Taste, um<br />

auch die Skeptiker zu überzeugen, „daß die meisten Reeder nicht leben und nicht<br />

sterben können“ – so motiviert der Geschäftsführer des Reederverbandes, Dr. Hans<br />

Georg Röhreke, die vielen Bonn-Reisen und Interpellationen der Vorstandsmitglieder.<br />

Zum Beweis ihrer Existenznot zitieren die Reeder ein Gutachten der<br />

Deutschen Revisions- und Treuhand AG, in dem nachgewiesen wird, daß 80 bis 90<br />

Prozent aller Reeder während der letzten Jahre buchmäßig mit Verlust fuhren, das<br />

heißt, ihre Einnahmen deckten höchstens die Betriebsausgaben, wie Heuer, Treibstoff,<br />

Schiffsversicherung und den Unternehmerlohn, den sich die Reeder selbst bewilligen.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

75<br />

1968<br />

Nach dem Mordanschlag<br />

auf den Studentenführer<br />

Rudi Dutschke kommt es<br />

in vielen deutschen Städten<br />

zu Unruhen.<br />

Mai-Unruhen in<br />

Frankreich gegen die<br />

Regierung Pompidou.<br />

Für kurze Zeit verbrüdern<br />

sich Studenten und Arbeiter.<br />

Tet-Offensive der<br />

Vietcong gegen die<br />

Amerikaner in<br />

Südvietnam.<br />

Ende des „Prager Frühlings“<br />

durch eine Invasion der sozialistischen<br />

„Bruderstaaten“.<br />

Beginn des „Contergan-<br />

Prozesses“ gegen<br />

leitende Angestellte des<br />

Pharmaproduzenten<br />

Grünental.<br />

Einführung der Mehrwertsteuer<br />

in der Bundesrepublik.


In der EWG tritt der<br />

Gemeinsame Zolltarif<br />

in Kraft.<br />

Siegfried Lenz:<br />

„Deutschstunde“ (Roman).<br />

1969<br />

Erste Landung eines<br />

Menschen auf dem Mond<br />

(Programm „Apollo 11“).<br />

Charles de Gaulle<br />

tritt nach einem<br />

Referendum mit negativem<br />

Ausgang zurück.<br />

Gustav Heinemann (SPD)<br />

löst Heinrich Lübke (CDU)<br />

als Bundespräsident ab.<br />

Nach der Bundestagswahl<br />

vereinbaren SPD und FDP eine<br />

sozialliberale Koalition.<br />

Mit Willy Brandt wird<br />

erstmals ein Sozialdemokrat<br />

Bundeskanzler.<br />

Die westdeutschen<br />

Kultusminister vereinbaren<br />

Schulversuche mit Ganztags-<br />

und Gesamtschulen.<br />

Unterzeichnung des<br />

Kernwaffensperrvertrages<br />

in Moskau; keine Atomwaffen<br />

für die Bundesrepublik.<br />

R.W. Fassbinder:<br />

„Katzelmacher“ (Film).<br />

und sich einen Ruf als zuverlässiger Schiffsagent erwarb. Immer mehr aus-<br />

ländische Reedereien übertrugen <strong>Vogemann</strong> die Abfertigung ihrer Schiffe in<br />

Hamburg. Sie konnten sich darauf verlassen, dass korrekt abgerechnet und<br />

dass alle Rabatte und Skonti, die <strong>Vogemann</strong> als Agent erhielt, den Prinzipa-<br />

len gutgeschrieben wurden. Nicht ohne Stolz erzählen bis heute Vogemänner<br />

immer wieder gern von der Anfrage eines ausländischen Reeders bei einer<br />

Maklerfirma in London. Der Mann wollte wissen, ob H. <strong>Vogemann</strong> bei „freight<br />

payable at destination“ sicher genug sei, die Seefracht zu kassieren und die<br />

Konnossements danach freizugeben. Die Antwort des englischen Vertrauens-<br />

manns: „<strong>Vogemann</strong> is as safe as the Bank of England“ – damals der Gipfel der<br />

Verlässlichkeit.<br />

<strong>Vogemann</strong> kümmerte sich allerdings nicht nur um Klarierung,<br />

sondern nahm sich auch anderer Tätigkeitsfelder an. So war das Haus als<br />

Buchungsagent für ausländische Reedereien aktiv; zu den Kunden gehörten<br />

die Linien Deen Shipping, Silver Line, Naviera del Odiel und Compañia Sud-<br />

americana de Fletes, deren Schiffe regelmäßig Hamburg anliefen und für die<br />

<strong>Vogemann</strong> Stückgüter (liner parcels) buchte. Diese immer wiederkehrenden<br />

Buchungen waren anfänglich eine solide Grundlage zur Erhaltung des Ge-<br />

schäfts, obschon weiterhin die Hauptaktivität auf der Befrachtung lag. Voge-<br />

mann bemühte sich stets darum, alle Kundenwünsche zu erfüllen, auch wenn<br />

es sich dabei manchmal um höchst exotische Aufgaben handelte. Dazu nur<br />

ein Beispiel:<br />

Captain Chivers von der eben genannten Reederei Deen Shipping<br />

führte u.a. den 11.000-Tonner „Exdeen“ mit einer Besatzung aus dem<br />

indischen Goa, die sich aus Angehörigen diverser Hindu-Glaubensrichtungen<br />

zusammensetzte. Jede dieser Sekten hatte ihren eigenen Koch an Bord, der<br />

die entsprechenden Speisevorschriften kannte und einhielt. Einer dieser Köche<br />

fiel aus nicht mehr erinnerlichen, vermutlich gesundheitlichen Gründen<br />

eines Tages aus, und seine Kollegen weigerten sich, für die betroffene Gruppe<br />

zu kochen. Chivers wandte sich an seinen Agenten <strong>Vogemann</strong>, der wiederum<br />

beim Konsulat vorstellig wurde, so dass nach zwei Tagen tatsächlich ein geeigneter<br />

Koch gefunden war. Auf die Liegekosten für die beiden verlorenen<br />

Tage nahm der Captain keine Rücksicht; am Seelenheil seiner Leute war ihm<br />

mehr gelegen.<br />

Beziehungen zu den großen Getreidehäusern. Die von Herbert<br />

<strong>Vogemann</strong> geknüpften und gefestigten Verbindungen wurden nach seinem<br />

Tod weiter gepflegt durch etliche Reisen und Besuche von Befrachtern wie<br />

76 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


den Herren Hinsch und von Hein bei den ausländischen Firmen. Dadurch<br />

erweiterte sich das Netz der Kontakte, wobei für <strong>Vogemann</strong> die reichen Erfahrungen<br />

in der Befrachtung insbesondere von Getreide eine große Rolle<br />

spielten. Wohl zu allen großen Getreidehäusern in Genf, Lausanne und Paris,<br />

um nur einige Haupthandelsplätze zu nennen, unterhielt <strong>Vogemann</strong> beste<br />

Beziehungen. So suchte die Compagnie de Change International in Paris unter<br />

Leitung von Isaac Pinto laufend Tonnage, und <strong>Vogemann</strong> vermittelte dem Unternehmen<br />

unzählige Schiffe von 10.000 und mehr Tonnen. Hierbei kam den<br />

Hamburgern die gute Verbindung zur Società Ligure di Armamento (Ligurian<br />

Shipowning Co.) in Genua zugute. Deren Geschäftsführer Dottore Centore<br />

achtete peinlich darauf, dass seine Schiffe immer vorbildlich gehalten wurden.<br />

<strong>Vogemann</strong> konnte mit den fünf Frachtern „Ercta“, „Tideo“, „Fineo“, „Sirio“<br />

und „Atrea“ erstklassige Tonnage für drei Jahre Zeitcharter an den Pariser<br />

Kunden vermitteln. Dessen Tochterfirma in Hamburg, die Hanimex, kaufte<br />

damals einen Ölbrenner (Bezeichnung für Schiff mit Dieselantrieb) mit einem<br />

enormen Kubikraum. Dieses Schiff, „George M.“ genannt, vertraute die Compagnie<br />

de Change <strong>Vogemann</strong> zur Verwaltung an. Es fuhr nur eigene Ladung,<br />

so dass für <strong>Vogemann</strong> keine Befrachtungsaufgaben anfielen.<br />

Die vermehrten sich weiter, weil <strong>Vogemann</strong> mit der Zeit nicht<br />

nur Getreide, sondern auch Zucker, Zement und andere Massengüter unterbrachte.<br />

In den 1960-er Jahren betraf das vor allem Stahl, der einen Boom<br />

erlebte. Das rief neue Reedereien auf den Plan, mit denen <strong>Vogemann</strong> ins<br />

Geschäft kam. Manchmal freilich auch nur vorübergehend, wenn ein Kunde<br />

meinte, sich über Ratschläge von <strong>Vogemann</strong> hinwegsetzen zu sollen. So einer<br />

war J. Willi Siems mit seiner Speedy International Shipping Company, für<br />

die viele Schiffe auf Zeitcharter befrachtet wurden. Siems buchte Stahl nach<br />

Häfen in den USA, allerdings zu Dumping-Raten. Auf Vorhaltungen, dass die<br />

Folgekosten im Zielland sich erst recht spät niederschlügen und außerdem<br />

ziemlich hoch seien, reagierte er nicht. Das böse Erwachen kam mit den Endabrechnungen<br />

aus den USA. Zu spät begriff Siems, dass nicht nur die Chartermiete,<br />

sondern stets auch die nicht unerheblichen Hafen- und Beladungskosten<br />

zu berücksichtigen sind. <strong>Vogemann</strong>s Warnungen aber hatte er ignoriert<br />

und musste daher schließlich sein „Geschäft“ mit Verlust aufgeben.<br />

Andere waren da einsichtiger, griffen gern auf die Erfahrungen<br />

des Befrachters zurück und überließen <strong>Vogemann</strong> nach einer gewissen Zeit<br />

der Zusammenarbeit ihre Tonnage oder ihre Ladungen sogar ganz zur exklusiven<br />

Befrachtung. In besonders erfreulicher Erinnerung ist da A. C. Neleman<br />

in Rotterdam, dessen Schiffsnamen mit „...singel“ endeten. Das bezieht sich<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

77<br />

1970<br />

Bundeskanzler Brandt<br />

trifft sich in Erfurt mit dem<br />

DDR-Ministerpräsidenten<br />

Stoph.<br />

An der innerdeutschen<br />

Grenze werden die<br />

ersten Selbstschussanlagen<br />

montiert.<br />

Abschluss eines<br />

deutsch-sowjetischen<br />

Gewaltverzichtvertrages und<br />

eines Vertrages mit Polen<br />

über die Normalisierung der<br />

gegenseitigen Beziehungen.<br />

Thor Heyerdahl überquert<br />

mit seinem Papyrusboot<br />

„Ra II“ den Atlantik.<br />

Gesetz über die<br />

Gleichstellung nichtehelicher<br />

Kinder in der<br />

Bundesrepublik.<br />

Der sowjetische Dissident<br />

Alexander Solschenizyn<br />

erhält den<br />

Literaturnobelpreis.


1971<br />

Erich Honecker löst Walter<br />

Ulbricht im Amt des 1. Sekretärs<br />

des ZK der SED ab.<br />

Viermächteabkommen über<br />

Berlin garantiert den<br />

ungehinderten zivilen Verkehr von<br />

Personen und Gütern zwischen der<br />

Bundesrepublik und Westberlin.<br />

Wiederaufnahme des<br />

Telefonverkehrs zwischen Ost-<br />

und Westberlin.<br />

Der Bundestag verabschiedet<br />

ein neues<br />

„Städtebauförderungsgesetz“.<br />

Willy Brandt erhält<br />

den Friedensnobelpreis.<br />

In Uganda gelangt<br />

Idi Amin durch einen Militär-<br />

putsch an die Macht.<br />

Einweihung des Assuan-<br />

Staudammes zur Nilregulierung.<br />

Mit einer Protestaktion gegen<br />

US-Atomversuche beginnt<br />

die Umweltschutzorganisation<br />

Greenpeace ihre Arbeit.<br />

Die Bundesbahn eröffnet<br />

zwischen 33 Großstädten einen<br />

regelmäßigen Intercity-Verkehr.<br />

Walter Kempowski:<br />

„Tadellöser & Wolff“ (Roman).<br />

Zu Paul Speckters<br />

Vorfahren<br />

gehört der<br />

bekannte Hamburger<br />

Maler<br />

Otto Speckter<br />

(1807–1871),<br />

hier auf einer<br />

frühen Fotografie.<br />

Daneben<br />

sein Gemälde<br />

„Kirchgang in<br />

Alt-Rahlstedt“.<br />

auf die niederländische Bezeichnung von Straßen, die entlang von ehemali-<br />

gen Befestigungen oder Gräben verlaufen: „Statensingel“, „Coolsingel“, „Pro-<br />

venierssingel“ und andere.<br />

Herbert <strong>Vogemann</strong> hatte im Geschäft eine empfindliche Lücke<br />

hinterlassen. Sein Vater Richard war bemüht, sie zu schließen, und nahm im<br />

September 1954 seinen dreißigjährigen Schwiegersohn Paul Speckter als per-<br />

sönlich haftenden Gesellschafter in die OHG auf. Das bewies Mut und Men-<br />

schenkenntnis, denn Speckter war ausgebildeter Versicherungsmakler und<br />

Exportkaufmann, verfügte aber allenfalls über rudimentäre Kenntnisse von<br />

den Aufgaben eines Schiffsmaklers. Er war zuletzt bei der Firma Georg Dun-<br />

cker tätig gewesen, die sich in erster Linie mit Schiffsversicherungen beschäf-<br />

tigte. Insofern brachte Speckter ein gewisses Maß an Beziehungen zu Reede-<br />

reien mit, zu deutschen und weniger intensiv auch zu einigen ausländischen.<br />

Die fehlenden Erfahrungen sollte er nach sechsmonatiger Ein-<br />

arbeitung bei <strong>Vogemann</strong> durch einen Aufenthalt in England bei der schon<br />

eingangs erwähnten befreundeten Firma Simpson, Spence & Young (SSY) ge-<br />

winnen. Es kam aber anders, denn Richard <strong>Vogemann</strong>, damals schon siebzig<br />

Jahre alt, brauchte dauerhafte Unterstützung vor Ort und mochte den jungen<br />

Schwiegersohn nicht so lange entbehren. Hinzu kam, dass Richard sehr ok-<br />

78 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


kupiert war durch seine Pläne für den Erwerb und den Betrieb eigener Schiffe,<br />

so dass er für das Makler-Tagesgeschäft kaum Zeit fand. Speckter blieb nur<br />

der autodidaktische Weg des Lernens durch Praxis, wofür er sich allerdings<br />

nach Unterstützung umschaute:<br />

Er fand sie 1955 in Gestalt des erfahrenen Schifffahrtskaufmanns<br />

Hans-Dieter Westendorf, der die Befrachtungsabteilung der Deutschen<br />

Afrika-Linien/ John T. Essberger geleitet hatte. Außerdem engagierte Speckter<br />

zwei weitere junge Leute mit Maklererfahrung, die Westendorf und ihm<br />

zuarbeiteten. Neben dem allgemeinen Befrachtungsgeschäft, aus dem keine<br />

besonders spektakulären Vorgänge erinnerlich sind, beruhten <strong>Vogemann</strong>s<br />

Erfolg und Einkommen in großem Maße auf Agententätigkeit, insonderheit<br />

auf Buchungen von Stückgütern und auf der Betreuung von Hamburg anlaufenden<br />

ausländischen Schiffen. Leider verabschiedete sich Herr Westendorf<br />

schon nach nur einem knappen Jahrzehnt plötzlich wieder. Er hatte eine beachtliche<br />

Erbschaft gemacht und beabsichtigte, als Bauunternehmer tätig zu<br />

werden; sein Fernziel war ein Jurastudium. Obwohl Paul Speckter inzwischen<br />

längst mit allen Maklerwassern gewaschen war, verlangte das angewachsene<br />

Geschäftsvolumen nach Ersatz für Westendorf. Nach etlichen Gesprächen<br />

mit jungen Bewerbern gelang 1964 die Verpflichtung von Herrn Ulrich Prüss,<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

79<br />

1972<br />

Misstrauensvotum der CDU/<br />

CSU gegen Bundeskanzler<br />

Brandt scheitert.<br />

Bei den vorgezogenen<br />

Bundestagswahlen wird die<br />

SPD stärkste Fraktion.<br />

Der Grundlagenvertrag mit<br />

der DDR wird unterzeichnet.<br />

Während der Olympischen<br />

Sommerspiele in München<br />

verüben palästinensische<br />

Terroristen einen Anschlag<br />

auf das Quartier der<br />

israelischen Sportler.<br />

„Blutsonntag“ von<br />

Londonderry: Britische<br />

Fallschirmjäger erschießen<br />

13 nordirische Katholiken.<br />

Verhaftung der RAF-Terroristen<br />

Andreas Baader, Holger<br />

Meins und Jan-Carl Raspe.<br />

Bobby Fisher (USA) wird<br />

Schachweltmeister.<br />

Heinrich Böll erhält den<br />

Nobelpreis für Literatur.


1973<br />

Die Bundesrepublik und die<br />

DDR werden Mitglieder der<br />

Vereinten Nationen.<br />

Die DDR lehnt<br />

Wiedergutmachungs-<br />

zahlungen gegenüber<br />

Israel ab.<br />

Der Prager Vertrag zwischen<br />

der Bundesrepublik und der<br />

Tschechoslowakei hebt das<br />

Münchener Abkommen von<br />

1938 auf.<br />

Anwerbestopp für<br />

Gast arbeiter in der Bundes-<br />

republik.<br />

Der zivile Ersatzdienst wird<br />

dem Wehrdienst gesetzlich<br />

gleichgestellt.<br />

Jom-Kippur-Krieg der<br />

arabischen Staaten gegen<br />

Israel. Die Öllieferungen an<br />

westliche Staaten werden ein-<br />

geschränkt. Vorübergehende<br />

Fahrverbote auf bundesdeut-<br />

schen Autobahnen.<br />

Ulrich Plenzdorf: „Die neuen<br />

Leiden des jungen Werthers“<br />

(Schauspiel).<br />

Joachim C. Fest: „Hitler“<br />

(Biographie).<br />

der bei seinem Arbeitgeber, der relativ kleinen Maklerfirma W. Vollert & Co.,<br />

keine ausreichende Basis für seine vielseitigen Ideen als Schiffsmakler und –<br />

was ihm besonders am Herzen lag – als Reeder sah.<br />

Verpflichtung von Ulrich Prüss. Mit Leidenschaft engagierte<br />

sich Prüss bei <strong>Vogemann</strong>, wobei ihm seine ausgezeichneten Fachkenntnisse<br />

zugute kamen. Nach seinem Eintritt konnte die Firma die Befrachtungser-<br />

träge beachtlich steigern. Lag das Ergebnis auf diesem Sektor 1965 noch bei<br />

DM 380.000, so stieg es 1966 auf DM 420.000 und im Folgejahr bereits auf<br />

DM 622.000. Das war natürlich nicht nur Prüssens Verdienst, sondern Ergebnis<br />

immer besserer Teamarbeit, an der die Befrachter Jochen Lüdemann und<br />

später Reinhard Westphal ebenso Anteil hatten wie Gesellschafter Speckter.<br />

Es bewährten sich dabei zudem die intensiv gepflegten Beziehungen zu Fir-<br />

80 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />

Muster eines<br />

Charterbriefes<br />

von 1969.


men wie Atlantic Shipping, Spliethoff, Nidera Handelscompagnie, Conti-Lines,<br />

Peter Cremer, Krohn (Thai Europe Tapioca Service), Panchaud Frères, A.C. Neleman,<br />

Toepfer, Hansa Hout und manchen anderen. Neue Kontakte wurden<br />

geknüpft zu Inflot Moscow, Polish Ocean Line, Mahart Shipping und einigen<br />

weiteren.<br />

Natürlich gab es auch Pannen und Rückschläge. Gabriel Rybier<br />

(sprich: Rübjéh), Chef der Rotterdamer Firma Blaesberg, hatte durch <strong>Vogemann</strong>s<br />

Vermittlung ein Schiff des Reeders Hans Edwin Reith für sechs Monate<br />

gechartert. Rybier zahlte selten fristgerecht. Reith saß damit auf nicht unerheblichen<br />

Mietforderungen und bat Herrn Speckter, mit ihm nach Rotterdam<br />

zu reisen und dort bei Blaesberg das Bestmögliche herauszuholen. Bei der<br />

Ankunft wurde beiden gesagt, Herr Rybier sei in einer wichtigen Besprechung,<br />

man möge sich gedulden. Reith entdeckte in dem Raum, wo er mit Speckter<br />

warten sollte, ein Telefon und ein Verzeichnis mit den internen Nummern,<br />

auch der von Rybier. Kurz entschlossen wählte Reith sie; Rybier meldete sich<br />

sofort. „Wenn Sie nicht umgehend hier erscheinen, Herr Rybier“, polterte<br />

Reith los, „dann lasse ich den ganzen Laden hochgehen.“ Prompt tauchte der<br />

Geschäftsführer auf und versprach, einen Teil der ausstehenden Miete durch<br />

Der geplatzte Reith-Wechsel von 1975.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

81<br />

1974<br />

Bonn und Ostberlin richten<br />

wechselseitig<br />

„Ständige Vertretungen“ ein.<br />

„Guillaume-Affäre“ führt zum<br />

Rücktritt Willy Brandts. Nachfolger<br />

als Bundeskanzler wird<br />

Helmut Schmidt.<br />

In der Bundesrepublik wird die<br />

Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre<br />

herabgesetzt.<br />

Im VW-Werk Wolfsburg rollt der<br />

letzte „Käfer“ vom Band.


Eröffnung der Köhlbrandbrücke<br />

in Hamburg.<br />

US-Präsident Nixon tritt wegen<br />

der Watergate-Affäre zurück.<br />

Muhammad Ali (vormals<br />

Cassius Clay) gewinnt gegen<br />

den Titelträger George Foreman<br />

die Boxweltmeisterschaft im<br />

Schwergewicht.<br />

Deutschland wird mit einem<br />

2:1 über die Niederlande<br />

Fußballweltmeister.<br />

1975<br />

Mao Zedong empfängt<br />

Franz-Josef Strauß als ersten<br />

offiziellen Besucher aus der<br />

Bundesrepublik.<br />

Das Bundesverfassungsgericht<br />

lehnt die Reform des<br />

Abtreibungsparagraphen<br />

218 ab.<br />

Die Deutsche Bank kauft<br />

ein Daimler-Benz-Aktienpaket<br />

von Flick und verfügt damit<br />

über 57,5 Prozent der<br />

Daimler Benz AG.<br />

Wiederöffnung des<br />

Suez-Kanals.<br />

In Helsinki wird die KSZE-<br />

Schlussakte unterzeichnet.<br />

Riesige Waldbrände in<br />

Niedersachsen.<br />

Bankabtretung zu bezahlen. Für den weit größeren Rest allerdings stellte er<br />

bloß einen Wechsel aus. Bitter fragte Reith seinen Schuldner, welchen Wert<br />

denn so ein Papier habe. Rybier entgegnete lachend: „Wechsel sind immer so-<br />

viel wert wie die Unterschrift darauf.“ Auf der Rückreise prophezeite Speckter,<br />

dass Reith den Betrag getrost in den Schornstein schreiben könne. Darauf-<br />

hin schenkte ihm Reith den Wechsel, der erwartungsgemäß platzte. Speckter<br />

machte sich dann den Spaß und schickte Reith mit einem herzlichen Dan-<br />

keschön ein antiquarisch erworbenes Bündel Inflationsgeld in der Höhe der<br />

fraglichen Summe. Seitdem herrschte bestes Einvernehmen zwischen Voge-<br />

mann und Reith. Rybiers Firma Blaesberg ging übrigens bald darauf Konkurs.<br />

Wie schon angedeutet, war für Prüss die Bereederung oder der<br />

Erwerb von Schiffen ein Hauptanliegen. Er stellte dazu Herrn Busch ein, der<br />

sich fast ausschließlich mit der Durchkalkulation von am Markt angebotenen<br />

Schiffen beschäftigte. 1968 machte Prüss eine Reise nach Finnland, nachdem<br />

<strong>Vogemann</strong> zwei Leonhardt-Schiffe mit der Finnlines Oy., die „Finnleonhardt“<br />

(21 Monate) und die „Finnheide“ (ebenfalls 21-24 Monate) geschlossen hatte.<br />

In Helsinki erfuhr Prüss, dass die schwedische Reederei Wallenius drei Bulk-<br />

carrier (Massengutfrachter) von 36.000 t Tragfähigkeit bei der Inflot Moscow<br />

gebucht hatte zum Bau bei der Leninwerft in Leningrad. Außerdem hatte Wallenius<br />

eine Option auf ein viertes solches Schiff, von der die Firma jedoch<br />

keinen Gebrauch machen wollte.<br />

Es stand also ein Schiff einer ausgefeilten Reihe von Neubauten<br />

zum Ankauf, und Prüss bemühte sich sogleich bei Inflot Moscow um den<br />

Erwerb des frei gewordenen Frachters. Bei einem Preis von 22 Millionen DM<br />

war der Ankauf seitens <strong>Vogemann</strong>s zwar nicht realistisch, doch verhandelte<br />

Prüss unter der Formel „for account of whom it may concern“. Inflot ging darauf<br />

widerspruchslos ein und machte feste Kaufofferten. Ein namentlich nicht<br />

mehr erinnerlicher Anwalt mit Büro in der Hamburger Esplanade hörte von<br />

<strong>Vogemann</strong>s Verhandlungen, nahm Kontakt auf und erklärte, er verfüge über<br />

Verbindungen zu Kreisen, die an umfangreichen Geldanlagen in Form von<br />

Schiffen oder Schiffsbeteiligungen Interesse hätten.<br />

Bei den „Kreisen“ handelte es sich um einen einzigen Interessenten,<br />

nämlich Herrn Friedrich Brante in Berlin, der zu einem Ankauf zum<br />

genannten Preis bereit war. <strong>Vogemann</strong> gelang es flankierend dazu, mit der<br />

Firma Star Shipping im norwegischen Bergen einen Vertrag über fünf Jahre<br />

Zeitcharter „subject purchase of the Wallenius type vessel“ abzuschließen. Es<br />

standen damit sowohl ein Geldgeber als auch ein Befrachter zur Verfügung.<br />

Prüss, Brante und dessen Prokurist, ein Herr Schneider, reisten nach Moskau<br />

82 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


„Star Ravenna“, das Schiff, das Ende der 1960er Jahre in die Hand eines Finanzjongleurs geriet.<br />

und machten dort den Kaufvertrag klar. Der Zeitcharter-Vertrag mit der Firma<br />

Star Lines konnte also ebenfalls in Kraft treten.<br />

<strong>Vogemann</strong> hatte in Brantes Augen damit seine Schuldigkeit getan<br />

und wurde nicht mehr benötigt, ja störte nur. Brante nämlich, ein windiger<br />

„Finanzjongleur“, wie <strong>Vogemann</strong> erfuhr, machte sich daran, das Schiff<br />

bei seinen Anlegern für 28 Millionen DM anzubieten. Einwände von <strong>Vogemann</strong>,<br />

wonach das Schiff bei einem Preis von 22 Millionen kostendeckend, ja<br />

profitabel würde fahren können, bei dem höheren Preis aber nicht, wischten<br />

Brante und Schneider vom Tisch. <strong>Vogemann</strong> musste mit einer bescheidenen<br />

Ankaufsprovision vorlieb nehmen, die sich die Firma hälftig mit Prüss teilte.<br />

Das Schiff wurde der Firma Stinnes ins Management gegeben, machte die<br />

erwarteten Verluste und musste schließlich mit weiterem Verlust veräußert<br />

werden. Brante ging mit seiner Firma Ravenna KG restlos pleite und setzte<br />

sich unter Hinterlassung erklecklicher Steuerschulden ab. Ob die zur Ergreifung<br />

des „Abschreibungskünstlers“ ausgesetzte Belohnung von DM 50.000<br />

erfolgreich war, darüber liegen <strong>Vogemann</strong> keine Erkenntnisse vor.<br />

Am 1. Januar 1971 wurde Herr Prüss persönlich haftender Gesellschafter,<br />

nachdem Richard <strong>Vogemann</strong> am 6. Oktober 1969 gestorben<br />

war. Ulrich Prüss konzentrierte sich nach den trüben Erfahrungen mit dem<br />

flüchtigen „Geldgeber“ fortan aufs Befrachten von Schiffen. Zusammen mit<br />

dem Kollegen und Prokuristen Reinhard Westphal erzielte er vorzügliche Ergebnisse.<br />

Leider musste <strong>Vogemann</strong> bald auf ihn verzichten: Ende 1973 befiel<br />

Prüss eine zunächst unerklärliche Krankheit, eine von den unteren Extremi-<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

83<br />

Volker Schlöndorff: „Die verlorene<br />

Ehre der Katharina Blum“<br />

(Film nach einem Roman von<br />

Heinrich Böll).<br />

1976<br />

Erste Demonstration gegen<br />

den Kernkraftwerksbau in<br />

Brokdorf.<br />

Der Bundestag billigt das Gesetz<br />

über die Mitbestimmung<br />

der Arbeitnehmer.<br />

In Ostberlin wird der Palast<br />

der Republik eröffnet.<br />

Die DDR bürgert den Liedermacher<br />

Wolf Biermann aus.<br />

Erich Honecker übernimmt<br />

das Amt des Staatsratsvorsitzenden<br />

der DDR.<br />

Der Sicherheitsgurt im Auto<br />

wird Pflicht.<br />

Bei der Bundesbahn werden<br />

die letzten Dampfloks<br />

stillgelegt.<br />

Wim Wenders‘ Film „Im Lauf<br />

der Zeit“ erhält den Kritikerpreis<br />

in Cannes.


1977<br />

Terroristen erschießen in<br />

Karlsruhe den General-<br />

bundesanwalt Siegfried<br />

Buback.<br />

„Deutscher Herbst“:<br />

Entführung des Arbeit-<br />

geber-Präsidenten<br />

Schleyer, der Lufthansa-<br />

Maschine „Landshut“,<br />

Erstürmung der Maschine<br />

in Mogadischu, Freitod der<br />

in Stammheim einsitzen-<br />

den Terroristen Baader,<br />

Ensslin und Raspe und<br />

Ermordung Schleyers.<br />

Tschechoslowakische<br />

Bürgerrechtler<br />

schließen sich zur „Charta<br />

77“ zusammen.<br />

Die neue Verfassung der<br />

Sowjetunion erweitert<br />

die Rechte der einzelnen<br />

Bürger.<br />

In der Bundesrepublik<br />

wird die allgemeine<br />

Pockenimpfpflicht<br />

aufgehoben.<br />

Die Staufer-Austellung<br />

in Stuttgart wird zum<br />

Publikumserfolg.<br />

täten ausgehende und unaufhaltsam nach oben wandernde beidseitige Läh-<br />

mung. Als endlich klar war, dass es sich um Landry-Paralyse (Sonderform<br />

des so genannten Guillain-Barré-Syndroms, GBS) handelte, war die tückische<br />

Nervenkrankheit so weit fortgeschritten, dass die Ärzte nicht mehr zu helfen<br />

vermochten. Prüss starb am 30. März 1974 an Atemlähmung. Herr Speckter<br />

als Komplementär und seine Frau Renate als Kommanditistin (seit 1956) wa-<br />

ren wieder alleinige Inhaber von H. <strong>Vogemann</strong>.<br />

Gründung der Trident GmbH. Die weitere personelle Entwick-<br />

lung der Firmenführung vollzog sich in groben Zügen so: Um den Bestand<br />

von H. <strong>Vogemann</strong> auf sichere – quasi unsterbliche – Beine zu stellen, gründe-<br />

te Paul Speckter 1975 die Trident Befrachtungs GmbH, die als weitere Komple-<br />

mentärin in die nunmehr H. <strong>Vogemann</strong> GmbH & Co. genannte Firma eintrat;<br />

den Zusatz „& Co.“ brauchte sie allerdings nicht zu führen, da sie schon vor<br />

dem Jahr 1900 gegründet worden war. Seit Anfang der 1970-er Jahre war Udo<br />

Wiese, der 1968 als Lehrling angefangen hatte, sehr aktiv tätig und machte<br />

zusammen mit dem Kollegen Westphal ausgezeichnete Geschäfte. Wiese erhielt<br />

1974 Einzelprokura und wurde 1978 Mitinhaber. Zur gleichen Zeit trat<br />

Herr Speckter als Komplementär zurück und machte von seinem Recht Gebrauch,<br />

seinen Komplementäranteil in einen Kommanditanteil umzuwandeln.<br />

Nunmehr war die Trident Befrachtungs GmbH einzige Komplementärin<br />

in der KG in der Firma H. <strong>Vogemann</strong> GmbH gegen eine „Risiko-<br />

Vergütung“ von DM 5000 p.a. Kommanditisten waren Paul Speckter, Renate<br />

Speckter und Udo Wiese. 1983 kam Hans-Joachim Boller als Kommanditist<br />

hinzu, 1988 folgte Roland Hensel in derselben Eigenschaft. Ende 1992 sind<br />

Renate und Paul Speckter aus der Firma ausgetreten. Es wurde vereinbart,<br />

dass dem Ehepaar über die kommenden zwölf Jahre eine Vergütung von fünf<br />

Prozent des jeweiligen Bilanzgewinns unter Abzug festgelegter Gesellschafter-Vergütungen<br />

ausgezahlt wird.<br />

Nicht zuletzt sollte diese Regelung ein Dank der Firma sein für<br />

Herrn Speckters Verdienste, die im Einzelnen natürlich nicht aufzählbar sind.<br />

Berichtet werden soll nur von zwei ihm besonders wichtigen Kunden, mit denen<br />

<strong>Vogemann</strong> dank seiner Bemühungen in sehr gedeihlichen Beziehungen<br />

stand:<br />

Topics Liberty-Frachter. Die Verbindung zur ursprünglich in<br />

Triest ansässigen Reederei der Familie Topic reichte zurück bis in <strong>Vogemann</strong>s<br />

Anfänge als Schiffsmaklerfirma. Das hervorragend geführte Unternehmen<br />

84 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Paul Speckter.<br />

mit den Inspektoren Sladovic und Senjanovic verlegte seinen Sitz später nach<br />

Monte Carlo (Monaco). Seine Schiffe waren immer bestens gepflegt, selbst die<br />

so genannten Liberty-Frachter. Dabei handelte es sich um billige, genormte<br />

Kriegsbauten, die im Schnellverfahren (rund 240 Tage) in Kanada und in den<br />

USA zu Tausenden aufgelegt wurden als Ersatz für die hohen Tonnageverluste<br />

durch U-Boote. Diese 11 Knoten schnellen 10.000-Tonner mit Kohle- oder<br />

Ölfeuerung waren meist in erbärmlicher Verfassung, weswegen sie bei <strong>Vogemann</strong><br />

abfällig als Schrottlauben bezeichnet wurden.<br />

Nicht so die Schiffe von Topic; die Reederei wartete auch diese<br />

denkbar einfach konstruierten Frachter vorzüglich und ersetzte sie in den<br />

1960/70-er Jahren nach und nach durch moderne, gewöhnlich bei japanischen<br />

Werften gebaute Schiffe. Da war der Seniorchef bereits verstorben, und<br />

eine Familie Augustini führte die Firma in der bewährten Tradition weiter.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

85<br />

1978<br />

Der Bundestag billigt die<br />

Anti-Terrorgesetze der<br />

Regierung.<br />

Im Emdener VW-Werk<br />

rollt der letzte „Käfer“<br />

vom Band.<br />

Hafenarbeiterstreiks<br />

legen den Betrieb in den<br />

deutschen Seehäfen lahm.<br />

Acht Jahre Haft für den<br />

DDR-Regimekritiker<br />

Rudolf Bahro.<br />

Dänemark, Großbritannien<br />

und Irland werden<br />

Vollmitglieder der<br />

Europäischen Gemeinschaft.<br />

Unterzeichnung eines<br />

Rahmenabkommens zwischen<br />

Ägypten und Israel in<br />

Camp David.<br />

Der polnische Kardinal<br />

Karol Wojtyla wird zum<br />

Papst gewählt<br />

(Johannes Paul II.)<br />

Untergang des deutschen<br />

Containerschiffes<br />

„München“ mit 28 Mann<br />

Besatzung.


1979<br />

Der Bundestag schafft die<br />

30jährige Verjährung für<br />

Mord ab.<br />

NATO-Doppelbeschluss<br />

zur Nachrüstung im<br />

Bereich der nuklearen<br />

Mittelstreckenraketen.<br />

In Hamburg entdeckt die<br />

Polizei eine Giftmülldepo-<br />

nie der Firma Stoltzenberg<br />

in einem Wohngebiet.<br />

Bei der Bürgerschafts-<br />

wahl in Bremen gelingt<br />

den Grünen erstmals der<br />

Einzug in ein Landespar-<br />

lament.<br />

Die US-Fernsehserie<br />

„Holocaust“ läuft in<br />

Deutschland an.<br />

Margret Thatcher wird<br />

erster weiblicher Premier-<br />

minister in England.<br />

Das Europäische<br />

Währungssystem (EWS)<br />

tritt in Kraft.<br />

Erste Direktwahl zum<br />

Europäischen Parlament.<br />

Einmarsch der Sowjets in<br />

Afghanistan.<br />

<strong>Vogemann</strong> hat auch mit ihr eine hohe Zahl von Schiffen bis hin zu Massen-<br />

gutfrachtern von 64.000 Tonnen geschlossen. Nie gab es Unstimmigkeiten bei<br />

der Abwicklung der Charters, jedenfalls nicht mit der Firma Topic, zu der ein<br />

echtes Vertrauensverhältnis bestand.<br />

Wenn einmal Probleme auftauchten, dann kamen sie von dritter<br />

Seite. So schloss <strong>Vogemann</strong> Anfang der 1960-er Jahre über die Firma Neptunia/<br />

Otto Schreuders die „Panamant“ von Topic mit Getreide von Brasilien<br />

nach Italien. Als bald darauf eine weitere Ladung anstand, wandte sich Schreuders<br />

direkt an Topic und wollte nunmehr Schiffe unter Umgehung von<br />

<strong>Vogemann</strong> schließen. Natürlich zeigte sich Sladovic interessiert an künftigen<br />

Geschäften, teilte aber Schreuders mit, dass er ohne <strong>Vogemann</strong> nicht<br />

handeln werde, da durch die Hamburger ja erst die erfreuliche Verbindung<br />

zustande gekommen sei. Schreuders hat diese Loyalität offenbar beeindruckt;<br />

jedenfalls hat <strong>Vogemann</strong> später noch viele Schiffe von Topic (und auch von<br />

anderen Reedereien) mit Schreuders schließen können. Es kam nie wieder zu<br />

Störungen.<br />

Beziehungen zu Panchaud Frères. Topic war nicht ohne weiteres<br />

zu schließen, sondern erforderte genaue Angebote und geschickte Verhandlung.<br />

War aber ein Abschluss getätigt, wurde die Charter vorbildlich<br />

durchgeführt. Topic hat ein Panamax-Schiff von ca. 62.000 Tonnen für eine<br />

Rundreise Brasilien/Europa für 2 Dollar pro Tonne und Monat genauso erstklassig<br />

abgewickelt wie spätere Abschlüsse – bei besserem Markt – für 7 Dollar<br />

je Tonne und Monat. Differenzen bei Abrechnungen gab es eigentlich nur<br />

einmal. Und auch da lag dies nicht an Topic, sondern an einem Dritten, der<br />

gerade deswegen letztlich ebenfalls zu einem vorzüglichen Geschäftspartner<br />

<strong>Vogemann</strong>s wurde:<br />

Die Makler hatten das Topic-Schiff „Panamante“ nach Ravenna<br />

geschlossen. Die Firma Panchaud Frères in Lausanne war der Charterer<br />

und Ferruzzi S.p.A. der Empfänger der Ladung am Zielort. <strong>Vogemann</strong> sollte<br />

das Frachtinkasso für Topic „freight payable at destination“ durchführen und<br />

nach Erhalt die Konnossemente zur Auslieferung freistempeln. Dabei gab es<br />

Schwierigkeiten mit Panchaud, der die Konnossements erst frei haben und<br />

erst nach Erhalt dieser Freistellung die Fracht bezahlen wollte. Paul Speckter<br />

flog daraufhin nach Ravenna, um die Interessen von Topic vor Ort wahrzunehmen.<br />

Es glückte ihm, zwischen Panchaud und Topic zu vermitteln, die<br />

Zwistigkeiten auszuräumen und eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung<br />

zu finden.<br />

86 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Panchaud gewann dadurch offenkundig ein sehr positives Bild<br />

von <strong>Vogemann</strong>. Der Geschäftsführer Herr Meister zog aus dem Vorfall die<br />

Konsequenz: „If you can’t beat him, join him“ und knüpfte eine für beide Teile<br />

erfolgreiche Geschäftsbeziehung zu <strong>Vogemann</strong> an. Die Hamburger haben<br />

in der Folgezeit dem Lausanner Haus viele Schiffe auf Reise- wie auf Zeitcharterbasis<br />

vermittelt; Topic war dabei oft eingebunden. Panchaud Frères<br />

S.A. wurde zu einem weiteren der speziellen Speckter-Kunden: Seit dem<br />

kleinen „Zusammenstoß“ in Ravenna wegen der „Panamante“ herrschte<br />

ungetrübtes Einvernehmen zwischen Panchaud unter Herrn Meister und<br />

dem zweiten Geschäftsführer Herrn Ruska sowie <strong>Vogemann</strong>. Eines Vertrages<br />

bedurfte es dazu nicht.<br />

Über zwei Jahrzehnte lang hat <strong>Vogemann</strong> alle Befrachtungen<br />

für die Firma durchgeführt, wobei es sich zunächst meistens um Soja- oder<br />

Mais-Ladungen von Brasilien nach Europa in der Größenordnung von ca.<br />

10.000 Tonnen handelte. Später folgten auch Abschlüsse über Rundreisen<br />

von Einheiten bis zu Panamax-Größe.<br />

Dabei konnte <strong>Vogemann</strong> ein Kombinationsgeschäft anregen:<br />

Rudi Glitz, einer der Ablader aus dem brasilianischen Porto Alegre (Rio Grande<br />

do Sul), fragte anlässlich eines Hamburg-Besuchs bei <strong>Vogemann</strong> an, ob<br />

die Firma bedeutenden Schiffsraum für Ladungen nach Brasilien besorgen<br />

könne. Der Unternehmer importierte nämlich auch Mähdrescher der Firma<br />

Claas im ostwestfälischen Harsewinkel für Südamerika. Das bedeutete, dass<br />

die für Panchaud von Brasilien nach Europa befrachteten Schiffe auf der<br />

Rückreise die Landmaschinen an Bord nehmen konnten. <strong>Vogemann</strong> empfahl<br />

Panchaud daher diese Schiffe für Rundreisen auf Zeitcharter-Basis zu mieten,<br />

was in Lausanne sogleich akzeptiert wurde und beiden Teilen gute Gewinne<br />

brachte. <strong>Vogemann</strong> hatte dabei noch die profitable Aufgabe der Abfertigung<br />

und Beladung der Schiffe in Hamburg. Zudem übernahm <strong>Vogemann</strong> für Panchaud<br />

auch die gesamte Zeitcharterkalkulation inklusive Segel- und Bunkerungsorders.<br />

Vermehrt kamen dabei Schiffe von Panamax-Größe in Betracht.<br />

<strong>Vogemann</strong> musste dafür sorgen, dass die Kosten der Zeitcharter in einem<br />

marktgerechten Ratenniveau „per ton“ Ladung „northbound“ (also von Brasilien<br />

Richtung Europa) lagen. Es waren nun auch die Kosten für Hafenleistungen,<br />

Brennstoff, Dauer der Reise, Laden und Löschen einzubeziehen, was<br />

manchmal ein schwieriges Puzzle ergab. <strong>Vogemann</strong> war stolz, dass es gelang,<br />

die „per ton“-Rate für die Ladungsreise immer im Rahmen des Marktpreises<br />

zu halten oder diesen sogar zu unterschreiten.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

87<br />

1980<br />

Verbot der rechtsextremen<br />

„Wehrsportgruppe Hoffmann“.<br />

Künstler und Intellektuelle<br />

schließen sich zu Anti-Strauß-<br />

Initiativen zusammen.<br />

In der Bundesrepublik wird erstmals<br />

die Sommerzeit eingeführt.<br />

Die EG räumt in der Nahosterklärung<br />

den Palästinensern das<br />

Recht auf Selbstbestimmung ein.<br />

Der frühere Filmschauspieler<br />

Ronald Reagan wird<br />

40. Präsident der USA.<br />

Wegen des sowjetischen Einmarsches<br />

in Afghanistan boykottieren<br />

mehrere westliche Staaten die<br />

Olympischen Sommerspiele in<br />

Moskau.<br />

Der Circus Roncalli feiert Riesenerfolge<br />

mit seinem Programm<br />

„Reise zum Regenbogen“.<br />

Der deutsche Beitrag<br />

„Die Blechtrommel“ erhält<br />

den Oscar für den besten<br />

ausländischen Film.


1981<br />

Mehr als 300 000 Menschen<br />

versammeln sich in Bonn zur<br />

größten Friedensdemonst-<br />

ration in der Geschichte der<br />

Bundesrepublik.<br />

In Stuttgart rollt der letzte<br />

Mercedes 600 vom Band.<br />

Erdgasgeschäft zwischen<br />

der Bundesrepublik und der<br />

Sowjetunion.<br />

François Mitterand wird<br />

französischer Präsident.<br />

Die USA geben den Bau der<br />

Neutronenbombe bekannt.<br />

Eröffnung der Neuen Pinako-<br />

thek in München.<br />

Wolfgang Petersen: „Das<br />

Boot“ (Kriegsfilm).<br />

1982<br />

Die sozialliberale Koalition<br />

zerbricht. Nach konstrukti-<br />

vem Misstrauensvotum des<br />

Bundestages gegen Kanzler<br />

Schmidt wird Helmut Kohl<br />

(CDU) zum Kanzler gewählt.<br />

Er bildet zusammen mit<br />

der FDP eine neue Regie-<br />

rungskoalition.<br />

Wahlerfolge der Grünen<br />

in Hamburg, Hessen und<br />

Bayern.<br />

Besuch von der Staatsanwaltschaft. Im Mai 1992 verhängte<br />

der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein Handels- und Ölembargo ge-<br />

gen die Bundesrepublik Jugoslawien, damals nur noch bestehend aus Serbien<br />

und Montenegro, um den auf dem Balkan tobenden Bürgerkrieg einzudäm-<br />

men. Die Sanktionen wurden im September 1994 gelockert und im November<br />

1995, im Zusammenhang mit dem Dayton-Abkommen, endgültig ausgesetzt.<br />

Im Jahre 1993 aber galten sie, der Flugverkehr mit Belgrad war<br />

eingestellt, vor der Küste Montenegros patrouillierten NATO-Kriegsschiffe<br />

und –Flugzeuge, serbisch Auslandskonten waren eingefroren..<br />

Der jugoslawische Reeder, mit dem <strong>Vogemann</strong> zusammenarbei-<br />

tete, hatte sein Schiff, die „Rumija“, rechtzeitig nach Malta ausgeflaggt. So<br />

durfte es trotz Embargo weiter fahren. Im August 1992 transportierte es für<br />

die Firma Alfred C. Toepfer eine Ladung von 12.000 t Futtermittel von Rangun<br />

(Burma) nach Rotterdam. Für <strong>Vogemann</strong> ein Geschäft, das legal schien.<br />

Das wäre es auch geblieben, wenn nicht noch ein jugoslawischer Makler aus<br />

Hamburg mitbeteiligt gewesen wäre. „Jugo Agent“ erhielt von <strong>Vogemann</strong> im<br />

Mai 1993 eine Provision von 4434 US-Dollar auf sein Konto in den Vereinigten<br />

Staaten überwiesen, und daran nahmen die Ermittler Anstoß. Zu fünft erschienen<br />

sie eines Tages in Udo Wieses Büro, um den Geschäftsführer zu befragen<br />

und Unterlagen zu beschlagnahmen. Bei Toepfer wurden sie ebenfalls<br />

vorstellig. Während aber der Befrachter bald danach wieder in Ruhe gelassen<br />

wurde, blieb die Staatsanwaltschaft am Makler dran.<br />

Ausriss aus dem „Hamburger Abendblatt“ vom Februar 1998.<br />

88 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Geschäfte mit Coutinho, Caro & Co.<br />

Manch lohnende Kooperation kam auch dadurch zustande, dass Befrachter<br />

mit besonderen Wünschen an <strong>Vogemann</strong> herantraten. So war es im Fall<br />

des 1895 in Hamburg gegründeten Stahlhandelshauses Coutinho, Caro &<br />

Co. Einer seiner langjährigen leitenden Angestellten und Vorstandsmitglieder<br />

(seit 1990) war im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts und darüber<br />

hinaus Harring-Detlef Arndt. Er erinnert sich an die Zusammenarbeit<br />

so:<br />

Der engere Kontakt zur Firma H. <strong>Vogemann</strong> reicht zurück<br />

bis in das Jahr 1971. Gegen Ende des Jahres 1970 hatte ich gerade die<br />

Leitung der Verschiffungsabteilung von Coutinho, Caro & Co (CCC) übernommen<br />

(seit 1971 als Prokurist) und bemühte mich, vor allem unseren<br />

wachsenden Stahlhandel mit neuen Ideen weltweit verschiffungsmäßig<br />

weiter zu intensivieren. Es war die Zeit, als Stahl im internationalen Handel<br />

nicht mehr nur von Nordeuropa, sondern in zunehmendem Maße auch<br />

von den Häfen des Mittelmeers sowie von Fernost und von der Ostküste<br />

Südamerikas verladen wurde. Hinzu kam, dass zur gleichen Zeit auch ein<br />

etwa gleichaltriger Kollege bei CCC die Chemieabteilung aufbauen sollte.<br />

Dadurch hatten wir nicht nur Stahl, sondern u.a. auch Düngemittel in<br />

Größenordnungen zu verladen, die das Einchartern von Schiffen voraussetzten.<br />

Bei diesen Aktivitäten waren bei <strong>Vogemann</strong> der junge, findige<br />

Udo Wiese (seinerzeit 21 Jahre alt und seit drei Jahren bei der Maklerfirma<br />

an Bord) und sein Chef Paul Speckter für mich eine große Hilfe. Kollege<br />

Speckter aufgrund seines großen Erfahrungsschatzes und Udo Wiese<br />

mit seiner schier unerschöpflichen Energie haben damals entscheidend<br />

dazu beigetragen, dass Coutinho, Caro & Co. im internationalen Stahlhandel<br />

immer auf Ballhöhe war, was die Transporte betraf. Mit Unterstützung<br />

der versierten Leute von <strong>Vogemann</strong> gelang es uns, auch ungewöhnliche<br />

und nicht selten hoch komplizierte Verschiffungen zu organisieren. Insbesondere<br />

die vielen neuen Ver- und Entladeplätze stellten uns und die<br />

<strong>Vogemann</strong>-Makler vor ungekannte Herausforderungen und Probleme, zu<br />

deren Lösung große kaufmännische Phantasie erforderlich war.<br />

Nachdem wir anfänglich nur Schiffe auf Reisebasis eincharterten,<br />

gingen wir nach einigen Jahren auf Anregung der Vogemänner<br />

dazu über, Schiffe auch auf Zeitcharter hereinzunehmen. Zuerst nur für<br />

Reisen, die beispielsweise für hauseigene Stahlladungen von Brasilien<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

89<br />

Der Skandal um die gewerk-<br />

schaftseigene Neue Heimat<br />

erschüttert das Vertrauen in<br />

DGB-Funktionäre.<br />

In der Unterhaltungselektronik<br />

wird das Zeitalter der Digitaltechnologie<br />

eingeläutet.<br />

In der DDR wird unter dem<br />

Motto „Schwerter zu Pflugscharen“<br />

eine Friedensbewegung<br />

aktiv.<br />

Auseinandersetzungen um den<br />

Bau der Startbahn West des<br />

Frankfurter Flughafens.<br />

Die Schlagersängerin Nicole<br />

gewinnt den Grand Prix de la<br />

Chanson mit dem Lied „Ein<br />

bisschen Frieden“.<br />

1983<br />

Bei Neuwahlen wird das CDU/<br />

CSU-FDP-Regierungsbündnis<br />

bestätigt. Die Grünen erstmals<br />

im Bundestag.<br />

Großdemonstration in<br />

Mutlangen gegen die<br />

Stationierung von<br />

Pershing-II-Raketen.<br />

Angebliche Hitler-<br />

Tagebücher werden als<br />

Fälschung entlarvt.


US-Präsident Reagan präsen-<br />

tiert Pläne für ein weltraum-<br />

gestütztes Abwehrsystem (SDI).<br />

Beginn des Bildschirmtexts Btx.<br />

In der Bundesrepublik treten<br />

erste AIDS-Fälle auf.<br />

Bei den Feierlichkeiten zum<br />

500. Geburtstag von Martin<br />

Luther wird die restaurierte<br />

Wartburg wiedereröffnet.<br />

1984<br />

Bayern nimmt als erstes<br />

Bundesland den Umweltschutz<br />

in die Verfassung auf.<br />

Rücktritt des Bundeswirt-<br />

schaftsministers Otto Graf<br />

Lambsdorff wegen<br />

Verwicklung in die Flick-<br />

Parteispendenaffäre.<br />

Die DDR baut die Selbstschuss-<br />

anlagen an der Grenze ab.<br />

Großbritannien und China<br />

einigen sich über die<br />

Rückgabe der Kronkolonie<br />

Hongkong an China.<br />

Ermordung der indischen<br />

Ministerpräsidentin Indira<br />

Gandhi.<br />

In der Bundesrepublik nimmt<br />

die erste Kabelfernsehanstalt<br />

den Sendebetrieb auf.<br />

und/ oder Argentinien nach Fernost durchzuführen waren. Es dauerte<br />

nicht lange, bis uns auch von anderen Firmen über unsere Agenten Ladungen<br />

angeboten wurden, mit der Bitte diese doch zu möglichst günstigen<br />

Frachtraten mitzutransportieren. Diese Dienstleistung entwickelte<br />

sich rasch zu einem wichtigen Standbein. Unsere Schifffahrtsaktivitäten<br />

nahmen mit der Zeit derartige Dimensionen an, dass ich mir Gedanken zu<br />

machen begann, wie ich sie bündeln und von den anderen Handelsaktivitäten<br />

des Hauses Coutinho, Caro & Co. trennen könnte.<br />

Es gab bereits seit einiger Zeit eine CCC-Tochtergesellschaft<br />

namens Coreck, die vorsorglich gegründet worden war, aber noch wenige<br />

nennenswerten Aktivitäten entfaltet hatte. Sie schien mir und meinen<br />

Kollegen das richtige Dach für unsere Schifffahrtstätigkeiten zu sein: Seit<br />

etwa 1980 wurden sie unter dem Namen Coreck Maritime GmbH abgewickelt;<br />

1983 übernahm ich die Geschäftsführung. Da Udo Wiese inzwischen<br />

zum Partner bei H. <strong>Vogemann</strong> aufgerückt war, wurden wir nunmehr<br />

bezüglich unserer Zeitchartertätigkeiten bei H. <strong>Vogemann</strong> von unserem<br />

Hamburger Dänen Frank Jensen betreut. Sämtliche Zeitcharterabschlüsse<br />

wurden exklusiv über H. <strong>Vogemann</strong> getätigt. Unter den Zeitcharterschiffen<br />

befanden sich auch einige langfristig eingecharterte Stückgutfrachter.<br />

Über die Firma H. <strong>Vogemann</strong> haben wir damals unter anderem sehr gute<br />

Coreck-Schiffe auf Reede.<br />

90 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Anteilsschein der H. <strong>Vogemann</strong> Inc.<br />

Kontakte zu verschiedenen kroatischen Reedereien aufgebaut. Udo Wiese<br />

und ich haben diese Reeder während der 1980er und Anfang der 1990er<br />

Jahre mehrfach gemeinsam in Dalmatien besucht und gute Konditionen<br />

ausgehandelt. Außerdem riefen wir gemeinsam die amerikanische Firma<br />

H. <strong>Vogemann</strong> Inc. in Stamford (Connecticut) ins Leben, die amerikanische<br />

Exportladungen makelte; <strong>Vogemann</strong> hielt 40, CCC und Coreck je 30 Prozent<br />

an diesem Unternehmen.<br />

Mitte der 1990er Jahre wurden durch Coreck Maritime GmbH<br />

ca. 60 Abfahrten weltweit angeboten, vornehmlich regelmäßig von Brasilien/<br />

Argentinien nach Fernost, von den baltischen Häfen und von anderen<br />

nordeuropäischen Häfen nach Fernost, vom Mittelmeer nach Fernost, von<br />

Indonesien nach Europa einschließlich von Mittelmeerhäfen sowie bis zu<br />

zwei Mal monatliche Abfahrten von Fernost (insbesondere China) nach<br />

Europa, ebenfalls inklusive Mittelmeer. Darüber hinaus wurden Abfahrten<br />

vom US-Golf nach Fernost, von Fernost nach Südafrika und zur Ostküste<br />

Südamerikas sowie von den Ostseehäfen zum US-Golf und in die Karibik<br />

angeboten. Jährlich wurden alles in allem rund 1,2 Millionen Frachttons<br />

abgefahren, wobei auch ein Teil der Ladungsbuchungen durch<br />

H. <strong>Vogemann</strong> erfolgte.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

91<br />

Nach einer Waldschadenserhebung<br />

gelten 50 % der deutschen Wälder als<br />

geschädigt.<br />

„Tatort“-Krimis mit Götz George<br />

(„Schimanski“) haben die höchsten<br />

Einschaltquoten in der ARD.<br />

1985<br />

Schengener Abkommen zum Abbau<br />

der Kontrollen an den gemeinsamen<br />

Grenzen bestimmter europäischer<br />

Länder.<br />

Der Reformpolitiker Michail<br />

Gorbatschow wird<br />

Generalsekretär der KPdSU.<br />

Friedrich Karl Flick verkauft sein<br />

Unternehmen an die Deutsche Bank.<br />

In Hessen wird die erste rot-grüne<br />

Landesregierung unter Holger Börner<br />

und Joschka Fischer gebildet.<br />

Einweihung der wiederaufgebauten<br />

Semper-Oper in Dresden.<br />

Boris Becker gewinnt das<br />

Tennisturnier in Wimbledon.<br />

Beginn der Fernsehserie<br />

„Lindenstraße“.<br />

1986<br />

Reaktorunfall in Tschernobyl (Ukraine).<br />

Der Bundestag beschließt die<br />

Einführung des maschinenlesbaren<br />

Ausweises und Europapasses.


Erstmals wird in der<br />

Bundesrepublik ein<br />

künstliches Herz verpflanzt.<br />

Frankreich und Großbritan-<br />

nien einigen sich über den<br />

Bau eines Kanaltunnels.<br />

Der schwedische Minister-<br />

präsident Olof Palme wird<br />

erschossen.<br />

Das Musical „Cats“ von<br />

Andrew Lloyd Webber hat<br />

Premiere in Deutschland.<br />

Durch den Kauf des<br />

Verlagshauses<br />

Doubleday & Co. steigt Ber-<br />

telsmann in den Kreis der<br />

weltweit größten Medien-<br />

konzerne auf.<br />

1987<br />

Bei der Bundestagswahl<br />

erleidet die CDU/CSU Stim-<br />

menverluste, stellt jedoch<br />

mit Helmut Kohl weiterhin<br />

den Kanzler.<br />

Staatsbesuch des DDR-<br />

Staatsratsvorsitzenden Erich<br />

Honecker in Bonn.<br />

Gorbatschow verkündet sein<br />

Reformprogramm mit den<br />

Zielen „Glasnost“ (Öffent-<br />

lichkeit) und „Perestroika“<br />

(Umbau).<br />

Zunächst blieb die Coreck und ihre Kooperation mit <strong>Vogemann</strong><br />

vom Verkauf der Mutterfirma CCC 1984 und deren Weiterveräußerungen<br />

1988 und 1996 wenig berührt. Erst Umorientierungen in der<br />

Geschäftspolitik der Mehrheitsgesellschafter zu Beginn des neuen Jahrhunderts<br />

wirkten bremsend. 2003 endete die lange so gedeihliche Entwicklung<br />

mit dem Insolvenzantrag. <strong>Vogemann</strong> betraf das allenfalls noch<br />

am Rande, denn das Unternehmen hatte sich inzwischen zu einer beachtlichen<br />

Firmengruppe erweitert; die Maklerei war nur noch eines von einer<br />

ganzen Reihe von Geschäftsfeldern.<br />

Fünf Jahre später wurde der Prozess gegen Udo Wiese wegen<br />

Verstoßes gegen die Sanktionen des UN-Sicherheitsrates eröffnet. Er endete<br />

mit einem Freispruch. Die Staatsanwaltschaft nahm das nicht hin und legte<br />

Berufung ein. Daraufhin einigten sich Gericht und Angeklagter auf eine Ein-<br />

stellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße von 8000 Mark, zu zahlen an<br />

soziale Einrichtungen. Eine Eintragung ins Vorstrafenregister blieb Udo Wiese<br />

damit erspart. Die 30.000 Mark Anwaltskosten, die im Laufe des Verfahrens<br />

geflossen waren, nahm ihm allerdings niemand ab.<br />

Zum Komplex „Krieg in Jugoslawien“ gehört eine weitere Geschichte.<br />

Der Geschäftsführer einer mit <strong>Vogemann</strong> befreundeten kroatischen<br />

Maklerfirma wandte sich eines Tages an Udo Wiese mit der Bitte, seinen Sohn,<br />

dem die Einberufung in die kroatische Armee drohte, vor dem gefährlichen<br />

Militärdienst zu retten. Man verständigte sich darauf, den jungen Mann für<br />

kurze Zeit als Volontär einzustellen. So kam Boris Babic nach Hamburg. Aus<br />

der „kurzen Zeit“ wurden 13 Jahre, in denen er für die Firma wertvolle Arbeit<br />

leistete.<br />

Cremer – Krohn – Toepfer. Seit Ende der 1970er Jahre war<br />

<strong>Vogemann</strong> als Befrachtungsmakler stark im Futtermittelgeschäft mit Asien<br />

engagiert. Die Rohstoffe kamen aus Thailand, Indonesien und den Philippinen.<br />

Auch Indien gehörte ursprünglich zu den Lieferanten, schied aber später<br />

aus, da mit zunehmender Verschärfung der Kontrollen und der Anhebung<br />

der Belastungsgrenzen das indische Material nicht mehr den Anforderungen<br />

genügte. Die Schiffe, die dafür gechartert wurden, waren zumeist Zwischendecker<br />

mit einer Tragfähigkeit von 10.000 bis 20.000 Tonnen. Sie gehörten<br />

griechischen Reedern oder auch Firmen aus dem Ostblock, aus Polen oder<br />

Jugoslawien. Drei große Häuser gab es damals in Hamburg, die mit Futtermitteln<br />

zur Mischfutterherstellung handelten: Das eine war Peter Cremer, das<br />

92 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


andere Krohn & Co., das dritte Alfred C. Toepfer. Mit Cremer und Krohn unterhielt<br />

<strong>Vogemann</strong> schon länger Beziehungen, mit Toepfer nicht. Toepfer hatte<br />

seine eigenen Makler. Doch blickte man dort mit Interesse auf die rührigen<br />

Leute bei <strong>Vogemann</strong>. Es fiel auf, dass <strong>Vogemann</strong> auch dann noch Schiffe beschaffen<br />

konnte, wenn andere die Suche schon aufgegeben hatten. Das lag<br />

wohl daran, dass man bei Toepfer gewohnt war, nordeuropäische Schiffe zu<br />

chartern, die aber oft zu groß waren, um sie sinnvoll nutzen zu können. <strong>Vogemann</strong><br />

dagegen mit seinen griechischen oder kroatischen Reedern, die kleinere<br />

Schiffe besaßen, konnte da gut die Lücken füllen.<br />

Es geschah bei einem Essen zu viert, Wiese und Boller von <strong>Vogemann</strong><br />

und Schröder und Meier von Toepfer saßen beisammen, als wieder<br />

so ein Problem auf dem Tisch lag: Toepfer wollte ein Schiff von Indonesien<br />

auf Zeitcharter schließen. Seinen Maklern war jedoch nicht gelungen. eines<br />

aufzutreiben. Tagelang hatten sie es probiert, ohne Erfolg. Die Vogemänner<br />

waren mit einer anderen Sorge beschäftigt. Sie hatten die „Amelia Topic“ vom<br />

jugoslawischen Reeder Topic mit der Firma Krohn & Co. auf Reisecharter<br />

schließen wollen, doch die Vorbehalte nicht gekriegt. Die Runde fand eine<br />

schöne Lösung: Toepfer nahm die „Amelia Topic“, aber nicht auf Zeitcharter,<br />

wie seine Norweger sonst, sondern auf Reisebasis.<br />

Das Geschäft lief so gut, dass Toepfer über <strong>Vogemann</strong> gleich<br />

zwei weitere Schiffe schloss. Allerdings achtete man darauf, dass es sich wieder<br />

um Fälle handelte, an denen sich andere die Zähne ausgebissen hatten<br />

oder ausbeißen würden. <strong>Vogemann</strong> bestand auch diesen Test, es entwickelten<br />

Historische Büromaschinen, heute bei <strong>Vogemann</strong> in einer Vitrine verwahrt.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

93<br />

Selbstmord des schleswigholsteinischenMinisterpräsidenten<br />

Barschel.<br />

Der Sportpilot Manfred Rust<br />

landet mit seiner Cessna auf<br />

dem Roten Platz in Moskau.<br />

Einweihung des ersten deutschen<br />

Windenergieparks in<br />

Dithmarschen.<br />

Werner Tübke vollendet<br />

sein Riesen-Panoramabild<br />

„Frühbürgerliche Revolution in<br />

Deutschland“.<br />

Katarina Witt gewinnt die<br />

Weltmeisterschaft im Eiskunstlauf.<br />

Steffi Graf rückt auf<br />

Platz 1 der Tennis-<br />

Weltrangliste vor.<br />

1988<br />

Michael Jackson gibt ein<br />

Konzert an der Berliner<br />

Mauer.<br />

Bei einem Unglück<br />

während einer Flugschau<br />

in Ramstein kommen<br />

70 Menschen ums Leben.<br />

Schließung des Krupp-<br />

Stahlwerkes in Duisburg.<br />

Das Geiseldrama von<br />

Gladbeck endet mit dem Tod<br />

dreier Menschen.


Die Sowjets beginnen<br />

mit dem Abzug ihrer Mittel-<br />

streckenraketen aus der<br />

DDR und der ČSSR.<br />

Ende des iranisch-irakischen<br />

Golfkrieges.<br />

1989<br />

Massaker an protestieren-<br />

den Studenten auf dem<br />

Tienanmen-Platz in Peking.<br />

Erosion des Ostblocks:<br />

Ungarn öffnet sich gegen<br />

den Westen.<br />

Beginn der großen Flucht-<br />

bewegung aus der DDR.<br />

Montagsdemonstrationen in<br />

Leipzig. Das Regime bricht<br />

zusammen.<br />

Öffnung der Grenzen zur<br />

Bundesrepublik. Bürger-<br />

rechtler bilden<br />

„Runde Tische“.<br />

Sturz und Hinrichtung des<br />

rumänischen Diktators<br />

Ceauşescu.<br />

Die letzten Sowjettruppen<br />

verlassen Afghanistan.<br />

Reagan und Gorbatschow<br />

unterzeichnen einen Vertrag<br />

über den vollständigen<br />

Abbau aller atomaren Mit-<br />

telstreckenwaffen.<br />

sich stabile Geschäftsbeziehungen, die, wenn auch nicht mehr im gleichen<br />

Umfang, bis auf den heutigen Tag andauern. Bei Toepfer nannte man Udo<br />

Wiese bald den „deutschen Griechen“. Das war als Anerkennung für Wieses<br />

Verhandlungsgeschick gemeint. Wiese sah „seine“ griechischen Reeder ohne<br />

Vorurteile. Hauptsache, sie hatten die passenden Schiffe. Natürlich lief manches<br />

anders bei den Verhandlungen, aber er vermochte sich darauf einzustellen<br />

und mitzuhalten, auch wo es nach herkömmlicher Auffassung allzu<br />

levantinisch herging. Besonderes Vergnügen machte es ihm, Gespräche auf<br />

zwei Telefonen gleichzeitig zu führen. Den Reeder aus Piräus am einen Ohr,<br />

den deutschen Futtermittelhändler am anderen, dann den Griechen per Lautsprecher<br />

verstärkt, so dass der Geschäftspartner aus Hamburg die Lamentos<br />

und Schimpfkanonaden aus der anderen Leitung hören konnte – und das ganze<br />

Büro hatte seinen Spaß daran.<br />

Auf Geschäftsreisen nach Griechenland war es dann üblich,<br />

dass man, egal wo man einkehrte, Fisch vorgesetzt bekam. Nun traf es sich,<br />

dass einmal ein Mann von Toepfer dabei war, dem es vor Fisch graute, besonders<br />

wenn er im ganzen Stück, mit Kopf und Schwanz auf dem Teller lag.<br />

Und genauso wurde der Fisch überall serviert. Nachdem das einige Tage so<br />

gegangen war, verlangte der Mann endlich ein Fleischgericht und bekam es<br />

auch nach einigem Hin und Her.<br />

Bedeutung der polnischen Tonnage. Toepfer gehörte auch zu<br />

den Befrachtern im innereuropäischen Getreidehandel. Bei <strong>Vogemann</strong> lag<br />

dies Geschäftsfeld in den Händen von Hans Boller, der erst 2008 aus der<br />

Gesellschaft ausschied. Boller verfügte über gute Beziehungen zu dem Mann<br />

bei Toepfer, der die europäischen Ladungen unter sich hatte, und es gelang<br />

ihm immer wieder, für dieses Geschäft einen Fuß in die Tür zu bekommen.<br />

Wichtig war der Zugang zu der polnischen Tonnage. Man hatte es dort mit<br />

der staatlichen Maklerfirma Polfracht Gdynia zu tun, die Reederei hieß Polish<br />

Steamship Company (PSC), mit Sitz in Stettin. Einen guten Zugang besaß Roland<br />

Hensel, der jedoch für die Konkurrenz arbeitete. Grund genug, ihn dort<br />

wegzuholen. 1984 wurde er bei <strong>Vogemann</strong> eingestellt, 1988 erhielt er Prokura,<br />

1992 wurde er Gesellschafter. Er schloss mit Toepfer alle transatlantischen<br />

Ladungen mit PSC, was den innereuropäischen Handel in wünschenswerter<br />

Weise ergänzte. Das Geschäft florierte, zeitweilig waren mehr als zehn Schiffe<br />

im Monat mit Ladung für Toepfer unterwegs.<br />

Bei Toepfer ging das Wort um, mit den Polen sei es wie mit den<br />

Ehefrauen daheim – „Wir lieben sie, aber wir verstehen sie nicht“ –, doch bei<br />

94 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


<strong>Vogemann</strong> wusste man sich auf die unterschiedlichen Mentalitäten einzustellen.<br />

Dabei war es äußerst mühselig, die Kommunikation aufrecht zu erhalten.<br />

Im sozialistischen Polen gab es wenig Telefone, Auslandsverbindungen<br />

mussten über Frankfurt abgewickelt werden, vielfach konnte man nicht anders<br />

als über den Fernschreiber miteinander verkehren. Geschäftsreisen etwa<br />

nach Danzig dauerten von Hamburg aus zehn bis zwölf Stunden. Gern sahen<br />

es die polnischen Partner, wenn die Deutschen zu ihnen kamen, man traf sich<br />

nicht nur in den Hafenstädten Danzig und Stettin, sondern auch an Orten, die<br />

touristisch etwas boten, Krakau, Breslau oder die Masuren. Wie nicht anders<br />

zu erwarten, floss bei den Treffen in Polen der Wodka in Strömen, was den<br />

Vogemännern einiges Stehvermögen abverlangte. Da half es nicht, mit dem<br />

Kellner ein heimliches Abkommen zu treffen, dass er die Gläser mit Wasser<br />

statt mit Wodka füllte - der Mann tat doch wieder Wodka hinein. Und den<br />

Schnaps still in eine Blumenvase zu kippen gelang auch nicht immer. Bei Besuchen<br />

der Polen im Westen durften die Starkgetränke genauso wenig fehlen,<br />

statt Wodka gab es eben Korn und Aquavit. Aber wie es scheint, haben sich<br />

inzwischen die Bräuche geändert, man säuft einander nicht mehr bei jeder<br />

Gelegenheit unter den Tisch. Seit der Auflösung des Ostblocks hat sich das<br />

Trinkverhalten gemäßigt, die Gelage waren wohl das Zubehör einer bestimmten<br />

historischen Epoche, des Staatssozialismus eben.<br />

Aus <strong>Vogemann</strong>s Vitrine: Abkürzungsverzeichnis für den Kabelverkehr.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

95<br />

Steffi Graf und Boris Becker<br />

siegen beim Tennisturnier in<br />

Wimbledon.<br />

1990<br />

Besetzung der Stasi-Zentrale<br />

in Berlin.<br />

Bei den ersten freien<br />

Volkskammerwahlen in der<br />

DDR wird die CDU stärkste<br />

Fraktion.<br />

„Zwei-plus-Vier-Konferenz“<br />

zu den außenpolitischen Aspekten<br />

der deutschen Einheit.<br />

Währungs-, Wirtschaftsund<br />

Sozialunion von<br />

Bundesrepublik und DDR.<br />

Die DDR tritt dem<br />

Geltungsbereich des<br />

Grundgesetzes bei: Wiedervereinigung<br />

Deutschlands.<br />

Die KSZE-Konferenz in Paris<br />

verabschiedet eine Charta<br />

zum Ende des kalten Krieges<br />

in Europa.<br />

Die baltischen Staaten erklären<br />

ihre Unabhängigkeit.<br />

Die deutsche Nationalmannschaft<br />

gewinnt die Fußballweltmeisterschaft<br />

in Italien.


Aufführung der Rock-Oper „The<br />

Wall“ von Pink Floyd an der nieder-<br />

gerissenen Mauer in Berlin.<br />

1991<br />

Eine internationale Streitmacht<br />

vertreibt die irakischen Truppen aus<br />

dem besetzten Kuwait.<br />

Der Bundestag entscheidet<br />

sich für Berlin als Hauptstadt<br />

Deutschlands.<br />

Rechtsextremisten überfallen<br />

ein Asylbewerberheim in<br />

Hoyerswerda (Sachsen).<br />

Die letzten „Wartburg“ und<br />

„Trabant“ rollen von<br />

den Bändern.<br />

In Maastricht beschließen<br />

die Staats- und Regierungschefs<br />

der 12 EG-Staaten die<br />

Gründung der<br />

Europäischen Union (EU).<br />

Boris Jelzin wird<br />

russischer Präsident.<br />

Ein Putschversuch gegen<br />

den sowjetischen<br />

Staatspräsidenten<br />

Gorbatschow scheitert.<br />

Bürgerkrieg im<br />

zerfallenden Jugoslawien.<br />

Die Geschäfte mit der polnischen Reederei, nun umgewandelt<br />

in eine private Gesellschaft, laufen auch heute noch, wenn auch nicht mehr<br />

im gleichen Umfang.<br />

Schwierige Kommunikation. Gefragt, wie überhaupt die Kommunikation<br />

in den 1970er oder 1980er Jahren ablief, kommt als erste Antwort<br />

immer der Stoßseufzer: Die Kosten! 20.000 Mark im Monat für Telefon, nochmal<br />

denselben Betrag für Telex! Auf alle Weise wurde versucht, die Kosten zu<br />

drücken. Man schickte Telexe über Holland, weil sie dort billiger waren, man<br />

erfand Abkürzungssysteme, um den Umfang der Mitteilungen zu verkleinern.<br />

Man verkehrte etwa mit den USA auf die Weise, dass Telexe nur an einen<br />

einzigen Empfänger in Deutschland gerichtet wurden, der sie dann im Inland<br />

vervielfältigte. Wegen des Lärms, den sie beim Betrieb machten, konnten<br />

Telexgeräte nur in abgetrennten Räumen stehen, möglichst weit entfernt von<br />

den normalen Arbeitsplätzen, im Keller oder am Ende des Flurs. Während<br />

der Arbeit wurde geraucht, in Erinnerung sind noch bestimmte Mitarbeiter,<br />

die am Telexgerät sitzend eine Zigarette nach der anderen qualmten und sie<br />

an der Kante des Tisches abzulegen pflegten, wovon dann Brandspuren im<br />

Holz dauerhaft Auskunft gaben. Der erste PC tauchte bei <strong>Vogemann</strong>s im Jahr<br />

1984 auf, ein Gerät namens Sirius, erworben zum stolzen Preis von 15.000<br />

Mark. Das Gerät konnte wenig im Vergleich zu heutigen Rechnern, aber es<br />

erlaubte die schriftliche Kommunikation vom Arbeitsplatz aus, zunächst wenigstens<br />

das Senden, später auch das Empfangen von Nachrichten, so dass<br />

die Gänge zur Telex-Kabine weniger wurden und schließlich ganz entfallen<br />

konnten. Inzwischen, im Zeitalter der E-Mails, treffen bei <strong>Vogemann</strong> täglich<br />

5000 elektronische Mitteilungen ein, gegenüber „nur“ 100 Telexen zu Zeiten<br />

der ratternden Fernschreiber. Wartete man damals auf die Nachrichten von<br />

draußen und saß auf glühenden Kohlen, bis sie endlich kamen, muss man<br />

heute Methoden ersinnen, wie man den Zustrom bremst, muss Filter einbauen,<br />

die das Wichtige herausfischen, weil niemand mehr imstande ist alles zu<br />

lesen, was in den Betrieb hineinflutet.<br />

Steigender Rohstoffbedarf. <strong>Vogemann</strong> setzte die mit Coreck<br />

(siehe S. 89 ff.) eingeleitete Zusammenarbeit auf ähnlich gelagerten Geschäftsfeldern<br />

fort, zum Teil mit Leuten, die von Coreck weggegangen waren<br />

und eigene Firmen gegründet hatten, wie z.B. MACS Cross, Pro Line Carrier,<br />

Hamburg Bulk Carrier. Eine abwechslungsreiche Zeit. „Kein Tag wie der andere“,<br />

sagt heute Gesellschafter Frank Jensen.<br />

96 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Der Firmensitz<br />

Hallerstraße 57.<br />

<strong>Vogemann</strong> hatte sich unter anderem in einer Nische etabliert,<br />

der Befrachtung von Zwischendeckern, Schiffen mit einer Tragfähigkeit von<br />

15.000 bis 20.000 t., Lückenfüllern sozusagen, die gut passten, wenn es keine<br />

Riesenmengen zu transportieren gab. Doch Mitte der 1990er Jahre wurden<br />

die Geschäfte mit diesem Schiffstyp spärlicher. Das lag an der zunehmenden<br />

Verbreitung des Containers als Allzweck-Transportbehälter und an der Globalisierung.<br />

Stückgüter wurden nicht mehr einzeln verladen, sondern zuvor in<br />

Containern verpackt, die in großen Mengen auf speziell zu diesem Zweck gebauten<br />

Schiffen befördert wurden. Und der weltweit steigende Rohstoffbedarf<br />

führte dazu, dass Massengüter fast ausschließlich in den Bäuchen neuartiger<br />

Großtransporter, so genannter Bulkcarrier, verschifft wurden.<br />

Der Zwischendecker alter Art hatte ausgedient. Natürlich gab<br />

es ihn weiter und gibt es ihn auch heute noch, allerdings beschränkt auf<br />

bestimmte, eng umrissene Zwecke. Für <strong>Vogemann</strong> aber kam er nicht mehr<br />

in Betracht. Der Weltentwicklung entsprechend, stieg die Firma in das Geschäft<br />

mit den Bulkcarriern ein, den „Panamaxen“ mit einer Tragfähigkeit von<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

97<br />

1992<br />

Das Stasi-Unterlagengesetz<br />

tritt in Kraft.<br />

Neuregelung des Paragraphen<br />

218: Abtreibungen bleiben<br />

straffrei bis zur 12. Schwangerschaftswoche.<br />

Gemeinsamer<br />

Selbstmord der beiden<br />

Grünen-Politiker<br />

Petra Kelly und Gert Bastian.<br />

Das letzte Teilstück des<br />

umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanals<br />

wird eingeweiht.<br />

Helmut Dietl erhält das Filmband<br />

in Gold für „Schtonk!“.<br />

Maria Jepsen wird erste<br />

Bischöfin der evangelischlutherischen<br />

Kirche.<br />

Die deutsche Olympiamannschaft<br />

wird erfolgreichste<br />

Nation bei den Winterspielen<br />

im französischen Albertville.


1993<br />

Die Post führt fünfstellige<br />

Postleitzahlen ein.<br />

Zusammenschluss<br />

der Grünen mit der<br />

ostdeutschen Bürger-<br />

bewegung Bündnis 90.<br />

Der Prozess gegen Erich<br />

Honecker wird eingestellt.<br />

Verbot der Kurdischen<br />

Arbeiterpartei PKK in<br />

Deutschland.<br />

Die sächsische Foron<br />

Haushaltswaren GmbH<br />

produziert den weltweit<br />

ersten FCKW-freien<br />

Kühlschrank.<br />

Die Tschechoslowakei<br />

teilt sich in Tschechische<br />

Republik und<br />

Slowakische Republik.<br />

Unterzeichnung des<br />

Gaza-Jericho-Abkommens<br />

zwischen der israelischen<br />

Regierung und der PLO.<br />

60.000 bis 75.000 t oder den kleineren „Handysize“ mit 20.000 bis 40.000 t.<br />

Zu den bisher überwiegenden Getreideladungen kamen auch solche mit Koh-<br />

le und Erz hinzu.<br />

Der 2003 eingetretene Lars Rudebeck öffnete die Tür zu einem<br />

weiteren Geschäftsfeld, der Befrachtung von Rohstoffen und Zuschlagstoffen<br />

für die Metall-, vornehmlich die Aluminiumindustrie. Allein Jahr 2003 konn-<br />

ten für die Firma BHP Billiton in Australien 25 Fahrten vom fünften Kontinent<br />

nach Südafrika geschlossen werden. Aus einem kleinen Geschäft mit 1700<br />

t „Anode Scrap paste“ (Petrolkoks, der beim thermischen Kracken von Erdöl<br />

zurückbleibende Rückstand, der zur Herstellung von Elektroden und Elektro-<br />

graphit verwendet wird) vom Mississippi nach Südafrika, das Rudebeck ver-<br />

mittelte, entwickelte sich eine stabile Beziehung, bei der die Kunden Mengen<br />

bis zu 200.000 t Petrolkoks pro Jahr befördern ließen. Im Jahr 2008 war es<br />

dann so weit: Der zehntausendste Abschluss konnte gefeiert werden.<br />

Adressenwechsel. Die Maklerszene veränderte sich. Stellten<br />

noch in den 1960er Jahren kleine Firmen mit drei oder vier Maklern das Gros<br />

der Betriebe, gewannen die großen Firmen immer mehr an Boden. Die Ge-<br />

schichte des Hauses <strong>Vogemann</strong> spiegelt diese Entwicklung. 1978 waren sie<br />

zu fünft, dazu noch eine Sekretärin. Heute zählt die Firma dreizehn Makler,<br />

dazu kommen noch drei im Postfixing. Der Aufgabenkreis des Befrachtungs-<br />

maklers ist gewachsen, seine Dienstleistungen reichen von Marktanalysen<br />

und Reisekalkulationen über das Erstellen von Frachtverträgen und die Be-<br />

treuung während der Laufzeit bis hin zur Liegezeitabrechnung und den final<br />

accountings.<br />

1971 war <strong>Vogemann</strong> innerhalb des Fölsch-Blocks von der West-<br />

seite des Gebäudes zur Ostseite gewechselt, von der Adresse Plan 5 zur Ad-<br />

resse Hermannstraße 46. 1994 erfolgte der Umzug weg aus der City zum Ro-<br />

thenbaum. Das neue Domizil lag an der Hallerstraße Nr. 57. Zehn Jahre später,<br />

im Jahr 2004, kam der Sprung auf die andere Straßenseite, <strong>Vogemann</strong> bezog<br />

Quartier an der Hallerstraße Nr. 40, in einem Gebäude, in dem früher Warner<br />

Bros. residierte (im Tonstudio im Keller begann Dieter Bohlen seine Karriere).<br />

Der vorige Standort wurde indes nicht aufgegeben, an der Hallerstraße 57<br />

verblieb die zur <strong>Vogemann</strong>-Gruppe gehörende Wallem GmbH & Co. KG.<br />

Treffen bei Eisbein. Was wäre das Berufsleben ohne den geselligen<br />

Betrieb drumherum? Einmal im Jahr, am ersten Freitag im November,<br />

lädt die Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten zum Eis-<br />

98 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


VDR-Justiziar Jan-Thiess Heitmann (links) mit den <strong>Vogemann</strong>-Gesellschaftern Udo Wiese und<br />

Jens Arndt beim Reederempfang 2009.<br />

beinessen. Das geht zurück auf einen Brauch, den der damalige Geschäftsführer<br />

der Vereinigung, Bruno Jansen, begründete. Er versammelte im November<br />

1948 die Chefs der Mitgliedsfirmen, 110 an der Zahl, zu einem Essen auf dem<br />

stillgelegten Dampfer „St. Louis“, den man nach schweren Bombentreffern<br />

notdürftig zusammengeflickt hatte und als schwimmendes Hotel und Restaurant<br />

benutzte. Heute kommen zu dieser Veranstaltung, die mittlerweile im<br />

CCH stattfindet, 5000 bis 6000 Leute aus der Schifffahrt.<br />

Bei <strong>Vogemann</strong> pflegt man sich schon ab Montag der fraglichen<br />

Woche mit Privatfeiern in Restaurants auf das große Ereignis einzustimmen.<br />

Am Mittwoch bittet die Firma dann ihre Geschäftsfreunde ins Brauhaus Albrecht<br />

an der Adolphsbrücke, bis es dann am Freitag endlich soweit ist, dass<br />

man ins CCH pilgert. Eine Tradition, die keiner missen mag. Genauso wenig<br />

wie die Mitgliedertreffen und Empfänge beim Verband Deutscher Reeder oder<br />

Sommerfeste, die seit 1995 in den Gärten der Bürovillen an der Hallerstraße<br />

zusammen mit lokalen Kunden abgehalten werden – wozu dann, wenn gleichzeitig<br />

um die Welt- oder Europameisterschaft im Fußball gespielt wird, ein<br />

stilvolles „Public Viewing“ mit Großbildwand gehört.<br />

Kapitel 2 – Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

99<br />

1994<br />

Bei der Bundestagswahl wird<br />

die CDU/CSU-FDP-Koalition<br />

knapp bestätigt.<br />

Der Europäische Wirtschaftsraum<br />

(EWR) für freien Waren-,<br />

Dienstleistungs- und Kapitalverkehr<br />

tritt in Kraft.<br />

Das Bundesverfassungsgericht<br />

erklärt Auslandseinsätze der<br />

Bundeswehr auch außerhalb<br />

des NATO-Gebietes für zulässig.<br />

Die Deutsche Bundesbahn<br />

und die Deutsche Reichsbahn<br />

werden privatisiert und zur<br />

Deutschen Bahn AG zusammengeführt.<br />

Die Treuhandanstalt zur<br />

Verwaltung des Volkseigentums<br />

der DDR beendet ihre Arbeit.<br />

Die sog. Uruguay-Runde<br />

beschließt die Gründung der<br />

Welthandelsorganisation WTO.<br />

Festnahme des Kaufhaus-Erpressers<br />

„Dagobert“ in Berlin.<br />

Michael Schumacher gewinnt<br />

erstmals die Weltmeisterschaft<br />

der Formel-1.


100 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Kapitel 3<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

Neuaufbau der Flotte<br />

seit 1995<br />

101


1995<br />

In einer Kunstaktion des<br />

Ehepaars Christo und Jeanne<br />

Claude wird der Berliner<br />

Reichstag verhüllt.<br />

Nach internationalen<br />

Protesten muss der Shell-<br />

Konzern darauf verzichten,<br />

seine ausgediente Ölplattform<br />

„Brent Spar“ in der Nordsee zu<br />

versenken.<br />

Die Kultusminister der<br />

Bundesländer beschließen die<br />

Reform der deutschen Recht-<br />

schreibung.<br />

Durch den Beitritt von Öster-<br />

reich, Finnland und Schweden<br />

wird die Europäische Union<br />

Neuaufbau der Flotte<br />

seit 1995<br />

Mitte der 1990er Jahre war es so weit, dass die alte Firmentradition wieder<br />

zu Ehren kommen konnte: <strong>Vogemann</strong> stieg mit eigenen Schiffen ins Reedereigeschäft<br />

ein. Mit dem Ankauf eines 20.900-Tonnen-Frachters aus dem<br />

Besitz der ehemaligen jugoslawischen Staatsreederei Jadroplov begann der<br />

Aufbau einer Flotte, die heute 23 Einheiten mit Größen bis zu 170.000 Tonnen<br />

zählt. Die folgende Darstellung basiert auf den Erinnerungen von Udo Wiese<br />

und Jens Arndt.<br />

D<br />

er Geist eines Hauses kann auch dann noch das Selbstverständ-<br />

nis prägen, wenn er sich bis zur Unkenntlichkeit gewandelt oder<br />

gar verflüchtigt zu haben scheint. Die Reederei-Geschichte je-<br />

denfalls ließ H. <strong>Vogemann</strong> auch dann nicht los, als der Grün-<br />

dersohn Richard Anfang der 1960er Jahre hatte einsehen müssen, dass die<br />

Zukunft der Firma nicht in einer eigenen Flotte zu suchen war. Der umtriebige<br />

Ulrich Prüss nahm dennoch kurz nach dem Tod des Prinzipals den Faden<br />

wieder auf, scheiterte aber ebenfalls, dieses Mal an einem unseriösen „Geld-<br />

geber“. Weiteren Ideen eines erneuten Reederei-Engagements begegneten<br />

die damals und später Verantwortlichen fortan mit erheblicher Skepsis. Paul<br />

Speckter und seine Frau Renate jedenfalls mochten davon nichts wissen und<br />

konzentrierten alles auf das Maklergeschäft.<br />

Kaum jedoch war 1993 der Führungswechsel vollzogen, ließen<br />

sich Gedanken ans Reedereigeschäft als zweites Standbein nicht mehr unterdrücken.<br />

Auslöser für einen solchen Neustart wurden die bereits erwähnten<br />

von Udo Wiese angebahnten guten Beziehungen zu kroatischen Reedern,<br />

insonderheit zu der in Split ansässigen Firma Jadroplov. Die ehemalige jugoslawische<br />

Staatsreederei befand sich als Folge des Zusammenbruchs der<br />

kommunistischen Planwirtschaft im Umbau, Teile waren als Split Shipmanagement<br />

(SSM) ausgegliedert. Jadroplov/SSM war im Zuge einer kostspieligen<br />

Erneuerung seiner Flotte gezwungen, ältere Schiffe abzugeben. Für die<br />

„Marko Marulic“, nach dem bekannten kroatischen Dichter und Humanisten<br />

(16. Jahrhundert) benannt, fand sich zunächst kein Abnehmer. Die für das<br />

102 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


1977 in Bilbao gebaute 20.900-Tonnen-Schiff geforderten 3,6 Millionen Dollar<br />

überstiegen zwar auch <strong>Vogemann</strong>s Möglichkeiten, doch bot Jadroplov<br />

einen 50:50-Kompromiss an: Die Firma wollte weiterhin für das technische<br />

Management und die Besatzung sorgen, während <strong>Vogemann</strong> das kommerzielle<br />

Management inklusive der Befrachtung übernehmen und seinen Anteil<br />

in Raten zahlen sollte.<br />

Auf dieser Basis kam es zu einer Einigung. Seit 1995 prangte<br />

das <strong>Vogemann</strong>-Logo wieder auf einem Massengutfrachter, der zunächst in<br />

„Marul“ ohne die kroatische Endung umbenannt wurde. Er brachte auch gute<br />

Gewinne, <strong>Vogemann</strong> konnte seine Raten schnell tilgen. Aber die Überschüsse<br />

wurden von der Partnerfirma auf kaum nachprüfbare Weise abgeschöpft.<br />

Tatsächliche oder angebliche Schäden am Schiff wurden in Rechnung gestellt,<br />

so dass vom eingefahrenen Ergebnis wenig bis nichts übrig blieb.<br />

Nicht nur das, in den drei Jahren, die <strong>Vogemann</strong> das Schiff<br />

fuhr, ereignete sich auch eine überaus peinliche Episode, die der Firmenleitung<br />

wochenlang zu schaffen machte. Die „Marul“ war für 18 Monate an die<br />

Bremer Firma Pac Line verchartert, mit der es in finanzieller Hinsicht nicht<br />

zum Besten stand. Die Mieten wurden mit immer größerem Verzug gezahlt.<br />

Schließlich, die „Marul“ lag in New Orleans, hatte gerade gelöscht und sollte<br />

Mit der in Kroatien gekauften „Marul“ begann <strong>Vogemann</strong>s Wiedereinstieg ins Reedereigeschäft.<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

103<br />

(EU) zu einer Gemeinschaft<br />

von 15 Staaten.<br />

Zehn Jahre nach seiner Unterzeichnung<br />

tritt das Schengener<br />

Abkommen zum Abbau der<br />

Personenkontrollen an den<br />

europäischen Binnengrenzen<br />

in Kraft.<br />

Bei der UN-Klimakonferenz in<br />

Berlin können sich die Teilnehmerstaaten<br />

nicht auf konkrete<br />

Maßnahmen zum Klimaschutz<br />

einigen.<br />

Bosnische Serben ermorden<br />

mehrere tausend Muslime<br />

in der UN-Schutzzone<br />

Srebrenica.<br />

Das Abkommen von Dayton<br />

beendet den Bürgerkrieg im<br />

ehemaligen Jugoslawien.<br />

Der israelische Ministerpräsident<br />

Yitzhak Rabin wird von<br />

einem jüdischen Fanatiker<br />

erschossen.<br />

1996<br />

Erste Fälle der Rinderseuche<br />

BSE („Rinderwahnsinn“) in<br />

Deutschland.<br />

Konkurs des Schiffsbauunternehmens<br />

Bremer Vulkan<br />

Verbund AG.<br />

Die Änderung des Ladenschlussgesetzes<br />

erlaubt dem<br />

Einzelhandel Öffnungszeiten<br />

von 6 bis 20 Uhr.<br />

Entführung des Millionärs<br />

Jan-Philipp Reemtsma.


Der Euro-Stabilitätspakt legt<br />

ein maximales Haushalts-<br />

defizit von 3 % des<br />

Bruttoinlandsprodukts fest.<br />

Radikal-islamische<br />

Taliban-Milizen erobern<br />

die afghanische<br />

Hauptstadt Kabul.<br />

Der Deutsche Dom in Berlin<br />

wird wiedereröffnet.<br />

1997<br />

Eröffnung der sogenannten<br />

Wehrmachtsausstellung mit<br />

Dokumenten zum<br />

Vernichtungskrieg im Osten.<br />

Wegen Überschwemmun-<br />

gen an der Oder müssen<br />

Tausende von Menschen ihre<br />

Häuser verlassen.<br />

Die britische Prinzessin<br />

Diana kommt bei einem<br />

Autounfall in Paris<br />

ums Leben.<br />

Die UN-Klimakonferenz in<br />

Kyoto (Japan) beschließt die<br />

Reduzierung der<br />

Treibhausgase.<br />

Im sogenannten Politbüro-<br />

Prozess erhält Egon Krenz,<br />

der letzte Staats- und Partei-<br />

chef der DDR, sechseinhalb<br />

Jahre Gefängnis.<br />

wieder Getreide am Mississippi laden, versuchte Pac Line sich aus seinen<br />

Zahlungsverpflichtungen mit dem Argument zu stehlen, das Schiff entspre-<br />

che nicht den Sicherheitsvorschriften, die Luken seien nicht wasserdicht. Mit<br />

einem Ultraschalltest wurde das „bewiesen“.<br />

Streit um „undichte“ Lukendeckel. Nun war dieses „Ultrasonic“-<br />

Verfahren nicht das gemeinhin übliche. <strong>Vogemann</strong> ließ die Lukendeckel wie<br />

gewohnt mit einem Hochdruckwasserstrahl prüfen. Dabei wurden nur kleine<br />

Leckagen sichtbar, die <strong>Vogemann</strong> sogleich reparieren ließ. Das genügte dem<br />

Befrachter nicht, er blieb bei den Ergebnissen seines Tests, setzte das Schiff<br />

off-hire und wollte erkennbar die Charter loswerden, die Frachtraten waren<br />

nämlich mittlerweile gesunken und lagen weit unter der Miete, die Pac Line<br />

bezahlen musste. <strong>Vogemann</strong> seinerseits steckte gleichfalls in der Zwickmühle,<br />

er konnte das Schiff nicht zurückziehen und Schadensersatzanspruch stellen,<br />

eben weil das Schiff offiziell off-hire war. Nervtötende Verhandlungen über<br />

das richtige Prüfverfahren für Lukendeckel folgten, bis eine Einigung erzielt<br />

wurde und das Schiff nach vier Wochen Liegezeit endlich den Hafen verlassen<br />

konnte. Die nächste Mietzahlung traf wieder nicht fristgerecht ein, so dass<br />

<strong>Vogemann</strong> nun eine Handhabe besaß, das Schiff aus der Charter zurückzuziehen<br />

und – zu niedrigerem Preis – an die Firma Macs Cross zu verchartern.<br />

„Vogetrader“, ein Massengutfrachter von 72.000 Tonnen.<br />

104 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Pac Line jedoch ließ nicht locker. Es arrestierte die „Marul“ in<br />

Rotterdam wegen angeblich entgangener Gewinne, und <strong>Vogemann</strong> musste<br />

eine Garantie von 450.000 US-Dollar hinterlegen, um das Schiff aus dem Arrest<br />

zu befreien. Dazu musste <strong>Vogemann</strong> in eine Arbitrage gehen und diese bis<br />

zu Ende führen, obwohl Pac Line in der Zwischenzeit Insolvenz angemeldet<br />

hatte; anders waren die 450.000 Dollar nicht zurückzubekommen. <strong>Vogemann</strong><br />

erhielt seine Ansprüche gegen Pac Line auch in einer Arbitrage zugesprochen,<br />

aber das nützte wenig, denn da es noch viele weitere Gläubiger gab, war kein<br />

Geld mehr zu holen.<br />

Insofern war es besonders erstaunlich, dass <strong>Vogemann</strong> den<br />

Frachter dennoch halten und die „Marul“ in Argentinien für ca. 300.000 US-<br />

Dollar sogar noch Klasse machen lassen konnte. Was aber anfangen mit dem<br />

Schiff? <strong>Vogemann</strong> hatte einen Käufer an der Hand, der es für 900.000 Dollar<br />

kaufen wollte. Der kroatische Partner jedoch hatte andere Pläne, Jadroplov/<br />

SSM gedachte die „Marul“ zu verschrotten, für 600.000 Dollar, und verwies<br />

darauf, dass ein Verkauf an Dritte mit zu vielen Risiken behaftet sei. Daraufhin<br />

beschloss <strong>Vogemann</strong>, dem Partner seinen 50-Prozent-Anteil abzukaufen,<br />

unter Zugrundelegung des Schrottwertes. Dem verweigerten sich die Kroaten.<br />

Udo Wiese musste in Split Marathonverhandlungen absolvieren, bis endlich<br />

eine Einigung gefunden wurde: Jadroplov gab seinen Anteil her, allerdings<br />

mit einem Aufschlag von 10 Prozent auf den Schrottwert. Sehr kooperativ<br />

verhielt sich hier die Bremer Landesbank, die die Kaufsumme finanzierte.<br />

Dem undurchsichtigen Konstrukt Jadroplov/SSM – das technische<br />

Shipmanagement (SSM) stand glänzend da, während es mit der Reederei<br />

(Jadroplov) immer weiter bergab ging, sie stand kurz vor dem Konkurs –,<br />

wurde übrigens später ein Ende gemacht, die Reederei wurde in den Jahren<br />

2000/2001 gerettet, wobei <strong>Vogemann</strong> und der Hamburger Reeder Peter Döhle<br />

maßgeblich beteiligt waren. Eine Folge davon war, dass <strong>Vogemann</strong> die drei<br />

Jadroplov-Massengutfrachter „Ist“, „Solta“ und „Don Frane Bulic“ exklusiv befrachten<br />

durfte. Das gilt für das zuletzt genannte Schiff heute noch, die anderen<br />

wurden in der Zwischenzeit verkauft.<br />

Die Bilanz der ersten Jahre als Schiffseigner: Nicht gerade ein<br />

Erfolg, und einige unangenehme Erfahrungen hatte man dazu gemacht. Dennoch<br />

ließ sich die neue Firmenleitung auf ihrem neuen Weg nicht beirren.<br />

Im Jahr 2001 bot eine Reederei aus Taiwan sechs Massengutfrachter<br />

zum Kauf an. In Fernost herrschte Krise, die Frachtraten waren<br />

niedrig, die Reederei litt unter Liquiditätsproblemen. Man verfolgte die Vorgänge<br />

bei <strong>Vogemann</strong> mit Aufmerksamkeit. Als ein Schiff nach dem anderen<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

105<br />

Jan Ullrich gewinnt als<br />

erster Deutscher die<br />

Tour de France.<br />

Hongkong wird als<br />

Sonderverwaltungszone<br />

China unterstellt.<br />

Der Komet Hale-Bopp<br />

nähert sich der Erde bis auf<br />

197 Millionen Kilometer.<br />

Eine Million Menschen<br />

feiert die „Love Parade“ in<br />

Berlin.<br />

1998<br />

Bei einem Zugunglück<br />

in Eschede kommen 101<br />

Menschen ums Leben.<br />

Erstmals in der Geschichte<br />

der Bundesrepublik kommt<br />

es zu einer vollständigen<br />

Ablösung der Regierungspartei<br />

durch die Opposition:<br />

Bei den Bundestagswahlen<br />

werden die Sozialdemokraten<br />

stärkste Fraktion.<br />

Gerhard Schröder bildet<br />

eine Koalitionsregierung<br />

mit den Grünen unter<br />

Joschka Fischer.<br />

Deutsche Post und Telekom<br />

AG verlieren ihre Monopole<br />

im Briefverkehr bzw. in der<br />

Telefonie.


Die Konzerne Daimler-Benz<br />

und Chrysler schließen sich<br />

zusammen.<br />

Durch die Fusion von Deut-<br />

scher Bank und Bankers<br />

Trust entsteht das weltgrößte<br />

Kreditinstitut.<br />

Monica Lewinsky, Praktikantin<br />

im Weißen Haus, bezichtigt<br />

Präsident Clinton, sexuelle<br />

Kontakte mit ihr gehabt zu<br />

haben.<br />

Großbritannien und Irland<br />

schließen ein Friedens-<br />

abkommen für die Region<br />

Nordirland.<br />

1999<br />

Nach dem Scheitern der<br />

Kosovo-Friedenskonferenz von<br />

Paris beginnt die NATO<br />

mit Luftangriffen auf<br />

Jugoslawien.<br />

Die jugoslawische Armee<br />

zieht sich daraufhin aus dem<br />

Kosovo zurück.<br />

Der Euro wird als bargeldloses<br />

Zahlungsmittel eingeführt.<br />

Die Bundesregierung und<br />

zwölf deutsche Konzerne<br />

einigen sich auf einen Fonds<br />

zur Entschädigung der NS-<br />

Zwangsarbeiter.<br />

Oskar Lafontaine legt seine<br />

Ämter als Parteivorsitzender<br />

der SPD und als Finanzminis-<br />

ter der Regierung Schröder/<br />

Fischer nieder.<br />

zu niedrigen Preisen wegging, sagte man sich in Hamburg: Warum nicht wir<br />

auch, kriegen wir das nicht auch hin? So wurde dann beschlossen, zuzugrei-<br />

fen. Buchstäblich im letzten Moment, die Unterlagen zum Kaufangebot wa-<br />

ren schon im Papierkorb gelandet, fischte sie Hans Boller wieder heraus. Die<br />

letzten beiden aus der Flotte von ehemals sechs Schiffen, zwei 72.000-Ton-<br />

nen-Massengutfrachter vom Baujahr 1996, kamen für jeweils ca. 20 Mio. US-<br />

Dollar an <strong>Vogemann</strong> und fuhren fortan als „Vogetrader“ und „Vogevoyager“.<br />

Finanziert wurde das Geschäft von der Hamburgischen Landesbank, zu der<br />

<strong>Vogemann</strong> exzellente Verbindungen aufgebaut hatte. Ebenso hilfreich war die<br />

Mitwirkung von Jason Chan von der Firma Wallem.<br />

Für zehn Jahre waren „Vogetrader“ und „Vogevoyager“ an die<br />

Verkäufergesellschaften zurück verchartert, und zwar in der Form der Bareboat-Charter,<br />

wonach der Charterer selbst für die Bereederung zu sorgen hat<br />

und während des Nutzungszeitraums die Kosten für Wartung, Reparaturen<br />

und Betriebsstoffe tragen muss. In der Schifffahrt selten, aber hier ein nützliches<br />

Verfahren, weil <strong>Vogemann</strong> nach den schlechten Erfahrungen mit der<br />

„Marul“ das technische Management nicht erneut an Dritte vergeben wollte,<br />

man jedoch als reiner Befrachtungsmakler – noch – nicht wieder über eine<br />

Brückenansicht der „Xin Shi Hai“, aus der „Voge West“ wurde.<br />

106 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


eigene Reedereiinspektion zur Abwicklung des technischen Managements<br />

verfügte.<br />

<strong>Vogemann</strong> hatte den Taiwanesen eine Rückkaufoption nach<br />

sechs Jahren auf dem Niveau des ursprünglichen Kaufpreises von ca. 20 Mio.<br />

US-Dollar eingeräumt. Hatte man 2001 die Ausübung dieser Option noch als<br />

äußerst unwahrscheinlich angesehen, hatten sich die Märkte für Bulkcarrier<br />

in den Folgejahren in eine Richtung entwickelt, die alle Erwartungen übertraf:<br />

Ende 2006 war der Marktwert für die dann zehn Jahre alten Schiffe bereits<br />

auf 35 Mio. US-Dollar gestiegen. Da <strong>Vogemann</strong> die Schiffe behalten wollte,<br />

kaufte man den Taiwanesen die Kaufoptionen für einen zweistelligen Mio-US-<br />

Dollar-Betrag wieder ab. Unter Berücksichtigung des Anschaffungspreises<br />

hatte <strong>Vogemann</strong> damit jeweils über 35 Mio. US-Dollar für die Schiffe bezahlt.<br />

Aber das Geld war gut angelegt, 2007 wurden „Vogetrader“ und „Vogevoyager“<br />

für je 43 Mio. US-Dollar an einen geschlossenen Schiffsfonds verkauft, der<br />

von <strong>Vogemann</strong> als Vertragsreeder heute noch gemanagt wird. Ein Jahr später<br />

hätte sich auch ein Preis von über 60 Millionen erzielen lassen, aber das war<br />

nicht vorhersehbar.<br />

Ein Kaufvertrag so dick wie ein Buch. Vorteilhafte Angebote<br />

wie das damals aus Taiwan kommen so schnell nicht wieder, dachte man bei<br />

<strong>Vogemann</strong>. Doch kurze Zeit darauf lag schon wieder so eines auf dem Tisch.<br />

Es kam von einer norwegischen Reederei, die von ihrer Bank gezwungen worden<br />

war, die gesamte Flotte zu verkaufen. Zwei Panamax Carrier waren dabei,<br />

die gut in <strong>Vogemann</strong>s Konzept passten. Der Kaufpreis betrug jeweils 15,5 Mio.<br />

US-Dollar. Für 10 Jahre waren die Schiffe an die chinesische Staatsreederei<br />

Cosco verchartert. Bei einem Reederwechsel hätte Cosco die Möglichkeit gehabt,<br />

aus der Charter auszusteigen. <strong>Vogemann</strong> musste daher die Schiffseignerfirmen<br />

kaufen, um die Charter nicht zu verlieren. Dadurch gestalteten sich<br />

die Kaufverhandlungen in Norwegen äußerst schwierig. Zehn Mann saßen da<br />

am Tisch, Juristen und Wirtschaftsprüfer dabei, die Hypotheken beurteilen<br />

und steuerliche Betrachtungen anstellen mussten.<br />

Der Kaufvertrag, der schließlich herauskam, war ein dickes Buch.<br />

Die Banken zogen willig mit, der gute Name des chinesischen Staatsreeders<br />

tat sein Übriges, um die Finanzierung glatt laufen zu lassen. Im Kaufvertrag<br />

war <strong>Vogemann</strong> die Option zugesprochen, sich nach sechs Jahren für 1 Mio.<br />

Dollar aus der Charter herauszukaufen. 2008 nahm die Firma das wahr. Der<br />

70.000-Tonner „Xin Shi Hai“ hieß danach „Voge West“, aus dem 68.000-Tonner<br />

„Xin Xing Hai“ wurde „Belem“. Letzterer ist derzeit für fünf Jahre an die<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

107<br />

Deutschland beteiligt sich an der<br />

Internationalen Friedenstruppe im<br />

Kosovo (KFOR).<br />

Eröffnung des von Daniel Libeskind<br />

entworfenen Jüdischen Museums<br />

in Berlin.<br />

Der Bundestag entscheidet sich für<br />

den Bau eines Holocaust-Denkmals<br />

in Berlin nach Entwürfen<br />

von Peter Eisenman.<br />

Die Weltbevölkerung hat die Sechs-<br />

Milliarden-Grenze überschritten.<br />

Günter Grass erhält den Nobelpreis<br />

für Literatur.<br />

Der Film „Lola rennt“ von Tom<br />

Tykwer erhält acht Auszeichnungen<br />

bei der Verleihung des Deutschen<br />

Filmpreises.<br />

2000<br />

Angela Merkel wird Parteivorsitzende<br />

der CDU.<br />

Bundesregierung und Atomwirtschaft<br />

einigen sich auf einen<br />

Ausstieg aus der Kernenergie.<br />

In der Bundesrepublik können<br />

gleichgeschlechtliche Paare eine<br />

eheähnliche Bindung („Eingetragene<br />

Partnerschaft“) eingehen.<br />

Im Vertrag von Nizza verständigen<br />

sich die Staats- und Regierungschefs<br />

der Europäischen Union auf<br />

eine Osterweiterung der EU.


108 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

109<br />

Alltag an Bord<br />

Ein Schiff, das ruhig seine<br />

Bahn zieht, und Seeleute, die<br />

konzentriert ihrer Arbeit nachgehen<br />

– Bilder von einer Fahrt<br />

mit dem Handysize Bulkcarrier<br />

„Voge Eva“ im Januar 2010.


Die Lizenzen für die nächste<br />

Mobilfunkgeneration UMTS<br />

werden für 98,8 Milliarden<br />

DM versteigert.<br />

Eröffnung der<br />

Weltausstellung Expo 2000<br />

in Hannover.<br />

Hamburg Süd-Gruppe verchartert. Auch bei den beiden Norwegern war das<br />

– selten angewandte – Prinzip der Bareboat-Charter zum Tragen gekommen.<br />

Es wurde nun aber Zeit, dass die Geschäfte andere Formen bekamen.<br />

Reederei Roth zuständig fürs technische Management. Einen<br />

verlässlichen Partner, der das technische Management übernehmen konn-<br />

te, fand <strong>Vogemann</strong> in der Hamburger Reederei Roth. Roth besaß selbst drei<br />

Panamax Carrier und bereederte für die Pro Line im Linienverkehr Ostküste<br />

Südamerika – Fernost fünf Tweendecker, von denen vier allerdings gerade<br />

verschrottet wurden. Roth war daran interessiert, diese Lücke durch Voge-<br />

mann-Schiffe zu schließen.<br />

Der erste Carrier, der so unter Roths technisches Management<br />

kam, war die „Greta R“, benannt nach Udo Wieses Mutter Greta Reinkendorff.<br />

<strong>Vogemann</strong> erwarb sie Anfang 2003 von einer in Monte Carlo ansässigen Ree-<br />

„Greta R“ in schwerer See vor der japanischen Küste.<br />

110 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


derei für 10,1 Mio. US-Dollar. Das Geschäft wurde vermittelt durch die Firma<br />

Hamburg Bulkcarrier (HBC), die es auch partnerschaftlich begleitete und<br />

über ihr Emissionshaus das Eigenkapital einwarb. „Greta R“ blieb bis 2009 in<br />

<strong>Vogemann</strong>s Besitz, zumeist verchartert an Alfred C. Toepfer.<br />

Der nächste in der Reihe war die „Ulla R“. Bevor es zu dem<br />

Erwerb kam, ereignete sich eine Affäre, die mal wieder enthüllte, auf wie<br />

schwankendem Boden man sich manchmal beim Kauf und Verkauf von Schiffen<br />

befinden kann. Eigentlich hatte <strong>Vogemann</strong> nämlich ein anderes Schiff im<br />

Auge gehabt. Ein 50.000-Tonner, ungefähr 20 Jahre alt, aus der Flotte des<br />

türkischen Reeders Karahasan. Der hatte seine Schiffe von der Hamburgischen<br />

Landesbank finanzieren lassen, war mit dieser in Streit geraten, und<br />

das hatte damit geendet, dass die Bank seine gesamte Flotte, fünf Schiffe, an<br />

die Kette legte und zur Zwangsversteigerung ausschrieb. Der Frachter, für<br />

den sich <strong>Vogemann</strong> interessierte, lag im chinesischen Tianjin, dem früheren<br />

Tientsin.<br />

Marktbewertung und Charteraussichten waren günstig, <strong>Vogemann</strong><br />

entschloss sich, mitzubieten und hinterlegte eine Million Dollar Sicherheit<br />

beim Auktionshaus in Tianjin. Eine Delegation fuhr nach China, um<br />

bei der Versteigerung dabei zu sein. Am Abend der Ankunft kam die Nachricht:<br />

Die Charterraten steigen. Das hieß, auch der Wert des Schiffes stieg.<br />

Bei der Versteigerung würde vermutlich ein höherer Preis erzielt werden als<br />

ursprünglich gedacht. <strong>Vogemann</strong> musste den als Charterer vorgesehenen<br />

Alfred C. Toepfer um eine Nachbesserung der vorab geschlossenen Chartervereinbarung<br />

angehen. Toepfer versprach ein Entgegenkommen. So gerüstet<br />

gingen die Vogemänner in die Versteigerung. 25 Bieter waren registriert, davon<br />

blieben drei übrig: ein Chinese, ein Grieche und <strong>Vogemann</strong>. Der Grieche<br />

machte das Rennen und bekam den Zuschlag, obwohl ihm aus irgendwelchen<br />

Gründen erspart geblieben war, ein Depot zu hinterlegen.<br />

Unverrichteter Dinge mussten die Vogemänner nach Hamburg<br />

zurückkehren. Dort wartete die Nachricht: Das Auktionshaus weigert sich, die<br />

hinterlegte Million herauszurücken. Das Geld sei nie angekommen, hieß es.<br />

Udo Wiese musste sich wieder auf den Weg in den Fernen Osten machen.<br />

Zweimal verhandelte er in Tianjin. Immer saßen mindestens zehn Mann am<br />

Tisch. Zunächst war eine chinesische Dolmetscherin dabei, die ausgezeichnet<br />

Deutsch sprach. Sie wurde jedoch bald durch einen männlichen Kollegen ersetzt,<br />

der weder Deutsch noch Englisch konnte. Mit großer Mühe gelang es,<br />

die sprachkundige Chinesin wieder hinzuzuziehen. Mit wohlgesetzten Worten<br />

aber war dann doch nicht alles zu regeln. Udo Wiese ist sich heute sicher,<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

111<br />

2001<br />

Die afghanischen Taliban<br />

befehlen trotz internationaler<br />

Proteste die Zerstörung der<br />

Buddha-Statuen von Bamian.<br />

Muslimische Terroristen,<br />

Angehörige des Netzwerks<br />

al-Qaida, entführen in Amerika<br />

vier Verkehrsflugzeuge und<br />

lenken sie ins Pentagon und ins<br />

World Trade Center in New York.<br />

Die USA fordern vom Taliban-<br />

Regime in Afghanistan die Auslieferung<br />

des al-Qaida-Gründers<br />

Osama bin Laden.<br />

Die NATO erklärt erstmals in ihrer<br />

Geschichte den Bündnisfall,<br />

auch Deutschland beteiligt sich<br />

am Krieg gegen den Terror.<br />

Beim PISA-Ländervergleich der<br />

Schulleistungen belegt Deutschland<br />

einen der hinteren Plätze.<br />

Eröffnung des neuen Bundeskanzleramtes<br />

in Berlin.<br />

Die Deutsche Angestellten<br />

Gewerkschaft (DAG) und vier<br />

weitere Arbeitnehmervertretungen<br />

des öffentlichen Dienstes<br />

schließen sich zur Gewerkschaft<br />

„ver.di“ zusammen. Diese ist<br />

mit über 3 Mio. Mitgliedern<br />

die weltweit größte<br />

Einzelgewerkschaft.


2002<br />

Ein gegen die rechtsextreme<br />

NPD eingeleitetes Verbotsver-<br />

fahren wird vom Verfas-<br />

sungsgericht ausgesetzt.<br />

In Deutschland und elf<br />

weiteren Ländern wird das<br />

Euro-Bargeld eingeführt.<br />

Die Schweiz wird 190. Mit-<br />

glied der Vereinten Nationen<br />

Ein ehemaliger Schüler des<br />

Erfurter Gutenberg-<br />

Gymnasiums erschießt in<br />

einem Amoklauf 14 Lehrer<br />

und zwei Schüler und<br />

anschließend sich selbst.<br />

Eine Kommission unter<br />

Leitung des früheren VW-<br />

Managers Hartz entwickelt<br />

Pläne für „Ich-AGs“ und<br />

„Mini-Jobs“ zur Reform der<br />

Arbeitsvermittlung.<br />

In Schanghai absolviert die<br />

Transrapid-Schwebebahn<br />

ihre Jungfernfahrt.<br />

Weltgipfel der Vereinten<br />

Nationen (UN) in Johannes-<br />

burg zur Armutsbekämpfung<br />

und zum Umweltschutz.<br />

„Jahrhundertflut“ auf der<br />

Elbe.<br />

dass die Verhandlung ewig weitergegangen wäre, wenn er nicht an einer be-<br />

stimmten Stelle ganz unchinesisch derb auf den Tisch gehauen hätte. So aber<br />

kam <strong>Vogemann</strong> endlich zu seinem Geld.<br />

Zwangsversteigerung in Singapur. Das alles geschah im Ok-<br />

tober 2003. Im November dann kam „Ulla R“ als Neuerwerb zur <strong>Vogemann</strong>-<br />

Flotte. Ein Schiff ebenfalls aus dem Besitz von Karahasan, ein 43.000-Tonner,<br />

damals noch mit dem Namen„Edip Karahasan“. Das Schiff wartete in Singapur<br />

auf die Zwangsversteigerung. Diesmal fuhr von <strong>Vogemann</strong> keiner hin, man<br />

überließ es einem dortigen Anwalt, als <strong>Vogemann</strong>s Vertreter mitzubieten,<br />

und verfolgte die Versteigerung am Telefon. Jens Arndt hatte den Anwalt in<br />

der Leitung, Alan Woo die koreanische Firma, die man als Charterer gewonnen<br />

hatte. Die Telefone waren auf laut gestellt, damit jeder beim anderen<br />

mithören konnte und wusste, wie die Dinge standen. Die Entscheidung fiel,<br />

als es in Hamburg drei Uhr morgens war. <strong>Vogemann</strong> erhielt den Zuschlag<br />

gegen den letzten verbliebenen Mitbewerber, denselben Griechen übrigens,<br />

der die Hamburger in Tianjin ausgestochen hatte. 12,6 Mio. Dollar lautete das<br />

letzte Gebot, ein gewaltiger Preis, und die Finanziers von der Hamburgischen<br />

Landesbank (seit ihrer Fusion mit der Landesbank Schleswig-Holstein einige<br />

Monate zuvor hieß sie nun HSH Nordbank) zeigten sich entsetzt, als sie davon<br />

erfuhren, stimmten aber schließlich zu.<br />

In der Zwangsversteigerung erworbene Schiffe sind lastenfrei,<br />

so der Grundsatz in der Seefahrt. In der Türkei wird er allerdings nicht anerkannt,<br />

wenigstens nicht in Fällen, wo die Versteigerung außerhalb der Türkei<br />

stattfindet. Ein Schiff, das in der Türkei registriert ist, bleibt nach einer Versteigerung<br />

im Ausland weiterhin türkisch. <strong>Vogemann</strong> wusste das nicht, und auch<br />

die anderen Käufer, die Schiffe aus der Karahasan-Flotte erwarben, wussten<br />

das nicht und mussten erleben, dass ihre Schiffe arrestiert wurden, wenn sie<br />

Häfen anliefen, in denen der frühere Eigentümer seine Besitzansprüche den<br />

Behörden hatte glaubhaft machen können. Auf alle Fälle den Bosporus galt<br />

es zu meiden, hier musste man befürchten, dass auch mit Hinterlegung einer<br />

Sicherheit das Schiff, wenn es einmal arrestiert war, nicht freizubekommen<br />

war. Die Ladungen, die „Ulla R“ transportieren sollte, stammten aber zum<br />

guten Teil aus Häfen im Schwarzen Meer, da ließ sich eine Fahrt durch türkische<br />

Hoheitsgewässer nicht vermeiden. Trotz dieser Einschränkung der Einsatzfähigkeit<br />

konnte das Schiff erfolgreich betrieben werden, und auch bei der<br />

Veräußerung des Schiffes 2006 fand man einen Ausweg. „Ulla R“ wurde an<br />

eine chinesische Reederei verkauft, die den Frachter ausschließlich zwischen<br />

112 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


„Ulla R“ vor der Skyline von San Francisco.<br />

chinesischen Häfen verkehren lässt – dorthin reicht Karahasans Arm nicht.<br />

Und immer noch war es ein gutes Geschäft für die von HBC Capital Consult<br />

eingeworbenen Anleger, denn die Chinesen zahlten 15 Mio. US-Dollar für den<br />

Carrier.<br />

Finale am Heiligabend. November 2003, das Jahr war noch<br />

nicht zu Ende. „Beinahe im Wochenrhythmus“, so erinnern sich die Gesellschafter,<br />

wurden Schiffe gekauft. „Bulk Asia“ und „Bulk Europe“ hießen die<br />

letzten Zugänge dieses Jahres, moderne, in Japan gebaute Capesize Carrier<br />

vom Baujahr 2001, jeder mit einer Tragfähigkeit von mehr als 170.000 Tonnen.<br />

Sie gehörten der Reederei Livanos in Monte Carlo. Eine Notlage war nicht<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

113<br />

2003<br />

Die USA beseitigen im Bund<br />

mit einer „Koalition der<br />

Willigen“ das Regime von<br />

Saddam Hussein. Der Diktator<br />

des Irak steht im Verdacht,<br />

Massenvernichtungswaffen<br />

zu entwickeln.<br />

Bundeskanzler Schröder lehnt<br />

eine deutsche Beteiligung an<br />

dem Angriff ab.


Selbstmord des FDP-Politi-<br />

kers Jürgen Möllemann.<br />

Die IG-Metall bricht den<br />

Streik zur Einführung der<br />

35-Stunden-Woche in den<br />

neuen Bundesländern ab.<br />

In Perl-Nennig im Saarland<br />

wird mit 40,8 Grad Celsius<br />

ein neuer Hitzerekord in<br />

Deutschland gemessen.<br />

Bundeskanzler Schröder<br />

stellt ein Reformprogramm<br />

(„Agenda 2010“) zur Verbes-<br />

serung der wirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen und<br />

Entlastung der Kommunen,<br />

verbunden mit Einschnitten<br />

im Sozialbereich, vor.<br />

In Belgrad wird der serbi-<br />

sche Ministerpräsident Zoran<br />

Djindjic erschossen.<br />

Der Internationale Straf-<br />

gerichtshof in Den Haag<br />

nimmt seine Arbeit auf.<br />

Weltweites Auftreten der<br />

bisher unbekannten Lun-<br />

genkrankheit SARS.<br />

Nach der „Roten Liste“ der<br />

Welttierschutzorganisation<br />

JUCN sind weltweit mehr als<br />

12 000 Tier- und Pflanzen-<br />

arten bedroht.<br />

Caroline Links Roman-<br />

verfilmung „Nirgendwo in<br />

Afrika“ erhält den Oscar für<br />

den besten ausländischen<br />

Film.<br />

gegeben, die Reederei wollte verkaufen, um die Bilanz zu optimieren, und<br />

gedachte die Schiffe für sieben Jahre zurückzuchartern. Die Einwerbung der<br />

Anleger übernahm diesmal HCI. Das Finale der Kaufverhandlungen fand am<br />

Heiligen Abend statt, für je 52 Mio. US-Dollar wechselten die beiden Riesen<br />

den Besitzer.<br />

Die Verbindung zur Reederei Roth, weiterhin zuständig für das<br />

technische Management, wurde enger. <strong>Vogemann</strong> übernahm 20 Prozent der<br />

Anteile und bewog die Firmenleitung, ihr Domizil in der Hamburger City Nord<br />

aufzugeben und mit in das Gebäude Hallerstraße 40, seit 2004 Firmensitz von<br />

<strong>Vogemann</strong>, zu ziehen.<br />

Im Jahr 2004 passierte wieder eine der Pannen, ohne die es im<br />

Geschäftsleben wohl nicht abgehen kann. Das Stichwort lautet „Top Glory“.<br />

Top Glory hieß das chinesische Handelshaus, zu dem auch eine Reederei gehörte.<br />

Die wiederum wollte auf einen Schlag ihre gesamte Flotte von Bulkcarriern<br />

loswerden. Aus Peking erging eine Einladung zu Kaufverhandlungen an<br />

<strong>Vogemann</strong>. Udo Wiese und Jens Arndt reisten hin. Gemeinsam mit Anwälten,<br />

Maklern und Vertretern von HCI saßen sie einer Reihe von mindestens zehn<br />

Chinesen aus dem Handelshaus Top Glory gegenüber. Ein Chairman eröffnete<br />

in feierlicher Form die Sitzung und hielt erst einmal eine Ansprache von<br />

einer Stunde Länge. Ein Dolmetscher übersetzte, aber nur unzulänglich. Soweit<br />

die Gäste verstanden, handelte die Rede ausschließlich von den blühenden<br />

Geschäften, die das Haus Top Glory in aller Welt tätigte. Kein Wort von<br />

„Voge Katja“ mit einer Holzfracht beim Verlassen des Hafens von Napier (Neuseeland).<br />

114 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Familie <strong>Vogemann</strong> in den frühen 1950er Jahren. Von links nach rechts: Richard <strong>Vogemann</strong>,<br />

Irma <strong>Vogemann</strong>, Herbert <strong>Vogemann</strong>; Renate <strong>Vogemann</strong>, Schwiegersohn Paul Speckter.<br />

Handysize Bulkcarrier „Lake Maja“ kam im Frühjahr 2005 zur <strong>Vogemann</strong>-Flotte.<br />

irgendwelchen Schiffen, die zum Verkauf ständen. Dann, nach einer Stunde,<br />

die knappe Mitteilung: Die Schiffe sind gestern an jemand anders verkauft<br />

worden. Ende der Sitzung, alles erhob sich. Später kam heraus, dass es den<br />

Käufer schon länger gab, die Chinesen hatten wahrscheinlich mit der Einschaltung<br />

eines Interessenten aus dem Westen den Verhandlungen nur noch<br />

ein wenig Beschleunigung geben wollen. Im übrigen hätte der Chairman die<br />

gewünschten Informationen auch ohne den unbeholfenen Dolmetscher geben<br />

können. Denn als er die Gäste zur Tür geleitete und höflichen Smalltalk<br />

machte, stellte sich heraus, dass er fließend Englisch sprach.<br />

Wie um die peinliche Erfahrung abzurunden, fiel dann auch das<br />

Abendessen, das sich die Hamburger gönnen wollten, besonders unerfreulich<br />

aus. Man traf sich in einem edlen Restaurant, wo einer aus der Delegation,<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

115<br />

2004<br />

Erweiterung der EU um<br />

10 Mitglieder (Estland, Lettland,<br />

Litauen, Malta, Polen, Slowakei,<br />

Slowenien, Tschechische Republik,<br />

Ungarn und Zypern).<br />

Massenproteste gegen die Hartz<br />

IV-Gesetze zur Arbeitsmarktreform<br />

(Zusammenlegung von Arbeitslosen-<br />

und Sozialhilfe).<br />

Folgende Doppelseite:<br />

„Vogerunner“ in Fahrt.


116 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

117


Im Prozess um<br />

Millionenprämien bei der<br />

Übernahme des Mannes-<br />

mann-Konzerns durch<br />

Vodafone<br />

werden alle sechs<br />

Angeklagten, darunter<br />

Deutsche-Bank-Chef Josef<br />

Ackermann und der<br />

frühere IG-Metall-Vor-<br />

sitzende Klaus Zwickel,<br />

freigesprochen.<br />

Bei den Wahlen zum<br />

Europäischen Parlament<br />

erleidet die SPD eine<br />

Schlappe, während die<br />

Grünen erstmals ein zwei-<br />

stelliges Ergebnis<br />

(11,9 %) erzielen.<br />

Eine Flutwelle (Tsunami),<br />

ausgelöst durch ein Seebe-<br />

ben, verwüstet die Küsten<br />

in Südostasien, ca.<br />

300.000 Menschen kom-<br />

men ums Leben.<br />

Bei Terroranschlägen auf<br />

Vorortszüge in Madrid<br />

sterben 200 Menschen.<br />

Videos mit Bildern<br />

von Gefangenenmisshand-<br />

lungen durch US-Soldaten<br />

im Irak lösen einen<br />

Skandal aus.<br />

der behauptete sich auszukennen, mit wichtiger Miene ein Gericht empfahl,<br />

das in zahllosen kleinen Gefäßen gereicht wurde, die nur wenig Genießbares<br />

enthielten. Am besten kam noch Udo Wiese weg, der der Empfehlung<br />

misstraut und sich schlicht gebratenen Reis bestellt hatte. Er wurde wenigstens<br />

satt, während die übrigen deprimiert und hungrig vom Tisch aufstehen<br />

mussten.<br />

Kauf der ersten Handysize Bulkcarrier. Zu den Frachtern aus<br />

China gab es allerdings noch eine Alternative, auf die <strong>Vogemann</strong> zurückgreifen<br />

konnte. Das waren zwei 1996 in Spanien gebaute Capesize Carrier, die<br />

ein griechischer Reeder anbot, der sie wiederum vom großen Handelshaus<br />

Cargill erworben hatte. Zu Cargill hatte <strong>Vogemann</strong> schon seit langem Verbindung.<br />

Das trug Früchte, nach dem Kauf von „Vogesailor“ und „Vogecarrier“<br />

konnten die beiden Schiffe an Cargill verchartert werden. Der Erwerb von<br />

„Vogebulker“ (ex „Heng Shan“) aus dem Besitz einer chinesisch-kanadischen<br />

Reederei in Vancouver im Jahr 2004 schloss die Serie der Käufe von Capesize<br />

Carriern dann erst einmal ab.<br />

Im Frühjahr 2005 reihte <strong>Vogemann</strong> mit dem Ankauf von „Lake<br />

Maja“ (24.500 t) und „Voge Katja“ (23.900 t) die ersten Handysize Bulkcarrier<br />

in seine Flotte ein. Was die Panamax Carrier betraf, war man inzwischen gut<br />

versehen, mit Capesize Carriern gleichfalls. Sechs bis sieben jeweils zur Verfügung<br />

zu haben, war das Ziel, und es war einigermaßen erreicht. Nun kam<br />

es darauf an, auch in der kleineren Klasse präsent zu ein; eigentlich war das<br />

Handysize-Segment sogar das, in dem <strong>Vogemann</strong> auch als Befrachtungsmakler<br />

schon immer sein Hauptbetätigungsfeld gesehen hatte.<br />

Bis 2009 wuchs die Zahl der Handysize Carrier bei <strong>Vogemann</strong><br />

auf sieben an, darunter drei, „Voge Paul“, „Voge Renate“ und „Voge Eva“,<br />

die man im Paket von der dänischen Reederei Clipper übernahm. Bei der<br />

Namensgebung griff man diesmal auf Vornamen aus den Familien der Unternehmensgründer<br />

bzw. Partner zurück: Renate Speckter geb. <strong>Vogemann</strong>, Paul<br />

Speckter, Maja Wiese, Katja Wiese, Eva Arndt.<br />

Noch hatte es sich bei den Ankäufen stets um gebrauchte Schiffe<br />

gehandelt. Nicht gerade die ältesten, die Handysize Carrier etwa stammten<br />

aus den Jahren 1996 bis 1998, aber Neubauten waren sie nun mal nicht. Den<br />

Schritt, der noch fehlte, tat <strong>Vogemann</strong> Anfang 2006. Die japanische Werft<br />

Namura in Osaka erhielt den Auftrag, einen Capesize Carrier von 176.800 t<br />

zu bauen. Diskussionen innerhalb der Firma waren vorausgegangen. Hieß<br />

es doch, Neuland zu betreten, in größeren Zeiträumen zu planen und höhere<br />

118 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Die „Vogtland“ am Getreidespeicher Mackprang.<br />

Taufe der „Vogerunner“ in Osaka.<br />

Risiken einzugehen als vorher, daran musste man sich erst gewöhnen. Der<br />

Befrachtungsmakler wickelt seine Geschäfte binnen Minuten oder Stunden<br />

ab, vielleicht auch Tagen, aber wenn es mehr als eine Woche zum Abschluss<br />

braucht, dann stimmt meistens etwas nicht.<br />

Beim Ankauf eines Gebrauchtschiffes verhandelt man Wochen<br />

oder Monate, bis alles unter Dach und Fach ist. Aber beim Neubau ist in Jahren<br />

zu rechnen. Selbst wenn alles gut geht, dauert es bestimmt 1 ½ Jahre<br />

bis zur Ablieferung, und wenn die Werften volle Auftragsbücher haben, noch<br />

viel länger. Dennoch, bei <strong>Vogemann</strong> entschied man sich für den Neubau, war<br />

doch auf diese Weise möglich, Schiffe von genau der Größe und mit genau den<br />

Eigenschaften zu bekommen, wie man sie haben wollte.<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

119<br />

Mit 4,5 Mio. Zuschauern<br />

wird „Der Untergang“<br />

(mit Bruno Ganz in der<br />

Rolle des Adolf Hitler) zu<br />

einem der erfolgreichsten<br />

Filme der deutschen<br />

Nachkriegsgeschichte.


2005<br />

Start der LKW-Maut auf<br />

deutschen Autobahnen.<br />

Nach dem Verlust der<br />

Landtagswahl in Nordrhein-<br />

Westfalen stellt Bundes-<br />

kanzler Schröder im Bun-<br />

destag die Vertrauensfrage.<br />

Es kommt zu Neuwahlen,<br />

bei denen die CDU/CSU<br />

stärkste Fraktion wird.<br />

Allerdings, große Einflussmöglichkeiten wurden der Reederei<br />

beim Bau ihres Erstlings nicht eingeräumt. Die Werft hatte klare Vorstellun-<br />

gen von dem Schiff, das sie liefern würde, und ließ Mitsprache von außen<br />

nicht zu, Sonderwünsche erst recht nicht. Das alles würde die minutiös ge-<br />

planten Abläufe stören, hieß es. So war nur mit größter Mühe möglich, die<br />

von der deutschen Seeberufsgenossenschaft geforderte Zahl von Toiletten<br />

durchzusetzen. Japanische Vorschriften verlangten nicht so viele, also gab<br />

es sie nicht im Plan, und den Plan wollte niemand auf der Werft ändern.<br />

Schließlich wurden doch zusätzliche Toiletten eingebaut, sechs Stück an der<br />

Zahl – aber die schlugen dann mit insgesamt 105.000 Dollar zu Buche. Ehe<br />

die Werft an die Arbeit ging, gab es manches zu klären, mit dem bei Voge-<br />

Bei der Übergabe der „Voge Trust“. Von links nach rechts: Jens Arndt, der Charterer Mr. Y.K. Chung, die Taufpatin Mrs. Chung, Alan Woo.<br />

120 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


mann niemand gerechnet hatte. So mussten die Hamburger einen umfangreichen<br />

Fragenkatalog zur Firmengeschichte beantworten. Wann der letzte<br />

Firmeninhaber mit dem Namen <strong>Vogemann</strong> gestorben, wann Paul Speckter<br />

in Ruhestand gegangen sei, alles wollten die Japaner wissen. An die einmal<br />

getroffenen Abmachungen aber hielt sich die Werft, Vertragstreue ist ein hoher<br />

Wert in Japan, Nachverhandlungen kamen nicht in Frage, und einmal als<br />

Kunde der einen Werft registriert, fand sich <strong>Vogemann</strong> auch bei den anderen<br />

japanischen Werften aufgenommen in den Kreis seriöser Besteller.<br />

Neubau unter deutscher Flagge. Das neue Schiff, von Christiane<br />

von Saldern, der Tochter Paul Speckters, auf den Namen „Vogerunner“<br />

getauft, wurde im Dezember 2008 abgeliefert. Eine Frau übernahm auch das<br />

Kommando an Bord, Birte Jessen, eine der fünf weiblichen Kapitäne, die es in<br />

Deutschland gibt. Sie ist nach wie vor bei <strong>Vogemann</strong> beschäftigt und einer der<br />

besten Kapitäne der <strong>Vogemann</strong>-Flotte.<br />

„Vogerunner“ wurde wie der 2007 erworbene Capesize Bulker<br />

„Vogemaster“ unter deutsche Flagge genommen. <strong>Vogemann</strong> entsprach damit<br />

der Selbstverpflichtung, die die deutschen Reedereien eingegangen waren,<br />

einen Teil der Gesamtflotte unter deutscher Flagge fahren zu lassen.<br />

Das Anwachsen des Bestandes machte es nötig, eine zweite<br />

Reederei für das technische Management heranzuziehen. Es war dies die Firma<br />

Wallem, ein Ende des 19. Jahrhunderts vom Norweger Harkon Wallem<br />

gegründetes Schifffahrtsunternehmen mit Hauptsitz in Hongkong. Wallem<br />

wollte (und musste) Ende 2004 eine Niederlassung in Deutschland gründen,<br />

um Reedereien als Kunden für das technische Management zu gewinnen. Den<br />

jahrzehntelang dominierenden Abschreibungsmodellen unter den Schiffsbeteiligungen<br />

drohte das endgültige Aus. Um in den Genuss des nun geltenden<br />

Tonnagesteuersystems mit seiner niedrigen Pauschalbesteuerung zu kommen,<br />

musste das technische Management seinen Sitz in Deutschland haben. Der<br />

Staat sicherte sich so die Einnahmen aus Lohn- und Einkommenssteuern. Wie<br />

viele andere ausländische Ship-Manager gründete Wallem daher in Hamburg<br />

eine Niederlassung, Wallem Deutschland. Zunächst war sie lediglich von einem<br />

einzigen Mann, Captain Joe Corcoran aus England, repräsentiert. Heute<br />

zählt Wallem Deutschland, inzwischen im alten <strong>Vogemann</strong>-Sitz Hallerstraße<br />

57 untergebracht, rund 30 Mitarbeiter. Das Unternehmen, an dem <strong>Vogemann</strong><br />

rund 41 Prozent Anteile hält, ist gegenwärtig Technischer Manager für 30<br />

Schiffe, zehn davon kommen von <strong>Vogemann</strong>. Wallem hatte Erfahrungen im<br />

Tankerwesen und war geschätzt bei den Oil Majors. Das bewog <strong>Vogemann</strong>,<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

121<br />

Sie bildet unter Kanzlerin<br />

Angela Merkel eine Große<br />

Koalition mit der SPD.<br />

Nach dem Tod von<br />

Johannes Paul II. gelangt<br />

der deutsche Kardinal<br />

Josef Ratzinger<br />

als Benedikt XVI. auf den<br />

Papstthron.<br />

Sieben Jahre nach seiner<br />

Unterzeichnung tritt das<br />

Kyoto-Abkommen zum<br />

Klimaschutz in Kraft.<br />

Der europäische Flugzeugbauer<br />

Airbus stellt in<br />

Toulouse den A 380, das<br />

größte zivile Verkehrsflugzeug<br />

der Welt, vor.<br />

Die Lufthansa übernimmt<br />

die Schweizer Fluggesellschaft<br />

Swiss.<br />

Eröffnung des Holocaust-<br />

Mahnmals in Berlin.<br />

60 Jahre nach ihrer<br />

Zerstörung im<br />

Bombenkrieg wird die<br />

neuerrichtete<br />

Frauenkirche in Dresden<br />

feierlich geweiht.


2006<br />

Die in Deutschland ausgetra-<br />

gene Fußball-WM gerät für<br />

die enthusiastischen Massen<br />

zum „Sommermärchen“.<br />

Die deutsche Mannschaft<br />

verpasst<br />

jedoch durch eine Niederlage<br />

im Halbfinale gegen Italien<br />

den Einzug ins Endspiel.<br />

Ein Sonderberichterstatter<br />

der Vereinten Nationen<br />

kritisiert das deutsche Schul-<br />

system und die Benachteili-<br />

gung von Ausländerkindern<br />

im Bildungswesen.<br />

Nachdem alle Versuche, ihn<br />

einzufangen, gescheitert sind,<br />

wird der in Tirol und Bayern<br />

wildernde Braunbär „Bruno“<br />

von bayerischen Jägern<br />

erschossen.<br />

2007<br />

Deutschland ist Gastgeber<br />

beim G8-Gipfel in Heiligen-<br />

damm an der Ostsee.<br />

Rumänien und Bulgarien<br />

treten der EU bei.<br />

Der Konservative Nicolas<br />

Sarkozy gewinnt die<br />

Stichwahl zum Präsidenten-<br />

amt in Frankreich.<br />

sein Neubauprogramm auf Tanker auszudehnen. „Voge Dignity“ und „Voge<br />

Trust“, zwei Product Tanker von je 38.000 t, im Jahr 2009 auf der GSI Werft<br />

in China fertiggestellt, wurden zu Wallem ins technische Management gege-<br />

ben. Sie blieben jedoch vorerst die einzigen Tankschiffe unter der <strong>Vogemann</strong>-<br />

Flagge.<br />

Ausschnitt aus der kenianischen Zeitung „The Star“ zur Havarie der „Voge Trust“.<br />

Die befürchtete Ölpest trat nicht ein.<br />

Mit großen Schritten dagegen ging es voran im Segment der<br />

Handysize Carrier. Seit Ende 2006 liefen die Verhandlungen für den Bau von 12<br />

Schiffen zu je 35.000 t von der indischen Werft ABG an ihrem neuen Standort<br />

in Dahej nordwestlich von Mumbai. Die Ablieferung des ersten Schiffes ist für<br />

die zweite Hälfte 2011 zu erwarten. <strong>Vogemann</strong> unterhält bei ABG ein eigenes<br />

Team zur Bauaufsicht. Ein für den 26. November 2008 dort geplanter, aber im<br />

letzten Moment abgesagter Besuch von Jens Arndt und Markus Lange hätte<br />

für beide katastrophal enden können. An eben diesem 26. November 2008<br />

ereignete sich der Überfall islamistischer Terroristen auf mehrere Gebäude<br />

in Mumbai, bei denen mindestens 163 Menschen ums Leben kamen. Eines<br />

der Terrorziele war das Hotel Taj Mahal, und für eben dieses Hotel waren die<br />

Hamburger gebucht. Wenn ihre Reise wie vorgesehen geklappt hätte, hätte es<br />

ihnen passieren können, dass sie in die Geiselnahmen, Bombenexplosionen<br />

122 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


und Schießereien geraten wären. Mit der indischen Werft machte <strong>Vogemann</strong><br />

wieder ganz neue Erfahrungen. In Japan hatte man ein straffes System mit<br />

hohem Automationsgrad kennengelernt. Beim Bau waren nur wenig Arbeiter<br />

zu sehen, die Leitung hatte die Abläufe bis in die kleinste Kleinigkeit durchkalkuliert<br />

und duldete keine Abweichungen, blieb aber stets den einmal vereinbarten<br />

Bedingungen treu. Hierarchien und Befugnisse waren jederzeit klar<br />

erkennbar. In China dagegen ein viel größerer Einsatz von Personal; wenn<br />

Pause war, strömten Scharen von Arbeitern aus dem Schiff, aber wer genau<br />

und in welchem Bereich das Sagen hatte, war nicht immer zu unterscheiden,<br />

und mit nachträglichen Korrekturen an den Vertragskonditionen musste gerechnet<br />

werden. In Indien wiederum galt es den allfälligen Verzögerungen<br />

mit Geduld, Nervenstärke und Improvisationstalent zu begegnen.<br />

Im mittleren Segment legte <strong>Vogemann</strong> gleichfalls noch zu. Zwei<br />

Kamsarmax Bulkcarrier von je 80.000 t sind soeben abgeliefert: „Voge Challenger“,<br />

gebaut von New Times/New Century nahe Schanghai, im Dezember<br />

2010, und „Voge Enterprise“, gebaut von Cosco in Dalian (China), im Februar<br />

2011.<br />

Havarien und Piratengefahr. Von Havarien blieben die <strong>Vogemann</strong>-Schiffe<br />

nicht verschont. Als Hurrikan „Katrina“ im August 2005 die<br />

Küstenregionen der US-Staaten im Golf von Mexiko heimsuchte, lag „Greta R“<br />

im Mississippi vor Anker. Die Ketten brachen, das Schiff trieb und rammte die<br />

Jetty. Ein Schlepper bot Hilfe an, verlangte aber erst einmal die Unterzeichnung<br />

einer Kostenübernahme-Garantie. Anschließend gab es noch langen<br />

Streit um die Millionen, die die Bergung kosten sollte. In dem Chaos, das an<br />

der Küste herrschte, waren Reparaturdienste kaum aufzutreiben, und wenn<br />

einer kam, dann hatte er Mühe an das Schiff heranzukommen, das ja nicht<br />

friedlich am Kai lag, sondern irgendwo draußen in einer Wüste, in der nicht<br />

mehr zu unterscheiden war, was Schiffahrtsweg und was überschwemmtes<br />

Land war.<br />

Der Tanker „Voge Trust“ lief bei seiner Jungfernfahrt im Dezember<br />

2009 im Hafen von Mombasa auf Grund, obwohl Hafenlotsen an Bord<br />

waren. Durch ein Leck in der Außenhaut strömte Wasser ein, das Schiff bekam<br />

Schlagseite. Für die Zuschauer, die sich an Land versammelten, sah das<br />

gefährlich aus, man befürchtete auch bereits eine ökologische Katastrophe<br />

durch austretendes Öl. Doch zum Glück war nur die äußere Hülle beschädigt,<br />

die innere Hülle des Doppelrumpfes hielt, und die Reparatur war relativ leicht<br />

zu bewerkstelligen.<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

123<br />

Die radikal-islamische Hamas<br />

bringt den Gazastreifen unter<br />

ihre Kontrolle.<br />

Das Eisbärenbaby Knut<br />

begeistert die Berliner.<br />

Deutschland verzeichnet den<br />

wärmsten Winter seit Beginn<br />

der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen<br />

im Jahr 1901.<br />

Satellitenbilder zeigen die<br />

Nordwestpassage vor der<br />

Küste Kanadas erstmals seit<br />

30 Jahren eisfrei und somit für<br />

Schiffe befahrbar.<br />

2008<br />

In Hamburg gehen CDU und<br />

Grün-Alternative Liste (GAL) ein<br />

Regierungsbündnis ein.<br />

Frankreichs Staatspräsident<br />

Nicolas Sarkozy heiratet die<br />

Sängerin Carla Bruni.<br />

Die Bundesmarine beteiligt sich<br />

an der Mission „Atalanta“ zur<br />

Bekämpfung der Piraterie am<br />

Horn von Afrika.<br />

Die Dresdner Bank wird von der<br />

Commerzbank übernommen.


Die Insolvenz der US-Invest-<br />

mentbank Lehman Brothers<br />

verschärft die internationale<br />

Finanzkrise. In Deutschland<br />

wird ein Bankenrettungspaket<br />

im Volumen von 480 Milliarden<br />

Euro aufgelegt.<br />

Wahlsieg des demokratischen<br />

Präsidentschaftskandidaten<br />

Barack Obama in den USA.<br />

Mit Notkrediten werden<br />

die Autokonzerne<br />

General Motors und Chrysler<br />

vor der Pleite gerettet.<br />

Eröffnung der Svalbard-<br />

Saatgutbank auf der Insel<br />

Spitzbergen.<br />

2009<br />

Nach der<br />

Bundestagswahl kommt<br />

es zu einer Regierungskoalition<br />

von CDU/CSU und FDP unter<br />

Angela Merkel.<br />

Die G20 einigen sich auf<br />

Billionen-Hilfen für<br />

die Bekämpfung der<br />

Wirtschafts- und Finanzkrise.<br />

Zum Schuldenabbau<br />

beschließen Bundestag<br />

und Bundesrat eine „Schulden-<br />

bremse“ ins Grundgesetz<br />

einzubauen.<br />

Einen Monat später, im Januar 2010, traf es „Vogetrader“ auf<br />

Hawaii. Obwohl sich auch diesmal ein Lotse an Bord befand und zwei Schlep-<br />

per das Schiff unterstützten, lief es trotz bester Wetterbedingungen und kla-<br />

rer Sicht in der Anfahrt zum Liegeplatz auf ein Riff. Wie das gelungen war,<br />

blieb ein Rätsel. Luftaufnahmen zeigen den steckengebliebenen Frachter am<br />

Rand einer durch dunklere Wasserfärbung klar erkennbaren Fahrrinne, er<br />

hätte bloß geradeaus fahren müssen. Aber der Lotse, statt sich zu erklären,<br />

verschwand sofort nach der Havarie und wurde nicht mehr gesehen.<br />

Bekanntschaft mit der Piraterie am Horn von Afrika muss-<br />

te Reederei <strong>Vogemann</strong> auch bereits machen. Wenigstens einmal zeigte der<br />

Radarschirm die Annäherung mehrerer Kaperboote, die allerdings, als das<br />

Schiff einen Notruf absetzte und ein Hubschrauber der Atalanta-Mission er-<br />

schien, schnell beidrehten.<br />

Und die Krise? Von den Erschütterungen auf dem Finanzmarkt<br />

seit 2008 war am schwersten die Containerschifffahrt betroffen, dann die Tan-<br />

ker und schließlich auch – in nicht ganz dem gleichen Maßstab – die Bulk-<br />

carrier. Die Finanzierungsmodelle mit eingeworbenem Kapital waren vorher<br />

bereits untergegangen. Die Emissionshäuser blieben hinter ihren Verspre-<br />

chungen zurück, das nötige Eigenkapital zur Finanzierung von Neubauten<br />

musste <strong>Vogemann</strong> selbst besorgen.<br />

Stacheldraht an der Bordwand zum Schutz vor Piraten.<br />

124 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


Der zweitjüngste <strong>Vogemann</strong>-Neubau, Kamsarmax Bulkcarrier „Voge Challenger“<br />

beim Ablegen vom Kai der chinesischen Werft New Times/New Century.<br />

Die Belastung gingen bis an die Schmerzgrenze und teilweise<br />

darüber hinaus. Das Verhalten der Banken änderte sich unter den Bedingungen<br />

der Krise. Strukturen, die bisher problemlos von den Banken genehmigt<br />

worden waren, wurden auf einmal nicht mehr mitgetragen.<br />

Bei aller Kritik an den Banken haben diese die Reederei aber bei<br />

ihren Projekten nicht im Regen stehen gelassen. Restrukturierung der „Voge<br />

Trust“, Neuordnung der indischen Neubauten und Abbestellung der „Voge<br />

Spirit“ waren gewaltige Herausforderungen, die ohne Unterstützung der Banken<br />

nicht allein hätten bewältigt werden können. Ein bitterer Beigeschmack<br />

bleibt aber: Die <strong>Vogemann</strong>-Partner, die Emissionshäuser, wurden nicht zur<br />

Kasse gebeten. Kurze Zeit später stellten sich ihre Chefs vor die Presse und<br />

verkündeten schon wieder zarte Gewinne. Asymmetrische Lastenverteilung<br />

nennt man dies im Bankenjargon. Trotz der großen Finanzierungsklemme<br />

war <strong>Vogemann</strong> in der Lage, auch in der schwierigsten Zeit Anfang 2009 zwei<br />

Neubauprojekte anzuschieben. „Voge Lucia“ und „Voge Lena“ wurden in der<br />

Hochzeit der Krise finanziert. Maßgeblichen Anteil daran hatte die Bremer<br />

Landesbank, die <strong>Vogemann</strong> dabei vorbildlich unterstützte.<br />

Die Realisierung dieser Projekte gibt Zuversicht, dass es auch<br />

zukünftig möglich sein wird, Eigenkapital von privaten Investoren einzusammeln<br />

und Fremdkapital von Banken zu bekommen. Ein Geschäftsmodell, das<br />

es schon seit 400 Jahren gibt und das es auch in Zukunft geben wird.<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

125<br />

Israel führt eine Militäroffensive<br />

gegen die Hamas<br />

im Gazastreifen.<br />

Beim Einsturz des<br />

Kölner Stadtarchivs gehen<br />

unersetzliche Kulturwerte<br />

verloren.<br />

2010<br />

Die Bundesregierung<br />

beschließt ein Sparpaket<br />

zum Schuldenabbau.<br />

Bei der Love-Parade in<br />

Duisburg kommt es zu einer<br />

Massenpanik mit 21 Toten.<br />

Horst Köhler tritt vom<br />

Amt des Bundespräsidenten<br />

zurück, Nachfolger wird<br />

der niedersächsische<br />

Ministerpräsident<br />

Christian Wulff.<br />

Ölpest im Golf von<br />

Mexiko nach dem<br />

Untergang einer<br />

Bohrplattform.<br />

Das Ruhrgebiet ist<br />

Europäische<br />

Kulturhauptstadt.


126 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz


38<br />

43<br />

28<br />

Die <strong>Vogemann</strong>-Crew<br />

17<br />

1<br />

23<br />

39<br />

25<br />

2<br />

44<br />

3<br />

29<br />

18<br />

24<br />

1 Hauke Wetzel Chartering Manager 23 Angelique Richter Reception/<br />

2 Moritz Hartmann Trainee<br />

Assistance<br />

3 Tabea Ohlendorf Chartering<br />

24 Tim-Philipp Werkholz Trainee<br />

4 Steven Jacob Chartering Manager 25 Valeri Zaika Facility Management<br />

5 Monika Fabich Accounting<br />

26 Frank Jensen Director, Chartering<br />

6 Heike Kraschutzki Accounting 27 Saskia Drews Head of Accounting<br />

7 Kai Elsen Director, Chartering 28 Melanie Wriedt Assistance<br />

8 Frank Kruss Accounting<br />

29 Markus Lange Managing Director<br />

9 Ilka Auerswald Accounting<br />

30 Jens-Michael Arndt<br />

10 Jevgenij Gorelik Facility Management Managing Director<br />

11 Heike Patjens Accounting<br />

31 Lars Rudebeck Director, Chartering<br />

12 Jurik Harmeyer Trainee<br />

32 Nils Luedecke Chartering Manager<br />

13 Olaf Brüning Manager IT Systems 33 Udo Wiese Managing Director<br />

14 Ivana Kravar Operations<br />

34 Stephanie Collée<br />

15 Lioba Müller Accounting<br />

Head of Ship Finanance/Controlling<br />

16 Nicole Riedemann Accounting 35 Alan Woo Managing Director<br />

17 Karl Mohr Head of Operations 36 Maria Katsaouni Operations,<br />

18 Philipp Sichtling Chartering Manager Chartering<br />

19 Roland Hensel Managing Director 37 Aleksander Niemas Chartering<br />

20 Andreas Rau Accounting<br />

38 Alexander Dreißig Chartering<br />

21 Jens Wanitschke Project Manager Manager<br />

22 Andreea Stoica Accounting<br />

39 Romina Cob Arranz Operations<br />

26<br />

40<br />

4<br />

5<br />

7<br />

30<br />

45<br />

6<br />

Kapitel 3 – Neuaufbau der Flotte seit 1995<br />

19<br />

8<br />

31<br />

9<br />

20<br />

10<br />

32<br />

46<br />

12<br />

27<br />

41<br />

33<br />

11<br />

13<br />

34<br />

127<br />

14<br />

21<br />

47<br />

42<br />

15<br />

16<br />

22<br />

35<br />

36<br />

40 Olaf Münch Deputy Head of<br />

Accounting<br />

41 Robert Stegen Ship Finance/<br />

Controlling<br />

42 Anika Harms Chartering Manager<br />

43 Stefan Boldt Project Manager<br />

44 Peter Brasch Operations Manager,<br />

Chartering<br />

45 Franziska Klier Operations<br />

46 Angela Reimann Operations<br />

Manager, Chartering<br />

47 Marion Haaks Operations, Chartering<br />

48 Renate Neumann Operations<br />

Manager, Chartering<br />

Nicht dabei:<br />

Rüdiger Hartwig Project Manager,<br />

Chartering<br />

Britta Strehlau Reception/Assistance<br />

Harald Schmidt IT Administrator<br />

Ophelia Peters Administration<br />

48<br />

37


Friedemann<br />

Bedürftig<br />

In memoriam Friedemann Bedürftig<br />

Die Konzeption dieses Buches stammt von dem Hamburger<br />

Autor Friedemann Bedürftig, mit dem ich seit langem bekannt<br />

und befreundet war. Beabsichtigt war, dass Friedemann Bedürftig<br />

den Text herstellen und die dafür nötigen Interviews<br />

führen sollte, während sein Kollege Reinhard Barth, mit dem<br />

er schon bei vielen Buchprojekten zusammengearbeitet hatte,<br />

sich um Bildbeschaffung, Redaktion und Gestaltung kümmern<br />

sollte. Die Arbeitsteilung ließ sich indes nicht durchhalten.<br />

Eine schwere Erkrankung nötigte Friedemann Bedürftig<br />

im Sommer 2010 die Arbeit am Text zunächst teilweise, dann<br />

ganz in die Hände seines Kollegen Barth zu geben. Die Fertigstellung<br />

des Buches hat er nicht mehr erleben können, er<br />

Danksagung<br />

Folgende Hamburger Institutionen lieferten<br />

Bildmaterial, wofür wir uns herzlich<br />

bedanken: Museum für Hamburgische Geschichte,<br />

Hamburger Kunsthalle, Denkmalschutzamt<br />

Bildarchiv, Museum der Arbeit.<br />

Wertvolle sachliche Hinweise gaben<br />

Prof. Frank Bajohr von der Forschungsstelle<br />

Bildnachweis<br />

Archiv für Kunst und Geschichte Berlin: S. 8<br />

Randsp. unten, 10, 11 Randsp., 14 u. Randsp.<br />

unten, 16 links, 16 Randsp., 20, 21 Randsp. unten,<br />

24 Randsp., 26 Randsp., 27 Randsp., 29 Randsp.,<br />

30 Randsp., 31, 33 Randsp. oben, 36 Randsp.<br />

unten, 37 Randsp., 44 Randsp. Mitte, 45 Randsp.<br />

Mitte, 52 Randsp., 68 Randsp., 69 Randsp., 74<br />

Randsp., 91 Randsp.<br />

Denkmalschutzamt Hamburg Bildarchiv: S. 11,<br />

18, 25, 32, 43, 44, 49, 54, 57<br />

Kunsthalle Hamburg: S.79<br />

Museum der Arbeit Hamburg: S. 34, 36<br />

Museum für hamburgische Geschichte: S. 12/13,<br />

38/39<br />

Christoph Papsch: S. 4, 108/109, 116/117<br />

für Zeitgeschichte in Hamburg und Jürgen-<br />

Wolfgang Goette von der Erich-Mühsam-Gesellschaft<br />

in Lübeck sowie Willem Meier von<br />

der Firma H.F. Navigator in Hamburg und<br />

Max Johns vom Verband Deutscher Reeder.<br />

Für Interviews stellten sich zur Verfügung:<br />

Jens Arndt, Harring-Detlef Arndt,<br />

Picture alliance/dpa: S. 102 Randsp., 10 Randsp.,<br />

71 Randsp. oben, 87 Randsp. unten, 105 Randsp.,<br />

107 Randsp., 110–112 Randsp., 118 Randsp.,<br />

121–124 Randsp.<br />

<strong>Vogemann</strong> Firmenarchiv: S. 8 Randsp. oben, 9<br />

Randsp. oben, 14 Randsp. oben, 21, 23, 29, 41, 42,<br />

51–53, 56, 58, 59, 61–65, 66 Randsp. unten, 67,<br />

68, 70, 72, 73–75, 80, 81, 83, 83 Randsp. 85, 88,<br />

90, 91, 93, 95, 95 Randsp., 97, 99, 103, 104, 106,<br />

110, 113–115, 119, 120, 122, 124, 125<br />

Christian Zentner, München: S. 16 rechts, 56<br />

Randsp., 60 Randsp., 62 Randsp. oben, 66<br />

Randsp. oben, 69 Randsp., 70 Randsp. oben, 78,<br />

78 Randsp., 81 Randsp., 85 Randsp., 89 Randsp.,<br />

95 Randsp., 99 Randsp., 33 Randsp. unten, 63<br />

Randsp.<br />

ist im November 2010 gestorben. Ich verliere in ihm einen<br />

einzigartigen Gesprächspartner und Freund. Wer ihn kannte,<br />

und das waren viele bei <strong>Vogemann</strong>, dem wird sein profundes<br />

Wissen, seine Aufmerksamkeit für die Welt ringsum, sein Witz<br />

und seine Gradlinigkeit im zwischenmenschlichen Verkehr<br />

unvergesslich bleiben.<br />

Hamburg, im März 2011<br />

Udo Wiese<br />

Geschäftsführender Gesellschafter<br />

Firmengruppe H. <strong>Vogemann</strong><br />

Robert Krewaldt, Bonn: S. 9 Randsp. oben<br />

Gemeinfrei: 9 Randsp. unten, 10 Randsp., 15<br />

Randsp., 17 Randsp., 18 Randsp. oben, 19<br />

Randsp., 20 Randsp., 21 Randsp. oben, 23<br />

Randsp., 28 Randsp., 34 Randsp., 35 Randsp.<br />

oben, 42 Randsp. (Gus Pasquerella), 43 Randsp.<br />

unten, 44 Randsp., 45 Randsp. unten, 49 Randsp.,<br />

50 Randsp. unten, 53 Randsp., 54 Randsp. unten,<br />

57 Randsp. oben, 62 Randsp. unten (Library of<br />

Congress), 70 Randsp. unten, 71 Randsp. unten<br />

(Library of Congress), 73 Randsp., 75 Randsp., 77<br />

Randsp. (Berthold Werner), 80 Randsp., 87<br />

Randsp. oben, 90 Randsp., 96–97 Randsp.<br />

Henry Mühlpfordt: 25 Randsp.<br />

Bayer: 18 Randsp. unten<br />

128 125 Jahre H. <strong>Vogemann</strong> – Tradition, Zuverlässigkeit und Kompetenz<br />

Roland Hensel, Frank Jensen, Lars Rudebeck,<br />

Paul Speckter, Udo Wiese, Alan Woo. Die Autoren<br />

konnten darüber hinaus schriftliche<br />

Aufzeichnungen von Harring-Detlef Arndt,<br />

Markus Lange und Paul Speckter benutzen.<br />

Bei der Bildbeschaffung halfen<br />

Stefan Boldt und Tabea Ohlendorf.<br />

Bernhard Hossner: 31 Randsp.<br />

Deutsches Bundesarchiv: 32 Randsp., 35 Randsp.<br />

unten, 36 Randsp. oben, 40 Randsp., 43 Randsp.<br />

oben (Lange, Eitel), 48 Randsp., 50 Randsp. oben,<br />

55 Randsp., 57 Randsp. unten, 61 Randsp., 76<br />

Randsp., 82 Randsp., 84 Randsp., 88 Randsp.,<br />

92–94 Randsp.<br />

World Telegram staff photographer: 41 Randsp.<br />

National Archives USA: 45 Randsp. oben<br />

Lars-Göran Lindgren, Sweden: 54 Randsp.<br />

Kroelleboelle: 59 Randsp.<br />

Thomas Zarges: 126/127


www.vogemann.de

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