16.11.2016 Aufrufe

ANDY WARHOL - Bilder des Gengenbacher Adventskalenders / Deutsche Ikonen

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>ANDY</strong> <strong>WARHOL</strong><br />

BILDER DES GENGENBACHER<br />

ADVENTSKALENDERS<br />

DEUTSCHE IKONEN<br />

MUSEUM HAUS LÖWENBERG GENGENBACH


Gengenbach, 26.11.2016 bis 15.01.2017<br />

Eine Ausstellung <strong>des</strong> Fördervereins Haus Löwenberg und der Stadt Gengenbach<br />

in Kooperation mit dem Museum Frieder Burda, Baden-Baden


<strong>ANDY</strong> <strong>WARHOL</strong><br />

BILDER DES GENGENBACHER<br />

ADVENTSKALENDERS<br />

DEUTSCHE IKONEN


FRIEDER BURDA<br />

1982, 100 x 100 cm, Acryl auf Leinwand, rückseitig signiert und datiert<br />

Museum Frieder Burda<br />

4


GRUSSWORT<br />

FRIEDER BURDA<br />

Mit Andy Warhol begehen wird den Höhepunkt<br />

<strong>des</strong> erfolgreichen Jubiläumsjahrs<br />

2016 in Gengenbach. Die besinnlichen,<br />

spirituellen Arbeiten von Arnulf Rainer<br />

eröffneten die Reihe zur Osterzeit, ihnen<br />

folgte die facettenreiche Ausstellung zum<br />

Thema Wald, die auch mich überraschte,<br />

als ich erkannte, wie schlüssig ein Bildmotiv<br />

die unterschiedliche Kunst aus meiner<br />

Sammlung zu einem spannenden Ganzen<br />

vereinen kann.<br />

Andy Warhol – den Erfinder <strong>des</strong> Glamour<br />

in der Kunst, schillernder Mitbegründer<br />

der Pop-Art, der wie kaum ein anderer das<br />

Kunstverständnis revolutionierte -, mit<br />

den Porträts meiner Familie in Gengenbach<br />

zu präsentieren, macht mich besonders<br />

glücklich. In Verbindung mit dem berühmten<br />

<strong>Gengenbacher</strong> Adventskalender<br />

bildet diese Ausstellung den krönenden<br />

Abschluss eines für mich ereignisreichen<br />

Lebens- und Kunstjahrs.<br />

Der persönliche Bezug zum Künstler spielt<br />

hier natürlich eine große Rolle. Ich erinnere<br />

mich gut an den Besuch Andy Warhols<br />

in meinem Elternhaus in Offenburg und<br />

wie er die vielen unterschiedlichen Familienporträts<br />

für uns machte. Es war eine<br />

ganz besondere Zeit, und Warhol gab uns<br />

große kreative Impulse.<br />

In der Ausstellung zeigen wir auch<br />

einige seiner Papierarbeiten aus meiner<br />

Sammlung. An ihnen sieht man Warhols<br />

Fähigkeiten. Das zeichnerische Können<br />

eines Künstlers gibt immer große Auskunft<br />

über seine Talente. Dies kann man auch an<br />

den sensiblen, lieblichen, aber ausdrucksstarken<br />

Motiven nachspüren, die den<br />

Adventskalender am barocken Rathaus<br />

zieren. Ich denke, in der Geschichte <strong>des</strong><br />

<strong>Gengenbacher</strong> <strong>Adventskalenders</strong> bildet<br />

Andy Warhol ebenfalls den Höhepunkt.<br />

Über diese fruchtbare Kooperation mit<br />

der Andy Warhol Foundation in New York<br />

freue ich mich sehr.<br />

DANK<br />

Mein besonderer Dank gilt Reinhard End<br />

und seinen Mitarbeitern vom Museum<br />

Haus Löwenberg. Durch seinen großen<br />

Einsatz, und mit der Unterstützung <strong>des</strong><br />

Museum Frieder Burda, hat er dieses<br />

Kalenderprojekt zuwege gebracht und im<br />

Haus Löwenberg wieder eine großartige<br />

Ausstellung eingerichtet. Aber auch<br />

Bürgermeister Thorsten Erny, Pfarrer<br />

Dr. Christian Würtz und Lothar Kimmig<br />

möchte ich herzlich danken für ihre<br />

Gastfreundschaft im Jahr 2016, ihre<br />

Begeisterungsfähigkeit und das große<br />

Engagement. Und natürlich richtet sich<br />

mein Dank an die Mitarbeiter <strong>des</strong> Museum<br />

Frieder Burda, ohne die das Projekt nicht<br />

hätte realisiert werden können.<br />

Ich wünsche den Besuchern viel Freude<br />

mit Andy Warhol.<br />

Frieder Burda<br />

5


GRUSSWORT<br />

<strong>ANDY</strong> <strong>WARHOL</strong> LÄSST EINE STADT ERSTRAHLEN<br />

Einen doppelten Auftritt hat Andy Warhol<br />

zum Abschluss <strong>des</strong> <strong>Gengenbacher</strong> Kunstjahres<br />

2016.<br />

Kolorierte Zeichnungen aus den 50er Jahren<br />

werden an 24 hinterleuchteten Fenstern<br />

<strong>des</strong> <strong>Gengenbacher</strong> <strong>Adventskalenders</strong><br />

erstrahlen. Dies ist ein gebührender Beitrag<br />

zum 20. Geburtstag dieses spektakulären<br />

Projektes, <strong>des</strong> größten Haus-<strong>Adventskalenders</strong><br />

der Welt.<br />

Das benachbarte Museum Haus Löwenberg<br />

nimmt darauf Bezug und stellt überdies<br />

Warhols Gestaltung von „<strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Ikonen</strong>“ in den Mittelpunkt. So ist diese<br />

Ausstellung Höhepunkt und Schlusspunkt<br />

eines fulminanten <strong>Gengenbacher</strong> Kunstjahres<br />

2016, das zu Ehren und mit höchst<br />

großzügiger Unterstützung <strong>des</strong> hier geborenen<br />

Frieder Burda realisiert wird.<br />

KLEINE STADT -<br />

GROSSES PROJEKT<br />

Bemerkenswert genug: ein solcher Doppelpack<br />

in besonderer Gestaltung mit einem<br />

der populärsten Künstler der Welt findet<br />

in einem 11.000 - Einwohner – Städtchen<br />

statt!<br />

Die zurückliegenden Auftritte beim <strong>Gengenbacher</strong><br />

Adventskalender und im Haus<br />

Löwenberg waren schon spektakulär. Sie<br />

stammten unter anderem von Otmar Alt,<br />

Marc Chagall, Quint Buchholz, Paul Maar<br />

und Tomi Ungerer. Die Verantwortlichen<br />

gehen mit dem Auftritt von Warhol noch<br />

einmal weit darüber hinaus.<br />

Liefern der Förderverein Haus Löwenberg<br />

und der Adventskalenderverein auf<br />

ehrenamtlicher Basis seit Jahrzehnten<br />

schon einen außerordentlichen Einsatz,<br />

so schaffen sie nun in enger Kooperation<br />

mit der städtischen Kultur und Tourismus<br />

GmbH ein Projekt in kaum ermessbarer<br />

Dimension.<br />

DANK<br />

Hinzu kommt die großartige Unterstützung<br />

durch unsere Partner:<br />

Dank an Barbara Klemm und Wilfried<br />

Beege, deren persönliche Begegnung mit<br />

Warhol zu authentischen Fotografien<br />

führte.<br />

Dank an Walter Bischoff, Museum Villa<br />

Haiss, Zell, <strong>des</strong>sen Netzwerk bedeutende<br />

Leihgaben ermöglichte.<br />

Dank an die messmer foundation, kunsthalle<br />

messmer, Riegel, für Leihgaben und<br />

wertvolle Beratung.<br />

Dank an Hubert Burda, <strong>des</strong>sen Affinität<br />

zum „Mediaholic“ Warhol offensichtlich ist,<br />

und an Mon Muellerschoen, MM Artmanagement,<br />

als umsichtiges Bindeglied zum<br />

Leihgeber.<br />

Dank an Frieder Burda für seine großherzige<br />

Unterstützung, seine motivierende<br />

Begeisterung und die unentbehrliche<br />

Begleitung durch Judith Irrgang mit dem<br />

Team <strong>des</strong> Museum Frieder Burda.<br />

Das <strong>Gengenbacher</strong> Team wird dies honorieren<br />

durch kreative Umsetzung, intensive<br />

Betreuung und besondere Auftritte an<br />

wahrhaft besonderen Orten: am Rathaus, im<br />

Haus Löwenberg - und mit diesem Katalog.<br />

Thorsten Erny,<br />

Bürgermeister der Stadt Gengenbach<br />

Reinhard End, Christian Würtz und<br />

Richard Feger<br />

Vorstand Förderverein Haus Löwenberg<br />

6


FIVE ACROBATS<br />

1958<br />

7


DER GENGENBACHER ADVENTSKALENDER<br />

UND <strong>ANDY</strong> <strong>WARHOL</strong>: EIN DREAM-TEAM<br />

Mit dem Bau <strong>des</strong> <strong>Gengenbacher</strong> Rathauses<br />

um 1780 durch Victor Kretz werden<br />

wahrlich Maßstäbe gesetzt. Der ergänzende<br />

Figurenschmuck ist Gestaltung<br />

und Programm zugleich: „Weisheit“ und<br />

„Gerechtigkeit“ wachen, der Reichsadler<br />

grüßt majestätisch; die Repräsentanten<br />

der Erdteile stellen selbstbewusst einen<br />

globalen Bezug her.<br />

Dieses Gebäude Jahr für Jahr für jeweils<br />

sechs Wochen in eine „Schatztruhe der<br />

Fantasie“ zu verwandeln, die 24 Fenster<br />

durch künstlerisch gestaltete <strong>Bilder</strong><br />

zu ersetzen und zu hinterleuchten, der<br />

klassizistischen Fassade Respekt zu zollen<br />

und sie dennoch zauberhaft zu verwandeln,<br />

dazu braucht es Maß und Mut. Und<br />

schöpferisches Vermögen.<br />

OTMAR ALT<br />

Otmar Alt, 1996 der erste Gestalter,<br />

versteht die Vorgaben <strong>des</strong> Baus und setzt<br />

seine künstlerischen Zeichen für die<br />

unglaubliche Karriere eines außergewöhnlichen<br />

Projektes.<br />

POPULAR ART<br />

Es ist im Überblick der 20 Jahre „<strong>Gengenbacher</strong><br />

Adventskalender“ eine zusätzliche<br />

Pointe, dass dieses überaus populäre Kulturprojekt<br />

von einem Künstler wegweisend<br />

gestaltet wird, der Ende der 50er Jahre in<br />

Deutschland seinen Durchbruch mit der<br />

Abwendung von informeller Malerei und<br />

der Hinwendung zu Themen und Stilmitteln<br />

der Pop Art schafft. Klassische Kunst-<br />

Unterscheidungen von E, wie ernsthaft,<br />

und U, wie unterhaltsam, werden souverän<br />

ignoriert. So setzt ein Vertreter deutscher<br />

Pop Art das erste leuchtende Zeichen,<br />

weist den Verantwortlichen in Gengenbach<br />

den Weg zu einem Reigen weiterer<br />

prominenter Gestalter wie Marc Chagall,<br />

Quint Buchholz, Axel Scheffler, Rotraut<br />

Susanne Berner, Binette Schroeder, Paul<br />

Maar, Franz Josef und Jan Peter Tripp und<br />

bezieht auch Schulkinder mit ein.<br />

TOMI UNGERER<br />

Mit Tomi Ungerer ist schließlich nicht nur<br />

einer der anerkanntesten Zeichner der<br />

Gegenwart vertreten, sondern ein künstlerischer<br />

Zeitgenosse Andy Warhols, New<br />

Yorker Kollege der 50er Jahre. Beider Karriereweg<br />

vom gefragten Gebrauchsgrafiker<br />

zum international geschätzten „freien“<br />

Künstler weist weitere bemerkenswerte<br />

Parallelen auf.<br />

DER IDEALE GESTALTER<br />

DES GENGENBACHER<br />

ADVENTSKALENDERS<br />

Warhol ist es nun im zwanzigsten Jahr, der<br />

die magische Verwandlung <strong>des</strong> Rathauses<br />

zum <strong>Gengenbacher</strong> Adventskalender<br />

schafft. Als einer der Könige der Popular<br />

Art hätte er persönlich gewiss große Freude<br />

an dem so populären Gesamtkunstwerk,<br />

das Jahr für Jahr die Menschen in ihren<br />

Bann zieht.<br />

Lebte er noch, was hätte ihn diesem Auftrag<br />

gewogen gemacht?<br />

Erstens: Die banal erscheinende, den<br />

Menschen und Künstler Warhol dennoch<br />

erhellende Antwort ist: Er lehnte grundsätzlich<br />

keine Aufträge ab. Also hätte er<br />

auch diesen Auftrag erfüllt. – Bezahlung<br />

vorausgesetzt.<br />

Zweitens: Es ist nicht bekannt, ob Andy<br />

Warhol das etwa 100 Jahre alte adventliche<br />

Brauchtum <strong>des</strong> Kalenders mit den 24<br />

Türchen und den dahinter verborgenen<br />

Gegenständen kannte. Bekannt aber ist<br />

inzwischen seine praktizierte Frömmigkeit.<br />

So kann man unterstellen: Wer, wie<br />

er, Weihnachten intensiv feierte, (S. 30)<br />

würde diesen bilderreichen Begleiter in der<br />

Vorweihnachtszeit geschätzt haben.<br />

8


(STAMPED) BASKET OF FLOWERS<br />

1958<br />

9


Drittens: Bekannt ist vor allem seine<br />

kindliche Freude am Spielen, Entdecken<br />

und Sammeln, und so kann man sicher<br />

sein: Dieses spezielle „Medium“ mit seiner<br />

additiven „Performance“ wäre ihm zupass<br />

gekommen. Da er mit seinem berühmten<br />

Mona-Lisa-Bild behauptet: „thirty is<br />

better than one“, hätte er vielleicht Engel<br />

geschaffen, gleich 24 identische oder<br />

farblich variierte: „24 ist better than one“!<br />

Die Repetition <strong>des</strong> Figurenschmucks am<br />

Rathaus selbst läge natürlich auch nahe.<br />

In Anlehnung an die Serie seiner Dollar-<br />

Noten könnte man sich schließlich eine<br />

Sammlung von angebissenen Äpfeln vorstellen:<br />

Die Huldigung einer jungen Ikone<br />

<strong>des</strong> medialen Zeitalters.<br />

Viertens: Den Rahmen für die 24 Fenster-<br />

Motive gibt die adventlich veränderte<br />

Fassade <strong>des</strong> Rathauses. Sie ist, wie auch<br />

die Hintergründe der entsprechenden<br />

Katalogseiten, von der Ornamentik <strong>des</strong> Art<br />

déco abgeleitet. Zusätzlich wird die stilisierte<br />

Darstellung floraler Motive ergänzt<br />

durch eine Fülle von versteckten Figuren.<br />

Warhol war ein passionierter Sammler von<br />

Art déco, und die Wertschätzung dieser<br />

Stilepoche überrascht nicht.<br />

EINE FANTASTISCHE<br />

BILDERGESCHICHTE<br />

„Alles ist schön“, war Andy Warhols Motto.<br />

Besonders schön und ganz sicher immer<br />

noch in seinem Sinne sind nun die 24<br />

Fenstermotive, die hier für drei Jahre ihren<br />

großen Auftritt haben. In enger Abstimmung<br />

mit der Warhol Foundation in den<br />

USA konnte nach jahrelanger Vorarbeit<br />

eine Auswahl von Motiven aus den 1950er<br />

Jahren getroffen und den Anforderungen<br />

von hinterleuchteten Fenstern angepasst<br />

werden. Nur wenige der ausgewählten<br />

Motive hatten vom Künstler bereits einen<br />

farbigen Hintergrund erhalten. Die anderen<br />

durften mit Zustimmung der Foundation<br />

farbig hinterlegt werden, damit sie in Verbindung<br />

mit der Hinterleuchtung ihre volle<br />

Magie entfalten können.<br />

Die Inhalte beziehen sich teils auf private<br />

Vorlieben, teils auf Aufträge aus der frühen<br />

Phase <strong>des</strong> gefragten Werbegrafikers und<br />

angehenden Weltstars. Bezaubernde Serien<br />

von Schuhen zeugen davon, während seine<br />

Katzen- Portraits auf die Tiere verwiesen,<br />

die seine Mutter in der Wohnung in großer<br />

Zahl versammelte.<br />

So zeichnet sich am <strong>Gengenbacher</strong><br />

Adventskalender eine fantastische <strong>Bilder</strong>geschichte<br />

ab. Warhols wundersame<br />

Wesen zwischen Engel und Amor, Tiere<br />

und Blumen, Akrobaten und Schuhe sind<br />

die Akteure. Diese tatsächlich weithin<br />

strahlende prominente Gesellschaft erfreut<br />

damit Hundertausende, noch gesteigert<br />

als multimediales Gesamtkunstwerk beim<br />

allabendlichen Ritual <strong>des</strong> Fensteröffnens,<br />

auf dem Adventsmarkt, vor den Kulissen<br />

warm aufscheinender Fachwerkhäuser<br />

und in den Schau- und Staunräumen <strong>des</strong><br />

Museums Haus Löwenberg.<br />

Reinhard End<br />

Otmar Alt: Entwürfe für den ersten Adventskalender, 1996<br />

10


ILLUSTRATION AUS: IN THE BOTTOM OF MY GARDEN<br />

1956<br />

11


BIRD IN CAGE SAYING „MERRY CHRISTMAS“<br />

1954<br />

12


AUS: 25 CATS NAME(D) SAM AND ONE BLUE PUSSY<br />

1954<br />

13


STANDING MALE HOLDING STAR JO-JO<br />

1950s<br />

14


COUPLE DANCING<br />

1957<br />

15


MONKEY<br />

1950s<br />

16


AUS: À LA RECHERCHE DU SHOE PERDU<br />

1955<br />

17


AUS: 25 CATS NAME(D) SAM AND ONE BLUE PUSSY<br />

1954<br />

18


BIRD IN A CAGE<br />

1950s<br />

19


ILLUSTRATION AUS: IN THE BOTTOM OF MY GARDEN<br />

1956<br />

20


CHRISTMAS WREATH<br />

1957<br />

21


AUS: 25 CATS NAME(D) SAM AND ONE BLUE PUSSY<br />

1954<br />

22


BUTTERFLIES<br />

1955<br />

23


CUPID ON HORSEBACK<br />

1950s<br />

24


AUS: À LA RECHERCHE DU SHOE PERDU<br />

1955<br />

25


AUS: 25 CATS NAME(D) SAM AND ONE BLUE PUSSY<br />

1954<br />

28


AUS: À LA RECHERCHE DU SHOE PERDU<br />

1955<br />

29


<strong>ANDY</strong> <strong>WARHOL</strong>S CHRISTLICHES ERBE<br />

VOM WEIHNACHTSBAUM ÜBER DAS LETZTE ABENDMAHL ZU DEN IKONEN DER POPKULTUR<br />

Andy Warhol ist vor allem als der bedeutendste<br />

Vertreter der amerikanischen Pop<br />

Art in die Kunstgeschichte eingegangen.<br />

Diese Kunstrichtung hat auf den ersten<br />

Blick nichts mit Religion zu tun, wenn<br />

man sie nicht selbst als Ersatzreligion<br />

ansieht. Bei den meisten Pop-Künstlern<br />

sucht man <strong>Bilder</strong> mit religiösen, gar christlichen<br />

Motiven vergeblich. Anders ist dies<br />

bei Warhol. Zwar sind seine bekanntesten<br />

Werke wie die Suppendose oder Marylin<br />

Monroe sicherlich keine religiösen <strong>Bilder</strong>,<br />

aber ganze Serien und Werkkomplexe<br />

haben einen ausdrücklichen christlichen<br />

Bezug.<br />

Schon in den 50er Jahren finden sich bei<br />

seinen Zeichnungen immer wieder christliche<br />

Motive, von denen nun einige am<br />

<strong>Gengenbacher</strong> Adventskalender gezeigt<br />

werden. So tauchen ganze Scharen von<br />

Engeln auf, die in der Tradition barocker<br />

Putten stehen, aber auch der Verkündigungsengel<br />

Gabriel, der Maria die<br />

Botschaft der Menschwerdung Jesu bringt<br />

(S. 33). Ebenso findet sich das religiöse<br />

Brauchtum gerade rund um Weihnachten<br />

zahlreich vertreten, etwa der Weihnachtsbaum,<br />

Kränze aus immergrünen Stechpalmen<br />

oder Sterne. Auch Maria mit dem Jesuskind<br />

ist zu finden. Manchmal schleichen sich<br />

aber auch weniger religiöse Dinge auf die<br />

<strong>Bilder</strong>. So kann der Weihnachtsbaum auch<br />

einmal mit Meerjungfrauen und Schuhen<br />

geschmückt sein oder das Jesuskind in der<br />

Krippe die Katze Sam als Gefährten haben.<br />

Oftmals handelt es sich bei diesen Zeichnungen<br />

um Grußkarten, die Warhol für<br />

seine Freunde und Angehörigen gestaltete.<br />

Gerade die Feier <strong>des</strong> Weihnachtsfestes war<br />

ihm besonders wichtig. Neben den Zeichnungen<br />

finden sich ganze Werkkomplexe<br />

mit christlichem Inhalt. So beschäftigte<br />

sich Warhol in den Jahren 1981/82 intensiv<br />

mit dem christlichen Zeichen schlechthin,<br />

mit dem Kreuz. Es entstanden unter<br />

dem Titel „Crosses“ u. a. Polaroidfotos,<br />

Zeichnungen und großformatige Gemälde.<br />

Bekannter als dieser Komplex ist seine<br />

letzte große Werkreihe vor seinem frühen<br />

Tod, die Auseinandersetzung mit Leonardo<br />

da Vincis „Letztem Abendmahl“ in Mailand.<br />

Rund hundert Variationen <strong>des</strong> Themas<br />

schuf der Künstler, wobei er sich auf die<br />

Darstellung Jesu Christi konzentrierte.<br />

TIEFE FRÖMMIGKEIT<br />

Die Beschäftigung mit christlichen<br />

Bräuchen und religiösen Themen hat seine<br />

Ursache in der eigenen tiefen Frömmigkeit<br />

Warhols. Zwar hielt er sie zu seinen Lebzeiten<br />

weitgehend verborgen, aber nach<br />

seinem Tod wurde bekannt, dass er oft<br />

eine katholische Pfarrkirche in New York<br />

besuchte, regelmäßig an Gottesdiensten<br />

teilnahm und ehrenamtlich in einer Suppenküche<br />

für Obdachlose mitarbeitete.<br />

Auch Papst Johannes Paul II. hatte er<br />

in Rom getroffen. Grundgelegt wurden<br />

diese Frömmigkeit und die damit einhergehende<br />

religiöse Praxis bereits in der<br />

Kindheit. Seine Eltern, die beide aus dem<br />

Dorf Mikova im Nordosten der heutigen<br />

Slowakei stammten, waren fest in ihrer<br />

ruthenischen griechisch-katholischen Kirche<br />

verwurzelt. Es handelt sich dabei um<br />

eine mit der lateinischen Kirche unierten<br />

Konfession, die den Papst als Oberhaupt<br />

anerkennt, jedoch in ihrer Liturgie der<br />

orthodoxen Kirche folgt. Daher haben in<br />

ihr <strong>Ikonen</strong> eine wichtige Rolle, und sie<br />

waren Warhol von klein auf bekannt und<br />

vertraut. Das führt zu einem weiteren<br />

Aspekt in Warhols Schaffen, das zwar nun<br />

keine christliche Kunst an sich, aber doch<br />

von ihr inspiriert ist. Ikone, abgeleitet vom<br />

griechischen Wort eikon – Bild, bezeichnet<br />

das Kultbild in der orthodoxen Kirche, das<br />

ein biblisches Ereignis oder einen Heiligen<br />

zeigt. Solch ein Bild versteht sich nicht als<br />

Abbild eines Ereignisses oder einer Person,<br />

sondern vielmehr als Fenster zur himmlischen<br />

Wirklichkeit. Eine Ikone bildet die<br />

dargestellte Person oder das Ereignis nicht<br />

ab, sondern sie vergegenwärtigt sie. Es<br />

bildeten sich im Laufe der Zeit bestimmte<br />

<strong>Ikonen</strong>typologien heraus, das heißt, dass<br />

die meisten <strong>Ikonen</strong> nach bestimmten<br />

Mustern und Vorbildern gemalt werden.<br />

Häufig wird dabei eine möglichst exakte<br />

Kopie <strong>des</strong> Urbilds angestrebt.<br />

Ikone kann in der deutschen Sprache<br />

daneben für eine Gallionsfigur, ein Idol,<br />

eine besonders berühmte Person in den<br />

Massenmedien, eine Leitfigur stehen. Viele<br />

dieser „<strong>Ikonen</strong> der Popkultur“ hat Warhol<br />

porträtiert wie etwa Elizabeth Taylor,<br />

Ingrid Bergman, die Marx-Brothers, Pele,<br />

Muhammed Ali, John Wayne, Elvis Presley,<br />

John Lennon, Lady Di und wohl am<br />

bekanntesten Marilyn Monroe. Die Liste<br />

ließe sich noch lange fortsetzen. Indem<br />

Warhol sie porträtierte, steigerte er ihre<br />

Bekanntheit und zugleich ihre Stellung als<br />

eine Ikone der Gegenwartskultur. Das gilt<br />

schließlich auch für den Künstler selbst, da<br />

er sich ja auch porträtierte. Indem er diese<br />

berühmten und verehrten Menschen aber<br />

nicht einfach nur einmalig porträtierte,<br />

sondern in unterschiedlichen Farbvarianten<br />

immer wieder abbildete, schuf er<br />

<strong>Ikonen</strong> im doppelten Wortsinn, nun eben<br />

nicht mehr religiöse <strong>Ikonen</strong>, sondern<br />

<strong>Ikonen</strong> der Popkultur.<br />

Christian Würtz<br />

30


UNTITELD (CHRISTMAS WREATH)<br />

Ca. 1955-1962<br />

31


CHRISTMAS CARD (COMMERCIAL) - CHRISTMAS TREE<br />

1958<br />

32


ILLUSTRATION AUS: IN THE BOTTOM OF MY GARDEN<br />

1956<br />

33


<strong>WARHOL</strong>, DER ZEICHNER<br />

Die Fünfziger Jahre: Massenproduktion,<br />

Massenkonsum und Massenmedien beginnen<br />

ihren Siegeszug oder setzen ihn fort.<br />

New York, die Metropole schlechthin: Wie<br />

unter einem Brennglas sammelt sich hier<br />

das Geld, sammeln sich die Medien, die<br />

Menschen, die Aufstrebenden, die Künstler.<br />

Der junge Andy Warhol, aus armseligen<br />

Verhältnissen stammend, Absolvent<br />

angesehener Ausbildungseinrichtungen,<br />

hat sich hier festgesetzt. Er ist süchtig<br />

nach Geld, nach künstlerischer Tätigkeit,<br />

nach Ruhm und Anerkennung. Er kann<br />

keinen geeigneteren Ort für seine großen<br />

Ambitionen finden als diesen.<br />

<strong>WARHOL</strong>,<br />

DER „MEDIAHOLIC“<br />

Seit seiner Kindheit ist der Umgang mit<br />

<strong>Bilder</strong>n, ist das Zeichnen untrennbar mit<br />

ihm verbunden. Permanent lebt er in<br />

einer Medien-Wolke. Warhol ist auf dem<br />

Weg, ein gefragter Gebrauchsgrafiker<br />

zu werden. Das erreicht er nach kurzer<br />

Zeit mit seiner ureigenen Mischung aus<br />

Talent, Beharrlichkeit, Fleiß, allseitiger und<br />

allzeitiger Verfügbarkeit. „In den fünfziger<br />

Jahren zeichnete Warhol auf Bestellung,<br />

zum eigenen Vergnügen und zugleich<br />

zur Befriedigung seines ausgeprägten<br />

Ehrgeizes, bekannt zu werden“. 1) Aber er<br />

will Maler werden, ein „fine artist“, 2) ein<br />

Künstler-Star.<br />

Noch ist sein Lebens- und Arbeitsraum<br />

reduziert auf schäbige Unterkünfte. Seine<br />

Staffelei ist ein Brett auf den Knien, auf<br />

dem er in fast unendlicher Abfolge seine<br />

Zeichnungen fertigt, fast maschinenhaft,<br />

umgeben von den <strong>Bilder</strong>n und Tönen <strong>des</strong><br />

Fernsehers, den Tönen <strong>des</strong> Radios und <strong>des</strong><br />

Plattenspielers, umgeben auch von Freunden,<br />

von seiner Mutter - und von Katzen.<br />

In diesem chaotischen Wirbel hockt er,<br />

scheinbar völlig unbeeinflusst, sich dem<br />

Zeichnen hingebend.<br />

Zur Arbeit gebraucht werden<br />

kann alles: Illustriertes,<br />

Gedrucktes, Fotografiertes.<br />

Eigenes und vor allem,<br />

ganz ungeniert: Frem<strong>des</strong>. 3)<br />

Es dient als Hilfsmittel zur<br />

Herstellung von Werbegrafik;<br />

später zur Herstellung<br />

von Siebdrucken, Kunstwerken<br />

<strong>des</strong> Pop Art-Künstlers.<br />

Nichts ist zu trivial,<br />

aber nichts ist auch zu<br />

glamourös für den Einsatz.<br />

Zeichnerische Techniken ent wickelt er<br />

schon als Grafikstudent: einfache Konturlinie,<br />

Stakkato-Linie, „Blotted Line“:<br />

„DAS PARADOX EINER<br />

GEDRUCKTEN HAND-<br />

ZEICHNUNG“ 4)<br />

Dies ist eine von mehreren Varianten der<br />

“Blotted Line“, die der Künstler nach Beschreibung<br />

seiner Mitarbeiter anwandte: 5)<br />

Mit dem Bleistift eine Konturzeichnung<br />

anlegen; Kopie auf Transparentpapier fertigen;<br />

dieses auf das Zeichen-Brett legen,<br />

so dass die Zeichnung nach unten zeigt;<br />

mit Tinte nachziehen; dann auf ein Blatt<br />

aufdrucken. Durch ungleichen Auftrag<br />

der Tinten- Linie ergeben sich Lücken und<br />

Kleckse. 6)<br />

So findet Warhol Mittel, die „Handschriftlichkeit<br />

seiner Zeichnungen zurücktreten<br />

zu lassen oder zu übersetzen“ 7) . Wenn er<br />

Handzeichnungen anfertigt, dann häufig<br />

mit dem neu aufkommenden Kugelschreiber,<br />

ein Massenprodukt und ebenfalls<br />

kaum ins Klischee eines Künstler-Werkzeugs<br />

passend. 8) Ansonsten: Reproduktion<br />

statt Original! „Das Kopieren und<br />

Adaptieren sind für Warhol Quellen seiner<br />

Kreativität.“ 9)<br />

Die Werbegrafik in der Metropole New<br />

York der Fünfziger Jahre ist witzig, spielerisch,<br />

emotional. Statt eines Produkts steht<br />

die Idee im Vordergrund. 10) Warhol ist zum<br />

richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle.<br />

UNTITLED (STUART PRESTON)<br />

ca. 1958, 60,5 x 47,3 cm, Kugelschreiber/Papier<br />

Museum Frieder Burda (S. 34/35)<br />

34


FOOT<br />

Ca. 1955/57, 42,2 x 35,2 cm, Kugelschreiber/Papier<br />

FEET<br />

Ca. 1955/57, 42,5 x 35,3 cm, Kugelschreiber/Papier<br />

FOOT<br />

Ca. 1955/57, 43,1 x 35,2 cm, Kugelschreiber/Papier<br />

FEET<br />

Ca. 1955/57, 42,2 x 35,4 cm, Kugelschreiber/Papier<br />

35


„Die naiv-raffinierten<br />

Zeichnungen“ 11) genießen<br />

die Wertschätzung<br />

der Art Direktoren. Unter<br />

anderem um deren<br />

Gunst zu erhalten, entstehen<br />

die „Promotional<br />

Books“. Hierbei wird die<br />

Rolle von Mitarbeitern<br />

zum ersten Mal evident.<br />

Warhol lädt zu „Ausmal-<br />

Partys“ ein, nach Hause<br />

oder ins Café Serendipity<br />

3. Dort werden<br />

seine im Offsetverfahren<br />

reproduzierten Zeichnungen<br />

von Freunden<br />

aquarelliert. 12)<br />

Auch Mutter Julia ist<br />

einbezogen. Sie versieht<br />

die <strong>Bilder</strong> in ihrer<br />

Handschrift mit Text<br />

und Titel. Fehler, die der<br />

immer noch mangelhaften<br />

Sprachkenntnis<br />

der osteuropäischen<br />

Emigrantin geschuldet<br />

sind, amüsieren Andy<br />

und bleiben erhalten.<br />

MUTTER JULIA SCHREIBT<br />

Von den zwischen 1952 und 1960 privat<br />

verlegten Büchern 13) entsteht 1954 „25<br />

Cats Name(d) Sam and One Blue Pussy“. -<br />

In Wahrheit sind es 17 Katzen-Motive. Zu<br />

jener Zeit befindet sich ein ganzes Rudel<br />

Katzen in der Wohnung, Bildvorlagen<br />

liefert aber vor allem ein Tierfotograf. 14)<br />

Typisch: Das Belassen eines Fehlers -<br />

name(d) - und die schnörkelige Handschrift<br />

von Julia Warhola.<br />

Warhols Interesse an Füßen (S. 35) und<br />

Schuhen steht offensichtlich nicht nur im<br />

O.T. (PORTRAIT OF A WOMAN<br />

AND A MAN IN PROFILE)<br />

ca. 1957, Tinte und Graphit auf Papier.<br />

Sammlung kunsthalle messmer, Riegel<br />

Zusammenhang mit seinem Werbe-Part.<br />

Immerhin, der Auftrag für die Schuh-Fabrik<br />

I. Miller sorgt wöchentlich in der New<br />

York Times für Präsenz, bringt Ansehen<br />

und Geld und fördert die eigene Leidenschaft<br />

<strong>des</strong> Schuhsammelns. Es kommt<br />

1955 zum Buch “À la recherche du shoe<br />

perdu“. 15)<br />

KATZEN & SCHUHE<br />

1956 erscheint „In the Bottom auf My<br />

Garden“. 16) Die Abwandlung eines traditionellen<br />

Liedtitels, auch die Darstellung<br />

der Wesen zwischen Engel, Amoren,<br />

Eroten, sorgt für etliche Doppeldeutigkeiten.<br />

Die Beeinflussung, unter anderem<br />

durch Grandville und<br />

weitere europäische<br />

Impulse bis ins 16.<br />

Jahrhundert, ist<br />

erkennbar.<br />

Die Zeichnungen der<br />

Fünfziger Jahre lassen<br />

ein kindlich-naives<br />

Repertoire aufscheinen.<br />

Er ist erfolgreich<br />

damit. „Das Besondere<br />

an Warhols Naivität<br />

war jedoch nicht nur<br />

die Raffinesse, mit der<br />

er sie gestalterisch<br />

umzusetzen wusste,<br />

sondern auch der eng<br />

mit ihr verbundene<br />

Geschäftssinn“. 17)<br />

Der Einschätzung,<br />

dass hier ein „Schlüssel<br />

zum Verständnis<br />

von Warhols späterem<br />

(...) Schaffen“ 18)<br />

erkennbar sei, wird<br />

kaum zu widersprechen<br />

sein.<br />

Reinhard End<br />

1)<br />

Koepplin, Dieter: Andy Warhols Zeichnungen nach der<br />

Fotonatur in: Andy Warhol Zeichnungen 1942 -1987.<br />

München 1989, S. 15.<br />

2)<br />

Ebd., S. 30. 3) Ebd., S. 15. 4) Ebd., S. 31.<br />

5)<br />

Heid, Brigitta: What’s in a line. Warhol als Zeichenvirtuose.<br />

In: Museum Brandhorst. Reading Andy Warhol.<br />

Ostfildern 2013. S. 169.<br />

6)<br />

Ebd., S. 167. Blotted line ist u. a. gut erkennbar bei<br />

den Motiven, Katalog S. 12 u. 34.<br />

7)<br />

Koepplin, a.a.O., S. 19. 8) Ebd., S. 21.<br />

9) <br />

Schleif, Nina: Sorgfältig ungeplant. Die Bücher im<br />

Werk von Andy Warhol. In: Museum Brandhorst.<br />

Reading Andy Warhol. Ostfildern 2013. S. 21.<br />

10)<br />

Koepplin, a.a.O., S. 17 f.<br />

11)<br />

Ebd., S. 18. 12) Schleif, a.a.O., S. 21.<br />

13) <br />

Schleif, Nina: Clevere Frivolität in Excelsis. Warhols<br />

Promotional Books. In: Museum Brandhorst. Reading<br />

Andy Warhol. Ostfildern 2013. S. 91.<br />

14)<br />

Ebd., S. 94. 15) Ebd., S.101. 16) Ebd., S. 109 ff.<br />

17)<br />

Ebd., S. 101. 18) Schleif, a.a.O., S. 14.<br />

36


AENNE BURDA<br />

1973, 60 x 60 cm, Öl und Siebdruck auf Leinwand, rückseitig signiert<br />

Museum Frieder Burda (oben)<br />

Sammlung Hubert Burda (unten)<br />

37


DEUTSCHE IKONEN: <strong>WARHOL</strong> UND BURDA<br />

DIE STAR-PORTRAITS – EINE „GALERIE CONTEMPORAINE“<br />

„Ich erinnerte mich, dass Warhol auf<br />

meine Fragen hin erwähnte, er würde<br />

gerne eine „Galerie Contemporaine“ seiner<br />

Zeit schaffen, eine Bezeichnung, die im<br />

STILL · UNERGRÜNDLICH · BEGABT<br />

DROLLIG · MAGNETISCH · BRILLANT<br />

BESESSEN · MANIPULIEREND<br />

INTOLERANT · BEFREMDLICH<br />

GROSSZÜGIG · ELFENHAFT<br />

GERISSEN · AUF SICH SELBST<br />

BEDACHT · NETT · ÜBERRASCHEND<br />

HINGEBUNGSVOLL · DURCHTRIEBEN<br />

MYSTERIÖS · BEZAUBERND<br />

SCHLICHT · SO SCHÜCHTERN, DASS<br />

ER FAST VERSCHWINDET<br />

BEGABT · GESCHÄFTSTÜCHTIG<br />

SANFT · SEHR NEUGIERIG<br />

ZUTIEFST SELBSTBEFANGEN<br />

UNSICHER · VOLLER GEHEIMNISSE<br />

ABSOLUT UND BEDROHLICH<br />

MÄCHTIG · SCHNELL<br />

INTELLIGENT · ANPASSUNGSFÄHIG<br />

SCHÜCHTERN · BEGABT<br />

UNMITTELBAR UND<br />

UNGEHEUER STARK WIRKEND<br />

Unvollständige Sammlung von Warhol<br />

zugeschriebenen Eigenschaften und Merkmalen<br />

von Tina T. Fredericks und Jesse Kornbluth<br />

in Kornbluth, Jesse: Pre-Pop Warhol.<br />

München 1989<br />

Frankreich <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts für eine<br />

Sammlung von Porträts in Buchform von<br />

berühmten Zeitgenossen wie Schriftstellern,<br />

Künstlern, Philosophen, Politikern,<br />

und Schauspielern gebräuchlich war.<br />

In den darauf folgenden Jahren wurde<br />

die Idee einer „Galerie Contemporaine“<br />

zu einem umfassenden Projekt und zur<br />

Haupteinnahmequelle <strong>des</strong> Künstlers.“<br />

Bruno Bischofberger 1)<br />

BERÜHMTER GEHT’S<br />

NICHT<br />

Etwa um 1968, so berichtet Bruno<br />

Bischofberger, habe er Andy Warhol<br />

angefragt, ob er Portrait-Aufträge seiner<br />

Kunden annehmen würde. Man einigte<br />

sich auf „ein einfaches, standardisiertes<br />

System, das die Größe und Preis der<br />

<strong>Bilder</strong> regelte“. Ursprünglich verwendet<br />

der Künstler noch Automaten-Fotos, nun<br />

benutzt er als Grundlage Polaroid-Fotos.<br />

Während der meisten Sitzungen macht er<br />

Dutzende solcher Aufnahmen, wählt einige<br />

aus und fertigt daraus den Siebdruck.<br />

Alle Aufnahmen werden vom Sammler<br />

Warhol selbstverständlich aufbewahrt.<br />

Über den Galeristen sei auch ein zentrales<br />

Werk der Portrait-Reihe entstanden. Allerdings<br />

nicht der von ihm vorgeschlagene<br />

Albert Einstein stieß auf Interesse, sondern<br />

Mao Tse Tung. Da er gelesen hatte, dass<br />

Mao die berühmteste lebende Person der<br />

Welt sei, scheint die Entscheidung im<br />

Warhol’schen Sinne zwingend. 2)<br />

Warhols auffällige Präsenz in Europa<br />

und in Deutschland wird maßgeblich<br />

durch führende Galeristen veranlasst und<br />

gefördert, unter anderem durch Bruno<br />

38<br />

Bischofberger in Zürich, Hermann Wünsche<br />

in Bonn und Hans Mayer in Düsseldorf.<br />

Wünsche vermittelt unter anderem<br />

die Sitzung mit Ex-Bun<strong>des</strong>kanzler Willy<br />

Brandt 1976. Es entstehen auch Architektur-Ansichten<br />

wie der Kölner Dom und<br />

das Lübecker Holstentor. 3)<br />

<strong>WARHOL</strong> UND<br />

DIE BURDAS<br />

„Der bedeutendste Künstler, mit dem<br />

wir gemeinsam zu tun hatten, war Andy<br />

Warhol. Deine Familie bestellte auf deine<br />

Anregung hin ein Porträt zum Geburtstagsjubiläum<br />

deines Vaters, <strong>des</strong> Senators.<br />

Warhol schuf eine Reihe von Porträts nach<br />

einer Fotografie. Sie gefielen deinem Vater,<br />

dir und deiner ganzen Familie so gut, dass<br />

auch deine Mutter Aenne den Entschluss<br />

fasste sich von Warhol verewigen zu lassen.<br />

Andy Warhol, Yoyo und ich besuchten<br />

euch in Offenburg, wo Andy Fotos deiner<br />

Mutter machte. Daraus entstand ein<br />

wunderbares zweiteiliges, auf Wunsch<br />

deiner Mutter kleinformatiges Doppelporträt,<br />

das sie als fröhliche lachende<br />

und als ernst besinnliche Frau zeigt. (...)<br />

Yoyo erinnert sich noch, wie Warhol sich<br />

beim gemeinsamen Mittagessen im Hause<br />

deiner Eltern für das Dessert mit den Pfirsichen<br />

in Cham pagner begeisterte. Nach<br />

dem Erfolg dieses Porträts beschlossen du<br />

und deine zwei Brüder Franz und Frieder,<br />

euch ebenfalls gemeinsam porträtieren<br />

zu lassen. Jeder erhielt ein Einzelbildnis<br />

von sich. Aus eigenem Antrieb machte der<br />

Künstler noch (...) Porträts, die inzwischen<br />

recht berühmt geworden sind, auf denen<br />

ihr Brüder gemeinsam dargestellt seid“.<br />

Bruno Bischofberger 4)


SENATOR DR. FRANZ BURDA<br />

1972, 101,7 x 101,7 cm, Acryl/Siebdruck/Leinwand<br />

Sammlung Hubert Burda (oben)<br />

Museum Frieder Burda (unten)<br />

39


MÄNNLICHE PARTYBIENE<br />

IM RAMPENLICHT, UM SICH DARIN<br />

ZU VERSTECKEN · EIN SEHER<br />

EIN MODERNER MEPHISTO<br />

ETWAS VON EINEM HEILIGEN<br />

GEFÜHLLOSER BEOBACHTER<br />

EIN ENGEL · UNANGREIFBARE<br />

UNSCHULD UND DEMUT · RÄTSEL<br />

EHRGEIZIG · LIEBENSWÜRDIG · IN<br />

SICH GEKEHRT · EINDEUTIG<br />

PRÄÖDIPAL · GROSSZÜGIG · MACHT<br />

AUS DER VERLETZLICHKEIT EINE<br />

TUGEND · FASZINIEREND · KÖSTLICH<br />

EXOTISCH · KOMBINATION AUS<br />

EUROPÄISCHER THEATRALIK<br />

UND ECHTER AMERIKANISCHER<br />

ÜBERSPANNTHEIT<br />

NACHTMENSCH · PEINLICH<br />

EKEL · WEISSE HEXE<br />

SUPER- INTELLEKTUELLER<br />

BEGABTER ARTDIRECTOR<br />

GESCHLECHTSLOS · BEDROHUNG<br />

FÜR DIE KUNSTSZENE · DER<br />

MEISTGEHASSTE MENSCH<br />

SEHR MERKWÜRDIG · TOTAL<br />

DESORIENTIERT · STARKER<br />

SCHÖPFERISCHER DRANG<br />

GESPÜR FÜR DAS BÖSE · SICHERER<br />

INSTINKT FÜRS VULGÄRE<br />

MYTHENSCHÖPFER · EIN KIND AUS<br />

EINER ANDEREN WELT<br />

<strong>ANDY</strong> WAR POP, POP WAR <strong>ANDY</strong><br />

BEUYS UND <strong>WARHOL</strong><br />

Die Süddeutsche Zeitung sieht zwei<br />

Superstars auf Augenhöhe: „Beide hatten<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg ihre eigenen<br />

Kriege gegen den althergebrachten Kunstbegriff<br />

geführt – und beide verdienten ihr<br />

Geld mit der scheinbar alchemistischen<br />

Fähigkeit, aus Banalitäten hohe Kunst zu<br />

machen. Während Warhol in den USA die<br />

serielle Reproduktion der immergleichen<br />

wohlbekannten Motive in Angriff nahm<br />

(Stichwort: Tomatensuppendose), revolutionierte<br />

Beuys vom Niederrhein aus die<br />

Kunstwelt, indem er aus Honig, Schrott,<br />

Fett und Filz Kunst machte.“ 5)<br />

1980 berichtet der SPIEGEL in der ihm<br />

eigenen Ironie. „Die so ziemlich letzte<br />

Chance, noch auf Leinwand abgemalt<br />

zu werden, ohne sich vor der zeitgenössischen<br />

Kunst bloßzustellen: Man läßt<br />

– sofern hinlänglich prominent, reich oder<br />

mit dem Künstler befreundet – bei Andy<br />

Warhol arbeiten. Als neuester Teilnehmer<br />

in <strong>des</strong>sen Erlauchten-Reigen präsentiert<br />

sich nunmehr Deutschlands Kunst-Guru<br />

Joseph Beuys. Warhol hat ihn (…) abgebildet,<br />

teils farbig, teils schwarzweiß und mit<br />

Diamantstaub bepudert: für 40.000 und<br />

25.000 Dollar stehen die Konterfeis zum<br />

Verkauf. Im Beisein <strong>des</strong> Porträtisten wie<br />

<strong>des</strong> Porträtierten hat die Warhol-Werkreihe<br />

(…) ihre Weltpremiere. 6)<br />

GOETHE IN DER REIHE<br />

DER MEDIENSTARS<br />

Andy Warhol steht im November 1980<br />

auf Einladung von Verleger Siegfried<br />

Unseld in Frankfurt im Städel vor dem<br />

Goethe-Porträt von Tischbein. Es ist wohl<br />

das prominenteste der Dichter-Bildnisse.<br />

„Eine Ikone bürgerlicher Kultur“, ein Star-<br />

Portrait also. Warhol bringt Goethe somit<br />

in eine Galerie für ihn Gleichrangiger wie<br />

Marilyn Monroe, die Eishockey-Legende<br />

Wayne Gretzky, Beethoven, Mick Jagger.<br />

„Die Heiligtümer der europäischen Kultur<br />

und die Superstars von Hollywood wurden<br />

bei Warhol ästhetisch egalisiert“. Das sei<br />

nicht als Provokation, sondern in der<br />

Naivität <strong>des</strong> Künstlers geschehen, urteilt<br />

Andreas Hansert.<br />

Ausgerechnet der Dichter, dem das Singuläre,<br />

Geniale zumin<strong>des</strong>t in der Wahrnehmung<br />

über viele Epochen hinweg zugeschrieben<br />

wurde, erfährt eine Bearbeitung<br />

vom Protagonisten <strong>des</strong> Seriellen, der die<br />

„maschinelle künstlerische Produktion“<br />

favorisiert.<br />

Bei einem zweiten Besuch Warhols an einem<br />

Sonntag ist Barbara Klemm mit ihrem<br />

Mann zum privaten Museumsbesuch im<br />

Städel und stößt zufällig auf die kleine,<br />

prominente Gruppe mit Direktor Gallwitz.<br />

Da aber die renommierte Fotojournalistin<br />

stets eine Kamera bei sich trägt, gelingt<br />

ihr jenes Foto (S. 46), das selbst wieder<br />

zur Ikone der Künstler-Portrait-Fotografie<br />

wurde. 7)<br />

Reinhard End<br />

1)<br />

Bischofberger, Bruno in: Andy Warhol Fotografien<br />

1976-1987 Kestner Gesellschaft. Hrsg v. Carl Haenlein.<br />

Hannover 2001, S. 19.<br />

2)<br />

Ebd, S. 14ff.<br />

3)<br />

Vgl. Andy Warhol, herausgegeben von Karl Egon<br />

Vester Kunstverein Hamburg 1987. S. 95.<br />

4)<br />

Bischofberger, Bruno in: Hubert Burda „Kunst und<br />

Medien“, Festschrift zum 9. Februar 2000, hrsg. von<br />

Judith Betzler. München 2000. S. 156f.<br />

5)<br />

Süddeutsche Zeitung, dem Internet entnommen am<br />

25.10.2016, erstellt am 25.01.2011.<br />

6)<br />

Der SPIEGEL, dem Internet entnommen am<br />

25.10.2016, erstellt am 24.03.1980.<br />

7)<br />

Vgl. Andreas Hansert in: Andy Warhol. Goethe Serigraphien,<br />

1982 Galerie Uwe Opper. Kronberg 2000.<br />

Unvollständige Sammlung von Warhol zugeschriebenen<br />

Eigenschaften und Merkmalen in:<br />

Bockries, Victor: Andy Warhol. Düsseldorf 1989.<br />

40


MAGAZINE & HISTORY<br />

1983, 85 x 70 cm, Druckgraphik, Siebdruck auf Papier<br />

Sammlung Hubert Burda<br />

41


RETROSPECTIVE<br />

1979, 209 x 234 cm, Gemälde, Siebdruck auf Leinwand<br />

Sammlung Hubert Burda<br />

42


PORTRAIT OF A GENTLEMAN (DR. HUBERT BURDA)<br />

1982, 102 x 102 cm, Gemälde, Siebdruck (Acryl und Öl) auf Leinwand<br />

Sammlung Hubert Burda<br />

43


44


BEETHOVEN<br />

1987, jeweils 101,6 x 101,6 cm, Siebdruck, signiert und nummeriert<br />

Museum Villa Haiss<br />

JOSEPH BEUYS<br />

1980, 111,8 x 76,2 cm, Siebdruck, signiert und nummeriert<br />

Museum Villa Haiss<br />

45


46


GOETHE<br />

1982, 96,5 x 96,5 cm, Siebdruck auf Papier, signiert und nummeriert<br />

Museum Villa Haiss<br />

<strong>WARHOL</strong> BESUCHT GOETHE IM STÄDEL<br />

1981, 38,5 x 26 cm, Fotografie Barbara Klemm<br />

47


BIOGRAFIE<br />

Am 06. August 1928 wird Andrej Warhola als dritter Sohn osteuropäischer<br />

Emigranten geboren. Die Familie wohnt im Armenviertel<br />

der Industriestadt Pittsburgh.<br />

1936 Erkrankt mehrere Jahre hintereinander an Veitstanz, einer<br />

Nervenkrankheit, die als Folge seiner Scharlach-Erkrankung auftrat.<br />

Dadurch verbringt er die Ferien im Bett und entwickelt sich<br />

zu einem schüchternen Jungen mit starker Mutterbindung.<br />

1942 Vater stirbt an einer Bauchfellentzündung. An der Schule<br />

fällt sein Zeichentalent auf, das erste Selbstportait entsteht. Sein<br />

Lehrer schickt ihn zu den kostenlosen Kunstkursen <strong>des</strong> Carnegie<br />

Museum of Art.<br />

1945 Beginnt Pictorial Design am Pittsburgher Carnegie Institute<br />

of Technology zu studieren; belegt Seminare zu Themen wie<br />

„Medien und Vervielfältigungen“. Bekommt Aufgaben wie ein<br />

einzelnes Objekt aus der Konsumwelt, das eine Symbolfunktion<br />

innehat, darzustellen. Erhält ein Stipendium für seine Zeichnungen<br />

der Armenviertel von Pittsburgh. Als graphischer Direktor<br />

der Campus-Zeitung Cano entwirft er 1948 das Cover, in dem<br />

sich das serielle Prinzip seiner Kunst bereits ankündigt. Erstmals<br />

benutzt er das ,blotted line‘-Druckverfahren zur mechanischen<br />

Herstellung seiner <strong>Bilder</strong>.<br />

1949 Mit Studienfreund Philip Pearlstein geht er nach New<br />

York, der damaligen Hauptstadt der Werbeindustrie. Glamour Art<br />

Direktorin Tina Fredericks besorgt ihm erste Aufträge. Unterschreibt<br />

seine Zeichnungen erstmals mit „Andy Warhol“. Spricht<br />

tagsüber bei Zeitschriften vor, erledigt nachts die Aufträge und<br />

erhält durch seine Schnelligkeit immer neue Aufträge. Zieht nach<br />

einem Zerwürfnis mit Pearlstein mit seiner Mutter in eine eigene<br />

Wohnung.<br />

1957 Gründet die Andy Warhol Enterprises lnc. Ende der 50er-<br />

Jahre ist Warhol der berühmteste Werbegrafiker New Yorks. Doch<br />

dies ist ihm nicht genug: er will sich auch in der Kunstwelt einen<br />

Namen machen. Sucht hierfür Bildmotive aus dem Alltag und<br />

beginnt das zu malen, was er kennt: die Werbung.<br />

1960 Auf der Suche nach einem eigenen Bildthema rät eine<br />

Freundin Warhol, das zu malen, was er am meisten mag. Daraufhin<br />

entstehen seine Serien von Dollarnoten.<br />

1962 Warhol ist mit seinem Werk „Zweihundert Campbells<br />

Suppendosen“, in der Sidney Janis Gallery, New York, vertreten. Es<br />

wird die aufsehenerregendste Ausstellung <strong>des</strong> Jahres 1962 und<br />

etabliert ihn in der Kunstszene. Beginnt mit seinen Disaster-Serien,<br />

die den Tod in den Medien zum Thema haben. Er möchte, dass<br />

Leute, die nichts mit den Opfern zu tun haben, an die Verstorbenen<br />

denken.<br />

Nimmt ab 1962 Appetitzügler, da er sich zu dick findet. Der Drogenkonsum<br />

verbreitet sich in der Kunstszene.<br />

1963 Kommt mit der alternativen Filmszene in Berührung, kauft<br />

sich seine erste Filmkamera. Mehrere Filme entstehen, er gründet<br />

die Produktionsfirma Underground. Zieht in ein neues Atelier, das<br />

er in Anlehnung an die frühere Nutzung <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> und die<br />

serielle Herstellung seiner <strong>Bilder</strong> Factory nennt.<br />

1964 Die Factory ist zum Mittelpunkt der alternativen Kulturszene<br />

geworden. Begibt sich mit einer Ausstellung in der Stable<br />

Gallery, New York, in den Bereich der Konzeptkunst: mit Nachbildungen<br />

von Warenkartons stellt er Kunstobjekte als Stapelware<br />

dar. Erhält den Sixth Independent Film Award <strong>des</strong> Film Culture<br />

Journal.<br />

1955 Sein erster Assistent wird Nathan Gluck. Dieser erledigt mit<br />

Warhols Mutter Julia seine Werbeaufträge. Er wird für eine große<br />

Schuh-Werbekampagne engagiert und erhält dafür 20.000 $ im Jahr.<br />

1965 Ausstellung elektrischer Stühle in der Pariser lleana Sonnabend<br />

Galerie macht Warhol auch in Europa bekannt. Tauscht<br />

sein Toupet gegen eine Perücke und beginnt, Makeup zu tragen.<br />

1956 Erhält für seine Schuhzeichnungen den Award for Distinctive<br />

Merits <strong>des</strong> Art Directors Club. Feiert erste Erfolge in der<br />

Kunstwelt mit einer Reihe von Schuhzeichnungen, die berühmte<br />

Persönlichkeiten repräsentieren.<br />

1966 Eröffnet eine Disko, in der er den Gästen eine Multimediashow<br />

aus Musik, Tanz, Film und elektronischer Licht- und Tonmischung<br />

bietet. Film The Chelsea Girls wird sein erster kommerzieller<br />

Erfolg. Gründung der Andy Warhol Films lnc.<br />

48


1967 Wird gebeten, Gastvorträge an Universitäten zu halten. Da<br />

er nicht gerne viel spricht, sagt er nur wegen <strong>des</strong> Honorars von<br />

1.000 $ pro Vortrag zu und engagiert einen Schauspieler aus der<br />

Factory, um ihn als Warhol verkleidet zu mimen. Der Schwindel<br />

fliegt auf, er muss die Honorare zurückzahlen, doch die Presse<br />

reißt sich um ihn.<br />

Nach seinem Film „Lonely Cowboys“ wird Warhol wegen der<br />

Verbreitung obszönen Materials durch das FBI überwacht. Er<br />

will eine Umbesinnung der Factory erreichen und verlegt sie in<br />

das Geschäftsviertel Union Square. Die neue Factory hat den<br />

Charakter eines konventionellen Büros und wird immer häufiger<br />

als Office bezeichnet.<br />

1974 Erhält von der New Yorker Popular Culture Association eine<br />

Auszeichnung für seinen Beitrag zum Verständnis der Homosexualität.<br />

1980 Warhals Freund Jed Johnson trennt sich von ihm. Seinen<br />

Kummer versucht er mit Arbeit und Shoppen zu verdrängen. Er<br />

fängt an zu trinken, nimmt Valium und AufputschmitteL<br />

1982 Rückgriff auf das Geld-Thema mit einer Ausstellung in<br />

der Castelli Gallery, New York. Die <strong>Bilder</strong> zieren keine Geldscheine<br />

mehr, sondern nur noch das Dollar-Symbol als Verweis auf<br />

die Wertsteigerung seiner <strong>Bilder</strong>. Eigene Fernsehsendung Andy<br />

Warhol Television.<br />

1968 Im Museum für Moderne Kunst in Stockholm findet seine<br />

erste Ausstellung in einem europäischen Museum statt.<br />

03.06.1968 Die Frauenrechtlerin Valerie Solanas wartet vor dem<br />

Office auf Warhol. Sie hatte in einem Film von ihm mitgespielt<br />

und belästigt ihn seitdem. Solanas überredet ihn, sie mit ins<br />

Office zu nehmen, wo sie mit zwei Pistolen auf ihn schießt. Die<br />

Kugeln beschädigen Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre<br />

und beide Lungenflügel. Warhols Überlebenschancen werden<br />

nach der fünfstündigen OP auf 50 zu 50 eingeschätzt. Solanas<br />

stellt sich der Polizei und sagt aus, dass sie sich für die Degradierung<br />

der Frau in Warhols Filmen an ihm rächen wollte. Er erholt<br />

sich und wird am 28.07.1968 aus dem Krankenhaus entlassen.<br />

Sein Lebensgefährte Jed Johnson zieht bei ihm ein, um ihn zu<br />

pflegen. Der Medienrummel um das Attentat macht Warhol<br />

außerhalb der Kunstszene bekannt, die Preise für seine Werke<br />

steigen sprunghaft.<br />

1987 Erkrankung der Gallenblase wird festgestellt. Sie soll in<br />

einer Routineoperation entfernt werden. Am 22. Februar, dem<br />

Morgen nach der Operation, wird Warhol tot aufgefunden. Er erlitt<br />

einen Herz-Lungen-Stillstand im Schlaf. ln Pittsburgh wird er<br />

neben seiner Mutter begraben. Wie in seinem Testament verfügt,<br />

wird 1987 die Andy Warhol Foundation for the Visual Arts zur<br />

Förderung der bildenden Künste gegründet.<br />

Entnommen: Andy Warhol King of Pop Art, Katalog der Ausstellung<br />

in der kunsthalle messmer 2015<br />

1969 wird Solanas wegen Körperverletzung zu drei Jahren<br />

Gefängnis verurteilt.<br />

1971 Mutter Julia erleidet einen Schlaganfall und zieht in ein<br />

Pflegeheim in Pittsburgh um. Warhol ruft sie jeden Tag an, geht<br />

aber nicht zu ihrer Beerdigung, als sie 1972 stirbt.<br />

1971 Eine Retrospektive mit Warhols bekanntesten Pop-Art-<br />

<strong>Bilder</strong>n, die durch Europa tourt, öffnet ihm dort die Türen zur<br />

High-Society. Er bemüht sich systematisch um Portrait-Aufträge,<br />

womit er 1974 über 1 Million Dollar im Jahr verdient. Gleichzeitig<br />

arbeitet er weiter für die Werbung, u.a. entwirft er für Mick<br />

Jagger den berühmten Mund mit heraushängender Zunge.<br />

Andy Warhol, 1983, 24 x 16 cm auf DIN A4, Life Portrait als Original XEROX copy 1/2, (Dia wurde nach Druck vernichtet),<br />

fotografiert von Wilfried Beege, Axel Siebmann<br />

49


IMPRESSUM<br />

Konzeption, Redaktion:<br />

Reinhard End<br />

Redaktionelle Mitarbeit:<br />

Barbara End, Simone Himmelspach, Ersin Kurun, Christian Würtz<br />

Texte:<br />

Fotos:<br />

Repro:<br />

Gestaltung:<br />

Frieder Burda, Reinhard End, Thorsten Erny,<br />

Christian Würtz, Museum Frieder Burda,<br />

kunsthalle messmer<br />

The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.:<br />

Titel, 3, 7, 9, 11-25, 28, 29, 31-33, 51.<br />

Museum Frieder Burda: 3, 4, 34, 35, 37, 39, 40, Rückseite.<br />

Sammlung Hubert Burda: 37, 39, 41, 42, 43.<br />

Dieter Wissing: S. 3, 26f.<br />

Reinhard End: S. 8.<br />

Barbara Klemm: S. 46.<br />

Museum Villa Haiss, Tilmann Krieg: S. 45.<br />

Museum Villa Haiss, Gerold Walter S. 44, 47.<br />

kunsthalle messmer: S. 36.<br />

Wilfried Beege, Axel Siebmann: S. 49.<br />

ci-media GmbH Werbeagentur<br />

Oliver Möller, ci-media GmbH<br />

Reinhard End<br />

Herstellung: Kehler Druck, Auflage: 1.500<br />

Copyright Bildende Künstler:<br />

All Andy Warhol Artworks<br />

© The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.<br />

© Barbara Klemm 2016, S. 46<br />

© Wilfried Beege, Axel Siebmann: S. 49.<br />

© Otmar Alt: S. 9<br />

Die grafischen Hintergrundelemente sind der Fassadengestaltung <strong>des</strong><br />

<strong>Gengenbacher</strong> <strong>Adventskalenders</strong> entnommen: © Rupert Lehmann.<br />

Copyright Autoren:<br />

© Frieder Burda; Reinhard End; Dr. Christian Würtz;<br />

Museum Frieder Burda, Baden-Baden<br />

kunsthalle messmer, Riegel<br />

Barbara Klemm<br />

Wilfried Beege<br />

Ernst Birsner, Edda Birsner<br />

Otmar Alt<br />

Stadt Gengenbach, Bürgermeister Thorsten Erny<br />

Kultur- und Tourismus GmbH, Lothar Kimmig<br />

ci-media GmbH, Oliver Möller<br />

Die Autoren:<br />

Reinhard End, Jg. 1949<br />

Studium der Germanistik, Geschichte und Politik<br />

Vermittler in Schule und Erwachsenbildung<br />

Künstlerischer Leiter Museum Haus Löwenberg und <strong>Gengenbacher</strong><br />

Adventskalender<br />

Vorsitzender <strong>des</strong> Fördervereins Haus Löwenberg e. V.<br />

Dr. iur. utr. Dr. theol. Christian Würtz, Jg. 1971<br />

Studium der Rechtswissenschaft und Theologie<br />

Pfarrer der Kath. Kirchengemeinde Vorderes Kinzigtal<br />

St. Pirmin - Pfarrei St. Marien Gengenbach<br />

Vorstandsmitglied im Förderverein Haus Löwenberg e.V.<br />

Vorderseite:<br />

Andy Warhol, aus: 25 Cats Name(d) Sam and One Blue Pussy. 1954.<br />

Titel:<br />

Andy Warhol, aus: „À la recherche du shoe perdu“. 1955.<br />

<strong>Gengenbacher</strong> Adventskalender, Foto: Dieter Wissing.<br />

Andy Warhol, „The three Gentlemen“. 1982, 101,8 x 203,4 cm,<br />

Acryl/Siebdruck/Leinwand. Museum Frieder Bruda.<br />

Rückseite:<br />

Andy Warhol, Frieder Burda. 1982, 100 x 100 cm, Acryl auf Leinwand,<br />

rückseitig signiert und datiert. Museum Frieder Bruda.<br />

ISBN: 978-3-9805954-2-1<br />

Herausgeber: Förderverein Haus Löwenberg e.V. 2016<br />

Hauptstraße 13, 77723 Gengenbach<br />

www.museum-haus-loewenberg.de<br />

Wir danken für Leihgaben und Unterstützung<br />

The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc.<br />

Janet Hicks, Artists Rights Society, New York<br />

Frieder Burda<br />

Museum Frieder Burda, Baden-Baden<br />

Helmut Friedel, Patricia Kamp, Judith Irrgang<br />

Hubert Burda<br />

MM Artmanagement, Mon Muellerschoen<br />

Walter Bischoff, Museum Villa Haiss, Zell a.H.<br />

Lea und Jürgen A. Messmer, kunsthalle messmer, Riegel<br />

Berthold Wolf<br />

50


ILLUSTRATION AUS: IN THE BOTTOM OF MY GARDEN<br />

1956<br />

51


52

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!