HANDLEXIKON DER EUROPÄISCHEN UNION - Omnia
HANDLEXIKON DER EUROPÄISCHEN UNION - Omnia
HANDLEXIKON DER EUROPÄISCHEN UNION - Omnia
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<strong>HANDLEXIKON</strong><br />
<strong>DER</strong><br />
<strong>EUROPÄISCHEN</strong> <strong>UNION</strong>
<strong>HANDLEXIKON</strong><br />
<strong>DER</strong><br />
<strong>EUROPÄISCHEN</strong><br />
<strong>UNION</strong><br />
Herausgegeben von<br />
Wolfgang W. Mickel<br />
und<br />
Jan Bergmann<br />
3. überarbeitete und<br />
erweiterte Auflage<br />
Redaktion: Claus D. Grupp<br />
OMNIA Verlag
Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />
detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />
ISBN 3-89344-065-8<br />
Das Handlexikon der Europäischen Union erscheint inhaltsgleich als Lizenzausgabe in der<br />
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, unter der ISBN 3-8329-1683-0<br />
© 2005 OMNIA Verlag GmbH<br />
Breitscheidstraße 31<br />
70176 Stuttgart<br />
Redaktion: Claus D. Grupp, Stuttgart<br />
Satz und Grafik: OMNIA Verlag GmbH, Stuttgart<br />
Titel: Prof. Horst Bergmann, Biberach an der Riß<br />
Tabellen: Peter Eggstein, Waiblingen<br />
Druck: Nomos Druckhaus, Sinzheim<br />
Alle Rechte vorbehalten<br />
Nachdruck, Kopie, Digitalisierung oder Übertragung auf Datenträger, auch auszugsweise, sowie<br />
Übersetzung nur mit Genehmigung des Verlages
Inhaltsübersicht<br />
Inhalt<br />
Vorwort 7<br />
Mitarbeiterverzeichnis 9<br />
Abkürzungsverzeichnis 12<br />
Mitgliedstaaten der EU (Tabellarische Übersicht) 14<br />
Karte der Europäischen Union 16<br />
STICHWÖRTERA–Z 17–839<br />
Welche Zukunft für die Europäische Union? 840<br />
Zur Geschichte der europäischen Einigung 846<br />
Zeittafel der europäischen Einigung 880<br />
Register 906<br />
5
Vorwort zur 3. Auflage<br />
Vorwort<br />
Die europäische Integration in Gestalt der Europäischen Union bestimmt auch im 21. Jh.<br />
unsere Zukunft. Sie stellt ein kontinentales Einigungswerk von nie dagewesenem,<br />
weltgeschichtlichem Ausmaß dar. Europäische Staaten mit gemeinsamen Traditionen, aber<br />
unterschiedlichen Entwicklungen und mit einer teilweise anderen geschichtlichen Herkunft<br />
entscheiden in wesentlichen Politikfeldern gemeinschaftlich. So soll sich in<br />
Europa ein Menschheitstraum von Freiheit, dauerhaftem Frieden und sozialer Gerechtigkeit<br />
erfüllen. Zwar ist das Ende des im Zeitalter der Globalisierung teilweise obsoleten<br />
Nationalstaates noch nicht vorauszusehen, jedoch löst sich allmählich die gesamteuropäische<br />
Epoche mehr und mehr von unzeitgemäßen national-separatistischen Strukturen<br />
durch die Übertragung von Souveränitätsrechten auf – in ihrer praktischen Ausgestaltung<br />
noch offene – supranationale Entscheidungsträger.<br />
Dieser Vorgang kann nur als ein langsamer, von Politik bestimmter Prozess verstanden<br />
werden. Er ist insoweit akzeptiert, wie er Verbesserungen für das Leben und Zusammenleben<br />
der Menschen bewirkt. Sie müssen sich wiedererkennen können in ihrer Region und<br />
darüber hinaus in einem größeren, einheitlichen Europa, dessen Vielfalt in der Einheit<br />
nicht aufgegeben werden darf. Der Begriff der (politischen) Union steht für die Gemeinsamkeit.<br />
Er muss auf dem Wege einer speziellen europäischen Bewusstseinsbildung<br />
vermittelt werden. Die Europäische Union ist eine komplizierte rechtliche Konstruktion<br />
ohne Vorbild. Sie kann in der Bevölkerung nur dann an Ansehen und Akzeptanz gewinnen,<br />
wenn sie über gelegentliche persönliche Erfahrungen hinaus in ihren Zusammenhängen<br />
verstehbar gemacht und begriffen wird.<br />
Auch die vorliegende 3. Auflage des Handlexikons ist auf die Europäische Union gerichtet<br />
und beachtet andere wichtige Institutionen (z. B. Europarat, NATO usw.) und Bereiche nur<br />
am Rande und soweit sie zum Verständnis der Europäischen Union erforderlich sind. Alle<br />
Beiträge sind überarbeitet und nach dem Stand Mitte 2005 aktualisiert worden (z. B. unter<br />
Berücksichtigung der Referenda über den Verfassungsvertrag). Darüber hinaus sind u. a.<br />
(Schlüssel-)Begriffe aufgenommen worden, die es bisher in einem sytem in progress oft<br />
nicht gegeben hat.<br />
Im Vergleich zur Vorauflage wurde neben dem bewährten politologischen Ansatz der<br />
juristische Aspekt erweitert und vertieft. Ziel ist es, in der Vielzahl von Stichwörtern,<br />
bearbeitet von mehr als 80 sachkundigen und ausgewiesenen Autorinnen und Autoren aus<br />
7
Vorwort<br />
Wissenschaft und Praxis, die Vorstellungen und Intentionen der politischen Akteure ebenso<br />
zu verdeutlichen wie die praktischen und rechtlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen.<br />
Die Auswahl der Stichwörter folgt dem Häufigkeitsprinzip. Die (übertriebene)<br />
Tendenz der europäischen Behörden nach Bildung von Kürzeln und Akronymen wird<br />
berücksichtigt. Ein Blick in die Zukunft der Europäischen Union sowie eine historische<br />
Darstellung der europäischen Einigung am Schluss des Buches bemühen sich um Einordnung<br />
in die politischen und geschichtlichen Zusammenhänge.<br />
Die mit Initialen versehenen Texte unterliegen der Verantwortung der Autorinnen und<br />
Autoren; sie geben deren Meinung wieder und sind keine amtlichen Veröffentlichungen<br />
von Institutionen. Nicht gezeichnete Beiträge werden von der Redaktion verantwortet.<br />
Allen Autorinnen und Autoren wird herzlich gedankt. Der Dank der Herausgeber gilt auch<br />
dem seit mehr als 25 Jahren in Europafragen engagierten Verleger.<br />
Die Ausweitung des Umfangs des Handlexikons hat eine Kooperation mit dem Nomos-<br />
Verlag, Baden-Baden, für sinnvoll erscheinen lassen. Mit der vorliegenden Auflage<br />
beginnt der gemeinsame Vertrieb durch die beiden Verlage. Der Übergang künftiger<br />
Auflagen in den Nomos-Verlag ist vereinbart.<br />
Die Herausgeber<br />
Bad Homburg v. d. H. und Stuttgart, im August 2005<br />
8
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (und ihre Kürzel)<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
S. A. Dr. Susanne Ast; Innenministerium Baden-Württemberg, Lehrbeauftragte an der Fachhochschule<br />
für Öffentliche Verwaltung und Finanzen, Ludwigsburg, Fach Europarecht<br />
H.-J. A Prof. Dr. Heinz-Jürgen Axt; Institut für Politikwissenschaft, Universität Duisburg-Essen<br />
O. B. Prof. Dr. Otto Bardong (�); Worms, ehem. Mitglied des Präsidiums des Europäischen<br />
Parlaments, Vizepräsident der Europa-Union<br />
U. B. Dr. Ute Behning; z. Zt. Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen<br />
I. B.-M. Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel; Ministerialdirigentin, Bayerisches Staatsministerium für<br />
Unterricht und Kultus, München<br />
J. M. B. Prof. Dr. Jan Michael Bergmann, LL.M.eur. (Herausgeber); Verwaltungsrichter,<br />
Honorarprofessor für Recht und Politik der Europäischen Union sowie Öffentliches Recht an<br />
der Universität Stuttgart<br />
D. B. Dagmar Boving; Rechtsanwältin, Köln<br />
H.-W. B. Hans-Werner Bussmann; VLR I, Beauftragter für den Internationalen Strafgerichtshof,<br />
Auswärtiges Amt, Berlin<br />
H. D.-K. Dr. Hilaria Elisabeth Dette-Koch; Ministerialrätin, Staatsministerium Baden-Württemberg,<br />
Stuttgart<br />
W. D. Wolfgang Dix; Botschafter, Auswärtiges Amt, z. Zt. Berater im rumänischen Außenministerium<br />
K. E. Prof. em. Dr. Karl Engelhard; Lehrstuhl für Geographie und ihre Didaktik, Universität Münster<br />
P. A. E. Dr. Paul A. Engstfeld; Staatssekretär a. D., Trier, ehemals Generalsekretariat des<br />
Europäischen Parlaments, GD Wissenschaft<br />
S. F. Stefan Faiß; Regierungsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />
H. F. Dr. Horst Feldmann; Privatdozent für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen<br />
T. F. Tilo Friedmann; Leiter des EU-Büros des deutschen Sports, Brüssel<br />
G. Ch. G. Gertrud Charlotte Gandenberger, M.A.; Internationales Forum Burg Liebenzell<br />
J. G. Prof. Dr. Jo Groebel; Generaldirektor Europäisches Medieninstitut, Düsseldorf / Paris<br />
A. H. Prof. Dr. Arne Heise; Centrum für Internationale Studien, Universität Hamburg<br />
U. H. Ulrike Helwerth; Presse- und Öffentlichkeitsreferentin des Deutschen Frauenrates, Berlin<br />
B. H. Prof. Dr. Bernd Henning; Abteilungsleiter Politikwissenschaft / Gemeinschaftskunde,<br />
Institut für Gesellschaftswissenschaften, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd<br />
I. H. Dr. Ingo Hochbaum; Berater der Kultusministerkonferenz, ehemals Beauftragter des<br />
Bundesrates im Bildungsausschuss des Rates der EU, Bonn<br />
B. Ho Bärbel Hofmann; Bundesbankoberrätin, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main<br />
Ch. H. Christine Holeschovsky; Dienststellenleiterin der Vertretung des Freistaats Thüringen bei der<br />
Europäischen Kommission, Brüssel<br />
K. H. Dr. Karsten Hoppenstedt, Burgwedel; Mitglied des Europäischen Parlaments<br />
R. H. Prof. Dr. Rudolf Hrbek; Institut für Politikwissenschaft, Universität Tübingen<br />
C.-P. H. Claus-Peter Hutter; Präsident der internationalen Stiftung Europäisches Naturerbe<br />
(EURONATUR), Stuttgart<br />
J. I. Johanna Iftimoaie; Heidelberg<br />
A. J. Prof. Dr. Annette Jünemann; Professur für Politikwissenschaft, insbesondere internationale<br />
Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr, Hamburg<br />
F. K. Dr. Friedemann Kainer; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und<br />
europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />
D. K. Dennis Kampschulte; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Erziehungswissenschaft,<br />
Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr, Hamburg<br />
9
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
M. K. Martin Kersting; Rechtsanwalt in Lünen, Mitglied des Referentendienstes „Team Europa“ der<br />
Europäischen Kommission<br />
R. K. Roland Klages, LL.M.; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und<br />
europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />
H.-G. K. Hans-Georg Kluge; Staatssekretär a. D. im Ministerium der Justiz und für<br />
Europaangelegenheiten, Brandenburg<br />
J. H. K. Prof. em. Dr. Dr. h. c. Joachim H. Knoll; Ruhr-Universität Bochum<br />
A. K. Andrea Maria Kullack; Rechtsanwältin, Frankfurt am Main<br />
A. L. Andreas Lendle; Europaabteilung, Auswärtiges Amt, Berlin<br />
B. L. Dr. Barbara Lichtenthäler; Ministerialrätin, Leiterin des Bereichs Religionsangelegenheiten /<br />
Staatskirchenrecht, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden-Württemberg<br />
J. L.-B. Jutta Lieneke-Berns; ehem. Europäische Kommission, Vertretung in der Bundesrepublik<br />
Deutschland, Berlin<br />
B. Li. Dr. Barbara Lippert; Stellvertretende Direktorin des Instituts für Europäische Politik, IEP,<br />
Berlin<br />
E. v. L. Dr. Eisenhart von Loeper; Rechtsanwalt in Nagold, Vorsitzender des Bundesverbandes<br />
Menschen für Tierrechte<br />
G. M. Prof. Gerhart Maier; Fachleiter für Geschichte und Wissenschaftliche Politik a. D.,<br />
Staatliches Seminar für Schulpädagogik (Gymnasien), Esslingen<br />
U. M. Prof. Dr. Udo Margedant; Meckenheim, apl. Professor an der Bergischen Universität,<br />
Wuppertal<br />
A. M.-W. Dr. Annette Matthias-Werner, MCL; Europäische Kommission, Brüssel<br />
W. M. Prof. em. Dr. Wolfgang W. Mickel (Herausgeber); Lehrstuhl für Wissenschaftliche Politik,<br />
Institut für Sozialwissenschaften und Europäische Studien, Fakultät II, Pädagogische<br />
Hochschule (Universität) Karlsruhe<br />
P.-Ch. M.-G. Prof. Dr. Dr. h.c. Peter-Christian Müller-Graff; Direktor des Instituts für deutsches und<br />
europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />
W. Mu. Dr. Wolfgang Muno; Institut für Politikwissenschaft, Universität Mainz<br />
C. N. Caroline Neuenfeld; Bonn, ehem. wissenschaftliche Mitarbeiterin im Europäischen<br />
Parlament<br />
U. N. Ulrike Nuscheler; Brüssel<br />
H. O. Hans Oberlechner; Kabinett des Generaldirektors der European Space Agency (ESA),<br />
Paris<br />
K. H. O. Klaus H. Offermann; ehemals Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, GD<br />
Wissenschaft, Lehrbeauftragter Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer<br />
Th. O. Thomas Ossowski; Vortragender Legationsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />
K.-H. O. Prof. Dr. Karl-Heinz Otto; Fakultät für Geowissenschaften, Geographisches Institut,<br />
Ruhr-Universität Bochum<br />
P. P. Dr. Peter Palinkas; Europäisches Parlament, GD Internal Policies, Luxemburg<br />
U. P. Dr. Ulrich Palm; Lehrstuhl für Finanz- und Steuerrecht, Universität Heidelberg<br />
A. P. Andreas Peschke; Legationsrat I. Klasse, Auswärtiges Amt, Berlin<br />
N. P. Dr. Nora Pester; Wien<br />
U. Py Dr. Uwe Petry; Vortragender Legationsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />
M. P. Dr. Melanie Piepenschneider; Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin<br />
St. U. P. Dr. Stefan Ulrich Pieper; Privatdozent an der Universität Potsdam, Regierungsdirektor im<br />
Bundespräsidialamt, Berlin<br />
Ch. R. Christian Rapp, M. A. (Essex); Erlangen<br />
10
G. R. Günter Renner; Dipl. phil., Lehrbeauftragter für Politische Wissenschaften an der<br />
Fachhochschule für Verwaltung, Berlin<br />
L. R. R. Prof. Dr. Lutz R. Reuter; Fachbereich Pädagogik, Helmut-Schmidt-Universität, Universität der<br />
Bundeswehr, Hamburg, Vizepräsident<br />
W. R. Willi Rothley; Rechtsanwalt, MdEP a. D., ehemals Vizepräsident des EP-Ausschusses für<br />
Recht und Binnenmarkt, Ausschuss für konstitutionelle Fragen, Rockenhausen<br />
U. S. Dr. Ulrich Sante; Vortragender Legationsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />
B. Sa. Dr. Bernhard Santel; Landeszentrum für Zuwanderung Nordrhein-Westfalen, Solingen<br />
P. Sch. Prof. Dr. Peter Schäfer, LL.M.; Fachhochschule Hof<br />
J. Sch. Jörg Scherer; Geschäftsführer der European Research and Project Office (EURICE) GmbH,<br />
Saarbrücken<br />
J. Sch.-R. Dr. Jutta Schmitz-Rixen; Studiendirektorin, RP Karlsruhe, Vorortstelle des Kultusministeriums<br />
Baden-Württemberg, Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe<br />
F. Sch. Dr. Frank Schorkopf; Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe (2002– 2005), seit Juni 2005<br />
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für öffentliches Recht<br />
U. Sch. Ulrich Schröder, ehem. Leiter des Referats „Wirtschafts-, Banken- und Europapolitik“,<br />
Deutsche Bank AG, DB Research, Frankfurt a. M.<br />
K. P. Sch. Klaus Peter Schulz; Dipl.-Ing., Berater in Normungsfragen, Berlin<br />
E. Sch. Erik Schweickert; Diplom-Oenologe, Universität Gießen<br />
H. Sch. Hannes Schwinn, Licencié en Droit; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches<br />
und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />
B. S. Dr. Bernhard Seidel; Forschungsleiter der Abteilung „Information und Organisation“ am<br />
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin<br />
R. S. Prof. Dr. Reimund Seidelmann; Institut für Politikwissenschaft, Universität Gießen,<br />
Professor am Institut d’Etudes Européennes der Université Libre de Bruxelles<br />
Ch. S. Christoph Sennekamp; Richter am Verwaltungsgericht, z. Zt. Bundesverfassungsgericht,<br />
Karlsruhe<br />
F. v. St. Dr. Friedrich von Stackelberg; Institut für Verkehrswissenschaft, Universität Münster<br />
J. St. Prof. Dr. Jürgen Stark; Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main<br />
B. K. S. Dr. Burkard Steppacher; Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin,<br />
Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft Universität Köln<br />
B. St. Dr. Barbara Stiegler; Wirtschafts- und Sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum,<br />
Abteilung Arbeit und Sozialpolitik, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn<br />
I. T. Ilka Tröger, MBA; Agentur für Public Affairs, Public Relations und integrierte<br />
Kommunikation, Berlin<br />
L. U. Prof. Dr. Lothar Ungerer; Bürgermeister, Stadt Meerane, Lehrbeauftragter an der<br />
Westsächsischen Hochschule Zwickau, FB Wirtschaftswissenschaften<br />
Th. W. Dr. Thomas Wiedmann; Europäische Kommission, Brüssel<br />
S. W. Dr. Sebastian Winkler; Europäische Kommission, GD Forschung, Brüssel<br />
U. W. Ursula Wirtz, RA, lic.iur., LL.M.eur; Juristische Sekretärin der Gesundheitsdirektion des<br />
Kantons Zürich, Zürich<br />
K. W. Prof. Dr. Karlheinz Wöhler; Fachbereich Kulturwissenschaften, Universität Lüneburg<br />
J. W. Dr. Jörg Wojahn; Europäische Kommission, Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), Brüssel<br />
I. W.-Sch. Inge Wollscheid-Schneider; Bundesbankoberrätin, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main<br />
W. Z. Dr. Wolfgang Zellner; Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität<br />
Hamburg<br />
Nicht gezeichnete Artikel werden von der Redaktion verantwortet<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
11
Abkürzungen<br />
Häufig verwendete Abkürzungen<br />
ABl. Amtsblatt (der EU)<br />
Abs. Absatz<br />
Art. Artikel<br />
AStV Ausschuß der Ständigen Vertreter<br />
BGBl. Bundesgesetzblatt<br />
BIP Bruttoinlandsprodukt<br />
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
BNE Bruttonationaleinkommen<br />
BR.Drs. Bundesrats-Drucksache<br />
BSP Bruttosozialprodukt<br />
BVerfG Bundesverfassungsgericht<br />
EAG Europäische Atomgemeinschaft<br />
EAGFL Euopäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft<br />
EAGV Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft<br />
ECU European Currency Unit = Europäische Währungseinheit<br />
EEA Einheitliche Europäische Akte<br />
EFRE Europäischer Fonds für regionale Entwicklung<br />
EFTA European Free Trade Association = Europäische Freihandelszone<br />
EG Europäische Gemeinschaft(en)<br />
EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />
EGKSV Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />
EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft<br />
EIB Europäische Investitionsbank<br />
EP Europäisches Parlament<br />
EPZ Europäische Politische Zusammenarbeit<br />
ER Europäischer Rat<br />
ERE Europäische Rechnungseinheit<br />
ESF Europäischer Sozialfonds<br />
ESZB Europäisches System der Zentralbanken<br />
EU Europäische Union<br />
EuGH Europäischer Gerichtshof, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften<br />
EUR Euro<br />
EURATOM Europäische Atomgemeinschaft<br />
EUV Vertrag über die Europäische Union<br />
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />
EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />
EWI Europäisches Währungsinstitut<br />
EWR Europäischer Wirtschaftsraum<br />
EWS Europäisches Währungssystem<br />
EZB Europäische Zentralbank<br />
GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
GATT General Agreement on Tariffs and Trade = Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen<br />
GG Grundgesetz<br />
12
GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten<br />
HRK Hochschulrektorenkonferenz<br />
KMK Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland<br />
KMU Kleinere und mittlere Unternehmen<br />
KOM Kommission der Europäischen Gemeinschaften<br />
KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa<br />
MOEL Mittel- und osteuropäische Länder<br />
MPK Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder in der Bundesrepublik Deutschland<br />
NGO Nongovernmental Organization<br />
NRO Nichtregierungsorganisation<br />
OECD Organization for Economic Cooperation and Development<br />
= Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa<br />
RE Rechnungseinheit<br />
RH Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften<br />
UN(O) United Nations (Organization) = Vereinte Nationen<br />
VVE Vertrag über eine Verfassung für Europa<br />
WEU Westeuropäische Union<br />
WSA Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />
WTO World Trade Organization = Welthandelsorganisation<br />
WU Währungsunion<br />
WWU Wirtschafts- und Währungsunion<br />
Abkürzungen<br />
13
Die EU in Zahlen<br />
Die Europäische Union in Zahlen<br />
14<br />
lik<br />
lik<br />
1 265,5<br />
79,0<br />
117,4<br />
Quellen: eurostat; Stat. Bundesamt, Stat. Jahrbuch für das Ausland
Die EU in Zahlen<br />
Die Europäische Union in Zahlen<br />
Quellen: eurostat; Stat. Bundesamt, Stat. Jahrbuch für das Ausland<br />
lik<br />
lik<br />
15
Die EU heute<br />
Zur Europäischen Union gehören auch folgende<br />
Gebiete außerhalb Europas (Art. 299 EGV):<br />
Die französischen Überseedepartements Guadeloupe,<br />
Guayana (Französ.-G.) Martinique und<br />
Réunion, die portugiesischen Inselgruppen Azoren<br />
und Madeira sowie die spanischen Kanarischen<br />
Inseln.<br />
Die autonomen spanischen Städte Ceuta und<br />
Melilla in Nordafrika sind Gebiet der EU.<br />
Der EG-Vertrag wird in vollem Umfang angewendet<br />
auf die autonomen Ålandinseln, ebenso auf<br />
alle europäischen Hoheitsgebiete, deren auswärtige<br />
Beziehungen ein EU-Staat wahrnimmt (wie<br />
16<br />
Die EU heute<br />
Portugal<br />
6 Gründerstaaten 1957<br />
3 Beitritte 1973<br />
Süderweiterung 1981/1986<br />
3 Beitritte 1995<br />
10 Beitritte 2004<br />
* = Beitrittsländer 2007/08<br />
** = Beitrittskandidaten<br />
Irland<br />
Gibraltar<br />
Spanien<br />
Andorra<br />
Großbritannien<br />
Frankreich<br />
Dänemark<br />
NL<br />
B Deutschland<br />
Luxemburg<br />
Liecht.<br />
Schweiz<br />
Monaco<br />
Italien<br />
NorwegenSchweden<br />
San<br />
Marino<br />
Bosnien<br />
Herzegow.<br />
Polen<br />
Tschech.<br />
Republik<br />
Slowak.<br />
Rep.<br />
Österreich<br />
Ungarn<br />
Slow.<br />
Kroat.**<br />
Malta<br />
zu Russl.<br />
Serbien<br />
und<br />
Montenegro<br />
Finnland<br />
AlMazebadoniennienGriechen Estland<br />
Lettland<br />
Litauen<br />
Weißrussland<br />
Rumänien*<br />
land<br />
Bulgarien*<br />
Ukraine<br />
Moldawien<br />
Russland<br />
Türkei **<br />
Zypern<br />
Andorra, Monaco, San Marino sowie Gibraltar).<br />
Der EG-Vertrag findet auf die Kanalinseln und<br />
die Insel Man nur eingeschränkt Anwendung.<br />
Er findet keine Anwendung auf die Färöer und<br />
auf die britischen Hoheitszonen auf Zypern.<br />
Für die übrigen 20 von EU-Staaten abhängigen<br />
Gebiete in Übersee (wie Falklandinseln, St. Helena,<br />
Französisch-Polynesien, Niederländisch-<br />
Antillen, Saint Pierre et Miquelon) gelten die für<br />
assoziierte Länder und Gebiete festgelegten<br />
Bestimmungen (entsprechend Art. 187 EGV).<br />
Das gilt auch mit Einschränkung für Grönland.
AASM. Assoziierte Afrikanische Staaten und Madagaskar;<br />
17 durch das �Jaunde-Abkommen von 1963<br />
mit der EWG assoziierte Staaten.<br />
ABEL (Amtsblatt elektronisch). Datenbank des<br />
�Amtes für amtliche Veröffentlichungen der EU.<br />
Seit Mitte 2004 sind die Online-Ausgaben des Amtsblatts<br />
L und C in den kostenlos zugänglichen Datenbanken<br />
�EUR-Lex und �CELEX zusammengefasst.<br />
Die Reihe S (Ausschreibungen) ist in der Datenbank<br />
�TED enthalten.<br />
Internet: http://europa.eu.int/eur-lex/lex<br />
Abfallpolitik, europäische<br />
1. Begriff, Entwicklung: Im Rahmen der Umweltpolitik<br />
der Europäischen Gemeinschaft mussten auch<br />
Regelungen über die Behandlung von Abfällen getroffen<br />
werden, belaufen sich diese doch auf ca. 2,5<br />
Mrd. Tonnen pro Jahr. Davon werden etwa 40 Mio. t<br />
alsgefährlicheingestuft.DabeimüssenAbfällenicht<br />
allein Verschmutzungsquelle, sie können auch eine<br />
wertvolle Quelle für Sekundärrohstoffe sein. Etwa<br />
80 % der Abfälle können weiterverwertet werden.<br />
Die ersten Richtlinien zu diesem Thema reichen bis<br />
in die 1970er Jahre zurück, also in die Zeit der Anfänge<br />
der europäischen Umweltpolitik. Richtlinien über<br />
Abfälle (75/422, ABl. L 194/1975) und über gefährliche<br />
Abfälle (91/689, ABl. L 377/1991) aus den Jahren<br />
1975 und 1991 hatten eher allgemeine Regelungen<br />
(z. B. Kennzeichnung, Entsorgung möglichst<br />
nahe am Ort der Entstehung) zum Thema. Eine<br />
Richtlinie von 1985 über Verpackungen von flüssigen<br />
Nahrungsmitteln erwies sich als unwirksam. Im<br />
Jahre 1989 erschien mit der Mitteilung der Kommission<br />
über eine „Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft“<br />
erstmals ein umfassenderes Konzept,<br />
in dem fünf Prioritäten zur Behandlung von Abfällen,<br />
nämlich Verhütung, Verwertung, Beseitigung,<br />
Transport und Sanierung verseuchter Flächen festgelegt<br />
wurden. Sie wurde im Jahre 1996 neu und<br />
schärfer formuliert (KOM 1996/399).<br />
Den Einstieg in ein Abfallwirtschaftssystem machte<br />
die EU erst im Jahre 1994. Für die Abfallbewirtschaftungsstrategie<br />
für das Jahr 2000 hat die Kom-<br />
A<br />
Abfallpolitik<br />
mission folgende Ziele als besonders vordringlich<br />
eingestuft:<br />
– Vermeidung von gefährlichen Abfällen,<br />
– Trennung des gefährlichen Abfalls von anderen<br />
Abfallprodukten und<br />
– Recycling des Abfalls für die Wiederverwertung<br />
als Rohstoff oder Energie.<br />
NebendenRichtlinienüberdieBehandlunggefährlicher<br />
Abfälle wurde im Jahre 1975 eine Rahmenrichtlinie<br />
über Abfall verabschiedet (75/422), die 1991<br />
verschärft wurde (91/156, ABl. L 78/1991). Diese<br />
Richtliniestelltdaraufab,einintegriertesundumfassendes<br />
Netzwerk von Abfallentsorgungsanlagen zu<br />
schaffen. Die EG sollte dadurch in der Abfallentsorgungautarkwerden.DiedurchdenTransportvongefährlichem<br />
Abfall entstehenden Gefahren sollen<br />
durch den Grundsatz, dass Abfälle möglichst nahe<br />
am Entstehungsort entsorgt werden müssen, begrenzt<br />
werden.<br />
Mit der Verbrennung von Abfällen beschäftigt sich<br />
eine Richtlinie aus 2000 (2000/76, ABl. L 332/<br />
2000), deren Ziele es sind, die Verschmutzung von<br />
Luft, Wasser und Boden infolge der Verbrennung<br />
und Mitverbrennung von Abfällen zu vermeiden<br />
oderaufeinMindestmaßzubeschränken.Sielegtdie<br />
genauen Modalitäten der Abfallverbrennung einschließlich<br />
der zur Verbrennung zugelassenen Abfallstoffe<br />
und Zusatzbrennstoffe, der Brenn-Temperatur<br />
und die Grenzwerte von Schadstoffemissionen<br />
fest. Bereits seit 1994 besteht eine ähnliche Richtlinie<br />
über die Verbrennung gefährlicher Stoffe (94/67,<br />
ABl. L 365/1994).<br />
1994 konnte mit der „Richtlinie über Verpackungen<br />
und Verpackungsabfälle“ (94/62, ABl. L 365/1994)<br />
erstmals ein umfassendes Abfallwirtschaftssystem<br />
für eine bestimmte Abfallart eingeführt werden.<br />
Die Bestimmungen setzen nicht erst bei der Behandlung<br />
von gebrauchten Verpackungen (Verpackungsmüll)<br />
an, sondern regeln bereits die Produktion mit<br />
derRückführungbestimmterSchwermetalleundmit<br />
einer Pflicht zur Kennzeichnung mit harmonisierten<br />
Kennzeichen je nach Art der Wiederverwendbarkeit<br />
bzw. -verwertbarkeit.<br />
Vor allem legt die Richtlinie in einem Zeitplan fest,<br />
17
Abgeordnetenstatut<br />
dass innerhalb von fünf Jahren 60 % des Verpackungsmülls<br />
verwertet werden müssen (also recycelt,<br />
kompostiert oder verbrannt) und nach zehn Jahren<br />
90 %, davon 60 % stofflich (also entweder recycelt<br />
oder kompostiert). Hierzu haben die Mitgliedstaaten<br />
Systeme der Rücknahme und Verwertung<br />
einzurichten.<br />
Andere Richtlinien und Verordnungen regeln die<br />
Entsorgung und Wiederverwertung anderer Abfallströme.<br />
Beispielhaft seien hier Altöl, Altbatterien<br />
und -akkumulatoren, Altfahrzeuge und Alt-Elektrogeräte<br />
genannt. Hinzu kommen Regeln über bspw.<br />
Klärschlamm, PVC und Titanoxid.<br />
Der Transport von Abfällen in Länder außerhalb der<br />
EU ist Gegenstand einer Verordnung von 1993<br />
(259/93, ABl. L 30/1993), die das europäische Recht<br />
an das „Basler Abkommen“ anglich (Basler Abkommen<br />
vom 22. 3. 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden<br />
Verbringung gefährlicher Abfälle<br />
und ihrer Entsorgung).<br />
Eine Richtlinie von 1999 über Abfalldeponien<br />
(1999/31, ABl. L 182/1999, berichtigt ABl. L 282/<br />
1999) sieht detaillierte Vorschriften vor, mit denen<br />
die negativen Auswirkungen von Abfalldeponien<br />
auf die Umwelt, insbes. die Verschmutzung von<br />
Oberflächen- und Grundwasser, des Bodens und der<br />
Luft während der gesamten Nutzungsdauer vermieden<br />
oder vermindert werden soll. Dazu sollen die Deponien<br />
in drei Klassen nach der Gefährlichkeit der<br />
Abfälle eingestuft werden; daraus ergeben sich Umfang<br />
und Anforderungen an Kontrollen und Überwachung.<br />
Bestimmte Abfallarten sollen für die Deponierung<br />
überhaupt nicht zugelassen werden wie z. B.<br />
Flüssigabfälle, explosive und infektiöse Abfälle.<br />
Außerdem ist eine mengenbezogene Verringerung<br />
der Deponierung von biologisch abbaubaren, festen<br />
Siedlungsabfälleneingeführtworden,diestufenweiseaufbiszu35%der1995erzeugtenMengeimJahre<br />
2016 verringert werden sollen.<br />
2. Gegenwärtige Lage und Vorschläge: In ihrer Mitteilung<br />
vom 27. 5. 2003: „Eine thematische Strategie<br />
für Abfallvermeidung und -recycling“ (KOM 2003/<br />
301endg.)kommtdieKommission zudemErgebnis,<br />
dass die Gemeinschaftspolitik im Bereich der Abfallwirtschaft<br />
verschiedene Mängel aufweist, so hinsichtlich<br />
der Umsetzung von Rechtsvorschriften, bei<br />
derAbfallvermeidung(VerringerungderMengeund<br />
der Gefährlichkeit) oder aufgrund eines fehlenden<br />
umfassenden und harmonisierten Ansatzes beim Re-<br />
18<br />
cycling. Sie hat mit dieser Mitteilung eine breit angelegte<br />
Konsultation aller Interessengruppen begonnen.<br />
Im Mittelpunkt der Konsultation stehen die<br />
Maßnahmen und die erforderlichen Instrumente zur<br />
Förderung der Abfallvermeidung und des Recyclings.<br />
Im Rahmen dieser Konsultationen wurden<br />
Ideen und Erfahrungen zur Abfallvermeidung in Unternehmen<br />
und Branchen angesprochen, aber auch<br />
Gedanken angeregt, ob es nützlich sein könnte, handelbare<br />
Umweltzertifikate zur Erhöhung der Recycling-Quote<br />
einzuführen oder ob sich Recyclingvorschriften<br />
vielleicht eher auf bestimmte Stoffe statt<br />
auf Produkte beziehen sollten. Die Kommission<br />
sieht diese Strategie für Abfallvermeidung und Recycling<br />
als eine von sieben thematischen Strategien<br />
im sechsten Umweltprogramm und damit als wesentlichen<br />
Teil der Initiative der EU an, dem für die<br />
Ressourcen-, Produkt- und Abfallwirtschaft erforderlichenGleichgewichtnäherzukommen.<br />
M. K.<br />
Abgeordnetenstatut �Statut der Abgeordneten<br />
des EP<br />
Abgestufte Integration<br />
1. Begriff: Die Begriffe „abgestufte“ oder „differenzierteIntegration“bzw.ein„Europaderunterschiedlichen<br />
Geschwindigkeiten“ umschreiben ein flexibleres<br />
Konzept des europäischen Integrationsprozesses<br />
(�Europa à la carte). Statt den gemeinschaftlichen<br />
Rechtsbestand (�acquis communautaire) in allen<br />
Mitgliedstaaten gleichmäßig zu übernehmen und<br />
anzuwenden, zielen diese Überlegungen darauf ab,<br />
AbstufungjenachIntegrationsfähigkeitundIntegrationswillen<br />
unter den Mitgliedstaaten zuzulassen<br />
und rechtlich zu sanktionieren. EU-Mitglieder, die<br />
aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen an bestimmten<br />
EU-Vorhaben nicht teilnehmen können<br />
oder wollen, können durch rechtliche Ausnahmevereinbarungen<br />
von diesen Verpflichtungen freigestellt<br />
werden. Offen bleibt dabei, ob dieses Fernbleiben<br />
dauerhaft oder zeitlich begrenzt ist. Praktiziert werdensolcheVerfahrenetwabeider3.Stufeder�Währungsunion,<br />
beim sog. �Schengen-Besitzstand und<br />
bei der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.<br />
Auch schon zuvor bestand grundsätzlich die<br />
Möglichkeit, zeitlich befristete Ausnahmeregelungen<br />
zuzulassen (�opt-out-Klauseln), wenn auf<br />
Grund bestimmter politischer, wirtschaftlicher oder<br />
kultureller Besonderheiten einzelne Mitglieder sol-
che Ausnahmen beantragten. Dabei stand aber immer<br />
außer Frage, dass diese Regelungen nur für befristete<br />
Zeit gelten sollten, und oberstes Ziel blieb, so<br />
rasch wie möglich wieder an das GemeinschaftsniveauunddenAcquiscommunautaireanzuschließen.<br />
2. Entstehungsgeschichte: Flexible Integrationsmodelle<br />
haben immer dann eine gewisse Bedeutung erlangt,<br />
wenn sich unter den Mitgliedstaaten Meinungsunterschiede<br />
über Richtung und Intensität des<br />
europäischen Integrationsprozesses abzeichnen,<br />
sich Krisenerscheinungen häufen und die Handlungsfähigkeit<br />
zu lähmen drohen. Sie gewinnen unter<br />
diesen politischen Konstellationen auch deshalb<br />
Bedeutung, weil eine Flexibilisierung es erlaubt, den<br />
europäischen Integrationsprozess besser den unterschiedlichenBedürfnissenanzupassenunddamitzugleich<br />
das Integrationstempo nicht ausschließlich<br />
vomlangsamstenMitgliedbestimmenzulassen.Das<br />
Schäuble-Lamers-Papier (1994) mit seinen Thesen<br />
zum �Kerneuropa und die Rede des deutschen Außenministers<br />
Fischer an der Berliner Humboldt-Universität<br />
(2000) zu einer europäischen �Avantgarde,<br />
dieeineuropäischesGravitationszentrumbildensolle,<br />
haben diesem Thema zeitweise hohe publizistische<br />
Aufmerksamkeit verschafft. Der Wert eines flexiblen<br />
Instrumentariums liegt darin, ungleiche Fortschritte<br />
zu ermöglichen, ohne zugleich den Zusammenhalt<br />
der Gemeinschaft insgesamt zu gefährden.<br />
Das �Europäische Währungssystem (EWS) war ein<br />
Paradebeispiel für das Verfahren der abgestuften Integration.<br />
Es sah bereits bei seiner Gründung Ausnahmeregelungen<br />
für Großbritannien (Nichtteilnahme<br />
am �Wechselkursmechanismus) sowie Italien<br />
(erweiterte �Bandbreiten) vor. Mit dem Maastricht-<br />
Vertrag über die Europäische Union wurde dieser<br />
Ansatz weitergeführt. So hatte Großbritannien durch<br />
Protokollerklärung seinen Nichtbeitritt zur Sozialcharta<br />
von 1989 (�Gemeinschaftscharta der sozialen<br />
Grundrechte) vertraglich bekräftigt (inzwischen von<br />
GB aufgehoben). Auch für die 3. Stufe der �Wirtschafts-<br />
und Währungsunion (WWU) haben Großbritannien<br />
und Dänemark Sonderregelungen vertraglich<br />
verankert. Der �Vertrag von Amsterdam<br />
enthält erstmals ein „positiv“ formuliertes Flexibilitätsprinzip.<br />
Demnach könnten Mitgliedstaaten, die<br />
ein höheres Maß an Integration auf bestimmten Feldern<br />
anstreben, unter bestimmten Voraussetzungen<br />
voranschreiten. Diese Flexibilisierungsklausel sollte<br />
nicht nur für den Bereich der �Gemeinsamen Au-<br />
Abgestufte Integration<br />
ßen- und Sicherheitspolitik sowie der Zusammenarbeit<br />
im Bereich �Justiz und Inneres gelten, sondern<br />
im Prinzip auch für den Kernbereich der europäischen<br />
Gründungsverträge, den Vertrag zur Gründung<br />
der Europäischen Gemeinschaft. Sie ist jedoch<br />
an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, bspw.<br />
muss sichergestellt sein, dass Gemeinschaftsprogramme<br />
dadurch nicht beeinträchtigt werden und<br />
Diskriminierungen, Handels- und Wettbewerbsbeschränkungen<br />
ausgeschlossen sind. Auch müssen<br />
alle EU-Mitglieder einem solchen Voranschreiten<br />
durch einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit<br />
zustimmen. Die Verweigerung einer solchen Ermächtigungwurdeallerdingserstmalsbegründungspflichtig.<br />
Wichtig ist zudem, dass die „integrationswilligeren“<br />
EU-Mitglieder die bestehenden Organe<br />
und Verfahren für die beabsichtigte Zusammenarbeit<br />
nutzen und damit die einheitliche institutionelle<br />
Form der EU gewahrt bleiben sollte.<br />
Der Nizza-Vertrag hat diese Bestimmungen weiter<br />
modifiziert (für GASP Art. 27a bis 27e EUV, für polizeiliche<br />
und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen<br />
Art. 40 bis 40b EUV sowie für den Binnenmarkt<br />
Art. 43 bis 46 EUV). Im Wesentlichen ist dabei das<br />
Quorum auf eine Mindestzahl von Mitgliedstaaten<br />
statt bisher der Mehrheit der Mitgliedstaaten abgesenkt<br />
und das Vetorecht gegenüber einer verstärkten<br />
Zusammenarbeit sowohl im Bereich der ersten Säule<br />
(Europäische Gemeinschaft; �Tempelstruktur) sowie<br />
der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit<br />
in Strafsachen (dritte Säule, �PJZS) gestrichen<br />
worden. Stattdessen kann ein Mitgliedstaat den Europäischen<br />
Rat anrufen, der dann mit �qualifizierter<br />
Mehrheit einen Beschluss über jedes Projekt �verstärkter<br />
Zusammenarbeit fassen kann. Die Zustimmung<br />
des Europäischen Parlaments ist zudem erforderlich,<br />
wenn die verstärkte Zusammenarbeit einen<br />
Bereich betrifft, für den das Mitentscheidungsverfahren<br />
gilt. Zugleich eröffnet der Nizza-Vertrag die<br />
Möglichkeit, die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich<br />
der GASP für die Umsetzung einer gemeinsamen<br />
Aktion oder eines gemeinsamen Standpunktes<br />
anzuwenden. Militärische oder verteidigungspolitische<br />
Bezüge werden jedoch ausgeschlossen. Die Ermächtigung<br />
wird vom Rat nach Stellungnahme der<br />
Kommission mit qualifizierter Mehrheit erteilt. Jedoch<br />
kann jeder Mitgliedstaat verlangen, dass der<br />
Europäische Rat einen einstimmigen Beschluss in<br />
dieser Angelegenheit fasst. Damit besteht faktisch<br />
19
Abkommen der EG<br />
doch ein Vetorecht. Wie auch schon der Amsterdamer<br />
Vertrag stellt der Nizza-Vertrag fest, dass die<br />
verstärkte Zusammenarbeit nur als „letztes Mittel“<br />
aufgenommen(Art.43aEUV)werdensoll.Auchder<br />
Verfassungsvertrag bewegt sich auf dieser Linie<br />
(Art. I-44 sowie Art. III-416 ff. VVE 2004). Wie<br />
schonderAmsterdamerVertragsiehtdieVerfassung<br />
vor,dassalleMitgliederdesRatesandenBeratungen<br />
teilnehmen können, aber nur die Mitglieder des Rates,<br />
die die an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten<br />
Mitgliedstaaten vertreten, nehmen an der Abstimmung<br />
teil. Damit wird eine Regelung übernommen,<br />
die analog beim Ecofin-Rat Anwendung zwischen<br />
den Mitgliedstaaten findet, die an der 3. Stufe<br />
der WWU teilnehmen. Weiterhin sind bestimmte<br />
Abstimmungsquoren für die qualifizierte Mehrheit,<br />
Sperrminoritäten etc. festgelegt.<br />
3. Bewertung: Seit Inkrafttreten des Amsterdamer<br />
Vertrages und damit der faktischen Möglichkeit,<br />
eine verstärkte Zusammenarbeit zu begründen, ist<br />
von diesem Instrument in der Praxis kein Gebrauch<br />
gemacht worden. Dies bedeutet zwar nicht, dass diese<br />
Option nicht in Zukunft doch an Bedeutung gewinnen<br />
könnte, zeigt aber vielmehr, dass sich der Bedarf,<br />
auf bestimmten Feldern rascher voranzuschreiten,<br />
offenbar in Grenzen hält. Von der Opt-out Möglichkeit<br />
im Währungsbereich, beim Schengen-Besitzstand<br />
und der GASP wird dagegen von einigen<br />
Mitgliedstaaten weiterhin Gebrauch gemacht. Der<br />
Wert des Instruments, den die verstärkte Zusammenarbeit<br />
bietet, ist v. a. darin zu sehen, dass es für den<br />
„Fall der Fälle“ eine rechtliche Option bietet, rascher<br />
voranzuschreiten. Bei den Verhandlungen des Nizza-Vertrages<br />
und im Vorfeld der EU-Erweiterung ist<br />
das politische Bedürfnis gewachsen, diese Option zu<br />
erhalten und durch eine Absenkung des Mindestteilnahmequorums<br />
auf acht Mitgliedstaaten deren Inanspruchnahme<br />
sogar zu vereinfachen. Psychologisch<br />
istdamiteinDruckmittelgegeben,aufdieMitglieder<br />
einzuwirken, die sich Integrationsfortschritten verweigern.<br />
Bisher haben die Vertragsbestimmungen<br />
zur stärkeren Flexibilisierung allerdings noch keine<br />
praktische Bedeutungerlangt. Ch. H.<br />
Abkommen der EG. Abkommen im Sinne von Art.<br />
300 Abs. 1 EGV sind nach einem Gutachten des<br />
EuGH (1/75) alle von der EG als Völkerrechtssubjekt<br />
eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen<br />
ungeachtet ihrer formalen Bezeichnung.<br />
20<br />
Abkommen der Mitgliedstaaten (Altverträge).<br />
Völkerrechtliche Vereinbarungen der Mitgliedstaaten<br />
sind gemeinschaftsrechtlich nur noch in Bereichen<br />
zulässig, in denen die Gemeinschaft nicht ausschließlich<br />
oder gemeinsam mit den Mitgliedstaaten<br />
(�gemischte Abkommen, z. B. �WTO-Vertrag) zuständig<br />
ist. Soweit eine Kompetenz der Gemeinschaft<br />
nicht besteht, bleibt es bei der �Vertragsschlusskompetenz<br />
der Mitgliedstaaten. Damit ist ein<br />
Kompetenzkonflikt zwischen Gemeinschaft und<br />
Mitgliedstaaten für den Anwendungsbereich der<br />
Altverträge im Grundsatz ausgeschlossen. Gleichwohl<br />
kann es im Zuständigkeitsbereich des Gemeinschaftsrechts<br />
zu Kollisionen mit bestehenden Verträgen,<br />
d. h. solchen aus der Zeit vor Gründung der<br />
Gemeinschaften, zwischen den Mitglieds- und Drittländern<br />
kommen. Der völkerrechtliche Grundsatz<br />
des „pacta sunt servanda“ (vgl. Art. 26, Art. 30 Abs. 4<br />
lit. b �Wiener Vertragsrechtskonvention) gilt auch<br />
hier, wie von Art. 307 Abs. 1 EGV ausdrücklich bestätigtwird.BeiUnvereinbarkeitsolcherAltverträge<br />
mit Gemeinschaftsrecht sind die Mitgliedstaaten<br />
gem. Art. 307 Abs. 2 EGV zu Anpassungen verpflichtet.<br />
Die Bestimmung soll allerdings nur die beteiligten<br />
Drittstaaten schützen. Im Verhältnis der an<br />
einem solchen Abkommen beteiligten Mitgliedstaaten<br />
untereinander gehen die gemeinschaftsrechtlichen<br />
Verpflichtungen denen aus dem Abkommen<br />
vor (vgl. Art. 30 Abs. 4 lit. a Wiener Vertragsrechtskonvention;<br />
für Altverträge, an denen ausschließlich<br />
Mitgliedstaaten beteiligt sind, vgl. Art. 30 Abs. 3<br />
Wiener Vertragsrechtskonvention). Der Verfassungsvertrag<br />
2004 übernimmt in Art. III-435 die bestehendenRegelungen.<br />
St. U. P.<br />
Abkommen über die Sozialpolitik �Sozialpolitik;<br />
�Sozialprotokoll<br />
Abkommen von Cotonou �Cotonou-Abkommen<br />
Abkommen von Lomé �Lomé-Abkommen<br />
Abrüstungspolitik �Nichtverbreitungs- und<br />
Abrüstungspolitik der EU<br />
Abschöpfungen. Instrument der �Marktordnungen<br />
der �Gemeinsamen Agrarpolitik, um Preise für<br />
Agrarimporte an das (höhere) Gemeinschaftspreisniveau<br />
anzupassen (Entsprechung im Export: Aus-
fuhrerstattungen). Bei Agrarprodukten, die unterhalb<br />
des von der EU festgesetzten Schwellenpreises<br />
in die EU eingeführt werden, muss der Importeur einenBetrag(Abschöpfunggenannt)andieEUzahlen,<br />
der etwa der Differenz zwischen Schwellenpreis und<br />
(niedrigerem)Weltmarktpreisentspricht.ImGegensatz<br />
zu Zöllen, die einem festgesetzten Prozentanteil<br />
des Preises entsprechen, sind Abschöpfungen variabel<br />
und schwanken je nach Preissituation auf dem<br />
Weltmarkt. Abschöpfungen werden als Eigeneinnahmen<br />
dem Haushalt der EU zugeführt.<br />
Bei Inkrafttreten des neuen Abkommens im Rahmen<br />
der �WTO am 1. 1. 1995 zum Abschluss der Uruguay-Runde<br />
mussten die variablen Abschöpfungen<br />
der EU durch feste Abschöpfungen (Zölle) ersetzt<br />
werden. Die EU verpflichtete sich gleichzeitig, diese<br />
Zölle bis zum Jahr 2001 um durchschnittlich 36 %<br />
abzubauen. Außerdem räumte die EU Drittländern<br />
bessere Einfuhrmöglichkeiten zu ermäßigten Zollsätzen<br />
(Zollkontingente) ein.<br />
Im Rahmen der laufenden WTO-Runde („Doha-<br />
Runde“) soll versucht werden, sämtliche Abgaben<br />
auf Agrarein- und -ausfuhren abzuschaffen.<br />
Abstimmungsverfahren sind durch die Verträge<br />
(EUV, EGV, EAGV) vorgegeben oder durch Geschäftsordnungen<br />
bzw. Verfahrensordnungen der<br />
OrganeundInstitutionenderGemeinschaftgeregelt.<br />
Für das Europäische Parlament sehen die Verträge je<br />
nach Sachbereich der zur Abstimmung anstehenden<br />
Vorlagen unterschiedliche Stimmenanteile vor: Absolute<br />
Mehrheit der abgegebenen Stimmen in allen<br />
Fällen, in denen der EGV nichts anderes bestimmt,<br />
absolute Mehrheit der Mitglieder in der Gesetzgebung<br />
(Art. 251 und 252 EGV), bei Wahrnehmung<br />
des indirekten Initiativrechtes (Art. 192 EGV), zur<br />
Einberufung einer außerordentlichen Sitzungsperiode<br />
(Art. 196 EGV) oder bei der Zustimmung zu Beitrittsverträgen<br />
und über das einheitliche Wahlverfahren,<br />
zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und<br />
Mehrheit der Mitglieder für ein Misstrauensvotum<br />
gegen die Kommission (Art. 201 EGV), ein Viertel<br />
der Mitglieder zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen<br />
(Art. 193 EGV), Mehrheit von zwei<br />
Dritteln der abgegebenen Stimmen und Mehrheit der<br />
Mitglieder bei Beschlüssen nach Art. 7 EUV, wenn<br />
für einen Mitgliedstaat wegen Verletzung von Art. 6<br />
EUV bestimmte Rechte ausgesetzt werden (�„Notstandsverfahren“).<br />
Acquis communautaire<br />
Der Europäische Rat fasst seine (meist rechtlich<br />
nicht bindenden) Beschlüsse in der Regel im Konsens.<br />
Für Beschlüsse des (Minister-)Rates sind nach<br />
den Verträgen Einstimmigkeit, einfache Mehrheit<br />
oder �qualifizierte Mehrheit erforderlich. Abstimmungsverfahren<br />
des Rates sind u. a. vorgegeben<br />
durch Art. 205 und 250 EGV, Art 24 EUV für die<br />
�GASP, Art. 34 EUV für die �PJZS.<br />
Die Beschlussfassung der Europäischen Kommission<br />
ist durch Art. 219 EGV bestimmt, ihre Beschlussfähigkeit<br />
durch die Geschäftsordnung geregelt, die<br />
sie sich selbst nach Art. 218 EGV gegeben hat<br />
(Selbstorganisationsrecht).<br />
Der �Rechnungshof nimmt seine jährlichen Berichte,<br />
Sonderberichte oder Stellungnahmen nach Art.<br />
248 EGV mit der Mehrheit seiner Mitglieder an.<br />
DerVerfassungsvertrag2004wird,sofernerinKraft<br />
treten kann, folgende Änderungen bringen: Der Europäische<br />
Rat entscheidet im Konsens, soweit die<br />
Verfassung nichts anderes festgelegt hat (Art. I-21<br />
Abs. 4 VVE 2004). Er wählt seinen Präsidenten (Art.<br />
I-22 Abs. 1 VVE 2004) sowie den Außenminister der<br />
Union (Art. I-28 Abs. 1 VVE 2004) mit qualifizierter<br />
Mehrheit und schlägt den Kandidaten für das Amt<br />
des Präsidenten der Kommission mit qualifizierter<br />
Mehrheitvor,dendasEuropäischeParlamentmitder<br />
Mehrheit seiner Mitglieder wählt (Art. I-27 VVE).<br />
S. auch: �Europäisches Parlament, Europäische<br />
�Kommission, �Rat der Europäischen Union, �Gerichtshof,<br />
�Rechnungshof.<br />
Academic Cooperation Association (ACA). Unabhängige<br />
europäische Mitglieder-Organisation mit<br />
der Aufgabe, als Netzwerk die Zusammenarbeit in<br />
Europa und zwischen Europa und anderen Teilen der<br />
Welt auf dem Gebiet der Erziehung und Ausbildung<br />
zu organisieren, zu analysieren und zu verbessern,<br />
vor allem im Hochschulbereich. Gegründet 1993 mit<br />
SitzinBrüssel.Mitgliedersindhochrangigenationale<br />
Organisationen (2004: 20 europäische, 3 assoziierte<br />
außereuropäische), in Deutschland der Deutsche<br />
Akademische Austauschdienst (DAAD).<br />
Internet: www.aca-secretariat.be<br />
Acquis communautaire. Begriff für den gemeinschaftlichen<br />
Besitzstand des Rechts der Europäischen<br />
Gemeinschaft, wie es sich aus den Rechtsquellen<br />
des �supranationalen �Gemeinschaftsrechts,<br />
insbes. dem Primär- und Sekundärrecht (�Gemein-<br />
21
ADAPT<br />
schaftsrecht) sowie den völkerrechtlichen Verträgen<br />
und der Rechtsprechung des Europäischen �Gerichtshofs<br />
zum gegenwärtigen Zeitpunkt ergibt.<br />
Mit dem Begriff wird ein Leitprinzip der europäischen<br />
Integration benannt, das die politische Dynamik<br />
der stetig fortschreitenden Einheitsbildung im<br />
System des Rechts abbildet. Die bewusste Unschärfe<br />
des Begriffs erlaubt es, den acquis communautaire –<br />
wie teilweise vertreten – um die politische Idee der<br />
Integration und die jeweiligen politischen Programme<br />
zu erweitern. Insoweit bezeichnet dann der acquis<br />
communautaire den Integrationsstand aus einer<br />
Gesamtperspektive heraus.<br />
Als Rechtsbegriff erfüllt der acquis communautaire<br />
die Funktion einer Garantie des quantitativen Entwicklungsstandes<br />
der europäischen Integration. So<br />
ist die „volle Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes<br />
und seine Weiterentwicklung“ eines der<br />
Ziele der EU (Art. 2 Abs. 1, 5. Spiegelstr. EUV), wodurch<br />
die Ausdehnung der �intergouvernementalen<br />
Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in den Bereichen<br />
�GASP und ZBJI (�Justiz und Inneres) auf das<br />
supranationale Gemeinschaftsrecht prinzipiell verhindert<br />
werden soll. Zugleich belegt diese Vorschrift<br />
den abstrakten Willen der Mitgliedstaaten, die Politikbereiche<br />
des Unionsrechts in �Supranationalität<br />
zu überführen, ohne dass den Mitgliedstaaten allerdingseinegegenteiligeEntscheidungzumkonkreten<br />
Zeitpunkt verwehrt wird.<br />
Im institutionellen Recht ist der acquis communautaire<br />
insbes. für den Beitritt zur EU von Bedeutung.<br />
Nach Art. 49 Abs. 1 EUV kann jeder europäische demokratische<br />
Verfassungsstaat die Mitgliedschaft in<br />
der EU beantragen. Zu den Aufnahmebedingungen<br />
gehört u. a., dass der Beitrittskandidat den acquis<br />
communautaire vollständig akzeptiert und in seinem<br />
Hoheitsgebiet in Kraft setzt. Soweit Art. 49 Abs. 2<br />
EUV von „erforderlich werdenden Anpassungen der<br />
Verträge“ spricht, bezieht sich diese Aussage nicht<br />
aufsubstantielleunddauerhafteAbweichungenvom<br />
Besitzstand.Abweichungenvomacquiscommunautaire<br />
können nach der Logik der europäischen Integration<br />
grundsätzlich nur befristet und bezogen auf<br />
einzelne Probleme eingeräumt werden.<br />
Der acquis communautaire wird durch das Institut<br />
der �verstärkten Zusammenarbeit, durch das acht<br />
oder mehr Mitgliedstaaten untereinander qualitativ<br />
weiter reichende Integrationsschritte machen können,eingeschränkt.SolcheRechtsaktegehörennicht<br />
22<br />
zu dem Besitzstand, der von neuen Mitgliedstaaten<br />
zum Zeitpunkt des Beitritts übernommen werden<br />
muss (Art. 44 Abs. 1 EUV). Der Verfassungsvertrag<br />
2004 streicht den Begriff acquis communautaire aus<br />
demEU-Recht. F. Sch.<br />
ADAPT war eine Gemeinschaftsinitiative im Anschluss<br />
an die Neufassung von Ziel 4 im Rahmen der<br />
Strukturfondsreform 1993 (�Strukturpolitik, �Regionalpolitik).<br />
Aufgabe der Initiative war die „Anpassung<br />
der Arbeitnehmer an den industriellen Wandel“.<br />
Ziele waren der Erhalt von Arbeitsplätzen bei<br />
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Industrie,<br />
Handel und Dienstleistungsgewerbe, das frühzeitige<br />
Erkennen künftiger Marktchancen und Berufsanforderungen<br />
sowie die Förderung neuer Arbeitsplätze<br />
unter Nutzung des Potentials der �KMU. Zeitrahmen:<br />
1994 bis 1999.<br />
Adenauer, Konrad (1876–1967), erster Bundeskanzler<br />
der Bundesrepublik Deutschland (1949 –<br />
1963). Wegbereiter der Westintegration Deutschlands;<br />
strebte die Wiederherstellung der vollen<br />
�Souveränität der Bundesrepublik an. Setzte sich für<br />
eine deutsch-französische Verständigung als Kern<br />
einerpolitischenEinigungEuropasein.Zählteneben<br />
�Schuman und �de Gasperi zu den stärksten Befürwortern<br />
einer politischen �Integration Westeuropas<br />
nach dem 2. Weltkrieg.<br />
Ad-hoc-Ausschuss (lat.: zu diesem [Zweck]). Ein<br />
eigens zu einem bestimmten Zweck (Behandlung eines<br />
Problems, Ausarbeitung von Vorschlägen usw.)<br />
eingesetzter Ausschuss. Er wird häufig nach seinem<br />
Auftrag (z. B. Ad-hoc-Ausschuss für das � „Europa<br />
der Bürger“) oder seinem Vorsitzenden (z. B.<br />
�Adonnino-Ausschuss) benannt. Die Ergebnisse<br />
legt der Ausschuss gewöhnlich in einem Bericht vor.<br />
Nach Beendigung der ihm übertragenen Aufgabe<br />
löst der Ad-hoc-Ausschuss sich auf.<br />
Adonnino, Pietro (geb. 1927), italienischer Politiker.<br />
1979 – 1984 Mitglied des Europäischen Parlaments.<br />
Wurde im Juni 1984 vom Europäischen Rat<br />
zumVorsitzendeneinesAusschussesfürein�„Europa<br />
der Bürger“ ernannt (�Adonnino-Ausschuss),<br />
dessen Forderungen („Bericht zur Verankerung der<br />
EG im Bewusstsein der Bürger“) später zum großen<br />
Teil umgesetzt wurden.
Adonnino-Ausschuss. Vom Europäischen Rat in<br />
Fontainebleau (Juni 1984) als �Ad-hoc-Ausschuss<br />
für das �„Europa der Bürger“ eingesetzt; den Vorsitz<br />
hatte der italienische EP-Abgeordnete Pietro Adonnino.<br />
Sein Auftrag: Verbesserung der Gemeinschaftsarbeit<br />
und der außenpolitischen Zusammenarbeit<br />
sowie Empfehlung von Maßnahmen, damit<br />
alle Polizei- und Zollformalitäten an den innergemeinschaftlichen<br />
Grenzen entfallen können. Der<br />
Ausschuss legte dem Europäischen Rat in Mailand<br />
am 20. 6. 1985 seinen Schlussbericht vor („Adonnino-Bericht“).<br />
Darin wurden Vorschläge gemacht,<br />
wie ein europäisches Bewusstsein bei den Bürgern in<br />
Europa entstehen kann, u. a. durch Erteilung besonderer<br />
Bürgerrechte, Verwirklichung der Freizügigkeit<br />
der Bürgerinnen und Bürger, Förderung von<br />
Kultur und Kommunikation, Verbesserung der Information,<br />
Aktivierung der Jugend durch Bildungsund<br />
Sportprogramme, Austausch (Städtepartnerschaften),<br />
Anerkennung von Diplomen, Einführung<br />
identitätsstiftender Symbole wie einer �Europa-<br />
Flagge. Der Bericht übernahm auch Vorschläge des<br />
EP (�Spinelli-Bericht). Ein großer Teil der Empfehlungen<br />
wurde von der ab 9. 9. 1985 tagenden �Regierungskonferenz<br />
zur Reform der Institutionen übernommen<br />
und ist in die �Einheitliche Europäische<br />
Akte eingegangen.<br />
Adonnino-Bericht �Adonnino-Ausschuss<br />
AdR �Ausschuss der Regionen<br />
AFTA Asean Free Trade Area �ASEAN<br />
Agency for the Control of Armaments (ACA),<br />
mit Protokoll No. IV der �WEU vom 23. 10. 1954 geschaffene<br />
Agentur zur Kontrolle der den Mitgliedstaaten<br />
durch Protokoll No. III auferlegten Beschränkungen<br />
bei der Produktion von konventionellen,<br />
atomaren, biologischen und chemischen Waffen.<br />
Die ACA arbeitete bis 1984.<br />
Agenda 2000<br />
1. Begriff und Struktur: Die Vorschläge, die unter<br />
dem Namen „Agenda 2000“ bekannt sind, hatten<br />
zum Ziel, die wesentlichsten Gemeinschaftspolitiken<br />
grundsätzlich zu ändern und die Europäische<br />
Union innerhalb eines festgesetzten Finanzrahmens<br />
für die Erweiterung zu rüsten.<br />
Agenda 2000<br />
Der Europäische Rat von Madrid hatte im Dezember<br />
1995 die Kommission aufgefordert, die im Hinblick<br />
auf die Erweiterung notwendigen Änderungen der<br />
Gemeinschaftspolitiken vorzuschlagen und eine<br />
Mitteilung über den künftigen Finanzrahmen auszuarbeiten.<br />
Erste Orientierungen wurden von der Europäischen<br />
Kommission am 16. 7. 1997 als „Agenda<br />
2000: Eine stärkere und erweiterte Union“ vorgestellt.<br />
Am 18. 3. 1998 hat die Kommission Legislativvorschläge<br />
für die Umsetzung der Agenda vorgelegt.<br />
Der Europäische Rat in Berlin hat sich am 24. 3.<br />
1999 über die Vorschläge geeinigt. Die EU hat daraufhin<br />
rund 20 Gesetzesmaßnahmen verabschiedet<br />
und damit das Projekt „Agenda 2000“ abgeschlossen.<br />
Im Zuge des Fortgangs der Erweiterungsverhandlungen<br />
mussten die Orientierungen vom 16. 7. 1997<br />
den neuen Situationen angepasst werden. Die Europäische<br />
Kommission hat hierzu in einer Mitteilung<br />
vom 30. 1. 2002 erste Vorschläge gemacht. Sie betrafendengemeinsamenFinanzrahmen2004–2006für<br />
die Kapitel Landwirtschaft und Strukturpolitik. Die<br />
von den Kandidatenländern zunächst im Bereich der<br />
Direktzahlungen geforderte Gleichbehandlung sollte<br />
nicht vollständig gewährt werden, vielmehr wurde<br />
eine zweistufige Übergangsregelung empfohlen. Im<br />
Bereich der Politik zur Entwicklung des ländlichen<br />
Raumes sollte in dem Zeitraum 2004 – 2006 mehr<br />
auf die individuellen Bedürfnisse der neuen Mitgliedstaaten<br />
eingegangen werden. Im Bereich der<br />
Strukturfonds (�Fonds der EU) wurde im Interesse<br />
einer besseren Absorption der Strukturmittel vorgeschlagen,<br />
den Anteil der Kohäsionsfondsausgaben<br />
auf ein Drittel der gesamten Mittelausstattung zu erhöhen.<br />
Diese Vorschläge hielten sich im Rahmen der vom<br />
Europäischen Rat in Berlin mit der Agenda 2000 verabschiedeten<br />
�Finanziellen Vorausschau und insbes.<br />
im Rahmen der damals festgelegten Obergrenze<br />
des Gemeinschaftshaushaltes.<br />
Die Anpassung des Szenarios von 1999 sah vor:<br />
– Änderungen im Bereich der �Gemeinsamen<br />
Agrarpolitik (GAP),<br />
– GeänderteStrukturmaßnahmen(�FondsderEU),<br />
– Instrumente für die �Heranführungshilfe.<br />
Gleichzeitig hat die Kommission Vorschläge über<br />
denFinanzrahmen2004–2006,denZeitraumunmittelbar<br />
nach der Erweiterung der EU um 10 Mitglieder,<br />
vorgelegt.<br />
23
Agenda 2000<br />
2. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GASP): In den<br />
Sektoren Getreide, Milch und Rindfleisch wird eine<br />
weitere Verlagerung von der Preisstützung hin zur<br />
Direktzahlung die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen<br />
Landwirtschaft auf dem Binnenmarkt und<br />
auf dem Weltmarkt verbessern. Die Garantiepreise<br />
werden herabgesetzt, um die Gefahr des erneuten<br />
Anwachsens von Überschüssen zu verhindern. Den<br />
Senkungen der institutionellen Preise stehen nach<br />
der Agenda 2000 höhere Direktzahlungen gegenüber.<br />
Ein Teil davon wird den Mitgliedstaaten in<br />
Form eines Finanzrahmens zur Verfügung gestellt,<br />
über den sie auf Basis bestimmter Kriterien, z. B.<br />
durch Betonung umweltorientierter Maßnahmen<br />
und entsprechend ihren eigenen Prioritäten, verfügen<br />
können. Die niedrigeren institutionellen Preise<br />
werden den Verbrauchern zugute kommen und mehr<br />
Spielraum für eine Differenzierung zu Gunsten der<br />
Qualitätserzeugung bieten.<br />
DiestärkereAusrichtungamMarkthateinerseitsden<br />
Weg für die Integration neuer Mitgliedstaaten geebnet<br />
und die Stellung der Union in der laufenden<br />
�WTO-Runde (Doha-Runde) gestärkt. Außerdem<br />
wird in der neuen GAP mehr Nachdruck auf die LebensmittelsicherheitunddieUmweltbelangegelegt.<br />
Hinsichtlich der Anwendung der �Direktzahlungen<br />
auf die neuen Mitgliedstaaten schlug die Kommission<br />
vor, den Landwirten dort Direktzahlungen in<br />
Höhe von 25 % , 30 % und 35 % für die Jahre 2004 –<br />
2006 anzubieten. Diese können von den neuen Mitgliedstaaten<br />
durch Einführung einer vereinfachten<br />
Hektarbeihilfe ergänzt werden. Ab 2013 sollen die<br />
Landwirte in den neuen Mitgliedsländern in den vollen<br />
Genuss des dann geltenden Unterstützungsniveaus<br />
kommen.<br />
Der zweite wichtige Pfeiler der Gemeinsamen<br />
AgrarpolitikistseitderAgenda2000einewesentlich<br />
verbesserte Politik zur Entwicklung des ländlichen<br />
Raumes. Die Maßnahmen beziehen sich insbes. auf<br />
die Strukturanpassungen des Agrarsektors (Investitionen<br />
in landwirtschaftlichen Betrieben, Niederlassung<br />
von Junglandwirten, Aus- und Weiterbildung,<br />
Vorruhestand), die Unterstützung der Landwirtschaft<br />
in benachteiligten Gebieten, die Unterstützung<br />
von Umweltagrarmaßnahmen, Beihilfen zu Investitionen<br />
in Verarbeitungs- und Vermarktungsbetrieben,<br />
die Förderung der Forstwirtschaft sowie<br />
Maßnahmen zur Strukturanpassung der ländlichen<br />
Gebiete, sofern diese im Zusammenhang mit der<br />
24<br />
landwirtschaftlichen Tätigkeit und deren Umstellung<br />
stehen.<br />
Damit werden erstmals alle aus dem EAGFL<br />
(�Fonds der EU) geförderten Maßnahmen zur Entwicklung<br />
des ländlichen Raumes in einer Politik gebündelt,<br />
welche die vorgeschlagenen Reformen im<br />
Bereich der Markt- und Preispolitik flankieren und<br />
ergänzen wird. Die neue Politik bedeutet eine deutliche<br />
Vereinfachung und bietet ein sehr viel höheres<br />
Maß an Flexibilität und �Subsidiarität.<br />
Geänderte Regeln für die benachteiligten Gebiete<br />
sollen die Umweltschutzaspekte stärker in die Politik<br />
zur Entwicklung des ländlichen Raumes einbeziehen.<br />
Daher wird die Stützungsregelung schrittweise<br />
in ein Instrument zur Erhaltung und Förderung<br />
extensiver Bewirtschaftungsformen umgewandelt.<br />
Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden,<br />
dass die sog. benachteiligten Gebiete sich im Regelfall<br />
mit den besonders schützenswerten Gebieten im<br />
Sinne des Naturschutzes decken.<br />
Horizontale Maßnahmen: In diesem Bereich haben<br />
die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, im Rahmen der<br />
einzelnen Marktstützungsregelungen geeignete Umweltmaßnahmen<br />
durchzuführen.<br />
Berücksichtigung der Arbeitsmarktauswirkungen:<br />
Das landwirtschaftliche Einkommen einschl. der Direktzahlungen<br />
hat in ländlichen Gebieten einen sehr<br />
starken Einfluss auf die Beschäftigungslage. Die<br />
Mitgliedstaaten sollten deshalb die Direktzahlungen<br />
pro Betrieb innerhalb bestimmter Grenzen und abhängig<br />
von der Zahl der Arbeitskräfte differenzieren<br />
können (zur Verwirklichung der Agrarreform im<br />
Einzelnen: �Gemeinsame Agrarpolitik, Verordnungen<br />
zur Agrarreform 2003).<br />
3. Strukturfonds und Kohäsionsfonds: Die Vorschläge<br />
der Europäischen Kommission zur Reform der<br />
�Strukturfonds und des �Kohäsionsfonds folgten<br />
den in der Agenda 2000 genannten Zielen der Konzentration,<br />
der Transparenz und der Vereinfachung.<br />
Um dem Ziel der Vereinfachung zu entsprechen,<br />
schlug die Kommission eine einheitliche allgemeine<br />
Verordnung (�Rechtsakte der EU) vor mit Bestimmungen,<br />
die für alle Fonds gelten. Diese sollte die<br />
zwei bestehenden Verordnungen des Rates ersetzen.<br />
Für jeden der vier Fonds (�EFRE, �ESF, �FIAF und<br />
�EAGFL) schlug die Kommission eine neue „vertikale“<br />
Verordnung mit nur für diesen jeweiligen<br />
Fonds geltenden Bestimmungen vor. Für den<br />
EAGFL gilt die Verordnung über die Entwicklung
des ländlichen Raumes. Darüber hinaus soll es eine<br />
neue Verordnung für den Kohäsionsfonds geben.<br />
Die ärmsten Regionen der EU genießen absolute<br />
Priorität, das heißt, es werden alle Anstrengungen<br />
unternommen, die Infrastruktur sowie die Berufsbildung<br />
und Fachkenntnisse der Arbeitskräfte in diesen<br />
Regionen zu verbessern. In einem neuen Ansatz befassensichdieStrukturfondsaußerdemmitStrukturproblemen,<br />
unabhängig davon, ob es sich um Industrieregionen,<br />
den ländlichen Raum, Stadtgebiete<br />
oder Küstengebiete mit spezifischen Fischereiproblemen<br />
handelt.<br />
DieTransparenzunddieRechenschaftspflichtsollen<br />
über eine bessere und klarere Aufteilung der Zuständigkeiten<br />
zwischen Kommission und Mitgliedstaaten<br />
verbessert werden.<br />
DieZielewurdennachdenVorschlägenderEuropäischen<br />
Kommission auf drei verringert. Die Definition<br />
für Ziel 1 bleibt bestehen. Im Rahmen des neuen<br />
Ziels 2 fördert die EU die wirtschaftliche und soziale<br />
Umstellung von Gebieten mit Strukturproblemen,<br />
einschl. solcher in den wohlhabenderen Mitgliedstaaten.<br />
Für die Gebiete, die nicht mehr nach Ziel 1<br />
oder Ziel 2 gefördert werden können, sind Übergangsfristen<br />
von sechs bzw. vier Jahren vorgesehen.<br />
Die Tätigkeit des ESF soll dem neuen Ziel 3 zugeordnet<br />
werden, das insbes. der Entwicklung der HumanressourcenundderFörderungderGleichbehandlung<br />
von Mann und Frau am Arbeitsplatz dienen soll.<br />
HierfürwurdenimeinzelnenfünfTätigkeitsbereiche<br />
vorgeschlagen:<br />
Aktive Arbeitsmarktpolitik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit,<br />
Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung,lebenslangesLernenundFortbildungssysteme<br />
zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, Antizipation<br />
und Erleichterung des wirtschaftlichen<br />
und sozialen Wandels, Verbesserung der Einbeziehung<br />
von Frauen in den Arbeitsmarkt.<br />
Die �Gemeinschaftsinitiativen (GI) wurden ebenfallsradikalvereinfachtundrationalisiert.Diefrüher<br />
bestehenden 13 GI wurden auf vier reduziert, nämlich<br />
�INTERREG, �LEA<strong>DER</strong>, �EQUAL und<br />
�URBAN. Wesentlich bei der Durchführung wird<br />
sein, dass die Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum<br />
haben werden, um die Programme nach ihren<br />
besonderen Bedürfnissen umzusetzen. Die Europäische<br />
Kommission wird sich auf strategische Aspekte<br />
der Programmplanung wie die Festlegung der Ziele<br />
und der Interventionsprioritäten sowie die Entschei-<br />
Agenturen<br />
dung über die Mittelzuweisungen konzentrieren.<br />
Dem größeren Spielraum der Mitgliedstaaten steht<br />
eine verstärkte Rechenschaftspflicht gegenüber,<br />
ebensodieVerschärfungderBestimmungenüberdie<br />
systematische jährliche Berichterstattung, über<br />
Ex-ante-, Zwischen- und Ex-post-Bewertungen sowieüberdieFinanzkontrolle,dievorallemSacheder<br />
Mitgliedstaaten ist.<br />
Ein gleichzeitig vereinfachtes Finanzmanagement<br />
durch Vergabe von Globaldarlehen, Vorschüssen in<br />
Höhe von 10 % zum Zeitpunkt der Genehmigung des<br />
Programms und eine Mid-term-review mit der MöglichkeitderBelohnungdereffizientestenProgrammdurchführung<br />
gehören ebenso zum neuen Konzept<br />
der Strukturfonds wie eine stärkere Beteiligung der<br />
Mitgliedstaaten und ihrer regionalen, kommunalen<br />
und sonstigen Behörden, der Sozialpartner und der<br />
Nichtregierungsorganisationen, einschl. derer, die<br />
sich dem Umweltschutz oder der Chancengleichheit<br />
verschrieben haben. Die Ziele des Kohäsionsfonds<br />
bliebenimWesentlichenunverändert. A. M.-W.<br />
AGEG (Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen),<br />
1971 von Vertretern mehrerer Grenzregionen<br />
(�CIMAB, �Euregio, Regio Basiliensis, Regio<br />
Rhein-Waal) als ständige Konferenz gegründet. Ziele<br />
sind die Zusammenarbeit, der Informationsaustausch<br />
und die Entwicklung von Lösungen grenzüberschreitender<br />
Probleme. Aufgaben sind die<br />
Durchführung von Programmen und Projekten mit<br />
Förderung aus den Strukturfonds der EU, Mitwirkung<br />
bei der Lösung grenzüberschreitender Probleme<br />
und Aufbau eines Netzwerkes aller grenzüberschreitenden<br />
Regionen in Europa. Von den ca. 115<br />
Grenzregionen im Binnenmarkt sind 90 Mitglied in<br />
der AGEG.<br />
Internet: www.aebr.net<br />
Agenturen der Europäischen Gemeinschaft sind<br />
Einrichtungen des europäischen öffentlichen Rechts<br />
mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie werden durch<br />
einen Rechtsakt des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts<br />
geschaffen, der die technischen, wissenschaftlichen<br />
und administrativen Aufgaben der jeweiligen<br />
Agentur regelt. Agenturen erfüllen fachbezogene,<br />
wissenschaftliche oder administrative Aufgaben<br />
innerhalb der Politikbereiche der Europäischen<br />
Gemeinschaft. Im EGV sind sie nicht vorgesehen.<br />
Sie sind keinem Organ der EG zugeordnet.<br />
25
AGIS<br />
Derzeit gibt es 20 Einrichtungen, die den Status einer<br />
Gemeinschaftsagentur besitzen sowie 6 für Politikbereiche<br />
der EU (2. und 3. Säule; �Tempelstruktur).<br />
Einige tragen jedoch andere Bezeichnungen wie<br />
Zentrum, Stiftung, Amt oder Beobachtungsstelle.<br />
Außerdem gibt es 3 Exekutivagenturen, die mit der<br />
Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen beauftragt<br />
sind und nach Beendigung der Programme aufgelöst<br />
werden.<br />
Agenturen der 1. Säule (EG):<br />
– Europäische Agentur für den Wiederaufbau, Thessaloniki<br />
(EAR)<br />
– EuropäischeAgenturfürdieoperativeZusammenarbeit<br />
an den Außengrenzen, Warschau<br />
– Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs,<br />
Lissabon (EMSA)<br />
– Europäische Agentur für Flugsicherheit, Köln<br />
(EASA)<br />
– Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit,<br />
Heraklion, Kreta (ENISA)<br />
– Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />
am Arbeitsplatz, Bilbao (EU-OSHA)<br />
– Europäische Arzneimittelagentur, London<br />
(EMEA)<br />
– Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit,<br />
Parma (EFSA)<br />
– Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und<br />
Drogensucht, Lissabon (OEDT)<br />
– Europäische Eisenbahnagentur, Lille-Valenciennes<br />
(ERA)<br />
– Europäische GNSS-Aufsichtsbehörde (GNSS =<br />
Globales Satellitennavigationssystem), deren Sitz<br />
noch festgelegt werden muss<br />
– Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit, Wien (EUMC)<br />
– Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens-<br />
und Arbeitsbedingungen, Dublin<br />
(EUROFOUND)<br />
– Europäische Stiftung für Berufsbildung, Turin<br />
(ETF)<br />
– EuropäischeUmweltagentur,Kopenhagen(AEE)<br />
– Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung,<br />
Thessaloniki (CEDEFOP)<br />
– EuropäischesZentrumfürdiePräventionundKontrolle<br />
von Krankheiten, Solna, Schweden (ECDC)<br />
– Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken,<br />
Muster und Modelle), Alicante (HABM)<br />
– GemeinschaftlichesSortenamt,Angers(OCVV)<br />
– Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der<br />
26<br />
Europäischen Union, Luxemburg (CdT)<br />
Agenturen der 2. Säule (�GASP)<br />
– Europäische Verteidigungsagentur, Brüssel<br />
– Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien,<br />
Paris<br />
– Satellitenzentrum der Europäischen Union, Torrejón<br />
de Ardoz<br />
Agenturen der 3. Säule (�PJZS)<br />
– Eurojust, Den Haag<br />
– Europäische Polizeiakademie, Bramshill (Großbritannien)<br />
– Europäisches Polizeiamt (Europol), Den Haag<br />
Exekutivagenturen<br />
– Exekutivagentur für Bildung, Audiovisuelles und<br />
Kultur, Brüssel<br />
– Exekutivagentur für das Gesundheitsprogramm,<br />
Luxemburg<br />
– ExekutivagenturfürintelligenteEnergie,Brüssel<br />
Agenturen in Planung (Stand Mai 2005)<br />
– Europäische Agentur für Grundrechte (entsteht<br />
aus der Erweiterung der Aufgaben der bestehenden<br />
Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit, Wien)<br />
– Europäische Fischereiaufsichtsbehörde, Vigo<br />
– EuropäischesAmtfürchemischeStoffe,Helsinki<br />
AGIS ist ein EU-Finanzierungsprogramm im Rahmen<br />
der �PJZS und bietet Finanzhilfe bei der Ausund<br />
Fortbildung von Richtern, Staatsanwälten,<br />
Rechtsanwälten, Justizbeamten, Gerichtsvollziehern,<br />
Gerichtsdolmetschern und sonstigen an der<br />
RechtspflegebeteiligtenPersonen,beimAufbauvon<br />
Netzwerken, für Studien- und Forschungsarbeiten,<br />
für Konferenzen und Seminare. Laufzeit 2003 –<br />
2007. AGIS ersetzt die früheren Programme Grotius<br />
II, Oisin II, Stop II, Falcone und Hippokrates.<br />
Agrarleitlinie. Instrument zur Begrenzung der<br />
Agrarausgaben der EU. In der Entscheidung des Rates<br />
88/377 heißt es: „Die Steigerungsrate der ... Ausgaben<br />
des EAGFL, Abt. Garantie, zwischen 1988<br />
und einem gegebenen Jahr darf 74 % der Steigerungsrate<br />
des Bruttoinlandsprodukts der Gemeinschaft<br />
in demselben Zeitraum nicht überschreiten.“<br />
Mit Entscheidung 94/729 (ABl. L 293/1994) hat der<br />
Rat ein Frühwarnsystem eingeführt, um die Einhaltung<br />
der Agrarleitlinie sicherzustellen. Die Agrarleitlinie,<br />
die zunächst bis 1999 festgeschrieben war,<br />
wurde durch die �Agenda 2000 nicht geändert.
Agrarmarkt �Gemeinsame Agrarpolitik<br />
Agrarpolitik �Gemeinsame Agrarpolitik<br />
AHB �Ausschuss Hoher Beamter<br />
AIR (Agro-Industrial Research), EU-Programm im<br />
3. Forschungsrahmenprogramm (FRP, 1990 – 1994)<br />
für Forschung und technologische Entwicklung im<br />
Bereich Landwirtschaft und Fischerei. Zusammenfassung<br />
und Erweiterung der 1992/93 beendeten<br />
Programme ECLAIR (European Collaborative Linkage<br />
of Agriculture and Industry through Research),<br />
FAR (Fisheries and Aquaculture Research) und<br />
FLAIR (Food-Linked Agro-Industrial Research<br />
Programme). AIR wurde abgelöst durch das Programm<br />
�FAIR (1994 – 1998) im 4. FRP.<br />
AKP-Staaten. 79 Staaten Afrikas, der Karibik und<br />
des Pazifiks. 39 davon zählen zu den 49 am wenigsten<br />
entwickelten Ländern der Erde (LDC = least developed<br />
countries, nach Definition der Weltbank).<br />
15 AKP-Staaten sind Binnenstaaten (ohne Zugang<br />
zum Meer), 27 sind Inselstaaten. Mit 77 der AKP-<br />
Staaten hat die EU im Juni 2000 in Cotonou (Benin)<br />
ein Partnerschaftsabkommen für die Dauer von 20<br />
Jahren geschlossen, das seit 1. 4. 2003 in Kraft ist und<br />
diepolitischenundwirtschaftlichenBeziehungenregelt<br />
(�Cotonou-Abkommen). Südafrika zählt seit<br />
1998 zu den AKP-Staaten, ist aber den Handels- und<br />
Finanzvereinbarungen des �Lomé- bzw. Cotonou-<br />
Abkommens nicht beigetreten. Kuba ist seit Dezember<br />
2000 als 79. Staat der AKP-Gruppe beigetreten,<br />
nimmt aber nicht an Partnerschaftsabkommen teil.<br />
Bei Gründung der EWG 1957 erhielten afrikanische<br />
Kolonien von Mitgliedstaaten der EWG den Status<br />
von assoziierten Gebieten und wurden aus Mitteln<br />
des 1959 eingerichteten �Europäischen Entwicklungsfondsgefördert.NachErlangenihrerUnabhängigkeitbehieltensieihreSonderrechte.17neueStaaten<br />
Afrikas wurden 1964 durch das Abkommen von<br />
�Jaunde (Kamerun) der EWG �assoziiert. Nach dem<br />
BeitrittGroßbritannienswurdedasAbkommen1975<br />
durch das Partnerschaftsabkommen von Lomé<br />
(Togo) mit 46 Staaten abgelöst (Lomé-Abkommen),<br />
das 1979 mit 58, 1984 mit 66, 1989 mit 69 Staaten erneuert<br />
wurde und 2000 nach 25-jähriger Laufzeit<br />
vom Abkommen von Cotonou abgelöst wurde.<br />
�Entwicklungspolitik<br />
Aktionsplan<br />
Akronyme. Wörter oder Kunstwörter, die aus Anfangsbuchstaben<br />
der (vor allem im Englischen und<br />
Französischen) aus mehreren Wörtern bestehenden<br />
Bezeichnungen von Einrichtungen oder Aktivitäten<br />
der EU gebildet werden und (anders als bei Abkürzungen)<br />
eine zusammenhängend aussprechbare Folge<br />
von Buchstaben enthalten. Beispiele: CORDIS<br />
(aus: Community Research and Development Information<br />
System), Erasmus (aus: European Community<br />
Action Scheme for the Mobility of University Students),<br />
PHARE (aus: Poland and Hungarian Action<br />
forRestructuringoftheEconomy).NachdenInterinstitutionellenRegelnzurVereinheitlichungvonVeröffentlichungen<br />
der EU werden Akronyme mit mehr<br />
als fünf Buchstaben nach dem Initial klein geschrieben.<br />
Aktiengesellschaft, Europäische – Societas Europaea<br />
(SE) �Europäische Aktiengesellschaft<br />
Aktion Jean Monnet „Die Europäische Integration<br />
im Lehrangebot der Universitäten“ wird von der Europäischen<br />
Kommission in Zusammenarbeit mit<br />
Hochschulen durchgeführt und bietet insbes. finanzielle<br />
Starthilfen zur Einführung neuer Lehrveranstaltungen<br />
im Bereich „Europäische Integration“.<br />
Die Aktion gewährt Universitäten für eine Anlaufzeit<br />
von drei Jahren eine Mitfinanzierung, wenn sie<br />
sich verpflichten, die Lehrveranstaltungen mindestens<br />
sieben Jahre anzubieten. Gefördert werden<br />
Jean-Monnet-Lehrstühle, Grundkurse als Pflicht-<br />
Lehrveranstaltungen sowie kürzere Lehrveranstaltungen<br />
in Form von Europa-Modulen und die Einrichtung<br />
von Jean-Monnet-Forschungszentren.<br />
Aktion Robert Schuman, ein Aktionsprogramm<br />
der EU im Bereich �Justiz und Inneres, realisiert<br />
durch Beschluss 1496/98 (ABl. L 196/1998). Es sollte<br />
zu einer Verbesserung des Wissensstands von<br />
Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten über<br />
das Gemeinschaftsrecht führen. Finanziell gefördert<br />
wurden in erster Linie Aktionen von Justizministerien,<br />
Hochschulen, Berufsorganisationen oder Anwaltskammern<br />
mit Bezug auf die Praxis. Die<br />
dreijährige Aktion endete am 31. 12. 2001.<br />
Aktionsplan zu den militärischen Fähigkeiten<br />
(European Capability Action Plan, ECAP) �Europäische<br />
Verteidigungsagentur (EVA)<br />
27
Aktionsplan<br />
Aktionsplan zur Bekämpfung der organisierten<br />
Kriminalität �Kriminalitätsbekämpfung<br />
ALA-Programm (Asia and Latinamerica). Seit<br />
1976 bestehendes EU-Programm zur finanziellen,<br />
technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />
der EU mit Staaten des asiatischen und lateinamerikanischen<br />
Raums. Beschließendes Organ ist der<br />
ALA-Verwaltungsausschuss. Die Mongolei wird<br />
seit1.1.2004ebenfallsüberdasALA-Programmgefördert<br />
(zuvor durch das �TACIS-Programm).<br />
�AL-Invest, �ASIA-Invest<br />
ALFA III (América Latina – Formación Académica).<br />
Programm der GD Außenbeziehungen der Europäischen<br />
Kommission; es fördert die Zusammenarbeit<br />
zwischen Hochschulnetzwerken aus 18 lateinamerikanischen<br />
Ländern und allen EU-Staaten. Ziel ist der<br />
Aufbau dauerhafter Partnerschaften, um die Mobilität<br />
der Graduierten und Studierenden zwischen beidenKontinentenzufördern.Laufzeit2000–2005.<br />
ALICE (America Latina Interconectada Con Europa).<br />
Ein 2003 gestartetes und bis Mai 2006 terminiertes<br />
Projekt mit dem Ziel, die Infrastruktur für ein<br />
IP-Netzwerk für Forschungseinrichtungen in Lateinamerika<br />
zu entwickeln und die Kooperation mit<br />
Fachkollegen aus Europa zu ermöglichen. Das Projekt<br />
wird zu 80 % von der EU finanziert. Im September<br />
2004 wurde das Netzwerk RedCLARA eingeweiht,<br />
das 6 Knotenpunkte in Argentinien, Brasilien,<br />
Chile, Mexiko und Panama mit einer Übertragungsgeschwindigkeit<br />
von 155Mbps verbindet. Venezuela<br />
und weitere 6 Staaten sollen angeschlossen werden.<br />
Das Netzwerk ist verbunden mit �GÉANT.<br />
ALICE wird von �DANTE gemanagt.<br />
AL-Invest III. Programm der Europäischen Kommission<br />
zur Unterstützung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />
zwischen der EU und Lateinamerika.<br />
Die 3. Projektphase läuft von 2004 bis 2007 und hat<br />
ein Budget von 50 Mio. Euro. Schwerpunkt ist die<br />
Förderung von Kooperationstreffen zwischen europäischen<br />
und lateinamerikanischen �KMU.<br />
Internet:<br />
http://195.207.138/index.php; www.al-invest3.org<br />
Allgemeiner Rat, Rat für allgemeine Angelegenheiten<br />
und Außenbeziehungen. Eine von neun For-<br />
28<br />
mationen des Rats der Europäischen Union, gebildet<br />
von den Außenministern. �Rat der EU<br />
Allgemeines Präferenzsystem (APS) im Zollbereich.<br />
Das APS ist zugleich Instrument der Handelspolitik<br />
und der Entwicklungspolitik der EU. Der<br />
�Allgemeine Rat der EU erlässt die Bestimmungen<br />
in Verordnungen zum Allgemeinen Präferenzsystem<br />
der EU (zuletzt: VO 2501/2001, ABl. L 346/<br />
2001 für den Zeitraum 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2004,<br />
durch Ratsverordnung vom Dezember 2003 verlängert<br />
bis 31. 12. 2005).<br />
Funktionsweise: Waren, die als „nicht empfindlich“<br />
eingestuft werden, sind von Einfuhrzöllen befreit,<br />
für Waren des Textil- und Bekleidungssektors werden<br />
die Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs um<br />
20 % gesenkt, für als „empfindlich“ eingestufte Waren<br />
um 3,5 Prozentpunkte. Diese Zollpräferenzen<br />
gelten für Waren mit Ursprung in einem begünstigten<br />
Entwicklungsland. Ausgeschlossen vom APS<br />
sind Entwicklungsländer, die von der Weltbank als<br />
„Land mit hohem Einkommen“ eingestuft werden<br />
und drei Jahre lang ein bestimmtes Niveau an industrieller<br />
Entwicklung erreicht haben.<br />
Durch Sonderregelungen können begünstigte EntwicklungsländerfüralsempfindlicheingestufteWaren<br />
eine zusätzliche Senkung um weitere 5 Prozentpunkte<br />
(insgesamt 8,5 Punkte) und für Textilien um<br />
40 % erreichen, wenn sie bestimmte soziale Auflagen<br />
(in Bezug auf Zwangsarbeit, Kinderarbeit und<br />
Menschenrechte) oder Umweltauflagen erfüllen.<br />
Die gewährten Zollpräferenzen können für ein Land<br />
vorübergehend ausgesetzt werden, wenn es gegen<br />
soziale Grundrechte und die Grundsätze des Arbeitsrechts<br />
verstößt.<br />
Für die 49 von der Weltbank als Least Developed<br />
Countries (LDC, am wenigsten entwickelte Länder)<br />
eingestuften Länder gilt darüber hinaus eine vollständige<br />
Zollfreiheit für alle Waren außer Waffen<br />
und Munition („all but weapons“). Für Bananen,<br />
Reis und Zucker wird die Zollfreiheit für unbeschränkte<br />
Mengen stufenweise bis 2009 eingeführt;<br />
bisdahinwerdenKontingentefürzollfreieEinfuhren<br />
festgelegt. Zur Bekämpfung des Drogenhandels<br />
sieht eine Sonderregelung die Zollfreiheit für Einfuhren<br />
von gewerblichen und landwirtschaftlichen<br />
Waren mit Ursprung in Pakistan, den Staaten des Andenpakts<br />
sowie Zentralamerikas vor.<br />
Für ein neues APS-System, das am 1. 1. 2006 in Kraft
treten soll, hat die Kommission im Oktober 2004 ihren<br />
Vorschlag dem Europäischen Parlament, dem<br />
Rat und dem �Wirtschafts- und Sozialausschuss vorgelegt.<br />
Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen<br />
�GATT, �WTO<br />
Allzuständigkeit beschreibt den im deutschen<br />
Kommunalrecht nach Art. 28 Abs. 2 GG geltenden<br />
Grundsatz, dass Gemeinden alle Angelegenheiten<br />
der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Verfassung<br />
oder Gesetze höheren Ebenen zugewiesen sind,<br />
in eigener Verantwortung regeln können. Dieses<br />
Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ist auch in<br />
der EU durch das in Art. 2 Abs. 2 EUV und Art. 5<br />
Abs. 2 EGV verankerte �Subsidiaritätsprinzip gewährleistet.<br />
Alpenkonvention. Die Alpenkonvention (AK)<br />
vom 7. 11. 1991 ist ein völkerrechtliches Rahmenabkommen<br />
der acht Alpenstaaten Deutschland, Frankreich,<br />
Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich,<br />
Schweiz, Slowenien sowie der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Ziel der AK ist der Schutz des Alpenraums<br />
und seine nachhaltige Entwicklung unter Berücksichtigung<br />
der wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Interessen der Alpenbewohner. Die Vertragsparteien<br />
der AK haben sich verpflichtet, hierzu Forschungsarbeiten<br />
und gemeinsame oder ergänzende<br />
Programme zur systematischen Beobachtung des<br />
Alpenraumesdurchzuführenbzw.zuentwickeln,sowie<br />
die dazugehörige Datenerfassung zu harmonisieren.<br />
Weiterhin informieren sich die VertragsparteiengrenzüberschreitendüberMaßnahmen,vondenen<br />
besondere Auswirkungen auf den Alpenraum<br />
oder Teile desselben zu erwarten sind und tauschen<br />
hierzu Informationen aus, die für die Ziele der AK erheblich<br />
sind. Hierbei stellen Fragen der Verkehrserschließung<br />
(Alpentransit) und des Tourismus in den<br />
Alpen einen besonderen Schwerpunkt dar.<br />
Die AK wird ergänzt durch derzeit zehn Protokolle<br />
zu den Themen Naturschutz und Landschaftspflege,<br />
Berglandwirtschaft, Raumplanung und nachhaltige<br />
Entwicklung, Monaco-Protokoll, Bergwald, Tourismus,<br />
Energie, Bodenschutz, Verkehr und Streitbeilegung;<br />
diese sind jedoch noch nicht von allen Vertragsstaaten<br />
ratifiziert. Die Protokolle definieren<br />
raumplanerische und politische Ziele, enthalten<br />
Amt für Veröffentlichungen<br />
i. d. R. jedoch keine völkerrechtlich verbindlichen<br />
Verbote. Weitere Protokolle zu den Themen BevölkerungundKultur,Wasserhaushalt,Luftreinhaltung<br />
und Abfallwirtschaft sollen erarbeitet werden.<br />
Um die Durchsetzung der Ziele der AK zu verbessern,wurdedieEinrichtungeinesStändigenSekretariats<br />
der AK mit Sitz in Innsbruck beschlossen, das<br />
sichseit2003imAufbaubefindet. S. W.<br />
Internet: www.alpenkonvention.info<br />
ALTENER �Intelligente Energie in Europa<br />
ALTHEA (griech. die Heilende). EU-geführte bewaffnete<br />
Friedensmission in Bosnien und Herzegowina.<br />
ALTHEA hat 2004 die NATO-Operation<br />
SFORabgelöst.�EU-NATO-Dauervereinbarungen<br />
ALU-II-Programm der Europäischen Kommission<br />
zur Förderung der Zusammenarbeit in der Energiewirtschaft<br />
zwischen der EU und Lateinamerika. Gefördert<br />
wurden (bis maximal 50 % der Kosten) Projekte<br />
von Arbeitsgemeinschaften aus mindestens<br />
zwei Unternehmen des Energiesektors und aus mindestens<br />
zwei Mitgliedstaaten der EU. Ziel war die<br />
optimale und umweltfreundliche Nutzung der Energieressourcen<br />
in Lateinamerika mit Unterstützung<br />
europäischerFirmen.Laufzeit1998–2002.DasProgramm<br />
ALU I (1996 – 1997) hat 13 Projekte mit<br />
7 Mio. Euro gefördert. Für ALU II standen 25 Mio.<br />
Euro zur Verfügung. ALU wurde 2003 nicht fortgeführt.<br />
Amsterdamer Vertrag �Vertrag von Amsterdam<br />
Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen<br />
Gemeinschaften (Office for Official Publications<br />
of the European Communities, EUR-OP),<br />
kurz: Amt für Veröffentlichungen. Der Verlag der<br />
Organe und sonstigen Einrichtungen der EU stellt<br />
alle Veröffentlichungen der EU her und vertreibt sie.<br />
Rechtliche Grundlage ist die Entscheidung 2000/<br />
459/EG, EGKS, EURATOM (ABl. L 183/ 2000).<br />
Das Amt wird von einem Direktorium verwaltet, in<br />
dem jedes Organ durch seinen Generalsekretär vertreten<br />
ist. Anzahl der Mitarbeiter 2004: 536 Beamte.<br />
Haushaltsmittel 2004: 77,8 Mio. Euro.<br />
DasAmtbestehtseit1969.VorgängerwarderVeröffentlichungsdienst<br />
der EGKS, der seit 1952 das<br />
Amtsblatt der EGKS herausgegeben hat.<br />
29
Amt für Betrugsbekämpfung<br />
Nach Art. 254 EGV ist die Veröffentlichung bestimmter�Rechtsakte,nachArt.212EGVdieVeröffentlichung<br />
eines �Gesamtberichts über die Tätigkeit<br />
der Gemeinschaften obligatorisch. Rechtsakte<br />
werden im �Amtsblatt der Europäischen Union (vor<br />
1. 2. 2003: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften),<br />
Reihe L veröffentlicht.<br />
Das Amt vertreibt Veröffentlichungen in gedruckter<br />
Form und auf CD-ROM über Vertriebsstellen in allen<br />
Mitgliedstaaten. Veröffentlichungen in digitalisierterFormsindauchimInternetingroßemUmfang<br />
kostenfrei zugänglich.<br />
Anschrift: 2, rue Mercier, L-2985 Luxembourg.<br />
Internet: http://publications.eu.int; http://europa.eu.int/eur-lex<br />
Amt für Betrugsbekämpfung, Europäisches Amt<br />
für Betrugsbekämpfung �OLAF<br />
Amt für Humanitäre Hilfe �ECHO<br />
Amtliche Veröffentlichungen der EU sind insbes.<br />
das �Amtsblatt der EU und der �Gesamtbericht über<br />
die Tätigkeit der Europäischen Union. Sie werden<br />
auf den Datenträgern Papier, Video, Mikrofiche,<br />
CD-ROM und Diskette sowie im Internet zur Verfügung<br />
gestellt. Veröffentlichungen, die über Vertriebsbüros<br />
in den Mitgliedstaaten bezogen werden,<br />
sind kostenpflichtig. Der Vereinheitlichung dienen<br />
Interinstitutionelle Regeln für Veröffentlichungen.<br />
Veröffentlichungen im Internet: �CORDIS (Forschung),<br />
�Eur-Lex (EU-Recht), �IDEA (Verzeichnis<br />
der Institutionen), �SIMAP (öffentl. Auftragsvergabe),<br />
�TED (Ausschreibungen)<br />
Amtsblatt der Europäischen Union (amtl. Abkürzung<br />
ABl. EU). Periodikum des �Amtes für Veröffentlichungen<br />
(EUR-OP), erscheint an allen<br />
Werktagen in den 20 �Amtssprachen der EU. Es besteht<br />
aus den Reihen L (Législation, Rechtsvorschriften)<br />
und C (Communications et informations,<br />
Mitteilungen und Bekanntmachungen) sowie einem<br />
Supplement (Reihe S „Bekanntmachungen öffentlicher<br />
Aufträge“). Die Reihe C wird ergänzt durch einen<br />
elektronischen Teil, das ABl. C E.<br />
In der Reihe L werden alle verbindlichen �Rechtsakte<br />
der Gemeinschaften, d. h. Verordnungen, Richtlinien<br />
und Entscheidungen, aber auch Beschlüsse,<br />
Empfehlungen sowie Stellungnahmen veröffentlicht,<br />
außerdem der halbjährlich erscheinende Fund-<br />
30<br />
stellennachweis des geltenden �Gemeinschaftsrechts.<br />
Die Reihe C enthält Zusammenfassungen der Urteile<br />
des �Gerichtshofs (EuGH), Sitzungsprotokolle des<br />
Parlaments, Berichte des Rechnungshofs, parlamentarische<br />
Anfragen und die Antworten von Rat und<br />
Kommission, Stellungnahmen des �WSA und des<br />
�AdR, öffentliche Aufträge für �Nahrungsmittelhilfe<br />
u. a.<br />
Die Reihe C E enthält vorläufig u. a. vorbereitende<br />
Rechtsakte und ist nur über EUR-Lex oder im Abonnement<br />
als CD-ROM verfügbar.<br />
In der Reihe S sind Ausschreibungen öffentlicher<br />
Aufträge aus allen Mitgliedstaaten der EU und des<br />
�EWR (�öffentliches Auftragswesen) sowie den OrganenundEinrichtungenderEUenthalten,fernerfür<br />
Aufträge des �EEF sowie für Projekte, die von der<br />
�EIB, der �EZB und der Europäischen �Bank für<br />
Wiederaufbau und Entwicklung finanziert werden,<br />
für Aufträge im Rahmen von �PHARE und �TACIS,<br />
für öffentliche Aufträge für Flugdienste; außerdem<br />
werdendieGründungenvon�EWIVveröffentlicht.<br />
Amtsenthebung eines Mitglieds der Kommission<br />
ist nach Art. 216 EGV möglich, wenn es die VoraussetzungenfürdieAusübungseinesAmtesnichtmehr<br />
erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat.<br />
Die Amtsenthebung erfolgt durch den �EuGH auf<br />
Antrag des Rates oder der Kommission.<br />
Amts- und Arbeitssprachen der EU<br />
1. Begriff: Amtssprache ist die offizielle Sprache eines<br />
Staates für Gesetzgebung, Verwaltung, Gerichte,<br />
Schulen. Mitunter sind auch Nationalsprachen<br />
von Minderheiten gesetzlich als Amtssprachen garantiert.<br />
Als Amtssprachen der Union werden die Sprachen<br />
der Mitgliedstaaten bezeichnet, in denen sich ihre<br />
Organe nach außen, insbes. also gegenüber den<br />
Unionsbürgern, äußern.<br />
Als Arbeitssprachen bezeichnet man die Sprachen,<br />
die die Organe im Verkehr untereinander und im internen<br />
Gebrauch verwenden. Die Sprachen, in denen<br />
das Primärrecht verbindlich ist, werden als authentischeSprachen(oderVertragssprachen)bezeichnet.<br />
2. Rechtliche Grundlagen: Gemäß Art. 290 EGV<br />
wird „die Regelung der Sprachenfrage für die Organe<br />
der Gemeinschaft ... vom Rat einstimmig getroffen“.<br />
In Ausführung dieser Bestimmung hat der Rat
der EWG am 15. 4. 1958 die Verordnung Nr. 1 zur<br />
Regelung der Sprachenfrage für die Europäische<br />
Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 17/1958) erlassen.<br />
DarinwurdendievierAmtssprachendersechsGründungsmitglieder<br />
der Gemeinschaft – Deutsch, Französisch,<br />
Italienisch und Niederländisch – zu Amtsund<br />
Arbeitssprachen der Gemeinschaft bestimmt. In<br />
den Beitrittsverträgen wurde diese Regelung jeweils<br />
durch Hinzufügung der Amtssprachen der beitretenden<br />
Staaten ergänzt. In der Fassung des Anhangs II,<br />
Ziff. 22 der Akte über die Bedingungen des Beitritts<br />
der 10 Staaten am 1. 5. 2004 bestimmt die Verordnung<br />
Nr. 1 heute u. a. Folgendes:<br />
„Art. 1: Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen<br />
derOrganederGemeinschaftsindDänisch,Deutsch,<br />
Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch,<br />
Italienisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch,<br />
Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Schwedisch,<br />
Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch<br />
und Ungarisch.<br />
Art. 2: Schriftstücke, die ein Mitgliedstaat oder eine<br />
der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende<br />
Person an Organe der Gemeinschaft richtet,<br />
können nach Wahl des Absenders in einer der Amtssprachen<br />
abgefasst werden. Die Antwort ist in derselben<br />
Sprache zu erteilen.<br />
Art.3:Schriftstücke,dieeinOrganderGemeinschaft<br />
an einen Mitgliedstaat oder an eine der Hoheitsgewalt<br />
eines Mitgliedstaates unterstehende Person<br />
richtet, sind in der Sprache dieses Staates abzufassen.<br />
Art. 4: Verordnungen und andere Schriftstücke von<br />
allgemeiner Geltung werden in den zwanzig Amtssprachen<br />
abgefasst.<br />
Art. 5: Das Amtsblatt der Gemeinschaft erscheint in<br />
den zwanzig Amtssprachen.“<br />
Im Ergebnis sind damit alle in der Verordnung Nr. 1<br />
genannten Sprachen gleichberechtigte Amts- und<br />
Arbeitssprachen der EU. Für die �GASP gilt allerdings<br />
bis auf weiteres die Erklärung Nr. 29 zum<br />
Vertrag von Maastricht über die Europäische Union<br />
(die bisher auf Englisch/Französisch beschränkte<br />
Praxis im �COREU-Verkehr dient „einstweilen als<br />
Anhaltspunkt“).<br />
Im Vertrag von Amsterdam (Art. 21 Abs. 3 EGV)<br />
wird die Unionsbürgerschaft dahingehend erweitert,<br />
dass jeder Unionsbürger sich schriftlich in einer der<br />
21 „authentischen“ Vertragssprachen (20 Gemeinschaftssprachen<br />
und Irisch/Gälisch) an jedes Organ<br />
Amts- und Arbeitssprachen<br />
und jede Einrichtung der EU wenden kann und eine<br />
Antwort in derselben Sprache erhält. Irisch/Gälisch<br />
ist durch Entscheidung des Außenministerrats vom<br />
14. 6. 2005 zur Amtssprache erklärt worden; die Zahl<br />
derAmtssprachenerhöhtsichdamitab2007auf21.<br />
Mitgliedstaaten, in deren Territorien Sprachen von<br />
Minderheiten offiziell anerkannt sind, können auf eigene<br />
Kosten Fassungen von Rechtsakten in diesen<br />
Sprachen herstellen lassen, die jedoch nicht rechtsverbindlich<br />
sind.<br />
2.1 Europäisches Parlament: Gemäß Art. 138 der<br />
Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments<br />
(EP) sind alle Schriftstücke des Parlaments in den<br />
Amtssprachen abzufassen. Redebeiträge in einer der<br />
Amtssprachen werden simultan in alle anderen<br />
Amtssprachen übersetzt.<br />
2.2 Europäischer Gerichtshof und Gericht erster<br />
Instanz: Nach Art. 29 – 31 der Verfahrensordnung<br />
des EuGH (inhaltlich im Wesentlichen gleich: Art.<br />
35 – 37 der Verfahrensordnung des EuG) können alle<br />
Amtssprachen der EU und außerdem Irisch (= Gälisch)<br />
Verfahrenssprachen sein. Grundsätzlich wählt<br />
der Kläger die Verfahrenssprache; bei Vorabentscheidungsersuchen<br />
ist Verfahrenssprache die Sprache<br />
des vorlegenden Gerichts. Sie ist insbesondere<br />
bei den mündlichen Ausführungen in den Schriftsätzen<br />
der Parteien, einschl. aller Anlagen, sowie in den<br />
Entscheidungen und Protokollen des Gerichtshofs<br />
anzuwenden. Urteile sind in alle Amtssprachen zu<br />
übersetzen.<br />
3. Bedeutung und Praxis der Mehrsprachigkeit: Die<br />
MehrsprachigkeitisteinbesonderesCharaktermerkmal<br />
der Europäischen Union. Die EU ist – anders als<br />
z. B. UNO, NATO oder vergleichbare Organisationen<br />
– keine klassische internationale Organisation,<br />
sondern ein Staatenverbund, der für jeden Mitgliedstaat<br />
und für jeden Unionsbürger unmittelbar bindendes<br />
Recht setzen kann. Zu den Grundlagen und<br />
Aufgaben der Union gehört nach Art. 1 EUV auch,<br />
dass Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen<br />
werden; Art. 6 EUV schreibt vor, dass die Union die<br />
nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten achtet.<br />
Für jeden Unionsbürger ist Voraussetzung der AusübungseinerdemokratischenGrundrechte,dasserin<br />
seiner Muttersprache an der öffentlichen Diskussion<br />
im Vorfeld von Entscheidungen der EU-Organe<br />
gleichberechtigt mitwirken und die Entscheidungen<br />
der Organe in seiner Muttersprache verstehen kann.<br />
Die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt aus-<br />
31
Amts- und Arbeitssprachen<br />
übenden Organe und die jeweils verfolgten politischen<br />
Zielvorstellungen müssen allgemein sichtbar<br />
und verstehbar sein (BVerfGE 89, 155). Nur dieses<br />
grundlegende Recht gestattet es, eine immer engere<br />
UnionderVölkerEuropaszuschaffenundgleichzeitigihresprachlichenundkulturellenUnterschiedezu<br />
respektieren.<br />
Innerhalb der Union wird Deutsch von ca. 90 Mio.<br />
Bürgern als Muttersprache gesprochen; Englisch,<br />
Französisch und Italienisch von jeweils ca. 60 Mio.<br />
Bürgern; Spanisch wird von weniger als 40 Mio., die<br />
restlichen Amtssprachen werden von noch weniger<br />
Bürgern als Muttersprache gesprochen.<br />
4. Arbeitssprachen: Für die Arbeitspraxis innerhalb<br />
der Organe der Union, die aus Kosten- und Effizienzgründen<br />
ohne Dolmetschung/Übersetzung auskommen<br />
muss, können nur die Sprachen Verwendung<br />
finden, die von allen Mitarbeitern gesprochen und<br />
verstanden werden. Bis zum britischen Beitritt im<br />
Jahre 1972 dominierte als organinterne Arbeitssprache<br />
das Französische. Seither hat sich Englisch zur<br />
wichtigsten Arbeitssprache entwickelt. Deutsch<br />
wird in der internen Praxis der Organe der Gemeinschaft<br />
weit weniger verwendet. Bundesregierung<br />
und Bundesländer haben deshalb ihre Bemühungen<br />
um Deutschunterricht für die Bediensteten der europäischen<br />
Organisationen sowie für hohe Beamte in<br />
den Mitgliedstaaten erheblich verstärkt.<br />
5. Übersicht über die Praxis der Verwendung der<br />
Unionssprachen<br />
5.1 Europäischer Rat: In den Sitzungen des ER wird<br />
in alle und aus allen Unionssprachen gedolmetscht.<br />
DokumentewerdendemERinallenUnionssprachen<br />
vorgelegt.<br />
5.2 Rat der Europäischen Union: In den Sitzungen<br />
des Rates wird in alle und aus allen Unionssprachen<br />
gedolmetscht. Nach Art. 10 der Geschäftsordnung<br />
des Rates berät und beschließt der Rat grundsätzlich<br />
nur auf der Grundlage von Schriftstücken und Entwürfen,dieinallenUnionssprachenvorliegen.Diese<br />
Dokumente müssen grundsätzlich wenigstens 14<br />
Tage vor der Sitzung in allen Amtssprachen vorliegen.<br />
Da diese Dokumente im Original zumeist in<br />
Englisch und/oder Französisch verfasst werden, liegen<br />
diese Sprachfassungen regelmäßig früher vor als<br />
die übersetzten Sprachfassungen.<br />
In ausgewählten Ratsarbeitsgruppen (Beamtenebene)<br />
gilt seit Mai 2004 im Zuge des Anwachsens der<br />
Zahl der Amtssprachen auf 20 das sog. Marktmodell.<br />
32<br />
Es erlaubt den Mitgliedstaaten, sich für die Dolmetschung<br />
ihrer eigenen Amtssprache zu entscheiden<br />
oder im Einzelfall darauf zu verzichten. Deutschland<br />
hat sich in allen betreffenden Arbeitsgruppen für die<br />
Volldolmetschung des Deutschen entschieden. Obwohl<br />
sich die Mitgliedstaaten an den Kosten dieser<br />
Regelung beteiligen, führt dies im Vergleich zur Alternative<br />
einer gemeinschaftlich finanzierten Volldolmetschung<br />
aller 20 bzw. 21 Amtssprachen zu erheblichen<br />
Einsparungen.<br />
5.3 Ausschuss Ständiger Vertreter: Im AStV, der die<br />
Entscheidungen des Rates vorbereitet, wird in die<br />
drei Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch<br />
sowie aus diesen drei Sprachen gedolmetscht. Die<br />
SituationbeidenDokumentenistähnlichwieimRat.<br />
5.4 Europäische Kommission: In den Sitzungen der<br />
Kommission (2005: 25 Kommissare) wird in die und<br />
ausdendreiSprachenDeutsch,EnglischundFranzösisch<br />
gedolmetscht. Dokumente für den internen Gebrauch<br />
der Kommission werden ebenfalls in diesen<br />
drei Sprachen vorgelegt. Auf Arbeitsebene dominieren<br />
dagegen Französisch und Englisch. Nach Beschlussfassung<br />
der Kommission – über den in den<br />
drei Sprachen vorliegenden Text – erfolgt die Übersetzung<br />
in alle Amtssprachen der Union.<br />
5.5 Europäisches Parlament: Im EP wird im Plenum<br />
und in den Ausschüssen in alle und aus allen Unionssprachen<br />
gedolmetscht. Ausnahmen sind nach dem<br />
Beitritt von 10 Staaten am 1. 5. 2004 bis 31. 12. 2006<br />
erlaubt (Art. 139 GO/EP). Dokumente werden in allen<br />
Sprachen der Union vorgelegt. Der offizielle<br />
VerkehrdesEPmitdenMitgliedstaatenerfolgtinder<br />
jeweiligen Amtssprache des Mitgliedstaates.<br />
5.6 Europäischer Gerichtshof und Gericht erster<br />
Instanz: Die Urteile von EuGH und EuG werden in<br />
alle Amtssprachen übersetzt. Interne Arbeitssprache<br />
beider Gerichte sind neben dem vorherrschenden<br />
FranzösischzunehmendauchEnglischundteilweise<br />
Deutsch. Die Richter beraten untereinander überwiegend<br />
in Französisch; Sitzungsberichte und Urteilsentwürfe<br />
werden in der jeweiligen Verfahrenssprache<br />
und in Französisch erstellt.<br />
5.7 Ausschreibungen: Ausschreibungen der Kommission<br />
erscheinen im Amtsblatt der EG gleichzeitig<br />
in allen Amtssprachen.<br />
6. Kosten der Mehrsprachigkeit: Der für die Mehrsprachigkeit<br />
innerhalb der Union erforderliche personelle<br />
und finanzielle Aufwand ist erheblich (ca. 70<br />
Euro pro übersetzte Seite und Zielsprache). Allein
derÜbersetzungsdienstderKommissionistmiteiner<br />
Personalstärke von ca. 1 300 Übersetzern und Terminologen<br />
und nahezu 600 Verwaltungsbeamten und<br />
weiteren Bediensteten und einer jährlichen Übersetzungsleistung<br />
von mittlerweile ca. 2 Mio. Seiten der<br />
größte der Welt. Der Übersetzungs- und Dolmetscherdienst<br />
der Kommission ist für alle Organe und<br />
Institutionen der EU zuständig mit Ausnahme von<br />
Parlament und Gerichtshof, die je einen eigenen<br />
Dienst haben.<br />
Das Anwachsen der Amtssprachen von 11 auf 20<br />
zum 1. 5. 2004 (bzw. 21 ab 2007) belastet die Sprachendienste<br />
der EU vorübergehend bis über die Kapazitätsgrenze<br />
hinaus. Für Einzelne der neuen Amtssprachen<br />
finden sich gegenwärtig noch nicht genügend<br />
Übersetzer und Dolmetscher. Innerhalb des<br />
Übersetzungsdienstes stellt die Zahl der Übersetzer<br />
für Deutsch die größte Gruppe. Rund 15 % aller Bediensteten<br />
der Europäischen Kommission gehören<br />
zum Sprachendienst, sind also entweder Übersetzer,<br />
Dolmetscher oder Verwaltungs- bzw. Hilfskräfte.<br />
Diese Aufwendungen sind jedoch unumgänglich,<br />
wenn man den Erfordernissen einer Union, die als<br />
Rechtsgemeinschaft auch die kulturelle Eigenständigkeit<br />
der Mitgliedstaaten achtet, gerecht werden<br />
will. W.D./U. P.<br />
Literatur:<br />
Ammon, U.: Die internationale Stellung der deutschen<br />
Sprache. Berlin/New York 1991<br />
Stark, F.: Faszination Deutsch. Wiederentdeckung einer<br />
Sprache für Europa. München 1993<br />
Kraus, P.A.: Europäische Öffentlichkeit und Sprachpolitik.<br />
Frankfurt a. M., New York 2004<br />
Amtszeit. Im EGV wird die Amtszeit für Mitglieder<br />
der Kommission (5 Jahre, Art. 214 Abs. 1), für Richter<br />
und Generalanwälte des EuGH (sechs Jahre, Art.<br />
223), für den Präsidenten des EuGH (3 Jahre, Art.<br />
223), für Richter des EuG (6 Jahre, Art. 224), für den<br />
Präsidenten des EuG (3 Jahre, Art. 224), für Mitglieder<br />
des Rechnungshofes (sechs Jahre, Art. 247 Abs.<br />
3) und für seinen Präsidenten (3 Jahre, Art. 247 Abs.<br />
3) bestimmt.<br />
Artikel 190 Abs. 3 bestimmt die Dauer einer Legislaturperiode<br />
des EP auf fünf Jahre, für die gleiche Zeitdauer<br />
wird der Bürgerbeauftragte ernannt (Art. 195<br />
Abs.2).DieAmtszeitdesPräsidentendesEP,derVizepräsidenten<br />
und der Quästoren wird durch die GeschäftsordnungdesEP(Kap.2Art.16)aufeinehalbe<br />
Legislaturperiode (2 ½ Jahre) festgelegt.<br />
Die Amtszeit für Mitglieder der EZB und des ESZB<br />
Anhörungsverfahren<br />
wird durch das Protokoll Nr. 9 über die Satzung des<br />
ESZBundderEZB(AnhangzumVertragvonNizza)<br />
bestimmt. Nach Art. 11.2 der Satzung dauert die<br />
Amtszeit des Direktoriums der EZB acht Jahre.<br />
ANEC (European Association for the Coordination<br />
of Consumer Representation in Standardization, Europäische<br />
Vertretung der Verbraucher in der Normung),<br />
von der Europäischen Kommission und der<br />
�EFTA finanzierte gemeinnützige Organisation unter<br />
belgischem Recht, 1995 gegründet. ANEC vertritt<br />
die Interessen der Verbraucherorganisationen<br />
derEU-undEFTA-LänderimBereichderNormung.<br />
Sitz in Brüssel. �CEN<br />
Internet: www.anec.org<br />
Anfragen. Bürgeranfragen können in jeder �Amtssprache<br />
der EU an das Europäische Parlament gerichtet<br />
werden (schriftlich an: Europäisches Parlament,Abt.Bürgeranfragen,L–2929Luxemburg;mit<br />
E-Mail über den elektronischen „Briefkasten“ des<br />
Parlaments, erreichbar über die Website www.europarl.eu.int).<br />
Die Anfragen müssen die Tätigkeitsbereiche<br />
der EU betreffen. Während es sich bei Bürgeranfragen<br />
hauptsächlich um Informationsanfragen<br />
(BitteumAuskünfte)handelt,werdenBeschwerden,<br />
Anliegen von allgemeinem Interesse oder Aufforderungen<br />
an das Parlament, zu einem Thema von öffentlichem<br />
Interesse Stellung zu nehmen, in Form<br />
der �Petition an das Parlament übermittelt.<br />
Parlamentarische Anfragen: Jedes Mitglied des Europäischen<br />
Parlaments kann zu seiner Information<br />
und zur Kontrolle der Tätigkeiten der Europäischen<br />
Kommission, des Rates (auch im Rahmen von<br />
�GASP, �ESVP, �PJZS) und der �Europäischen<br />
Zentralbank Anfragen an Mitglieder dieser Organe<br />
richten, entweder mündlich (in Fragestunden) oder<br />
schriftlich (mit den Antworten veröffentlicht im<br />
Amtsblatt der EU). Die Befragten sind zur Auskunft<br />
verpflichtet. Anfragen zur mündlichen Beantwortung<br />
mit anschließender Aussprache („große Fragestunde“)<br />
können nach Art. 108 der Geschäftsordnung<br />
des Europäischen Parlaments von einem Ausschuss,<br />
einer Fraktion oder mindestens 37 Mitgliedern<br />
eingereicht werden.<br />
Anhörungsverfahren (Konsultation). Eine Form<br />
der Mitwirkung von �Europäischem Parlament,<br />
�Europäischer Zentralbank, �Wirtschafts- und So-<br />
33
Anordnung<br />
zialausschuss, �Ausschuss der Regionen an<br />
�Rechtsetzungsakten der EU. Vorschläge („Gesetzentwürfe“)<br />
der Europäischen Kommission (i. d. R.<br />
werden der zuständige Ausschuss des EP und der<br />
�Ausschuss der Ständigen Vertreter vorher unterrichtet)<br />
gehen – wenn der EG-Vertrag das Anhörungsverfahren<br />
vorsieht – gleichzeitig an den Rat<br />
und an das EP, in besonderen Fällen (Bildung, Gesundheitsschutz,<br />
Aktionen zur Stärkung des wirtschaftlichen<br />
und sozialen Zusammenhalts) auch an<br />
den Wirtschafts- und Sozialausschuss und an den<br />
Ausschuss der Regionen zur Anhörung. Die Organe<br />
bzw. Institutionen geben eine Stellungnahme ab.<br />
NachderAnhörungkanndieKommissionihrenVorschlag<br />
ändern, anschließend entscheidet der Rat, für<br />
den die Stellungnahmen aus der Anhörung nicht bindend<br />
sind. Anhörungsrecht hat das EP u. a. vor Entscheidungen<br />
des Rates über<br />
– das aktive und passive Wahlrecht von Unionsbürgern<br />
am Ort ihres Wohnsitzes (Art. 19 EGV),<br />
– Rechtsakte in Bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik<br />
(Art. 37 Abs. 2 EGV),<br />
– Bestimmungen hinsichtlich Visa, Asyl, Einwanderung<br />
und anderen Maßnahmen des freien Personenverkehrs(Art.67Abs.1,Abs.2,Abs.3EGV),<br />
– Rechtsakte zu Wettbewerbsregeln (Art. 83 Abs. 1<br />
EGV, Art. 89 EGV, Art. 93 EGV),<br />
– spezifische Programme zur Durchführung von<br />
Rahmenprogrammen im Bereich der Forschung und<br />
technologischen Entwicklung (Art. 166 Abs. 4<br />
EGV),<br />
– bestimmteMaßnahmenimBereichderUmweltpolitik<br />
(Art. 175 Abs. 2 EGV),<br />
– bei Kompetenzerweiterung der Gemeinschaft<br />
(Art. 308 EGV),<br />
– bestimmte Abkommen mit Drittstaaten (Art. 300<br />
Abs. 3 EGV),<br />
– sowie bei Ernennung des Direktoriums der EZB<br />
(Art. 11.2 der Satzung des ESZB und der EZB).<br />
Das Anhörungsrecht des Europäischen Parlaments<br />
bezieht sich auch auf die �Gemeinsame Außen- und<br />
Sicherheitspolitik (Art. 21 EUV) sowie auf die polizeiliche<br />
und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen<br />
(Art. 40 Abs. 1 EUV).<br />
Anordnung, einstweilige �EuGH �Vorläufiger<br />
Rechtsschutz<br />
Anti-Dumping-Verfahren �Außenhandelspolitik<br />
34<br />
A-Punkt-Verfahren �Ausschuss der Ständigen<br />
Vertreter<br />
Arbeitsgruppen werden von EU-Organen zeitlich<br />
befristet eingesetzt, um Detailfragen bestimmter<br />
Themen- oder Aufgabengebiete innerhalb verabschiedeter<br />
gemeinsamer Arbeitsprogramme oder in<br />
Bezug auf Rechtsakte im Entwurfstadium fachlich<br />
zu klären. Unbefristet werden Arbeitsgruppen in<br />
EU-Organen oder EU-Institutionen gebildet, um<br />
Teilaufgaben innerhalb komplexer Aufgabenbereiche<br />
zu übernehmen.<br />
Arbeitslosigkeit �Beschäftigungspolitik<br />
Arbeitsrecht, Europäisches<br />
1. Begriff und Entwicklung: Europäisches Arbeitsrecht<br />
bezeichnet alle Rechtsvorschriften, die sich auf<br />
dasArbeitsverhältnisunddieLagederArbeitnehmer<br />
beziehen. Es kann unterteilt werden in individuelles<br />
Arbeitsrecht, das das einzelne Arbeitsverhältnis regelt,<br />
und kollektives Arbeitsrecht, das die Beziehungen<br />
der Sozialpartner sowie betriebliche und unternehmensbezogene<br />
Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer<br />
regelt.<br />
Ursprünglich enthielt der EWG-Vertrag keine ausdrücklichen<br />
Bestimmungen zum Arbeitsrecht, sieht<br />
man von den Art. 39 ff. EGV über die �Freizügigkeit<br />
der Arbeitnehmer, der auch ein �Diskriminierungsverbot<br />
aus Gründen der Staatsangehörigkeit einschließt,<br />
und vom Grundsatz des gleichen Entgelts<br />
für Männer und Frauen in Art. 141 EGV ab. Dieser<br />
Grundsatz wurde 1976 durch eine weitere Richtlinie<br />
auf alle Aspekte des Zugangs zur Beschäftigung, zur<br />
Ausbildung, zum beruflichen Aufstieg und auf die<br />
Arbeitsbedingungen sowie 1986 auf die betriebliche<br />
Altersversorgung ausgedehnt.<br />
Die Rechtsprechung des Europäischen �Gerichtshofs<br />
(EuGH) gibt auch Männern einen Gleichbehandlungsanspruch<br />
nach Art. 141, z. B. wenn es um<br />
das Lebensalter geht, ab dem ein Anspruch auf betriebliche<br />
Altersversorgung besteht.<br />
Des Weiteren hat der EuGH in einer Entscheidung<br />
aus dem Jahre 1998 klargestellt, dass auch eine Bevorzugung<br />
von Frauen bei gleicher Qualifikation<br />
durch sog. Frauenförderprogramme mit dem Grundsatz<br />
der Gleichbehandlung vereinbar ist, wenn diese<br />
Programme eine Härtefallklausel zu Gunsten der<br />
Männer vorsehen.
Zahlreiche Richtlinien setzen seit den 1970er Jahren<br />
den Grundsatz in den verschiedenen Bereichen in die<br />
Praxis um. Auch die Rechtsprechung des EuGH, vor<br />
allem zu Fragen der „mittelbaren“ Diskriminierung,<br />
hat den Anwendungsbereich ebenfalls erweitert.<br />
Diskriminierungsschutz strebt die EU allerdings<br />
auch für andere Gruppen von Arbeitnehmern an.<br />
Zwei Richtlinien aus dem Jahre 2000 setzen den<br />
Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Unterschied der<br />
Rasse oder der ethnischen Herkunft und der Religion,<br />
der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters<br />
oder der sexuellen Ausrichtung um, indem sie<br />
unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen untersagt,<br />
unter denen auch „unerwünschte Verhaltensweisen“<br />
zu sehen sind, die zu Einschüchterungen,<br />
Entwürdigungen, Anfeindungen und Erniedrigungen<br />
führen. Die Bundesrepublik hat diese Richtlinie<br />
bislang nicht umgesetzt. Der Gesetzentwurf,<br />
der u. a. über die Richtlinie hinausgehende Sanktionen<br />
für Verletzungen festlegen wollte, wird von den<br />
politischen Lagern heftig umkämpft.<br />
Die praktische Bedeutung der europäischen arbeitsrechtlichen<br />
Vorschriften hat durch die Rechtsprechung<br />
des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von<br />
Richtlinien (�Rechtsakte der EU) sowie zur Staatshaftung<br />
wegen nicht fristgemäßer Umsetzung von<br />
Richtlinien erheblich zugenommen. Diese Rechtsprechung<br />
setzte ein durch ein Urteil, in dem Italien<br />
verurteilt wurde, an Arbeitnehmer Schadenersatz zu<br />
zahlen, weil es kein System zur Sicherung der Lohnansprüche<br />
bei Konkurs oder Zahlungsunfähigkeit<br />
des Arbeitgebers geschaffen hatte (EuGH, Urt. v. 19.<br />
11. 1991 – Rs. C-6, 9/90 – Frankovich). Im Jahre<br />
1986 wurde durch die �Einheitliche Europäische<br />
Akte Art. 140 eingefügt, der verlangt, dass sich die<br />
Mitgliedstaaten bemühen, „die Verbesserung insbes.<br />
der Arbeitsumwelt zu fördern“. Doch auch ohne<br />
diese ausdrückliche Ermächtigung war die EG bereitsaktivgeworden:ImRahmenderFreizügigkeitsregeln<br />
wurde auch die Schutzwürdigkeit gewerkschaftlicher<br />
Betätigung festgeschrieben und damit<br />
die Koalitionsfreiheit im EWG-Recht verankert.<br />
Die erste rein arbeitsrechtliche Richtlinie von1975<br />
(75/129, Abl. L 48/1975) regelt Mindestrechte der<br />
Arbeitnehmer bei Massenentlassungen. Nach dieser<br />
Vorschrift sind Massenentlassungen betriebsbedingte<br />
Entlassungen einer bestimmten Mindestanzahl<br />
von Arbeitnehmern, die nach Wahl der Mitgliedstaaten<br />
entweder nach der Größe des Betriebs<br />
Arbeitsrecht<br />
gestaffelt ist (10 Arbeitnehmer in Betrieben mit 20<br />
bis 100 Mitarbeitern, 10 % der Arbeitnehmer in Betrieben<br />
zwischen 100 und 300 Mitarbeitern, 30 Arbeitnehmer<br />
in Betrieben mit mehr als 300 Mitarbeitern)<br />
oder grundsätzlich bei Entlassung von 20 Arbeitnehmern<br />
innerhalb von 90 Tagen angenommen<br />
wird. Wirksam kann die Massenentlassung frühestens30TagenachAnzeigebeiderBehördewerden.<br />
Eine andere Richtlinie von 2001 (2001/23, Abl. L<br />
82/2001),dieeineältereRegelungvon1977abgelöst<br />
hat, regelt den Grundsatz, dass der Übergang eines<br />
Betriebes oder Unternehmens auf einen neuen Inhaber<br />
nichts an Inhalt und Bestand der Arbeitsverhältnisse<br />
ändert. Die in der bisher angewendeten Kollektivvereinbarung<br />
(Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung)<br />
enthaltenen Bestimmungen gelten mindestens<br />
ein Jahr weiter. Der Betriebsübergang darf auch<br />
nicht zum Anlass einer Kündigung durch den Arbeitgeber<br />
gemacht werden. Auch Rechtsstellung und<br />
Funktion der Arbeitnehmervertretung dürfen durch<br />
den Übergang nicht beeinträchtigt werden. Dies gilt<br />
ausdrücklich auch für den Schutz von etwa bestehenden<br />
betrieblichen Mitarbeitervertretungen. Diese<br />
Rechte der Arbeitnehmer sind nach der Rechtsprechung<br />
des EuGH unverzichtbar. Stark kritisiert wird<br />
die Rechtsprechung des EuGH, der bereits in der<br />
Übertragung einzelner Tätigkeitsbereiche, die bisher<br />
von eigenen Arbeitnehmern ausgeführt wurden,<br />
auf eine Fremdfirma (z. B. Gebäudereinigung) einen<br />
Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie sieht mit<br />
der Folge, dass die bisherigen Arbeitnehmer übernommen<br />
werden müssen. Die neue Richtlinie sorgt<br />
deshalb auch für einige Klarstellungen zur Definition<br />
des Betriebsübergangs.<br />
Den Schutz der Arbeitnehmer bei ZahlungsunfähigkeitoderKonkursdesArbeitgebersregelteineweitere<br />
Richtlinie von 1980 (80/987, Abl. L 283/1980, geändert<br />
durch 2002/74, Abl. L 270/2002). Hier werden<br />
die Mitgliedstaaten verpflichtet, Ansprüche der<br />
Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt für die letzten 30<br />
Tage, einschl. der Anwartschaften auf betriebliche<br />
oderüberbetrieblicheAltersversorgung,zusichern.<br />
Auf Grund der �„Gemeinschaftscharta der sozialen<br />
Grundrechte der Arbeitnehmer“ (1989) formulierte<br />
die Kommission ein Aktionsprogramm für ihre Gesetzgebungsvorhaben<br />
im Bereich des Arbeitsrechts.<br />
Doch erst während des Maastrichter Gipfels im Dezember<br />
1991 schlossen elf EU-Mitglieder (außer<br />
Großbritannien) ein „Abkommen über die Sozialpo-<br />
35
Arbeitsrecht<br />
litik“, das im Rahmen eines Protokolls dem EU-Vertrag<br />
beigefügt wurde. Darin verpflichteten sich die<br />
elf EU-Länder, von ihnen beschlossene Richtlinien<br />
anzuerkennen und umzusetzen, auch wenn sich<br />
Großbritannien nicht beteiligen sollte. So wurde der<br />
Weg frei gemacht für eine umfangreiche Gesetzgebung<br />
im arbeits- und sozialrechtlichen Bereich.<br />
Nach dem Beitritt Großbritanniens anlässlich des<br />
Amsterdamer Gipfels im Juni 1997 gilt diese Sozialgesetzgebung<br />
nun gemeinschaftsweit.<br />
Besondere Bedeutung bei der Rechtsetzung haben<br />
auch die im Rahmen des dort ebenfalls festgeschriebenen<br />
�„Sozialen Dialogs“ beschlossenen Vereinbarungen<br />
der Sozialpartner gem. Art. 139 EGV. Bevor<br />
die Kommission eine Richtlinie vorschlägt, hat<br />
sie die Sozialpartner anzuhören, die nicht nur eine<br />
Stellungnahme abgeben können, sondern auch innerhalb<br />
von 9 Monaten auf dem beabsichtigten<br />
Rechtsgebiet eine Vereinbarung schließen können,<br />
die dann Grundlage für die Rechtsetzung wird. Ein<br />
Beispiel hierfür ist die Vereinbarung über Teilzeitarbeitsverhältnisse.<br />
Gelingt es nicht, so erhält wiederum<br />
die EU das Recht, eine Regelung zu erlassen, wie<br />
dies bei der Richtlinie über die Europäischen �Betriebsräte<br />
(97/74, Abl. L 10/1998) der Fall war.<br />
2. Gegenwärtiger Stand: Es lassen sich folgende Regelungsschwerpunkte<br />
im europäischen Arbeitsrecht<br />
herausschälen:<br />
2.1 Arbeitsschutz: Auf dem Gebiet des „technischen<br />
Arbeitsschutzes“ (�Arbeitsschutz) ist die �Harmonisierung<br />
des Arbeitsrechts am weitesten fortgeschritten.<br />
Dabei enthalten oft �Normen über die Herstellung<br />
bestimmter Produkte und Maschinen (z. B.<br />
die RL 89/336 über elektromagnetische Verträglichkeit,<br />
Abl. L 139/989, oder die Maschinen-Richtlinie<br />
98/37, Abl. L 207/1998) auch Schutzvorschriften für<br />
die Arbeitnehmer.<br />
2.2 Individualarbeitsrecht: Zahlreiche Richtlinien<br />
und Vorschläge betreffen die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses<br />
direkt. So stellt die Richtlinie<br />
91/533 (Abl. L 288/1991) die Verpflichtung für den<br />
Arbeitgeber auf, den Arbeitnehmer durch schriftliche<br />
Urkunde über den Inhalt des Arbeitsvertrags zu<br />
informieren. Die Arbeitszeitgestaltung ist Inhalt einer<br />
weiteren Richtlinie (2000/34, Abl. L 195/2000),<br />
die die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 48<br />
Stunden festlegt und als tägliche Höchstgrenze 13<br />
Stunden bestimmt. Ferner schreibt sie mindestens 4<br />
Wochen Jahresurlaub vor.<br />
36<br />
Ein Urteil des EuGH vom 3. 10. 2000 (Rs. C-303/98<br />
„Simap“), der die Bereitschaftszeit von Ärzten als<br />
Arbeitszeit ansieht, die in die Berechnung der wöchentlichen<br />
Arbeits- und Ruhezeiten einzubeziehen<br />
und natürlich auch zu vergüten ist, sorgte dafür, dass<br />
die EU-Kommission einen Änderungsentwurf vorlegte,<br />
der in den Gremien heftig umstritten ist; darin<br />
ist ausdrücklich die Bereitschaftszeit geregelt, und<br />
hier soll nur die tatsächlich mit Tätigkeiten verbrachte<br />
Zeit als „Arbeitszeit“ angerechnet werden.<br />
Eine Vereinbarung der Sozialpartner zu Teilzeitarbeitsverhältnissen<br />
will diese in ihren Rechten den<br />
normalen Vollzeitarbeitsverhältnissen angleichen.<br />
Breiten Raum nehmen die Bestimmungen zum Jugendarbeitsschutz<br />
ein. Kinderarbeit soll grundsätzlich<br />
(mit Ausnahmemöglichkeiten z. B. im kulturellen<br />
Bereich) verboten sein, die Arbeit Jugendlicher<br />
einheitlich streng geregelt werden (Zeiten, Pausen,<br />
Urlaub, Arbeitsbedingungen, Art der zu leistenden<br />
Arbeit). Ebenfalls europäisch harmonisiert wurde<br />
der Mutterschutz. Hierdurch soll eine wirtschaftliche<br />
Absicherung der Arbeitsplätze von Schwangeren<br />
und Müttern verwirklicht werden.<br />
Dagegen gibt es bezüglich des Schutzes Behinderter<br />
zwar Erklärungen des Rates sowie Empfehlungen,<br />
aberbisherkeineverabschiedeteRichtlinie.EinVorschlag<br />
beschäftigt sich lediglich mit der Mobilität<br />
und sicheren Beförderung von Behinderten auf dem<br />
Weg zum Arbeitsplatz.<br />
Die „Entsenderichtlinie“ des Rates von 1996 (96/71,<br />
Abl. L 18/1997) stellt den Grundsatz auf, dass Arbeitnehmer,<br />
die für mehr als einen Monat in ein anderes<br />
Land entsandt werden, den dortigen Arbeitsbedingungen<br />
unterliegen sollen, es sei denn, dass im<br />
Aufenthaltsstaat des Arbeitnehmers günstigere Bedingungen<br />
herrschen.<br />
Diese Richtlinien und Vorschläge sollen nicht nationale<br />
– günstigere – Regelungen ersetzen, sondern lediglich<br />
Mindestvorschriften darstellen.<br />
2.3 Kollektives Arbeitsrecht: Im Bereich des kollektiven<br />
Arbeitsrechts steckt die europäische Gesetzgebung<br />
noch in den Kinderschuhen. Zwar gesteht die<br />
„Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte“<br />
den Sozialpartnern zu, sich in Gewerkschaften und<br />
Verbänden zu organisieren und garantiert das Streikrecht,<br />
doch außer diesen grundsätzlichen Willensbekundungen<br />
haben kollektivrechtliche Bestimmungen<br />
noch keinen Eingang in das europäische Recht<br />
gefunden.
1985 haben Vertreter der wichtigsten Sozialpartner<br />
in Val Duchesse den „Sozialen Dialog“ begonnen.<br />
Inzwischen konnten im Rahmen der Statuten europäischer<br />
Gesellschaftsformen, wie �Europäische<br />
Aktiengesellschaft (SE) und �Europäische Genossenschaft<br />
die Aufnahme von Arbeitnehmer-Mitbestimmung<br />
erreicht werden (�Mitbestimmungsmodelle).<br />
Auch konnte eine Richtlinie über die Einsetzung<br />
�Europäischer Betriebsräte oder die Vereinbarung<br />
von Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren<br />
in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen<br />
verabschiedet werden (94/45, ABl. L 254/1994).<br />
Diese Richtlinie gibt den Sozialpartnern die Möglichkeit,<br />
in Verhandlungen eigene Modelle der Arbeitnehmermitwirkung<br />
zu schaffen. Sie wird deshalb<br />
als erfolgreich angesehen.<br />
DanebensiehtdasSozialprotokollauchdieMöglichkeit<br />
für die Sozialpartner vor, durch eigene Vereinbarungen<br />
Regelungen auf europäischer Ebene zu<br />
treffen oder die Ausgestaltung bestehender europäischer<br />
Richtlinien zu verwirklichen. In diesem Rahmen<br />
ist es ihnen möglich, einen Ratsbeschluss zur<br />
Durchführung der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen<br />
herbeizuführen und somit aktiv am sozialpolitischen<br />
Gesetzgebungsprozess teilzunehmen.<br />
3. Bewertung: Das Arbeitsrecht hat sich durch zahlreiche<br />
Richtlinien die Vereinbarungen der Sozialpartner,<br />
aber auch durch eine reichhaltige Rechtsprechung<br />
des EuGH zu einem der praktisch wichtigsten<br />
RechtsgebietedesEuroparechtsentwickelt. M. K.<br />
Literatur:<br />
Henssler, M./Braun, A.: Arbeitsrecht in Europa. Köln 2003<br />
Runggaldier, U.: Grundzüge des Europäischen Arbeitsrechts<br />
und des Europäischen Sozialrechts. Wien 2004<br />
Schiek, D.: Europäisches Arbeitsrecht. Baden-Baden 2005 2<br />
Arbeitsschutz. Auf dem Gebiet des „technischen<br />
Arbeitsschutzes“ ist die �Harmonisierung des �Arbeitsrechts<br />
am weitesten fortgeschritten. So bestehen<br />
Rahmenrichtlinien, die das Verhalten von Arbeitnehmern<br />
zum Schutz vor bestimmten Gefährdungen<br />
regeln. Als erste erging die „Richtlinie zum<br />
Schutz vor der Gefährdung durch chemische, physikalische<br />
und biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit“von1980(80/1107,Abl.L327/1980),diedurch<br />
Einzelrichtlinien, z. B. zum Schutz gegen die Gefährdung<br />
durch metallisches Blei, Asbest, Lärm<br />
usw., ergänzt wurde. Eine zweite Rahmenrichtlinie<br />
von 1989 befasst sich mit Maßnahmen zur Verbesse-<br />
Arbeitsschutz<br />
rung der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz am<br />
Arbeitsplatz generell (89/391, Abl. L 183/1989). Sie<br />
stellt allgemeine Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />
am Arbeitsplatz auf und bildet die<br />
Grundlage für zahlreiche Einzelrichtlinien, die sich<br />
auf verschiedene Sektoren beziehen, die als besondersrisikoreichangesehenwerden(z.B.inderMineralgewinnung,<br />
in Bergwerken, auf Fischereifahrzeugen,<br />
im Verkehrsgewerbe, beim Tragen schwerer<br />
Lasten, an Bildschirmgeräten). Allgemein wird hier<br />
u.a.gefordert,dassderArbeitgeberselbstdieberufsbedingten<br />
Gefahren am Arbeitsplatz beurteilen und<br />
ihnen durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken<br />
muss. Er muss geeignete Schutzausrüstungen bereitstellen<br />
und die Arbeitnehmer entsprechend einweisen.<br />
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Schutzausrüstungen<br />
ordnungsgemäß zu benutzen, Gefahren zu<br />
melden und selbst darauf hinzuwirken, dass die Auflagen<br />
eingehalten werden. Es gibt eine Informationspflicht<br />
über Arbeitsunfälle.<br />
Daneben enthalten oft Normen über die Herstellung<br />
bestimmter Produkte und Maschinen (z. B. die „Maschinenschutz-Richtlinie“<br />
von 1989, 89/655, Abl. L<br />
393/1989) auch Schutzvorschriften für die Arbeitnehmer.<br />
Richtlinien aus den Jahren 2002 und 2003<br />
regeln den Schutz der Arbeitnehmer vor Schäden<br />
durchVibrationen(2002/44,Abl.L177/2002)sowie<br />
Lärm (2003/10, Abl. L 42/2003). Derzeit wird über<br />
eine Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor optischen<br />
Strahlen beraten.<br />
Alle Regeln sind bestrebt, sich nicht in Einzelheiten<br />
zu verlieren, sondern Grundsätze aufzustellen, die<br />
die Verpflichtung der Arbeitgeber vorsehen, Maßnahmen<br />
zum Schutz vor Schäden zu ergreifen, die<br />
Arbeitnehmer zu unterrichten und zu unterweisen<br />
sowie eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur<br />
Überwachung der von ihnen erlassenen nationalen<br />
Durchführungsvorschriften.<br />
Zur Vorbereitung und Durchführung der Maßnahmen<br />
der EU auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes hat<br />
die Kommission einen „Beratenden Ausschuss für<br />
Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz<br />
am Arbeitsplatz“ eingerichtet, der aus 90 Vertretern<br />
von Regierungen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern<br />
besteht. Daneben hat der Rat 1995 eine Europäische<br />
�Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am<br />
Arbeitsplatz (EU-OSHA) ins Leben gerufen, die beobachtende<br />
und untersuchende Aufgaben hat.<br />
M. K.<br />
37
Arbeitsvermittlung<br />
Literatur:<br />
Bücker, A./Feldhoff, K./Kohte, W.: Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt.<br />
Neuwied/Rh. 1994<br />
Runggaldier, U.: Grundzüge des europäischen Arbeitsrechts<br />
und des europäischen Sozialrechts. Wien 2004<br />
Arbeitsvermittlung, europäische. Das Recht auf<br />
�FreizügigkeitderArbeitnehmer,dasinArt.39EGV<br />
in Verbindung mit dem �Diskriminierungsverbot in<br />
Art. 12 EGV festgelegt ist, bietet jedem Unionsbürger<br />
gleiche Voraussetzungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt<br />
in einem anderen Mitgliedstaat wie den<br />
inländischen Arbeitnehmern.<br />
Dies gilt nicht allein für konkrete Bewerbungen bei<br />
Arbeitgebern, sondern auch bei der Inanspruchnahme<br />
von Diensten der Arbeitsverwaltung, von der er<br />
in gleicher Weise wie Inländer bei der Vermittlung<br />
von Arbeitsplätzen im Aufenthaltsstaat berücksichtigt<br />
werden muss. Über das Assoziationsabkommen<br />
mit der Türkei gilt dies auch für die in der EU lebenden<br />
Türken.<br />
Um darüber hinaus die Mobilität der eigenen Staatsangehörigen<br />
zu fördern, wurde im November 1994<br />
das Programm �EURES (European Employment<br />
Services) ins Leben gerufen. Es handelt sich um ein<br />
Netzwerk von 400 Beratern in den jeweiligen Arbeitsverwaltungen,<br />
die die Öffentlichkeit und die<br />
Unternehmen beraten sollen. Arbeit Suchende informierensieüberdieLebens-undArbeitsbedingungen<br />
in anderen EU-Mitgliedstaaten und machen auf freie<br />
Arbeitsplätze aufmerksam. Dieses Netz wurde im<br />
Rahmen des mittelfristigen �Sozialpolitischen Aktionsprogramms<br />
ausgebaut, um einen wirksamen<br />
Mechanismus für einen Informationsaustausch über<br />
Stellenangebote und Arbeitsgesuche sowie damit<br />
verbundene Fragen zu schaffen. Besonderes Augenmerk<br />
wird auf die Zusammenarbeit der ArbeitsverwaltungenindenGrenzregionengelegt.<br />
M. K.<br />
Architektur der EU �Tempelstruktur<br />
ARGE Alp, Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, gegründet<br />
am 12. 10. 1972. In ihr arbeiten der Freistaat<br />
Bayern, die italienische Region Lombardei und die<br />
Autonomen Provinzen Bozen-Südtirol und Trient,<br />
die Schweizer Kantone Graubünden, Tessin und St.<br />
Gallen sowie die österreichischen Bundesländer<br />
Salzburg, Tirol und Vorarlberg zusammen. Die<br />
grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll gemeinsame<br />
Probleme und Anliegen effizienter und einver-<br />
38<br />
nehmlich lösen, besonders auf ökologischem, kulturellem,<br />
sozialem und wirtschaftlichem Gebiet. Als<br />
wichtige Gemeinschaftsaufgabe stellt sich die Lösung<br />
der Verkehrsprobleme: der Nord-Süd-Reiseverkehr<br />
sowie der transalpine Waren- und Güterumschlag,<br />
ferner die damit verbundenen ökonomischen<br />
und ökologischen Folgen. Weitere Aufgaben betreffen<br />
Fremdenverkehr, die regionale Wirtschaftsförderung<br />
und die zur Erhaltung der Alpenlandschaft<br />
wichtigeFörderungderBergbauern. W. M.<br />
ARGO heißt ein Förderprogramm der EU zur Verbesserung<br />
der Zusammenarbeit von Verwaltungen<br />
undJustizbehördenderMitgliedstaatenindenBereichen<br />
Außengrenzen, Visa, Asyl und Einwanderung<br />
(Art. 62 und 63 EGV). Rechtsgrundlage ist Art. 66<br />
EGV sowie die Verordnung 2002/463/EG (ABl. L<br />
161/2002). Laufzeit des Programms: 1. 1. 2002 bis<br />
31. 12. 2006. Budget 25 Mio. Euro. ARGO hat das<br />
Programm Odysseus abgelöst.<br />
Ariane (französische Form von Ariadne), Name der<br />
europäischen Trägerrakete (Ariane-1 bis Ariane-5).<br />
�EuropeanSpaceAgency(ESA),�Weltraumpolitik<br />
Arianespace. 1980 gegründetes kommerzielles<br />
Unternehmen zur Produktion, zum Betrieb und zur<br />
VermarktungderAriane-Trägerraketen.Kapital317<br />
Mio. Euro. Anteilseigner sind 44 Körperschaften aus<br />
den 10 Staaten, die am Ariane-Programm beteiligt<br />
sind.<br />
Anschrift: Boulevard de l’Europe, BP 177 91006<br />
Evry-Courcouronnes CEDEX, France<br />
Internet: www.arianespace.com<br />
ARION. Eine Aktion der EG mit Studienbesuchen<br />
von Fachleuten und Entscheidungsträgern im Bildungsbereich.<br />
Die Aktion begann 1978 und erhielt<br />
1987 ihren Namen (nach einer Gestalt aus der griech.<br />
Mythologie, zugleich �Akronym aus der niederländischen<br />
Aktionsbezeichnung Actieprogramma Reizen<br />
met een Instructiefkaracter voor Onderwijsspecialisten).Seite1995TeildesProgramms<br />
�Sokrates.<br />
�Bildungsprogramme Ziff. 2.1.6<br />
ASEAN (Association of Southeast Asian Nations).<br />
Gegründet 8. 8. 1967 in Bangkok. Mitglieder: Brunei,<br />
Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur,<br />
Thailand, Vietnam (1995), Laos (1997), Myanmar
(1997), Kambodscha (1999) mit zusammen 530<br />
Mio. Einwohnern (2004); seit 1984 hat Papua-Neuguinea<br />
Beobachterstatus. Generalsekretariat in Jakarta.<br />
Seit 1976 Gipfelkonferenzen der Staats- und<br />
Regierungschefs (seit 1995 jährlich), jährliches<br />
Treffen der Außenminister, regelmäßige Treffen anderer<br />
Fachminister.<br />
Ziel ist seit 1992 die Schaffung einer Freihandelszone<br />
(Asian Free Trade Area, AFTA). Ursprünglicher<br />
Zeitrahmen: 2008. Auf einem Gipfeltreffen der<br />
Staats-undRegierungschefsinBangkok1995wurde<br />
die vorzeitige Verwirklichung bis 2003 vereinbart.<br />
Für sechs wirtschaftlich fortgeschrittene Staaten<br />
(ASEAN–6:Brunei,Indonesien,Malaysia,Philippinen,<br />
Singapur, Thailand) trat das AFTA-Abkommen<br />
bereits am 1. 1. 2002 in Kraft. Die Freihandelszone<br />
wird nun schrittweise auf Vietnam (2006), Laos und<br />
Myanmar (2008) sowie Kambodscha (2010) ausgedehnt.<br />
Weitere Zusammenarbeit erfolgt in den Bereichen<br />
Wissenschaft, Technologie, Finanzen, Verkehr,<br />
Umwelt, Kultur, Sozialpolitik und Drogenpolitik.<br />
Für den Dialog in sicherheitspolitischen Fragen wurde<br />
1994 das ASEAN Regional Forum (ARF) gegründet,<br />
dem neben den 10 ASEAN-Staaten 12 Dialogpartner<br />
angehören, darunter die EU mit einem Kooperationsvertrag<br />
seit 1980. Sie nimmt an den jährlichen<br />
Außenministertreffen mit ihrer �Troika teil.<br />
Die ASEAN-Staaten bilden seit 1971 eine Zone für<br />
Frieden, Freiheit und Neutralität (Zone of Peace,<br />
Freedom and Neutrality, ZOPFAN), seit 1997 eine<br />
atomwaffenfreie Zone (Southeast Asia Nuclear<br />
Weapon Free Zone, SEANWFZ).<br />
Auf dem 10. Gipfel in Vientiane am 29. 11. 2004 haben<br />
die Staats- und Regierungschefs der ASE-<br />
AN-Staaten sowie von China, Japan und Südkorea<br />
(ASEAN+3) ihren Willen bekräftigt, bis 2020 eine<br />
EastAsiaCommunitymitgemeinsamemMarktnach<br />
dem Vorbild der EG zu entwickeln.<br />
Internet: www.aseansec.org<br />
ASEAN+3. �ASEAN-Staaten sowie China, Japan,<br />
Südkorea. �ASEAN<br />
ASEM (Asia-Europe-Meeting). Ein informelles Forum<br />
für den Dialog und die Zusammenarbeit der<br />
EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission<br />
mit den �ASEAN-Staaten sowie China, Südkorea<br />
und Japan (ASEAN+3) seit 1996. Die Treffen der<br />
Staats- und Regierungschefs finden alle zwei Jahre<br />
abwechselnd in Asien und Europa statt. Daneben finden<br />
jährlich Treffen von Fachministern statt (Außen-,<br />
Wirtschafts-, Finanz-, Innen-, Kulturminister).<br />
1999 trafen sich auch die Wissenschafts- und Technologieminister.<br />
Der erste Gipfel fand im März 1996<br />
in Bangkok statt, der zweite 1998 in London, der dritte<br />
2000 in Seoul, der vierte 2002 in Kopenhagen. An<br />
dem fünften Treffen 2004 in Hanoi nahmen 39 Staaten<br />
teil, darunter die zehn neuen EU-Staaten sowie<br />
drei neue ASEAN-Staaten (Kambodscha, Laos und<br />
Myanmar). Myanmar durfte aufgrund seiner problematischen<br />
Menschenrechtslage nur mit Vertretern<br />
unterhalbderEbenederStaats-undRegierungschefs<br />
teilnehmen. Das sechste Treffen soll 2006 in Finnland<br />
stattfinden.<br />
Die Asien-Europa-Treffen haben drei thematische<br />
Schwerpunkte: den politischen Dialog, den Austausch<br />
über handels-, wirtschafts- und finanzpolitische<br />
Themen sowie den kulturellen, bildungspolitischen<br />
und sozialpolitischen Dialog.<br />
ASIA-Invest II. Programm der EU zur Unterstützung<br />
der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen<br />
der EU und 19 asiatischen Ländern. Die 2. Projektphase<br />
läuft von 2003 bis 2007 und hat ein Budget<br />
von 35 Mio. Euro. Schwerpunkt ist die Förderung<br />
von Kooperationen zwischen europäischen und asiatischen<br />
�KMU. �AL-Invest<br />
Asienpolitik der EU �Ostasienpolitik<br />
Association<br />
Assises. Bezeichnung für die auf Anregung des damaligen<br />
Ratspräsidenten Mitterand einberufene EuropakonferenzvonMitgliederndernationalenParlamente<br />
der EG-Staaten und des Europäischen Parlaments<br />
im November 1990 in Rom zum Meinungsaustausch<br />
über die Vorbereitung des Maastrichter<br />
Vertrags. In der Erklärung Nr. 14 zum Maastrichter<br />
Vertrag (1992) werden das EP und die einzelstaatlichen<br />
Parlamente ersucht, erforderlichenfalls als<br />
Konferenz der Parlamente (oder Assises) zusammenzutreten.<br />
Eine weitere Einberufung ist seit November<br />
1990 jedoch nicht erfolgt.<br />
�Konferenz der Parlamente; �Konferenz der Europaausschüsse<br />
(COSAC)<br />
Association Européenne des Enseignants<br />
(AEDE/European Association of Teachers EAT/Eu-<br />
39
Assoziationsrat<br />
ropäischer Bund für Bildung und Wissenschaft<br />
EBB). 1956 in Paris als ein internationaler Zusammenschluss<br />
von Lehrern und Erziehern aller Schularten<br />
von der Vorschule bis zur Hochschule gegründet,<br />
überparteilich und überkonfessionell; 19 nationale<br />
Sektionen in West- und Ost(mittel)europa.<br />
Die AEDE ist Mitglied des „Permanent Liaison<br />
Committee of European Associations in Education“<br />
(PLEASE, gegründet 1990; Ziel: gemeinsame Vertretung<br />
bei der EU, internationale Zusammenarbeit<br />
auf dem Feld der Erziehung, Beratung der EU in Erziehungsfragen).<br />
Die AEDE arbeitet als �Nichtregierungsorganisation<br />
(NRO) mit der EU, dem �Europarat,<br />
der Unesco und der �Europäischen Bewegung<br />
zusammen; sie veranstaltet internationale Seminare<br />
und Studientagungen, Studienfahrten, nationale<br />
und internationale Kongresse, Lehrerfortbildungstagungen<br />
usw. und bringt eigene Publikationen<br />
heraus. Ziel: „... die Förderung des europäischen<br />
Gedankens und der europäischen Dimension in allen<br />
Bereichen des Erziehungswesens“ und „zur Verwirklichung<br />
der Vereinigten Staaten von Europa auf<br />
demokratischer und föderalistischer Grundlage beizutragen“<br />
(Satzung, Deutsche Sektion EBB, § 2; vgl.<br />
KMK-Beschluss„EuropaimUnterricht“,1978/79).<br />
Ferner will die AEDE Verständnis für die Probleme<br />
der europäischen Integration wecken und durch Vorträge,<br />
Besuchsreisen, internationale Kontakte (u. a.<br />
Schulpartnerschaften, Lehrer- und Schüleraustausch),<br />
Ausarbeitung von Unterrichtsmodellen,<br />
Teilnahme am Europäischen �Schülerwettbewerb,<br />
Erarbeitung erziehungswissenschaftlicher und eurodidaktischerFragen(z.B.Umwelt,Frieden,europäische<br />
Gesellschaft, gemeinsame Kultur, interkulturelles<br />
Lernen, schulstufenbezogene fachliche und<br />
überfachliche Fragen zur �„europäischen Dimension<br />
im Unterricht“, Menschenrechte) einen Unterricht<br />
und eine Erziehung (�Bewusstseinsbildung)<br />
zum Bürger in Europa ermöglichen.<br />
Strukturelle Schwerpunkte der Verbandsarbeit sind<br />
u. a. die Förderung der europäischen Dimension besonders<br />
an Berufsschulen, Erstellung von Programmen<br />
für den Primar- und Sekundarbereich, neue<br />
Technologien im Unterricht über Europa, die Analyse<br />
von Lehrplänen und Lehrwerken auf ihre RepräsentanzdereuropäischenEinigungsthematik.<br />
W. M.<br />
Anschrift: EBB, Weinstraße 8b, 60435 Frankfurt/M. oder<br />
Europäisches Generalsekretariat: AEDE, Jean-Claude Gonon,<br />
rue du Faubourg-National, F–67000 Strasbourg<br />
40<br />
Internet: www.aede.org<br />
Literatur:<br />
Archer, E. G./Peck, B. T.: The Teaching Profession in Europe.<br />
Glasgow 1992 (Jordanhill College of Education)<br />
Mickel, W.: Europa durch Europas Schulen. 40 Jahre EBB/<br />
AEDE. Geschichte des Europäischen Erzieherbundes (EEB) /<br />
Europäischen Bundes für Bildung und Wissenschaft (EBB/<br />
AEDE) von 1956 bis 1996. Festschrift zum 70. Geburtstag des<br />
Verfassers. Frankfurt am Main 2000.<br />
Grundsatzdokument: Europäische Charta der Erziehung.<br />
Brüssel 1968<br />
Assoziationsrat ist das beschlussfassende Organ<br />
aus Vertretern der Europäischen Gemeinschaft und<br />
Drittstaaten, die mit der EG Assoziierungsabkommen<br />
(�Assoziierung) geschlossen haben. Zusammensetzung,AufgabenundRechtesindimAssoziierungsabkommen<br />
festgelegt. In der Regel besteht der<br />
Assoziationsrat aus dem Europäischen Rat bzw. dem<br />
Ministerrat und je einem Regierungsmitglied des<br />
Drittstaates. Den Vorsitz führt der Präsident der Europäischen<br />
Kommission. Der Assoziationsrat beschließt<br />
einstimmig. Er kann Ausschüsse einsetzen,<br />
dieihnbeiErfüllungseinerAufgabenunterstützen.<br />
Assoziierung<br />
1. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen, Verfahren:<br />
Die EG (derzeit nicht die EU) kann mit Drittländern<br />
oder mit internationalen Organisationen eine<br />
Assoziierung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten,<br />
gemeinsamem Vorgehen und besonderem Verfahren<br />
herstellen und dazu Abkommen schließen<br />
(Art. 310 EGV). Mit der Assoziierung übernimmt<br />
das Drittland jedoch nicht die Rechte (z. B. Stimmrecht)<br />
und Pflichten (z. B. Übernahme des �acquis<br />
communautaire) der Vollmitgliedschaft der Gemeinschaft.<br />
Der EG-Vertrag und der Vertrag über<br />
die Europäische Atomgemeinschaft sehen die Assoziierung<br />
als eine besondere Form vertraglicher Beziehungen<br />
zu Drittländern vor, die über reine Handelsbeziehungen<br />
auf der Grundlage von Art. 133<br />
EGV hinausgehen.<br />
Als zentraler Bestandteil der Außenbeziehungen der<br />
Europäischen Union zielt die Assoziierungspolitik<br />
vielmehr auf eine umfassende, über verschiedene<br />
Politikbereiche hinweggreifende entwicklungsfördernde<br />
Zusammenarbeit mit verschiedenen Staaten,<br />
Organisationen und Regionen der Welt. Neben der<br />
Herstellung bevorzugter Wirtschaftsbeziehungen<br />
für die Vertragspartner stehen politische, gesellschaftliche<br />
und wirtschaftliche Transformations-
und Entwicklungsprozesse im Mittelpunkt der Unterstützungsmaßnahmen.<br />
Seit Gründung der EG ist<br />
so ein weltweites Netz der Zusammenarbeit mit den<br />
unterschiedlichen Vertragspartnern entstanden.<br />
Die Assoziierungsabkommen haben, historisch gesehen,verschiedeneWurzelnundunterscheidensich<br />
deshalb auch in ihren Zielen, ihrer inhaltlichen Ausgestaltung<br />
und in ihrer vertraglichen Qualität:<br />
– Die sog. „konstitutionelle Assoziierung“ entwickelte<br />
sich aus den besonderen Beziehungen einiger<br />
EWG-Mitgliedstaaten (zunächst Belgien, Frankreich,<br />
Italien, Niederlande, später Großbritannien<br />
und Dänemark) zu ihren damaligen bzw. ehemaligen<br />
Kolonien. Sie wurden, um ihre Entwicklung zu fördern,<br />
bis auf wenige Einschränkungen in die damalige<br />
Freihandelszone der EWG mit einbezogen. Als<br />
diese „außereuropäischen Länder und Hoheitsgebiete“<br />
(Art. 131 EWGV, jetzt Art. 182 EGV) unabhängig<br />
wurden, entstand daraus ein besonderes vertragliches<br />
Verhältnis durch die �Jaunde-Abkommen.<br />
Diese Assoziierungsabkommen gründeten sich auf<br />
Art. 131 – 136 EWGV (jetzt Art. 182 – 187 EGV)<br />
und dehnten das besondere Verhältnis dieser Länder<br />
und Hoheitsgebiete zu jeweils einem dieser Mitgliedstaaten<br />
nach Maßgabe der Abkommen auf alle<br />
EWG-Staaten aus.<br />
– Die Assoziierung als Vorstufe zur Vollmitgliedschaft<br />
der EG, die sog. „Beitrittsassoziierung“ zielt<br />
darauf, beitrittswillige europäische Länder (außereuropäische<br />
Länder sind vom Beitritt ausgeschlossen)<br />
schrittweise auf die Vollmitgliedschaft vorzubereiten.<br />
Die mit Polen, Ungarn, der Tschechischen<br />
und der Slowakischen Republik, mit Rumänien, Bulgarien<br />
und Slowenien sowie mit Estland, Lettland<br />
und Litauen abgeschlossenen Kooperationsabkommen,<br />
als Europa-Abkommen bezeichnet, öffneten<br />
die Perspektive auf den späteren EU-Beitritt. Sie habenGriechenland1981unddieosteuropäischenLänder<br />
2004 zum Beitritt in die EU geführt. Bulgarien<br />
und Rumänien werden 2007 oder 2008 folgen. Auch<br />
mit den südosteuropäischen Staaten Mazedonien<br />
und Kroatien wurden 2001 Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen<br />
mit dem Ziel eines späteren<br />
EU-Beitritts abgeschlossen. Dem Vertragsinhalt<br />
nach handelt es sich neben der Gewährung des Freihandelsstatus(Freihandelsassoziierung)umdieVereinbarung<br />
von Transformations-Maßnahmen, die<br />
diese Länder schrittweise an das Beitrittsniveau heranführen<br />
sollen.<br />
Assoziierung<br />
– Die sog. „Entwicklungsassoziierung“ stellt eine<br />
weitere Form der Assoziierung dar. Sie wurde durch<br />
den Beitritt Großbritanniens (1973) zur EG auf den<br />
Weg gebracht, da dieses darauf pochte, dass den<br />
meisten seiner ehemaligen Kolonien ähnliche Vergünstigungen<br />
gewährt werden wie den anderen „außereuropäischen<br />
Ländern und Hoheitsgebieten“ mit<br />
besonderen Beziehungen zu Mitgliedstaaten. So<br />
kam 1975 das �Lomé-Abkommen zustande, das mit<br />
damals 46 Ländern Subsahara-Afrikas, der Karibik<br />
und des Pazifiks abgeschlossen wurde (�AKP-Staaten,<br />
�Entwicklungspolitik). Neben der Beitrittsassoziierung<br />
stellen die Lomé-Abkommen die klassische<br />
Form der Assoziierung dar. Wenn in den Vertragstexten<br />
auch nicht als Assoziierungs-, sondern als Kooperationsabkommen<br />
bezeichnet, kann man die Abkommen<br />
der EG mit den Maghreb- und Maschrik-Staaten<br />
(�Mittelmeerpolitik) als Entwicklungsassoziierung<br />
auffassen. Sie entsprechen zumindest<br />
in der Zielsetzung den Lomé-Abkommen, gehen<br />
aber eine zunehmend stärkere Anbindung an die<br />
EG/EU ein.<br />
– Eine Sonderform der Assoziierung stellt das Abkommen<br />
zwischen der EG und der EFTA über die<br />
Bildung des �Europäischen Wirtschaftsraumes<br />
(EWR) dar, weil hier zwei Staatengemeinschaften ein<br />
Assoziierungsverhältnis eingehen, das über die Bildung<br />
einer Freihandelszone hinausgeht. In Anbetracht<br />
der vollzogenen Beitritte Österreichs, Schwedens<br />
und Finnlands (1995) kann das EWR-Abkommen<br />
als Vorstufe zur EU-Vollmitgliedschaft und<br />
damit als Beitrittsassoziierung eingestuft werden.<br />
Auch die Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />
mit Russland (1997), der Ukraine (1989) und<br />
weiteren Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR<br />
stellen eine Sonderform der Assoziierung dar wie<br />
auch die Assoziierungsabkommen mit den meisten<br />
Mittelmeerländern, die seit Ende der 1990er Jahre in<br />
Krafttraten(Tunesien1998,Marokko2000,diePLO<br />
für die Palästinensische Autonomiebehörde 1997,<br />
Israel 2000, Ägypten 2001, Jordanien 1997). Sie zielen<br />
auf die Entwicklung einer �„Europäischen Nachbarschaftspolitik“<br />
gegenüber den Ländern an den<br />
Land-undSeeaußengrenzendererweitertenEU:Neben<br />
der Intensivierung der handelspolitischen Beziehungen<br />
liegt der Schwerpunkt auf einer verstärkten<br />
politischen Annäherung.<br />
In jüngster Zeit, so bei den ost-/südostasiatischen<br />
Staaten Südkorea, Laos, Kambodscha und Vietnam,<br />
41
Assoziierungsabkommen<br />
enthalten die Verträge Demokratie- und Menschenrechtsklauseln<br />
(Wahrung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit<br />
und Achtung der Menschenrechte).<br />
Diese erweisen sich sowohl mit Blick auf mögliche<br />
neue Partner (VR China, Myanmar) als auch auf bereits<br />
bestehende Partnerschaften (z. B. Simbabwe,<br />
Sudan) als problematisch.<br />
Die rechtliche Grundlage für den Abschluss von Assoziierungsabkommen<br />
bilden außer Art. 182 – 187<br />
EGV (konstitutionelle Assoziierung) die Art. 24<br />
EUV, 300 und 310 EGV. Sie regeln die Vertragsmodalitäten.<br />
Die Assoziierungsabkommen haben völkerrechtsverbindliche<br />
Wirkung, beruhen auf einem<br />
System wechselseitiger Rechte und Pflichten und sehen<br />
gemeinsame paritätisch besetzte Ausführungsorgane<br />
vor. Beim Aushandeln von AssoziierungsabkommenwirkenRat,KommissionundEuropäisches<br />
Parlament nach Art. 300 EGV zusammen. Aufgrund<br />
ihrer Initiativfunktion unterbreitet die Kommission<br />
dem Rat entsprechende Vorschläge. Der Rat wiederum<br />
ermächtigt die Kommission zur Aufnahme von<br />
Verhandlungen mit dem Partner. Außer bei Verträgen,<br />
die EU-interne Vorschriften tangieren, und bei<br />
Assoziierungsabkommen, die der Einstimmigkeit<br />
sowie der Zustimmung des Europäischen Parlaments<br />
bedürfen, beschließt der Rat mit qualifizierter<br />
Mehrheit. Organe der Assoziierungsabkommen sind<br />
�Assoziationsräte, -ausschüsse und Parlamentarische<br />
Assoziationsausschüsse.<br />
2. Bilanz und Perspektiven: Die Assoziierungsabkommen<br />
haben nicht nur einen wesentlichen Beitrag<br />
zur Liberalisierung und Förderung des Welthandels,<br />
sondern auch zur Wahrung des Weltfriedens geleistet.Vorallemdiesog.Beitrittsassoziierungenstellen<br />
einen besonders hoch zu bewertenden Beitrag zur<br />
dauerhaften Sicherung des Friedens in Europa und<br />
zur europäischen Integration dar. Zu lösen bleibt die<br />
wichtige Aufgabe, der Osterweiterung der EU die<br />
wirtschaftliche und soziale Harmonisierung durch<br />
den Ausgleich regionaler und sozialer Ungleichgewichte<br />
folgen zu lassen und auch die südosteuropäischen<br />
Beitritts- bzw. beitrittswilligen Länder (Bulgarien,<br />
Rumänien, Kroatien, Mazedonien) in die EU<br />
zu integrieren sowie ggf. die übrigen Staaten (Serbien<br />
und Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Albanien)<br />
darauf vorzubereiten. Ob die im Dezember<br />
2004 beschlossene Aufnahme von Beitrittsverhandlungen<br />
mit der Türkei zu einem erfolgreichen Abschluss<br />
führen wird, bleibt abzuwarten.<br />
42<br />
Wichtige Beiträge zur Handelsliberalisierung und<br />
zur Friedenssicherung erfolgten durch die Entwicklungsassoziierung<br />
sowohl im Rahmen des Loméund<br />
Cotonou-Abkommens als auch der Mittelmeerabkommen<br />
sowie der Kooperationsabkommen mit<br />
den ost-/südostasiatischen Staaten. Um die in vielen<br />
Vertragsstaaten wachsenden wirtschaftlichen und<br />
sozialen Probleme bewältigen zu können, bedarf es<br />
weiterergemeinsamerAnstrengungen. K. E.<br />
Literatur: Vgl. �Entwicklungspolitik<br />
Assoziierungsabkommen �Assoziierung, �Außenbeziehungen<br />
Ziff. 4.2.1<br />
Asylpolitik der EU<br />
1. Genese: Mit dem Programm zur Vollendung des<br />
Binnenmarktes, dem �Schengener Übereinkommen<br />
und dem damit verbundenen Wegfall der Grenzkontrollen<br />
innerhalb der Gemeinschaft begann Mitte der<br />
1980er Jahre die Debatte über eine europäische Harmonisierung<br />
des Asylrechts.<br />
Bis zum Inkrafttreten des �Vertrages von Amsterdam<br />
(1. 5. 1999) war es Aufgabe der EU, die Zuwanderung<br />
zu koordinieren und zu kontrollieren. Europäische<br />
Asylpolitik beschränkte sich eher auf technische<br />
und juristische Fragen, hatte daher reaktiven<br />
Charakter und klammerte prinzipielle Erörterungen<br />
aus. Wesentliche Fragen der Asylpolitik wurden außerhalb<br />
des EU-Rahmens in intergouvernementalen<br />
Gremien behandelt, so dass die Regelungsbefugnisse<br />
der EU begrenzt sind. Auf Grund des im EU-Recht<br />
geltenden �Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung<br />
ist für den Erlass rechtlicher Vorschriften<br />
grundsätzlich eine Ermächtigung für ein EU-Organ<br />
im Primärrecht notwendig. Die Folge sind völkerrechtliche<br />
Übereinkommen, die es bei den national<br />
unterschiedlichen materiellen Regelungen belassen<br />
und die �Harmonisierung der formellen Asylverfahren<br />
anstreben.<br />
2. Dubliner Abkommen und Schengen II: Diese Zielsetzungen<br />
sind konkretisiert im Dubliner Abkommen<br />
(25. 6. 1990; in Kraft 1997) sowie im Übereinkommen<br />
zur Durchführung des Schengener Abkommens<br />
(Schengen II, 19. 6. 1990). Beide Abkommen<br />
beschränken sich darauf, einheitliche Zuständigkeitskriterien<br />
festzulegen. Kernpunkt der Dubliner<br />
Konvention ist, dass nur noch ein EU-Staat für die<br />
Prüfung eines Asylantrages zuständig ist. Ferner haben<br />
sich die EU-Länder verpflichtet, alle Asylanträ-
ge, die Angehörige von Drittländern an der Grenze<br />
oder auf dem Gebiet der EU stellen, zu prüfen und<br />
alle personengebundenen Daten auf Antrag untereinander<br />
auszutauschen. Gleichwohl wird mit diesem<br />
Übereinkommen kein echter Status als politischer<br />
Flüchtling innerhalb der EU geschaffen, weil<br />
die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für Asylbewerber<br />
bestehen bleiben. Ähnlich angelegt ist<br />
Schengen II. Es baut auf dem Schengener Abkommen<br />
vom 14. 6. 1985 auf. Um die mit dem Abbau der<br />
Grenzkontrollen verbundenen „Sicherheitsdefizite“<br />
auszuschließen, sieht das Übereinkommen Ausgleichmaßnahmen<br />
vor. Dazu gehören u. a.<br />
– Regelungen darüber, welche Mitgliedstaaten für<br />
welche Asylanträge zuständig sind. Grundlegend ist<br />
dabei das Prinzip der Erstbefassung in dem EU-<br />
Staat, der als erster mit dem Asylbewerber zu tun hatte;<br />
– die gegenseitige Anerkennung der Gültigkeit von<br />
Asylentscheidungen.<br />
3. Vertrag von Amsterdam: Dublin und Schengen II<br />
waren kein Beitrag, um die Problematik des Asylrechts<br />
in Europa zu lösen. Ansätze dazu enthält der<br />
durch den Vertrag von Amsterdam in den<br />
EG-VertrageingefügteTitelIVzuAsylundEinwan-<br />
, UNHCR<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
2004<br />
–<br />
–<br />
–<br />
–<br />
Asylpolitik<br />
derung. Artikel 63 EGV sieht vor, dass der Rat innerhalb<br />
von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags<br />
von Amsterdam (einstimmig) folgende Entscheidungen<br />
in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention<br />
(1951) und dem Protokoll über die<br />
RechtsstellungderFlüchtlinge(1967)zutreffenhat:<br />
– Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates,<br />
der für die Prüfung eines Asylantrages<br />
zuständig ist;<br />
– Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern,<br />
für die Anerkennung von Staatsangehörigen<br />
dritter Länder als Flüchtlinge und für die Verfahren<br />
in den Mitgliedstaaten zur An- oder Aberkennung<br />
der Flüchtlingseigenschaft. (�Einwanderungspolitik<br />
der EU)<br />
4. Sondergipfel in Tampere, Finnland (Oktober<br />
1999): Dort setzte sich der Europäische Rat ein langfristiges<br />
Ziel: Die EU-Regelungen sollen zu einem<br />
gemeinsamen Asylverfahren und zu einem einheitlichen,<br />
in der ganzen EU geltenden Status für diejenigen<br />
führen, denen Asyl gewährt wurde. Dazu zählt<br />
auch die Zuständigkeitsregel, wonach ein AsylbewerberindemLandseinenAntragstellt,daserzuerst<br />
betreten hat.<br />
5. Verfassungsvertrag 2004: Der Verfassungsver-<br />
9,6<br />
32,4<br />
2004<br />
15,4<br />
3,2<br />
35,6<br />
3,7<br />
61,6<br />
4,5<br />
40,2<br />
4,8<br />
10,0<br />
9,8<br />
24,7<br />
8,1<br />
0,1<br />
23,2<br />
5,4<br />
11,4<br />
1,2<br />
5,5<br />
1,6<br />
9,9<br />
43
Asylverfahrensrichtlinie<br />
trag 2004 schreibt die Asylpolitik fort. Wenn er in<br />
Kraft tritt, entwickelt die Union eine gemeinsame<br />
Politik im Bereich Asyl. Durch Europäische Gesetze<br />
oder Rahmengesetze werden für eine gemeinsame<br />
AsylregelungMaßnahmenfestgelegt.Sieumfassen<br />
– einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen<br />
Asylstatus für Drittstaatsangehörige;<br />
– gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den<br />
Entzug des einheitlichen Asylstatus;<br />
– Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats,<br />
der für die Prüfung eines Antrages auf<br />
Asyl zuständig ist;<br />
– Normen für die Aufnahmebedingungen von Personen,<br />
die Asyl beantragen;<br />
– Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittstaaten<br />
zur Steuerung der Zuwanderungsströme von Personen,<br />
die Asyl beantragen.<br />
Gleichlautende Regelungen sollen auch für jeden<br />
Drittstaatsangehörigen entwickelt werden, der vorübergehend<br />
Schutz benötigt, um den Grundsatz der<br />
Nicht-Zurückweisung zu gewährleisten. Diese Politik<br />
muss mit der Genfer Flüchtlingskonvention<br />
(1951) und mit dem Protokoll über die RechtsstellungvonFlüchtlingen(1967)inEinklangstehen.<br />
6. Fazit: Die Zahl der Asylanträge in der EU hat sich<br />
gegenüber Mitte der 1990er Jahre halbiert. Der verbesserte<br />
Schutz der Außengrenzen und die Abschiebung<br />
der Migranten über Rücknahmeabkommen mit<br />
sog. sicheren Drittstaaten sind dafür ursächlich. Eine<br />
einheitliche Liste dieser Staaten hat die EU noch<br />
nicht erstellt.<br />
Hinzu kommen technische Unterstützungssysteme<br />
wie die Datenbank �Eurodac. Mit Hilfe von Eurodac<br />
– bei jedem Asylantrag werden Fingerabdrücke digitalisiert<br />
und in einem Zentralrechner nach Luxemburg<br />
geschickt – machten die Behörden allein 2003<br />
über 17 000 Mehrfachanträge fest.<br />
Zukünftig gilt, dass sich neue Migrationstypen entwickeln<br />
(Armuts-, Elends, Umweltflüchtlinge), die<br />
das bisherige Flüchtlingsspektrum erweitern. Die<br />
Probleme der Migration können nicht allein in den<br />
EU-Aufnahmeregionen gelöst werden. Dabei gibt es<br />
auch unpopuläre Maßnahmen, wie die Vereinbarung<br />
Italiens mit Libyen (2003), dort ein Lager für afrikanische<br />
Asylbewerber einzurichten, die nach Europa<br />
flüchten wollen. Italien erhofft sich dadurch eine<br />
Entlastung, da Asylsuchende immer wieder an Italiens<br />
Küsten landen. Ähnliches gilt für Spanien mit<br />
seiner Enklave Ceuta in Marokko.<br />
44<br />
Eine aktive Asylpolitik sollte darauf gerichtet sein,<br />
die Ursachen für die Flucht von Menschen abzuschwächen.<br />
Die EU-Asylpolitik sollte nach allgemeiner<br />
Auffassung drei Elemente umfassen:<br />
– eine Politik der �Integration und sozialen SicherungfürAsylanten/Migranten,dieinderEUleben;<br />
– eine passive Asylpolitik mit Bestimmungen zur<br />
Regelung des Asylverfahrens, zur Erfassung und<br />
Kontrolle der Asylbewerber und zur Unterbindung<br />
illegaler Migranten;<br />
– eine aktive Migrationspolitik als Abschwächung<br />
des Wanderungspotenzials durch Maßnahmen technischer,finanzieller,sozialerundpolitischerZusammenarbeit<br />
mit den Herkunftsländern.<br />
Die Kommission plädiert für eine passive und aktive<br />
Asylpolitik mit dem Ziel, die Zuwanderung zu erfassen<br />
und zu kontrollieren. Dazu gehören<br />
– humane Zuwanderungskriterien für politische<br />
Flüchtlinge und Asylbewerber;<br />
– soziale Zuwanderungskriterien für Angehörige<br />
vonMigranten,dieinderEUleben. L. U.<br />
�Einwanderungspolitik der EU<br />
Literatur:<br />
Baumann, K. u. a.: Asyl in Deutschland und Europa.<br />
Universität Mainz 1993<br />
Bielmeier, J./Stein, G.: Stichwort: Asyl in Deutschland und<br />
Europa. München 1992<br />
Fliegauf, H.: Die EU als Ziel von Migrationsbewegungen.<br />
In: Politische Studien 347/1996, S. 39 – 50<br />
Hailbronner, K.: Asyl- und Einwanderungsrecht in der<br />
Europäischen Gemeinschaft. Universität Saarbrücken 1992<br />
Heckmann, Fr. (Hg.): Freizügigkeit in Europa. Bamberg 1996<br />
Münch, U.: Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland:<br />
Entwicklung und Alternativen. Opladen 1993<br />
Asylverfahrensrichtlinie �Außengrenzen, �Einwanderungspolitik<br />
Ziff. 2<br />
ATEE (Association for Teacher Education in Europe,<br />
Vereinigung für Lehrerbildung in Europa). Europäische<br />
Fachgesellschaft für Lehrerbildung mit institutionellerundindividuellerMitgliedschaft.Führt<br />
zu Fragen der Lehrerbildung Jahrestagungen, Frühlingsuniversitäten<br />
und Fachtagungen durch, insbes.<br />
zur Nord-Süd-Themen im europäischem Kontext.<br />
Anschrift: Rue de la Concorde 60, B–1050 Brüssel.<br />
Audiovisueller Bereich �Medienpolitik<br />
Audit (engl.) ist die (auch unangekündigte) Prüfung<br />
(Rechnungsprüfung, Wirtschaftsprüfung) oder Bü-
cherrevision. Im Bereich der EU bezeichnet Audit<br />
verschiedene Prüfverfahren bzw. die nach Prüfung<br />
erteilten Sichtvermerke.<br />
– Finanzkontrolle: Verbindlich vorgeschrieben ist<br />
die Prüfung aller vorgeschlagenen Finanztransaktionen<br />
und ihre Genehmigung durch Erteilung des<br />
Sichtvermerks. Seit 1998 können nach Änderung der<br />
Haushaltsordnung (VO 2548/1998, ABl. L 320/<br />
1998) Anträge auf Mittelbindung stichprobenartig<br />
kontrolliert werden.<br />
– Interner Auditdienst: Jedes Organ muss nach der<br />
gültigen Haushaltsordnung (VO 1605/2002, ABl. L<br />
248/2002) das Amt eines unabhängigen Internen<br />
Prüfers einrichten. Der Interne Audit überprüft und<br />
beurteilt das ordnungsgemäße Funktionieren der<br />
Kontrollsysteme und der Haushaltsvollzugsverfahren.<br />
Er berät das Organ in Fragen der Risikokontrolle.<br />
Er erstellt jährlich einen Prüfungsbericht über die<br />
durchgeführtenPrüfungen,seineEmpfehlungenund<br />
die daraufhin getroffenen Maßnahmen.<br />
– Audit Zertifikate: Vertragspartner der EG, die Fördermittel<br />
aus dem Forschungsrahmenprogramm erhalten,<br />
müssen die entstandenen Kosten in einer<br />
Prüfbescheinigung, dem Audit Zertifikat, nachweisen.<br />
Nach einer Sonderregelung der Kommission<br />
vom April 2005 sind Empfänger von weniger als<br />
150 000 Euro pro Berichtszeitraum von der Zertifizierung<br />
befreit. Das Zertifikat kann z. B. von einem<br />
externen Wirtschaftsprüfer erstellt werden.<br />
– Öko-Audit: Ein Umweltsiegel, das für überprüfbares<br />
und kontinuierlich verbessertes „besonders umweltschonendes<br />
Wirtschaften“ vergeben wird. Nach<br />
Formulierung eigener Zielvorstellungen (Umweltleitlinien)<br />
und Analyse des Ist-Zustandes legt das<br />
Unternehmen konkrete Maßnahmen mit Fristen fest<br />
und baut ein verantwortliches Umweltmanagementsystem<br />
auf. Unabhängige Umweltgutachter führen<br />
regelmäßige Überprüfungen durch und beurkunden<br />
das Umweltsiegel, das für drei Jahre gilt. Das Unternehmen<br />
kann mit dem Öko-Audit werben.<br />
– Datenschutz-Audit: Die EU fördert Projekte von<br />
Staaten oder Regionen, die sicherstellen, dass die<br />
von Behörden eingesetzten Produkte im IT-Bereich<br />
den Vorschriften der Datenschutzgesetze entsprechen.<br />
Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen<br />
können die Kosten für die Prüfung zu einem Teil<br />
ersetzt bekommen.<br />
– Energie-Audit: Im Auftrag der Kommission erstellte<br />
Untersuchung in 25 EU-Staaten sowie 2 Bei-<br />
Aufenthaltsrecht<br />
trittsländern über Programme der öffentlichen Hand<br />
zur Steigerung der Energieeffizienz.<br />
Aufenthaltsrecht. Das Aufenthaltsrecht ist Bestandteil<br />
des Rechts auf �Freizügigkeit der Personen<br />
im Bereich der Europäischen Union. So setzt die<br />
Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der<br />
�Niederlassungsfreiheit selbständiger und der<br />
�Dienstleistungsfreiheit die rechtlich abgesicherte<br />
Möglichkeit der Einreise und des Aufenthalts der begünstigten<br />
Angehörigen eines Mitgliedstaats der EU<br />
voraus.InsofernergibtsichaufGrunddieserFreiheiten<br />
ein Einreise- und Aufenthaltsrecht mit unmittelbarer<br />
Wirkung. Die demgemäß zur Verwirklichung<br />
der wirtschaftlichen Grundfreiheiten erlassenen<br />
Richtlinien aus den 1960er und 1970er Jahren sehen<br />
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht für EG-Bürger<br />
vor. Die Mitgliedstaaten haben hierzu eine Bescheinigung,<br />
die sog. „Aufenthaltserlaubnis“ für Angehörige<br />
eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft<br />
zu erteilen, die aber nicht, wie ansonsten<br />
die ausländerrechtliche Aufenthaltserlaubnis, konstitutive<br />
Wirkung, sondern lediglich deklaratorische<br />
Wirkung hat, da das Aufenthaltsrecht dem EG-Bürger<br />
durch Europäisches Recht verliehen ist und nicht<br />
durch nationales Recht (EuGH, Urt. v. 8. 4. 1976 –<br />
Rs. C-48/75 – Royer).<br />
Personen, die nach den Bestimmungen des �Gemeinschaftsrechts<br />
ein solches Aufenthaltsrecht haben,könnendemgemäßwederausgewiesennochmit<br />
Strafsanktionen oder anderen Zwangsmaßnahmen<br />
belegt werden, wenn sie es unterlassen haben, sich<br />
die besondere Aufenthaltserlaubnis zu beschaffen<br />
oder diese zu verlängern. Ehegatten ohne Rücksicht<br />
auf die Staatsangehörigkeit sowie Kinder unter 21<br />
Jahren und weitere Verwandte, denen die Begünstigten<br />
Unterhalt gewähren, sind diesen gleichgestellt.<br />
Im Bereich der Dienstleistungsfreiheit wird den<br />
Dienstleistungserbringern und Empfängern ein Aufenthaltsrecht<br />
gewährt, das auf die Dauer der Dienstleistung<br />
befristet ist.<br />
Nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, SicherheitundGesundheitkönnenMitgliedstaatenvondiesen<br />
Vorschriften abweichen. Da dies naturgemäß<br />
rechtunbestimmtist,hatdieEURichtlinienerlassen,<br />
die die Rechts- und Verwaltungsvorschriften hierzu<br />
harmonisieren. So schreibt die Richtlinie 73/148<br />
(ABl. L 172/1973) vor, dass bei Maßnahmen der öffentlichen<br />
Ordnung oder Sicherheit ausschließlich<br />
45
Ausfuhrbeihilfen<br />
auf das persönliche Verhalten des Betroffenen abzustellen<br />
ist. Generalpräventive Maßnahmen sind also<br />
unzulässig. Strafrechtliche Verurteilungen allein begründen<br />
keine Ausweisung eines EG-Bürgers, auch<br />
nicht der Ablauf der Gültigkeit des Einreisedokuments<br />
und Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit<br />
und Gesundheit dürfen auch nicht für wirtschaftlicheZweckegeltendgemachtwerden.Krankheiten,<br />
die das Verbot einer Einreise und Aufenthalts begründen,<br />
sind in der Richtlinie abschließend aufgeführt.<br />
Im Zuge eines Berichts über das �„Europa der Bürger“<br />
im Zusammenhang mit dem Programm zur<br />
Vollendung des Europäischen Binnenmarktes und<br />
der �Einheitlichen Europäischen Akte erließ die EU<br />
im Jahre 1990 drei Richtlinien, die ein allgemeines<br />
Aufenthaltsrecht für bestimmte Personengruppen<br />
vorsahen, unabhängig von den vorerwähnten wirtschaftlichen<br />
Grundfreiheiten. So wurde ehemaligen<br />
Arbeitnehmern, die eine Rente beziehen, ein allgemeines<br />
Aufenthaltsrecht zugestanden, wenn sie ihren<br />
Lebensunterhalt durch die Rente decken konnten.<br />
Studierenden wird für die Zeit ihrer Ausbildung und<br />
unter der Voraussetzung, dass sie ihren Lebensunterhalt<br />
decken können, ein Aufenthaltsrecht zugestanden.<br />
Schließlich sieht die Richtlinie 90/364 ein Aufenthaltsrecht<br />
für jedermann vor, auch wenn er unter<br />
keine der speziellen Rechtsvorschriften fällt, aber<br />
seinen eigenen Lebensunterhalt sicherstellen kann.<br />
Dieses allgemeine Aufenthaltsrecht wurde durch die<br />
Einführung des Art. 8 a in den EG-Vertrag durch den<br />
Vertrag von Maastricht (jetzt Art. 18 EGV) formell<br />
bekräftigt. Nun steht jedem Bürger das persönliche<br />
Grundrecht zu, sich auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten<br />
frei zu bewegen und niederzulassen.<br />
In einem Bericht der Kommission vom 18. 3. 1999<br />
weistdiesedaraufhin,dassdieUmsetzungdervorerwähnten<br />
Richtlinien über die Erweiterung des Aufenthaltsrechts<br />
zur Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren<br />
gegen fast alle Mitgliedstaaten geführt<br />
hat. Lediglich drei Staaten hatten die Richtlinien<br />
fristgerecht umgesetzt. Sie stellte ferner fest,<br />
dass die konkrete Durchführung der Rechtsvorschriften<br />
in den Mitgliedstaaten offenbar größte<br />
Schwierigkeiten machte. Beschwerden und Petitionen<br />
an das Europäische Parlament, Befragungen und<br />
andere Erhebungen zeigten, dass die Bürger, die das<br />
allgemeine Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen<br />
46<br />
wollten, mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. So<br />
wurden insbes. langwierige und komplizierte BehördengängebiszurAusstellungderAufenthaltserlaubnis<br />
festgestellt. Die Behörden stellen sehr hohe Anforderungen<br />
an den Nachweis von Krankenversicherungen<br />
und Existenzmitteln. Infolge davon gab es<br />
eine erste Änderung der Richtlinie 90/364 im Jahre<br />
2004 (2004/38, ABl. L 158/2004), die einige dieser<br />
Probleme abstellen soll.<br />
Selbst die „Unionsbürgerschaft“ und das Wahlrecht<br />
der Unionsbürger konnten bisher anscheinend nicht<br />
dazu beitragen, in diesem etwas anderes als „Ausländer“zusehen.<br />
M. K.<br />
Ausfuhrbeihilfen �Gemeinsame Agrarpolitik<br />
Ausfuhrerstattungen. Instrument der landwirtschaftlichen<br />
Marktordnungen zur Anpassung der<br />
Preise von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und<br />
landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten, die<br />
aus der EU exportiert werden, an die (niedrigeren)<br />
Weltmarktpreise (Entsprechung im Import: �Abschöpfungen).<br />
Exporteure von Agrarprodukten erhalten<br />
die Differenz zwischen dem hohen Einkaufspreis<br />
in der EU und dem (meist) niedrigeren Verkaufspreis<br />
auf dem Weltmarkt erstattet. Die Höhe<br />
der Erstattungen wird von der Kommission festgesetzt.<br />
Die Erstattungen werden dem �EAGFL entnommen<br />
und von nationalen Zollbehörden ausgezahlt.<br />
Sie sind Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen<br />
Agrarpolitik. Aktuelle Rechtsgrundlage<br />
istu.a.dieVerordnung800/1999,Abl.L102/1999.<br />
Die EU hatte sich im Rahmen des neuen WTO-<br />
Abkommens (�WTO) vom 1. 1. 1995 verpflichtet,<br />
die Ausfuhr von Agrarprodukten unter Gewährung<br />
von Ausfuhrerstattungen bis zum Jahr 2001 gegenüber<br />
dem Zeitraum 1986–1990 mengenmäßig um<br />
21 % und dem Betrag nach um 36 % zu verringern.<br />
Der Anspruch auf Erstattung ist seither zwingend an<br />
die Vorlage einer Ausfuhrlizenz gebunden. �Gemeinsame<br />
Agrarpolitik<br />
Ausgleichsabgaben sind nach Art. 38 EGV (bzw.<br />
Art. III-128 VVE 2004) erlaubte zollähnliche Abgaben,<br />
die bei der Ein- oder Ausfuhr von Agrarprodukten<br />
innerhalb der EU erhoben werden dürfen, um<br />
Wettbewerbsnachteileauszugleichen,dieentstehen,<br />
wenn in einem Mitgliedstaat ein Erzeugnis aufgrund<br />
innerstaatlicher Marktordnung oder einer Regelung
ähnlicher Wirkung günstiger angeboten werden<br />
kann. Die Höhe der Abgabe setzt die Kommission<br />
fest. �Grenzausgleich<br />
Ausgleichsfonds. (1) In der Entwicklungspolitik<br />
der EU der Fonds zur Stabilisierung von Erlösen aus<br />
dem Export agrarischer Rohstoffe (�STABEX). (2)<br />
Im Bereich der �Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarkts<br />
ein Fonds, zu dessen Finanzierung die Mitgliedstaaten<br />
alle Postdienstleister heranziehen können.<br />
Der Ausgleichsfonds soll sicherstellen, dass bei<br />
weiterer Öffnung der Postmärkte ein flächendeckender<br />
Universaldienst möglich ist. Aus dem Fonds sollen<br />
Dienstleister gefördert werden, die sich verpflichten,<br />
den Postdienst dort aufrechtzuerhalten,<br />
wo er für kommerzielle Unternehmen nicht kostendeckend<br />
möglich ist.<br />
Ausgleichsmechanismus für das Vereinigte Königreich.<br />
Von 1974 bis 1984 beherrschte das Haushaltsungleichgewicht<br />
Großbritanniens – die größte<br />
�„Nettozahlerposition“ gegenüber dem �Haushalt<br />
der Gemeinschaft – die Diskussion um die Finanzierung<br />
der EG. Dieses Ungleichgewicht war vor allem<br />
entstanden wegen der – im Vergleich zum europäischen<br />
Kontinent – anderen Strukturen der britischen<br />
Landwirtschaft und dem sich daraus ergebenden höheren<br />
Bedarf an Einfuhren von Agrarprodukten.<br />
Großbritannien erhielt deshalb weniger Mittel aus<br />
dem �EAGFL als andere Mitgliedstaaten mit vergleichbarem<br />
Bruttosozialprodukt. Der Anteil der<br />
Agrarausgaben am Gesamthaushalt der Gemeinschaft<br />
lag zu jener Zeit allerdings über 70 %.<br />
Der Streit um den Haushalt der Gemeinschaft blockierte<br />
jahrelang Fortschritte in anderen wichtigen<br />
Bereichen der E(W)G. Der �Europäische Rat von<br />
Fontainebleau am 25./26. 6. 1984 fand eine Lösung<br />
in Form eines Ausgleichsmechanismus („Britenrabatt“)<br />
zugunsten der britischen Zahlungen. In den<br />
Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von<br />
Fontainebleau heißt es dazu: „1. [...] Grundlage der<br />
Korrektur ist die Differenz zwischen dem Anteil der<br />
Mehrwertsteuer-Zahlungen und dem Anteil an den<br />
nach den derzeitigen Kriterien aufgeteilten Lasten.<br />
2. Für das Vereinigte Königreich wird folgende Regelung<br />
angenommen: Für das Jahr 1984 wird ein<br />
Pauschbetrag von 1000 Mill. ECU festgesetzt. Ab<br />
1985 wird die Differenz nach Nummer 1 [...] jährlich<br />
in Höhe von 66 % berichtigt. 3. [...] Die Lasten, die<br />
Ausgleichsmechanismus<br />
sich daraus für die anderen Mitgliedstaaten ergeben,<br />
werden nach deren regulären MwSt-Anteil aufgeteilt,<br />
der so angepasst wird, dass sich der Anteil der<br />
Bundesrepublik Deutschland auf zwei Drittel ihres<br />
MwSt-Anteils beläuft.“ Durch den Ausgleich wurde<br />
der britische Anteil am EU-Haushalt seither jährlich<br />
verringert, 2005 um 5,12 Mrd. Euro (s. Tabelle).<br />
Da nach 1984 in mehreren anderen Mitgliedstaaten<br />
das Haushaltsungleichgewicht bei der Finanzierung<br />
der Gemeinschaft erheblich angewachsen ist (u. a. in<br />
Deutschland, den Niederlanden, Österreich und<br />
Schweden), ist die Diskussion um Korrekturen der<br />
Ungleichgewichte seither nicht verstummt. Der<br />
Ausgleichsmechanismus für Großbritannien ist jedoch<br />
Bestandteil des Eigenmittelsystems der EU,<br />
das (nach Art. 269 EGV) nur einstimmig geändert<br />
werden kann. Für den zurzeit geltenden �Eigenmittelbeschluss<br />
von 2000 bis 2006 hat der Europäische<br />
Rat von Berlin 1999 beschlossen, den Ausgleichsmechanismus<br />
mit geringen Änderungen weiterzuführen<br />
und die dadurch entstehenden Lasten für die<br />
Korrektur zugunsten Großbritanniens im<br />
Haushaltsjahr 2005 (insg. 5 115,2 Mio. Euro)<br />
davon entfallen auf<br />
Land Betrag<br />
Belgien 248,9<br />
Dänemark 170,5<br />
Deutschland 327,2<br />
Estland 7,2<br />
Finnland 129,6<br />
Frankreich 1 417,0<br />
Griechenland 148,8<br />
Irland 106,5<br />
Italien 1 174,0<br />
Lettland 9,0<br />
Litauen 15,8<br />
Luxemburg 19,8<br />
Malta 3,9<br />
Niederlande 69,0<br />
Österreich 34,9<br />
Polen 163,6<br />
Portugal 116,5<br />
Schweden 42,1<br />
Slowakei 29,3<br />
Slowenien 23,0<br />
Spanien 707,2<br />
Tschechisch. Rep. 70,1<br />
Ungarn 70,5<br />
Zypern 10,9<br />
insgesamt 5 115,2<br />
47
Auslegung<br />
größten Nettozahler Deutschland, die Niederlande,<br />
Österreich und Schweden auf 25 % ihres normalen<br />
Anteils zu verringern.<br />
Für den für die Zeit nach 2006 anstehenden Eigenmittelbeschluss<br />
der EU (�Finanzielle Vorausschau)<br />
sollen geänderte Regelungen gefunden werden. Ein<br />
erster Versuch zur Änderung des „Britenrabatts“<br />
scheiterte beim Finanzgipfel des Europäischen Rats<br />
am 16./17. 3. 2005 in Brüssel.<br />
Auslegung von Gemeinschaftsrecht. Letztinstanzlich<br />
obliegt dem EuGH die Auslegung des Gemeinschaftsrechts.<br />
Er bedient sich hierzu der grammatikalischen,dersystematischenundinsbes.derteleologischen<br />
Methode: Grundsätzlich wird vom<br />
Wortlaut der Norm ausgegangen. Hierbei kann allerdings<br />
das Problem auftauchen, dass sich die verschiedenen,<br />
gleich verbindlichen Amtssprachen widersprechen<br />
können. In diesem Fall gilt die Fassung,<br />
die den Bürger am wenigsten belastet, wenn dadurch<br />
das Regelungsziel nicht gefährdet wird. Des Weiteren<br />
orientiert sich die Auslegung des EuGH an der<br />
systematischen Geschlossenheit und Widerspruchsfreiheit<br />
der europäischen Rechtsordnung. Praktisch<br />
am relevantesten jedoch ist die teleologische Auslegung,<br />
die nach dem Sinn und Zweck der Norm fragt<br />
und sich zudem EU-spezifisch bemüht, nach dem<br />
Grundsatz des �„effet utile“ alle denkbaren Gemeinschaftsbefugnisse<br />
voll auszuschöpfen. Diese integrationsfreudige<br />
und dynamische Methodik führt<br />
bisweilen zur Rechtsfortbildung und kann hierbei<br />
mit dem �Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung<br />
in Konflikt geraten. Insgesamt legt der EuGH<br />
die europarechtlichen Begriffe unabhängig von der<br />
InterpretationderMitgliedstaatenaus,umsoeineeuropaweit<br />
einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechtsherbeizuführen.<br />
J. M. B.<br />
Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft<br />
(EAGFL) �Fonds der EU<br />
Ausschluss aus der EU �Austritt/Ausschluss aus<br />
der EU<br />
Ausschuss der Präsidenten der Zentralbanken<br />
der Mitgliedstaaten der EWG. Der Ausschuss wurde<br />
1964 durch Beschluss des Rates eingesetzt. Mitglieder:<br />
die Präsidenten der Zentralbanken aller Mitgliedstaaten;<br />
sie bestimmten aus ihrer Mitte einen<br />
48<br />
Präsidenten des Ausschusses. Unterstützt wurde der<br />
Ausschuss durch Arbeitsgruppen. Er erfüllte vor allem<br />
Aufgaben im Rahmen des �Europäischen Währungssystems<br />
und bei der Vorbereitung des �EuropäischenSystemsderZentralbanken.DerAusschuss<br />
istam1.1.1994im �EuropäischenWährungsinstitut<br />
(EWI) aufgegangen, dem Vorläufer der Europäischen<br />
Zentralbank.<br />
Ausschuss der Regionen (AdR). Die Regelungen<br />
über den AdR finden sich im EG-Vertrag in den Artikeln<br />
263 bis 265. Der Ausschuss wurde durch den<br />
�Maastrichter Vertrag 1992/93 ins Leben gerufen.<br />
Er ist dem �Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />
(WSA) nachgebildet und umfasst maximal 350 Mitglieder<br />
(seit der Osterweiterung 2004 hat der AdR<br />
317 Mitglieder), die vom Rat auf Vorschlag der jeweiligen<br />
Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit<br />
auf vier Jahre ernannt werden (anders als beim WSA<br />
zuzüglich einer gleichen Anzahl von Stellvertretern).<br />
Wiederernennung ist zulässig. Eine gleichzeitige<br />
Mitgliedschaft im Europäischen Parlament ist<br />
ausgeschlossen. Die AdR-Mitglieder sind an keine<br />
Weisungen gebunden und sollen ihre Tätigkeit in<br />
voller Unabhängigkeit zum Wohle der Gemeinschaft<br />
ausüben.<br />
In der Regierungskonferenz zum Vertrag von Nizza<br />
wurde folgende Sitzverteilung im AdR der um 10<br />
Staaten erweiterten EU vorgesehen: Deutschland,<br />
VereinigtesKönigreich,FrankreichundItalienje24,<br />
SpanienundPolenje21,Niederlande,Griechenland,<br />
Tschechische Republik, Belgien, Ungarn, Portugal,<br />
Schweden, Österreich je 12, Slowakei, Dänemark,<br />
Finnland, Irland und Litauen je 9, Lettland, Slowenien<br />
und Estland je 7, Zypern und Luxemburg je 6,<br />
Malta 5; insgesamt mithin 317 Mitglieder. Für die<br />
Beitrittskandidaten Rumänien sind 15, für Bulgarien<br />
12 Sitze vorgesehen.<br />
Vondendeutschen24AdR-Sitzensindderzeit16auf<br />
die Bundesländer vergeben, 5 Sitze werden von den<br />
Bundesländern im Rotationsverfahren wahrgenommen,<br />
3 sind an die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände<br />
verteilt. Seit dem Vertrag von Nizza<br />
2001/03 können nur noch Vertreter regionaler oder<br />
lokaler Gebietskörperschaften Mitglied werden, die<br />
entwedereinaufWahlenberuhendesMandatineiner<br />
regionalenoderlokalenGebietskörperschaftinnehaben<br />
oder gegenüber einer gewählten Versammlung<br />
politisch verantwortlich sind. Mit dem Ende dieses
nationalen Mandates endet automatisch auch die<br />
AdR-Mitgliedschaft; für die verbleibende Amtszeit<br />
wirddannaufgleicheWeiseeinNachfolgerernannt.<br />
Der AdR wird als beratendes Gremium von Rat,<br />
Kommission oder auch vom Europäischen Parlament<br />
in der Regel dann angehört, wenn regionale,<br />
insbes.auchgrenzüberschreitendeInteressenbetroffen<br />
sind. Ziel des AdR ist es gewissermaßen, die europäischen<br />
Organe und die EU-Regionen durch einen<br />
„direkten Draht“ zu verbinden. Erfahrungen und<br />
InteressenderRegionensollenunmittelbarindeneuropäischen<br />
Entscheidungsprozess einfließen. Insoweit<br />
ist der AdR Teil des �Subsidiaritätsprinzips,<br />
durchdieBeteiligungderregionalenundlokalenGebietskörperschaften<br />
soll die EU weiter zum �„Europa<br />
der Bürger“ ausgebaut werden. Inwieweit dies<br />
dem AdR gelingt bzw. inwieweit er möglicherweise<br />
„Feigenblatt“-Funktion hat, kann unterschiedlich<br />
beurteilt werden. Die vertragliche Einstufung als<br />
bloßes „Neben-Organ“ ohne Klagebefugnis vor dem<br />
EuGH sprach bislang eher für Letzteres. Allerdings<br />
kann das Ausmaß des Einflusses im europäischen Institutionengefüge<br />
nur schwer abstrakt beurteilt werden.<br />
Zur politischen Stärkung des AdR sieht der EU-<br />
Verfassungsvertrag 2004 (vgl. Art. I-11 Abs. 3 und<br />
Art. I-32) jedenfalls vor, dass der Ausschuss zukünftig<br />
�Subsidiaritätsklage gem. dem NichtigkeitsverfahrendesArt.III-365VVE<br />
erhebenkann. J. M. B.<br />
Anschrift: Rue Belliard, 101 B–1040 Brüssel<br />
Internet: www.cor.eu.int<br />
Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV),<br />
COREPER<br />
1. Begriffserklärung: Der AStV, häufig nach seiner<br />
französischen Abkürzung auch COREPER (Comité<br />
des Représentants Permanents) genannt, ist die<br />
wichtige mittlere Funktionsebene des Rates der EU<br />
und gehört zu den einflussreichsten Gremien der<br />
Union.EristdasNadelöhr(„filtreunique“)zwischen<br />
der technischen Vorbereitungsphase der Rechtsetzung<br />
und Beschlussfassung des Rates der EU auf<br />
Gruppenebene einerseits und der politischen Entscheidungsebene<br />
des Ministerrates andererseits.<br />
DemAStVarbeitenca.200Arbeitsgruppenzu;erbereitet<br />
unmittelbar die Arbeit der neun Fachministerräte<br />
vor.<br />
Der AStV hat zwei gleichberechtigte Teile: den<br />
AStV II, dem die Ständigen Vertreter der 25 Mitgliedstaaten<br />
im Rang von Botschaftern angehören,<br />
Ausschuss der Ständigen Vertreter<br />
und den AStV I mit den Vertretern der Botschafter.<br />
Im Falle von Deutschland ist der Botschafter stets ein<br />
Angehöriger des Auswärtigen Amts, sein Vertreter<br />
traditionell ein Ministerialdirigent aus dem Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Arbeit. Anders als<br />
beiderArbeitineinigendervorangeschaltetenGruppen<br />
und der sich an die AStV-Beratung anschließenden<br />
Befassung der Ministerräte reisen zu den<br />
AStV-Sitzungen keine Vertreter aus den nationalen<br />
Hauptstädten an.<br />
Der AStV II befasst sich überwiegend mit außenoder<br />
außenhandelspolitischen Problemen, haushalts-<br />
und währungspolitischen Fragen, Themen aus<br />
dem Bereich Innen- und Justizpolitik sowie institutionellen<br />
Fragen (Vorbereitung der Ratsformationen<br />
„Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“,<br />
„Wirtschaft und Finanzen“, „Justiz und Inneres“).<br />
Teil I widmet sich mehr Fragen des Binnenmarkts<br />
und stärker technischen und wirtschaftlichen<br />
Themen (Vorbereitung der übrigen Ratsformationen).<br />
Die Zuständigkeitsregelung kann jederzeit bei<br />
wechselnder Arbeitsbelastung geändert werden.<br />
2. Historische Entwicklung und Rechtsgrundlage:<br />
Schon die �EGKS hatte seit 1953 einen Koordinierungsausschuss,deringewisserWeiseVorläuferdes<br />
AStV gewesen ist. Mit Ratsbeschluss vom 25. 1.<br />
1958 wurde der AStV als ratsinterne Instanz eingesetzt.<br />
Einen Tag später nahm er seine Arbeit auf. Die<br />
fortlaufendeZählungderordentlichenTagungendes<br />
AStV liegt inzwischen bei über 2000.<br />
Bereits kurze Zeit nach Einrichtung des AStV wurde<br />
deutlich, dass das Gremium die gestellten Aufgaben<br />
wegen Überlastung nicht zügig erfüllen konnte. Seit<br />
1960 bereitet ein �Sonderausschuss Landwirtschaft<br />
(SAL) mit hochrangigen Experten aus den Hauptstädten<br />
die Beschlüsse des Rates auf dem Gebiet der<br />
Landwirtschaft vor (im AStV verblieben die Fischereipolitik<br />
sowie Agrarfragen mit finanziellen, institutionellen<br />
oder die Beziehungen zu Drittländern berührenden<br />
Auswirkungen). Anfang 1962 wurde der<br />
AStV I gegründet. Rechtliche Grundlage des AStV<br />
ist Art. 207 EGV, seine Aufgaben definieren Art. 19<br />
und 20 der Geschäftsordnung des Rats. Im Rahmen<br />
der Organgewalt des Rates entstanden, verfügt er<br />
nicht über eine eigene Geschäftsordnung. In der Praxis<br />
werden jedoch zahlreiche Vorschriften der Geschäftsordnung<br />
des Rates analog angewendet. Die<br />
Bestimmungen über Fristen, Aufstellung der Tagesordnung<br />
und Sprachenregime sind allerdings nur un-<br />
49
Ausschuss der Ständigen Vertreter<br />
ter Berücksichtigung der Besonderheiten der Arbeit<br />
des AStV anwendbar. Andere Bestimmungen, wie<br />
die Übertragung des Stimmrechts (Art. 11 Abs. 3<br />
GO), sind überhaupt nicht anwendbar.<br />
3. Tätigkeit: Die Ständigen Vertreter haben als Repräsentanten<br />
der Mitgliedstaaten deren Interessen<br />
wahrzunehmen. Sie sind an die Weisungen ihrer Regierungen<br />
gebunden. Dennoch ist der AStV kein<br />
Gremium, wo ausschließlich nationalstaatliche Interessengegensätze<br />
ohne Rücksicht auf Gemeinschaftsbelange<br />
ausgetragen werden. Die kontinuierliche<br />
und enge Zusammenarbeit der Ständigen Vertreter<br />
im AStV, der gemeinsame Wohnsitz in Brüssel<br />
mit engen außerdienstlichen Kontakten, ihre langjährige<br />
Beschäftigung mit Fragen der Gemeinschaft<br />
geben dem AStV einen einzigartigen Charakter. Er<br />
verfügt über einen ausgeprägten Corpsgeist und<br />
zeigt eigene Identität gegenüber den Hauptstädten.<br />
SelbstsolcheStändigenVertreter,dieaneinerrelativ<br />
straffen „Weisungsleine“ ihrer Regierung geführt<br />
werden, können sich dem gruppendynamischen<br />
Zwang zum Kompromiss und Aufeinanderzugehen<br />
– für den AStV kennzeichnend – nicht völlig entziehen.<br />
Insofern hat der AStV neben seinem Charakter<br />
als Gremium partikularer Interessen der Mitgliedstaaten<br />
auch starke unitarische Elemente.<br />
BeideTeiledesAStVtageninderRegeleinmalinder<br />
Woche, zunehmend auch öfter. Zu speziellen Themen<br />
oder vor Ratstagungen werden auch Sondertagungen<br />
des AStV angesetzt. Vorsitzender ist in halbjährlicher<br />
Rotation der Botschafter (im AStV I sein<br />
Vertreter) des Landes, das die Präsidentschaft im Rat<br />
innehat. Die Kommission beteiligt sich an den Beratungen<br />
des AStV analog Artikel 5 Abs. 2 GO-Rat.<br />
Die Verhandlungen werden auf Grund langjähriger<br />
Praxis in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch<br />
geführt, wobei in der Regel zwischen diesen<br />
dreiSprachengedolmetschtwird.InFällen,dieinder<br />
Geschäftsordnung des Rates festgelegt sind, kann<br />
der AStV Verfahrensbeschlüsse fassen. Ansonsten<br />
haterselbstkeineförmlicheEntscheidungsbefugnis,<br />
sondern bereitet materiell die Beschlüsse des Rates<br />
vor. Er bearbeitet die Vorschläge der Arbeitsgruppen.<br />
Strittige Punkte versucht er möglichst zu lösen<br />
oder zumindest soweit zu vermindern, dass sich die<br />
Minister auf wenige Probleme mit politischer Dimension<br />
konzentrieren können. Sind die Vorarbeiten<br />
der Gruppe unzureichend, verweist er die Vorlage<br />
an die Gruppe zurück.<br />
50<br />
Informell vorbereitet wird der AStV II durch enge<br />
Mitarbeiter der Botschafter (sog. Antici-Gruppe).<br />
Entsprechendes gibt es seit einigen Jahren auch für<br />
den AStV I (Mertens-Gruppe).<br />
Die Bedeutung des AStV für die Rechtsetzung der<br />
Gemeinschaft wird besonders am sog. „A-Punkt-<br />
Verfahren“ deutlich. Etwa 80 % aller Entscheidungen,<br />
die der Rat formell beschließen muss, sind bereits<br />
im AStV materiell vorentschieden worden. Der<br />
Rat sanktioniert diese Vorentscheidungen im Vertrauen<br />
auf die Vorbereitung durch den AStV, ohne<br />
sich in der Sache noch mit dem „A-Punkt“ zu beschäftigen.<br />
Die Tendenz, dass der AStV zunehmend<br />
zur eigentlichen Problemlösungsinstanz des Rates<br />
wird,verstärktsichmitkontinuierlicherErweiterung<br />
der Europäischen Union. Wichtigster Grund ist, dass<br />
bei nunmehr 25 Mitgliedstaaten eine echte Problemdiskussion<br />
auf der darüber liegenden Ministerebene<br />
immer schwieriger wird.<br />
4. Kritische Bewertung und künftige Rolle: Mit zunehmender<br />
Aktivität der EU ist auch die Arbeitslast<br />
des AStV über die Jahre gewachsen. Das hat zu immer<br />
längerer Sitzungsdauer bei gleichzeitig abnehmender<br />
Intensität der Beratung geführt.<br />
Am 11. 5. 1992 beschlossen die Außenminister, dass<br />
alledemRatvorgelegtenFragenzunächstaufderTagesordnung<br />
des AStV stehen müssen. Der AStV „hat<br />
alle Aspekte eines Dossiers zu bewerten sowie mögliche<br />
Optionen aufzuzeigen“. Dazu gehören auch die<br />
Fragen der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
und die europäische Zusammenarbeit in den<br />
Bereichen Justiz und Inneres (�ZBJI). In diesen Bereichen<br />
stehen neben dem AStV das �Politische und<br />
Sicherheitskomitee (Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik,<br />
Art. 25 EUV) und der Ausschuss Hoher<br />
Beamter nach Art. 36 EUV (Fragen der Innen- und<br />
Justizpolitik). Beide legen dem Rat formal SchriftstückejedochauchüberdenAStVvor.(Einegewisse<br />
Ausnahme gilt nur für den �Währungsausschuss und<br />
den �Sonderausschuss Landwirtschaft, SAL, der<br />
dem Agrarrat direkt zuarbeitet.)<br />
Angesichts der großen Aufgabenfülle ist immer wieder<br />
von einer erneuten Umorganisation des AStV<br />
und der Gründung eines „AStV III“ die Rede gewesen,<br />
z.B. im Zusammenhang mit der Integration der<br />
�Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in<br />
den einheitlichen institutionellen Rahmen des Vertrags<br />
über die Europäische Union oder im Bereich<br />
Justiz-und Innenpolitik. Diese Pläne sind aber vor al-
lem wegen praktischer Schwierigkeiten bisher nicht<br />
verwirklichtworden. A. P.<br />
Ausschüsse des EP �Europäisches Parlament<br />
Ausschüsse des ESZB<br />
1. Einordnung in das institutionelle Gefüge des<br />
�ESZB: Über ihre Mitwirkung in den ESZB-Ausschüssen<br />
gestalten die nationalen �Zentralbanken<br />
(NZBen) die Tätigkeiten des �Eurosystems und des<br />
Europäischen Systems der Zentralbanken (�ESZB)<br />
aktiv mit. Derzeit gibt es 13 ständige ESZB-Ausschüsse:<br />
die Ausschüsse für Bankenaufsicht, Banknoten,<br />
Geldpolitik, Haushaltsausschuss, Informationstechnologie,<br />
internationale Beziehungen, interne<br />
Revision, Marktoperationen, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Rechnungswesen und monetäre Einkünfte,<br />
Rechtsfragen, Statistik und Zahlungsverkehrssysteme.<br />
Die ESZB-Ausschüsse haben aufgrund ihrer Zusammensetzung<br />
(s. u. 2.) sowie der Vielfalt der dort<br />
behandelten Fragen (s. u. 4.) eine wichtige Rolle bei<br />
der Gestaltung und Ausführung der Aufgaben des<br />
Eurosystems und des ESZB und sind ein lebendiger<br />
Ausdruck des dezentralen Aufbaus des Eurosystems/ESZB.<br />
Eine aktuelle Übersicht der ESZB-Ausschüsse<br />
und deren Vorsitzende findet sich im Jahresbericht<br />
der EZB (www.ecb.int/pub/annual).<br />
2. Rechtsgrundlage und Zusammensetzung: Allgemeine<br />
Rechtsgrundlage für die ESZB-Ausschüsse<br />
ist Art. 9 der EZB-Geschäftsordnung. Danach werden<br />
Ausschüsse eingesetzt, um die Arbeiten des<br />
ESZBzuunterstützen.DieAusschüsseerhaltenhierzu<br />
ein Mandat vom EZB-Rat. Der Haushaltsausschuss<br />
gründet demgegenüber auf Art. 15.2 der EZB-<br />
Geschäftsordnung. Neben den ständigen ESZB-Ausschüssen<br />
kann der EZB-Rat vorübergehend projektbezogene<br />
Arbeitsgruppen nach Bedarf einrichten.<br />
Die Ausschüsse setzen sich in der Regel aus Vertretern<br />
der EZB und der NZBen des Eurosystems (teilnehmende<br />
Mitgliedstaaten) zusammen, die jeweils<br />
hochrangige Experten aus ihren Reihen (i. d. R. ein<br />
Vertreter und eine Begleitperson) in die Ausschüsse<br />
entsenden. NZBen von nicht teilnehmenden Mitgliedsländern<br />
können ebenfalls einen Vertreter benennen,<br />
der an den Ausschusssitzungen teilnehmen<br />
kann, wenn Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich<br />
des �Erweiterten Rats der EZB behandelt<br />
werden. Sie können darüber hinaus zu Sitzungen<br />
eingeladenwerden,wennderVorsitzendeeinesAus-<br />
Ausschüsse des EP<br />
schusses und das Direktorium dies für angebracht<br />
halten. Auch Vertreter aus den Dienststellen der Europäischen<br />
Kommission und anderer Gemeinschaftsinstitutionen<br />
sowie Dritte können bei bestimmten<br />
Angelegenheiten zur Teilnahme an den<br />
Ausschusssitzungen eingeladen werden. Eine Sonderrolle<br />
nimmt der Ausschuss für Bankenaufsicht<br />
ein, dem auch Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden<br />
als permanente Mitglieder angehören. EbenfallseineSonderrollehinsichtlichderZusammensetzung<br />
hat der Haushaltsausschuss, dem ausschließlich<br />
Vertreter der Zentralbanken des Eurosystems<br />
angehören.<br />
Die Vorsitzenden der ESZB-Ausschüsse werden<br />
vom EZB-Rat ernannt. Ihre Aufgabe ist es, in Abstimmung<br />
mit den Ausschussmitgliedern die Tagesordnungen<br />
festzulegen, die Sitzungen zu leiten und<br />
für eine ordnungsgemäße Protokollierung ihrer Ergebnisse<br />
zu sorgen.<br />
3. Generelle Aufgaben und Berichtsweg: Die ESZB-<br />
AusschüssekönnenvomEZB-RatundvomEZB-DirektoriummitderBearbeitungbestimmterFragenim<br />
Rahmen ihres Aufgabenbereichs beauftragt werden.<br />
Da das Hauptziel der Ausschussarbeit darin besteht,<br />
zur Entscheidungsfindung im EZB-Rat – dem obersten<br />
Beschlussorgan des Eurosystems – beizutragen,<br />
berichten die ESZB-Ausschüsse an den EZB-Rat.<br />
Die Berichterstattung erfolgt – mit Ausnahme des<br />
Haushaltsausschusses, der dem EZB-Rat direkt berichtet<br />
– über das EZB-Direktorium, dem die Vorbereitung<br />
der EZB-Ratssitzungen obliegt. Das EZB-<br />
Direktorium kann dem EZB-Rat zu den Ausschusspapieren<br />
eigene Einschätzungen oder Kommentare<br />
vorlegen. Dies gilt nicht notwendigerweise für Vorlagen<br />
des Ausschusses für Bankenaufsicht, wenn er<br />
als Forum für Konsultationen zu Fragen dient, die<br />
nicht mit den im EG-Vertrag und in der ESZB-<br />
SatzungfestgelegtenAufsichtsfunktionendesESZB<br />
zusammenhängen.<br />
Die ESZB-Ausschüsse können eigenständig Arbeits-<br />
oder Projektgruppen mit bedarfsgerechter<br />
Laufzeit einrichten, wenn sie dies für ihre Arbeit als<br />
erforderlich ansehen. Die Arbeits- und Projektgruppen<br />
berichten jeweils direkt an den übergeordneten<br />
Ausschuss. Die Sekretariatsaufgaben der Ausschüsse<br />
übernimmt die EZB.<br />
4. Kernaufgaben der derzeit eingerichteten ESZB-<br />
Ausschüsse: Im Folgenden werden die Aufgaben,<br />
mit denen sich die 13 ständigen ESZB-Ausschüsse<br />
51
Ausschuss für Angelegenheiten der EU<br />
jeweils in erster Linie befassen, kurz beschrieben:<br />
Der Ausschuss für Bankenaufsicht unterstützt das<br />
ESZB bei der gesetzlichen Aufgabe, zur reibungslosen<br />
Durchführung der von den zuständigen Behörden<br />
auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute<br />
und der Stabilität der Finanzsysteme ergriffenen<br />
Maßnahmen beizutragen. Darüber hinaus dient er als<br />
ein wichtiges Konsultationsgremium im Bereich der<br />
internationalen Bankenaufsicht.<br />
DerBanknotenausschussbeschäftigtsichmitFragen<br />
im Zusammenhang mit der Gestaltung, Produktion<br />
und der Ausgabe der Euro-Banknoten in den Mitgliedstaaten<br />
des Euro-Währungsgebiets.<br />
Der Geldpolitische Ausschuss ist verantwortlich für<br />
die regelmäßigen Einschätzungen des Eurosystems<br />
zur gesamtwirtschaftlichen Lage im Eurogebiet. Darüber<br />
hinaus berät er den EZB-Rat in allen strategischen<br />
Fragen im Zusammenhang mit der Festlegung<br />
der einheitlichen Geldpolitik sowie den Aufgaben<br />
der EZB im Rahmen der Wechselkurspolitik der Gemeinschaft.<br />
Der Haushaltsausschuss ist hauptsächlich dafür verantwortlich,<br />
den Jahreshaushaltsplan, den Jahresabschluss<br />
sowie die regelmäßigen Berichte zur Ausgabenentwicklung<br />
zu prüfen und dem EZB-Rat hierzu<br />
eine Stellungnahme abzugeben.<br />
Der Ausschuss für Informationstechnologie widmet<br />
sich Fragen des Einsatzes der Informationstechnologie<br />
innerhalb des Eurosystems/ESZB und im Kontakt<br />
zu externen Institutionen.<br />
DerAusschussfürinternationaleBeziehungenistein<br />
mit hochrangigen Vertretern (in Deutschland Vizepräsident<br />
der Deutschen Bundesbank) besetzter<br />
Ausschuss, der die EZB und das ESZB bei der Wahrnehmung<br />
seiner Aufgaben auf internationalem Gebiet<br />
unterstützt. Hierzu gehören die Zuständigkeiten<br />
der EZB im Bereich der Wechselkurspolitik der Gemeinschaft<br />
und der Außenvertretung des Eurosystems,<br />
die Abstimmung der NZBen bei der Mitarbeit<br />
in internationalen Organisationen und Gremien sowie<br />
Fragen des Europäischen �Wechselkursmechanismus<br />
und weitere in der Satzung bestimmte AufgabenimZusammenhangmitderVerwaltungderWährungsreserven.<br />
Der Ausschuss für interne Revision koordiniert die<br />
Revisionstätigkeiten im ESZB und entwickelt gemeinsame<br />
Revisionsstandards für das Eurosystem/<br />
ESZB.<br />
Der Ausschuss für Marktoperationen unterstützt das<br />
52<br />
Eurosystem bei der Umsetzung der einheitlichen<br />
Geldpolitik, der Ausführung der Wechselkurspolitik,<br />
der Verwaltung der Währungsreserven sowie der<br />
Überwachung des Europäischen Wechselkursmechanismus.<br />
Der Ausschuss für Presse, Information und Öffentlichkeitsarbeit<br />
unterstützt den EZB-Rat bei der Ausgestaltung<br />
der Öffentlichkeitsarbeit der EZB.<br />
Der Ausschuss für Rechnungswesen und monetäre<br />
Einkünfte befasst sich mit dem Rechnungswesen innerhalb<br />
des Eurosystems/ESZB und berät den EZB-<br />
Rat in Fragen der Entstehung und Verteilung der monetären<br />
Einkünfte innerhalb des ESZB.<br />
Der Rechtsausschuss berät den EZB-Rat in allen<br />
Rechtsangelegenheiten entsprechend den im Statut<br />
festgelegten Aufgaben. Hierzu zählen insb. die Konsultation<br />
der EZB zu Vorschlägen für Rechtsakte der<br />
Gemeinschaft und zu Entwürfen für Rechtsvorschriften<br />
von nationalen Behörden im Zuständigkeitsbereich<br />
der EZB.<br />
Der Ausschuss für Statistik unternimmt wichtige<br />
Vorarbeiten bei der Auswahl und Erhebung von statistischen<br />
Daten, die für die Erfüllung der ESZB-<br />
Aufgaben erforderlich sind.<br />
Der Ausschuss für Zahlungs- und Verrechnungssysteme<br />
berät den EZB-Rat bei der Aufsicht über die<br />
Zahlungsverkehrs- und Verrechnungssysteme des<br />
ESZBundunterstütztihnbeiseinerAufgabederFörderung<br />
eines reibungslosen Funktionierens der Zahlungssystemeallgemein.<br />
J. St./I. W.-Sch.<br />
Internet: www.ecb.int./ecb<br />
Literatur:<br />
Europäische Zentralbank: Jahresbericht. Diverse Ausgaben,<br />
Frankfurt a. M.<br />
Dies.: Monatsbericht. Diverse Ausgaben, Frankfurt a. M.<br />
Dies.: Geschäftsordnung der EZB (ABl. EG L 80/2004)<br />
Ausschuss (des Bundestages) für Angelegenheiten<br />
der EU. Die Mitwirkung des Bundestages in<br />
Angelegenheiten der Europäischen Union ist in Art.<br />
23 Abs. 3 GG und im Gesetz über die �Zusammenarbeit<br />
von Bundesregierung und Deutschem Bundestag<br />
in Angelegenheiten der Europäischen Union<br />
(EUZBBG vom 12. 3 1993, BGBl. 1993 I S. 311) geregelt.<br />
Die Bundesregierung gibt vor ihrer Zustimmung zu<br />
europäischen Rechtsetzungsakten dem Bundestag<br />
GelegenheitzurStellungnahme.DieFristwirdsobemessen,<br />
dass dieser ausreichend Gelegenheit hat,<br />
sich mit der Vorlage zu befassen.
NachArt.23Abs.3GGgibteskeineDifferenzierung<br />
der Berücksichtigung wie bei der Stellungnahme des<br />
Bundesrates(Art.23Abs.5GG).DieStellungnahme<br />
des Bundestages ist (lediglich) „zu berücksichtigen“.<br />
Eine „maßgebliche Berücksichtigung“ ist<br />
nichtvorgesehen,aberauchnichterforderlich,dader<br />
Bundestag gegenüber der Bundesregierung keine<br />
abweichenden Zuständigkeiten besitzt.<br />
Der Bundestag hat einen Ausschuss für Angelegenheiten<br />
der Europäischen Union bestellt. Das<br />
EUZBBG sieht vor, dass der Bundestag seinen EU-<br />
Ausschuss ermächtigt, für ihn Stellungnahmen abzugeben.DieskommtinderPraxissehrseltenvor.<br />
Der Bundestag wird ebenso wie der Bundesrat durch<br />
die Bundesregierung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“<br />
über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen<br />
Union, die für die Bundesrepublik Deutschland<br />
von Interesse sein können, informiert. Sie unterrichtet<br />
den Bundestag auch über den wesentlichen<br />
Inhalt und die Zielsetzung, das Verfahren und den<br />
Zeitpunkt der Befassung des Rates. Des Weiteren informiert<br />
sie den EU-Ausschuss über ihre Willensbildung,<br />
den Beratungsverlauf auf der europäischen<br />
Ebene und die Stellungnahmen der anderen MitgliedstaatensowieübergetroffeneEntscheidungen.<br />
In der Praxis kam es in den letzten Jahren immer wiedervor,dassderEU-AusschussdesBundestageserstnachderBefassungdesMinisterratesmiteinemVorhaben<br />
lediglich noch Kenntnis von den Vorgängen<br />
genommen hat. Insoweit übt der Bundestag de facto<br />
nur eine rückwirkende Kontrolle aus.<br />
Bei Inkrafttreten des Verfassungsvertrags 2004<br />
könnte die Bedeutung der Bundestagsstellungnahmen<br />
zunehmen. Denn danach kommt den nationalen<br />
Parlamenten eine bedeutende Rolle bei der Prüfung<br />
der Frage zu, ob die Europäische Union einen Rechtsetzungsvorschlag<br />
im Rahmen ihrer Zuständigkeiten<br />
erlassen hat, oder ob das �Subsidiaritätsprinzip<br />
möglicherweise verletzt ist. Ihnen stünde dann eine<br />
Subsidiaritätsbeschwerde oder Subsidiaritätsklage<br />
zumEuGHzu. H. D.-K.<br />
�Zusammenarbeitsgesetz zwischen Bund und Ländern<br />
(Ausblick); �Konferenz der Europaausschüsse<br />
(COSAC)<br />
Ausschuss (des Deutschen Bundesrates) für<br />
Fragen der Europäischen Union. Vorgänger waren<br />
der Sonderausschuss „Gemeinsamer Markt und<br />
Freihandelszone“ (seit Dez. 1957) bzw. der „Ständi-<br />
Ausschuss für die Sicherheit<br />
ge Ausschuss für Fragen der Europäischen Gemeinschaften“<br />
(seit 1965). Seine heutige Bezeichnung<br />
trägt er seit Gründung der Europäischen Union<br />
(1. 11. 1993). Der Ausschuss berät federführend<br />
Vorschläge der Europäischen Kommission für Verordnungen<br />
und Richtlinien, die Angelegenheiten der<br />
Länder berühren, insbes. in Politikbereichen wie<br />
Landwirtschaft, Dienstleistungen, Kapital- und Zahlungsverkehr,<br />
Visa, Asyl und Einwanderung, Verkehr,<br />
Wettbewerbsregeln. Der Ausschuss prüft Gesetzesvorhaben<br />
der EU auch im Hinblick darauf, ob<br />
die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit<br />
eingehalten werden, sowie darauf, ob eine<br />
Stellungnahme des Bundesrates von der Bundesregierung<br />
gem. Art. 23 Abs. 5 GG „maßgeblich“ zu berücksichtigen<br />
ist.<br />
Ausschuss für Beschäftigung und Arbeitsmarkt<br />
�Beschäftigungsausschuss<br />
Ausschuss für nichtmilitärische Aspekte des<br />
Krisenmanagements (CivCom). Im Rahmen der<br />
institutionellen Ausgestaltung der �ESVP durch Beschluss<br />
des Rats vom 22. 5. 2000 eingerichtete Arbeitsgruppe<br />
des Rats. Der „Ausschuss“, der gewöhnlich<br />
kurz „CivCom“ (Civil Committee) genannt<br />
wird, verdankt seine besondere Bezeichnung der<br />
hervorgehobenen Bedeutung der nichtmilitärischen<br />
(„zivilen“) Krisenbewältigung für die EU, deren Instrumente<br />
sich über die gesamte Bandbreite der Außenbeziehungen<br />
der EU erstrecken. Die Aufgabe des<br />
Ausschusses besteht v. a. darin, das �Politische und<br />
Sicherheitspolitische Komitee (PSK) durch Informationen<br />
und Empfehlungen in allen nichtmilitärischen<br />
Aspekte des Krisenmanagements einschl.<br />
Operationen zu beraten. Eine besondere Bedeutung<br />
kommt dem Ausschuss bei der Erarbeitung und Umsetzung<br />
der zivilen Fähigkeitsziele der Union zu<br />
(�ESVP). Durch den Austausch von Informationen<br />
und entsprechende Abstimmungsverfahren trägt das<br />
CivCom maßgeblich dazu bei, dass zwischen den<br />
Maßnahmen der Union und denen der Europäischen<br />
Gemeinschaft sowie der Mitgliedstaaten ein möglichst<br />
hohes Maß an �Kohärenz bei der nichtmilitärischenKrisenbewältigungderEUerzieltwird.<br />
U. S.<br />
Ausschuss für die Sicherheit im Seeverkehr<br />
und die Vermeidung von Umweltverschmutzung<br />
durch Schiffe (Committee on Safe Seas and<br />
53
Ausschuss für Sicherheit<br />
the Prevention of Pollution from Ships, COSS),<br />
durch Verordnung 2099/2002 (ABl. L 324/2002)<br />
eingesetzt zur Unterstützung der Europäischen<br />
Kommission.<br />
Ausschuss für Sicherheit, Arbeitshygiene und<br />
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz �Arbeitsschutz<br />
Ausschuss für Sozialschutz (Social Protection<br />
Committee, SPC)<br />
1. Rechtliche Grundlagen: Am 17. 12. 1999 hat der<br />
Rat für Beschäftigung und Sozialpolitik die Einrichtung<br />
einer Expertengruppen „Sozialschutz“ beschlossen,<br />
um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten<br />
und der Kommission zu unterstützen. Diese<br />
Interimsgruppe wurde am 29. 6. 2000 durch Beschluss<br />
des Rates (2000/436/EG) in den „Ausschuss<br />
für Sozialschutz“ (Social Protection Committee –<br />
SPC)übergeführt,derseitdemseineAufgabenwahrnimmt.MitInkrafttretendesVertragesvonNizzaam<br />
1. 2. 2003 wurde dieser Ausschuss in Art. 144 EGV<br />
rechtlich verankert und wird nach einer Vorlage der<br />
Kommission für einen Beschluss des Rates (KOM<br />
2003/305 endg.) verfahrensrechtlich angepasst. Wie<br />
alle anderen Bestimmungen des EGV zur Sozialpolitik<br />
ist Art. 144 unter terminologischer Anpassung<br />
unverändert in den Verfassungsvertrag 2004 übernommen<br />
worden (Art. III-217 VVE).<br />
2. Zusammensetzung und Aufgabe: Der Ausschuss<br />
setzt sich aus jeweils zwei Vertretern pro Mitgliedstaat<br />
auf Beamtenebene und zwei Vertretern der<br />
Kommission zusammen. Nach Vorschlag der Kommission<br />
sollen die Mitgliedstaaten die Geschlechterparität<br />
bei der Zusammensetzung ihrer Vertreter sicherstellen.<br />
Das Ernennungsverfahren ist nicht ausdrücklich<br />
festgelegt. Der Rat setzt nach Anhörung<br />
des Parlaments den Ausschuss ein und entscheidet<br />
dabei entsprechend dem Verfahren nach Art. 205<br />
Abs. 1 EGV mit der Mehrheit seiner Stimmen.<br />
Der Ausschuss wählt einen Vorsitzenden für eine<br />
nicht verlängerbare Amtszeit von zwei Jahren. Der<br />
Vorsitzende wird bei seiner Arbeit vom einem Büro<br />
unterstützt. Die Sekretariatsgeschäfte des Ausschusses<br />
nimmt die Kommission wahr. Der Ausschuss<br />
kann für die Untersuchung spezifischer Fragen Arbeitsgruppen<br />
einsetzen, die ihrerseits zu ihrer Unterstützung<br />
Sachverständige hinzuziehen. Der Ausschuss<br />
hat eine Untergruppe „Indikatoren“ einge-<br />
54<br />
setzt, die mit der Entwicklung von Indikatoren und<br />
Statistiken beauftragt ist, mit deren Hilfe die Fortschritte<br />
der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung<br />
der vereinbarten Ziele gemessen werden<br />
können.<br />
Das SPC hat nach Art. 144 EGV die beratende Aufgabe,<br />
die „Zusammenarbeit im Bereich des sozialen<br />
Schutzes zwischen den Mitgliedstaaten und mit der<br />
Kommission zu fördern.“ Hierzu verfolgt der Ausschuss<br />
die soziale Lage und die Entwicklung der Politiken<br />
im Bereich des sozialen Schutzes in den Mitgliedstaaten<br />
und in der Gemeinschaft, fördert den<br />
Austausch von Informationen, Erfahrungen und bewährten<br />
Verfahren, arbeitet auf Ersuchen des Rates<br />
oderderKommissionodervonsichausinseinemZuständigkeitsbereich<br />
Berichte aus, gibt Stellungnahmen<br />
ab oder wird auf andere Weise tätig und stellt geeignete<br />
Kontakte zu den Sozialpartnern her. Gemäß<br />
seinem Mandat verfolgt der Ausschuss die Ziele, dafür<br />
zu sorgen, „dass Arbeit sich lohnt und das Einkommen<br />
gesichert ist“, „dass die Renten sicher und<br />
dieRentensystemelangfristigfinanzierbarsind“,die<br />
„soziale Eingliederung“ gefördert und eine „qualitativ<br />
hochwertige und langfristig finanzierbare Gesundheitsversorgung“<br />
gesichert werden.<br />
Die grundlegenden sozialpolitischen Leitlinien und<br />
Indikatoren werden von der Kommission formuliert<br />
und dem Rat für Arbeit und Sozialfragen zur Beschlussfassung<br />
vorgelegt, nachdem diese Kommissionsvorschläge<br />
zuvor zwei parallele Beratungsverfahren<br />
durchlaufen haben. Im Ausschuss für Sozialschutz<br />
werden die Vorschläge der Kommission und<br />
die Standpunkte der nationalen Regierungen inhaltlich<br />
beraten. Parallel hierzu durchlaufen die Vorschläge<br />
das formelle reguläre Ratsverfahren, d. h. sie<br />
werden über die Gruppe Sozialfragen des Rates an<br />
die Gruppe der Ständigen Vertreter zur Stellungnahme<br />
weitergeleitet und von dort dem Ministerrat zur<br />
Beschlussfassung vorgelegt. An den Beratungen des<br />
Ausschusses sind Vertreter der nationalen Sozialministerien<br />
beteiligt, die darüber entscheiden, ob und<br />
inwieweit andere Akteure in die nationalen Abstimmungsprozesse<br />
eingebunden werden. Der Ausschuss<br />
legt einen jährlichen Bericht vor und gibt regelmäßig<br />
Stellungnahmen zu Instrumenten der EU-<br />
Politik und ihren Auswirkungen im Bereich Sozialschutz<br />
ab.<br />
3. Inhaltliche Arbeit des Ausschusses: Die Arbeit des<br />
Ausschusses ist im Wesentlichen auf das vom Euro-
päische Rat von Lissabon 2000 vorgegebene strategische<br />
Ziel ausgerichtet, „die Union zum wettbewerbsfähigsten<br />
und dynamischsten wissensbasierten<br />
Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“. Seitdem<br />
wird den Arbeiten in den Bereichen „Bekämpfung<br />
von Armut und sozialer Ausgrenzung“ sowie<br />
„Gewährleistung angemessener und nachhaltiger<br />
Renten“ höchste Priorität eingeräumt.<br />
Der Ausschuss ist zusammen mit den Ausschüssen<br />
für Wirtschaftspolitik und für Beschäftigungspolitik<br />
einer der Akteure der �Offenen Koordinierungsmethode<br />
in der Sozialpolitik. Im Rahmen dieser Methode<br />
haben die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne<br />
zur Förderung der sozialen Eingliederung und nationale<br />
Rentenstrategieberichte vorzulegen, auf deren<br />
GrundlageKommissionundRateinengemeinsamen<br />
Bericht erstellen. Wesentliche Elemente der offenen<br />
Koordinierungsmethode im Bereich „soziale Eingliederung“<br />
sind die auf der Tagung des Rates in Nizza<br />
2000 verkündeten Ziele bei der Bekämpfung der<br />
Armut und der sozialen Ausgrenzung, die entsprechenden<br />
nationalen Aktionsprogramme, die regelmäßige<br />
Evaluation, die gemeinsamen Indikatoren<br />
als Überwachungsinstrumente der Fortschritte und<br />
zum Vergleich bewährter Verfahren sowie das Aktionsprogramm<br />
der Gemeinschaft zur Förderung der<br />
Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Maßnahmen<br />
zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und zur<br />
Modernisierung des sozialen Schutzes kann der Rat<br />
mit qualifizierter Mehrheit annehmen, soweit es sich<br />
nicht um die klassischen Bereiche der SozialversicherungunddessozialenSchutzesderArbeitnehmer<br />
handelt.<br />
Das SPC hat im Oktober 2001 einen Bericht über Indikatoren<br />
im Bereich Armut und soziale Ausgrenzung<br />
vorgelegt. Ende 2001 hat die Gemeinschaft ein<br />
Aktionsprogramm (Laufzeit 2002 – 2006) zur Zusammenarbeit<br />
der Mitgliedstaaten bei der BekämpfungdersozialenAusgrenzungvorgelegt(Beschluss<br />
1411/2001).<br />
ImBereichder„Renten“hatderEuropäischeRatvon<br />
Lissabon eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten<br />
gefordert zwecks „Entwicklung des Sozialschutzes<br />
in Langzeitperspektive“. In Zusammenarbeit<br />
mit dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik<br />
befasst sich das SPC mit der Tragfähigkeit der Altersversorgungssysteme<br />
auf der Grundlage der 2001<br />
vorgelegten nationalen Strategieberichte und des gemeinsamen<br />
Berichts von Rat und Kommission. Der<br />
Ausschuss für Wirtschaftspolitik<br />
Europäische Rat in Göteborg 2001 hat vor dem Hintergrund,<br />
wie den Herausforderungen einer alternden<br />
Gesellschaft begegnet werden kann, gefordert,<br />
politische Leitlinien im Bereich des Gesundheitswesens<br />
und der Altenpflege auf EU-Ebene festzulegen.<br />
Den Mitgliedstaaten wurde ein Fragebogen übermittelt,<br />
um die Fragen der Zugänglichkeit, der Qualität<br />
und der finanziellen Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme<br />
zu prüfen. Auf dessen Grundlage hat der<br />
Ausschuss einen Zwischenbericht über Qualität und<br />
Tragfähigkeit der Altersversorgungssysteme vorgelegt,<br />
der im Frühjahr 2004 vom Europäischen Rat in<br />
Brüssel gebilligt wurde. Danach sind gem. dem Subsidiaritätsprinzip<br />
weiterhin die Mitgliedstaaten für<br />
die Gestaltung und Verwaltung der Altersversorgungssysteme<br />
verantwortlich, während die EU eine<br />
Rolle im Hinblick auf die Förderung der Zusammenarbeit<br />
spielt.<br />
Im Bereich „Arbeit lohnend machen“ hat der Ausschuss<br />
für Sozialschutz Ende 2002 ein Strategiepapier<br />
vorgelegt, das sich mit der Frage befasst, wie die<br />
politischen Herausforderungen bewältigt werden<br />
können, die sich im Zusammenhang mit der Forderung<br />
stellen, Arbeit lohnend zu machen und für sichere<br />
Einkommen zu sorgen. Hierbei geht es um die<br />
Zusammenhänge zwischen Sozialschutz und Beschäftigung.<br />
In dem Arbeitsschwerpunkt arbeitet der<br />
Ausschuss eng mit dem Beschäftigungsausschuss<br />
und dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik zusammen.<br />
U. M.<br />
Internet: http://europa.eu.int/comm/employment_social/social_protection_commitee/index_de.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Stärkung der sozialen Dimension<br />
der Lissabonner Strategie: Straffung der offenen Koordinierung<br />
im Bereich Sozialschutz. Mitteilung KOM (2003) 261<br />
vom 27. 5. 2003<br />
Brusis, M.: Die soziale Dimension im Verfassungsvertrag.<br />
CAP/Bertelsmann Stiftung, November 2004<br />
Busse, R.: Anwendung der „offenen Methode der Koordinierung“<br />
auf die europäischen Gesundheitswesen. In: G+G<br />
Wissenschaft 2/2002, 2. Jg., S. 7–14<br />
Ausschuss für Wirtschaftspolitik (Wirtschaftspolitischer<br />
Ausschuss, WPA)<br />
1.Allgemeines:DerinArt.272EGAbs.9vorgesehene<br />
Ausschuss für Wirtschaftspolitik (WPA) ist ein<br />
Gremium, das neben dem Wirtschafts- und Finanzausschuss<br />
(WFA) die Arbeit des �Ecofin-Rates vorbereitet.<br />
Der WPA wurde vom Rat mit Entscheidung<br />
vom 18. 2. 1974 errichtet (74/122). Er übernahm<br />
55
Ausschuss für Wirtschaftspolitik<br />
sämtliche Aufgaben, die bis dahin vom Ausschuss<br />
für mittelfristige Konjunkturpolitik, vom Ausschuss<br />
für Haushaltspolitik und vom Ausschuss für mittelfristige<br />
Wirtschaftspolitik wahrgenommen wurden.<br />
Mit dem Eintritt in die dritte Stufe der �Wirtschaftsund<br />
Währungsunion (WWU) – dem 1. 1. 1999 – war<br />
aufgrund des veränderten Kompetenzgefüges eine<br />
institutionelle Anpassung des WPA notwendig geworden.<br />
Der Rat gab dem WPA daher eine neue Satzung<br />
(2000/604, Abl. L 257/2000), die anlässlich der<br />
EU-Osterweiterung geändert wurde (2003/475, Abl.<br />
L 158/2003).<br />
2. Zusammensetzung und Organisation: Jeder Mitgliedstaat,<br />
die Kommission und die Europäische<br />
Zentralbank entsenden jeweils zwei Mitglieder in<br />
den WPA, die aus dem Kreis hoher Beamter auszuwählen<br />
sind und eine herausragende Sachkompetenz<br />
in der Wirtschafts- und Strukturpolitik aufweisen<br />
müssen. In der Rechtspraxis gehören die Vertreter<br />
der Mitgliedstaaten den nationalen Wirtschafts- und<br />
Finanzministerien oder den nationalen �Zentralbanken<br />
an. Die Mitglieder des Ausschusses sind auf die<br />
allgemeinen Interessen der Gemeinschaft verpflichtet.<br />
Der Ausschuss wählt aus dem Kreis seiner Mitglieder<br />
einen Präsidenten und bis zu drei Vizepräsidenten<br />
für eine Amtszeit von zwei Jahren. Der PräsidentvertrittdenAusschussgrundsätzlichnachaußen<br />
und unterhält die Beziehungen zum Europäischen<br />
Parlament.<br />
Jedes Mitglied hat im Ausschuss eine Stimme. Bei<br />
Fragen aber, die in eine Maßnahme des Rates münden<br />
können, dürfen die Mitglieder aus den Zentralbanken<br />
und der Kommission nur an der Beratung,<br />
nicht an der Abstimmung teilnehmen, damit das institutionelle<br />
Gleichgewicht gewahrt bleibt.<br />
Der Ausschuss hat sein Sekretariat bei der Kommission,<br />
die den Sekretär nach Anhörung des Ausschusses<br />
ernennt. Der Sekretär unterliegt für diesen Zuständigkeitsbereich<br />
den Weisungen des WPA. In der<br />
Rechtspraxis ist der Sekretär des WPA zugleich Sekretär<br />
des WFA. Wie der WFA kann auch der WPA<br />
Unterausschüsse oder Arbeitsgruppen einsetzen sowie<br />
Sachverständige zur Unterstützung heranziehen.<br />
Die Beratungen im Ausschuss sind grundsätzlich<br />
vertraulich; Berichte und Stellungnahmen des Gremiums<br />
werden hingegen in der Regel der Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht, nachdem sie dem Empfänger<br />
übermittelt wurden.<br />
56<br />
3. Aufgaben: Dem WPA kommt die Aufgabe zu, die<br />
Arbeit des Rates zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik<br />
der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft<br />
(mit-)vorzubereiten.ErberätinsofernauchdieKommission.<br />
Dieser Aufgabenbereich überschneidet<br />
sich funktionell mit dem des �AStV (COREPER)<br />
und insbes. dem des WFA. Nach seiner Satzung<br />
wirktderWPAdurchwirtschaftlicheAnalysen,StellungnahmenzudenMethodenundAusarbeitungvon<br />
Entwürfen für wirtschaftspolitische Empfehlungen<br />
an der Vorbereitung der Arbeit des Rates mit. Der<br />
Schwerpunkt der Arbeit des WPA liegt dabei auf der<br />
�Strukturpolitik. Er soll strukturelle Maßnahmen<br />
vorschlagen, um das Wachstumspotential und die<br />
Beschäftigung in der Gemeinschaft zu steigern. Der<br />
WPA konzentriert sich dabei auf das Funktionieren<br />
des Güter-, Kapital-, Dienstleistungs- und Arbeitsmarktes,<br />
auf die Rolle und Leistungsstärke des öffentlichen<br />
Sektors und langfristige Stabilität der öffentlichen<br />
Finanzen sowie auf die Auswirkung spezifischer<br />
Maßnahmen auf die Wirtschaft insgesamt.<br />
Auf diesen Gebieten wirkt der WPA beim Verfahren<br />
der multilateralen Überwachung nach Art. 99<br />
Abs. 3 EG mit und unterstützt den Rat bei der Festlegung<br />
der Grundzüge der Wirtschaftspolitik. In diesem<br />
Zusammenhang beobachtet er die Wirtschaftspolitik<br />
der einzelnen Mitgliedstaaten, vor allem im<br />
Hinblick auf Strukturreformen in den Mitgliedstaaten.<br />
In der Praxis veröffentlicht der WPA hierzu Jahresberichte.NichtzuletztwirdderAusschussvonder<br />
Kommission zu dem maximalen Steigerungssatz bei<br />
den nichtobligatorischen Ausgaben im Gesamthaushaltsplan<br />
der Europäischen Union angehört, wie<br />
nach Art. 272 EG vorgesehen.<br />
DerWPAunterstütztauchdenWFA,derdemRatnäher<br />
steht, bei seiner Arbeit. Der WPA soll für den<br />
WFA insbes. die kurz- und mittelfristigen makroökonomischen<br />
Entwicklungen in den Mitgliedstaaten<br />
und in der Gemeinschaft analysieren. Er nimmt<br />
dabei zur Wechselwirkung zwischen Strukturpolitik<br />
und makroökonomischer Politik sowie der Lohnentwicklung<br />
in den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft<br />
Stellung. Darüber hinaus wirkt der WPA im<br />
Rahmen des Beschäftigungstitels des EGV an der<br />
Arbeit des Rates mit. Insofern überschneidet sich<br />
sein Zuständigkeitsbereich auch mit dem des �AusschussesfürSozialschutz.Außerdemkoordiniertder<br />
WPA den �makroökonomischen Dialog, der auf<br />
fachlicher Ebene zwischen den Vertretern des Aus-
schusses, des WFA, des Beschäftigungsausschusses,<br />
der Kommission und der Sozialpartner stattfindet.<br />
4. WPA und Organisationsstruktur der EU: Der<br />
WPA steht mit seinen vielfältigen institutionellen<br />
Beziehungen beispielhaft für die Komplexität der<br />
Organisationsstruktur der Europäischen Union. Sie<br />
hat einen so hohen Grad erreicht, dass es für den außenstehenden<br />
Betrachter bei vielen Rechtsakten<br />
nicht mehr oder kaum noch nachvollziehbar ist, wo<br />
die tatsächliche Sachentscheidung fällt. Auch wenn<br />
der Rat formal beschließt, sind derartige Entscheidungsstrukturen<br />
mit den Anforderungen des Rechtsstaats-<br />
und Demokratieprinzips an ein transparentes<br />
Verfahren nur schwer vereinbar. Aus diesem Befund<br />
folgt der Auftrag, die demokratische Rückbindung<br />
an die Völker Europas durch entsprechende Anpassungen<br />
der Organisationsstruktur der Europäischen<br />
Unionstetigzustärken. U. P.<br />
Literatur:<br />
Hägele, S./Wessels, W.: Die Eurogruppe und der Wirtschaftsund<br />
Finanzausschuss. Jahrbuch der Europäischen Integration<br />
2000/2001, S. 109<br />
Internet: http://europa.eu.int/comm/economy_finance/epc/<br />
epc_en.htm<br />
Ausschuss für wissenschaftliche und technologische<br />
Forschung (Comité de la Recherche<br />
Scientifique et Technique, CREST ) berät in der EU<br />
denForschungsratunddieEuropäischeKommission<br />
im Bereich Forschung, Technologie und Entwicklung<br />
(FTE). Jeder Mitgliedstaat sowie die EWR-<br />
EFTA-Staaten entsenden je zwei Mitglieder in den<br />
Ausschuss, in der Regel aus den Ministerien, die für<br />
Wissenschaft, Forschung und Technologie zuständig<br />
sind. Es finden sechs bis acht Sitzungen pro Jahr<br />
statt, der Vorsitz und die Festlegung der Themen obliegt<br />
der Kommission. CREST ist beteiligt an der<br />
Festlegung von Leitlinien im FTE-Bereich, an der<br />
Abstimmung der Aktivitäten zwischen Gemeinschaft<br />
und Mitgliedstaaten, an der Evaluierung der<br />
Gemeinschaftsaktivitäten und an der Formulierung<br />
der �Forschungsrahmenprogramme der EU.<br />
Ausschuss Hoher Beamter. Er ist eingesetzt gem.<br />
Art. 36 EUV Abs. 1 zur Koordinierung der Zusammenarbeit<br />
der für die �PJZS zuständigen nationalen<br />
Behörden. Er gibt darüber hinaus von sich aus oder<br />
auf Ersuchen des Rates Stellungnahmen ab und bereitetimBereichderPJZSdieArbeitdesRatesvor.<br />
Ausschuss nach Art. 133<br />
Ausschuss nach Art. 133 EGV (Art. 113 EGV in<br />
der Fassung vom 7. 2. 1992, daher: Hundertdreizehner-Ausschuss).<br />
Die Regelung der Ein- und Ausfuhr<br />
von Waren, Dienstleistungen und Kapital fällt weitestgehend<br />
in die ausschließliche Zuständigkeit der<br />
EG. Diese Gemeinsame Handelspolitik ist nach<br />
einheitlichen Grundsätzen zu gestalten. Der maßgebliche<br />
Art. 133 Abs. 1 EGV nennt in diesem Zusammenhang<br />
ausdrücklich die Änderung von Zollsätzen,<br />
den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen,<br />
die Vereinheitlichung von Liberalisierungsmaßnahmen,<br />
die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischenSchutzmaßnahmenwieetwaAntidumpingzölle.DieVerfahrensvorschriftensehenvor,dassdie<br />
Gemeinsame Handelspolitik von der Kommission<br />
durchgeführt wird. Die dafür notwendigen Entscheidungen<br />
trifft – auf Vorschlag der Kommission – der<br />
Rat mit qualifizierter Mehrheit. Die Zoll- und Handelsabkommen<br />
mit anderen Staaten oder internationalen<br />
Organisationen werden von der Kommission<br />
im Benehmen mit dem Rat ausgehandelt.<br />
Um seine Befugnisse im Rahmen der Gemeinsamen<br />
Handelspolitik wahrzunehmen, hat der Rat einen besonderen<br />
Ausschuss bestellt, der nach der handelspolitischenRechtsgrundlage„133er-Ausschuss“genannt<br />
wird. In dem Ausschuss sitzen Beamte aus den<br />
jeweiligen federführenden mitgliedstaatlichen Ministerien.<br />
Er tritt wöchentlich in Brüssel zusammen<br />
und tagt in der Regel auf der Ebene der stellvertretenden<br />
Mitglieder, d. h. mit den Beamten der Fachebene;<br />
einmal monatlich tritt der Ausschuss mit seinen<br />
Vollmitgliedern, d. h. den für die Handelspolitik verantwortlichen<br />
General- oder Ministerialdirektoren<br />
zusammen. Der Vertreter des Mitgliedstaats, der den<br />
Vorsitz im Rat inne hat, führt auch den Vorsitz im<br />
Ausschuss. Die Kommission ist auf den Sitzungen<br />
durch Beamte der Generaldirektion für Handel und<br />
desJuristischenDienstesvertreten.DieKommission<br />
nimmt an allen Arbeiten des Ausschusses teil und<br />
kann jederzeit seine Einberufung beantragen. Der<br />
Ausschuss hat für einzelne Themen – etwa den Textilhandel<br />
oder handelspolitische Schutzmaßnahmen<br />
– Arbeitsgruppen eingerichtet.<br />
Der 133er-Ausschuss ist das zentrale Lenkungsgremium<br />
für die Gemeinsame Handelspolitik. Neben<br />
den genannten Aufgaben dienen die Sitzungen von<br />
Kommission und Rat dem Informationsaustausch<br />
und der inhaltlichen Abstimmung von Mandaten an<br />
die Kommission für Verhandlungen über Zoll- und<br />
57
Außenbeziehungen<br />
Handelsabkommen mit anderen Staaten und internationalen<br />
Organisationen (zur Erteilung von Verhandlungsrichtlinien<br />
vgl. Art. 8 der Entscheidung<br />
69/494, ABl. L 326/1969).<br />
Eine herausgehobene Bedeutung im institutionellen<br />
Gefüge der EG hat der 133er-Ausschuss auch als Koordinierungsgremium<br />
für das gemeinsame Handeln<br />
in der Welthandelsorganisation (�WTO). Auf Grund<br />
der Mitgliedschaft sowohl der EG als auch der 25<br />
Mitgliedstaaten in der WTO besteht ein erheblicher<br />
Bedarf für die Abstimmung der gemeinsamen Positionen,<br />
die auf WTO-Ebene alleine von der Kommissionvertretenwerden.<br />
F. Sch.<br />
Außenbeziehungen der EU. Schon allein die Größe<br />
der Union in wirtschaftlicher, handelsbezogener<br />
und finanzieller Hinsicht verleiht ihr weltweit eine<br />
großeBedeutung.DieUnionverfügtübereinGefüge<br />
bilateraler und multilateraler Abkommen, das sich<br />
global erstreckt.<br />
1. Bedeutung: Die EU repräsentiert im internationalen<br />
System eine Organisation, die eine die nationalen<br />
Grenzen überschreitende, zwischenstaatliche Politik<br />
praktiziert. Sie ist im internationalen Staatengeflecht<br />
vielfältig wirtschaftlich und politisch vertreten.<br />
Über Zoll-, Handels-, Kooperations- und Assoziierungsabkommen<br />
hat die EU ein dichtes Netz internationalerVerflechtungengeschaffen,diedieAußenbeziehungen<br />
der EU kennzeichnen.<br />
Daneben existiert als zweiter Bereich europäischer<br />
Außenpolitik seit 1970 die �Europäische Politische<br />
Zusammenarbeit (EPZ), die im EU-Vertrag zur �Gemeinsamen<br />
Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)<br />
fortentwickelt wurde (Art.11–28 EUV).<br />
2. Verfahren: Das Außenbeziehungsverfahren (Art.<br />
300 EGV) ist so geregelt, dass die Kommission, ermächtigt<br />
vom Rat, Abkommen aushandelt. Der Rat<br />
beschließt auf Vorschlag der Kommission die Abkommen<br />
mit qualifizierter Mehrheit oder einstimmig(jenachRegelungsbereich).DieBeteiligungdes<br />
Europäischen Parlaments (EP) im Entscheidungsverfahrenistdifferenziert.EineZustimmungspflicht<br />
besteht bei Assoziierungsabkommen, bei Beitritten<br />
in die EU und bei Kooperationsabkommen, die einen<br />
spezifischen institutionellen Rahmen schaffen, finanzielle<br />
Folgen für die EU haben oder die eine Änderung<br />
eines nach dem Verfahren des Art. 251 EGV<br />
angenommenen Rechtsaktes zur Folge haben.<br />
3. Ziele und Formen: Artikel 3 EGV ist die Grundla-<br />
58<br />
ge für das Tätigwerden der EU im Bereich der Außenbeziehungen.<br />
Ziele sind<br />
– eine gemeinsame Handelspolitik gegenüber Drittländern<br />
(einschl. der Errichtung eines gemeinsamen<br />
Außenzollsystems);<br />
– eine Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit;<br />
– die Wahrung gemeinsamer außenwirtschaftlicher<br />
Interessen (Art.131 EGV) und<br />
– die Assoziierung der überseeischen Länder und<br />
Hoheitsgebiete.<br />
Daraus lassen sich folgende Politikbereiche der Außenbeziehungen<br />
ableiten: Außenhandel, Außenhilfe,<br />
Außenpolitik (Entwicklungspolitik und Erweiterung),<br />
Europäische Nachbarschaftshilfe und Humanitäre<br />
Hilfe. Inhaltlich lassen sich die Formen der<br />
Außenbeziehungen der EU kategorisieren nach<br />
Zoll-, Handels-, Kooperations-, Assoziierungsabkommen,<br />
Abkommen über die Erweiterung der EU,<br />
Abkommen im Rahmen der �Entwicklungspolitik<br />
und Abkommen in Politikfeldern der Gemeinschaft,<br />
die eine Außenwirkung haben (z. B. �Umweltpolitik,<br />
�Fischereipolitik).<br />
Die Natur der Außenbeziehungen weist die EU in<br />
erster Linie als wirtschaftlichen Zusammenschluss<br />
aus. Durch das bloße Gewicht ihrer Wirtschaft und<br />
ihrer Befähigung, mit einer Stimme zu sprechen,<br />
wurde sie im Bereich des Welthandels automatisch<br />
in eine Führungsrolle gedrängt.<br />
Die Außenbeziehungen werden von dem fundamentalenGrundsatzdeswohlverstandenenEigeninteresses<br />
bestimmt. Die eigene Wirtschaft der EU kann<br />
sich nur in einer liberalen und multilateral angelegten<br />
Weltwirtschaftsordnung entwickeln. Die EU hat<br />
seit ihrer Gründung ein weit verzweigtes Netz multilateraler,<br />
regionaler und bilateraler Handelsbeziehungen<br />
aufgebaut.<br />
Die Assoziierungspolitik hat sich dabei als zentrales<br />
außenpolitisches Instrument der EU entwickelt.<br />
�AssoziierungenbegründeneinbesonderesVerhältnis<br />
– in Form einer engen Bindung mit Rechten und<br />
Pflichten – unterhalb der Mitgliedschaft zwischen<br />
EU und Drittländern. Der gegenseitige Abbau von<br />
Handelshemmnissen sowie Präferenzen im gegenseitigen<br />
Warenaustausch bilden den Kern der Abkommen.<br />
Sie dienen in Europa ferner dazu, Staaten<br />
an die EU heranzuführen, für die ein EU-Beitritt aus<br />
ökonomischen oder politischen Gründen noch nicht<br />
aktuell ist.
4.DimensionenderAußenbeziehungenderEuropäischen<br />
Union<br />
4.1 Multilaterale Beziehungen der EU mit OECD,<br />
WTO, UN und EFTA<br />
4.1.1 Die EU besitzt in der Organisation für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(�OECD) einen Sonderstatus. Sie ist nicht Mitglied<br />
der Organisation, doch die Kommission gibt regelmäßig<br />
im Namen der EU Stellungnahmen zu Themen<br />
ab, die in die Zuständigkeit der Union fallen<br />
oder zu denen die Mitgliedstaaten zuvor einen �Gemeinsamen<br />
Standpunkt festgelegt haben.<br />
4.1.2 Innerhalb der Welthandelsorganisation<br />
(�WTO), vormals �GATT (bis 1995), nimmt die EU<br />
eine Sonderstellung ein. Vertragsparteien der GATT/<br />
WTO-Abkommen sind die Mitgliedstaaten und<br />
nicht die EU als solche. Dennoch hat die Union eine<br />
Reihe von internationalen Übereinkommen unterzeichnet,<br />
die unter der Schirmherrschaft des GATT/<br />
WTO ausgehandelt wurden. Da der Gemeinschaft<br />
mit dem EG-Vertrag die ausschließliche Befugnis<br />
übertragen wurde, in Außenhandelsfragen die Mitgliedstaaten<br />
zu vertreten (Handelspolitik als Gemeinschaftspolitik),<br />
ist sie de facto zu einer Vertragspartei<br />
avanciert mit der Folge, dass die Kommission<br />
allein verhandelt und als Einzige für die Gemeinschaft<br />
und ihre Mitgliedstaaten spricht. Die<br />
Kommission wird dazu vom Rat ermächtigt, der die<br />
Verhandlungsrichtlinien festlegt. Das Europäische<br />
Parlament hat in diesem Fall keine Mitwirkungsrechte<br />
(Art. 133 und Art. 300 Abs. 3 EGV).<br />
Die EU unterhält eine Vielzahl von bilateralen Abkommen<br />
(mit Ländern und Ländergruppen). Nach<br />
dem GATT/WTO-Abkommen müssen Handelsvorteile,<br />
die einem Handelspartner gewährt werden, automatisch<br />
auch allen anderen WTO-Mitgliedern eingeräumt<br />
werden (Prinzip der Meistbegünstigung).<br />
Ausnahmen werden zugelassen, wenn die Handelsvereinbarungen<br />
eine Zollunion (wie EU), eine Freihandelszone<br />
(wie EWR, EFTA) oder Handelspräferenzen<br />
für Entwicklungsländer zum Gegenstand haben.<br />
Im WTO-Prozess ist für die Union die im Jahre 2001<br />
ins Leben gerufene sog. Doha-Runde von großer Bedeutung.<br />
Die in ihrem Rahmen geführten internationalen<br />
Handelsgespräche rücken allgemeine soziale<br />
und politische Ziele bei der Handelsliberalisierung<br />
in den Vordergrund. Nach dem Abbruch der Gespräche<br />
2003 in Cancún sollen die Vorschläge für die<br />
Außenbeziehungen<br />
Entwicklungsziele in den Bereichen Handel, Unterstützung,<br />
Marktzugang und Landwirtschaft Ende<br />
2005 durch eine WTO-Ministerkonferenz (Hongkong)<br />
beschlossen werden.<br />
4.1.3 Bei den Vereinten Nationen hat die EU seit<br />
1974 einen Beobachterstatus. Sie ist in der Vollversammlung<br />
der UN beratend vertreten. Gleiches gilt<br />
für den Wirtschafts- und Sozialrat der UN (Ecosoc),<br />
dem Ausschuss für dauerhafte Entwicklung (CDD),<br />
der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN-<br />
ECE), dem Internationalen Währungsfonds (IWF)<br />
und der Weltbank (IBRD). Im Rahmen der Welthandelskonferenz<br />
der UN (UNCTAD) vereinbarte die<br />
EU Zollpräferenzen für den Import gewerblicher<br />
Waren aus Entwicklungsländern. Die EU-Delegation<br />
ist nach dem Grundsatz des Dualismus besetzt:<br />
Neben den Kommissionsvertretern sitzen Vertreter<br />
des jeweiligen Mitgliedstaates, der die EU-Präsidentschaft<br />
innehat. Ein Großteil der Arbeit der UN<br />
fällt in einen Zwischenbereich, in dem sich die Zuständigkeit<br />
der EU und ihrer Mitgliedstaaten überschneiden.<br />
Durch das Dualismusprinzip wird die Behandlung<br />
von Fragen erleichtert, die an der Grenze<br />
zwischen internationaler Wirtschaftspolitik und Außenpolitik<br />
liegen. Trotz Beobachterstatus hat die EU<br />
mittlerweile als einziger „Nicht-Staat“ über 50 internationale<br />
Übereinkommen mit unterzeichnet (z. B.<br />
1997 das UN-Seerechts-Übereinkommen).<br />
4.1.4 Die Beziehungen zur EFTA bilden eine wesentliche<br />
Säule der EU-Außenbeziehungen. Die EG<br />
schlossindenJahren1972/73mitjedemEFTA-Staat<br />
ein Freihandelsabkommen. 1984 verabschiedeten<br />
EG und EFTA die sog. Luxemburger Erklärung, in<br />
der sie übereinkamen, die Kooperation innerhalb der<br />
Freihandelsabkommen zu intensivieren und einen<br />
�Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu schaffen.<br />
EG und EFTA verhandelten 1990/91 erfolgreich<br />
über das Konzept eines EWR. Der EWR ist seit 1994<br />
wirksam; eingebunden sind die EFTA-Länder Norwegen,<br />
Island und Liechtenstein (jedoch nicht die<br />
Schweiz). Das EWR-Abkommen ist ein Freihandelsabkommen,<br />
das nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit<br />
geschlossen wurde; der Marktzugang wurde<br />
liberalisiert.<br />
4.2 Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen<br />
Ländern<br />
4.2.1 Mitteleuropa. Mit den Umwälzungen in Ostund<br />
Mitteleuropa seit 1989 entwickelte sich für die<br />
EU ein enormer Handlungsbedarf. Da eine Mitglied-<br />
59
Außenbeziehungen<br />
schaft der Staaten in der EU kurzfristig nicht möglich<br />
war, konzentrierten sich die Unterstützungsanstrengungen<br />
der EU auf den Aufbau pluralistischer Demokratien<br />
und marktwirtschaftlich orientierter<br />
Volkswirtschaften; Assoziierungsvereinbarungen<br />
bilden dabei das Kernstück. Inhaltspunkte der Vereinbarungen<br />
mit den jeweiligen Ländern sind:<br />
– die stufenweise Einführung des Freihandels;<br />
– die industrielle, technische und wissenschaftliche<br />
Zusammenarbeit;<br />
– diefinanzielleHilfeüberKreditgewährungenund<br />
– die Institutionalisierung des politischen Dialogs.<br />
Bilaterale Abkommen (�Assoziierungen) wurden<br />
zunächst 1990/91 mit Ungarn, Polen und der damaligen<br />
Tschechoslowakei ausgehandelt. Es folgten<br />
1993 �Europa-Abkommen mit Bulgarien, Rumänien,derTschechischenundSlowakischenRepublik<br />
(als Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei). 1995<br />
folgten Lettland, Estland und Litauen, 1996 Slowenien.<br />
Diese besondere Form der Assoziierungsabkommen<br />
sollte den östlichen Reformstaaten eine<br />
enge und umfassende Zusammenarbeit mit der EU<br />
ermöglichen, und zwar mit dem kurzfristigen Ziel<br />
der Errichtung einer Freihandelszone. Neben der<br />
wirtschaftlichen Anbindung an den Binnenmarkt ist<br />
auch ein ständiger politischer Dialog sowie eine kulturelle<br />
Kooperation vorgesehen.<br />
Die Abkommen beinhalteten eine zehnjährige Übergangszeit<br />
für die Schaffung von Freihandelszonen<br />
und eröffneten den Reformländern ausdrücklich die<br />
Möglichkeit des (2004 vollzogenen) Beitritts<br />
(EU-Mitgliedschaft als Endziel).<br />
Seit 1994 wurde zwischen der EU und den mitteleuropäischen<br />
Staaten im Zuge der �Heranführungsstrategie<br />
ein �strukturierter Dialog auf Ministerebene<br />
geführt. Themenbereiche waren Außenpolitik,<br />
Landwirtschaft, Wirtschafts- und Finanzfragen, Bildung,<br />
Kultur, Umwelt, audiovisuelle Medien, Binnenmarkt,<br />
Forschung, Verkehr, Justiz und Inneres,<br />
Energiewirtschaft und Sozialpolitik.<br />
Mit der Erweiterung (zum 1. 5. 2004) der Union um<br />
Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien,<br />
Tschechien, Ungarn, (Malta und Zypern) und<br />
derBeitrittsperspektivefürRumänienundBulgarien<br />
(2007) war die Strategie erfolgreich.<br />
4.2.2 Osteuropa und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion.<br />
Mit den meisten Ländern der Gemeinschaft<br />
Unabhängiger Staaten (�GUS) wurden Partnerschafts-<br />
und Kooperationsabkommen unter-<br />
60<br />
zeichnet: Ukraine (1994), Russische Föderation<br />
(1994), Moldawien (1994), Kasachstan (1995), Kirgisistan<br />
(1995), Belarus (1995), Armenien (1996),<br />
Aserbaidschan (1996) und Georgien (1996). Die Abkommen<br />
regeln die politischen, wirtschaftlichen und<br />
handelspolitischen Beziehungen zwischen den Vertragspartnern<br />
und schaffen die Grundlage für eine<br />
Zusammenarbeit im sozialen, menschlichen, wissenschaftlichen,<br />
technologischen und kulturellen<br />
Bereich. 1997 vereinbarte der Rat in Anbetracht der<br />
Lage in Belarus, weder das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />
noch das Interimsabkommen<br />
über Handel und Handelsfragen zum Abschluss zu<br />
bringen. Interimsabkommen über Handel und Handelsfragen<br />
wurden 1997 mit Armenien, Georgien,<br />
Kirgisistan und Aserbaidschan unterzeichnet. Mit<br />
den Interimsabkommen werden die handelspolitischen<br />
Teile der Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />
vor deren Ratifizierung in Kraft gesetzt.<br />
Im Rahmen der technischen Hilfe an die GUS-Staatenwurde1991das�TACIS-Programmgeschaffen.<br />
4.3 EU und Entwicklungsländer. Die Beziehungen<br />
zwischen Europa und dem Afrika südlich der Sahara<br />
haben eine lange Tradition. Mit dem Vertrag von<br />
Rom (1957) wurden die Kolonien und überseeischen<br />
Gebiete einiger EWG-Mitgliedstaaten mit der Gemeinschaft<br />
assoziiert. Mit der Entkolonialisierung,<br />
die Anfang der 1960er Jahre begann, wurde diese<br />
Verbindung zu einer Assoziierung zwischen souveränen<br />
Staaten. Die EU verfügt seit 1973 in Form von<br />
Abkommen über ein engmaschiges Netz mit vielen<br />
Entwicklungsländern (�Entwicklungspolitik).<br />
4.3.1 1975 wurde das erste �Lomé-Abkommen mit<br />
46 �AKP-Staaten unterzeichnet. Südafrika ist 1997<br />
„bedingt“ als 71. Staat dem Abkommen beigetreten.<br />
Kernpunkte waren fünf globale Themen: AufwertungderPartnerschaftundStärkungihrerpolitischen<br />
Dimension, Neuausrichtung der Zusammenarbeit<br />
auf ein integriertes Konzept für die Armutsbekämpfung,<br />
Ausbau der Zusammenarbeit in Richtung wirtschaftlicher<br />
Partnerschaft, strengere und selektivere<br />
HandhabungderKooperationsinstrumenteundWeiterentwicklung<br />
der geografischen Differenzierung<br />
unter Wahrung der Geschlossenheit der AKP-Gruppe.<br />
Die EU beteiligte sich ferner an der Initiative des<br />
IWF und der Weltbank zu Gunsten der armen und am<br />
höchsten verschuldeten Länder mit einer außerordentlichen<br />
Hilfe für die hoch verschuldeten AKP-<br />
Staaten.
4.3.2 Das im Juni 2000 in der Hauptstadt Benins unterzeichnete<br />
�Cotonou-Abkommen kennzeichnet<br />
eine neue Phase in der Entwicklungspolitik der EU.<br />
Das Abkommen zwischen der Europäischen Union<br />
und den AKP-Ländern hat als Hauptanliegen die<br />
Förderung und Beschleunigung der wirtschaftlichen,<br />
kulturellen und sozialen Entwicklung der<br />
AKP-Staaten und den Ausbau und die weitere Differenzierung<br />
der Beziehungen zur Union und ihren<br />
Mitgliedstaaten im Geiste der Solidarität und im beiderseitigen<br />
Interesse.<br />
Schwerpunkte der Lomé-Abkommen waren die<br />
Handelsbeziehungen und der Marktzugang: das Cotonou-Abkommen<br />
zielt weiter und führt z. B. neue<br />
Verfahren für den Umgang mit Menschenrechtsverletzungen<br />
ein. Die Union hat den am wenigsten entwickelten<br />
Ländern, von denen 39 das Abkommen<br />
unterzeichnet haben, besondere Handelserleichterungen<br />
gewährt. Seit 2005 können sie nahezu alle Erzeugnisse<br />
zollfrei in die Union einführen.<br />
Afrika hat für die Union oberste Priorität. Das ist das<br />
Fazit des Berichts der Afrika-Kommission 2005.<br />
Die Afrika-Kommission wurde 2004 vom Vereinigten<br />
Königreich ins Leben gerufen. Die Europäische<br />
Kommission und die Kommission für Afrika kommen<br />
zu der gleichen Schlussfolgerung: In und für<br />
Afrika müsste mehr getan werden. Konkret bedeutet<br />
das, dass die Entwicklungshilfe mit einer stärkeren<br />
Mitwirkung der begünstigten Länder selbst einhergehen<br />
sollte. Darüber hinaus wird die Kommission<br />
die europäische Entwicklungspolitik in Zukunft insbes.<br />
auf Afrika ausrichten.<br />
4.3.3 Mit einer Reihe von Ländern Asiens und Lateinamerikas<br />
vereinbarte die EG Mitte der 1970er<br />
Jahre Kooperationsabkommen, in denen insbes. der<br />
Handelsaustausch und Kooperationen in den Bereichen<br />
Industrie und Landwirtschaft festgelegt wurden.<br />
Für die Exporte dieser Länder wurde u. a. das<br />
�Allgemeine Präferenzsystem (APS) geschaffen,<br />
wonach die Exportmöglichkeiten verbessert wurden.ImLaufederJahrewurdedasAPSstrukturellreformiert.<br />
Die EU hat unter Anwendung des Differenzierungsprinzips<br />
den Präferenzzugang abgestuft, da<br />
die konkurrenzfähigeren unter den Lieferländern daran<br />
gehindert werden sollen, ihre schwächeren Rivalen<br />
vom Gemeinschaftsmarkt zu verdrängen.<br />
1997 beschloss z. B. der Rat, die am weitesten fortgeschrittenen<br />
Länder unter den APS-Begünstigten<br />
(Republik Korea, Hongkong/VR China, Singapur)<br />
Außenbeziehungen<br />
von den Ursprungsregeln auszuschließen. Weniger<br />
fortgeschrittene Länder (Bangladesch, Kambodscha,<br />
Laos, Nepal) erhielten andererseits weitere<br />
Vergünstigungen.<br />
4.3.4 Die EU unterhält Beziehungen zu folgenden<br />
regionalen Zusammenschlüssen:<br />
– �ASEAN: politischer Dialog seit 1978; wirtschaftliches<br />
Kooperationsabkommen seit 1980;<br />
– �Golf-Kooperationsrat: Kooperationsabkommen<br />
seit 1988;<br />
– �Andenpakt: Kooperationsabkommen seit 1983;<br />
– Gruppe zentralamerikanischer Staaten (Costa<br />
Rica,ElSalvador,Guatemala,Honduras,Nicaragua,<br />
Panama): Kooperationsabkommen seit 1985;<br />
– �MERCOSUR: Freihandels- und Kooperationsabkommen<br />
seit 1995.<br />
Nicht beteiligt ist die EU an der Nordamerikanischen<br />
Freihandelszone (NAFTA, gegr. 1994: USA, Kanada,<br />
Mexiko) und an der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation<br />
(APEC, gegr.1989: ASEAN und<br />
NAFTA-Staaten, Australien, Chile, Japan, Republik<br />
Korea, Neuseeland, Papua-Neuguinea, China, Taiwan).<br />
Die EU versucht ihrerseits die Beziehungen zu<br />
den Wachstumsregionen Ostasien und Lateinamerika<br />
(insbes. mit dem MERCOSUR) zu festigen. Die<br />
Wirtschaftsbeziehungen mit Ostasien werden über<br />
die Asien-Europa-Treffen (�ASEM) gestärkt. Die<br />
erste Runde erfolgte 1996; sie sollen auf der Ebene<br />
der Staats- und Regierungschefs mindestens alle<br />
zwei Jahre und regelmäßig auf der Ebene der Außenund<br />
Wirtschaftsminister sowie des Asien-Europa-<br />
Wirtschaftsforums fortgeführt werden. Eingebunden<br />
in ASEM sind die EU, die 15 EU-Staaten, die<br />
ASEAN-Mitgliedstaaten und als Einzelstaaten China,<br />
Japan und die Republik Korea.<br />
4.4 Humanitäre Hilfe: Grundlage der �humanitären<br />
Hilfe der EU bildet die seit 1996 wirksame Verordnung<br />
zur Regelung der humanitären Hilfsaktionen<br />
(Verordnung 1257/96, Abl. L 163/1996).<br />
DieEUwirddabeiüberdasAmtfürhumanitäreHilfe<br />
der Europäischen Gemeinschaft (�ECHO) tätig. Mit<br />
der humanitären Hilfe sollen nicht nur die Grundbedürfnisse<br />
der betroffenen Menschen gedeckt, sondern<br />
auch die Spannungen zwischen den Konfliktparteien<br />
abgebaut werden, um eine Zuspitzung der<br />
Krisen zu vermeiden und den baldigen Wiederaufbau<br />
zu ermöglichen.<br />
4.5 Beziehungen zu den Mittelmeerländern und den<br />
Ländern des Nahen Ostens: 1972 legte die Europäi-<br />
61
Außenbeziehungen<br />
sche Kommission erstmals einen Vorschlag für eine<br />
globale Mittelmeerkonzeption (�Mittelmeerpolitik)<br />
vor. Kernstück bildet heute die Europa-Mittelmeer-<br />
Partnerschaft, die seit 1995 existiert. Eingebunden<br />
sind neben den EU-Staaten Algerien, Ägypten, Israel,<br />
Jordanien, Libanon, Malta, Marokko, Palästina,<br />
Syrien, Tunesien, Türkei und Zypern. Die drei Bereiche<br />
der Partnerschaft sind Politik und Sicherheit;<br />
Wirtschaft und Finanzen; soziale, kulturelle und<br />
menschliche Fragen. Zielschwerpunkte sind:<br />
– StärkungdesFriedensprozessesimNahenOsten;<br />
– Zusammenarbeit in sozialen und kulturellen Fragen,wirtschaftlicheKooperation,politischerDialog;<br />
– Schaffung einer Europa-Mittelmeer-Freihandelszone<br />
bis zum Jahr 2010.<br />
Ergänzt wird die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft<br />
durch dezentrale Zusammenarbeit (Abkommen zwischen<br />
der EU und einzelnen Ländern) und sektorbezogene<br />
Europa-Mittelmeer-Konferenzen (z. B. Umweltschutz).<br />
�Europ. Nachbarschaftspolitik (ENP)<br />
Im Rahmen des �MEDA-Programms gewährt die<br />
UniondenMittelmeerländerneinefinanzielleUnterstützung<br />
in Höhe von 5,3 Mrd. Euro (Jahre 2000 –<br />
2006). Ein weiterer Schwerpunkt bildet der Nahostkonflikt,<br />
in dem die Parlamentarische Versammlung<br />
Europa-Mittelmeer (PVEM) vermittelt. Eingebunden<br />
sind EP-Abgeordnete und die Vertreter der zehn<br />
Partnerländer (Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien,<br />
Libanon, Marokko, Palästinenserbehörde, Syrien,<br />
Tunesien und Türkei).<br />
4.6 Beziehungen zu den USA, Japan und anderen Industrieländern:<br />
Die EU ist über die OECD hinaus<br />
durch enge politische und wirtschaftliche Beziehungen<br />
mit den Industrieländern verbunden. Dazu zählen<br />
auch die Treffen (Weltwirtschaftsgipfel) der siebengrößtenIndustrieländer(�G7),beidenendieEuropäische<br />
Union durch den Kommissionspräsidenten<br />
und den jeweiligen amtierenden Ratspräsidenten<br />
vertreten ist. 1997 war die Russische Föderation an<br />
allen Beratungen der G 7 erstmals beteiligt und ist<br />
seit 1998 Mitglied (�G 8).<br />
Die Ziele des Maastrichter Vertrages und deren Realisierung<br />
(insbes. Wirtschafts- und Währungsunion)<br />
verändern die Gewichte in der Kooperation zwischen<br />
den USA und der EU. Dies führte 1990 zur Unterzeichnung<br />
der �Transatlantischen Erklärung zwischen<br />
den USA und der EG. Sie bekräftigt die Grundsätze<br />
der Partnerschaft und führt institutionelle Konsultationen<br />
ein. Mitte der 1990er Jahre begann der<br />
62<br />
Dialog über eine transatlantische Freihandelszone<br />
zwischen USA und EU, deren Realisierung jedoch<br />
die 1995 geschaffene Welthandelsorganisation<br />
WTO schwächen würde. Daraufhin wurde 1995 die<br />
�„Neue Transatlantische Agenda“ zwischen den<br />
USA und der EU unterzeichnet. Zentrale Ziele der<br />
Agenda sind u. a. die Bewältigung globaler Herausforderungen;<br />
die Fortentwicklung der WTO-Regeln<br />
zur Expansion des Welthandels; die Stärkung der<br />
Verbindungen auf privatwirtschaftlicher Ebene sowie<br />
auf dem Gebiet von Forschung und Technologie<br />
und die Förderung von engen Kontakten zwischen<br />
den Menschen über Austauschprogramme. Eingeführt<br />
wurde z. B. das transatlantische Marktprogramm<br />
(New Transatlantic Marketplace), das Handels-<br />
und Investitionshindernisse beseitigen soll, die<br />
in den unterschiedlichen Rechtssystemen der USA<br />
und EU gründen. Analog zum Binnenmarkt soll das<br />
Prinzip der gegenseitigen Anerkennung in ausgewählten<br />
Bereichen realisiert werden.<br />
Mit Japan vereinbarte die EU 1991 jährliche Gipfeltreffen.<br />
Durch dieses Instrument ist es gelungen, die<br />
Zusammenarbeit auf zahlreiche Gebiete auszudehnen,<br />
so z. B. in den Bereichen Umweltschutz, soziale<br />
Fragen, Telekommunikation, industrieller Dialog,<br />
Wissenschaft und Technik. Im Blickpunkt stehen<br />
mittelfristig seit 1997 die Intensivierung des politischen<br />
Dialogs (einschl. der ASEM-Ebene), ökonomische<br />
Fragen der Deregulierung und Vertriebssysteme<br />
sowie ein Abkommen zur gegenseitigen (Produkt-)Anerkennung.<br />
4.7 Diplomatische Beziehungen: Die EU war 2004 in<br />
122Staatenundbei5internationalenOrganisationen<br />
mit �Delegationen diplomatisch vertreten. Im Gegenzug<br />
waren 165 Staaten durch �Missionen bei der<br />
EU akkreditiert. Die EU wirkt als Organisation bei<br />
mehr als 1 200 internationalen Abkommen (bilateral<br />
wiemultilateral)mit. L. U.<br />
Literatur:<br />
Arnim, J.: Aktuelle Entwicklung der Außenbeziehungen der<br />
EG. Universität Saarbrücken 1993<br />
Ash, T. L.: Freie Welt. Europa, Amerika und die Chance der<br />
Krise. Bonn 2004<br />
Europäische Kommission (Hg.): Die EG als Welthandelspartner<br />
(Außenhandelsbericht). Brüssel 1993<br />
Dies. (Hg.): Europäische Nachbarschaftspolitik. KOM (2004)<br />
373<br />
Fröhlich, St.: Möglichkeiten europäisch-amerikanischer<br />
Kooperation. Sankt Augustin 1997<br />
Weidenfeld, W./Wessels, W. (Hg.): Jahrbuch der Europäischen<br />
Integration. Bonn 1981 ff. (Außenbeziehungen)
Außengrenzen der EU. Seit der Vollendung des<br />
Binnenmarkts mit seinen vier wirtschaftlichen<br />
Grundfreiheiten (Personenverkehr, Warenverkehr,<br />
Dienstleistungsverkehr, Kapitalverkehr), der Verabschiedung<br />
und Umsetzung des �Schengener Abkommens<br />
von 1985 und 1990 zur Abschaffung der<br />
Personenkontrollen an den Binnengrenzen sowie<br />
den Verordnungen zum Abbau von Grenzkontrollen<br />
im Straßen- und Binnenschiffsverkehr von Fahrzeugen<br />
aus einem Mitgliedstaat oder einem Drittland<br />
spielen die Binnengrenzen innerhalb der EU eine immer<br />
geringere Rolle bei der Überprüfung von Sicherheits-<br />
und Rechtsbestimmungen und der Erhebung<br />
von Zöllen und Personenkontrollen. Um so wichtiger<br />
wird die Rolle der Außengrenzen, an die diese<br />
Funktionen verlagert wurden und werden.<br />
Im Bereich des Warenverkehrs werden im Rahmen<br />
der Europäischen Zollunion die im Gemeinsamen<br />
Zolltarif festgelegten Einfuhrzölle für Waren aus<br />
Drittländern an der Stelle erhoben, wo sie in das Gebiet<br />
der EU eingeführt werden. Zölle sind unmittelbar<br />
der EU zustehende Abgaben, die von den nationalen<br />
Zollbehörden erhoben werden. Ebenso findet<br />
hier an den Außengrenzen die Überprüfung der eingeführten<br />
Güter auf ihre rechtliche und tatsächliche<br />
Übereinstimmung mit den Rechtsnormen der EU<br />
bzw. internationalen Vereinbarungen statt (technische<br />
Bestimmungen, Urheberrechtsschutz, Markenschutz,<br />
Artenschutz etc.)<br />
Im Bereich der Personenkontrollen wurde in den<br />
Amsterdamer Vertrag ein Titel „Visa, Asyl, Einwanderung<br />
und andere Politiken betreffend den freien<br />
Personenverkehr“ (Art. 61 – 69 EGV) eingeführt.<br />
Artikel 62 EGV stellt sicher, dass die Personenkontrollen<br />
nur an den Außengrenzen stattfinden. Artikel<br />
62 und 63 Abs. 3 und 4 EGV schaffen die Grundlage<br />
für eine einheitliche Festlegung der Aufenthaltsvoraussetzung<br />
für Nicht-EU-Bürger bei kurz- und längerfristigen<br />
Aufenthalten, für eine Vereinheitlichung<br />
der Außenkontrollen, für die Bekämpfung illegaler<br />
Einwanderung und die Festlegung einheitlicher<br />
Maßstäbe zur Visa-Erteilung. Während die entsprechende<br />
Verordnung 539/2001 (ABl. L 81/2001)<br />
für die gesamte EU einheitlich festlegt, welche<br />
Staatsangehörige ein Visum benötigen, liegt die Einzelfallentscheidung<br />
weiterhin bei den Botschaften<br />
und Behörden der Mitgliedstaaten. Mit Ausnahme<br />
des „Schengen-Visums“, das zu Einreise und Aufenthalt<br />
für bis zu 90 Tagen berechtigt und für dessen<br />
Außengrenzen<br />
Inhaber Freizügigkeit im gesamten Schengen-Gebiet<br />
gilt, beziehen sich die übrigen Visa nur auf das<br />
Gebiet des ausstellenden Staats. Durch die Entscheidung<br />
2001/420 (ABl. L 150/2001) gilt allerdings<br />
auch ein von einem Mitgliedstaat ausgestelltes Visum<br />
für den längerfristigen Aufenthalt als kurzfristiges<br />
Visum im Schengen-Gebiet.<br />
Dieses Schengen-Gebiet ist derzeit nicht mit dem<br />
EU-Gebiet gleichzusetzen. Großbritannien und Irland<br />
sind dem Schengen-Abkommen (noch) nicht<br />
beigetreten, ebenso wenig wie bisher die Beitrittsländervon2004.AndererseitssindNorwegenundIsland<br />
als Mitglieder der Nordischen Union sowie<br />
2005 die �Schweiz, also Staaten, die der EU nicht angehören,<br />
dem Schengener Abkommen beigetreten.<br />
In einer Mitteilung aus dem Jahre 2001 spricht sich<br />
dieEU-KommissionfürdieEinführungder�offenen<br />
Koordinierungsmethode für die Einwanderungspolitikaus.NebenMaßnahmeninDrittländernsiehtder<br />
Vorschlag auch eine Verstärkung der Personenkontrollen<br />
an den Außengrenzen vor.<br />
Besondere Bestimmungen gelten für Asylbewerber,<br />
Flüchtlinge und Vertriebene: Im „Dubliner Übereinkommen“<br />
vom 16. 9. 1990 haben sich die EU-Mitgliedstaaten<br />
darauf geeinigt, dass grundsätzlich nur<br />
einStaatfürdasAsylverfahrenzuständigist,undhier<br />
wurden die Regeln für die Bestimmung des zuständigen<br />
Staates festgelegt. Eine Richtlinie über MindestnormenfürAsylverfahrenindenMitgliedstaatenaus<br />
dem Jahre 2004 (Asylverfahrensrichtlinie 2004/83,<br />
Abl. L 304/2004) definiert einige zentrale Begriffe<br />
wie Genfer Konvention, Asylantrag, Familienangehöriger,<br />
Flüchtling u. a. Sie regelt verschiedene Garantien,<br />
die die Mitgliedstaaten den Asylbewerbern<br />
in Bezug auf die Aufnahme gewähren müssen, stellt<br />
es ihnen aber frei, günstigere Aufnahmebedingungen<br />
zu gewähren. Außerdem enthält sie Regeln zur<br />
Zusammenarbeit und zum Erfahrungsaustausch.<br />
Im Dezember 1992 wurde ein „Informations-, Reflexions-<br />
und Austauschzentrum für Fragen im Zusammenhang<br />
mit dem Überschreiten der Außengrenzen<br />
und der Einwanderung“ (�CIREFI, Centre for Information,<br />
Discussion and Exchange on the Crossing of<br />
Frontiers and Immigration) errichtet, das u.a. die<br />
Aufgabe hat, Informationen über legale und illegale<br />
Zuwanderung, insbes. die Einschleusung von Ausländern<br />
sowie Maßnahmen der Grenzbehörden zu<br />
sammeln und zu analysieren. Das CIREFI tritt monatlich<br />
zusammen. Es besteht aus fachkundigen Ver-<br />
63
Außenhandelspolitik<br />
tretern der Mitgliedstaaten und erstattet dem Rat<br />
jährlich Bericht. Im Mai 1999 wurde im Rahmen des<br />
CIREFI ein Frühwarnsystem zur Übermittlung von<br />
Informationen über die illegale Zuwanderung und<br />
die Schleuserkriminalität geschaffen. Bei ersten Anzeichen<br />
für illegale Zuwanderung bzw. Schleuserkriminalität<br />
und neuen Tendenzen in diesen Bereichen<br />
hat es sofort die nötigen Informationen zu übermitteln.<br />
Durch Verordnung 2007/2004 (ABl. L 349/2004) errichtete<br />
die EU eine „Europäische Agentur für die<br />
operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“,<br />
deren wesentliche Aufgabe darin besteht, die operativeZusammenarbeitderMitgliedstaatenimBereich<br />
des Schutzes der Außengrenzen zu koordinieren, die<br />
Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten<br />
zu unterstützen, Risikoanalysen vorzunehmen,dieeinschlägigeForschungzuverfolgen,<br />
die Mitgliedstaaten in Notsituationen zu unterstützen.<br />
Sitz der Agentur ist Warschau. Die Agentur, die<br />
am 1. 5 . 2005 ihre Arbeit aufnahm, soll den nationalen<br />
Grenzschutz jedoch nicht ersetzen. Der Grenzschutz<br />
bleibt (noch) eine Aufgabe der einzelnen<br />
EU-Mitgliedstaaten, doch soll durch die Agentur ein<br />
einheitliches Schutzniveau an den Außengrenzen<br />
der Europäischen Union gewährleistet werden.<br />
Ein „Plan für den Grenzschutz an den Außengrenzen<br />
der Mitgliedstaaten der EU“ sieht eine Reihe von<br />
Maßnahmen zur kurzfristigen Verbesserung der<br />
praktischen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten<br />
beim Schutz der Außengrenzen und im Kampf<br />
gegen illegale Migration vor. Zu seiner Umsetzung<br />
wurde auf europäischer Ebene ein Leitungsgremium<br />
(CommonUnit)gebildet.IndiesemGremiumtreffen<br />
sich regelmäßig die Leiter der GrenzschutzorganisationenderMitgliedstaaten,umgemeinsameProjekte<br />
zu entwickeln und zu koordinieren. Die „Common<br />
Unit“ baut seitdem ein dezentrales Netzwerk von<br />
„Zentren“ auf, die sich verschiedenen Aufgaben der<br />
Grenzpolizei widmen. In diesem Rahmen gibt es seit<br />
Oktober 2002 das „Zentrum Landgrenzen“. Seine<br />
Aufgabe ist es, gemeinsame Einsätze an den Landesaußengrenzen<br />
der EU vorzubereiten, durchzuführen<br />
und ihren Erfolg zu bewerten. Bisher fanden einige<br />
gemeinsame Einsätze an den deutschen, österreichischen<br />
und italienischen Außengrenzen statt. Weiterhin<br />
wurden sechs Dienststellen entlang der EU-<br />
Außengrenzen eingerichtet, in denen Grenzpolizisten<br />
verschiedener Mitgliedstaaten ihren alltäglichen<br />
64<br />
Dienst im Bereich der Grenzkontrolle und Grenzüberwachung<br />
verrichten sollen.<br />
Alle diese Maßnahmen dienen dem Zweck, den<br />
Schutz, den bisher die Staatsgrenzen auch innerhalb<br />
des EU-Gebiets gewährt haben, sicher und effizient<br />
andieAußengrenzenzuverlagern. M. K.<br />
Außenhandelspolitik (Gemeins. Handelspolitik)<br />
1. Außenhandelsstrukturen und -beziehungen: Wegen<br />
der großen Bedeutung des Außenhandels für die<br />
Staaten der EU ist die Außenhandelspolitik ein zentraler<br />
Bestandteil der �Außenbeziehungen der Gemeinschaft.<br />
Voraussetzung für handelspolitische<br />
Fortschritte war, dass ihre Mitgliedstaaten nicht nur<br />
eine Freihandelszone, sondern eine Zollunion bildeten.<br />
Sie haben nach einer Übergangszeit von 12 Jahren<br />
nicht nur die Binnenzölle abgeschafft (für gewerbliche<br />
Waren am 1. 7. 1968, für landwirtschaftliche<br />
Produkte am 1. 1. 1970), sondern auch gemeinsame<br />
�Außenzölle eingeführt.<br />
Die EU ist die bedeutendste Handelsmacht der Erde<br />
(die folgenden Daten für 2003 beziehen sich auf die<br />
EU mit 15 Mitgliedstaaten). Am Weltexport (4 828,3<br />
Mrd. Euro, ohne Intrahandel der EU) hatte sie einen<br />
Anteil von 20,2 %; ihr Importanteil (Weltimport: 5<br />
124,0 Mrd. Euro, ohne Intrahandel der EU) belief<br />
sich auf 19,3 %.<br />
Mit 15,2 % der EU-Importe und 22,5 % der Exporte<br />
sind die USA der bedeutendste Handelspartner der<br />
EU. Nach wie vor hat also der Außenhandel erstrangige<br />
wirtschaftliche Bedeutung für die Gemeinschaft.IhreWirtschaftgründetsichzueinemerheblichen<br />
Teil auf die Nutzung und Verarbeitung von eingeführten<br />
Rohstoffen zu Fertigerzeugnissen mit hoher<br />
Wertschöpfung sowohl für den Binnenmarkt als<br />
auch für den Weltmarkt.<br />
Knapp ein Drittel der EU-Ein- und -Ausfuhren (ohne<br />
Intra-EU-Handel) werden mit den Entwicklungsländern<br />
getätigt. Schon aus diesem Grunde muss die EU<br />
einvitalesInteresseanderEntwicklungeinesweltoffenen<br />
Handelssystems haben. Zum einen sind wichtige<br />
Wirtschaftsbereiche der EU zu sensibel, als dass<br />
auf weltweite Handelsbeziehungen verzichtet werden<br />
könnte; zum anderen erleichtern der Wegfall<br />
noch bestehender nationaler Importhemmnisse und<br />
die Vereinheitlichung/Harmonisierung der Normen<br />
und Außenhandelsformalitäten durch die Vollendung<br />
des Binnenmarktes (1993) den Entwicklungsländern<br />
den Zugang zum EU-Markt.
1.1 EU – USA. Die Handelsbeziehungen der EU zu<br />
den verschiedenen Handelspartnern sind jedoch<br />
nicht einheitlich. Mit den beiden großen außereuropäischen<br />
Handelspartnern, den USA und Japan, bestehen<br />
keine umfassenden Außenhandelsverträge.<br />
MitbeidenHandelspartnern,denschärfstenKonkurrenten<br />
auf dem Weltmarkt, kommt es immer wieder<br />
zu Konflikten. Streit mit den USA gab es vor allem<br />
um die für die USA wie die EU gleichermaßen wichtigen<br />
Agrarexporte. Beide Seiten beschuldigten sich<br />
bei den Verhandlungen des �GATT / der �WTO<br />
(�Uruguay-Runde) protektionistischer Maßnahmen<br />
(�Protektionismus) in Form von Subventionen bei<br />
den Agrarausfuhren und Handelshemmnissen bei<br />
den Agrareinfuhren. In der Tat entstanden und entstehen<br />
dadurch immer noch nicht nur beiden Partnern<br />
Nachteile, am schwersten werden von diesem<br />
„Wettlauf der Subventionen“ die Agrarprodukte exportierenden<br />
Entwicklungsländer getroffen. Zwar<br />
sind auch in der 2001 in Doha/Katar eingeleiteten<br />
9. Welthandelsrunde bisher keine Fortschritte im internationalen<br />
Agrarhandel erzielt worden, doch haben<br />
sich nach dem Scheitern der Ministerkonferenz<br />
inCancún(2003)die PositionenderEUundderUSA<br />
weitgehend angenähert. Mit dem Abschluss mehrerer<br />
bilateraler Abkommen haben sich die handelspolitischen<br />
Beziehungen zwischen den beiden mächtigen<br />
Partnern wieder normalisiert.<br />
Die im Dezember 1995 in Madrid auf Gipfelebene<br />
abgeschlossene �„Neue Transatlantische Agenda“,<br />
dienebeneinerengerenpolitischenZusammenarbeit<br />
auch neue Kooperationsformen in den Bereichen<br />
Handel und Unternehmenskooperation bis hin zur<br />
Errichtung einer teilweisen Freihandelszone vorsieht,<br />
konnte nicht verhindern, dass die handelspolitischen<br />
Beziehungen zwischen der EU und den USA<br />
durch inzwischen weitgehend bereinigte Streitpunkte<br />
belastet wurden (z. B. Blockierung eines Liberalisierungsabkommens<br />
im Telekommunikationsbereich,<br />
Streit über das Verbot der Einfuhr von hormonbehandeltem<br />
Rindfleisch und genbehandeltem<br />
Mais sowie um das Streitbeilegungsverfahren der<br />
WTO (�Bananenmarktordnung der EU von 1993).<br />
Trotzdem haben sich beide Seiten bemüht, im Zusammenhang<br />
mit der Durchführung der Transatlantischen<br />
Agenda die gemeinsame Rolle bei der Förderung<br />
von Stabilität und Entwicklung in einem ungeteilten<br />
demokratischen Europa und in der Welt zu<br />
stärken.<br />
Außenhandelspolitik<br />
1.2 EU – Japan. Die Handelsbeziehungen zwischen<br />
der EU und Japan, das inzwischen durch die Volksrepublik<br />
China von seinem Platz als zweitgrößter Handelspartner<br />
der EU verdrängt worden ist, werden<br />
durch das Missverhältnis zwischen Importen und<br />
Exporten belastet: Japan führt trotz vorsichtiger Öffnung<br />
seines Marktes fast doppelt so viel Waren in die<br />
EUaus,alsesselbstausderEUeinführt.Japandrängt<br />
mit hochwertigen Industrieprodukten (z. B. Kraftfahrzeugen,<br />
elektronischen Anlagen, ComputerausrüstungenundProduktenderoptischenIndustrie)offensiv<br />
auf den EU-Markt und andere Märkte, schottet<br />
sich aber nach wie vor selbst durch immer noch<br />
hohe Handelsmauern gegen entsprechende Einfuhren<br />
ab. Die EU fordert deshalb einen freien Zugang<br />
zum japanischen Markt durch Abbau der Handelshemmnisse<br />
sowie durch Liberalisierungsmaßnahmen<br />
im Bereich der Finanzdienstleistungen.<br />
1.3 EU – China. Mit einem Gesamthandelsvolumen<br />
von 136,2 Mrd. Euro hat sich die VR China 2003 vor<br />
Japan zum zweitgrößten Handelspartner der EU entwickelt<br />
(Export 40,4 Mrd. Euro, Import 95,8 Mrd.<br />
Euro). Das Land ist der Hauptnutznießer des �Allgemeinen<br />
Präferenzsystems der EU, was dieser ein bilaterales<br />
Handelsdefizit von 55,4 Mrd. Euro (2003)<br />
einbrachte. Da die VR China trotz WTO-Mitgliedschaft<br />
durch wiederholte staatliche Eingriffe in das<br />
Handelsgeschehen das Prinzip der Gleichbehandlung<br />
aller Unternehmen verletzte, verweigerte die<br />
Union dem Partner im Sommer 2004 den wichtigen<br />
Marktwirtschaftsstatus. Dennoch lässt die Fortsetzung<br />
des chinesischen Wirtschaftsbooms kurzfristig<br />
eineweiterestarkeSteigerungdesHandelsvolumens<br />
bei gleichzeitigem Abbau der einseitigen Handelsbehinderungen<br />
erwarten.<br />
1.4 EU – Schwellenländer. Auch mit einigen sog.<br />
„Schwellenländern“ (in der UN-Nomenklatur als<br />
NIC = Newly Industrialized Countries bezeichnet)<br />
wurden Kooperationsabkommen geschlossen (z. B.<br />
mit Mexiko, Brasilien, Chile, Malaysia, Singapur).<br />
Handelsprobleme mit Ländern dieser Gruppe ergeben<br />
sich daraus, dass die Zölle für Einfuhren in die<br />
EU mit dem Grad der Bearbeitung einer Ware steigen:<br />
Rohstoffe gelangen meist zollfrei oder zu einem<br />
niedrigen Zollsatz in die EU; bei Industrieprodukten<br />
steigen die Zölle mit aufsteigender Verarbeitungsstufe<br />
(�„Zolleskalation“). Das führt in der EU zur<br />
Verteuerung von Fertigwaren aus Schwellenländern.<br />
Andererseits gefährden Importe von Industrie-<br />
65
Außenhandelspolitik<br />
produkten aus Schwellenländern mit niedrigen Löhnen<br />
bei zollfreier Einfuhr ganze Industriezweige in<br />
der Europäischen Union.<br />
Mit Ausnahme befristeter Schutzzölle zur Überbrückung<br />
von Strukturwandlungen im Einfuhrland sind<br />
protektionistische Maßnahmen, insbes. die missbräuchliche<br />
Anwendung handelspolitischer Schutzinstrumente<br />
(z. B. �Antidumpingzölle, �Ausgleichszölle)<br />
und �Subventionen ein ungeeignetes Mittel,<br />
die internationalen Handelsbeziehungen zu fördern;<br />
sie stören den freien Wettbewerb und verhindern so<br />
notwendige Innovationen und strukturelle Veränderungen.<br />
Nur die Kompatibilität der europäischen Handelspolitik<br />
mit den Regeln der Welthandelsordnung sichert<br />
deren dauerhaften Bestand. Um so wichtiger ist es,<br />
dass die EU langfristig den Abbau von Marktbeschränkungen<br />
(Agrar-, Textil- und Bekleidungsmarkt)<br />
konsequent fortsetzt und zu Ende führt und<br />
selektive Protektionismusmaßnahmen sowie die<br />
verstärkte bilaterale Ausrichtung ihrer Außenhandelspolitik<br />
reduziert.<br />
1.5 EU – Entwicklungsländer. Mit den Entwicklungsländern<br />
hat die EU besondere handelsbegünstigende<br />
Vereinbarungen abgeschlossen, von denen<br />
diemitdenAKP-Staatenim �Lomé-Abkommenund<br />
im �Cotonou-Abkommen sowie die mit den außereuropäischen<br />
Mittelmeerländern (�Mittelmeerpolitik)<br />
ausgehandelten am weitesten gehen. Die rückläufige<br />
Entwicklung des Außenhandels mit den Entwicklungsländern<br />
hat mehrere Gründe: u. a. Veränderung<br />
der geostrategischen Lage seit 1989/90; unsichere<br />
Investitionsbedingungen für ausländische Investoren;<br />
relativ niedrige Rohstoff- und hohe Energiepreise.<br />
Angesichts der fortschreitenden �Globalisierung<br />
des Handels droht zahlreichen Entwicklungsländern<br />
die Gefahr, ins handelspolitische Abseits zu geraten.<br />
Um diese Gefahr zu minimieren, setzt sich die EU im<br />
Rahmen der 2001 eingeleiteten 9. Welthandelsrunde<br />
der WTO (�Doha-Runde) und bilateraler und regionaler<br />
Abkommen (z. B. Mittelmeerabkommen, Cotonou-Abkommen)<br />
dafür ein, die Entwicklungsländer<br />
in das multinationale Handelssystem zu integrieren.<br />
Aus der Erkenntnis, dass die Entwicklungsländer<br />
Hilfe brauchen, um aus dem Welthandel Nutzen<br />
ziehen zu können, stellt sie sich an die Spitze von Initiativen,<br />
die eine weitere Liberalisierung des Marktzugangs<br />
insbes. für Entwicklungsländer, die Stär-<br />
66<br />
kung der WTO-Regeln und die Förderung nachhaltiger<br />
Entwicklung anstreben. Diese Handel und Entwicklung<br />
verknüpfende Politik vertrat die EG auch<br />
auf den UN-Gipfeln von Johannesburg (2003) und<br />
Monterrey(2002).AußerdemleitetesieMaßnahmen<br />
zur Förderung handelsbezogener technischer Hilfe<br />
ein, um die Entwicklungsländer bei der Anwendung<br />
der WTO-Regeln sowie bei der Artikulation ihrer<br />
spezifischen Interessen in internationalen Verhandlungsgremien<br />
zu unterstützen. Obwohl die Doha-Runde<br />
zur „Entwicklungsrunde“ deklariert worden<br />
war, haben die bisherigen Gesprächsrunden diese<br />
Erwartungen nicht erfüllt.<br />
2. Zuständigkeiten, Ziele, vertragliche Grundlagen:<br />
Neben der �Gemeinsamen Agrarpolitik und der<br />
Wettbewerbspolitik ist die Außenhandelspolitik der<br />
Politikbereich, der der Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten<br />
weitgehend entzogen und seit 1. 1. 1973<br />
indieKompetenzderEG/EUüberführtwordenist.<br />
Seit der Realisierung der Zollunion hat die EG/EU<br />
die alleinige Entscheidungsmacht in außenwirtschaftlichen<br />
Angelegenheiten, d. h. außenhandelspolitische<br />
Entscheidungen, z. B. in Form von Verordnungen<br />
und Handelsverträgen, werden allein von<br />
den zuständigen Organen der EG/EU getroffen und<br />
unmittelbar für die Mitgliedstaaten rechtswirksam.<br />
Nationale Alleingänge im Bereich des Außenhandels<br />
sind nicht erlaubt; die Mitgliedstaaten der EU<br />
dürfen im Außenhandelsbereich nur dann tätig werden,<br />
wenn sie von der Gemeinschaft dazu ausdrücklich<br />
ermächtigt worden sind, z. B. bei der DurchführungvonSchutzmaßnahmen(Art.134EGV).Außerdem<br />
können sie nach Konsultation der Gemeinschaft<br />
Kooperationsabkommen mit Drittländern abschließen.<br />
Grundlage der Außenhandelspolitik der EU war die<br />
Zielsetzung:<br />
– einen Gemeinsamen Markt der Mitgliedstaaten<br />
mit einheitlichen (Außen-) Zolltarifen und einer gemeinsamen<br />
Handelspolitik gegenüber Drittländern<br />
zu schaffen,<br />
– durch schrittweise Beseitigung der Beschränkungen<br />
im internationalen Handelsverkehr, zum Abbau<br />
der Zollschranken und zur harmonischen Entwicklung<br />
des Welthandels beizutragen,<br />
– die gemeinsamen außenwirtschaftlichen Interessen<br />
gegenüber Drittländern zu wahren (Art. 131<br />
EGV) und in internationalen Organisationen, insbes.<br />
der WTO, zu vertreten.
Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen<br />
Grundsätzen durchgeführt (Art. 133 EGV). Es<br />
sind zwei Verfahrensweisen zu unterscheiden: die<br />
autonome und die vertragliche Handelspolitik.<br />
2.1 Autonome Handelspolitik. Die autonome Handelspolitik<br />
besteht im Erlass einseitiger Regelungen<br />
(Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) durch<br />
denRat;siefindennuraufdieMitgliedstaatenderEU<br />
bzw. Unternehmen und Einzelpersonen in den Mitgliedstaaten<br />
Anwendung und sind für diese verbindlich.WichtigeBereichederautonomenHandelspolitiksinddieFestsetzunggemeinsamerZolltarife(Art.<br />
23 EGV), die Vereinheitlichung von Ein- und Ausfuhrbestimmungen,<br />
handelspolitische Schutzmaßnahmen<br />
gegen unlautere Handelspraktiken.<br />
Dabei lassen sich verschiedene Maßnahmen unterscheiden:<br />
– Anti-Dumping-Maßnahmen (VO 384/96, ABl. L<br />
56/1996),<br />
– Anti-Subventionsmaßnahmen (VO 2026/97, ABl.<br />
L 288/1997),<br />
– Schutzklauselmaßnahmen (VO 3285/94, ABl. L<br />
349/1994),<br />
– Beschwerderecht von Unternehmen,<br />
– das neue handelspolitische Instrument (VO<br />
4621/84, ABl. L 349/1994).<br />
Außerdem können gem. Art. 301 EGV im Rahmen<br />
der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP) auf Vorschlag der Kommission außenpolitisch<br />
motivierte Handelssanktionen, z. B. Handelsembargos,<br />
wie sie bspw. gegen Kuba, Libyen oder<br />
Serbien erfolgten, vom Rat mit qualifizierter Mehrheit<br />
beschlossen werden.<br />
2.2 Vertragliche Handelspolitik. Bei der vertraglichen<br />
Handelspolitik handelt es sich um zwei- oder<br />
Außenhandelspolitik<br />
mehrseitige Abkommen zwischen der EU und internationalen<br />
Organisationen. Dabei tritt die EU stets<br />
als Einheit auf.<br />
Vertragliche Handelsvereinbarungen können sich<br />
sowohl auf einzelne Drittstaaten oder -gruppen, z. B.<br />
dieEFTA,alsauchaufalleamAußenhandelbeteiligten<br />
Staatengruppen (globale Dimension) erstrecken;<br />
sie können sowohl die Gesamtheit der Handelsbeziehungen<br />
mit einem Handelspartner regeln als auch<br />
sich auf bestimmte Produkte/Produktgruppen beschränken<br />
(sektorale Abkommen). Häufig gehen<br />
Handels- und Kooperations-/Assoziierungsabkommen<br />
über rein handelspolitische Aspekte hinaus und<br />
enthalten Regelungen der Zusammenarbeit auch in<br />
anderen Bereichen (z. B. Investitionen, Wissenschaft<br />
und Forschung, Technologie, Umwelt, Gesundheit).<br />
Insbesondere die auf Art. 310 EGV gestützten<br />
Assoziierungsabkommen, vor allem die<br />
�Europa-Abkommen mit den Staaten Mittel- und<br />
Osteuropas, die im Zuge des �Barcelona-Prozesses<br />
mit den südlichen Mittelmeerländern abgeschlossenen<br />
Assoziierungsabkommen (�Mittelmeerpolitik)<br />
sowie die mit den AKP-Staaten abgeschlossenen Assoziierungsabkommen<br />
(Lomé-Abkommen, Cotonou-Abkommen)<br />
gehen über umfassende außenwirtschaftliche<br />
Regelungen hinaus. Sie haben sich<br />
zu einem wichtigen außenpolitischen Instrument der<br />
EU entwickelt (�Außenbeziehungen der EU). Das<br />
kommt auch im Verfassungsvertrag 2004 zum Ausdruck.<br />
Er soll die EU-Handelspolitik ausdrücklich in<br />
den„RahmenderGrundsätzeundZieledesauswärtigen<br />
Handelns der Union“ einbinden (Art. III-315<br />
Abs. 1 VVE 2004).<br />
3. Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik:<br />
Die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik<br />
67
Außenhandelspolitik<br />
erfolgt nach Art. 133 EGV in Zusammenarbeit von<br />
Kommission und Rat. Die Kommission unterbreitet<br />
dem Rat Vorschläge für außenhandelspolitische<br />
Maßnahmen. Sind im Rahmen der vertraglichen<br />
Handelspolitik mit Drittländern oder internationalen<br />
Organisationen Abkommen auszuhandeln, legt die<br />
Kommission dem Rat Empfehlungen vor; dieser ermächtigt<br />
die Kommission zur Einleitung und Durchführung<br />
der erforderlichen Verhandlungen. Dabei<br />
wird die Kommission von einem vom Rat bestellten<br />
besonderen Ausschuss, dem Hundertdreizehner-<br />
Ausschuss (�Ausschuss nach Art. 133 EGV), unterstützt.<br />
Für dessen Mitwirkung kann der Rat verbindliche<br />
Richtlinien festlegen. Auf diese Weise können<br />
die durch den Rat repräsentierten Mitgliedstaaten ihren<br />
Einfluss auf Verhandlungsführung und -ergebnisse<br />
geltend machen und eine Kontrolle der Kommission<br />
ausüben. Im Gegensatz zu anderen völkerrechtlichen<br />
Verträgen der EU, zu deren Abschluss<br />
nach Art. 300 EGV die Anhörung durch das EP erforderlich<br />
ist, findet dieser Artikel auf Außenhandelsabkommen/-verträge<br />
keine Anwendung. Über die<br />
von der Kommission ausgehandelten Verträge entscheidet<br />
der Rat mit qualifizierter Mehrheit. Bei<br />
dringenden handelspolitischen Schutzvorkehrungen,<br />
z. B. bei der Verhängung von Strafzöllen oder<br />
Einfuhrbeschränkungen, ist es der Kommission erlaubt,<br />
eigenmächtig zu entscheiden, wobei solche<br />
Entscheidungen innerhalb festgelegter Fristen vom<br />
Rat nachträglich gebilligt werden müssen. Die Kommission<br />
vertritt die Gemeinschaft auch in internationalen<br />
Institutionen (z. B. in der WTO, OECD), denen<br />
auch die Mitgliedstaaten einzeln angehören.<br />
68<br />
3.1 Handel mit Agrarprodukten. Obwohl der Handel<br />
mit Gütern aus dem Agrarsektor und dem Montanbereich<br />
(ehemal. EGKS), soweit die EU-Grenzen überschritten<br />
werden, Teil des Außenhandels der EU ist,<br />
finden die Außenhandelsbestimmungen des EG-<br />
Vertrages (Art. 133) keine Anwendung auf diese<br />
Sektoren. Als Kernbereiche der EU-Wirtschaftspolitik<br />
gelten für sie besondere Vorschriften. Für den<br />
Handel mit Agrarprodukten wurden Marktordnungen<br />
erlassen, die den Binnenmarkt der EU gegenüber<br />
dem Weltmarkt abgrenzen. Dabei spielen klassische<br />
Instrumente der Außenhandelspolitik, z. B. Zölle,<br />
nur eine untergeordnete Rolle, vielmehr wurden<br />
neue Instrumente entwickelt, z. B. �Abschöpfungen,<br />
�Beihilfen, �Ausfuhrerstattungen. Die daraus entstandenen<br />
Produktionsüberschüsse haben auf dem<br />
Weltmarkt zu Wettbewerbsverzerrungen und zu<br />
handelspolitischen Spannungen mit den USA und<br />
vor allem mit den Entwicklungsländern geführt.<br />
Nach dem Scheitern der WTO-Konferenz in Cancún<br />
ist die EU bemüht, die 9. Welthandelsrunde (Doha-Runde)<br />
doch noch zu einem erfolgreichen Abschlusszubringen.DieEuropäischeKommissionerklärte<br />
sich im Sommer 2004 zu Verhandlungen über<br />
ein Auslaufen der EU-Exportsubventionen im<br />
Agrarbereich unter der Voraussetzung bereit, dass<br />
auch die anderen Verhandlungspartner konzessionsbereit<br />
sind.<br />
4. Reformbedarf und Umsetzungsprobleme: Neben<br />
die traditionellen Aufgaben der Außenhandelspolitik<br />
sind im Zuge des voranschreitenden Globalisierungsprozesses<br />
neue Handelsbereiche wie der Handel<br />
mit Dienstleistungen und mit geistigem Eigen-<br />
EUR<br />
EUR
tum (�GATS; �TRIPS) getreten. Aufgrund ihrer ungleichen<br />
Verhandlungsmacht in der WTO sind die<br />
Entwicklungsländer nicht bereit, darüber zu verhandeln,<br />
solange Beschlüsse aus früheren Verhandlungsrunden<br />
nicht vollständig umgesetzt sind und<br />
das Thema des Marktzugangs von Agrarprodukten<br />
aus Entwicklungsländern nicht abgearbeitet ist.<br />
Darüber hinaus zeichnen sich infolge der globalisierungsbedingten<br />
Ausweitung und Intensivierung des<br />
Außenhandels zunehmend engere und folgenschwere<br />
Wechselwirkungen mit den Bereichen Umwelt,<br />
Gesellschaft (z. B. Arbeitsnormen, soziale Standards,<br />
Konsumenteninteressen, Gesundheitsnormen,<br />
Genbeeinflussung) und Entwicklung (Nachhaltigkeit)<br />
ab. Die EU drängt auf Einbeziehung dieser<br />
den Außenhandel tangierenden Probleme in die<br />
WTO-Verhandlungen; dagegen verweisen die Entwicklungsländer<br />
auf die Unterschiede im Entwicklungsstand<br />
zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern<br />
und die daraus resultierende Chancenungleichheit;<br />
solange ihre Benachteiligung im Außenhandel<br />
mit Agrarprodukten nicht beseitigt ist,<br />
fühlen sie sich nicht in der Lage, diese Probleme anzugehen.<br />
Die Lösung der drängenden Außenwirtschaftsprobleme<br />
erfordert Zugeständnisse von beidenSeiten.<br />
K. E.<br />
Literatur<br />
Beutler, B. u. a.: Die Europäische Gemeinschaft, Rechtsordnung<br />
und Politik. Baden-Baden, 1987 3<br />
BMZ: Globalisierung gerecht gestalten. Handelsbezogene<br />
Zusammenarbeit. Materialien, Nr. 126, Bonn 2003<br />
Europäische Kommission: Außen- und Intrahandel der Europäischen<br />
Union. Statistisches Jahrbuch 1958–2003.<br />
Luxemburg 2004<br />
Dies.: Gesamtbericht über die Tätigkeit der Europäischen<br />
Union 2000 ff. Brüssel 2001 ff.<br />
Dies.: Globalisierung als Chance für alle. Die Europäische<br />
Union und der Welthandel, Brüssel 2003<br />
Freytag, A.: Gemeinsame Handelspolitik: Die Rolle der EU in<br />
der WTO. In: Streit, E./Voigt, St. (Hg.): Europa reformieren.<br />
Baden-Baden 1996, S. 258–268<br />
Kappel, R.: Entwicklung durch Handel? In: EuZ 9/2001<br />
Windfuhr M.: Everything but Farms. Die Agrarexporte der<br />
Entwicklungsländer sind blockiert. In: EuZ 3/2002<br />
Außenzoll, gemeinsamer. Mit Vollendung der<br />
Zollunion der Mitgliedstaaten der EWG am 1. 7.<br />
1968 wurde ein gemeinsamer Zolltarif für Drittstaaten<br />
geschaffen. Die Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs<br />
werden vom Rat auf Vorschlag der Kommission<br />
festgelegt (Art. 26 EGV). Die Anwendung des gemeinsamen<br />
Einfuhrzolls durch alle Mitgliedstaaten<br />
der EU ist Voraussetzung für den zollfreien Warenverkehr<br />
im Binnenmarkt. Ähnliche Wirkung wie<br />
Einfuhrzölle haben Einfuhrabschöpfungen für landwirtschaftliche<br />
Erzeugnisse. Einnahmen aus dem<br />
gemeinsamen Außenzoll und aus �Abschöpfungen<br />
sind Eigenmittel der EU und fließen in den Gemeinschaftshaushalt<br />
(Anteil 2004: 11,5 %). Die Mitgliedstaaten<br />
können gem. Eigenmittelbeschluss für die<br />
Zeit von 2000 bis 2006 25 % der Zolleinnahmen als<br />
Ersatz für die Kosten der Erhebung einbehalten, zuvor<br />
10 %.<br />
Aussetzungsverfahren �Vorläufiger Rechtsschutz<br />
Austritt/Ausschluss aus der EU. Anders als der<br />
Beitritt zur Union ist bislang weder in den Grün-<br />
EUR<br />
EUR<br />
Austritt<br />
69
Austritt<br />
dungsverträgen der Gemeinschaften noch im<br />
EU-Vertrag der Austritt, die Vertragsauflösung oder<br />
der Ausschluss eines Mitgliedstaats vorgesehen. Der<br />
Verfassungsvertrag 2004 sieht dagegen erstmals in<br />
Art. I-60 VVE ein Austrittsverfahren vor und anerkennt<br />
damit, dass die Union keine unauflösliche<br />
Zwangsgemeinschaft (mehr) darstellt. Die mögliche<br />
Vorgehensweise, sollte sich ein Mitgliedstaat vor Inkrafttreten<br />
von Art. I-60 VVE dauerhaft von der<br />
Union abkehren wollen oder – bspw. auf Grund eines<br />
Umsturzes – massiv die freiheitlich-demokratische<br />
EU-Basisordnung bzw. die Grund- oder Individualrechte<br />
der Bürger verletzen, ist streitig: Das in<br />
Art. 226 f. EGV geregelte Vertragsverletzungsverfahren<br />
gegen einen vertragsbrüchigen Mitgliedstaat<br />
ist in mehrfacher Hinsicht für derartige Konstellationen<br />
ungeeignet.<br />
Zunächst ist das Verfahren für einmalige bzw. isolierbare<br />
und nicht für dauerhafte Vertragsverstöße<br />
konstruiert. Sodann greift es inhaltlich zwar auch bei<br />
Verstößen gegen ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht<br />
und hier vor allem auch bei Verpflichtungen,<br />
die sich – wie etwa die Achtung der unionseigenen<br />
Grund- und Menschenrechte – aus den allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätzen ergeben. Bei den hier angesprochenen<br />
Konstellationen aber geht es vielmehr um gesellschaftspolitische<br />
Veränderungen, die sich der Judikatur<br />
eines Gerichtes weitgehend entziehen. Auch<br />
ist der EuGH nach der bisherigen Rechtslage des Art.<br />
46 EUV ausdrücklich nicht hinsichtlich des in Art. 6<br />
Abs. 1 EUV angesprochenen Demokratie- und<br />
Rechtsstaatsgebots entscheidungsbefugt. Schließlich<br />
führt das Vertragsverletzungsverfahren in letzter<br />
Konsequenz zur Verhängung eines PauschalbetragsoderZwangsgeldes,wasnichtunbedingtalsadäquateReaktionaufmassiveUmwälzungenineinem<br />
Mitgliedstaat erscheint.<br />
Neben dem Vertragsverletzungsverfahren aber<br />
kannte das bisherige Vertragsrecht keine Notstandsverfahren<br />
oder Sanktionsmechanismen. Mit Ausnahme<br />
der EGKS, die von vornherein nur auf 50 Jahre<br />
(bis 23. 7. 2002) gegründet wurde, wurden die anderen<br />
Gemeinschaften und die EU „auf unbegrenzte<br />
Zeit errichtet“ (vgl. z. B. Art. 51 EUV). Hieraus wird<br />
mitunter geschlossen, dass die Verträge einen rechtlich<br />
nicht beendbaren Gesamtakt staatlicher Integration<br />
darstellen. Eine Vertragsauflösung oder gar ein<br />
einseitiger Austritt sei mithin nach dieser Rechtslage<br />
generell unmöglich. Die Verträge würden zwar auf<br />
70<br />
völkerrechtlichen Gründungsakten beruhen; seit<br />
dem EuGH-Urteil �Van Gend & Loos stehe jedoch<br />
fest, dass eine neue Rechtsordnung „sui generis“ geschaffen<br />
worden sei. Mit zunehmender Integrationsdichte<br />
nehme die Relevanz des allgemeinen Völkerrechts<br />
kontinuierlich ab. Aus der besonderen Rechtsnatur<br />
der Gemeinschaften bzw. der Union könne<br />
nunmehr deren Unauflösbarkeit abgeleitet werden.<br />
BeispielsweiseArt.292EGV,nachdemsichdieMitgliedstaaten<br />
verpflichten, Streitigkeiten über die<br />
Auslegung oder die Anwendung des Vertrags „nicht<br />
anders als hierin vorgesehen zu regeln“, zeige, dass<br />
das Europarecht das Konfliktlösungsinstrumentarium<br />
abschließend regele.<br />
Entgegen dieser Auffassung wird allerdings vielfach<br />
angenommen, dass trotz der engen wirtschaftlichen<br />
und politischen Verflechtungen jedenfalls ein Austritt<br />
mit Zustimmung der übrigen Mitgliedstaaten<br />
auch schon vor Inkrafttreten der EU-Verfassung<br />
möglich ist. Folgende dogmatische Wege werden<br />
hierzu diskutiert: Auch wenn inzwischen eine neue<br />
Unionsrechtsordnung sui generis entstanden ist, seien<br />
die allgemeinen Regeln des Völkerrechts doch<br />
weiter subsidiär anwendbar. Bei grundlegenden Änderungen<br />
der Umstände bzw. „der Geschäftsgrundlage“<br />
sei ein Austritt über die „clausula rebus sic<br />
stantibus“ des Art. 60 bzw. 62 des �Wiener Übereinkommens<br />
über das Recht der Verträge vom 23. 5.<br />
1969 denkbar. Dies komme gerade bei Extremfällen<br />
in Betracht, wenn ein Mitgliedstaat etwa nach revolutionären<br />
Umwälzungen die von der Union vorausgesetztemarktwirtschaftlicheOrdnungaufgebeoder<br />
das demokratische Regierungssystem beseitige. Als<br />
weiterer Weg wird für diese Konstellationen auf das<br />
Verfahren des Art. 48 EUV verwiesen. Genau genommen<br />
stelle der Austritt aus der EU den Extremfall<br />
einer Vertragsänderung dar. In der Form eines<br />
allseits ratifizierten Änderungsvertrags stehe einer<br />
einvernehmlichen Vertragsauflösung nichts entgegen.<br />
Diskutiert wird darüber hinaus auch eine entsprechende,<br />
d. h. gewissermaßen „umgekehrte“ AnwendungdesBeitrittsverfahrensnachArt.49EUV.<br />
Weitgehende Einigkeit besteht heute darüber, dass<br />
jedenfalls die einseitige Vertragskündigung durch<br />
einen Mitgliedstaat grundsätzlich ausgeschlossen<br />
ist. Eine entsprechende Willensäußerung müsse<br />
selbst schon als Vertragsverletzung gewertet werden.<br />
Dennoch zeigte das Bundesverfassungsgericht<br />
in seinem Maastricht-Urteil einen Weg auf, der einer
solchen Vertragskündigung gleichsteht: „Die Bundesrepublik<br />
Deutschland ist somit auch nach dem Inkrafttreten<br />
des EU-Vertrags Mitglied in einem Staatenverbund,<br />
dessen Gemeinschaftsgewalt sich von<br />
den Mitgliedstaaten ableitet und im deutschen Hoheitsbereich<br />
nur kraft des deutschen Rechtsanwendungsbefehls<br />
verbindlich wirken kann. Deutschland<br />
ist einer der ,Herren der Verträge‘, die ihre Gebundenheit<br />
an den ,auf unbegrenzte Zeit‘ geschlossenen<br />
EU-Vertrag mit dem Willen zur langfristigen Mitgliedschaft<br />
begründet haben, diese Zuständigkeit<br />
durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben<br />
könnten“ (BVerfGE 89, 155). Zu Recht wird zu<br />
dieser actus-contrarius-Theorie kritisch angemerkt,<br />
dass hier in Verkennung europarechtlicher Grundsätze<br />
geurteilt wurde. Jedenfalls obliegt es sicher<br />
nicht einem nationalen Gericht, entsprechende<br />
Unionsrechtsinterpretationen vorzunehmen. Trotz<br />
�KooperationsverhältnisBVerfG–EuGHstehtdiese<br />
Kompetenz allenfalls dem Europäischen Gerichtshof<br />
zu.<br />
Die Diskussion zeigt, dass ein Austritt aus der EU<br />
bislang weder vorgesehen noch gewollt war. Auch<br />
hat es einen solchen in der Praxis bisher nicht gegeben.<br />
Das Ausscheiden Grönlands 1984 aus der Gemeinschaft<br />
war kein Austritt im rechtlichen Sinn.<br />
Grönland erhielt damals von Dänemark einen besonderen<br />
Autonomiestatus sowie den Status eines außereuropäischen<br />
Landes und Hoheitsgebiets Dänemarks<br />
im Sinne von Art. 182 EGV. Nicht vorgesehen<br />
und gewollt ist weiter die Möglichkeit des Ausschlusses.<br />
Ein solches Vorgehen der Mitgliedstaaten<br />
wird kaum diskutiert. Bisweilen wird es als Ultima<br />
Ratio unter Anwendung von Art. 60 des Wiener<br />
Übereinkommens über das Recht der Verträge vom<br />
23. 5. 1969 bei krass gemeinschaftswidrigem Verhalten<br />
als zulässig erachtet.<br />
Diese Diskussion dürfte allerdings als überholt gelten.<br />
Der �Amsterdamer Vertrag vom 2. 10. 1997 fügte<br />
nämlich in den Art. 7 EUV und Art. 309 EGV ein<br />
neuartiges Notstandsverfahren in die Vertragswerke<br />
ein. Hiernach konnte bei „schwerwiegender und anhaltender<br />
Verletzung“ der Gemeinschaftsgrundsätze<br />
der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der<br />
Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der<br />
Rechtsstaatlichkeit beschlossen werden, für den betreffenden<br />
Staat bestimmte Rechte, die sich aus der<br />
Vertragsanwendung herleiten, einschl. der StimmrechtedesRegierungsvertretersimRat,auszusetzen.<br />
Avantgarde<br />
In Reaktion auf die Sanktionen der EU-Staaten gegen<br />
die Bildung einer schwarz-blauen Koalition<br />
(ÖVP/FPÖ) in �Österreich im Februar 2000 hat der<br />
Vertrag von Nizza vom 26. 2. 2001 das Notstandsverfahren<br />
ausgebaut: Für die Verfahrenseinleitung<br />
genügt nunmehr schon „die eindeutige Gefahr einer<br />
schwerwiegenden Verletzung“ der freiheitlich-demokratischen<br />
EU-Basisordnung, d. h. das Notstandsverfahren<br />
wird um eine Art Warnvorstufe ergänzt,<br />
die zudem auch vom Europäischen Parlament<br />
eingeleitet, vom EuGH kontrolliert, und in der das –<br />
im Fall Österreich erprobte – Instrument des „Berichts<br />
der Weisen“ eingesetzt werden kann. Die Zukunft<br />
wird zeigen, inwieweit das Instrument des Notstandsverfahrens<br />
nunmehr praktikabel ist. Klar ist,<br />
dass die Union in letzter Konsequenz nicht über einschneidende<br />
Zwangsmittel verfügt, um ein europafeindliches<br />
Verhalten eines Mitgliedstaats, wie etwa<br />
auch eine wiederkehrende �Politik des „leeren<br />
Stuhls“,sicherzuunterbinden. J. M. B.<br />
Auswärtiger Dienst der EU �EuropäischerAußenminister<br />
Ziff. 4<br />
Auszeichnungspflicht �Preisauszeichnung<br />
Avantgarde. Bezeichnung für das Modell einer differenzierten<br />
Integration in der EU der Zukunft, wobei<br />
die Avantgarde-Staaten eine Föderation innerhalb<br />
der EU bilden (Avantgarde-Föderation). Auch<br />
Bezeichnung für Gruppen von Mitgliedstaaten der<br />
EU,dieinderIntegrationfreiwilligundbeibestimmten<br />
Projekten weiter voranschreiten wollen als die<br />
übrigen Staaten (�Flexibilität, �Verstärkte Zusammenarbeit).<br />
In diesem Sinne wurde der Begriff<br />
„groupe pionnier“ (Pionier- oder Avantgarde-Gruppe)<br />
vom französischen Ministerpräsidenten Jacques<br />
Chirac in einer Rede vor dem Plenum des Deutschen<br />
Bundestages am 27. 6. 2000 verwendet. Die Avantgarde-GruppemitFrankreichundDeutschlandsollte<br />
die Rolle eines Wegbereiters in der EU übernehmen<br />
und dazu beitragen, die Wirtschaftspolitiken besser<br />
zu koordinieren, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
der EU zu stärken und die Kriminalität wirksamer<br />
zu bekämpfen. Sie sollte dazu auch außerhalb<br />
der europäischen Verträge zusammenarbeiten und<br />
ein Sekretariat schaffen, das für Kohärenz in dieser<br />
Gruppe zu sorgen hätte.<br />
Geschaffen wurde der Begriff Avantgarde vom ehe-<br />
71
Avicenne<br />
maligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors in<br />
einer Rede vor dem Aspen Institute in Berlin am 14.<br />
11. 1999 und erneuert in einem Interview mit der<br />
französischen Tageszeitung Le Monde vom 19. 1.<br />
2000. Mitgliedstaaten der EU könnten innerhalb der<br />
EUeineFöderationvonNationalstaatenmiteigenem<br />
Vertrag als offene Avantgarde bilden.<br />
Ähnlich sprach Außenminister Joschka Fischer „als<br />
Privatmann“ in seiner Rede in der Berliner Humboldt-Universität<br />
am 12. 5. 2000 unter Verweis auf<br />
die Vorschläge von Jacques Delors von einem „Gravitationszentrum“<br />
innerhalb der EU und skizzierte<br />
den Übergang vom Staatenverbund der EU zur vollenParlamentarisierungineinerEuropäischenFöderation<br />
unter Bewahrung der Nationalstaaten.<br />
Im Juli 2000 betonte der italienische Staatspräsident<br />
Carlo Ciampi in einer Rede an der Universität Leipzig,<br />
der Integrationsprozess müsse nicht für alle beteiligten<br />
Staaten „gleich und gleichzeitig“ sein. Vielmehr<br />
sollten Länder, die dies wollten, das Recht auf<br />
eine vertiefte Integration haben.<br />
Die Idee einer beschleunigten Integration einzelner<br />
Staaten wurde auch in den Überlegungen zur europäischen<br />
Politik der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen<br />
Bundestages (Schäuble/Lamers-Papier) vom<br />
1.9.1994mitdemBegriffvom�„Kerneuropa“angesprochen.<br />
AVICENNE. EU-Programm im 4. Forschungsrahmenprogramm<br />
zur Förderung der wissenschaftlichen<br />
Kooperation mit den Mittelmeer-Drittstaaten.<br />
Förderbereiche: Auswirkungen organischer und anorganischer<br />
Abfälle auf die Umwelt, Entsorgungstechnik<br />
und Abfallbehandlung; Desertifikation;<br />
Verbesserung und Bewahrung der Wasserversorgung;<br />
Vorbeugung und Überwachung bestimmter<br />
Krankheiten; erneuerbare Energien; Aufbereitung<br />
und Verbreitung wissenschaftlicher und technischer<br />
Informationen; Zusammenarbeit zwischen Universitäten<br />
und Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten<br />
und den Mittelmeerstaaten. Laufzeit 1992 – 1994.<br />
Avis. Stellungnahme (Gutachten) der Kommission<br />
an den Rat über den Antrag von Drittländern auf Mitgliedschaft<br />
in der Europäischen Union nach Art. 49<br />
EUV. Zu unterscheiden ist dabei zwischen einer ers-<br />
72<br />
ten vorläufigen und der endgültigen Stellungnahme.<br />
1. Die in der Öffentlichkeit stark beachtete „vorläufige“<br />
Stellungnahme, in der die Kommission dem<br />
Rat als unverbindliche Entscheidungsgrundlage<br />
(vgl. Art. 249 EGV) für dessen Beschluss zur Aufnahme<br />
von Verhandlungen die mit einer eventuellen<br />
Erweiterung verbundenen Chancen und Probleme<br />
präsentiert, ist vertraglich nicht vorgeschrieben. Die<br />
Kommission legt dabei die 1993 in Kopenhagen beschlossenen<br />
�Beitrittskriterien zugrunde, wobei a)<br />
die Bereitschaft und Fähigkeit des Beitrittsbewerbers<br />
untersucht wird, den �acquis communautaire zu<br />
übernehmen, b) die in diesem Zusammenhang auch<br />
zu erwartenden Konsequenzen der Erweiterung für<br />
die derzeitige EU dargelegt werden („Erweiterungsfähigkeit“).<br />
Die Kommission schließt ihre Analyse<br />
ab mit einer Empfehlung zur Aufnahme (oder Nichtaufnahme)<br />
von Beitrittsverhandlungen. Die Stellungnahme<br />
der Kommission ist in der Regel sorgfältig<br />
begründet, von ihr wird nur selten abgewichen,<br />
z. B. im Falle Griechenlands, als der Rat, entgegen<br />
derEmpfehlungderKommission,sich1976auspolitischen<br />
Gründen für eine Verhandlungsaufnahme<br />
aussprach. Bei ihren Stellungnahmen zu den Beitrittsanträgen<br />
(je Land legte die Kommission ein<br />
„Avis“ vor) stützt sich die Kommission auf die offiziellen<br />
Auskünfte des Bewerbers über die politische,<br />
wirtschaftliche und rechtliche Lage, auf eigene Recherchen<br />
sowie die Bewertungen der EU-Mitgliedstaaten,<br />
des Europäischen Parlaments und anderer<br />
Einrichtungen.<br />
2. Die endgültige Stellungnahme der Kommission<br />
über den Beitritt nach Abschluss von Beitrittsverhandlungen<br />
(„Anhörung“ nach Art. 49 EUV) ist die<br />
ebenfalls für den Rat nicht verbindliche Grundlage<br />
für dessen einstimmige Entscheidung nach Art. 49<br />
EUVüberdieAufnahme indieEU. B. K. S.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Fragebogen. Notwendige Informationen<br />
zur Vorbereitung der Stellungnahme zum Antrag auf<br />
den Beitritt zur Europäischen Union. Brüssel 1996<br />
Dies.: Stellungnahme der Kommission zum Antrag Ungarns<br />
[Polens, Rumäniens etc.] auf Beitritt zur Europäischen Union.<br />
Dok. KOM (97) 2001 – 2010 endg., in: Bulletin der Europäischen<br />
Union, Beilagen 6–15<br />
Dies.: Mitteilung der Kommission an den Rat und das<br />
Europäische Parlament, Empfehlung der Europäischen<br />
Kommission zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg<br />
zum Beitritt. Dok. KOM (2004) 656 endg.
Balkanpolitik �Südosteuropapolitik<br />
Baltischer Rat. 1990 von den Staaten Estland, Lettland<br />
und Litauen gegründet zur Zusammenarbeit bei<br />
Maßnahmen, die das Baltikum betreffen. Regelmäßige<br />
Treffen der Premierminister und der Parlamentarier<br />
(„Baltische Versammlung“) sowie Treffen der<br />
Präsidenten und von Beamten der Außenministerien.<br />
Auch Zusammenarbeit im militärischen Bereich<br />
(Baltisches Bataillon BALTBAT, 1994 aufgestellt,<br />
Baltischer Marineverband BALTRON zur Minenräumung,<br />
Luftraumüberwachungssystem BALT-<br />
NET seit 2000, gemeinsame baltische Verteidigungsakademie<br />
BALTDEFCOL, gegründet 1998).<br />
Regionale, über das Baltikum hinausreichende Fragen<br />
werden bei regelmäßigen Treffen des Baltischen<br />
Rats mit anderen nordischen Staaten sowie im Rahmen<br />
des �Ostseerats behandelt.<br />
Bananenmarktordnung. Mit der am 1. 7. 1993 in<br />
Kraft getretenen „Gemeinsamen Marktordnung Bananen“<br />
(und zwischenzeitlich über 70 Ergänzungsund<br />
Durchführungsverordnungen) wollte die EU einen<br />
einheitlichen Markt mit freiem Verkehr für BananenschaffensowieeinegemeinsameHandhabung<br />
des Handels mit �Drittländern herbeiführen. Bananenerzeuger<br />
in der Gemeinschaft und in den – mit ihr<br />
in einer Entwicklungsassoziation verbundenen –<br />
ehemaligen Kolonialstaaten Afrikas, des karibischen<br />
und pazifischen Raumes (�AKP-Staaten) sollten<br />
unter dem Gesichtspunkt der �Gemeinschaftspräferenzbegünstigtwerden.EinigeMitgliedstaaten<br />
hatten geschlossene Märkte, in denen ausschließlich<br />
Gemeinschafts- oder AKP-Bananen gehandelt wurden.<br />
Andere Mitgliedstaaten dagegen hatten offene<br />
Märkte, in die überwiegend „Dollarbananen“ eingeführt<br />
wurden. Hierzu zählte auch die Bundesrepublik,<br />
der das sog. �Bananenprotokoll von 1957 die Befugnis<br />
zugestand, im Rahmen eines großzügig bemessenen<br />
Kontingents Bananen zollfrei einzuführen.MitdemErlassderBananenmarktordnungsollte<br />
dieser Marktzersplitterung – und damit auch dem<br />
zollfreien Bananenimport Deutschlands – ein Ende<br />
bereitet werden. Nunmehr wurde die Erzeugung von<br />
B<br />
Bananenmarktordnung<br />
„Gemeinschaftsbananen“ in der EG durch Beihilfen<br />
gefördert. Auch wurde den AKP-Staaten zunächst<br />
die zollfreie Einfuhr eines Kontingents von<br />
„AKP-Bananen“ gewährt (857 000 Tonnen). Für die<br />
Einfuhr von „Dollarbananen“ aus Drittstaaten dagegensetztedieMarktordnungein(variables)Zollkontingent<br />
fest (zunächst ca. 2,5 Mio. Tonnen mit einem<br />
Zollsatz von etwa 100 Euro pro Tonne). Dieses Zollkontingent<br />
stand zu einem großen Teil pauschal<br />
Händlern aus dem AKP-Markt zu, die ihre EinfuhrlizenzenoftmalszuhohenPreisenandietraditionellen<br />
Importeure von Dollarbananen verkauften. Die Bananenmarktordnung<br />
führte von Beginn an zu kontroversen<br />
Diskussionen nicht nur in Deutschland, wo in<br />
ihrer Folge die Bananenpreise um 30 bis 40% stiegen.<br />
Deutschland klagte vor dem EuGH auf Nichtigkeit<br />
der Bananenmarktordnung, allerdings vergeblich<br />
(�Bananenmarktordnung-Urteil des EuGH).<br />
Nach massiven Protesten einiger von den Auswirkungen<br />
der Marktordnung stark betroffener lateinamerikanischer<br />
Länder sowie der USA wurde 1993<br />
ein erster Streitschlichtungsausschuss (Panel) nach<br />
dem alten �GATT 1947 eingesetzt. In seinem – allerdings<br />
durch Intervention der EG nicht angenommenen<br />
– Abschlussbericht stellte der Panel 1995 Verstöße<br />
gegen die GATT-Regelungen fest. Die Gemeinschaft<br />
setzte sich im Anschluss hieran für eine<br />
gütliche Beilegung des Streits ein, indem bspw. mit<br />
einigen lateinamerikanischen Staaten ein Rahmenabkommen<br />
mit günstigeren Importbedingungen abgeschlossen<br />
wurde. Dennoch leiteten andere lateinamerikanische<br />
Staaten und die USA 1996 ein erneutes<br />
Streitbeilegungsverfahren bei der neu gegründeten<br />
Welthandelsorganisation (�WTO) ein. In den<br />
Abschlussberichten wurden wiederum Verstöße –<br />
nunmehr u. a. gegen das neue GATT 1994 – festgestellt<br />
und auch das erwähnte Rahmenabkommen für<br />
GATT-widrig erklärt. Verlangt wurde insbes. eine<br />
nicht diskriminierende Verteilung der Einfuhrquoten<br />
für „Dollarbananen“. Auf die Berufung der EG<br />
hin bestätigte das zuständige Appellationsorgan die<br />
Abschlussberichte Ende August 1997 im Wesentlichen.<br />
Am 25. 9. 1997 beurteilte zudem der Allgemeine<br />
WTO-Rat in seiner Funktion als Streitbeilegungs-<br />
73
Bananenmarktordnung-Urteile<br />
gremiumverbindlichdieVölkerrechtswidrigkeitder<br />
alten EG-Bananenmarktordnung. Schließlich stellte<br />
ein weiterer GATT-Panel mit Abschlussbericht vom<br />
12. 4. 1999 die Unvereinbarkeit auch der von der EG<br />
revidierten Bananenmarktordnung mit den Artikeln<br />
I und XIII GATT 1994 fest.<br />
Damit war der lukrative Handel mit Einfuhrlizenzen<br />
ab 1999 nicht mehr möglich. Seither galt ein auf<br />
Druck der Welthandelsorganisation (WTO) im Juni<br />
1998 reformiertes System, das Einfuhrlizenzen nach<br />
den tatsächlichen Importmengen in den Jahren 1994<br />
bis 1996 zuteilte. Im Übrigen blieb es bei den bisherigen<br />
Kontingenten für „AKP-Bananen“ bzw. „Dollarbananen“.<br />
Ebenfalls bestehen blieb die Regelung,<br />
dass für Einfuhrmengen, die über das Zollkontingent<br />
hinausgehen, Strafzölle gezahlt werden mussten (ca.<br />
850 Euro pro Tonne). Die USA akzeptierten jedoch –<br />
wie sich zeigte, zu Recht – auch dieses reformierte<br />
EG-System nicht als GATT-konform und leiteten<br />
von der WTO zugestandene Sanktionen ein.<br />
Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts hatte und hat<br />
diesjedochkaumAuswirkungen.ImKlartextbedeutet<br />
dies, dass die Bananenmarktordnung in der EG –<br />
ggf. unter offenem Bruch des Völkerrechts – voll angewendet<br />
und vollzogen wird. Ursache hierfür ist die<br />
mithin faktisch „Völkerrecht-abwehrende“ Rechtsprechung<br />
des EuGH. Mit Urteil vom 23. 11. 1999<br />
entschied der Gerichtshof, dass das WTO-Übereinkommen<br />
sowie die in seinen Anhängen enthaltenen<br />
Übereinkünfte und Vereinbarungen wegen ihrer<br />
Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den<br />
Vorschriften gehörten, an denen der Gerichtshof bei<br />
�Nichtigkeitsklagen (Art. 230 EG) die Rechtmäßigkeit<br />
von Handlungen der Gemeinschaftsorgane<br />
misst (149/96 – Portugal/Rat). Mit Urteil vom 14. 12.<br />
2000 entschied der EuGH weiter, dass die BestimmungendesdemWTO-ÜbereinkommenalsAnhang<br />
1 C beigefügten Übereinkommens über handelsbezogene<br />
Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums<br />
für den Einzelnen keine Rechte begründen, auf die er<br />
sich nach dem Gemeinschaftsrecht unmittelbar vor<br />
den Gerichten berufen könnte (C-300/98 u. C-392/<br />
98 – Dior u. a.). Im Anschluss hieran judiziert der<br />
EuGH bislang in ständiger Rechtsprechung, dass<br />
dies in gleicher Weise für die Bestimmungen des<br />
GATT gilt. Auch gegenüber der Bananenmarkordnung<br />
sei das GATT 1994 deshalb nicht unmittelbar<br />
anwendbar,d.h.esbegründefürdenEinzelnenkeine<br />
Rechte,aufdiemansichvordemEuGHbzw.denGe-<br />
74<br />
richten der Mitgliedstaaten mit Erfolg berufen könnte(vgl.Beschl.v.2.5.2001,C-307/99–OGTFruchthandels-GmbH).<br />
Die immer lauter werdende Kritik<br />
an diesem Zustand sowie den vielfältigen negativen<br />
Auswirkungen auf die betroffenen „Dollarbananen“-Produkteure<br />
und -Händler hat die Kommission<br />
zwischenzeitlich zum Einlenken bewegt: Am 8. 5.<br />
2001 (ABl. Nr. L 126/2001) veröffentlichte sie mit<br />
der VO 896/2001 neue Durchführungsregelungen<br />
der Bananenmarktordnung, die im Einklang mit der<br />
Lösung stehen, auf die sie sich mit den USA und<br />
Ecuador geeinigt hat. Die neuen Vorschriften gelten<br />
seit 1. 7. 2001 als Übergangslösung bis zur Abschaffung<br />
der Bananenmarktordnung und zur Einführung<br />
einer reinen Zollregelung, die für 2006 geplant ist.<br />
Bis dahin werden weiterhin, primär auf der Grundlage<br />
historischer Referenzmengen bzw. bisheriger<br />
Handelsvolumen, Einfuhrlizenzen erteilt (83 %).<br />
Aber auch „traditionelle Marktbeteiligte“ ohne historische<br />
Referenzmengen bekommen Einfuhrlizenzen<br />
(17 %), und es soll der Marktzugang für Bananen<br />
aus Lateinamerika generell verbessert werden. Die<br />
neuen Regelungen haben Ende 2001 die erforderlichen<br />
WTO-Genehmigungen bis 31. 12. 2005 bzw.<br />
2007 („waiver“) erhalten. Auf diese Weise wurden<br />
insoweit der europäische Bruch des Völkerrechts<br />
und die hieraus resultierenden Sanktionen der USA<br />
weitgehend beendet. Zudem sind weitere Voraussetzungen<br />
für die Zustimmung der �AKP-Staaten zur<br />
Eröffnung einer neuen Welthandelsrunde geschaffen<br />
worden. Diese Entwicklungen wecken die Hoffnung,<br />
dass der Streit um die unselige EG-Bananenmarktordnung<br />
bald zu einem Ende kommt.<br />
J. M. B.<br />
Bananenmarktordnung-Beschluss des<br />
BVerfG. Im Beschluss vom 7. 6. 2000 (2 BvL 1/97,<br />
EuZW 2000, 702) kehrte sich das Bundesverfassungsgericht<br />
– europafreundlich – von zentralen<br />
Aussagen seines �Maastricht-Urteils ab („Missverständnisse“),<br />
lehnte die Vorlage des VerwaltungsgerichtsFrankfurta.M.zurFrage,obdieDurchführung<br />
der �Bananenmarktordnung mit deutschen Grundrechten<br />
vereinbar sei (NJW 1997, 1256 L) als unzulässig<br />
ab und bekräftigte bezüglich der Vorrangfrage<br />
gewissermaßen wieder die alte �„Solange II“-Judikatur:<br />
Verfassungsbeschwerden und Gerichtsvorlagen,<br />
die eine Verletzung von deutschen Grundrechten<br />
durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend
machen, werden vom BVerfG von vornherein als unzulässig<br />
abgelehnt, „solange“ die EU „einen effektiven<br />
und dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsstandard“<br />
gewährleistet. Die Zulässigkeit eines<br />
solchen Verfahrens vor dem BVerfG könne mithin<br />
allenfalls dann gegeben sein, wenn im Einzelnen<br />
dargelegt werde, „dass die europäische Rechtsentwicklungeinschl.derRechtsprechungdesEuGHunter<br />
den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken“,<br />
d. h. „der jeweils als unabdingbar gebotene<br />
Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet“ sei.<br />
Eine extreme Anforderung, die angesichts der durch<br />
Art. 6 EUV, die neue Grundrechte-Charta (Teil II des<br />
Verfassungsvertrags 2004) bzw. die ständige Rechtsprechung<br />
des EuGH im Grund- und Menschenrechtsbereich<br />
garantierten Europarechtspositionen<br />
desBürgerswohlkaumjemalserfüllbarist. J. M. B.<br />
Bananenmarktordnung-Urteile des EuGH. Im<br />
Urteil vom 5. 10. 1994 (C-280/93) entschied der Europäische<br />
�Gerichtshof, dass die Nichtigkeitsklage<br />
der Bundesrepublik Deutschland gegen die Gemeinsame<br />
Marktordnung für Bananen (VO 404/93, ABl.<br />
L 47/1993) in vollem Umfang abzuweisen sei (NJW<br />
1995, 945). Die Verordnung sei rechtmäßig. Weder<br />
läge eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften<br />
vor noch ein Verstoß gegen materielle Bestimmungen<br />
des Gemeinschaftsrechts, wie insbes. die Grundrechte.<br />
Die Europäische Gemeinschaft habe mit dem<br />
Erlass der �Bananenmarktordnung in zulässiger<br />
Weise von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch<br />
gemacht. Die Bundesrepublik könne sich zudem<br />
nicht auf einen behaupteten Verstoß gegen das �Lomé-<br />
oder das �GATT-Abkommen bzw. das alte �Bananenprotokoll<br />
berufen. In den Urteilen vom 10. 3.<br />
1998 (C-122/95, C-364 u. 365/ 95) bestätigte der<br />
EuGH im Wesentlichen noch einmal diese Grundlinie.<br />
Zwar wurde ein konkreter Ratsbeschluss wegen<br />
Verletzung des allgemeinen �Diskriminierungsverbotsteilweisefürnichtigerklärt,generellverletzedie<br />
Bananenmarktordnung jedoch weder das Eigentumsrecht<br />
oder das Recht auf freie Berufsausübung<br />
noch die Grundsätze des Vertrauensschutzes oder<br />
der Verhältnismäßigkeit. Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht<br />
hat diese Rechtsprechung in<br />
seinem �Bananenmarktordnung-Beschluss vom 7.<br />
6.2000faktischakzeptiert. J. M. B.<br />
Bananenprotokoll.Artikel136desEWG-Vertrags<br />
Beamte und Bedienstete<br />
von 1957 sah die Assoziierung der überseeischen<br />
Länder und Hoheitsgebiete von Mitgliedstaaten vor.<br />
Dem Durchführungsabkommen vom 25. 3. 1957 zur<br />
Assoziierung wurde ein Protokoll beigefügt, das der<br />
Bundesrepublik Deutschland die zollfreie Einfuhr<br />
eines großen Kontingents von Bananen (zunächst<br />
260 000 t) aus nicht assoziierten Drittländern zusicherte.<br />
Der Rat sollte mit qualifizierter Mehrheit<br />
über Änderung oder Aufhebung des Kontingents<br />
entscheiden, was jedoch nie geschah. Das „Bananenprotokoll“<br />
galt somit auch nach Ablauf des Durchführungsabkommens<br />
am 31. 12. 1962 weiter und<br />
wurde den �Lomé-Abkommen und dem �Cotonou-<br />
Abkommen angehängt. Die Möglichkeit zollfreier<br />
Einfuhr von „Dollarbananen“ nach Deutschland<br />
wurdeerstmitInkrafttretenderEG-�Bananenmarktordnung<br />
am 1. 7. 1993 aufgehoben, was zu erheblichen<br />
Preiserhöhungen und anhaltenden Protesten<br />
führte.<br />
Bandbreiten für Schwankungen der Wechselkurse<br />
von Währungen �Europäisches Währungssystem,<br />
�Wechselkursmechanismus II<br />
Barcelona-Prozess �Mittelmeerpolitik<br />
Beamte und Bedienstete der EU. Rechtliche<br />
Grundlage für die Beschäftigung von Personen im<br />
Dienste der EU ist das „Statut der Beamten“ gem.<br />
Art.283EGV(VO259/68,ABl.L56/1968,bisher98<br />
Änderungen, zuletzt durch VO 23/2005, ABl. 6/<br />
2005). Es regelt die „Beschäftigungsbedingungen<br />
für die Beamten und sonstigen Bediensteten der<br />
EG“. Hinzu kommen verbindliche Vorschriften für<br />
das Verhalten von Beamten, z. B. im �Kodex über<br />
eine gute Verwaltungspraxis (Beziehungen zur Öffentlichkeit)<br />
oder im �Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder.<br />
Das „Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen<br />
der Europäischen Gemeinschaften“ von 1965 (ABl.<br />
L 152/1967) in der Fassung des Vertrags von Nizza<br />
regelt Privilegien der Beamten und sonstigen Bediensteten<br />
der EU, z. B. Befreiung von der Gerichtsbarkeit<br />
bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft<br />
vorgenommenen Handlungen, von Einwanderungsbeschränkungen<br />
und Meldepflicht, von innerstaatlichen<br />
Steuern auf die von der EU gezahlten<br />
Gehälter, Löhne und Bezüge, auf die eine Steuer zugunsten<br />
des EU-Haushalts erhoben wird. Die ge-<br />
75
Begründungspflicht<br />
nannten Vorrechte und Befreiungen sind auch in das<br />
Protokoll Nr. 7 des >Verfassungsvertrags 2004 übernommen<br />
worden.<br />
Beamte der EU haben in der Regel ein DienstverhältnisaufLebenszeit,BediensteteeinArbeitsverhältnis<br />
auf Zeit. Für Beamte gelten vier Laufbahngruppen:<br />
A(höhererDienst,Hochschulabschluss),B(gehobener<br />
Dienst, Sachbearbeiter), C (mittlerer Dienst, Sekretariats-<br />
und Büroarbeiten) und D (einfacher<br />
Dienst, Hilfstätigkeiten). Hinzu kommt die Sonderlaufbahn<br />
L A für Dolmetscher und Übersetzer.<br />
Die EU hatte 2004 einen genehmigten Personalbestand<br />
von insgesamt 35 346 Personen (33 132 Dauerplanstellen<br />
und 2 214 Planstellen auf Zeit), darunter<br />
4 219 Übersetzer und Dolmetscher.<br />
Vom gesamten Personalbestand sind<br />
– 22 564 Dauerplanstellen und 758 Stellen auf Zeit<br />
bei der Kommission in Brüssel,<br />
– 4 591 Dauerplanstellen und 808 Stellen auf Zeit<br />
beim Generalsekretariat des Europäischen Parlaments<br />
in Brüssel, Luxemburg und Straßburg,<br />
– 3 137 Dauerplanstellen und 47 Stellen auf Zeit<br />
beim Ministerrat in Brüssel,<br />
– 1 248 Dauerplanstellen und 393 Stellen auf Zeit<br />
beim Gerichtshof in Luxemburg,<br />
– 601 Dauerplanstellen und 135 Stellen auf Zeit<br />
beim Rechnungshof in Luxemburg,<br />
– 594 Dauerplanstellen und 24 Stellen auf Zeit beim<br />
Wirtschafts- und Sozialausschuss,<br />
– 382 Dauerplanstellen sowie 26 Stellen auf Zeit<br />
beim Ausschuss der Regionen,<br />
– 15 Dauerplanstellen und 23 Stellen auf Zeit beim<br />
Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />
StellenwerdenimAmtsblattderEUausgeschrieben.<br />
Begründungspflicht für Organe der EU. Nach<br />
Art. 253 EGV müssen alle vom Europäischen Parlament<br />
(EP) und vom Rat gemeinsam oder von Rat und<br />
Kommission beschlossenen �Rechtsakte mit Gründen<br />
versehen sein und auf Vorschläge und Empfehlungen<br />
(z. B. des EP) Bezug nehmen. Die BegründungwirdgewöhnlichindiePräambeldesRechtsaktes<br />
aufgenommen. Eine andere als von Art. 253 EGV<br />
verlangte Aufgabe hat die Begründungspflicht für<br />
Vorschläge der Kommission im Zusammenhang mit<br />
dem Prinzip der �Subsidiarität.<br />
Behinderte sollen in der EU in besonderer Weise<br />
gefördert und in ihren Rechten geschützt werden,<br />
76<br />
nicht nur durch das allgemeine Diskriminierungsverbot<br />
nach Art. 13 EGV. In einer Empfehlung vom<br />
24. 7. 1986 (ABl. L 225/1986) hat der Rat Kernpunkte<br />
der Eingliederung behinderter Menschen in berufliche<br />
Bildung und Beschäftigung genannt. Die �Gemeinschaftscharta<br />
der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer<br />
vom 9. 12. 1989 bestimmt in Nr. 26:<br />
„Alle Behinderten müssen unabhängig von der Ursache<br />
und Art ihrer Behinderung konkrete ergänzende<br />
Maßnahmen, die ihre berufliche und soziale Eingliederung<br />
fördern, in Anspruch nehmen können. Diese<br />
MaßnahmenzurVerbesserungderLebensbedingungen<br />
müssen sich je nach Fähigkeiten der Betreffenden<br />
auf berufliche Bildung, Ergonomie, Zugänglichkeit,<br />
Mobilität, Verkehrsmittel und Wohnung erstrecken.“<br />
In den beschäftigungspolitischen Leitlinien<br />
für 1999 (ABl. C 69/1999) werden die Mitgliedstaaten<br />
aufgefordert, „den Bedürfnissen behinderter<br />
Menschen ... besondere Aufmerksamkeit zu schenken<br />
und geeignete präventive und aktive politische<br />
Ansätzezuentwickeln,umdieEingliederungderBetreffenden<br />
in den Arbeitsmarkt zu fördern“.<br />
Die Kommission hat am 22. 9. 1998 in ihrem Dokument<br />
„Das Beschäftigungsniveau von Menschen mit<br />
Behinderungen anheben – Eine gemeinsame Herausforderung“<br />
eine koordinierte Strategie statt der<br />
bisherigen Zersplitterung in Einzelinitiativen gefordert.<br />
Der Rat hat in einer „Entschließung vom 17. 6.<br />
1999 betreffend gleiche Beschäftigungschancen für<br />
behinderte Menschen“ (ABl. C 186/1999) die Mitgliedstaaten<br />
aufgefordert, die Möglichkeiten der<br />
Strukturfonds und einschlägiger Gemeinschaftsinitiativen<br />
voll zu nutzen und insbes. den durch die moderne<br />
Informationstechnologie geschaffenen Möglichkeiten<br />
für neue Arbeitsplätze für behinderte<br />
Menschen besonderes Augenmerk zu schenken. Er<br />
fordertedieOrganederEUauf,inihrenDienststellen<br />
für gleiche Beschäftigungschancen für behinderte<br />
Menschen zu sorgen.<br />
Völkerrechtlich wirksame Bestimmungen zum<br />
SchutzundzurFörderungBehinderterbestehenauch<br />
im Übereinkommen 159 und der Empfehlung 168<br />
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über<br />
die berufliche Rehabilitation und die Beschäftigung<br />
der Behinderten vom 20. 6. 1983, in der Empfehlung<br />
Nr. R (92) 6 des �Europarates für eine kohärente Politik<br />
für behinderte Menschen vom 9. 4. 1992 sowie<br />
indenRahmenbestimmungenfürdieHerstellungder<br />
Chancengleichheit für Behinderte, von den Verein-
ten Nationen am 20. 12. 1993 als Resolution verabschiedet.<br />
Beihilfen. Artikel 87 EGV regelt die (Un-)Zulässigkeit<br />
staatlicher Beihilfen an Unternehmen oder Wirtschaftszweige.<br />
Die Artikel 88 und 89 EGV enthalten<br />
Vorschriften über die �Beihilfenaufsicht.<br />
DerBegriffderBeihilfeistweitzuverstehenundumfasst<br />
alle unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen<br />
Mitteln gewährten Vergünstigungen wie etwa verlorene<br />
Zuschüsse, Bürgschaften, Zinsverbilligungen<br />
und die Befreiung von Abgaben (Subventionen).<br />
Voraussetzung einer Beihilfe ist in jedem Fall eine<br />
Begünstigung des Unternehmers und die deshalb potenziell<br />
oder tatsächlich eintretende Wettbewerbsverfälschung.<br />
Hieran fehlt es, wenn für die staatliche<br />
Zuwendung eine Gegenleistung erbracht wird.<br />
Nach Art. 87 Abs. 1 EGV sind Beihilfen in dem oben<br />
beschriebenen Sinn mit dem Gemeinsamen Markt<br />
unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten<br />
beeinträchtigen. Bei Beihilfen geringen<br />
Umfangs (sog. �De-minimis-Beihilfen) wird dies<br />
häufig nicht der Fall sein. Die Kommission setzt das<br />
Beihilfenverbot grundsätzlich nur bei spürbar wettbewerbsverzerrend<br />
wirkenden Beihilfen durch.<br />
Das Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EGV gilt<br />
nicht absolut, sondern nur „soweit nicht in diesem<br />
Vertrag etwas anderes bestimmt ist“. Solche anderen<br />
Bestimmungen finden sich z. B. in Art. 87 Abs. 2<br />
EGV als sog. Legalausnahmen („Mit dem Gemeinsamen<br />
Markt vereinbar sind...“) und in Art. 87 Abs. 3<br />
EGV als sog. fakultative Befreiungstatbestände<br />
(„Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können<br />
angesehen werden...“). Zu Ersteren rechnen insbes.<br />
Sozialbeihilfen, Beihilfen zur Beseitigung von<br />
Naturkatastrophen und Wirtschaftsbeihilfen zum<br />
Ausgleich von Nachteilen durch die (frühere) Teilung<br />
Deutschlands (Deutschland-Klausel), zu Letzteren<br />
etwa sektorale oder regionale Entwicklungsbeihilfen<br />
sowie Kulturbeihilfen. Schließlich kann<br />
der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der<br />
Kommission die Befreiungstatbestände erweitern<br />
(Art.87Abs.3lit.eEGV). Ch. S.<br />
Literatur:<br />
T. Jestaedt / A. Miehle: Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen<br />
für Unternehmen in Schwierigkeiten. EuZW 1995, 659<br />
C. Koenig / J. Kühling: Grundfragen des EG-Beihilfenrechts.<br />
NJW 2000, 1065<br />
R. Uerpmann: Die Gemeinschaftsrahmen für staatliche<br />
Beihilfen. EuZW 1998, 331<br />
Beihilfenaufsicht<br />
Beihilfenaufsicht. Während Art. 87 EGV die Zulässigkeit<br />
und das Verbot von staatlichen �Beihilfen<br />
regelt, finden sich in Art. 88 und 89 EGV die Vorschriften<br />
über die Beihilfenaufsicht. Diese werden<br />
ergänzt durch die Verordnung Nr. 659/1999 des Rates<br />
vom 22. 3. 1999 für die Anwendung von Art. 88<br />
EGV (ABl. L 83/1999). Dabei obliegt die Feststellung,<br />
ob eine staatliche Beihilfe mit dem GemeinsamenMarktvereinbarist,zuvörderstderKommission<br />
(Art. 88 EGV). Dem Rat kommt nur eine Art Reservekompetenz<br />
zu. Er kann in außergewöhnlichen Fällen<br />
durch einstimmigen Beschluss eine Beihilfe legalisieren<br />
(Art. 88 Abs. 2 EGV) und rechtsetzend tätig<br />
werden, indem er Befreiungstatbestände (Art. 87<br />
Abs. 3 lit. e EGV) und Durchführungsverordnungen<br />
erlässt (Art. 89 EGV).<br />
Bei Inkrafttreten des EG-Vertrages bzw. Wirksamwerden<br />
eines Beitritts bereits bestehende Beihilfen<br />
und solche, die zu einem späteren Zeitpunkt von der<br />
Kommissiongenehmigtwurden,werdenfortlaufend<br />
auf ihre Rechtmäßigkeit und vertragsgemäße Anwendung<br />
überprüft (Art. 88 Abs. 1 EGV). Der Vertrag<br />
sieht hierbei ein Kooperationsverhältnis mit den<br />
Mitgliedstaaten vor: Die Mitgliedstaaten geben der<br />
Kommission Auskunft über Umfang und Entwicklung<br />
der staatlichen Beihilfen, die Kommission tritt<br />
nach Überprüfung der Auswirkungen der staatlichen<br />
Beihilfen auf den Gemeinsamen Markt zunächst mit<br />
einer Art Empfehlung an die Mitgliedstaaten heran.<br />
Werden solche Empfehlungen und sonstige Mitteilungen<br />
nicht beachtet, kann aus dem Vorprüfungsverfahren<br />
ein förmliches Verfahren werden, dessen<br />
Ablauf sich nach Art. 88 Abs. 2 EGV richtet. Hierbei<br />
wirdzunächstdenBeteiligtenGelegenheitzurÄußerungbinneneinerFristgegeben.Kommteineeinvernehmliche<br />
Lösung danach nicht zustande, kann die<br />
Kommission eine förmliche Entscheidung gegen<br />
den betreffenden Mitgliedstaat erlassen, wenn die<br />
Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar<br />
ist oder sie zwar vereinbar ist, ihre Anwendung aber<br />
missbräuchlich erfolgt. Diese förmliche Entscheidung<br />
ist zu begründen und gibt dem Mitgliedstaat regelmäßig<br />
auf, seine Beihilfepraxis aufzugeben oder<br />
marktverträglich umzugestalten.<br />
Bei neuen Beihilfen (neu eingeführten oder umgestalteten)<br />
wird die Kommission von den Mitgliedstaaten<br />
so rechtzeitig unterrichtet, dass sie ausreichend<br />
Zeit hat, die Vereinbarkeit der geplanten Maßnahme<br />
mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen (Art.<br />
77
Beitritt<br />
88 Abs. 3 EGV). Bis zu diesem Zeitpunkt darf die<br />
neue Beihilfe nicht eingeführt werden (Sperrwirkung).<br />
Ausgenommen von dieser Pflicht zur Notifizierung<br />
sind lediglich solche Maßnahmen, die unter<br />
einesog.GruppenfreistellungsverordnungderKommission<br />
fallen. Die Kommission muss sich binnen<br />
zweier Monate zu der angemeldeten Beihilfe äußern.<br />
Fällt die Beihilfe nicht unter Art. 87 Abs. 1 EGV oder<br />
kommt eine Freistellung nach Art. 87 Abs. 2, 3 EGV<br />
in Betracht, wird die Beihilfe genehmigt und die Entscheidung<br />
im �Amtsblatt der EU veröffentlicht. Ist<br />
die Beihilfe mit dem �Gemeinsamen Markt unvereinbar,<br />
leitet die Kommission das Hauptverfahren<br />
ein. Die Einwände werden dem Mitgliedstaat in einem<br />
Schreiben dargelegt; dieser darf sich hierzu binnen<br />
einer Frist äußern. Auch dieses Schreiben wird<br />
im Amtsblatt veröffentlicht, um andere Mitgliedstaaten,<br />
Beteiligte und Konkurrenten zu informieren.<br />
Nach einer Äußerung des Mitgliedstaates und<br />
ggf. weiterer Prüfung trifft die Kommission ihre begründete<br />
Entscheidung. Mit ihr kann die Beihilfe<br />
(auch unter Auflagen) genehmigt oder abgelehnt<br />
werden.<br />
Werden neue Beihilfen entgegen Art. 88 EGV nicht<br />
notifiziert, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten<br />
zur Bekanntgabe näherer Informationen binnen<br />
kurzer Frist auf, weist auf die Sperrwirkung hin oder<br />
erlässt selbst eine einstweilige Anordnung nach Art.<br />
11 der Verordnung Nr. 659/1999/EG, um die Auszahlung<br />
vorläufig zu verhindern. Ferner kann sie ein<br />
�Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat<br />
einleiten, weil dieser sich nicht an die Notifizierungspflicht<br />
gehalten hat. Ist die Beihilfe nicht genehmigungsfähig,<br />
gibt die Kommission dem Mitgliedstaat<br />
auf, sie einschl. Zinsen zurückzufordern.<br />
Bei nicht notifizierten Beihilfen können sich die begünstigten<br />
Unternehmen nicht auf Vertrauensschutz<br />
berufen.<br />
Kommt der Mitgliedstaat den Entscheidungen der<br />
Kommissionnichtnach,sodarfdieseohneeinerneutes<br />
Vorverfahren den Europäischen Gerichtshof anrufen<br />
(Art. 88 Abs. 2 EGV) und eine einstweilige Anordnung<br />
beantragen (Art. 242 EGV). Der Mitgliedstaat<br />
kann gegen Entscheidungen der Kommission<br />
Nichtigkeitsklage erheben (Art. 230 EGV). Gleiches<br />
gilt für durch die Kommissionsentscheidung unmittelbar<br />
und individuell betroffene Unternehmen (Art.<br />
230 Abs. 4 EGV), also auch die Konkurrenten im<br />
Wettbewerb. Ch. S.<br />
78<br />
Beitritt, Beitrittsverhandlungen<br />
1. Grundlagen. Der Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften<br />
bzw. der Europäischen Union steht allen<br />
Staaten Europas grundsätzlich auf Antrag offen.<br />
Artikel 49 EUV regelt die Formalitäten:<br />
„Jeder europäische Staat kann beantragen, Mitglied<br />
der Union zu werden. Er richtet seinen Antrag an den<br />
Rat; dieser beschließt einstimmig nach Anhörung<br />
der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen<br />
Parlaments, das mit der absoluten Mehrheit<br />
seiner Mitglieder beschließt. Die Aufnahmebedingungen<br />
und die durch eine Aufnahme erforderlich<br />
werdenden Anpassungen der Verträge, auf denen die<br />
Union beruht, werden durch ein Abkommen zwischen<br />
den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden<br />
Staat geregelt. Das Abkommen bedarf der Ratifikation<br />
durch alle Vertragsstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen<br />
Vorschriften.“<br />
Eine fast gleichlautende Bestimmung enthielt Art.<br />
237 EWGV (vgl. Art. 98 EGKSV; Art. 205 EAGV).<br />
Die Vertragsbestimmungen legen nur die geographische<br />
Lage fest, d. h. sie schließen außereuropäische<br />
Staaten (wie die südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeerraumes)<br />
aus. Der EWG-Vertrag enthielt darüber<br />
hinaus keine inhaltlichen Bestimmungen. Es<br />
wird aber vorausgesetzt, dass es sich bei den Antragstellern<br />
um demokratische Staaten nach westlichem<br />
Vorbild handelt. Hierauf wies bereits 1978 der Europäische<br />
Rat in Kopenhagen hin, als er erklärte, dass<br />
dieparlamentarischeDemokratieunddieEinhaltung<br />
der Menschenrechte wesentliche Elemente für die<br />
ZugehörigkeitzudenEuropäischenGemeinschaften<br />
bildeten. Erst der Vertrag über die Europäische<br />
Union legt in Art. 6 Abs. 1 fest, dass die Regierungssysteme<br />
der Mitgliedstaaten „auf demokratischen<br />
Grundsätzen beruhen“. Die Mitgliedstaaten und die<br />
Gemeinschaft sollen zudem eine Wirtschaftspolitik<br />
betreiben, die dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft<br />
mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist.<br />
Aus der Erfüllung aller Voraussetzungen, zu denen<br />
außerdem gehört, dass die Beitrittskandidaten den<br />
vertraglichen Verpflichtungen nachkommen (können),<br />
ist jedoch kein Rechtsanspruch auf eine EU-<br />
Mitgliedschaft abzuleiten. Die Beitrittsentscheidung<br />
ist ein Akt politischen Ermessens insbesondere<br />
des Rates und der Mitgliedstaaten (�Beitrittskriterien).<br />
2. Beitrittsverfahren: Das Beitrittsverfahren läuft in<br />
mehreren Phasen ab: Antragstellung eines beitrittsu-
chenden europäischen Staates an den Rat, ErörterungdergenerellenMöglichkeitenundProblemedes<br />
beantragten Beitritts durch die Kommission, einstimmiger<br />
Beschluss des Rates über die Aufnahme<br />
von Verhandlungen, die im Namen der Mitgliedstaaten<br />
von der EU-Präsidentschaft geführt werden. In<br />
dieser Verhandlungsphase, die im Rahmen von Beitrittskonferenzen<br />
vor allem auf der Ebene von Arbeitsgruppen<br />
des Rates geführt wird, schlägt die<br />
Kommission die gemeinsame Verhandlungsposition<br />
vor. Die Bewerber sind verpflichtet, den aktuellen<br />
gemeinschaftlichen Besitzstand (�acquis communautaire)<br />
zu übernehmen. Die EU erlaubt dabei nur<br />
zeitlich befristete Abweichungen und Übergangsregelungen.<br />
Nach Art. 49 Abs. 2 EUV folgt dann der<br />
Abschluss eines Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten<br />
und dem antragstellenden Staat, das die<br />
konkreten Modalitäten des Beitritts regelt und auch<br />
Übergangsregelungen und zeitlich begrenzte Abweichungen<br />
beinhaltet. In der Abschlussphase holt<br />
der Rat zunächst die endgültige Stellungnahme der<br />
Kommission (�Avis) zum Beitritt ein, die ihn allerdings<br />
nicht bindet. Das EP, das während der Verhandlungsphase<br />
über den Gang der Gespräche informiert<br />
wurde, muss mit absoluter Mehrheit seiner<br />
Mitglieder der Aufnahme zustimmen. Erst danach<br />
entscheidetderRateinstimmigüberdenBeitrittsvertrag,<br />
der von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet<br />
wird, sobald das EP und der Rat zugestimmt<br />
haben. Da der Beitrittsvertrag ein völkerrechtlicher<br />
Akt ist, muss er durch alle Mitgliedstaaten gemäß ihren<br />
jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften<br />
ratifiziert werden. Die bisherigen Beitrittsverträge<br />
sehen längere Übergangsfristen vor, bis alle Vertragsbestimmungen<br />
in einem Mitgliedsland wirksam<br />
werden, d. h. es gelten nicht überall die gleichen<br />
Standards.<br />
3. Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften.<br />
Die EG wurde bisher fünfmal erweitert.<br />
3.1 Beitritt Irlands, Großbritanniens und Dänemarks.<br />
Bereits am 31. 7. 1961 stellte Irland einen Antrag<br />
auf Beitritt; es folgten Großbritannien (9. 8.<br />
1961), Dänemark (10. 8. 1961) und Norwegen (30. 4.<br />
1962). Mit diesem Schritt verlor zugleich die �EFTA<br />
anBedeutung.IhrZiel,eineeigenständigePolitikgegenüber<br />
der EWG zu betreiben, wurde aufgegeben.<br />
Die Verhandlungen wurden Anfang 1963 unterbrochen<br />
wegen grundsätzlicher Einwände des französischen<br />
Staatspräsidenten Charles de �Gaulle gegen<br />
Beitritt<br />
eine Mitgliedschaft Großbritanniens (qualitative<br />
Veränderung der EWG, gravierende Unterschiede<br />
zwischen dem maritimen Großbritannien und den<br />
kontinentalen Mitgliedsländern, Vorzugszölle gegenüber<br />
dem Commonwealth, Unvereinbarkeit des<br />
Agrarpreissystems). 1967 kam ebenfalls kein einstimmiger<br />
Beschluss über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen<br />
zustande, da wiederum Frankreich<br />
einwandte, die Erweiterung würde tiefgreifend<br />
die Natur und die Arbeitsweise der Gemeinschaften<br />
ändern. Zudem müsse der Gesundungsprozess der<br />
britischen Wirtschaft vorher abgeschlossen sein.<br />
ErstnachdemRücktrittdeGaulles1969warderWeg<br />
für den Beitritt frei, nachdem sich die beitrittswilligen<br />
Staaten bereit erklärt hatten, den gemeinschaftlichen<br />
Besitzstand (�acquis communautaire) zu übernehmen:<br />
„Vom Zeitpunkt des Beitritts an sind die ursprünglichen<br />
Verträge und die Rechtsakte der Organe<br />
der Gemeinschaft für die neuen Mitgliedstaaten<br />
verbindlich und gelten in diesen Staaten in Übereinstimmung<br />
mit den genannten Verträgen und dieser<br />
Akte“ (Art. 2 der „Akte über die Beitrittsbedingungen<br />
und die Anpassungen der Verträge“ vom 22. 1.<br />
1972). Die Verträge mit Großbritannien, Dänemark<br />
und Irland (nach vorhergehender Volksabstimmung)<br />
traten am 1. 1. 1973 in Kraft. Die norwegische<br />
Bevölkerung lehnte in einem Referendum im September<br />
1972 diesen Schritt ab.<br />
3.2 Beitritt Griechenlands. Mit Griechenland bestandseitdem1.11.1962ein�Assoziierungsabkommen,<br />
das in Art. 72 vorsah: „Sobald das Funktionieren<br />
des Assoziierungsabkommens es in Aussicht zu<br />
nehmen gestattet, dass Griechenland die Verpflichtungen<br />
aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />
Wirtschaftsgemeinschaft vollständig übernimmt,<br />
werden die Vertragsparteien die Möglichkeit<br />
eines Beitritts Griechenlands zur Gemeinschaft prüfen.“<br />
Die lange Übergangszeit hatte ihre Gründe einerseits<br />
in der wirtschaftlichen Rückständigkeit<br />
Griechenlands und den daraus auf die Gemeinschaft<br />
zukommenden Haushaltsbelastungen und andererseits<br />
in der zwischen 1967 und 1974 errichteten Militärdiktatur,<br />
die vorübergehend auch zum Ausschluss<br />
Griechenlands aus dem �Europarat geführt hatte.<br />
Griechenland wurde am 1. 1. 1981 aufgenommen.<br />
3.3 Beitritt Portugals und Spaniens. Die beiden Länder<br />
strebten nach dem Zusammenbruch der Diktaturen<br />
aus politischen und wirtschaftlichen Gründen einen<br />
Beitritt an, weil sie sich davon einen Modernisie-<br />
79
Beitritt<br />
rungsschub für ihre rückständigen Volkswirtschaften<br />
und eine Stärkung ihrer jungen Demokratien versprachen.<br />
Für die Befürwortung der Beitrittsanträge<br />
sprachen nicht zuletzt sicherheitspolitische und strategische<br />
Erwägungen (Spanien trat 1982 der NATO<br />
bei). Die Beitrittsverträge traten am 1. 1. 1986 in<br />
Kraft. Durch diese Erweiterung gehören auch die<br />
überseeischen Gebiete Portugals (Madeira und die<br />
Azoren) und Spaniens (Kanarische Inseln) sowie die<br />
spanischen Exklaven in Nordafrika zur EU.<br />
3.4 Beitritt Österreichs, Schwedens und Finnlands.<br />
Er erfolgte am 1. 1. 1995. Mit diesen drei EFTA-<br />
Staaten und mit Norwegen waren April 1994 die Beitrittsverhandlungen<br />
abgeschlossen worden. Die norwegische<br />
Bevölkerung hat jedoch am 28. 11. 1994 in<br />
einer Volksabstimmung den Beitritt erneut abgelehnt.<br />
Mit den drei neuen Mitgliedstaaten wurden für eine<br />
Übergangszeit Sonderregelungen und Schutzgarantien<br />
vereinbart. Österreich durfte bis zum 1. 1. 2004<br />
die Beschränkung des Transitverkehrs aus Gründen<br />
des Umweltschutzes beibehalten. Die Eingliederung<br />
der schwedischen Landwirtschaft in den Agrarmarkt<br />
ist relativ unproblematisch; für eine Übergangsphase<br />
von fünf Jahren wurde (mit Rücksicht auf den<br />
schwedischen Staatshaushalt) eine allmähliche Steigerung<br />
der Nettozahlungen vereinbart. Finnland erreichte<br />
in den Verhandlungen, dass für das gesamte<br />
Staatsgebiet strukturpolitische Fördermittel gezahlt<br />
werden und die Nahrungsmittelindustrie geschützt<br />
wird.<br />
3.5 Erweiterung um die Länder Mittel- und Osteuropas<br />
sowie um Zypern und Malta. Die �Osterweiterung<br />
war ein langwieriger Prozess, der sich in mehreren<br />
Etappen vollzog. Zunächst unterstützte die EU<br />
den Transformationsprozess durch Liberalisierung<br />
des Handels (ausgenommen der Agrarsektor), Finanzhilfen<br />
und politischen Dialog. Seit Ende 1991<br />
wurden die ersten �Europa-Abkommen mit Staaten<br />
Mittel- und Osteuropas geschlossen, die bis dahin<br />
bestehende Handels- und Kooperationsabkommen<br />
ersetzten. Ein wichtiger Baustein im Rahmen der<br />
�Heranführungsstrategien ist das PHARE-Programm,<br />
ein Hilfsprogramm zur wirtschaftlichen<br />
Umgestaltung der osteuropäischen Länder, dessen<br />
Koordinierung bei der Kommission liegt. Diese Abkommen<br />
boten jedoch nur eine unverbindliche Beitrittsperspektive.<br />
Grundsätzlich eröffnete der Europäische<br />
Rat von Kopenhagen im Juni 1993 Beitritts-<br />
80<br />
möglichkeiten für diese Staaten, die an bestimmte<br />
Kriterien gebunden sind (�Beitrittskriterien).<br />
Der Europäische Rat beschloss im Dezember 1994<br />
eine Heranführungsstrategie, welche die beitrittswilligen<br />
Mittel- und Osteuropas schrittweise „auf<br />
ihre Eingliederung in den Binnenmarkt“ durch stufenweise<br />
Übernahme der Regelungen der Union vorbereiten<br />
sollten. Das 1995 vorgelegte Weißbuch,<br />
„Vorbereitung der assoziierten Staaten Mittel- und<br />
Osteuropas auf die Integration in den Binnenmarkt<br />
derUnion“solltealsLeitfadendenAssoziationspartnern<br />
bei der Angleichung der Rechtsvorschriften<br />
helfen. Im Juli 1997 legte die Kommission mit der<br />
�„Agenda 2000“ eine Strategie für die Vorbereitung<br />
der EU auf die Erweiterung und Stellungnahmen zu<br />
den Beitrittsanträgen vor. Die Weichenstellung für<br />
Beitrittsverhandlungen nahm der Europäische Rat in<br />
Luxemburg im Dezember 1997 vor. Am 5. 10. 1998<br />
wurden die Beitrittsverhandlungen mit Ungarn, Polen,<br />
Estland, der Tschechischen Republik und Slowenien,<br />
am 10./11. 12. 1999 mit Bulgarien, Lettland,<br />
Litauen,RumänienundderSlowakeiaufgenommen.<br />
Außerdem begannen die Beitrittsverhandlungen mit<br />
Zypern und Malta. Neben dem PHARE-Programm<br />
wurden ab 2000 als weitere Finanzinstrumente eine<br />
�Heranführungshilfe für die Landwirtschaft (�SA-<br />
PARD) in Höhe von 520 Mio. Euro jährlich und das<br />
Strukturpolitische Instrument zur Vorbereitung auf<br />
den Beitritt (�SIVB) mit einem Budget in Höhe von<br />
1 040 Mio. Euro jährlich eingerichtet. Im Dezember<br />
2002 einigte sich der Europäische Rat in Kopenhagen<br />
auf einen gemeinsamen Finanzrahmen für die<br />
Erweiterung in Höhe von 40,9 Mrd. Euro. Die Direktzahlungen<br />
in der Landwirtschaft werden in den<br />
neuen Mitgliedstaaten schrittweise eingeführt, bis<br />
sie 2013 das derzeitige EU-Niveau erreichen. Damit<br />
konnten die Beitrittsverhandlungen mit Estland,<br />
Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien,<br />
der Tschechischen Republik, Ungarn und<br />
Zypern abgeschlossen werden. Der Beitrittsvertrag<br />
wurde am 16. 4. 2003 in Athen von den 15 EU-Staaten<br />
und den zehn Beitrittsländern unterzeichnet. Bis<br />
zumoffiziellenBeitrittam1.5.2004habendieParlamente<br />
aller Staaten den Beitrittsvertrag ratifiziert.<br />
BereitsimJuni2004habeninallenEU-StaatenEuropawahlen<br />
nach einheitlichen Grundsätzen stattgefunden.<br />
Die neuen Mitgliedstaaten haben uneingeschränkt<br />
Sitz und Stimme in allen Institutionen. Die<br />
erweiterte Kommission umfasst nach einer Über-
gangszeit, in der die fünf großen Mitgliedstaaten<br />
zwei Kommissare stellen, seit Ende 2004 25 Mitglieder<br />
– je eines pro Mitgliedstaat. Im Rat der Europäischen<br />
Union gilt ab 1. 11. 2004 eine Neugewichtung<br />
derStimmen:BeieinerStimmenzahlvon321beträgt<br />
die �qualifizierte Mehrheit 232 Stimmen. Das EP hat<br />
in der Wahlperiode 2004 – 2009 732 Sitze.<br />
4. Anträge auf Beitritt zur Europäischen Union. Die<br />
Türkei und Marokko (1987), die Schweiz (1992),<br />
Norwegen (1962 und 1992), Rumänien und Bulgarien(1995)sowieKroatien(2003)habenAnträgeauf<br />
Beitritt zur EG/EU gestellt. Das Ersuchen Marokkos<br />
wurde abgelehnt, weil es geographisch nicht zu Europa<br />
gehört. Der Antrag der Schweiz ruht, nachdem<br />
sich die Bevölkerung in einem Referendum am 6. 12.<br />
1992 gegen den Beitritt zum �Europäischen Wirtschaftsraum<br />
(EWR) ausgesprochen hat. Norwegens<br />
Bevölkerung hat 1994 (wie schon 1972) den Beitritt<br />
zur EG abgelehnt. Die Beitrittsverhandlungen mit<br />
Rumänien und Bulgarien wurden im Dezember 2004<br />
abgeschlossen, die Beitrittsverträge sind am 25. 4.<br />
2005 unterzeichnet worden. Der Beitritt soll am 1. 1.<br />
2007 erfolgen, kann aber um ein Jahr verschoben<br />
werden, wenn ein Land die in den Verträgen zugesagtenReformenalsVoraussetzungfürdieMitgliedschaft<br />
nicht verwirklicht hat. Der Beginn der Beitrittsverhandlungen<br />
mit Kroatien wurde im März<br />
2005 auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Auf<br />
Empfehlung der Kommission hat der Europäische<br />
Rat in Brüssel im Dezember 2004 beschlossen, voraussichtlich<br />
am 3. 10. 2005 Beitrittsverhandlungen<br />
mitderTürkeiaufzunehmen. U. M.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Agenda 2000: Eine stärkere und<br />
erweiterte Union. In: Bulletin der Europäischen Union,<br />
Beilage 5/97. Luxemburg 1997<br />
Lippert, B. (Hg.): Osterweiterung der Europäischen Union.<br />
Bonn 2000<br />
Nicholson, F./East, R.: From the Six to the Twelve: The<br />
Enlargement of the European Communities. Harlow 1987<br />
Schley, N./Buss, S./Brökelmann, S.: Knaurs Handbuch Europa.<br />
Daten – Länder – Perspektiven. München 2004<br />
Weidenfeld, W. (Hg.): Europa öffnen. Anforderungen an die<br />
Erweiterung. Gütersloh 1997<br />
Beitrittskriterien (Kopenhagener Beitrittskriterien).<br />
Angesichts der umfangreichen Beitrittswünsche<br />
in den 1990er Jahren legte die Europäische<br />
Union bei der Tagung des Europäischen Rates in Kopenhagen<br />
im Juni 1993 folgende Kriterien „als Voraussetzung<br />
für die Mitgliedschaft“ in der EU fest:<br />
Beitrittskriterien<br />
– eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische<br />
und rechtsstaatliche Ordnung, für die<br />
Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung<br />
und den Schutz von Minderheiten („Politische Kriterien“);<br />
– eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die<br />
Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften<br />
innerhalb der Union standzuhalten („Wirtschaftliche<br />
Kriterien“);<br />
– die Fähigkeit, die Verpflichtungen, die aus einer<br />
Mitgliedschaft erwachsen, zu übernehmen und sich<br />
auch die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts-<br />
und Währungsunion zu eigen zu machen<br />
(„Rechtliche Kriterien“).<br />
In den 1990er Jahren wurde wiederholt und durchaus<br />
zu Recht kritisiert, dass dies noch keine präzisen Kriterien<br />
zur Beurteilung der Beitrittsfähigkeit sind.<br />
Welche Voraussetzungen sind für einen Beitritt zur<br />
EU unverzichtbar? Welche sind von sekundärer Bedeutung?InwelchemUmfang,zuwelchemGradund<br />
(sicherlich nicht zuletzt speziell für die Beitrittskandidaten<br />
besonders wichtig) zu welchem Zeitpunkt<br />
müssten die sog. Kopenhagener Kriterien für einen<br />
Beitritt erfüllt sein? Bei der Aufnahme von Verhandlungen?<br />
Zum Beitrittstermin? Oder nach welchen –<br />
ggf. differenzierten – Übergangsfristen?<br />
Als Erschwernis kommt für Beitrittsbewerber hinzu,<br />
dass einerseits die Kopenhagener Kriterien über den<br />
�acquis communautaire hinausgehen (z. B. bei der<br />
Frage der Verwaltungskapazität), und dass sich andererseits<br />
der acquis communautaire seit Kopenhagen<br />
kontinuierlich weiterentwickelt hat. Er ist zum<br />
einen umfangreicher geworden, zum anderen wird er<br />
sich in bestimmten Politikfeldern auch qualitativ<br />
weiterentwickeln. Die EU ist insofern ein „moving<br />
target“.<br />
Inzwischen haben die in Kopenhagen festgelegten<br />
politischen Kriterien mit dem Inkrafttreten des Amsterdamer<br />
Vertrags im Mai 1999 als zentrales Verfassungsprinzip<br />
Eingang in den EU-Vertrag gefunden<br />
(Art. 6 Abs. 1 EUV: „Die Union beruht auf den<br />
Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der AchtungderMenschenrechteundGrundfreiheitensowie<br />
der Rechtsstaatlichkeit.“ In Art. 49 EUV heißt es entsprechend:<br />
„Jeder europäische Staat, der die in Artikel6Absatz1genanntenGrundsätzeachtet,kannbeantragen,<br />
Mitglied der Union zu werden.“). In der<br />
Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus<br />
dem Jahr 2000 (�Grundrechtecharta; Teil II des<br />
81
Beitrittspartnerschaften<br />
�Verfassungsvertrags 2004) sowie in Art. I-2 VVE<br />
werden ähnlich formulierte Werte als Kriterien für<br />
den Beitritt nach Art. I-58 VVE genannt.<br />
Auf der Basis von Datenmaterial, das die Beitrittsbewerber<br />
der Europäischen Kommission zur Verfügung<br />
gestellt haben, und aufgrund von Bewertungen<br />
der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen ParlamentsundandererEinrichtungen,hattedieKommission<br />
im Juli 1997 umfangreiche Stellungnahmen<br />
(�Avis) zu den Beitrittsanträgen vorgelegt. Darin<br />
differenzierte sie die Einhaltung bzw. Verwirklichung<br />
der Beitrittskriterien genauer, sie prüfte die<br />
Erfüllung bzw. die Wahrscheinlichkeit einer fristgerechten<br />
Erfüllung der Kriterien bei jedem Beitrittskandidaten<br />
im Einzelnen.<br />
In den abschließenden Empfehlungen zur Erweiterung<br />
merkte die Kommission an, dass zwar „zum gegenwärtigen<br />
Zeitpunkt kein Land alle Kriterien in<br />
vollem Umfang erfüllt“, dass aber fünf der zehn<br />
�MOE-Staaten (Estland, Polen, Slowenien, Tschechien<br />
und Ungarn) in der Lage sein könnten, „alle<br />
Voraussetzungen für die Mitgliedschaft auf mittlere<br />
Sicht zu erfüllen“. Dieser Analyse folgend beschloss<br />
der Europäische Rat bei seiner Tagung im Dezember<br />
1997, mit den fünf bereits besser vorbereiteten Staaten<br />
im Frühjahr 1998 konkrete Beitrittsverhandlungen<br />
zu eröffnen. Mit den übrigen Bewerbern wurden<br />
dieVerhandlungenerstimJahr2000aufgenommen.<br />
Da bei jedem der zehn mittel- und osteuropäischen<br />
Beitrittsbewerber (unterschiedlich gravierende)<br />
Mängel in der Beitrittsreife festgestellt wurden, bot<br />
die EU an, im Rahmen einer intensivierten �Heranführungsstrategie<br />
mit dem neuen Instrument der<br />
�Beitrittspartnerschaften sowie der Teilnahme an<br />
Gemeinschaftsprogrammen und Durchführungsmechanismen<br />
die Vorbereitung der Beitrittsbewerber<br />
auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen<br />
Union zu unterstützen.<br />
Seit 1998 legte die Kommission bis zum Abschluss<br />
der jeweiligen Beitrittsverhandlungen den Beitrittsbewerbern<br />
und der interessierten Öffentlichkeit in<br />
der EU mit den „Fortschrittsberichten“ in der Form<br />
eines regelmäßigen Berichts eine (jährliche) Stellungnahme<br />
über die Fortschritte auf dem Weg zum<br />
Beitrittvor. B. K. S.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Agenda 2000. Eine stärkere und<br />
erweiterte Union. In: Bulletin der Europäischen Union,<br />
Beilage 5/97, Luxemburg 1997, S. 43 – 66<br />
82<br />
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg<br />
(Hg.): Der Bürger im Staat. Themenheft „Die Osterweiterung<br />
der EU“, Jg. 54 (1), Stuttgart 2004<br />
Beitrittspartnerschaften wurden vom Rat im Jahr<br />
1998 mit jedem der damaligen Beitrittskandidaten<br />
(ausgenommen Malta, der Türkei und Zypern) geschlossen.<br />
Die Vereinbarungen fassten die Hilfen<br />
der EU für den Beitrittskandidaten und die Voraussetzungen<br />
für die Vergabe dieser Finanzhilfen zusammen<br />
und stellten Prioritäten für die Übernahme<br />
des gemeinschaftlichen Besitzstands (�acquis communautaire)<br />
auf. Jedes Land stellte danach ein Programm<br />
mit Zeitplan für die Übernahme des gemeinschaftlichen<br />
Besitzstands auf sowie für Aktionspläne<br />
zur Stärkung von Justiz und Verwaltung. Dieses<br />
Programm wurde von der Kommission und dem betreffenden<br />
Land fortlaufend angepasst.<br />
Die Beitrittspartnerschaften bildeten die Grundlage<br />
für andere �Heranführungsinstrumente und für die<br />
gemeinsame Bewertung der mittelfristigen wirtschaftspolitischen<br />
Prioritäten, die Bekämpfung der<br />
organisierten Kriminalität, die nationalen Entwicklungspläne<br />
sowie weitere Sektorprogramme, die für<br />
die Beteiligung an den Strukturfonds nach dem Beitritt<br />
und für die Durchführung der �ISPA-und �SA-<br />
PARD-Programme erforderlich waren.<br />
Beitrittswillige Staaten �Beitritt<br />
Benchmarking. Benchmarkingisteinwesentliches<br />
Element bei dem strategischen Ziel, die EU zum global<br />
erfolgreichsten Wirtschaftsraum zu machen<br />
(�Lissabon-Strategie). Es ist ein Analyse- und Planungsinstrument,<br />
das als ein gewichtiges Werkzeug<br />
im Bereich der wettbewerbsorientierten Wirtschaft<br />
entwickelt wurde und das heute weit umfassender<br />
gehandhabt wird.<br />
1. Zielsetzung. Benchmarking sucht nach Lösungen,<br />
die auf den besten Methoden und Verfahren, den<br />
„best practices“ der Industrie, basieren und ein Unternehmen<br />
zu Spitzenleistungen führen sollen (Definition<br />
des Begründers der Benchmarking-Methode:<br />
Robert Camp). Es ist ein Prozess, der Produkte, Methoden,<br />
Abläufe und Strukturen betrieblicher Funktionen<br />
in einem oder mehreren anderen Unternehmen<br />
gegenüberstellt. So sollen über den Vergleich<br />
deseigenenUnternehmensmitdenbestenderMitbewerber<br />
hinaus auch Vergleiche mit branchenfremden<br />
Unternehmen angestellt werden. Damit sollen
Potentiale für Rationalisierung oder Qualitäts- und<br />
Leistungssteigerung aufgedeckt werden. Diese Methode<br />
wurde in den USA in den 1970er Jahren entwickelt<br />
und hat dort eine längere Tradition. Aber auch<br />
in Europa ist Benchmarking zu einem wichtigen<br />
Steuerungs- und Organisationsmodell geworden.<br />
2. Die Anwendung von Benchmarking umfasst vier<br />
grundlegende Schritte:<br />
– Zunächst gilt es, die eigenen Prozesse zu analysieren<br />
und zu verstehen.<br />
– Danach müssen die Prozesse der anderen Mitbewerberebenfallsanalysiertwerden;hiersindSchlüsselindikatoren<br />
sowie Beispiele von „best practices“<br />
festzusetzen.<br />
– DannwerdendieeigenenLeistungenmitdenender<br />
Mitbewerber verglichen.<br />
– Zuletzt werden die Maßnahmen beschlossen und<br />
umgesetzt, die notwendig sind, um den Abstand zu<br />
den Besten zu schließen.<br />
3. Benchmarking im öffentlichen Bereich. Benchmarking<br />
kann im privaten Bereich der Unternehmen,<br />
aber auch im öffentlichen Sektor angewandt werden.<br />
Während im privaten Bereich der Unternehmen<br />
Benchmarking ein Mittel ist, welches die Managementstrategien<br />
unterstützen und eine nachhaltige<br />
Verbesserung der Unternehmensprozesse bewirken<br />
soll, stellt Benchmarking im öffentlichen Sektor darauf<br />
ab, rationaler zu arbeiten, eine größere Produktivität<br />
zu erzielen und effizientere Arbeitsmethoden<br />
zu entwickeln. Reformprozesse sollen beschleunigt<br />
und die Zufriedenheit der Kunden und der Beschäftigten<br />
erhöht werden. Wichtig sind im öffentlichen<br />
Sektor die Indikatoren, an denen die eigene Leistung<br />
gemessen werden soll. Diese Indikatoren können<br />
z. B. die Qualität der Dienstleistungen, die Verantwortung<br />
gegenüber dem Bürger, das Verhältnis von<br />
ErtragzueingesetztenMittelnundanderesbetreffen.<br />
Benchmarking im öffentlichen Sektor kann entweder<br />
einem von oben nach unten gerichteten („topdown“)<br />
oder einem von unten nach oben gerichteten<br />
Ansatz („bottom-up“) folgen. Bei dem von oben gerichteten<br />
Ansatz liegt die Entscheidung dafür,<br />
Benchmarking einzuführen, bei den Zentralbehörden,<br />
bei dem anderen Ansatz liegt die Initiative bei<br />
den einzelnen Organisationen des öffentlichen Sektors,dieihreneigenenBenchmarkingprozessvereinbaren.GleichwohlbleibtauchhierdieUnterstützung<br />
der zentralen Behörden ein wichtiger Faktor für den<br />
Erfolg des Benchmarkingansatzes.<br />
Benchmarking<br />
4. Hochrangige Gruppe „Benchmarking“. Die Europäische<br />
Kommission setzte 1998 eine HochrangigeGruppezumThema„Benchmarking“(HighLevelGrouponBenchmarking)ein.SiesolltedieKommission<br />
bei der Anwendung der Benchmarking-Methode<br />
mit dem großen Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der europäischen Industrie zu verbessern, unterstützen.<br />
Die Gruppe war von Vertretern der Industrie,derArbeitnehmerverbändeundderZivilgesellschaft<br />
besetzt. Sie legte im Jahr 2000 ihren abschließenden<br />
Bericht vor und empfahl dabei folgende Bereiche,<br />
auf die sich die Benchmarking-Methode konzentrieren<br />
sollte:<br />
– Innovation und Technologietransfer für die kleinen<br />
und mittleren Unternehmen;<br />
– Nachhaltige Entwicklung;<br />
– Arbeitsmarkt, Humanressourcen und Arbeitsorganisation;<br />
– Steuern und öffentliche Ausgaben.<br />
5. Benchmarking als Teil der Lissabon-Strategie.<br />
Durch den Europäischen Rat von Lissabon, der im<br />
März 2000 die sog. Lissabon-Strategie mit dem Ziel<br />
formuliert hatte, „die Europäische Union bis 2010<br />
zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten<br />
Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“,wurdedie�„offeneKoordinierungsmethode“<br />
eingeführt. Hier werden in Leitlinien mittel- und<br />
langfristige Ziele vorgegeben, die es zu erreichen<br />
gilt. Unter Festlegung quantitativer und qualitativer<br />
Indikatoren und durch Benchmarks sollen im Vergleich<br />
mit den Bestleistenden die nationalen Politiken<br />
auf die Erreichung der Ziele ausgerichtet werden.<br />
Regelmäßige Überwachung und Bewertung<br />
und gegenseitige Prüfung im Rahmen eines Prozesses,<br />
bei dem alle Seiten voneinander lernen, sollen<br />
die Reformen begleiten. Dabei wird Benchmarking<br />
als analytisches, aber auch als praktisches Instrument<br />
gesehen, das den Willen zur Veränderung widerspiegeln<br />
soll. Die analytische Unterstützung<br />
durch vergleichende Studien, Indikatoren und den<br />
Vergleich mit den „best practices“ kann schließlich<br />
zur Aufstellung von Rangordnungen führen. Bei allem<br />
wird ein Wille zur Verbesserung durch „vom anderen<br />
Lernen“ unterstellt. Schließlich ist eine Überwachung<br />
durch die europäischen Einrichtungen und<br />
eine Berichtspflicht der Mitgliedstaaten über die<br />
Durchführung der Reformen und das Erreichen der<br />
Benchmarks vorgesehen.<br />
6. Beispiel: Benchmarking im Bildungsbereich. In-<br />
83
Benchmarking<br />
folge der Vorgaben des Europäischen Rates von Lissabon<br />
sowie eines weiteren Europäischen Rates in<br />
Barcelona im Frühjahr 2002 legte die Europäische<br />
Kommission eine Mitteilung betreffend „europäische<br />
Benchmarks für die allgemeine und berufliche<br />
Bildung: Follow up der Tagung des Europäischen<br />
Rates von Lissabon“ (vom 20. 11. 2002, KOM 2002/<br />
629 endg.) vor. Da die Humanressourcen als Wesenselement<br />
bei der Entwicklung des europäischen<br />
Wirtschaftsraums betrachtet werden, hat diese Mitteilung<br />
zu europäischen Benchmarks im Bildungsbereich<br />
eine zentrale Bedeutung für die Erreichung<br />
des strategischen Ziels von Lissabon. So sollten die<br />
zu erreichenden Ziele der allgemeinen und beruflichen<br />
Bildung mittels vereinbarter Indikatoren überprüft<br />
werden – und zwar jeweils anhand des Durchschnitts<br />
der (damals) 15 Mitgliedstaaten und der 3<br />
Mitgliedstaaten mit der besten Leistung. Europäische<br />
Benchmarks sollten im Bildungsbereich dort<br />
angewandt werden, wo dieses vom Rat (Bildung) beschlossen<br />
wird. Die Kommission schlug konkrete<br />
Zielvorgaben vor, welche sie dann als Benchmarks<br />
bezeichnete. Diese Benchmarks verteilten sich auf<br />
sechs Bereiche:<br />
– Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung,<br />
– Schulabbrecher,<br />
– Hochschulabsolventen in den Bereichen Mathematik,<br />
Naturwissenschaften und Technik,<br />
– Personen mit Abschluss der Sekundarstufe II,<br />
– Schlüsselkompetenzen,<br />
– Lebenslanges Lernen.<br />
Danach ersuchte die Kommission den Rat, von ihr<br />
aufgelistete europäische Benchmarks (nach eigener<br />
Definition der Kommission „Zielvorgaben“) anzunehmen.<br />
Unter den Mitgliedstaaten fand diese Vorlage<br />
unterschiedliche Aufnahme. In der Bundesrepublik<br />
Deutschland verwies der Bundesrat, über den<br />
die Länder gem. Art. 23 GG an der Meinungsbildung<br />
in europäischen Angelegenheiten mitwirken, auf die<br />
eingeschränkten Zuständigkeiten der europäischen<br />
Ebene im Bereich von Bildung und Ausbildung gem.<br />
Art. 149 und 150 EGV. Der Bundesrat erkannte an,<br />
dass Benchmarks grundsätzlich Anstöße für Entwicklungen<br />
in den Mitgliedstaaten geben können,<br />
sofern die Benchmarks selbst sachlich richtig, eindeutig<br />
und relevant sind, es müsse aber jedem Mitgliedstaat<br />
unbenommen bleiben, ob und ggf. in welcher<br />
Weise die Bildungspolitik im eigenen Land an<br />
84<br />
den „Bestmarken“ anderer Mitgliedstaaten oder<br />
Drittstaaten ausgerichtet wird. Bestrebungen,<br />
Benchmarks mit einer zentralen Festlegung von Mitteln<br />
oder Fristen für ihre Erreichung zu verbinden,<br />
auf Indikatoren gestützte Ranglisten der Mitgliedstaaten<br />
aufzustellen oder eine zentrale Bewertung<br />
der Entwicklung der Bildungssysteme in den Mitgliedstaaten<br />
vorzunehmen, sah der Bundesrat als unvereinbar<br />
mit der Kompetenzordnung der Artikel<br />
149 und 150 EGV an. Der Bundesrat erteilte der Forderung<br />
der Kommission, der Rat möge europäische<br />
Benchmarks in den Bereichen der allgemeinen und<br />
beruflichen Bildung annehmen, aus grundsätzlichen<br />
Erwägungen eine klare Absage (BR.-Drs. 870/02 –<br />
Beschluss vom 20. 12. 2002).<br />
Der Rat legte schließlich am 5. 5. 2003 in Schlussfolgerungen<br />
über europäische Durchschnittsbezugswerte<br />
für die allgemeine und berufliche Bildung<br />
(Benchmarks) fest, dass diese Durchschnittswerte<br />
sich auf vergleichbare Daten stützen und keine Festlegung<br />
einzelstaatlicher Ziele enthalten sollten. Diese<br />
Durchschnittswerte (Benchmarks) sollten keine<br />
Entscheidungen vorgeben, die von den jeweiligen<br />
Regierungen der Mitgliedstaaten getroffen werden<br />
müssten, wenngleich nationale Maßnahmen auf der<br />
Grundlage nationaler Prioritäten zum Erreichen der<br />
Bezugswerte beitragen werden (ABl. C 134/2003).<br />
Die vorgegebenen Positionen legen damit anstelle<br />
konkreter Zielvorgaben, die sich an die einzelnen<br />
Mitgliedstaaten richten, nur europäische Durchschnittsbezugswerte<br />
fest, die bis zum Jahr 2010<br />
durch ein Zusammenwirken aller Mitgliedstaaten erreicht<br />
werden sollen. Dabei sollen die einzelnen Mitgliedstaaten<br />
durch nationale Maßnahmen zu den europäischen<br />
Durchschnittsbezugswerten beitragen,<br />
die sie selbst für prioritär halten. Insofern sind die<br />
EU-Mitgliedstaaten zwar aufgefordert, jedoch nicht<br />
verpflichtet, zu den jeweiligen europäischen Durchschnittswerten<br />
(Benchmarks) einen Beitrag zu leisten.GleichwohlfordertdieKommission,umihrerim<br />
Vertrag festgelegten Berichtspflicht nachzukommen,<br />
die einzelnen Mitgliedstaaten auf, genau das eigene<br />
Erreichen der angesetzten europäischen Durchschnitteswerte<br />
darzustellen. (Vgl. auch �Lissabon-<br />
StrategieimBildungsbereich) J. B.-M.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: „Benchmarking in Europe 2000“.<br />
Veröffentlichung der EU ISBN: I 899 I 46 98 9. Darin:<br />
O’Reagain, S./Keegan, R.
Dies.: Endgültiger Bericht der Hochrangigen Gruppe on<br />
Benchmarking. Veröffentlichungen der Europäischen<br />
Kommission, Generaldirektion Unternehmen Nr. 32000<br />
Dies.: Mitteilung der Kommission zu „Europäische Benchmarks<br />
für die allgemeine und berufliche Bildung: Follow up<br />
der Tagung des Europäischen Rats von Lissabon. Brüssel, 20.<br />
11. 2002, KOM (2002) 629 endg.<br />
Bundesrat: Beschluss des Bundesrates vom 20. 12. 2002.<br />
Drs. 870/02<br />
Berggreen-Merkel, I.: Aufbau eines europäischen Bildungssystems?<br />
In: Recht der Jugend und des Bildungswesens<br />
Nr. 2/2001, S. 142–145<br />
Dies.: Europäische „Bildungspolitik“ am Vorabend einer<br />
Europäischen Verfassung. In: Recht der Jugend und des<br />
Bildungswesens Nr. 4/2004, S. 455 – 458<br />
Benelux. Kunstwort, gebildet aus Anfangsbuchstaben<br />
der Staatsnamen Belgique/België, Nederland<br />
und Luxemburg. Diese Staaten bilden seit 1948 eine<br />
Zoll- und seit 1960 eine Wirtschaftsunion (u. a. gemeinsamer<br />
Zolltarif, freier Verkehr von Gütern, Arbeitskräften,<br />
Dienstleistungen und Kapital, koordinierte<br />
Währungspolitik). Der Vertrag von 1958 über<br />
die Einführung einer Wirtschaftsunion (am 1. 11.<br />
1960 in Kraft getreten für die Dauer von 50 Jahren)<br />
fasst alle Teilabkommen und Protokolle zusammen,<br />
die seit 1944 (von den Exilregierungen in London)<br />
ausgehandelt worden sind (so das Zollabkommen<br />
vom 5. 9. 1944). Belgien und Luxemburg sind seit<br />
1922 ein einheitliches Wirtschaftsgebiet mit Währungsverbund<br />
(Vertrag vom 25. 7. 1921).<br />
Die Organisation von Benelux besteht aus einem Ministerkomitee<br />
(Außenminister, Wirtschaftsminister,<br />
Finanzminister oder andere Fachminister der drei<br />
Staaten; beschließendes Organ), einem Beratenden<br />
Interparlamentarischen Benelux-Rat („Benelux-<br />
Parlament“; 21 belgische, 21 niederländische, 7 luxemburgische<br />
Mitglieder aus den nationalen Parlamenten),<br />
dem Rat der Wirtschaftsunion (ausführendesOrgan),denKommissionenundArbeitsgruppen,<br />
dem Generalsekretariat und (seit 1964) einem Gerichtshof.<br />
Art 306 EGV (Art. 233 EWGV) regelt das Verhältnis<br />
der Beneluxstaaten zur EWG/EG.<br />
Anschrift: Regentschapsstraat 39, 1000 Brüssel.<br />
Internet www.benelux.be<br />
Beobachterstatus wird offiziell Regierungen, Organisationen(wie<br />
�NGO)oderanderenInstitutionen<br />
gewährt, die in einer internationalen Organisation<br />
(wie Vereinte Nationen, Europarat) nicht Mitglied<br />
sein können oder wollen. Beobachter können an Sit-<br />
Beratender Währungsausschuss<br />
zungen der betreffenden Organisation teilnehmen<br />
und sich an Debatten, aber nicht an Entscheidungen<br />
beteiligen.<br />
Beratender Ausschuss für die Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern, eingesetzt durch<br />
Entscheidung 82/43 der Kommission (ABl. L<br />
20/1982), geändert durch Entscheidung 95/420<br />
(ABl. L 249/1995). Ihm gehören Mitglieder aus den<br />
für Chancengleichheit zuständigen Ministerien an<br />
(ernannt von den Regierungen), eine gleiche Anzahl<br />
von Mitgliedern aus einschlägigen nationalen Ausschüssen<br />
oder Gremien (von der Kommission ernannt)<br />
sowie je 5 Mitglieder, die von Arbeitgeberund<br />
Arbeitnehmerorganisationen vorgeschlagen<br />
und von der Kommission ernannt werden. Amtszeit<br />
drei Jahre, Wiederernennung ist möglich. Zwei Vertreterinnen<br />
der Europäischen �Frauenlobby haben<br />
Beobachterstatus.<br />
Der Ausschuss unterstützt die Kommission bei der<br />
Aufgabe, Maßnahmen der Gemeinschaft zur Förderung<br />
der Chancengleichheit von Frauen und Männern<br />
auszuarbeiten und durchzuführen. Er wird von<br />
der Kommission einberufen und tagt mindestens<br />
zweimal jährlich. �Gender Mainstreaming<br />
Beratender Währungsausschuss<br />
1. Allgemeines: Der Beratende Währungsausschuss<br />
nach Art. 114 Abs. 1 EGV war ein Gremium der primären<br />
Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaft,<br />
das den Rat und die Kommission bei ihrer<br />
Arbeit in Währungsfragen unterstützte, um die<br />
PolitikenderMitgliedstaatenimHinblickaufdeneuropäischen<br />
Binnenmarkt zu koordinieren. Der Ausschuss<br />
wurde mit Inkrafttreten des EWG-Vertrages<br />
imJahr1958aufgrundvonArt.105Abs.2EWGVerrichtet.<br />
Mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion<br />
– dem 1. 1. 1999 – wurde der Beratende Währungsausschussdurchden�Wirtschafts-undFinanzausschuss<br />
(WFA) ersetzt. Der institutionelle Schnitt<br />
warnotwendiggeworden,weilsichdaswährungspolitische<br />
Kompetenzgefüge zwischen den Teilnehmerstaaten<br />
der Währungsunion und der GemeinschaftmitderEinführungdereinheitlichenWährung<br />
grundlegend verändert hat.<br />
2. Zusammensetzung und Organisation: Jeder Mitgliedstaat<br />
sowie die Kommission entsandten jeweils<br />
zwei Vertreter in den Beratenden Währungsausschuss,<br />
der ein Expertengremium war.<br />
85
Berichterstatter<br />
3. Aufgaben: Der Ausschuss hatte die Aufgabe, die<br />
Währungs- und Finanzlage der Mitgliedstaaten und<br />
der Gemeinschaft sowie den allgemeinen ZahlungsverkehrderMitgliedstaatenzubeobachten.Hierüber<br />
berichtete er regelmäßig dem Rat und der Kommission<br />
und gab – auf Ersuchen oder aus eigener Initiative<br />
– Stellungnahmen in seinem Sachbereich ab. Darüber<br />
hinaus kam dem Beratenden Währungsausschuss<br />
die Aufgabe zu, die Freiheit des Kapital- und<br />
Zahlungsverkehrs zu überwachen. In einem Bericht<br />
teilte er Kommission und Rat das Ergebnis seiner<br />
Prüfung mit.<br />
Schließlich wirkte der Beratende Währungsausschuss<br />
seit dem �Vertrag von Maastricht insbes. im<br />
Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion (Titel<br />
VII EGV) an der Vorbereitung der Arbeit des Rates<br />
mit. So war das Gremium bei der �Konvergenzprüfung<br />
der Teilnehmerstaaten der Währungsunion<br />
für den Rat tätig. Wie auch der WFA als Nachfolger<br />
des Währungsausschusses berührten diese Tätigkeiten<br />
den Arbeitskreis des �AStV (COREPER) gem.<br />
Art.207Abs.1EGV. U. P.<br />
Literatur:<br />
Child/Wittelsberger: Kommentierung zu Art. 109c EGV. In:<br />
Groeben, H. v. d./Thiesing, J./Ehlermann, C.-D. (Hg.), Kommentar<br />
zum EU-/EG-Vertrag, Band V. Baden-Baden 2000 5<br />
Berichterstatter im Europäischen Parlament. Jeder<br />
Vorschlag der Kommission für einen Rechtsakt nach<br />
Art. 251 und 252 EGV wird im Europäischen Parlament<br />
zunächst in Ausschüssen beraten. Dabei spielt<br />
die Auswahl des federführenden Ausschusses und<br />
zusätzlicher beratender Ausschüsse durch das Präsidium<br />
bereits eine bedeutende Rolle. Das Ergebnis<br />
der Ausschussberatungen, also die Beschlussvorlage,<br />
wird dem Plenum von einem Berichterstatter zur<br />
Lesung vorgestellt. Das Recht, einen Berichterstatterzuernennen,habenFraktionen.Dabeientscheidet<br />
die Größe einer Fraktion, wie oft sie einen Berichterstatter<br />
stellen kann. Nach der Entscheidung, welche<br />
Fraktion für einen bestimmten Gesetzesvorgang den<br />
Berichterstatter stellen darf, entscheidet die Fraktion<br />
(bei mehreren Kandidaten in geheimer Abstimmung),<br />
welches Fraktionsmitglied mit der Aufgabe<br />
betraut wird. Der Berichterstatter setzt sich mit der<br />
Materie auseinander, hört Sachverständige und Lobbyisten<br />
und erläutert dem federführenden Ausschuss<br />
seine Empfehlungen für Änderungen des Kommissionsvorschlags.<br />
Nach der Aussprache im Ausschuss<br />
erstellt der Berichterstatter seinen Berichts-<br />
86<br />
entwurf, der als offizielles Dokument in alle Amtssprachen<br />
übersetzt wird und den Mitgliedern aller<br />
beteiligten Ausschüsse als Vorlage für die weiteren<br />
Aussprachen dient. Abschließend formuliert der Berichterstatter<br />
den Standpunkt des federführenden<br />
Ausschusses und stellt ihn dem Plenum zur Lesung<br />
vor. Das Plenum stimmt in der Regel nicht sofort ab,<br />
sondern im Block über eine Reihe von Beschlussvorlagen.<br />
Berlaymont, ein 14-stöckiges Gebäude in Brüssel,<br />
erbaut ab 1963 nach Plänen von Lucien de Vestel und<br />
benannt nach Herzog Florent de Berlaymont, der im<br />
16. Jh. eine Schule für christliche junge Mädchen<br />
stiftete, die bis Ende der 1950er Jahre an dem Ort des<br />
heutigenGebäudesstand.Seit1967SitzderEuropäischen<br />
Kommission. Die erste öffentliche Beflaggung<br />
mit der offiziellen Europafahne fand am 8. 6.<br />
1986 vor dem Berlaymont-Gebäude statt. 1991<br />
musste das Gebäude wegen Asbestverseuchung evakuiert<br />
werden und wurde 13 Jahre lang renoviert. Am<br />
21. 10. 2004 ist es wieder von der Kommission bezogen<br />
worden.<br />
Anschrift: Rue de la Loi 200, B–1040 Brüssel<br />
Berlin-Erklärung (Berlin-Kommuniqué)<br />
Begriff: Von den 40 in Berlin am �Bologna-Prozess<br />
teilnehmenden Ländern (33 Länder der �Prager Erklärung<br />
und 7 weitere aufgenommene Länder: Albanien,<br />
Andorra, Bosnien-Herzegowina, Heiliger<br />
Stuhl, Mazedonien, Serbien und Montenegro, Russland)<br />
auf der 2. Bologna-Folgekonferenz in Berlin<br />
am 18./19. 9. 2003 unterzeichnete gemeinsame Erklärung<br />
„Den europäischen Hochschulraum verwirklichen“<br />
(„Berlin-Kommuniqué“) .<br />
HintergrundundBeweggründe:DieBerlinerKonferenz<br />
wurde von der Bologna follow-up group und der<br />
Bologna preparatory group (�Prager Erklärung) vorbereitet.<br />
Etwa 290 Teilnehmer haben an der Konferenz<br />
teilgenommen: Nationale Regierungsdelegationen<br />
der Unterzeichnerstaaten der �Bologna-<br />
Erklärung, Vertreter der europäischen Hochschulen,<br />
Präsidenten der Rektorenkonferenzen aus den Unterzeichnerstaaten<br />
der Bologna-Erklärung, Repräsentanten<br />
von �EUA und �EURASHE, Vertreter<br />
studentischer Vereinigungen, Vertreter der Europäischen<br />
Kommission, des Europarates sowie Repräsentanten<br />
internationaler Organisationen. Auf der<br />
Grundlage des Aktionsplans 2002 – 2004 für den
Aufbau eines gemeinsamen Hochschulraums zwischen<br />
der EU, Lateinamerika und der Karibik haben<br />
Mexiko und Brasilien als Beobachter teilgenommen.<br />
Zielsetzung und Inhalt: Das Berlin-Kommuniqué<br />
bekräftigt in seiner Präambel die Hochschulbildung<br />
als öffentliche Aufgabe und ihre gesellschaftspolitische<br />
Dimension (Zugang zur Hochschulbildung „für<br />
alle“). Es enthält folgende bis 2010 zu verwirklichende<br />
Ziele:<br />
– Schaffung von Strukturen in allen Ländern für eine<br />
interne und externe Qualitätssicherung von Hochschulen<br />
unter besonderer Berücksichtigung des Systems<br />
der Akkreditierung, der Zertifizierung oder<br />
ähnlicher Verfahren. Besondere Bedeutung kommt<br />
hierbeidemEuropeanNetworkforQualityAssurance<br />
in Higher Education (ENQA) zu.<br />
– Einführung der zweistufigen Studiengänge (Bachelor,<br />
Master) als Regelstudienangebote. Die Abschlüsse<br />
des ersten Studienzyklus sollen im Sinne<br />
des Lissabon-Abkommens den Zugang zum zweiten<br />
Zyklus, Abschlüsse des zweiten Zyklus den Zugang<br />
zum Doktorandenstudium ermöglichen.<br />
– Europaweite Anerkennung von Studienabschnitten<br />
und -abschlüssen<br />
– Förderung der Mobilität der Studierenden sowie<br />
des wissenschaftlichen und Verwaltungspersonals<br />
unter Mitnahme der im Herkunftsland gewährten<br />
Darlehen und Beihilfen.<br />
– Einführung eines Leistungspunktsystems (ECTS).<br />
– Alle Studierenden, die ab 2005 ihr Studium abschließen,<br />
sollen das Diploma Supplement „automatisch<br />
und gebührenfrei“ erhalten.<br />
– Erweiterte Hochschulselbstverwaltung; die Studien-<br />
und Lebensbedingungen sind so zu gestalten,<br />
dass die Studien in „angemessenem Zeitrahmen und<br />
erfolgreich“ abgeschlossen werden können. Hindernisse,<br />
die auf ihre „soziale und wirtschaftliche Situation“zurückzuführensind,sollenbeseitigtwerden.<br />
– Förderung der europäischen Dimension im Hochschulbereich<br />
durch weitere Module, Studiengänge<br />
und Lehrpläne mit europäischem Bezug, europäischer<br />
Ausrichtung oder Organisation, Fremdsprachenförderung<br />
und obligatem Auslandsaufenthalt in<br />
Gemeinsamen Studienprogrammen.<br />
– Steigerung der Attraktivität des europäischen<br />
Hochschulraums.<br />
– Lebenslanges (lebensbegleitendes) Lernen bei Ermöglichung<br />
von Lernverläufen hin zur Hochschul-<br />
Beschäftigungsausschuss<br />
bildung und in der Hochschulbildung für „alle Bürger,<br />
je nach ihren Wünschen und Fähigkeiten“.<br />
Um eine engere Verbindung zwischen dem europäischen<br />
Hochschulraum und dem europäischen Forschungsraum<br />
als den „zwei Säulen der Wissensgesellschaft“<br />
herzustellen, wird es für erforderlich gehalten,<br />
die Doktorandenausbildung als dritten Zyklus<br />
in den Bologna-Prozess einzubinden.<br />
Besonderes Gewicht gilt der „Stärkung des sozialen<br />
Zusammenhalts“ sowie dem „Abbau sozialer und<br />
geschlechtsspezifischer Ungleichheiten auf nationaler<br />
und europäischer Ebene“ und dem engen Bezug<br />
zu den Beschlüssen des Europäischen Rates von Lissabon<br />
und Barcelona.<br />
Zur Umsetzung der Beschlüsse und zur Vorbereitung<br />
der nächsten Sitzung wurde eine zweimal jährlich<br />
tagende follow up-Gruppe aus Vertretern aller<br />
Mitglieder des Bologna-Prozesses und der Europäischen<br />
Kommission eingesetzt. Der Europarat, die<br />
EUA, EURASHE, ESIB und UNESCO/CEPES gehören<br />
ihr als beratende Mitglieder an. Die follow<br />
up-Gruppe wurde mit einer detaillierten Bestandsaufnahme<br />
für die nächste Folgekonferenz in Bergen<br />
im Mai 2005 beauftragt.<br />
Zwischen den Sitzungen koordiniert ein Ausschuss<br />
die Arbeiten. Die Follow up-Gruppe wie auch der<br />
Ausschuss können nach ihrem Ermessen Ad-hoc-<br />
Arbeitsgruppen einberufen. Die gesamten Arbeiten<br />
der Folgemaßnahmen werden von einem Sekretariat<br />
unterstützt,dasvondemLand,dasdienächsteMinisterkonferenz<br />
ausrichtet, gestellt wird. Die Möglichkeiten<br />
der Mitgliedschaft werden auf alle Staaten erweitert,<br />
die Vertragspartei des Europäischen Kulturabkommens<br />
(vom 19. 12. 1954, BGBl 1955, II 1128)<br />
sind (2005: 48 Staaten).<br />
Rechtl.Beurteilung:s.�Bologna-Erklärung. I. H.<br />
Literatur:<br />
Reichert. S./Tauch, Ch.: Trends 2003, Progress towards the<br />
European Higher Education Area. Bologna four years after:<br />
Steps towards sustainable reform of higher education in<br />
Europe. 1. 7. 2003<br />
„Berlin Plus“ �EU-NATO-Dauervereinbarungen<br />
Berufliche Bildung �Bildungspolitik<br />
Beschäftigungsausschuss. Rechtsgrundlage ist<br />
Art. 130 EGV im Titel VIII Beschäftigung, der durch<br />
den Vertrag von Amsterdam in das Primärrecht eingefügt<br />
worden ist. Der Ausschuss wurde durch Ent-<br />
87
Beschäftigungsobservatorium<br />
scheidung des Rates vom 24. 1. 2000 eingesetzt. Er<br />
setzt sich aus je zwei Vertretern und zwei Stellvertretern<br />
jedes Mitgliedstaates und der Kommission zusammen.MitgliedersindhoheBeamteoderhochrangige<br />
Sachverständige. Der Ausschuss kann Arbeitsgruppen<br />
bilden. Er unterstützt den Rat in der Aufgabe,<br />
die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik der<br />
Mitgliedstaaten zu koordinieren. Er gibt auf Ersuchen<br />
des Rates oder von sich aus Stellungnahmen ab.<br />
Bei der Erfüllung seines Auftrags holt der Ausschuss<br />
die Standpunkte der Sozialpartner ein.<br />
Der Beschäftigungsausschuss hat den durch Beschluss<br />
97/16 des Rates geschaffenen „Ausschuss<br />
für Beschäftigung und Arbeitsmarkt“ ersetzt.<br />
Beschäftigungsobservatorium �Europäisches<br />
Beschäftigungsobservatorium<br />
Beschäftigungspolitik<br />
1. Begriff und Ziele: Beschäftigungspolitik umfasst<br />
alle politischen Maßnahmen, die Höhe und Struktur<br />
der Beschäftigung beeinflussen sollen. Gemäß Art. 2<br />
EUV setzt sich die EU das Ziel, ein hohes Beschäftigungsniveauzufördern.IndenJahren2000und2001<br />
beschloss der Europäische Rat, folgende Durchschnittswerte<br />
für die EU anzustreben: eine Gesamtbeschäftigungsquote<br />
von 67 % bis 2005 und 70 % bis<br />
2010, eine Frauenbeschäftigungsquote von 57 % bis<br />
2005 und 60 % bis 2010, eine Beschäftigungsquote<br />
von 50 % bei den älteren Arbeitskräften (55 bis 64<br />
Jahre) bis 2010. Im Jahr 2003 vereinbarte der Ministerrat<br />
für die gemeinschaftliche Beschäftigungspolitik<br />
drei übergreifende Ziele: Vollbeschäftigung, Arbeitsplatzqualität<br />
und Arbeitsproduktivität sowie<br />
sozialer Zusammenhalt und soziale Integration.<br />
2. Entwicklung und Rechtsgrundlagen: Bereits seit<br />
1993 befassen sich die Europäische Kommission,<br />
der Ministerrat und der Europäische Rat regelmäßig<br />
mit der Beschäftigungspolitik als zentralem Thema.<br />
Die Kommission veröffentlichte in jenem Jahr das<br />
„Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Beschäftigung“. Es bildete die erste Grundlage<br />
für ein koordiniertes europäisches Beschäftigungskonzept.<br />
Freilich blieb die Beschäftigungspolitik zunächst<br />
ausschließlich Sache der Mitgliedstaaten.<br />
Angeregt durch das Weißbuch einigte sich der Europäische<br />
Rat in Essen 1994 auf fünf Ziele, die von den<br />
Mitgliedstaaten verfolgt werden sollten. Dazu gehörtendieEntwicklungvonHumanressourcendurch<br />
88<br />
Berufsausbildung, die Förderung produktiver Investitionen<br />
durch gemäßigtere Lohnpolitiken und effizientere<br />
Arbeitsmarktinstitutionen, das Aufzeigen<br />
neuer Beschäftigungsquellen durch lokale Initiativen<br />
sowie die Förderung des Zugangs zur Arbeitswelt<br />
für einige spezifische Zielgruppen wie z. B. Jugendliche,<br />
Langzeitarbeitslose und Frauen. Diese<br />
sog. „Strategie von Essen“ wurde vom Europäischen<br />
Rat in den Folgejahren bekräftigt. Die Beschlüsse<br />
der Gipfeltreffen waren für die Mitgliedstaaten indes<br />
zunächst unverbindlich, weil eine entsprechende europarechtliche<br />
Grundlage fehlte.<br />
Dies änderte sich 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam.<br />
Auf ihrem Amsterdamer Gipfeltreffen vereinbarten<br />
die Staats- und Regierungschefs, in den EG-<br />
Vertrag ein neues Kapitel über Beschäftigung aufzunehmen.<br />
Es beendete die Alleinzuständigkeit der<br />
Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet und räumte der<br />
gemeinschaftlichen Beschäftigungspolitik Rechtsverbindlichkeit<br />
ein.<br />
Der Vertrag von Amsterdam betont, dass die Förderung<br />
der Beschäftigung eine „Angelegenheit von gemeinsamem<br />
Interesse“ ist, und verpflichtet die Mitgliedstaaten,ihreBeschäftigungspolitikenaufeinander<br />
abzustimmen (Art. 126 EGV). Die Mitgliedstaaten<br />
und die Gemeinschaft werden verpflichtet, eine<br />
koordinierte Beschäftigungsstrategie zu entwickeln<br />
und dabei insbes. die Qualifizierung, Ausbildung<br />
und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer sowie<br />
die Fähigkeit der Arbeitsmärkte, auf die Erfordernisse<br />
des wirtschaftlichen Wandels zu reagieren, zu fördern(Art.125EGV).DerVertragräumtderGemeinschaft<br />
die Befugnis ein, die beschäftigungspolitischen<br />
Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu unterstützen<br />
und zu ergänzen (Art. 127 EGV). Daneben müssen<br />
in allen Gemeinschaftspolitiken die Auswirkungen<br />
auf das Beschäftigungsniveau berücksichtigt<br />
werden (Art. 127 EGV).<br />
2002 führten die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />
gemeinsam eine Bestandsaufnahme der Erfahrungen<br />
aus den ersten fünf Jahren gemeinschaftlicher<br />
Beschäftigungspolitik durch. Dabei stellten sie<br />
heraus, dass sich die Arbeitsmarkt-Performance in<br />
der EU erheblich verbessert habe. Vor allem seien<br />
zwischen 1997 und 2002 zehn Millionen neue Arbeitsplätze<br />
entstanden. Die unabhängige Taskforce<br />
„Beschäftigung“, die 2003 auf Bitte der Staats- und<br />
Regierungschefs von der Kommission eingesetzt<br />
wurde, kam zu einem weniger positiven Befund. Sie
vertrat die Auffassung, es werde zunehmend unwahrscheinlich,<br />
dass die EU bis 2010 ihre quantitativen<br />
Beschäftigungsziele erreiche und nannte vier<br />
Schlüsselfaktoren, von denen ein nachhaltiger beschäftigungspolitischer<br />
Erfolg abhänge: mehr Anpassungsfähigkeit<br />
der Arbeitnehmer und der Unternehmen,<br />
größere Attraktivität des Arbeitsmarktes<br />
für mehr Menschen, mehr und effektivere Investitionen<br />
in Humankapital, eine effektivere Durchführung<br />
der Reformen durch bessere beschäftigungspolitische<br />
Maßnahmen.<br />
Die zehn neuen Mitgliedstaaten, die zum 1. 5. 2004<br />
beigetreten sind, nehmen seitdem am Prozess der beschäftigungspolitischen<br />
Koordinierung mit allen<br />
Rechten und Pflichten teil.<br />
2004 wurden die beschäftigungspolitischen Bestimmungen<br />
von Amsterdam praktisch unverändert in<br />
den „Vertrag über eine Verfassung für Europa“<br />
(�Verfassungsvertrag 2004) übernommen (Art.<br />
III-203 bis III-208 VVE). Eine Modifikation gab es<br />
freilich im Zielkatalog des Art. I-3 VVE. Dort ist nun<br />
nichtmehrvonderFörderungeineshohenBeschäftigungsniveaus<br />
die Rede, sondern davon, dass die<br />
Union auf eine soziale Marktwirtschaft hinwirkt, die<br />
auf Vollbeschäftigung abzielt.<br />
3. Verfahren: In Art. 128 EGV ist das Verfahren festgelegt,<br />
nach dem die gemeinschaftliche Beschäftigungspolitikdurchzuführenist.DanachprüftderEuropäische<br />
Rat jährlich die Beschäftigungslage in der<br />
Gemeinschaft anhand eines gemeinsamen Jahresberichts<br />
des Ministerrates und der Kommission und<br />
verabschiedet entsprechende Schlussfolgerungen.<br />
Auf dieser Grundlage legt der Ministerrat auf Vorschlag<br />
der Kommission jährlich mit qualifizierter<br />
MehrheitLeitlinienfest.DabeiwerdenzuvordasEuropäische<br />
Parlament, der �Wirtschafts- und Sozialausschuss,<br />
der �Ausschuss der Regionen sowie der<br />
durch den Vertrag von Amsterdam (Art. 130 EGV)<br />
neu geschaffene �Beschäftigungsausschuss angehört.<br />
Jeder Mitgliedstaat hat die Leitlinien in Nationale<br />
Aktionspläne für Beschäftigung umzusetzen<br />
und darüber jährlich Bericht zu erstatten. Anhand<br />
dieser Berichte und nach einer Stellungnahme des<br />
Beschäftigungsausschusses prüft der Ministerrat die<br />
Umsetzung der Leitlinien und kann einzelnen Mitgliedstaaten<br />
mit qualifizierter Mehrheit Empfehlungen<br />
geben. Schließlich erstellen Ministerrat und<br />
Kommission einen neuen Jahresbericht für den Europäischen<br />
Rat, in dem sie die Beschäftigungslage in<br />
Beschäftigungspolitik<br />
der Gemeinschaft und die Umsetzung der Leitlinien<br />
schildern. Damit wird der beschriebene Zyklus erneuteingeleitet,indessenVerlaufderMinisterratauf<br />
der Grundlage neuer Schlussfolgerungen des Europäischen<br />
Rates die vorherigen Leitlinien erforderlichenfalls<br />
modifiziert. Begonnen wurde dieses zyklische<br />
Verfahren auf dem Luxemburger Beschäftigungsgipfel<br />
des Europäischen Rates im November<br />
1997. Dementsprechend wird das Verfahren auch als<br />
�„Luxemburg-Prozess“ bezeichnet.<br />
Seit ihrer ersten Verwendung im Jahr 2000 haben die<br />
länderspezifischen Empfehlungen erheblich an Bedeutung<br />
gewonnen. 2004 bspw. wurden nicht wenigerals96solcherEmpfehlungenausgesprochen.DarinspiegeltsichzumeinendieErkenntniswider,dass<br />
sich die Arbeitsmarktprobleme von Land zu Land erheblich<br />
unterscheiden. Zum anderen kommt darin<br />
eine zunehmende Eingriffsintensität der EU-Beschäftigungspolitik<br />
zum Ausdruck. Während die<br />
länderspezifischen Empfehlungen jährlich überprüft<br />
und ggf. aktualisiert werden, sind die Leitlinien,<br />
auf denen sie basieren, seit 2003 mittelfristig<br />
orientiert. Sie werden seitdem nur noch alle drei Jahre<br />
komplett überarbeitet.<br />
Der „Luxemburg-Prozess“ wurde 1999 vom Europäischen<br />
Rat in Köln im Rahmen eines sog. Europäischen<br />
Beschäftigungspaktes um einen seitdem zweimal<br />
jährlich stattfindenden sog. �„makroökonomischen<br />
Dialog“ ergänzt. In diesem Dialog zwischen<br />
Ministerrat, Kommission, Tarifparteien und Europäischer<br />
Zentralbank sollen die Finanz-, Lohn- und<br />
Geldpolitik aufeinander abgestimmt werden, „damit<br />
die Möglichkeiten für Wachstum und Beschäftigung<br />
ausgebaut und voll ausgeschöpft werden können.“<br />
Der makroökonomische Dialog wird auch als<br />
�„Köln-Prozess“ bezeichnet.<br />
Die Rolle der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände<br />
wurde in jüngerer Zeit nochmals aufgewertet.<br />
2003 beschloss der Ministerrat die Errichtung eines<br />
„Dreiseitigen Sozialgipfels für Wachstum und Beschäftigung“.<br />
Er findet jährlich am Vorabend der<br />
Frühjahrstagung des Europäischen Rates statt und<br />
gibt den Sozialpartnern eine zusätzliche Gelegenheit,<br />
auf die Gestaltung der Europäischen Beschäftigungsstrategie<br />
Einfluss zu nehmen.<br />
Gemäß Art. 129 EGV ist der Ministerrat befugt, mit<br />
qualifizierter Mehrheit finanzielle „Anreizmaßnahmen“<br />
zur Förderung der beschäftigungspolitischen<br />
Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und<br />
89
Beschäftigungspolitik<br />
zur Unterstützung ihrer Beschäftigungsmaßnahmen<br />
zu beschließen. Den wichtigsten finanziellen Hebel<br />
zur Umsetzung der gemeinschaftlichen Beschäftigungsstrategie<br />
und zur Unterstützung der Beschäftigungspolitik<br />
der Mitgliedstaaten bildet der �EuropäischeSozialfonds.FürdenZeitraum2000bis2006<br />
beläuft sich seine Ausstattung auf 60 Mrd. Euro. Ein<br />
erheblicher Teil dieser Mittel wird im Rahmen der<br />
Europäischen Beschäftigungsstrategie für Programme<br />
der aktiven Arbeitsmarktpolitik verwendet (z. B.<br />
Fortbildung und Umschulung, Beschäftigungsprogramme).<br />
Die entsprechenden operationellen Programme<br />
werden zwischen der Kommission und den<br />
Mitgliedstaaten vereinbart.<br />
4. Maßnahmen: Die neuesten beschäftigungspolitischen<br />
Leitlinien wurden vom Rat am 22. 7. 2003 angenommen<br />
und am 4. 10. 2004 unverändert bekräftigt.EshandeltsichumzehnspezifischeLeitlinien.<br />
(1) „Aktive und präventive Maßnahmen für Arbeitslose<br />
und Nichterwerbspersonen“: Die Mitgliedstaaten<br />
sind verpflichtet, allen arbeitslosen Jugendlichen<br />
innerhalb von sechs Monaten und allen arbeitslosen<br />
Erwachsenen innerhalb von zwölf Monaten nach<br />
Eintritt der Arbeitslosigkeit die Teilnahme an einem<br />
Programm der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu ermöglichen.<br />
Außerdem sollen bis 2010 25 % der<br />
Langzeitarbeitslosen an solchen Programmen teilnehmen.<br />
(2) „Schaffung von Arbeitsplätzen und Unternehmergeist“:<br />
Im Rahmen dieser Leitlinie wird vor allem<br />
eine Reduzierung des bürokratischen Aufwands<br />
für Unternehmensgründungen, für kleine und mittlere<br />
Unternehmen sowie für die Einstellung von Personal<br />
gefordert.<br />
(3) „Bewältigung des Wandels und Förderung der<br />
Anpassungsfähigkeit in der Arbeitswelt“: Die Mitgliedstaaten<br />
sollen insbes. restriktive arbeitsrechtliche<br />
Bestimmungen reformieren und Hindernisse für<br />
die geographische Mobilität beseitigen.<br />
(4) „Förderung des Aufbaus von Humankapital und<br />
des lebensbegleitenden Lernens“: Bis 2010 sollen<br />
mindestens 85 % der 22-jährigen die Sekundarstufe<br />
II abgeschlossen haben, und der Anteil der 25- bis<br />
64-jährigen, die an Bildungsmaßnahmen teilnehmen,<br />
soll mindestens 12,5 % betragen.<br />
(5)„ErhöhungdesArbeitskräfteangebotsundFörderung<br />
des aktiven Alterns“: Das effektive Renteneintrittsalter<br />
soll bis 2010 um fünf Jahre angehoben<br />
werden.<br />
90<br />
(6)„GleichstellungderGeschlechter“:DieMitgliedstaaten<br />
sollen bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder<br />
zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter<br />
und für mindestens 33 % der Kinder unter drei Jahren<br />
Betreuungsplätze zur Verfügung stellen.<br />
(7) „Förderung der Integration und Bekämpfung der<br />
Diskriminierung benachteiligter Menschen auf dem<br />
Arbeitsmarkt“: Die Differenz zwischen den Arbeitslosenquoten<br />
benachteiligter Menschen (etwa Geringqualifizierte,<br />
Behinderte, Zuwanderer) und der<br />
Gesamtarbeitslosenquote soll erheblich verringert<br />
sowie die Schulabbrecherquote auf höchstens 10 %<br />
gesenkt werden.<br />
(8) „Arbeit lohnend machen und entsprechende Anreize<br />
schaffen“: Die Mitgliedstaaten sollen insbes.<br />
die Lohnersatzquoten und die Dauer des Leistungsbezugs<br />
überprüfen sowie hohe effektive Grenzsteuersätze<br />
und gegebenenfalls die Abgabenbelastung<br />
von Niedriglohnbeziehern deutlich verringern.<br />
(9) „Überführung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit<br />
in reguläre Beschäftigung“: Zur Bekämpfung<br />
der Schwarzarbeit werden u. a. eine Vereinfachung<br />
des Unternehmensumfelds, eine Reform der<br />
Steuer- und Sozialleistungssysteme und die Anwendung<br />
von Sanktionen empfohlen.<br />
(10) „Überwindung regionaler Disparitäten bei der<br />
Beschäftigung“: Die Mitgliedstaaten sollen rückständige<br />
Regionen durch die Schaffung günstiger<br />
Bedingungen für privatwirtschaftliche Tätigkeiten<br />
sowie durch Investitionen in Humankapital und in<br />
eine angemessene Infrastruktur fördern.<br />
Vorschläge für Leitlinien 2005 – 2008 hat die Kommission<br />
am 12. 4. 2005 vorgelegt.<br />
5. Bewertung: Die Beschäftigungspolitik der EuropäischenUnionistausmehrerenGründenzukritisieren.<br />
Erstens verletzt die Zentralisierung der Beschäftigungspolitik<br />
auf der EU-Ebene das �Subsidiaritätsprinzip.<br />
Die beteiligten EU-Organe besitzen weder<br />
überlegenes Wissen noch wirkungsvollere Instrumente<br />
zur Lösung der Beschäftigungsprobleme<br />
der Mitgliedsländer. Welche Instrumente eingesetzt<br />
und wie stark sie dosiert werden sollten, können am<br />
besten die Regierungen der Mitgliedstaaten gemäß<br />
den jeweiligen nationalen und regionalen Gegebenheiten<br />
beurteilen.<br />
Zweitens reduziert die Zentralisierung der Beschäftigungspolitik<br />
den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen<br />
Konzepten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.<br />
Die Beispiele erfolgreicher Beschäf-
tigungspolitik – etwa Großbritannien, Niederlande,<br />
Neuseeland, Dänemark, USA, Schweiz – zeigen,<br />
dass trotz vergleichbarer Erfolge unterschiedliche<br />
Wege beschritten wurden.<br />
DrittensbeschwörtdieEuropäischeBeschäftigungspolitik<br />
die Gefahr herauf, dass die für Arbeitslosigkeit<br />
Verantwortlichen ihre Verantwortung auf die<br />
EU abschieben und von ihrem Fehlverhalten ablenken.<br />
Die Vorgabe quantitativer Beschäftigungsziele<br />
missachtet die Präferenzen der Bürger. Entscheidend<br />
ist nicht die Höhe der Erwerbsbeteiligung, sondern<br />
ob jeder, der arbeiten möchte, auch Arbeit findet.<br />
Abgesehen davon können quantitative Ziele,<br />
wenn sie zu ehrgeizig sind, zur Enttäuschung der<br />
BürgerundzueinemVerlustanGlaubwürdigkeitder<br />
Politik führen. Tatsächlich ist kaum zu erwarten,<br />
dass die EU ihre selbstgesteckten Ziele erreicht.<br />
Die Beschäftigungssituation unterscheidet sich von<br />
MitgliedslandzuMitgliedslanderheblich.Soreichte<br />
Beschäftigungspolitik<br />
die Spannweite bei der Arbeitslosenquote im Durchschnitt<br />
der Jahre 2000 bis 2003 von 3,0 % in Luxemburg<br />
bis 18,5 % in Polen. Eine einheitliche Strategie<br />
kann den unterschiedlichen Arbeitsmarktlagen in<br />
den Mitgliedsländern nicht gerecht werden, zumal<br />
nach der Osterweiterung. Darüber hinaus weisen<br />
viele Länder außerhalb der EU Arbeitslosenquoten<br />
auf,dieweitunterdemEU-Durchschnittliegen.Dies<br />
zeigt, dass eine supranationale Abstimmung der Beschäftigungspolitiken<br />
nicht erforderlich ist, um eine<br />
gute Arbeitsmarkt-Performance zu erzielen. Überlegen<br />
ist offenbar ein intensiver Wettbewerb aller Länder<br />
um die besten Arbeitsmarktordnungen und Beschäftigungspolitiken.<br />
Die zahlreichen strikten quantitativen Vorgaben in<br />
den spezifischen Leitlinien (z. B. in Bezug auf Kinderbetreuungsplätze)<br />
missachten ebenfalls die unterschiedlichenPräferenzenderBürgerderverschiedenen<br />
Länder. Außerdem vernachlässigen sie die<br />
Kosten der vorgeschriebenen Maßnahmen und die<br />
Arbeitslosenquote in der EU-15, der EU-25, der Eurozone und den EU-Staaten 1995 bis 2005<br />
1995 2000 2001 2002 2003 2004 Juni 2005*<br />
EU-25 8,6 8,4 8,7 9,0 9,0 8,6<br />
EU-15 10,0 7,6 7,2 7,6 8,0 8,1 7,9<br />
Eurozone 10,5 8,1 7,9 8,3 8,7 8,9 8,6<br />
Belgien 9,7 6,9 6,7 7,3 8,0 7,8 8,0<br />
Dänemark 6,7 4,4 4,3 4,6 5,6 5,4 4,9<br />
Deutschl. 8,0 7,2 7,4 8,2 9,0 9,5 9,3<br />
Estland 12,5 11,8 9,5 10,2 9,2 7,6<br />
Finnland 15,4 9,8 9,1 9,1 9,0 8,8 8,3<br />
Frankreich 11,1 9,1 8,4 8,9 9,5 9,7 9,7<br />
Griechenl. 9,2 11,3 10,8 10,3 9,7 10,5 9,9<br />
Großbrit. 8,5 5,4 5,0 5,1 4,9 4,7 4,7<br />
Irland 12,3 4,3 3,9 4,3 4,6 4,5 4,3<br />
Italien 11,2 10,1 9,1 8,6 8,4 8,0 7,8<br />
Lettland 13,7 12,9 12,6 10,4 9,8 8,8<br />
Litauen 16,4 16,4 13,5 12,7 10,8 7,7<br />
Luxemb. 2,9 2,3 2,1 2,8 3,7 4,8 5,4<br />
Malta 6,8 7,7 7,7 8,0 7,3 6,5<br />
Niederld. 6,6 2,8 2,2 2,8 3,7 4,6 4,8<br />
Österreich 3,9 3,7 3,6 4,2 4,3 4,8 5,2<br />
Polen 16,4 18,5 19,8 19,2 18,8 17,6<br />
Portugal 7,3 4,1 4,0 5,0 6,3 6,7 7,2<br />
Schweden 8,8 5,6 4,9 4,9 5,6 6,3 6,3<br />
Slowakei 18,7 19,4 18,7 17,5 18,0 15,2<br />
Slowenien 6,6 5,8 6,1 6,5 6,0 5,9<br />
Spanien 18,8 11,4 10,8 11,5 11,5 11,0 9,5<br />
Tschech. 8,7 8,0 7,3 7,8 8,3 7,7<br />
Ungarn 6,3 5,6 5,6 5,8 5,9 6,4<br />
Zypern 5,2 4,4 3,9 4,5 5,0 5,3<br />
* Italien, Griechenland, Schweden: März 2005; Großbritannien: Mai 2005<br />
Quelle: Eurostat<br />
91
Beschäftigung und Valorisierung<br />
Tatsache, dass die ärmeren Mitgliedsländer diese<br />
Kosten nur schwer tragen können.<br />
Positiv hervorzuheben ist freilich, dass einige Leitlinien<br />
immerhin auf Faktoren zielen, die tatsächlich in<br />
vielen EU-Ländern maßgeblich für die hohe, strukturell<br />
verfestigte Arbeitslosigkeit mitverantwortlich<br />
sind. Zu nennen sind vor allem die zahlreichen restriktiven<br />
Bestimmungen im Arbeitsrecht, der große<br />
bürokratische Aufwand, den die Unternehmen aufgrund<br />
staatlicher Vorschriften betreiben müssen, die<br />
hohe Abgabenbelastung sowie die oftmals großzügigen<br />
Lohnersatzleistungen. Andere nach Ansicht unabhängiger<br />
Experten dringend notwendige Maßnahmen<br />
zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden<br />
jedoch nicht gefordert, etwa die Abschaffung gesetzlicher<br />
Mindestlöhne, die Einführung gesetzlicher<br />
ÖffnungsklauselninTarifverträgenundeinVerzicht<br />
auf staatliche Allgemeinverbindlicherklärungen<br />
vonTarifverträgen. H. F.<br />
Literatur:<br />
Feldmann, H.: Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene:<br />
Was nützen Leitlinien, Entschließungen und Pakte? In: Orientierungen<br />
zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 3/1999,<br />
S. 42 – 47<br />
Lesch, H.: Europäische Beschäftigungsstrategie: Eine<br />
ordnungspolitische Bewertung. In: Orientierungen zur<br />
Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 2/2004, S. 26 – 32<br />
Schatz, Kl.-W.: Europäische Beschäftigungspolitik: Existiert<br />
Handlungsbedarf? In: Ohr, R./Theurl, Th. (Hg.): Kompendium<br />
Europäische Wirtschaftspolitik. München 2001, S. 535 – 576<br />
Beschäftigung und Valorisierung der Humanressourcen.<br />
Gemeinschaftsinitiative für den Zeitraum<br />
1994 bis 1999 mit den Bereichen<br />
– Förderung der Chancengleichheit für Frauen am<br />
Arbeitsmarkt („Beschäftigung-NOW“),<br />
– Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten für<br />
BehinderteundanderebenachteiligtePersonengruppen<br />
(„Beschäftigung-Horizon“),<br />
– Förderung der Integration Jugendlicher in den Arbeitsmarkt,<br />
insbes. Jugendlicher ohne Grundqualifikation<br />
und Berufsbildung („Beschäftigung-Youthstart“),<br />
Für die Maßnahmen wurden 1,4 Mrd. Euro aus den<br />
Strukturfonds bereitgestellt.<br />
Beschleunigtes Verfahren. Neben der �Einstweiligen<br />
Anordnung und der �Vorrangigen Behandlung<br />
ermöglicht es das beschleunigte Verfahren dem Europäischen<br />
�Gerichtshof, in ganz besonders eiligen<br />
Fällen eine schnelle Entscheidung – hier: in der<br />
92<br />
Hauptsache – zu treffen. Es ist Sache des Präsidenten<br />
des Gerichtshofes, auf besonderen Antrag einer<br />
der Parteien und nach Anhörung der anderen Parteien<br />
zu entscheiden, ob eine besondere Dringlichkeit<br />
den Rückgriff auf das beschleunigte Verfahren<br />
rechtfertigt. Wird dieses angeordnet, gelten kürzere<br />
Verfahrensfristen. Das schriftliche Verfahren ist auf<br />
einen einzigen Schriftsatzwechsel beschränkt. Zudem<br />
wird der Termin der mündlichen Verhandlung<br />
umgehendfestgesetzt.EinbeschleunigtesVerfahren<br />
ist auch für Vorabentscheidungsersuchen vorgesehen;<br />
in diesem Fall stellt das vorlegende nationale<br />
GerichtdenAntrag. J. M. B.<br />
�Vorläufiger Rechtsschutz<br />
Internet: http://curia.eu.int/de/<br />
BesondersqualifizierteMehrheit,verstärktequalifizierte<br />
Mehrheit. Nicht realisierter Vorschlag einiger<br />
Mitgliedstaaten auf der Regierungskonferenz<br />
von 1996, um den Übergang von der Einstimmigkeit<br />
zum Mehrheitsbeschluss zu erleichtern. In bestimmten<br />
Fällen sollte die besonders qualifizierte Mehrheit,<br />
bei der die Stimmenzahl über der normalen<br />
Schwelleliegenwürde,dieEinstimmigkeitersetzen.<br />
Bestimmungslandprinzip. Im Zusammenhang<br />
mit der Umsatzsteuer versteht man unter Bestimmungslandprinzip<br />
die Besteuerung einer aus einem<br />
anderen Land des Binnenmarktes eingeführten Ware<br />
oderLeistungmitdemSteuersatzdesEmpfängerlandes.DerEndverbraucherwirdalsomitdeminseinem<br />
Land geltenden Mehrwertsteuersatz belastet. Nach<br />
dem Ursprungslandlandprinzip würde die Lieferung<br />
oder Leistung mit dem Steuersatz des Herkunftslandes<br />
besteuert.<br />
Im Binnenmarkt soll für den Bereich der Umsatzsteuer<br />
das Ursprungslandprinzip eingeführt werden,<br />
es gilt jedoch nach wie vor das Bestimmungslandprinzip.<br />
Da Steuereinnahmen in den Haushalt des<br />
Staates fließen, der sie erhebt, sind mit der Entscheidung<br />
für oder gegen eines der beiden Systeme erhebliche<br />
Veränderungen auf der Einnahmenseite verbunden.<br />
Zur Verteilung des Steueraufkommens entsprechend<br />
den Warenströmen im Binnenmarkt muss<br />
eine Clearingstelle geschaffen werden, wenn auf das<br />
Ursprungslandprinzip umgestellt wird.<br />
BEST-Verfahren (Business Environment Simplification<br />
Task Force). Verfahren zur Verbesserung des
Umfelds von Unternehmen, insbes. von �KMU. Die<br />
ArbeitsgruppeBESTwurdeaufgrundeinerInitiative<br />
des Europäischen Rats von Amsterdam am 16./17. 6.<br />
1997 aus Sachverständigen aus Wirtschaft, UniversitätenundVerwaltungeingesetztundveröffentlichte<br />
Empfehlungen in einem Schlussbericht 1998. Im<br />
Rahmen der �Lissabon-Strategie hat die Kommission<br />
im Dezember 2000 das BEST-Verfahren eingeführt.<br />
Ein Mehrjahresprogramm für Unternehmen<br />
und unternehmerische Initiative (2000/819) fördert<br />
Projekte insbesondere für KMU im Zeitraum 2001<br />
bis Ende 2005.<br />
Betriebsrat, Europäischer (EBR). Die betriebliche<br />
Mitbestimmung in Unternehmen ist in den<br />
EU-Staaten unterschiedlich geregelt. Die Einrichtung<br />
eines EBR in multinationalen Unternehmen<br />
nach dem – im Verhältnis zu anderen Staaten – sehr<br />
weitgehenden deutschen Modell der Mitbestimmung<br />
ist EU-weit nicht durchsetzbar, zumal der Rat<br />
in dieser Frage einstimmig entscheiden muss (Art.<br />
137 Abs. 1 lit. f), während er in Fragen der Unterrichtung<br />
und Anhörung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern<br />
(Art. 137 Abs. 1 lit. e) nach dem �Mitentscheidungsverfahren<br />
beschließen kann.<br />
Nachzwei(1988und1991)gescheitertenVersuchen<br />
der Kommission, einen Richtlinienvorschlag zur<br />
Einrichtung eines EBR auf den Gesetzgebungsweg<br />
zubringen,habendieArbeits-undSozialministeram<br />
22. 9. 1994 eine „Richtlinie über die Einsetzung eines<br />
Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung<br />
eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung<br />
der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden<br />
Unternehmen und Unternehmensgruppen“ verabschiedet<br />
(RL 94/95, ABl. L 254/1994; Großbritannien<br />
und Nordirland wurden durch Richtlinie 97/74<br />
einbezogen). Die Richtlinie wurde durch das Gesetz<br />
über Europäische Betriebsräte (EBRG) vom 28. 10.<br />
1996 (BGBl. Teil I vom 31. 10. 1996) in deutsches<br />
Recht umgesetzt, in Österreich durch Bundesgesetz<br />
vom 17. 10. 1996 (Novelle zum Arbeitsverfassungsgesetz;BGBl.fürdieRepublikÖsterreich<br />
601/96).<br />
Gemeinschaftsweit operierend ist demnach ein Unternehmen<br />
mit mindestens 1000 Arbeitnehmern in<br />
den EU-Staaten, davon in mindestens zwei EU-Staaten<br />
jeweils mindestens 150. Unternehmensgruppen<br />
bestehen aus einem beherrschenden Unternehmen<br />
und den von diesem abhängigen Unternehmen mit<br />
mindestens 1000 Arbeitnehmern in EU-Staaten;<br />
Betriebsrat<br />
mindestens zwei dieser Unternehmen mit jeweils<br />
mindestens 150 Mitarbeitern müssen in verschiedenen<br />
Mitgliedstaaten ansässig sein.<br />
In Unternehmen, die diese Anforderungen erfüllen,<br />
kann – dem Prinzip der Autonomie der Sozialpartner<br />
entsprechend – durch freie Vereinbarung zwischen<br />
der Unternehmensleitung und einem Verhandlungsgremium<br />
der Arbeitnehmerseite ein EBR eingesetzt<br />
werden; es kann auch ein anderes Verfahren zur Unterrichtung<br />
und Konsultation der Arbeitnehmer gewählt<br />
werden, dessen Durchführungsmodalitäten<br />
(Tätigkeitsbereich, Zusammensetzung, Befugnisse,<br />
Mandatsdauer etc.) schriftlich vereinbart sein müssen.<br />
Die Bildung des Verhandlungsgremiums kann<br />
von der Unternehmensleitung veranlasst werden<br />
oder ist von den Arbeitnehmern bei der Unternehmensleitung<br />
zu beantragen.<br />
In Fällen, in denen keine freie Vereinbarung zwischen<br />
den Sozialpartnern zustande kommt, wird ein<br />
EBR kraft Gesetzes errichtet. Das ist der Fall, wenn<br />
die Unternehmensleitung innerhalb von sechs Monaten<br />
nach Antragstellung den Beginn von Verhandlungen<br />
verweigert, oder wenn beide Verhandlungspartner<br />
die Verhandlungen für gescheitert erklären<br />
und einen entsprechenden Beschluss fassen, oder<br />
wenn drei Jahre nach Antragstellung keine Vereinbarung<br />
zustande gekommen ist.<br />
EinEBRbestehtaushöchstens30Mitgliedern.Seine<br />
Zuständigkeiten beschränken sich auf Information<br />
und Konsultation zu Themen, die das Unternehmen<br />
insgesamt oder mindestens zwei zu einer Unternehmensgruppe<br />
gehörende Unternehmen betreffen.<br />
Dazu gehört eine jährliche Unterrichtung über Geschäftslage<br />
und Perspektiven. Die Verwaltungskosten,<br />
die durch die Arbeit des EBR entstehen, trägt das<br />
Unternehmen einschl. Reise- und Dolmetscherkosten<br />
sowie Kosten für sachverständige Beratung.<br />
Literatur:<br />
Blanke, Th.: Europäisches Betriebsrätegesetz.<br />
EBRG-Kommentar. Baden-Baden 1999<br />
Carley, M./Marginson, P.: Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer<br />
Betriebsräte. Eine vergleichende Untersuchung der<br />
Vereinbarung [1996] nach Art. 6 u. Art. 13. Luxemburg 2000<br />
Eckhoff, K.: Der Europäische Betriebsrat. Die Richtlinie<br />
94/45/EG und das deutsche Umsetzungsgesetz EBRG.<br />
Schriftenreihe arbeitsrechtliche Forschungsergebnisse, Bd. 53.<br />
Hamburg 2004<br />
Hauss, Th.: Grenzüberschreitende Betriebsverfassung in<br />
Europa. Der Europäische Betriebsrat. Frankfurt am Main 1996<br />
Heß, H.: Europäischer Betriebsrat. In: Spiegelhalter, H.-J.<br />
(Red.), Beck’sches Arbeitsrechtslexikon, Bd. 1. München 1998<br />
93
Betrugsbekämpfung<br />
Betrugsbekämpfung<br />
1. Begriff: Unter „Betrugsbekämpfung“ fallen auf<br />
EU-Ebene alle Maßnahmen zur Verhütung, Aufdeckung<br />
und Verfolgung rechtswidriger Handlungen,<br />
die sich gegen die finanziellen Interessen der Union<br />
richten. Rechtsgrundlage ist Art. 280 EGV. Der Begriff<br />
Betrugsbekämpfung erfasst damit neben dem<br />
Betrug im strafrechtlichen Sinne auch �Korruption<br />
und andere Unregelmäßigkeiten, nicht aber Verstöße<br />
gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der<br />
Haushaltsführung. Insofern ist Betrugsbekämpfung<br />
von �Audit bzw. Rechnungsprüfung abzugrenzen.<br />
Taten zu Lasten der nationalen Haushalte oder zum<br />
Schaden Privater fallen ebenfalls nicht unter diesen<br />
Begriff: Der Kampf gegen grenzüberschreitende Betrugs-<br />
und Korruptionsfälle im Allgemeinen vollzieht<br />
sich in der Union im Rahmen der Polizeilichen<br />
und Justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen<br />
(�PJZS, derzeit sog. „Dritte Säule“, Artikel 29<br />
EUV), auf EU-Ebene haben �Europol und �Eurojust<br />
dafür das entsprechende Mandat.<br />
Bezugspunkt der EU-Betrugsbekämpfung im engeren<br />
Sinne sind also allein die finanziellen Interessen<br />
der Union, und zwar auf der Einnahmen- wie auf der<br />
Ausgabenseite, insbes. also der EU-Haushalt. Dieser<br />
ist rein strukturell stärker als nationale Budgets Betrugsgefahren<br />
ausgesetzt, besteht er doch auf der<br />
Ausgabenseite zu über 90 % aus Fördermitteln<br />
(Landwirtschaft, Strukturfonds, Forschungsförderung<br />
etc.). Hinzu kommt, dass 80 % der Ausgaben<br />
nicht durch die EU-Institutionen selbst, sondern<br />
durch die Behörden der Mitgliedstaaten getätigt und<br />
verwaltet werden. Sie sind es auch, die den Großteil<br />
der EU-Einnahmen (traditionelle �Eigenmittel wie<br />
Zölle, Mehrwertsteueranteil) einziehen und dann an<br />
dieEUabführen.DabeiverfügendieMitgliedstaaten<br />
freilich auch, anders als die Gemeinschaftsorgane,<br />
über alle notwendigen Einrichtungen zur Betrugsbekämpfung<br />
(insbes. Zollbehörden, Polizei und Justiz).FolgerichtigistderSchutzderfinanziellenInteressen<br />
der EU eine den Mitgliedstaaten und der Union<br />
gemeinsam übertragene Aufgabe. Die Kommission<br />
hat dabei einen Beitrag zur Koordinierung der Tätigkeiten<br />
der Mitgliedstaaten zu leisten und diese zu unterstützen;<br />
sie kann aber auch eigene Untersuchungendurchführen(�EuropäischesAmtfürBetrugsbekämpfung<br />
– OLAF).<br />
2. Entwicklung: In den 1970er Jahren begannen die<br />
Gemeinschaftsorgane der Betrugsbekämpfung ei-<br />
94<br />
nen größeren Stellenwert einzuräumen. Erste sektorale<br />
Vorschriften zur Verhinderung und Verfolgung<br />
von Unregelmäßigkeiten wurden erlassen, zunächst<br />
im Bereich Landwirtschaft, auf den damals rund 70<br />
Prozent der EG-Ausgaben entfielen. Ein Kommissionsvorschlag<br />
von 1976 für ein Protokoll zum<br />
EWG-Vertrag über den strafrechtlichen Schutz der<br />
finanziellen Interessen der Gemeinschaften wurde<br />
jedoch nie umgesetzt. Nach und nach wurden im Sekundärrecht<br />
sektorale Vorschriften zur Betrugsbekämpfung<br />
erlassen, im Primärrecht aber konnte die<br />
Betrugsbekämpfung erst 1993 mit dem Vertrag von<br />
Maastricht verankert werden.<br />
Der damalige Art. 209a EG-Vertrag a. F. kodifizierte<br />
dabei u. a. die bis dahin ergangene EuGH-Rechtsprechung.<br />
Den Grundstein für einen strafrechtlichen<br />
Sanktionsrahmen für Betrug zu Lasten der Gemeinschaft<br />
legten die Mitgliedstaaten erst 1995 mit<br />
dem Übereinkommen über den Schutz der finanziellen<br />
Interessen der Europäischen Gemeinschaften (in<br />
Kraft seit 2002) und dessen Zusatzprotokolle von<br />
1996 (in Kraft seit 2002) und 1997 (noch nicht in<br />
Kraft).<br />
Mit dem �Vertrag von Amsterdam wurde 1999 der<br />
heutigeArt.280EGVgeschaffen,dereineerweiterte<br />
und klarere Rechtsgrundlage für die Gesetzgebungskompetenz<br />
der Gemeinschaft bildet und auch durch<br />
den �Vertrag von Nizza unverändert blieb.<br />
Die Vorwürfe von Betrug, Missmanagement und<br />
Nepotismus, die 1999 zum Rücktritt der Kommission<br />
Santer führten, haben zu einer umfassenden Neuorganisation<br />
der Betrugs- und Korruptionsbekämpfung<br />
geführt. Ergebnis waren u. a. die Gründung des<br />
OLAF (1999), die Prüfung sensitiver Gesetzesvorhaben<br />
auf ihre „Betrugsresistenz“ („fraud-proofing“,<br />
seit 2001), eine verbesserte Haushaltsordnung<br />
(VO 1605/2002, ABl. L 248/ 2002), die Einführung<br />
eines modernen Buchführungssystems (2005). Zudem<br />
etablierte die Kommission eine regelmäßige<br />
Rotation von Beamten auf sensiblen Posten (2002)<br />
und begründete deren Pflicht zur Anzeige von Unregelmäßigkeiten.<br />
Diese Pflicht wird auf der anderen<br />
Seite durch einen verbesserten Schutz für „Whistleblower“<br />
(Bedienstete, die Verfehlungen der eigenen<br />
VorgesetztenoderKollegenmelden)ergänzt(2004).<br />
3. Stand: Ausgangspunkt für die EU-Betrugsbekämpfung<br />
ist zunächst der Begriff der „Unregelmäßigkeit“:<br />
Nach Definition des Art. 1 Abs 2 der VO<br />
2988/95 (ABl. L 312/1995) ist das jede Handlung
oder Unterlassung, die unter Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung<br />
tatsächlich oder potenziell<br />
den EU-Haushalt schädigt, sei es durch die Verkürzung<br />
von Einnahmen oder die Erhöhung von Ausgaben.<br />
Bei allen Unregelmäßigkeiten ist grundsätzlich<br />
immer der erhaltene Vorteil zurückzuerstatten.<br />
Kommt zu der schädigenden Handlung ein Element<br />
subjektiver Vorwerfbarkeit, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit,<br />
hinzu, so liegt eine Ordnungswidrigkeit<br />
vor,diezumeinennachnationalemRecht,zumanderen<br />
aufgrund von Gemeinschaftsrecht eine Reihe<br />
verwaltungsrechtlicher Sanktionen nach sich ziehen<br />
kann, wie sie VO 2988/95 auflistet: Geldbuße, Verfall<br />
von Kautionen, Entzug von Lizenzen, Ausschluss<br />
von künftigen Subventionen etc. Hinzu<br />
kommt im Agrarbereich die Eintragung in eine<br />
�Schwarze Liste nach VO 1469/95 (ABl. L 145/<br />
1995). Als Straftat ist EU-Betrug in Art. 1 des Übereinkommens<br />
über den Schutz der finanziellen Interessen<br />
der Gemeinschaften (ABl. C 316 vom 27. 11.<br />
1995) definiert und setzt Vorsatz voraus. Das Übereinkommen<br />
verpflichtet die Mitgliedstaaten, für<br />
EU-Betrug einen selbständigen Straftatbestand zu<br />
schaffen, Sanktionen vorzusehen und ihre Gerichtsbarkeit<br />
zu begründen. Das Gleiche verlangt im Bereich<br />
Korruptionsbekämpfung das Erste Protokoll<br />
zum Übereinkommen (ABl. C 313/1996), das die<br />
Strafbarkeit von Bestechung und Bestechlichkeit<br />
zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU verlangt.<br />
Was die Zuständigkeitsverteilung bei der EU-Betrugsbekämpfung<br />
betrifft, so schreibt die grundlegende<br />
Kompetenznorm im Primärrecht (Art. 280<br />
EGV) fest, dass Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />
gleichermaßen verantwortlich sind, für einen effektiven<br />
und abschreckenden Schutz des EU-Budgets<br />
zu sorgen. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen des<br />
SekundärrechtswerdennachArt.280Abs.4EGVim<br />
Verfahren der Mitentscheidung verabschiedet, die<br />
Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten und<br />
ihre Strafrechtspflege bleiben davon aber unberührt.<br />
Artikel 280 EGV ist die primärrechtliche Grundlage<br />
fürKontrollen,die dieMitgliedstaatenunddieKommission<br />
durchführen, sekundärrechtlich sind hier<br />
vor allem die horizontalen Vorschriften in VO<br />
1073/99 (ABl. L 136/1999), sowie VO 2988/95<br />
(ABl. L 312/1995) und VO 2185/96 (ABl. L 292/<br />
1996) von Bedeutung. Innerstaatlich haben die Mitgliedstaaten<br />
bei der Bekämpfung von EU-Betrug<br />
Betrugsbekämpfung<br />
gem. Art. 280 Abs. 2 EGV die gleichen Maßnahmen<br />
zu ergreifen wie bei Betrügereien, die sich gegen ihre<br />
eigenen finanziellen Interessen richten. Gesetzgeber<br />
und Verwaltungen des Mitgliedstaats sind also zu<br />
entsprechender Sorgfalt verpflichtet, insbes. sind<br />
Verstöße mit Nachdruck zu verfolgen und Ersatzansprüche<br />
auch tatsächlich geltend zu machen. Im nationalen<br />
Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren<br />
ist der Kommission dabei dieselbe Stellung einzuräumen,<br />
wie sie der Fiskus im betreffenden Mitgliedstaathätte.DieWiedererlangungderverlorenenMittel<br />
im Wege der Rückerstattung, Nacherhebung und<br />
Einziehung sowie die Geltendmachung von Ersatzansprüchen<br />
regelt eine Reihe von Vorschriften (so<br />
fürdenAgrarbereichRL76/308,ABl. L73/1976;für<br />
die Strukturfonds VO 1681/94, ABl. L 178/1994, für<br />
dieEigenmittelinVO1150/2000,ABl.L130/2000).<br />
Alle finanziellen Korrekturen hat jeweils die Stelle<br />
vorzunehmen, die für die Erhebung der Einnahmen<br />
oder die Auszahlung der Ausgaben an den letztendlichen<br />
Empfänger zuständig ist – außer bei den direkten<br />
Ausgaben der Gemeinschaft also regelmäßig die<br />
jeweilige Behörde des Mitgliedstaates. Kommt ein<br />
Mitgliedstaat dieser Pflicht zur Nacherhebung oder<br />
Beitreibung nicht nach, kann die Kommission ein<br />
Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Speziell bei<br />
den Agrarausgaben aus dem �EAGFL eröffnet VO<br />
595/91 (ABl. L 67/1991) der Kommission die Möglichkeit,<br />
einem Mitgliedstaat, der für die Nicht-Beitreibung<br />
der Rückforderung verantwortlich ist, im<br />
Rahmen des sog. Rechnungsabschlusses den Verlust<br />
anzulasten, ihm also in der nächsten Periode weniger<br />
Mittel zur Verfügung zu stellen.<br />
Artikel 280 Abs. 3 EGV verlangt eine regelmäßige<br />
Zusammenarbeit zwischen den Behörden und eine<br />
Koordination der Tätigkeiten zum Schutz der finanziellen<br />
Interessen der EU. Dazu gehört auch die Information<br />
über von den Mitgliedstaaten ergriffene<br />
Maßnahmen: neue Vorschriften, aufgedeckte Fälle<br />
und eingeleitete Gerichtsverfahren sind der Kommission<br />
regelmäßig zu melden (vierteljährlich nach<br />
VO 1681/94, ABl. L 178/1994). Mit Art. 280 Abs. 3<br />
EGV statuiert bereits das Primärrecht eine unmittelbare<br />
Verpflichtung zur gegenseitigen Amts- und<br />
Rechtshilfe, dazu existieren einige sektorale Vorschriften<br />
(vgl. insb. VO 515/97, ABl. L 82/1997,<br />
über die gegenseitige Amtshilfe in den Bereichen<br />
Zoll- und Landwirtschaft). Die entsprechenden Behördenkontakte<br />
können dabei auch unmittelbar zwi-<br />
95
Bewusstseinsbildung<br />
schen den jeweils zuständigen Dienststellen (ohne<br />
Umweg über zentrale Stellen wie Finanz-/Justizministerien)<br />
und ohne spezielle Verfahren etabliert<br />
werden. Auf Seiten der Europäischen Kommission<br />
ist das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung<br />
(�OLAF) hierfür zuständig. Dort wird auch das Betrugsbekämpfungs-Informationssystem<br />
AFIS (Anti-Fraud<br />
Information System) verwaltet. Das gemeinsame<br />
Forum von Mitgliedstaaten und Kommission<br />
ist der Beratende Ausschuss für die Koordinierung<br />
der Betrugsbekämpfung (CoCoLaF), der gemeinsame<br />
Leitlinien erstellt und den „Jahresbericht<br />
zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften<br />
und Betrugsbekämpfung“ (gem Art. 280<br />
Abs. 5 EGV) ausarbeitet. Im Europäischen Parlament<br />
ist der Ausschuss für Haushaltskontrolle (Co-<br />
CoBu – Commission de contrôle budgétaire) für die<br />
Gesetzgebung und die Kontrolle im Bereich Betrugsbekämpfung<br />
zuständig, im Rat ist es der Rat der<br />
Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin).<br />
4. Ausblick: Der �Verfassungsvertrag 2004 soll die<br />
bisherigeRechtslagenachArt.280EGVinsofernändern,<br />
als der ausdrückliche Kompetenzvorbehalt der<br />
Mitgliedstaaten für die Strafrechtsanwendung und<br />
Strafrechtspflege im Kontext Betrugsbekämpfung<br />
im künftigen Art. III-415 VVE 2004 gestrichen ist.<br />
Dies ist im auch im Zusammenhang mit Art. III-274<br />
VVE2004zusehen,derdieEinrichtungeiner�Europäischen<br />
Staatsanwaltschaft ermöglicht. Auf Ebene<br />
des Sekundärrechts liegt u. a. ein Verordnungsvorschlag<br />
der Kommission über eine Vereinfachung der<br />
Amtshilfe beim Schutz der finanziellen Interessen<br />
der EU vor (KOM 2004/509 vom 20. 7. 2004). Auch<br />
ein Änderungsvorschlag für VO 1073/ 99 über die<br />
Untersuchungen des OLAF wurde von der Kommission<br />
präsentiert (KOM 2004/103, vom 10. 2. 2004).<br />
Im weiteren Sinne zur Betrugsbekämpfung beitragen<br />
soll auch eine Reform der Regelungen des Europäischen<br />
Parlaments über die Bezüge der Abgeordneten<br />
(wie z. B. Sekretariatszulage, Reisekosten, Tagegelder),<br />
die immer wieder Anlass zu öffentlicher<br />
Kritikgeben.�StatutderAbgeordneten J. W.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Schutz der Finanziellen Interessen<br />
der Gemeinschaften und Betrugsbekämpfung. Jahresbericht<br />
2003, Brüssel 2004<br />
Hetzer, W.: Korruptionsbekämpfung in Europa. In: NJW 2004,<br />
S. 3746–3750<br />
Prieß, H.-J./Spitzer, H.: Art. 280 EG. In: von der Groeben,<br />
H./Schwarze, J. (Hg.), Vertrag über die Europäische Union und<br />
96<br />
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Kommentar. Baden-Baden 2004<br />
Ulrich, S.: Kontrollen der EG-Kommission bei Wirtschaftsbeteiligten<br />
zum Schutz der finanziellen der Gemeinschaft.<br />
Frankfurt a. M. 1999<br />
Bewusstsein (europäisches), europäische<br />
Bewusstseinsbildung. Europäisches Bewusstsein<br />
konstituiert sich in einem Beziehungsgeflecht<br />
von Kultur, Wirtschaft, Recht, Politik, Geschichte,<br />
Zivilisation sowie gegenwärtiger Ereignisse. Das<br />
Bewusstsein ist gesellschaftlich vermittelt und verändert<br />
sich in gesellschaftlichen Prozessen (kommunikationstheoretische,symbolisch-interaktionistische<br />
Perspektive). Es manifestiert sich als emanzipatorisches,<br />
politisches, individuelles, kollektives,<br />
Standes-, Klassen-, Staats-, National-, europäisches<br />
usw. Bewusstsein. Als „europäisches“ Bewusstsein<br />
wurde es von der Stuttgarter Feierlichen Erklärung<br />
der Staats- und Regierungschefs (1983) postuliert<br />
(�Kulturpolitik).<br />
FürdieDimensionierungeinesspeziellen(z.B.europäischen)<br />
Bewusstseins sind bestimmte Schlüsselitems<br />
zu dessen Konstruktion notwendig. Grundsätzlich<br />
bleibt der Unterschied zwischen „Bewusstsein“<br />
und „Verhalten“. Beide charakterisieren verschiedene<br />
Ebenen, wie sich bspw. bei der Untersuchung<br />
von Auslandsreisen und ihrem Einfluss auf<br />
Europa- und Geschichtsbewusstsein ergeben hat.<br />
Danach nehmen bei Auslandsreisen – zumindest<br />
mittelfristig–daspositiveWissenunddieSympathie<br />
für das besuchte Land zu, die Vorstellungen werden<br />
realitätsnäher, ein übersteigertes Selbstbild (der<br />
Deutschen, der Italiener usw.) wird zurückgenommen.<br />
Für einen Einstellungswandel spielen Bildungsstand,<br />
soziales Umfeld usw. eine Rolle. Es entsteht<br />
das Empfinden, dass bei allseits zunehmender<br />
Internationalisierung der Problemlagen eine überstaatliche<br />
Vernetzung der Lebenssachverhalte erforderlich<br />
ist.<br />
Das europäische Bewusstsein bleibt infolge der unscharfen<br />
europapolitischen Zielprojektionen definitorisch<br />
unbestimmt. Es bezieht sich auf die Identifizierung<br />
mit der unvollendeten europäischen Integration<br />
und auf die Relativierung des Nationalbegriffs.<br />
Durch seine einigungspolitische Zentrierung unterscheidet<br />
es sich von einer diffusen „europäischen<br />
Identität“ aller Europäer aufgrund des gemeinsamen<br />
europäischen Erbes und der gemeinsamen europäischen<br />
Tradition. Infolge der unklaren konzeptionel-
len Fixierung der EU ist die Bevölkerung nicht in der<br />
Lage, die einzelnen Handlungsebenen und Akte europäischer<br />
Politik im Gesamtkontext zu sehen. Insgesamt<br />
ist die Motivationsstruktur für die Union in<br />
einzelnen Ländern dem Wandel unterworfen.<br />
Im Hinblick auf eine Bewusstseinsbildung mit europäischer<br />
Dimension, d. h. mit einer bewusstseinsmäßig-inhaltlichen<br />
Anfüllung durch europäisch-integrative<br />
Perspektiven, bedarf es einer kategorialen<br />
Aufschlüsselung und synthetischen Zusammenfassung<br />
der Wahrnehmungs- und Denkstrukturen auf<br />
eine europäische Integration hin. Letztere fungiert<br />
dann nicht als ein Appendix, sondern als ein permanenter<br />
Aspekt und Bezugspunkt des Wahrnehmens<br />
und Denkens. Dies zielt auf<br />
– eine europäische Dimensionierung des Bewusstseins<br />
in Gestalt einer Ausweitung der nationalen Perspektive<br />
auf die international-europäische (�„Europa<br />
der Bürger“),<br />
– die Bereitschaft der Übertragung von politischen,<br />
wirtschaftlichen, sozialen Teilsouveränitäten und<br />
Kompetenzen auf supranationale Institutionen,<br />
– eineübernationaleGeschichts-undKulturbetrachtung,<br />
– eine Übernahme (bisher) fremder Werte,<br />
– eineemotionaleundrationale(Teil-)Identifikation<br />
mit Europa.<br />
EineuropäischesBewusstseinistkeinTotalbewusstsein.EsbleibtinfolgedesbegrenztenErfahrungshintergrundes<br />
jedes einzelnen Bürgers ein partielles Bewusstsein<br />
und bezieht sich nicht auf das Ganze<br />
gleichzeitig. Es wird genährt durch Erfahrungen im<br />
Urlaub, auf Reisen, durch Lektüre, Fernsehen usw.<br />
Segmente eines europäischen Gemeinschaftsbewusstseins<br />
können durchaus nebeneinander stehen<br />
imSinnerelativierenderErgänzung. W. M.<br />
Bilaterale Regierungskonferenzen sind Verhandlungen<br />
(auf Ministerebene alle sechs Monate,<br />
auf Botschafterebene alle vier Wochen) über den<br />
EU-Beitritt, an denen jeweils die EU und ein beitrittswilliges<br />
Land teilnehmen. Die feierliche Eröffnung<br />
der bilateralen Regierungskonferenz markiert<br />
den Beginn der Beitrittsverhandlungen.<br />
Bildungspolitik. Fragen von Bildung und Ausbildung,derVergleichbarkeitderBildungssysteme,der<br />
gegenseitigen Anerkennung von Ausbildungsgängen<br />
und -abschlüssen unter Beachtung der Vielfalt<br />
Bildungspolitik<br />
nationaler Bildungstraditionen gewinnen mit der<br />
voranschreitenden Integration der Europäischen<br />
Union zunehmend an Bedeutung. Die bildungspolitischen<br />
Aktivitäten der EU finden ihren Niederschlag<br />
vor allem in den Aktionsprogrammen (�Bildungsprogramme),<br />
welche die Bildungspolitik der<br />
Mitgliedstaaten unterstützen sollen, sowie in Richtlinien<br />
zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsund<br />
Hochschulabschlüssen.<br />
Alle bildungspolitischen Aktivitäten der Gemeinschaft<br />
zielen vorrangig auf Steigerung der Mobilität<br />
der Bürger ab durch Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse<br />
über Austauschprogramme, teilweise<br />
Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen im<br />
Ausland, Kennenlernen der Bildungs- und Ausbildungssysteme<br />
der Mitgliedstaaten über den Austausch<br />
von Lehrern und Professoren, gegenseitige<br />
Anerkennung der Berufsabschlüsse und Information<br />
über die Bildungsprogramme der Gemeinschaft<br />
durch nationale Büros in jedem EU-Mitgliedsland.<br />
1. Bildungspolitische Kompetenzen der<br />
Europäischen Union<br />
1.1 Allgemeine Rechtsgrundlage. Die Europäische<br />
Gemeinschaft – das gilt auch für die EU nach den<br />
Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza –<br />
hat keine allgemeine Kompetenz im Bereich der Bildungspolitik,<br />
obwohl Bildung und Ausbildung eigenständige<br />
Gemeinschaftsaufgaben sind. Der Europäische<br />
�Gerichtshof (EuGH) hat in mehreren Urteilen<br />
in den 1980er Jahren festgestellt, dass dieser<br />
Politikbereich wie auch die Kulturpolitik zum Kernbestand<br />
der Mitgliedstaaten gehören; d. h. die nationalen<br />
Politiken dürfen in ihrem Bestand nicht angetastet<br />
werden. Die Mitgliedstaaten sind für Lehrinhalte<br />
und Gestaltung ihrer Bildungssysteme verantwortlich.<br />
Der Bildungssektor ist der einzige Bereich,<br />
in dem das Prinzip der �Subsidiarität ausdrücklich<br />
verankert ist.<br />
Der Vertrag zur Gründung der EWG vom 25. 3. 1957<br />
enthielt noch keine Regelungen über eine eigenständige<br />
Bildungs- und Kulturpolitik. Zwar ermächtigte<br />
Art. 128 EWGV die Gemeinschaft, allgemeine<br />
Grundsätze in Bezug auf die Berufsausbildung zur<br />
Durchführung einer gemeinsamen Politik aufzustellen,<br />
„die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl<br />
der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen<br />
Marktes beitragen kann“. Jedoch kann<br />
diese Ermächtigung, ebenso wie die in Art. 57<br />
EWGV geregelte gegenseitige Anerkennung der Di-<br />
97
Bildungspolitik<br />
plome, nicht als Grundlage für bildungspolitisches<br />
Handeln der E(W)G angesehen werden.<br />
Erst im EG-Vertrag (1992) wird die Bildungspolitik<br />
namentlich als Kompetenzbereich anerkannt und in<br />
Titel VIII, Kap. 3 „Allgemeine und berufliche Bildung<br />
und Jugend“ verankert. An die Stelle von Art.<br />
128 EWG-Vertrag sind Art. 149 EGV für die allgemeine<br />
Bildung und Jugend sowie Art. 150 EGV für<br />
die berufliche Bildung getreten. Für die gegenseitige<br />
Anerkennung von Abschlüssen ist Art. 47 EGV relevant.<br />
Im weiteren Sinne können als Rechtsgrundlagen<br />
Art. 137 EGV für die Sozialpolitik, Art. 95 EGV<br />
für die Angleichung von Rechtsvorschriften im Binnenmarkt<br />
und Art. 308 EGV als „Generalermächtigungsklausel“<br />
für sonstige Initiativen in der Bildungspolitik<br />
herangezogen werden. Der gestiegene<br />
Stellenwert der Bildungspolitik schlägt sich auch in<br />
derAufnahmeindenTätigkeitskatalogdesEGVnieder.<br />
Nach Art. 3 lit. q EGV kommt der Bildung eine<br />
erstrangige Funktion zu mit dem Ziel, einen Beitrag<br />
zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und<br />
beruflichenBildungzuleisten.InderVertragsrevision<br />
von Amsterdam wurde zusätzlich in die Präambel<br />
die Bestimmung aufgenommen, dass „durch umfassenden<br />
Zugang zur Bildung und durch ständige Weiterbildung<br />
auf einen möglichst hohen Wissensstand<br />
ihrer Völker“ hingewirkt werden soll.<br />
2 Inhalte und Ziele der allgemeinen und beruflichen<br />
Bildung nach dem EG-Vertrag. Nach Art. 149 EGV<br />
trägtdieGemeinschaft„zurEntwicklungeinerqualitativ<br />
hochstehenden Bildung“ bei, indem sie die Zusammenarbeit<br />
zwischen Mitgliedstaaten fördert und<br />
deren Tätigkeiten „unter strikter Beachtung der Verantwortung<br />
der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte<br />
und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der<br />
Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls<br />
unterstützt und ergänzt“. Artikel 149 Abs. 2<br />
EGV nennt die Ziele der Gemeinschaftstätigkeit.<br />
Zum Erreichen dieser Ziele kann die Gemeinschaft<br />
Maßnahmen erlassen. Es gilt für die Kompetenzen in<br />
beiden Bereichen das Subsidiaritätsprinzip; d. h. die<br />
Gemeinschaft handelt nur komplementär. Das setzt<br />
eine eigenverantwortliche Bildungspolitik der Mitgliedstaaten<br />
voraus. Auch die Förderprogramme der<br />
Gemeinschaft (�Bildungsprogramme) müssen die<br />
Regelungen und Entscheidungen der Mitgliedstaaten<br />
beachten. Damit sind normative Regelungen<br />
durch die Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Mitgliedstaaten<br />
sind ihrerseits gem Art. 10 EGV ver-<br />
98<br />
pflichtet, die Maßnahmen der Gemeinschaft zu unterstützen<br />
bzw. auszuführen. Artikel 149 und 150<br />
EGVsehenweiterhinvor,dassdieGemeinschaftund<br />
ihre Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit mit Drittländern<br />
und internationalen Organisationen fördern;<br />
d. h. auch die Mitgliedstaaten können weiterhin eine<br />
auswärtige Bildungspolitik betreiben.<br />
Im Bereich der allgemeinen Bildung seit dem Maastrichter<br />
Vertrag und in der beruflichen Bildung mit<br />
dem Amsterdamer Vertrag findet das Mitentscheidungsverfahren<br />
gem. Art. 251 EGV Anwendung. In<br />
beiden Bereichen werden der �Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />
und der �Ausschuss der Regionen beratend<br />
einbezogen. Die Initiativrolle im EntscheidungsverfahrenbesitztdieKommission;sieführtdie<br />
Beschlüsse des Rates der EU aus. Das EP nimmt am<br />
Entscheidungsverfahren teil und bestimmt aufgrund<br />
seiner Haushaltskompetenz die finanzielle Ausstattung<br />
der Bildungsmaßnahmen, diskutiert inhaltlich<br />
über Themen der Bildungspolitik und initiiert Anträge<br />
an die Kommission und an den Rat. In Fragen der<br />
beruflichen Bildung wird die Kommission durch das<br />
�Zentrum für Förderung der Berufsbildung (CEDE-<br />
FOP) beraten.<br />
3. Grundsätze einer integrativen Bildungspolitik im<br />
historischen Überblick. Mit Beschluss vom 2. 4.<br />
1963 hatte der Rat der EWG als ersten Schritt die<br />
„Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung<br />
einer gemeinsamen Politik der Berufsbildung“mitdemZieleingeleitet,jedemBürgerderGemeinschaft<br />
eine „angemessene Berufsausbildung“<br />
zu gewährleisten, geeignete Ausbildungseinrichtungen<br />
für die einzelnen Wirtschaftsbereiche zu schaffen,<br />
eine der Persönlichkeitsbildung des Einzelnen<br />
wie den Erfordernissen des technischen Fortschritts<br />
gerecht werdende umfassende Berufsausbildung zu<br />
gestalten und jedem den Erwerb von fachlichen<br />
Kenntnissen und Fertigkeiten zu ermöglichen, die<br />
zur Ausübung einer bestimmten Berufstätigkeit notwendig<br />
sind.<br />
1971 nahm der Rat „Allgemeine Richtlinien für ein<br />
Gemeinschaftsprogramm von Aktivitäten auf dem<br />
Gebiet der Berufsbildung“ an, das u. a. darauf abzielte,<br />
Informationen und Erfahrungen der nationalen<br />
Berufsbildungspolitiken zu sammeln, in der Angleichung<br />
von Ausbildungsstandards zu kooperieren,<br />
berufliche Information und Beratung zu verbessern,<br />
moderne Ausbildungsmethoden und -techniken zu<br />
entwickeln und vordringliche Ausbildungsfragen
(für unterprivilegierte Personen und in bestimmten<br />
wirtschaftlichen Sektoren und Regionen) zu lösen.<br />
ImDahrendorf-Memorandumvon1973wurdenprogrammatisch<br />
mittelfristige Ziele entwickelt, die sich<br />
den großen Problemen des Bildungswesens in entwickelten<br />
Industriegesellschaften widmen. Hierunter<br />
werden in erster Linie verstanden: Durchsetzung des<br />
Bürgerrechts auf Bildung, Verhältnis von Bildung<br />
und Beruf, neue Methoden für „lebenslange Bildung“,<br />
Massenprobleme im sekundären und tertiären<br />
Bildungswesen sowie qualitative Veränderung<br />
der Bildungsinhalte und Organisation des BildungswesensimHinblickaufDemokratisierung.DasDahrendorf-Memorandum<br />
betonte zwar, dass die Bildungspolitik<br />
einen wesentlichen Beitrag zur europäischen<br />
Integration leiste, jedoch blieben die Aktivitäten<br />
der Gemeinschaft in diesem Bereich weiterhin<br />
rechtlich nahezu unverbindlich.<br />
1976 wurde ein erstes Aktionsprogramm verabschiedet,<br />
das nahezu alle Fragen des Bildungsbereichs<br />
umfasst. Die darin enthaltenen sechs Maßnahmen<br />
mit insgesamt 22 Aktionen bildeten die Grundlage<br />
für die Bildungspolitik bis in die 1990er Jahre.<br />
Sie wurden 1996 in die drei gemeinschaftlichen Aktionsprogramme<br />
Sokrates, Leonardo da Vinci und<br />
Jugend (�Bildungsprogramme) integriert. Zugleich<br />
wurde ein intergouvernementaler Bildungsausschuss<br />
aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der<br />
Kommission eingesetzt. Obwohl dessen Verlautbarungen<br />
nicht rechtsverbindlich waren, blieben sie<br />
nicht ohne politische Wirkung. Die Staaten gaben<br />
Handlungsbefugnisse an die Gemeinschaft ab.<br />
Mit den mittelfristigen Perspektiven 1989 – 1992<br />
wechselte die Kommission ihre auf Konsens und<br />
konzertiertes Handeln ausgerichtete Politik. Sie legte<br />
den Art. 128 EWGV, der allerdings nicht den Bereich<br />
der Allgemeinbildung einschloss, dynamisch<br />
aus, d. h. sie interpretierte den Gehalt der Vertragsnormen<br />
nach dem Fortschritt der Integration zunehmend<br />
im wirtschaftlichen (und politischen) Bereich.<br />
Von der Kommission angestrebte stärker harmonisierende<br />
Tendenzen in der Bildungspolitik wurden<br />
von den Mitgliedstaaten abgelehnt. Der EuGH trug<br />
mit seinen Urteilen (Gravier 24. 7. 1985, Blaizot und<br />
Barra 2. 2. 1988, Lair und Brown 21. 6. 1966, Matucci<br />
27. 9. 1988, Erasmus und Petra 30. 5. 1989) maßgeblich<br />
dazu bei, dass der Gemeinschaft bildungspolitische<br />
Kompetenzen erschlossen wurden. So stellte<br />
er u. a. fest, dass neben dem Zugang zur Berufsbil-<br />
Bildungspolitik<br />
dung auch der Zugang zur Berufsausbildung (wozu<br />
der Gerichtshof auch das Studium und die weiterführendeallgemeineSchulbildungalsVoraussetzungen<br />
zählt) zu den Regelungsbefugnissen der Gemeinschaftgehört.DadieGrundsätzedesArt.128EWGV<br />
mit einfacher Mehrheit beschlossen wurden, konnte<br />
jeder Mitgliedstaat diesbezüglich in seinen bildungs-<br />
und kulturpolitischen Zuständigkeiten überstimmt<br />
werden.<br />
Erst der EGV hat in den Art. 149 und 150 hinsichtlich<br />
der Kompetenzabgrenzung zwischen der Gemeinschaft<br />
und den Mitgliedstaaten eine Rechtsgrundlage<br />
geschaffen, die gemeinschaftliches Handeln fixiert<br />
und gleichzeitig die Bildungspolitik der MitgliedstaatenvorEingriffenderEUschützt.EineHarmonisierung<br />
der Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />
der Mitgliedstaaten durch Maßnahmen der Gemeinschaft<br />
ist auf der Grundlage dieser Artikel ausgeschlossen.<br />
Außerdem ist ausdrücklich festgelegt,<br />
dass die Gemeinschaft nur „einen Beitrag“ zur Verwirklichung<br />
der angestrebten bildungspolitischen<br />
Ziele leistet.<br />
Artikel 149 und 150 EGV schränken die Kulturhoheit<br />
der Länder und hiermit das „Kernstück der Eigenstaatlichkeit<br />
der Länder“ (BVerfGE 6, S. 346)<br />
ein. Die Zuständigkeit der Bundesländer im Bildungsbereich<br />
soll durch das Subsidiaritätsprinzip<br />
(Art. 5 EGV) gesichert werden, das für die Gemeinschaft<br />
in den Bereichen gilt, die nicht in ihre ausschließliche<br />
Zuständigkeit fallen. Infolge des Maastrichter<br />
Vertragswerks ist Art. 23 GG geändert worden<br />
(Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom<br />
21. 12. 1992). Danach wirken „in Angelegenheiten<br />
der Europäischen Union der Bundestag und durch<br />
den Bundesrat die Länder“ mit. Der Bundesrat ist an<br />
der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, „soweit<br />
die Länder innerstaatlich zuständig wären“. Die<br />
Bundesrepublik Deutschland überträgt die Wahrnehmung<br />
ihrer Rechte als Mitglied der EU auf einen<br />
vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder. Der<br />
Bund überträgt damit den Ländern gleichsam als<br />
Kompensation für Einschränkungen der Kulturhoheit<br />
ein stärkeres Mitwirkungsrecht auf EU-Ebene.<br />
Dieses hochgradig formalisierte Länderbeteiligungsverfahren<br />
und daraus resultierende mögliche<br />
Koordinierungsprobleme sind eine Hypothek für die<br />
Europafähigkeit Deutschlands. In der deutschen Föderalismusreformdiskussion<br />
ist dieses Problem bislang<br />
nicht gelöst.<br />
99
Bildungspolitik<br />
4. Leitbilder europäischer Bildungspolitik. Das bildungspolitische<br />
Konzept der Gemeinschaft ist pragmatischunddynamischzugleichangelegt.Eswarbis<br />
in die 1980er Jahre am Leitbild eines �„Europa der<br />
Bürger“ orientiert. Der Europäische Rat hat 1985<br />
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Europa für<br />
die Bürger unmittelbar erfahrbar zu machen sei. Die<br />
Bildungspolitik soll in diesem Sinne zum Aufbau eines<br />
bürgernahen und demokratischen Europas beitragen.<br />
Die vielfältigen Bildungsangebote der Aktionsprogramme<br />
bringen Europa dem Bürger näher:<br />
Gerade Begegnungen mit der europäischen Wirklichkeit<br />
in der Phase der Bildung und Ausbildung bereiten<br />
junge Bürger anschaulich auf Europa vor.<br />
Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen der<br />
Gemeinschaft, welche die globale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der EU und ihrer Mitgliedstaaten stärken sollen,<br />
finden seit der Konferenz in Amsterdam ihren<br />
Niederschlag im neuen bildungspolitischen Leitbild<br />
„Bildung als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor“. Der<br />
Europäische Rat hat in Lissabon im März 2000 als<br />
Vorgabe formuliert, bis zum Jahr 2010 „die Union<br />
zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten<br />
Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“.<br />
Bildungspolitik wird nunmehr ausdrücklich<br />
als Teil der Beschäftigungspolitik definiert. Zur Umsetzung<br />
dieser Strategie haben Rat und Kommission<br />
im Februar 2002 ein detailliertes Arbeitsprogramm<br />
zur Reform der Bildungssysteme beschlossen mit<br />
den Zielen, die „höchste Qualität“ im Bereich der allgemeinen<br />
und beruflichen Bildung zu erreichen, die<br />
Bildungssysteme in Europa vollständig kompatibel<br />
zu machen, alle Nachweise über Qualifikationen,<br />
Wissen und Fertigkeiten rechtswirksam anzuerkennenunddasPrinzipdeslebenslangenLernenszuverwirklichen.<br />
5. Aktuelle Entwicklungen. Die in Lissabon eingeführte<br />
�„offene Koordinierungsmethode“ hat im Bereich<br />
der Bildung zur Folge, dass anhand von ZielvorgabenindenjährlichenUmsetzungsberichtendie<br />
Mitgliedstaaten die erzielten Fortschritte untereinander<br />
vergleichen und durch Aufgreifen von „best<br />
practice“ anderer Mitgliedstaaten ihre eigenen Umsetzungsstrategien<br />
zu verbessern (�Benchmarking).<br />
Die Zielvorgaben von Lissabon und entsprechend<br />
einzuführende Referenz- und Leistungsindikatoren<br />
werden sich mittelfristig auch auf die Aktionsprogramme<br />
auswirken. Indem seit 2000 die Gemeinsamkeiten<br />
in der bildungspolitischen Zusammenar-<br />
100<br />
beit anstelle der Unterschiede in der Bildungspolitik<br />
betont werden, ist es durchaus angebracht, von einer<br />
„silent revolution“ (David Coyne, Direktor in der<br />
GD Bildung und Kultur der Kommission auf der<br />
Konferenz in Karstadt, 2. – 4. 4. 2001) mit weitreichenden<br />
Auswirkungen zu sprechen.<br />
Ausgehend von einer Empfehlung der Bildungsminister<br />
Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Großbritanniens<br />
vom Mai 1998, die eine „Harmonisierung<br />
der Architektur des europäischen Hochschulraums“<br />
vereinbarten, ist der sog. �Bologna-Prozess<br />
in Gang gekommen, der inzwischen 33 EU-Staaten,<br />
EFTA-Mitgliedstaaten und Beitrittsländer sowie<br />
Kroatien umfasst. Dieser Prozess verläuft außerhalb<br />
des EU-Vertrags. Die recht unterschiedliche und<br />
teilweise schwer überschaubare Hochschullandschaft<br />
in Europa soll transparenter und kompatibler<br />
werden durch vergleichbare Abschlüsse und ein europaweites<br />
zweigliedriges System der Hochschulabschlüsse.<br />
Hierzu soll das ECTS (�European Credit<br />
Transfer System) modifiziert werden. Außerdem<br />
sollenMobilitätshindernisseabgebautunddieMobilität<br />
von Studierenden, Wissenschaftlern und Verwaltungspersonal<br />
gefördert werden. Der Bologna-<br />
Prozess soll auch Arbeitsmarktaspekten Rechnung<br />
tragenunddieBeschäftigungsmöglichkeitenvoneuropäischen<br />
Hochschulabsolventen (z. B. nach einjährigem<br />
Aufbaustudiengang mit Abschluss Master<br />
of European Studies) auf dem internationalen Arbeitsmarkt<br />
verbessern. Mittelfristig ist davon auszugehen,<br />
dass der Bologna-Prozess in die Bildungspolitik<br />
der EU integriert wird. (Dem besseren allgemeinen<br />
Verständnis dient EXPLICA, eine Sammlung<br />
von Definitionen zur Europäischen Dimension des<br />
Bildungswesens, zusammengestellt auf dem DeutschenBildungsserver.)<br />
U. M.<br />
Internet: www.bildungsserver. de/ glossare.html.<br />
Literatur:<br />
BMBW: Berufsbildungsbericht, jährlich<br />
Fürst, A.: Die bildungspolitischen Kompetenzen der<br />
europäischen Gemeinschaft. Umfang und Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Frankfurt a. M. 1999<br />
Hilpold, P.: Bildung in Europa. Unter besonderer Berücksichtigung<br />
der EU-Bildungsprogramme. Baden-Baden 1995<br />
Europäische Kommission: Grünbuch zur europäischen Dimension<br />
des Bildungswesens. Brüssel 1993 [KOM (1993) 457]<br />
Dies.: Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven<br />
Gesellschaft. Weißbuch, Brüssel 1997 [KOM (1997) 563]<br />
Dies.: Allgemeine und berufliche Bildung – Forschung.<br />
Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität. Grünbuch,<br />
Brüssel 1996 [KOM (1996) 471]
Dies.: Für ein Europa des Wissens [KOM(1997) 563]<br />
Dies.: Die konkreten künftigen Ziele der Bildungssysteme<br />
[KOM(2001) 59]<br />
Dies.: Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens<br />
schaffen [KOM(2001) 678]<br />
Hrbek, R. (Hg.): Europäische Bildungspolitik und die Anforderungen<br />
des Subsidiaritätsprinzips. Baden-Baden 1994<br />
Linsenmann, I.: Die Bildungspolitik der Europäischen Union.<br />
In: W. Weidenfeld (Hg.), Europahandbuch, Bd. 1, Bielefeld<br />
2004 3 , S. 332–341<br />
Mickel, W. W. (Hg): Europäische Bildungspolitik. Neuwied/Rh.<br />
1978<br />
Schleicher, K. (Hg.): Zukunft der Bildung in Europa. Nationale<br />
Vielfalt und europäische Einheit. Darmstadt 1993<br />
Thiele, B.: Die Bildungspolitik der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Chancen und Versäumnisse der EG-Bildungspolitik zur<br />
Entwicklung des Europas der Bürger. Münster 2000<br />
Bildungsprogramme der EU<br />
1. Ziele und Zielgruppen. Die vielfältigen Bildungsprogrammeund-aktivitätenderGemeinschafthaben<br />
subsidiären Charakter; d. h. sie ergänzen die nationalen<br />
Bildungsangebote mit dem Ziel, eine �Europäische<br />
Dimension im Bildungswesen zu entwickeln,<br />
insbes. durch Fremdsprachenunterricht, Förderung<br />
der Mobilität von Lehrenden und Lernenden, Zusammenarbeit<br />
der Bildungseinrichtungen, Förderung<br />
des Jugendaustauschs, Verbesserung der beruflichen<br />
Erstausbildung und Weiterbildung sowie Anpassung<br />
der beruflichen Bildung an die industriellen<br />
Wandlungsprozesse.<br />
Diese Ziele ergeben sich aus Art. 149 und 150 EGV<br />
(�Bildungspolitik). Die Zielgruppen umfassen alle<br />
Lehrenden und Lernenden sowie das Verwaltungspersonal<br />
in den Bereichen der Bildung, Aus- und<br />
Weiterbildung.<br />
Ab Ende der 1980er Jahre wurde eine Vielfalt von<br />
Förderprogrammen und sonstigen Aktivitäten weitgehend<br />
ohne Abstimmung entwickelt; die einzelnen<br />
Initiativen überlagerten sich außerdem thematisch.<br />
Ab dem Durchführungszeitraum 1995 – 1999 sind<br />
die Maßnahmen im Bildungswesen in den drei gemeinschaftlichen<br />
Aktionsprogrammen „Sokrates“,<br />
„Leonardo da Vinci“ und „Jugend“ für Europa zusammengefasst.<br />
Diese Programme verfolgen die<br />
Ziele, den Bürgern, insbes. der Jugend, Europaerfahrungen<br />
zu vermitteln, sie dienen der Information und<br />
demErfahrungsaustauschundbeinhalteninnovative<br />
Maßnahmen vor allem in Form transnationaler Pilotprojekte.<br />
Im Rahmen der Gemeinschaftsprogramme<br />
werden übergreifende „Gemeinsame Maßnahmen“<br />
durchgeführt.<br />
Bildungsprogramme<br />
An den gemeinschaftlichen Aktionsprogrammen<br />
nehmen neben den Mitgliedstaaten der EU auch die<br />
Länder teil, mit denen Beitrittsverhandlungen aufgenommen<br />
wurden oder vorgesehen sind (Bulgarien,<br />
Rumänien und Türkei) sowie die drei EFTA-Länder<br />
Island, Liechtenstein und Norwegen, die im Rahmen<br />
des Abkommens über den �Europäischen Wirtschaftsraum<br />
(EWR) eingebunden sind.<br />
2. Programme im Überblick<br />
2.1 Sokrates. Das Gemeinschaftsprogramm wendet<br />
sich an alle Orte des Lernens von der Vorschule bis<br />
zur Universität und zur Erwachsenenbildung. Das<br />
Aktionsprogramm verfolgt die Ziele, lebenslanges<br />
Lernen und die Chancengleichheit in allen Bildungsbereichenzufördern,dieeuropäischeDimensionder<br />
Bildung auf allen Ebenen zu verstärken, den Zugang<br />
aller zur Bildung zu erleichtern und anerkannte QualifikationenundKompetenzenzuerwerben.Konkret<br />
sollen das Erlernen europäischer Sprachen unterstützt<br />
sowie die Mobilität in allen Bildungsbereichen<br />
und die Innovation im Bildungswesen gefördert werden.<br />
Hierzu werden Stipendien vergeben, damit Einzelpersonen<br />
im Ausland studieren, unterrichten, ein<br />
Praktikum absolvieren oder an Ausbildungsmaßnahmen<br />
teilnehmen können. Bildungseinrichtungen<br />
werden unterstützt, damit sie pädagogische Projekte<br />
durchführen oder Erfahrungen austauschen können.<br />
Verbände und �Nichtregierungsorganisationen erhalten<br />
Zuschüsse, um Aktivitäten zu Bildungsthemen<br />
organisieren zu können.<br />
Das Budget für die Laufzeit 2000 – 2006 beträgt<br />
1 850 Mio. Euro.<br />
2.1.1 Comenius. Diese speziell auf den Schulunterricht<br />
von der Vorschule bis hin zur Sekundarschule<br />
ausgerichtete Aktion richtet sich an alle Schulformen,<br />
an Einrichtungen der Erstausbildung und Lehrerfortbildungsstätten,<br />
an Schulleiter, Schulaufsichtsbeamte<br />
und andere Pädagogen, an Lehrer- und<br />
Elternverbände sowie an Nichtregierungsorganisationen,<br />
die im Bildungsbereich tätig sind. Comenius<br />
soll zur qualitativen Verbesserung der Schulbildung<br />
und zur Stärkung der europäischen Dimension in der<br />
Bildung beitragen. In der ersten Phase 1995 – 1999<br />
habenvonden340000SchuleninEuropa10000teilgenommen.<br />
Aktion 1: Schulpartnerschaften. Im Mittelpunkt<br />
steht die Zusammenarbeit in „Europäischen Bildungsprojekten“<br />
(EBP) mit den Themen: kulturelles<br />
Erbe, Umweltschutz, Wissenschaft, Technik u. a.<br />
101
Bildungsprogramme<br />
Die Projekte, die fest in den Lehrplan der beteiligten<br />
Schulen integriert sein müssen, können nur von ganzen<br />
Schulklassen durchgeführt werden. Dabei werden<br />
die Themen interdisziplinär erarbeitet. Im Rahmen<br />
eines Projekts stehen die Schüler in regelmäßigem<br />
Kontakt mit anderen Schülern im Ausland.<br />
Aktion 2: Interkulturelle Erziehung. Diese Aktion<br />
dient einerseits gezielt der Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten<br />
für soziale Gruppen, die aufgrund<br />
ihrer Lebensform oder ethnischen Zugehörigkeit<br />
benachteiligt sind (Wanderarbeiter, Sinti und<br />
Roma,Nichtsesshafte)undwendetsichanderseitsan<br />
Schülerimallgemeinen,umihnendieFähigkeitenzu<br />
vermitteln, sich auf das Leben in einer zunehmend<br />
multikulturellen Gesellschaft einzustellen. Zu den<br />
vorrangigen Aktionsbereichen gehören der Unterricht<br />
der Sprache und Kultur des Gastlandes sowie<br />
des Heimatlandes der Kinder von Wanderarbeitern,<br />
die Integration der Kinder von Sinti und Roma sowie<br />
von Nichtsesshaften in die Grund- und Sekundarausbildung<br />
und die Entwicklung schulischer Verbundnetze,<br />
um den Kindern von Personen, die einem<br />
Wandergewerbe nachgehen, den Zugang zu den Bildungseinrichtungen<br />
zu erleichtern.<br />
Aktion 3: Berufsbegleitende Fortbildung für Lehrer<br />
und Erzieher. Die transnationalen Projekte befassen<br />
sich schwerpunktmäßig mit der Förderung der europäischen<br />
Dimension im Unterricht.<br />
2.1.2Erasmus(EuropeanCommunityActionScheme<br />
for the Mobility of University Students). Das Programm<br />
wurde 1987 mit unbegrenzter Laufzeit eingerichtet.<br />
Es fördert den Austausch von Studenten und<br />
Dozenten sowie die Zusammenarbeit europäischer<br />
Hochschulen. Das Programm steht allen Hochschuleinrichtungen<br />
in allen akademischen Disziplinen offen.<br />
Die Kooperationsmaßnahmen sollen zur Förderung<br />
der „europäischen Dimension“ beitragen. Im<br />
Jahr 2004 nahmen 2 199 Hochschuleinrichtungen in<br />
31 Ländern an Erasmus teil. Seit der Einführung des<br />
Programm 1987 haben 1,2 Mio. Studierende einen<br />
Erasmus-Studienaufenthalt im Ausland erhalten.<br />
DasBudgetbetrug2004mehrals187,5Mio.Euro.<br />
Aktion 1: Zuschüsse an Universitäten für Aktivitäten<br />
mit einer europäischen Dimension will im Rahmen<br />
der Studentenmobilität optimale Bedingungen dafür<br />
schaffen, dass ein anerkannter Teil des Studiums in<br />
einem anderen teilnehmenden Land absolviert werden<br />
kann. Zu dieser Aktion gehört das Projekt ECTS,<br />
das Europäische System zur Anrechnung von Stu-<br />
102<br />
dienleistungen (European Community Course Credit<br />
Transfer System). Danach können die Studenten<br />
„creditpoints“ (Studienleistungen) in einem Land<br />
sammeln und dann in anderen Ländern weiter studieren.<br />
Gefördert werden auch die Entwicklung von<br />
Lehrplänen für verschiedene Studienniveaus, die<br />
Dozentenmobilität (Finanzierung von Lehraufträgen,<br />
Gastvorlesungen und ausgewählte Lehrstipendien<br />
für jüngere Akademiker) und Intensivprogramme.<br />
Aktion2:MobilitätszuschüssefürStudentensiehtdie<br />
direkte finanzielle Unterstützung von Studenten vor,<br />
die einen Teil ihres Studiums (drei Monate bis zu einem<br />
Studienjahr) im Ausland verbringen.<br />
Thematische Netze (1997: 33) schließen Hochschulen,<br />
Fakultäten oder Institute und akademische Vereinigungen<br />
zusammen, um Probleme im europäischen<br />
Kontext zu erörtern. Im Rahmen dieser Austauschvereinbarungen<br />
erhalten die Hochschulen unmittelbar<br />
von der EU Zuschüsse.<br />
2.1.3 Förderung des Fremdsprachenerwerbs (Lingua).<br />
In dieses Programm (Programme to promote<br />
foreign language learning and teaching in the EC)<br />
sind nur die Sprachen der EU-Länder einbezogen,<br />
insbes. sollen die weniger verbreiteten Sprachen gefördert<br />
werden. Ziel ist es, durch Abbau der Sprachbarrieren<br />
kulturelle Unterschiede in der Gemeinschaft<br />
verständlich zu machen und damit den Dialog<br />
zu fördern. Die Lingua-Aktion bezieht sich auf alle<br />
Stufen und Bereiche des Bildungswesens mit dem<br />
SchwerpunktinderSchulbildung,derAus-undWeiterbildung<br />
von Fremdsprachenlehrern, der Erwachsenenbildung<br />
und der Entwicklung von Curricula für<br />
den Fremdsprachenunterricht. Ein Teil dieser Aktion<br />
steht in Wechselwirkung mit Aktivitäten im Rahmen<br />
von Leonardo da Vinci (Fremdsprachenerwerb<br />
am Arbeitsplatz).<br />
2.1.4OffenerUnterrichtundFernlehre.Hierbeigeht<br />
es vor allem um neue Verfahren, um Unterricht und<br />
Lernen flexibler zu gestalten und den Fernzugang zu<br />
den Bildungssystemen zu verbessern. Damit sollen<br />
die Vorteile für den Bürger genutzt werden, die sich<br />
aus einem offenen europäischen Raum für die Zusammenarbeit<br />
im Bildungswesen eröffnen. Hierzu<br />
werden Zuschüsse vergeben an Benutzer und Anbieter<br />
von Fernlehrangeboten, an Hersteller von Bildungssoftware<br />
und Lernprogrammen und an Bildungseinrichtungen,<br />
die neue Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien in ihren regulären
Unterricht integrieren, sofern es sich um Projekte<br />
handelt, die im Rahmen europäischer Partnerschaften<br />
durchgeführt werden.<br />
2.1.5 Erwachsenenbildung. Diesbezügliche Maßnahmen<br />
von Grundtvig im Rahmen des Sokrates-<br />
Programms beziehen sich ausschließlich auf die europäische<br />
Dimension in der Erwachsenenbildung<br />
und beinhalten die Förderung eines europäischen<br />
�Bewusstseins und des Wissens um Europa: Verbreitung<br />
von Kenntnissen über die Kulturen und Traditionen<br />
in den anderen Ländern, Verbesserung der<br />
Sprachkenntnisse sowie der Kenntnisse der Erwachsenen<br />
über politische, wirtschaftliche und administrative<br />
Aspekte der Europäischen Union. Die Maßnahmen<br />
stellen eine Fortführung der Gemeinschaftsaktionen<br />
zur Förderung der europäischen Staatsbürgerschaft<br />
dar.<br />
2.1.6 Informations- und Erfahrungsaustausch über<br />
Bildungspolitik und Bildungssysteme. Die Sammlung,<br />
Analyse und der Austausch von Informationen<br />
über die verschiedenen Bildungssysteme und Bildungspolitiken<br />
dienen dem Ausbau der Zusammenarbeit<br />
im Bildungsbereich und sollen die Qualität des<br />
Angebots verbessern. Die Aktion wendet sich an Regierungsstellen<br />
und andere für die Bildung auf den<br />
verschiedenen Ebenen zuständige Behörden, an verantwortliche<br />
Personen sowie pädagogische Berater<br />
und Einrichtungen.<br />
Aktion 1: Analyse bildungspolitischer Fragen von<br />
gemeinsamem Interesse. Die Aktion dient vor allem<br />
derVerbesserungdesInformations-undErfahrungsaustausches<br />
über zentrale bildungspolitische Fragen<br />
in Abstimmung mit entsprechenden Aktivitäten im<br />
Leonardo-Programm, in Zusammenarbeit mit dem<br />
Europäischen Zentrum zur Förderung der Berufsbildung<br />
(�CEDEFOP) und dem Statistischen Amt der<br />
EU (�Eurostat) sowie in Koordination mit den Gemeinschaftsprogrammen<br />
zur sozioökonomischen<br />
ForschungundzurFörderungderChancengleichheit<br />
von Männern und Frauen.<br />
Aktion 2: Europäisches Bildungsinformationsnetz<br />
(� Eurydice). Das Netz besteht aus Informationsstellen,<br />
die von den einzelnen teilnehmenden Ländern<br />
eingerichtet werden, und umfasst folgende Dienstleistungen<br />
und Produkte: ein Anfrage-Antwort-<br />
System, das einzelstaatlichen Behörden Informationen<br />
zu bildungspolitischen Fragen liefert, Datenbanken<br />
zu verschiedenen Aspekten der Bildungssysteme<br />
und Erstellung von Analysen und Berichten.<br />
Bildungsprogramme<br />
Aktion 3: Studienbesuche für Entscheidungsträger<br />
imBildungswesen(ARION).ImRahmendieserAktion<br />
werden Zuschüsse für multilaterale Studienbesuche<br />
gewährt, insbes. zu Themen, die sich auf den Unterricht<br />
in der Primar- und Sekundarstufe (aller<br />
Schulformen) beziehen.<br />
Aktion 4: Netz der nationalen Informationszentren<br />
für die akademische Anerkennung (National Academic<br />
Recognition Information Centres) NARIC besteht<br />
aus nationalen Informationszentren in jedem<br />
Mitgliedstaat der EU und jedem EFTA/EWR-Land.<br />
Institutionen und Bürger können sich über Hochschulsysteme<br />
und Hochschulabschlüsse informieren,<br />
um die Anerkennung dieser Abschlüsse in anderen<br />
teilnehmenden Ländern zu erleichtern.<br />
2.2 Leonardo da Vinci fasst zusammen und ersetzt<br />
die seit 1986 bestehenden Programme Comett (Community<br />
Action Programme for Education and Training<br />
for Technology), ein Programm über Zusammenarbeit<br />
zwischen Hochschule und Wirtschaft im<br />
Bereich der Aus- und Weiterbildung, Petra (Partnership<br />
in Education and Training), ein Aktionsprogramm<br />
zur Berufsausbildung Jugendlicher und zu<br />
ihrer Vorbereitung auf das Berufsleben, Teile von<br />
Lingua (s. 2.1.3), EUROTECNEC (European Technical<br />
Network) zur Förderung von Innovationen im<br />
beruflichen Bildungswesen in der Folge des technologischen<br />
Wandels und FORCE (Formation continuée<br />
en Europe), ein Aktionsprogramm zur Förderung<br />
der Weiterbildung.<br />
Das Gemeinschaftsprogramm verfolgt seit seiner<br />
ersten Phase 1995 – 1999 das Ziel, einen „offenen<br />
Raum der Berufsbildung und Berufsqualifikation“<br />
im Rahmen der EU zu verwirklichen: Verbesserung<br />
der Qualität der beruflichen Bildung durch grenzüberschreitende<br />
Austauschmaßnahmen, Pilotprojekte<br />
und Studien in den Bereichen der beruflichen<br />
Ausbildung und Weiterbildung und der Zusammenarbeit<br />
von Hochschule und Wirtschaft. Das Programm<br />
fördert transnationale Projekte in der Berufsbildung<br />
auf der Grundlage einer Zusammenarbeit<br />
zwischen Berufsbildungsakteuren (Bildungseinrichtungen,<br />
Berufsschulen, Hochschulen, Unternehmen,<br />
Kammern u.a.) sowie die Mobilität von Personen<br />
in Erstausbildung, von Ausbildern oder Betreuern<br />
sowie die Innovation und Qualitätsverbesserung<br />
in der Berufsbildung. Die zweite Phase 2000 – 2006<br />
unterscheidetsichvondererstendarin,dassdieMaßnahmen<br />
dezentral und bürgernah durchgeführt wer-<br />
103
Bildungsprogramme<br />
denundInformationüberundVerbreitungvonInformation<br />
Vorrang haben. Hauptziele sind, die berufliche<br />
Eingliederung sowie die Qualität von und des<br />
Zugangs zur Berufsbildung zu verbessern und den<br />
Beitrag von Bildung zum Innovationsprozess zu<br />
stärken. Hierzu wurden die Mittel von 670 Mio. Euro<br />
(1995 – 1999) auf 1,15 Mrd. Euro aufgestockt. Es<br />
wird angestrebt im Zeitraum 2000 bis 2006 etwa<br />
250 000 Personen eine Mobilitätserfahrung zu ermöglichen.<br />
Die Gemeinschaftsmaßnahmen umfassen:<br />
(1) Mobilität: Förderung transnationaler Mobilitätsprojekte<br />
für Personen in der Berufsbildung, vor allem<br />
junge Menschen sowie Bildungsverantwortliche<br />
Unterstützung;<br />
(2) Pilotprojekte: Förderung von transnationalen Pilotprojekten<br />
im Hinblick auf Entwicklung und Verbreitung<br />
von Innovation und Qualität in der Berufsbildung;<br />
(3) Sprachenkompetenz: Förderung von Projekten<br />
zur Verbesserung sprachlicher und kultureller Kompetenzen<br />
in der Berufsbildung durch Entwicklung<br />
von Lehr- und Lernmaterial und Austauschprojekte<br />
für Ausbilder und Betreuer von Teilnehmern an Mobilitätsprojekten;<br />
(4) Transnationale Netze: Erstellung, Systematisierung<br />
und Weiterentwicklung von europäischem<br />
Fachwissen und innovativen Ansätzen sowie Verbesserung<br />
des Qualifikations- und Kompetenzbedarfs;<br />
(5) Vergleichsmaterial: Datenvergleich, Untersuchungen<br />
und Analysen, Beobachtung und Verbreitung<br />
bewährter Praxis zusammen mit dem CEDE-<br />
FOP.<br />
2.3 JUGEND (Jugend für Europa) wurde 1988 eingerichtet.<br />
In der vierten Phase 2000 – 2006 ist es mit<br />
einem Budget von 520 Mio. Euro ausgestattet. Das<br />
Aktionsprogramm stützt sich auf Art. 149 EGV und<br />
istvorrangigesInstrumentzurFörderungderZusammenarbeit<br />
im Jugendbereich. Das Programm will<br />
dazu anregen, die Mobilität junger Menschen zu fördern,<br />
Eigeninitiativen und Kreativität zu entwickeln<br />
und auszuprobieren, andere Kulturen kennen zu lernen,<br />
Toleranz und Solidarität zu entfalten, das zusammenwachsende<br />
Europa zu erfahren und Schlüsselqualifikationen<br />
für die persönliche und berufliche<br />
Weiterbildung zu erwerben. Es richtet sich an junge<br />
Europäer zwischen 15 und 25 Jahren. Angesprochen<br />
werden sollen vor allem Gruppen, die an anderen<br />
104<br />
Austauschprogrammen nicht teilnehmen können;<br />
deshalb fallen Projekte im Rahmen der allgemeinen<br />
schulischen und der beruflichen Bildung nicht unter<br />
dieses Programm.<br />
Jugend gliedert sich in fünf Aktionen:<br />
– Jugendbegegnungen (Förderpriorität: Kennenlernen<br />
des Vertrags über die EU-Verfassung);<br />
– Europäischer Freiwilligendienst (individuelle und<br />
multilateraleFreiwilligendienstevon3Wochenbis1<br />
Jahr);<br />
Anschriften für Bildungsprogramme:<br />
Leitfaden für Antragsteller und Antragsformulare zu<br />
SOKRATES:<br />
Büro zur technischen Unterstützung Sokrates und Jugend,<br />
Rue Montoyer 70 / Montoyerstraat 70, B–1000 Bruxelles<br />
ERASMUS:<br />
Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD),<br />
Kennedyallee 50, 53175 Bonn<br />
E-Mail: Erasmus@daad.de<br />
COMENIUS, ARION und LINGUA (schulischer Bereich):<br />
Pädagogischer Austauschdienst der Kultusministerkonferenz<br />
(PAD), Lennéstraße 6, 53113 Bonn<br />
E-Mail: pad.comenius@kmk.org<br />
Internet: htttp://www.kmk.orgf/pad/sokrates2/<br />
COMENIUS (sprachbezogene Aktivitäten außer an Schulen und Lehrerbildungseinrichtungen);<br />
GRUNDVIG 3 (Mobilität):<br />
Internationale Weiterbildung und Entwicklung (InWent) GmbH,<br />
Weyerstraße 79 – 83, 50676 Köln<br />
E-Mail: sokrates@inwent.org<br />
Internet: http://www.europa.inwent.org<br />
GRUNDVIG 1 (Projekte), 2 (Lernpartnerschaften) und 4 (Netzwerke);<br />
LINGUA (außer an Schulen), MINERVA; alle sonstigen Aktionen,Bildung<br />
für Europa:<br />
Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />
Robert-Schuman-Platz 3, 53175 Bonn<br />
E-Mail: Sokrates@bibb.de<br />
Internet: http://www.na-bibb.de/sokrates/<br />
LEONARDO DA VINCI:<br />
Nationale Koordinierungsstelle:<br />
Nationale Agentur Bildung für Europa, Beim Bundesinstitut für<br />
Berufsbildung (BIBB), Hermann-Ehlers-Straße 10, 53113 Bonn<br />
E-Mail: leonardo@bibb.de<br />
Carl-Duisberg-Gesellschaft e.V. (CDG), Durchführungsstelle<br />
Leonardo da Vinci, Im Auftrag des BMBF, Weyerstr. 79-83,<br />
50676 Köln<br />
E-Mail: leonardo@cdg.de<br />
Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD), Durchführungsstelle<br />
Leonardo da Vinci, Im Auftrag des BMBF, Kennedyallee<br />
50, 53175 Bonn<br />
E-Mail: leonardo@daad.de<br />
Praktika:<br />
bei der Europäischen Kommission:<br />
Europäische Kommission, Generalsekretariat-Praktikantenbüro,<br />
Rue de la Loi 200, B–1049 Bruxelles<br />
beim Europäischen Parlament:<br />
Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaft (Robert-Schuman-Stipendien),<br />
Generaldirektion Personal, Haushalt<br />
und Finanzen (Dolmetscher und Übersetzer), Büro 6/84 a –<br />
Schuman-Gebäude, L–2929 Luxemburg<br />
Deutsche Agentur für das EU-Aktionsprogramm JUGEND:<br />
Internetangebot: www.jugendfuereuropa.de<br />
JUGEND<br />
Deutsche Agentur JUGEND, Heussallee 30, 53113 Bonn<br />
E-Mail: jfe@jfemail.de
– Initiativen Jugendlicher (Jugendinitiativen und<br />
Future-Capital-Projekte);<br />
– Gemeinsame Aktionen (Unterstützung von Projekten<br />
in der Schnittmenge zwischen den drei Aktionsprogrammen);<br />
– Unterstützende Maßnahmen (Projekte für Fachkräfte<br />
und andere Akteure der Jugendarbeit).<br />
3. Zusammenarbeit mit Drittländern. Nach Art. 149<br />
Abs. 3 EGV fördern die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten<br />
die Zusammenarbeit mit Drittländern<br />
im Bereich der Bildung. Das Mobilitätsprogramm<br />
für den Hochschulbereich Tempus (Trans-European<br />
Mobility Scheme for University Studies) besteht seit<br />
1990. Es diente in der zweiten Phase auch zur Unterstützung<br />
wirtschaftlicher und sozialer Reformen in<br />
den mittel- und osteuropäischen Ländern, mit denen<br />
die Gemeinschaft Beitrittsverhandlungen geführt<br />
hat und wurde hierzu aus dem �PHARE-Haushalt<br />
der Gemeinschaft finanziert. Gleichzeitig wurden in<br />
diesen Zeitraum auch die drei GemeinschaftsprogrammeSokrates,LeonardodaVinciundJugendgeöffnet,<br />
um diesen Ländern den �Beitritt zu erleichtern.<br />
DasProgrammTempusIII,Laufzeit2000–2006,das<br />
ursprünglich nur für die Länder Mittel- und OsteuropasunddieNeuenUnabhängigen(GUS-)Staatender<br />
ehemaligen Sowjetunion bestimmt war, steht jetzt<br />
zahlreichen anderen Ländern in Osteuropa, Asien<br />
und im Mittelmeerraum offen. Tempus III soll die<br />
Entwicklung des Hochschulwesens in den förderungsberechtigten<br />
Ländern unterstützen, indem das<br />
Verständnis zwischen den Kulturen und ihre Annäherung<br />
gefördert wird: Entwicklung und Überarbeitung<br />
von Lehrplänen, Reform der Hochschulstrukturen,<br />
Entwicklung berufsbezogener Ausbildungsgänge,<br />
Beitrag der Hochschulbildung und Ausbildung<br />
zur Entwicklung des Staatsbürgertums und zur Stärkung<br />
der Demokratie.<br />
Kooperationsabkommen mit den USA und Kanada<br />
im Bereich der Hochschul- und Berufsbildung dienen<br />
u. a. der Förderung des gegenseitigen Verständnisses,<br />
innovativer und primär auf Studierende ausgerichteter<br />
Maßnahmen, der qualitativen Verbesserung<br />
der transatlantischen Mobilität und der Förderung<br />
von Partnerschaften zwischen Hochschulen<br />
und Berufbildungseinrichtungen.<br />
4. Perspektiven. Die Gemeinschaftsprogramme Sokrates,LeonardodaVinciundTempusIIIfürMobilität<br />
und Zusammenarbeit in der allgemeinen und be-<br />
Bildungsprogramme<br />
ruflichen Bildung sowie die Jugendprogramme laufen<br />
Ende 2006 aus. Die Gemeinschaftsprogramme<br />
sollen auf Vorschlag der Kommission vom 9. 3. 2004<br />
(KOM 2004/156 endg.) für den Zeitraum 2007 –<br />
2013 in einer neuen Programmgeneration fortgeführt<br />
werden. Das neue Integrierte Programm für<br />
Mobilität und Zusammenarbeit im Bereich des lebenslangen<br />
Lernens in der allgemeinen und beruflichen<br />
Aus- und Weiterbildung und das neue Tempus<br />
Plus-Programm gründet auf den Beschlüssen von<br />
Lissabon (�Bildungspolitik), die darauf abzielen,<br />
Europa bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten<br />
wissensbasierten Wirtschaftsraum zu machen,<br />
der sog. �Bologna-Prozess (Hochschulbildung) und<br />
dem �Kopenhagen-Prozess (Berufsbildung), die die<br />
Kohärenz und die Qualität der entsprechenden europäischen<br />
Politiken stärken sollen. Das neue Integrierte<br />
Programm ist in die Teilprogramme Comenius<br />
für die Schulbildung (siehe 2.1.1), Erasmus für<br />
alle Formen der Bildung in der Hochschule (siehe<br />
2.1.2),LeonardodaVincifürdieberuflicheAus-und<br />
Weiterbildung (siehe 2.2) und Grundtvig für die Erwachsenenbildung<br />
(siehe 2.1.5) unterteilt. Zur Stärkung<br />
der Synergien und Kohärenz zwischen den Aktionen<br />
und Programmen wird ein QuerschnittsprogrammmitsektorübergreifendenThemeneingerichtet,<br />
das die Entwicklung politischer Strategien, Sprachenlernen,<br />
neue Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
sowie die Verbreitung und Verwertung<br />
von Ergebnissen beinhaltet. Mit dem horizontalen<br />
Jean-Monnet-Programm sollen verschiedene<br />
Einrichtungen und Aktivitäten unterstützt werden,<br />
die die europäische Integration fördern.<br />
Im Zeitraum 2007 – 2013 sollen mindestens 10 % der<br />
Schülerinnen und Schüler der Union und ihrer Lehrkräfte<br />
am Programm Comenius teilnehmen; bis 2010<br />
soll die Zahl der an Erasmus teilnehmenden StudierendendreiMillionenerreichen;bis2013sollenjährlich<br />
150 000 Personen Zugang zu Leonardo haben<br />
und mindestens 50 000 Erwachsene einen Aus- und<br />
Fortbildungsaufenthalt im Ausland erhalten. Mit<br />
diesen Zielvorgaben steigen die Umfänge der bisherigen<br />
Programme um etwa das Dreifache.<br />
Das neue Tempus Plus-Programm baut auf dem Programm<br />
Tempus III (siehe 3.) auf. Die bislang erfolgreichen<br />
Maßnahmen im Bereich der Hochschulausbildung<br />
werden auf das Spektrum des lebenslangen<br />
Lernens (Schulen, berufliche Aus- und Weiterbildung<br />
und Erwachsenenbildung) erweitert mit dem<br />
105
Bindung an völkerrechtliche Grundsätze<br />
Ziel, bis 2013 die Mobilität von mindestens 100 000<br />
Personen zu fördern.<br />
5. Bewertung. Nach Berichten über die Zwischenevaluierung<br />
der laufenden Phasen von Sokrates und<br />
Leonardo da Vinci (KOM 2004/153 und KOM<br />
2004/152) werden der Umfang und die Schwerpunkte<br />
der Programmaktionen allgemein als sinnvoll und<br />
angemessen bewertet, jedoch die administrativen<br />
und finanziellen Verfahren weiterhin als unverhältnismäßig<br />
schwerfällig und langsam beurteilt. Die<br />
Auswahlkriterien sollten überarbeitet, es sollte stärker<br />
auf Synergien und Kohärenz geachtet werden.<br />
Bemängelt wird weiterhin, dass die guten Ergebnisse,<br />
die im Rahmen der Programme erzielt wurden,<br />
nichtweitgenugverbreitetwürdenundaußerdemdie<br />
Rechtsgrundlagen der derzeitigen Programme zu detailliert<br />
wären, was zu Problemen bei der Umsetzung<br />
führenwürde.DeshalbschlägtdieKommissioninihrer<br />
Mitteilung vom 9. 3. 2004 vor, dass bei den neuen<br />
Programmen ein größerer Teil der Aktionen dezentral<br />
und damit benutzerfreundlicher durch Nationale<br />
Agenturenungesetztwird – über80%desBudgets.<br />
Trotz dieser Kritikpunkte sind vor allem die Maßnahmen<br />
zur Steigerung der Mobilität sehr erfolgreich.<br />
So bewerten z. B. Studenten die Erfahrungen,<br />
die sie im Rahmen des ERASMUS-Programms während<br />
ihres Auslandsaufenthaltes gesammelt haben,<br />
durchweg positiv wegen der Vertiefung der Fremdsprachenkenntnisse<br />
und des besseren Verständnisses<br />
anderer Kulturen, aber auch bezüglich der Entwicklung<br />
der eigenen Persönlichkeit. Ähnliches gilt<br />
auchfürdieanderenBildungsprogramme,vondenen<br />
auch Impulse auf die Berufszugangsregelungen im<br />
außerakademischen Bereich ausgehen.<br />
DieAktionJeanMonnet,diedurchgeführtwurde,um<br />
die Hochschulen in den Mitgliedstaaten zu veranlassen,<br />
das Thema „Europa“ in ihr Lehrangebot aufzunehmen,<br />
hat allein im Zeitraum 1990/91 – 1992/93<br />
dazu geführt, dass 136 „Europa-Lehrstühle“ (vor allem<br />
in den Fächern Jura, Wirtschaftswissenschaften,<br />
Geschichte, Politik und Sozialkunde) gefördert werden<br />
konnten, die sich ausschließlich der Thematik<br />
der europäischen Integration widmen. Sie soll im<br />
Rahmen des neuen horizontalen Jean-Monnet-Programms<br />
weitergeführt werden.<br />
Im Rahmen des Programmteils Petra haben sog. Jugendinitiativprojekte,<br />
die von Jugendlichen selbst<br />
geplant und durchgeführt werden, dazu beigetragen,<br />
Kreativität und Eigeninitiative zu fördern. Dieses<br />
106<br />
gilt insbes. für Projekte, die benachteiligten Jugendlichen<br />
helfen, die Chancengleichheit für Mädchen<br />
und junge Frauen verbessern, bei der Schaffung neuerArbeitsplätzebehilflichsindoderneueKenntnisse<br />
und Fähigkeiten vermitteln.<br />
Einen Vorbildcharakter für den Ausbau von Netzen<br />
auf europäischer Ebene haben die vielfältigen Initiativen<br />
des Deutsch-Französischen �Jugendwerks. Inwiefern<br />
die Teilnahme an den europäischen Bildungs-<br />
und Ausbildungsprogrammen Wirkungen<br />
auf das Berufsleben hat, ist noch wenig untersucht.<br />
Jedoch schätzen Arbeitgeber die Erweiterung des<br />
geistigen Horizontes durch den Austausch.<br />
Insgesamt gesehen, tragen die Mobilitätsprogramme,<br />
die Förderung der Fremdsprachenkenntnisse<br />
und der Jugendaustausch dazu bei, dass schrittweise<br />
mehr Freizügigkeit erreicht wird, dass der Gedanke<br />
der �europäischen Identität und gegenseitiges Verständnis<br />
sowie die Bereitschaft zu solidarischem<br />
Handeln gefördert werden. Die Bildungsprogramme<br />
sind insofern ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu<br />
einem�EuropaderBürger. U. M.<br />
Literatur:<br />
Chance Europa – Europäische Bildungsprogramme und<br />
Bildungszusammenarbeit; 4. Überarbeitete Auflage, Medienabteilung<br />
Universität Tübingen – CD-Rom: Erhältlich beim<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung, Referat<br />
Öffentlichkeitsarbeit, 53170 Bonn<br />
Hilpold, P.: Bildung in Europa. Unter besonderer Berücksichtigung<br />
der EU-Bildungsprogramme, Baden-Baden 1995<br />
Kommission (Hg.): Die neue Generation von Programmen im<br />
Bereich allgemeine und berufliche nach 2006, Brüssel 2004<br />
[KOM (2004) 156 endg.]<br />
Dies.: „Le Magazine. Allgemeine und berufliche Bildung und<br />
Jugend in Europa“ (Zeitschrift, hg. v. d. Task Force Human<br />
Ressources, Rue Joseph II 37, B–1049 Bruxelles; Amt für<br />
amtl. Veröffentlichungen, Rue Mercier 2, L–2985 Luxemburg<br />
Bindung an völkerrechtliche Grundsätze. Soweit<br />
die Gemeinschaften völkerrechtsfähig (im Verhältnis<br />
zu ihren Mitgliedstaaten vgl. Art. 281 EGV)<br />
sind und sie die Außenbeziehungen (z. B. Art. 133<br />
Abs. 3, Art. 170 Abs. 2, Art. 300 – 304, 310 EGV;<br />
�Vertragsschlusskompetenz) wahrnehmen, gilt das<br />
allgemeine Völkerrecht für sie in vollem Umfang.<br />
Sie sind insoweit an ungeschriebene Regeln genauso<br />
wie geschriebene Regelungen, etwa die �Wiener<br />
Vertragsrechtskonvention (1969), die Wiener Diplomatenrechtskonvention<br />
(1961) oder die Wiener<br />
Konsularrechtskonvention (1963) gebunden. Ob die<br />
Europäische Union �Völkerrechtssubjektivität besitzt,<br />
ist nach wie vor umstritten. Das schließt eine
mittelbare Bindung aber nicht aus. Wenn die Union<br />
nicht selbst Adressat völkerrechtlicher Pflichten<br />
mangels Rechtspersönlichkeit sein kann, so sind<br />
aber alle Mitgliedstaaten an völkerrechtliche Grundsätze<br />
gebunden, wenn sie im Rahmen der Union handeln.<br />
Nach dem �Verfassungsvertrag 2004 soll die<br />
Europäische Union gem. Art. I-7 Rechtspersönlichkeit<br />
erhalten mit der Folge, dass auch sie im Rahmen<br />
ihrer Zuständigkeit an allgemeine völkerrechtliche<br />
Grundsätzegebundenist. St. U. P.<br />
Bindungswirkung von EGMR-Entscheidungen.<br />
Die Frage, ob und in welchem Umfang Entscheidungen<br />
des (vom Europarat geschaffenen) �Europäischen<br />
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)<br />
Bindungswirkung – insbes. gegenüber den GerichtenderMitgliedstaatenderEuropäischenMenschenrechtskonvention<br />
(EMRK) – entfalten, ist jedenfalls<br />
in den Ländern, in denen die EMRK einschl. ihrer<br />
Zusatzprotokolle – wie in Deutschland – keinen Verfassungsrang<br />
hat, von hoher Bedeutung. Einigkeit<br />
besteht darüber, dass die EMRK, die in Deutschland<br />
den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat, von<br />
allen Fachgerichten zu beachten und anzuwenden<br />
ist. Das Recht der Mitgliedstaaten muss ferner – soweit<br />
möglich – im Einklang mit der EMRK völkerrechtsfreundlich<br />
ausgelegt werden. Da zuvörderst<br />
der EGMR zur Interpretation der EMRK und ihrer<br />
Zusatzprotokolleberufenist,habendessenEntscheidungen<br />
naturgemäß in allen Mitgliedstaaten der<br />
EMRK eine hohe Bedeutung.<br />
Eine andere Frage ist, inwiefern Entscheidungen des<br />
EGMRüberdieGewährleistungenderEMRKfürdie<br />
Gerichte der Mitgliedstaaten bindend sind. Diese<br />
Frage stellt sich vornehmlich dann, wenn gleichoder<br />
höherrangiges Recht mit der Rechtsprechung<br />
des EGMR in Konflikt gerät. Während etwa für (Senats-)Entscheidungen<br />
des Bundesverfassungsgerichts<br />
ausdrücklich bestimmt ist, dass sie für alle Gerichtebindendsind(§31Abs.1BVerfGG),fehlteine<br />
solche Vorschrift in der EMRK. Das Konventionsrecht<br />
misst den Feststellungsurteilen des EGMR<br />
zwar unterschiedliche Rechtswirkungen zu: Nach<br />
Art.42undArt.44EMRKwerdendieUrteiledesGerichtshofs<br />
endgültig und erwachsen damit in formelle<br />
Rechtskraft. Die Vertragsparteien haben sich ferner<br />
gem Art. 46 EMRK verpflichtet, in allen Rechtssachen,<br />
in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil<br />
des Gerichtshofs zu befolgen. Eine normative Bin-<br />
Binnenmarkt<br />
dungswirkung im Sinne einer Letztverbindlichkeit<br />
lässt sich dem Konventionsrecht aber nicht entnehmen.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner viel<br />
beachteten Görgülü-Entscheidung vom 14. 10. 2004<br />
(EuGRZ 2004, 741) grundlegend mit dieser Problematik<br />
befasst. Nach seinem Dafürhalten erstreckt<br />
sich die Bindungswirkung einer Entscheidung des<br />
EGMR auf alle gesetzlichen Organe und verpflichtet<br />
diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit<br />
und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und<br />
Recht einen fortdauernden Konventionsverstoß zu<br />
beenden und einen konventionsgemäßen Zustand<br />
herzustellen. Die Art und Weise der Bindungswirkung<br />
von Entscheidungen des EGMR hängt aber<br />
auch von dem Zuständigkeitsbereich der staatlichen<br />
OrganeabundvondemSpielraum,denvorrangiganwendbares<br />
Recht ihnen lässt. Handelt es sich etwa<br />
um ein ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen<br />
Rechts, das verschiedene Grundrechtspositionen<br />
miteinander zum Ausgleich bringt, so müssen<br />
dieGerichteeineEntscheidungdesEGMRindenbetroffenen<br />
Teilrechtsbereich möglichst schonend einpassen.<br />
In solchen und ähnlichen Fällen müssen (und<br />
dürfen) EGMR-Entscheidungen folglich nicht<br />
„schematisch vollstreckt“, sondern lediglich im<br />
Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegungberücksichtigtwerden.<br />
Ch. S.<br />
Literatur:<br />
Klein, E.: Binding Effect of ECHR judgements. In: Festschrift<br />
für Ryssdal (2000), S. 705<br />
Polakiewicz, J.: Die Verpflichtungen der Staaten aus den<br />
Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.<br />
Berkin/Heidelberg 1993, S. 63 ff. et passim<br />
Meyer-Ladewig, J./Petzold, H.: Die Bindung deutscher<br />
Gerichte an Urteile des EGMR, NJW 2005, 15<br />
Cremer, H.-J.: Zur Bindungswirkung von EGMR-Urteilen,<br />
EuGRZ 2004, 683<br />
Binnenmarkt<br />
1. Begriffserklärung: Der Begriff „Binnenmarkt“<br />
beschreibt einen gemeinsamen Wirtschaftsraum<br />
ohne Binnengrenzen, in dem der freie und unbeschränkte<br />
Verkehr von Waren, Personen, Kapital<br />
und Dienstleistungen (sog. �„vier Freiheiten“) gewährleistet<br />
wird (Art. 14 EGV). Zwischen den Mitgliedstaaten,<br />
die am Binnenmarkt teilnehmen, bestehen<br />
keine Zölle mehr, �nichttarifäre Handelshemmnisse<br />
sind abgebaut; der Außenhandel mit Drittländern<br />
unterliegt einem gemeinsamen Außenhandelstarif<br />
(�Zollunion). Oft wird synonym der Begriff<br />
107
Binnenmarkt<br />
�„Gemeinsamer Markt“ verwendet. Der Binnenmarkt<br />
bildet die Voraussetzung und Grundlage für<br />
die �Wirtschafts- und Währungsunion der EU<br />
einschl. der europäischen Währung (�Euro).<br />
2. Das Binnenmarkt-Programm: Schon im EWG-<br />
Vertrag von 1957 war die Errichtung eines Gemeinsamen<br />
Marktes vorgesehen (Art. 2 EWGV). Die darin<br />
angestrebte Zollunion war eineinhalb Jahre früher<br />
als geplant realisiert (Juli 1968). Die Verwirklichung<br />
der vier Freiheiten machte jedoch nur schleppendeFortschritte:HäufigbehindertennationaleRegelungen<br />
auf dem Gebiet des Verbraucher-, Gesundheits-<br />
und Umweltschutzes den freien Warenverkehr.<br />
Unterschiedliche Berufsbefähigungsnachweise<br />
schränkten die Freiheit des Personenverkehrs ein,<br />
abweichende Aufsichts- und sonstige Regelungen<br />
behinderten das grenzüberschreitende Erbringen<br />
von Dienstleistungen, Beschränkungen im Kapitalverkehr<br />
verzerrten Investitions- und Anlageentscheidungen.<br />
Die Ursachen für die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit<br />
der europäischen Wirtschaft gegenüber der<br />
nordamerikanischen und japanischen Konkurrenz,<br />
aber auch gegenüber anderen, neuen Wirtschaftszentren<br />
Anfang der 1980er Jahre sahen viele Experten<br />
in der nach wie vor existenten Zersplitterung des<br />
EG-Marktesunddemsichverstärkenden�Protektionismus<br />
auch innerhalb der Gemeinschaft. Unter anderem<br />
auch, um mit einem neuen Integrationsimpuls<br />
die Stagnation der europäischen �Integration zu<br />
überwinden, erarbeitete die Kommission ein „Weißbuch<br />
zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes“.<br />
1985 lag der Fahrplan vor: 282 Gesetzesinitiativen<br />
sollten bis zum Stichtag (31. 12. 1992) formuliert,<br />
verabschiedet und in nationales Recht umgesetzt<br />
werden. Hauptsächlich ging es um die Beseitigung<br />
von<br />
– materiellen Schranken (Aufhebung der Warenkontrollen<br />
und Abschaffung der Personenkontrollen<br />
an Binnengrenzen);<br />
– technischen Schranken (Angleichung von handelshemmenden<br />
nationalen Vorschriften; Aufhebung<br />
von Beschränkungen im Kapitalverkehr, auf<br />
dem Dienstleistungsmarkt und für das öffentliche<br />
Beschaffungswesen; Anerkennung von Berufsbefähigungsnachweisen<br />
usw. – zusammen etwa 70 % aller<br />
Maßnahmen);<br />
– steuerliche Schranken (�Harmonisierung der indirekten<br />
Steuern; Angleichung der MwSt.-Sätze);<br />
108<br />
– währungsbedingte Schranken (z. B. Wechselkursschwankungen).<br />
Bevor das Binnenmarkt-Programm umgesetzt werden<br />
konnte, mussten noch Änderungen im EWG-<br />
Vertrag vorgenommen werden. Das erste weit reichende<br />
Reformprojekt seit Unterzeichnung des<br />
EWG-Vertrages wurde initiiert. Mit der �Einheitlichen<br />
Europäischen Akte von 1986 (in Kraft: 1. 7.<br />
1987) wurde der EWG-Vertrag ergänzt und stellte<br />
folgende Instrumente für den Binnenmarkt zur Verfügung:<br />
– Terminierung des Zieldatums für die Vollendung<br />
des Binnenmarktes auf den 31. 12. 1992 (Art. 8a<br />
EWGV),<br />
– Einführung von Entscheidungen mit �qualifizierter<br />
Mehrheit (Art. 100a EWGV),<br />
– Ablösung des Prinzips der Rechtsangleichung<br />
durch den Grundsatz der �gegenseitigen Anerkennung<br />
von Rechtsvorschriften (Art. 100b EWGV).<br />
Ergänzt wurde dieses Instrumentarium durch einen<br />
Beschluss des Rates aus dem Jahre 1985, der festlegt,<br />
dass in Zukunft an Stelle detaillierter technischer<br />
Einzelregelungen die Verabschiedung von Rahmenrichtlinien<br />
für �Normen treten soll. Fortan galt „Europa<br />
‘92“ als neues Zauberwort. Der Integrationsprozess<br />
erhielt durch ihn eine neue Dynamik. Zu regeln<br />
war viel: Das Spektrum reichte von der Angleichung<br />
unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze bis<br />
zum Abbau zahlreicher Handelshemmnisse, von<br />
Medikamenten über Lebensmittel bis zu Automobilen<br />
oder Fahrstühlen.<br />
Die Erwartungen an die positiven Effekte des Binnenmarktes<br />
wurden durch eine im Auftrag der Kommission<br />
erstellte Studie gesteigert: Der �Cecchini-<br />
Bericht (benannt nach Paolo Cecchini, der das Forschungsprogramm<br />
über die „Kosten der Nichtverwirklichung<br />
Europas“ leitete) prognostizierte optimistisch,<br />
das Wirtschaftswachstum in der EG könnte<br />
um 4,5 % steigen und einige Millionen neue Arbeitsplätze<br />
würden geschaffen. Die Wirtschaft und die<br />
Unternehmer stellten sich vermehrt auf diese europäische<br />
Perspektive ein. Mit sog. flankierenden<br />
Maßnahmen, wie z. B. die Programme zur Förderung<br />
von Mobilität und Ausbildung (�Bildungsprogramme:<br />
Jugend für Europa, Lingua, Erasmus, Petra<br />
etc.), unterstützte die EG den Binnenmarktprozess<br />
zusätzlich.<br />
Das Binnenmarktprogramm wurde aber auch kritisch<br />
kommentiert. Es wurde negativ vermerkt, dass
die „soziale Dimension“ zu wenig berücksichtigt sei<br />
und auch der Umweltaspekt einer zu großen Wachstumsgläubigkeit<br />
geopfert würde.<br />
3. Umsetzung: Das Binnenmarkt-Programm wurde<br />
kontinuierlich über die Jahre umgesetzt. So blieb das<br />
eigentlicheDatum,derJahreswechsel1992/93,dann<br />
weniger spektakulär. Anfang 1993 waren 95 % der<br />
im �Weißbuch aufgeführten gesetzgeberischen<br />
Maßnahmen verabschiedet, die Quote der Umsetzung<br />
in nationales Recht lag bei 80 %. Im Falle der<br />
�Freizügigkeit für Personen konnte mit dem �Vertrag<br />
von Amsterdam ein weiterer, wesentlicher<br />
Schritt in Richtung Verwirklichung getan werden.<br />
Das dort fixierte Ziel der Schaffung eines Raums der<br />
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bündelt alle<br />
Regelungen zur Herstellung von Freizügigkeit<br />
(Asyl-, Visa- und Einwanderungspolitik bis zu Fragen<br />
der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit).<br />
Die Einbeziehung des �Schengener-Abkommens,<br />
dem u. a. alle EU-Mitgliedstaaten außer Irland<br />
und Großbritannien angehören, in den Amsterdamer<br />
Vertrag führt dazu, dass es fester Bestandteil des Gemeinschaftsrechts<br />
wurde. Damit wurde eine rechtlicheVerbindungzwischendemBinnenmarktundden<br />
bisher separat festgelegten Begleitmaßnahmen hergestellt.<br />
Im Oktober 1992 wurden in einem Bericht einer von<br />
der Kommission eingesetzten Expertengruppe Strategien<br />
für die Zeit nach 1992 entwickelt (Sutherland-Bericht).<br />
Durch den Umbruch in Ostmitteleuropa<br />
und die Entstehung neuer Wirtschaftszentren<br />
imasiatischenRaumkamenAnfangder1990erJahre<br />
neue Herausforderungen auf die Gemeinschaft zu.<br />
Die Kommission entwickelte – vom Europäischen<br />
Rat beauftragt – das Binnenmarktprojekt weiter und<br />
legteimDezember1993einWeißbuchüber„Wachstum,WettbewerbsfähigkeitundBeschäftigung“vor.<br />
Zum Amsterdamer Gipfel (Juni 1997) mündete dies<br />
in einen Aktionsplan für den Binnenmarkt. Vier strategische<br />
Ziele wurden für einen Zeitraum bis 1999<br />
definiert: bessere Inkraftsetzung des Binnenmarktrechts,<br />
Verhinderung von Verzerrungen im Marktgefüge,<br />
Abbau sektorspezifischer Schranken und die<br />
Schaffung einer größeren Bürgernähe. Im Oktober<br />
1999legtedieKommissioneineweitereStrategiefür<br />
den Binnenmarkt vor. Wiederum wurden vier Ziele<br />
definiert: Verbesserung der Lebensqualität der Bürger,<br />
Effizienzsteigerung der Güter- und Kapitalmärkte,<br />
Verbesserung der Rahmenbedingungen für<br />
Binnenmarkt<br />
die Wirtschaft und die bessere Nutzung der sich aus<br />
dem Binnenmarkt ergebenden Möglichkeiten in einer<br />
Welt des ständigen Wandels. Der Binnenmarkt<br />
bildet zudem einen Kernbestandteil der von den<br />
Staats- und Regierungschefs im März 2000 verabschiedeten<br />
�Lissabon-Strategie, mittels derer die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt<br />
maßgeblich gesteigert werden soll. Im Mai 2003 legte<br />
die Kommission eine Strategie für den Binnenmarkt<br />
für die Jahre 2003 bis 2006 vor.<br />
Seit 2001 stagniert die Quote der Nichtumsetzung<br />
von Binnenmarktrichtlinien in nationales Recht<br />
durchschnittlichbei2,5%;diedadurchentstehenden<br />
rechtlichenUnterschiedeindenMitgliedstaatenführen<br />
zur mangelnden Ausschöpfung des Potenzials<br />
des Binnenmarktes.<br />
4. Kritische Wertung: Der Binnenmarktprozess sollte<br />
eine zweifache Wirkrichtung haben. Er sollte den<br />
erlahmenden Integrationsprozess wieder mit Dynamik<br />
versehen. Dieses ist gelungen. Durch die Folgewirkungen<br />
auf andere Politikbereiche (spill over) hat<br />
der Binnenmarkt zur Vertiefung der Integration beigetragen.<br />
Mit dem Weißbuch sollte zweitens die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der EU gesichert werden.<br />
Dieser Punkt wird sich als Erfolg oder Misserfolg so<br />
nicht nachweisen lassen, weil sich die Koordinaten<br />
auf dem europäischen Kontinent und in der Welt in<br />
den letzten Jahren völlig verändert haben. Die optimistischen<br />
Prognosen aus dem Cecchini-Bericht<br />
gingen immer von der Voraussetzung aus, dass sich<br />
an den Rahmendaten nichts Wesentliches ändert:<br />
Die Überwindung des Ost-West-Konfliktes hat zum<br />
Zusammenbruch ganzer Märkte geführt. Durch die<br />
gleichzeitige Verschärfung des Wettbewerbs auf<br />
dem Weltmarkt kommt es seit Anfang der 1990er<br />
Jahre zu Ansätzen von Protektionismus einzelner<br />
EU-Mitgliedstaaten sowie der EU selbst. Es besteht<br />
die Gefahr, dass ein Abschotten der Märkte (�Festung<br />
Europa) als Lösung für wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />
dem freien Handel vorgezogen wird.<br />
M. P.<br />
Literatur:<br />
Caesar, R. (Hg.): Der unvollendete Binnenmarkt.<br />
Baden-Baden 2003<br />
Europäische Kommission: EU-Binnenmarkt: 10 Jahre.<br />
Bilanz und Ausblick. Berlin 2003<br />
Dies.: Binnenmarktstrategie: Vorrangige Aufgaben<br />
2003 – 2006. Luxemburg 2004<br />
Hatje, A. (Hg.): Das Binnenmarktziel in der europäischen<br />
Verfassung. Baden-Baden 2003<br />
109
Binnenschifffahrt<br />
Binnenschifffahrt. Das Verkehrssystem Binnenschifffahrt<br />
besteht aus den Elementen Binnenwasserstraße,<br />
Binnenhafen, Binnenschiff und Organisation<br />
der Transportabläufe, auf die im Folgenden näher<br />
eingegangen wird. Da die Personenschifffahrt<br />
aus volkswirtschaftlicher Sicht nur eine nachgeordnete<br />
Bedeutung hat und sich zudem auf wenige touristische<br />
Regionen wie z. B. Mosel, Mittelrhein, Bodensee,<br />
Oberelbe und einige Streckenabschnitte der<br />
Donau konzentriert, sie auch weitgehend die gleichen<br />
Infrastrukturen wie die Güterschifffahrt nutzt,<br />
wird auf sie hier nicht weiter eingegangen.<br />
Die Marktordnung der Binnenschifffahrt hat sich in<br />
der Vergangenheit von der anderer Verkehrsträger<br />
insofernunterschieden,alssiewenigerreglementiert<br />
war. Zwar sind als Folge des EuGH-Urteils vom 22.<br />
5. 1985 zur Durchsetzung der Dienstleistungsfreiheit<br />
auch im Verkehr der Zugang zum Markt und die<br />
Preisbildung bis Ende 1999 liberalisiert worden,<br />
doch nach wie vor gelten auf dem Rhein und auf der<br />
1) Ohne Malta und Zypern<br />
110<br />
Donau internationale Rechtsregime: auf dem Rhein<br />
die Mannheimer Akte von 1868, auf der Donau das<br />
Abkommen von Belgrad (1948). Sie setzen der<br />
EU-VerkehrspolitikGrenzen,solangenichtalleMitgliederderAbkommenauchMitgliederderEUsind.<br />
Die Güterschifffahrt ist der Landverkehrsträger mit<br />
dem weitmaschigsten Infrastrukturnetz, das aus<br />
Seen, frei fließenden Flüssen, staugeregelten Flüssen<br />
und Kanälen besteht. In der Tab. 1 sind die Binnenwasserstraßennetze<br />
der EU-Mitgliedstaaten<br />
nach ihrer Länge und Dichte, bezogen auf die Fläche<br />
der Staaten, angegeben.<br />
Die meisten EU-Staaten verfügen über ein Binnenwasserstraßennetz,<br />
das aber nur in den Anrainerstaaten<br />
des Rheins, der Elbe, der Oder und der Donau leistungsfähig<br />
ist, nennenswerte Transporte zulässt,<br />
tatsächlich genutzt wird und über die deutschen Binnenwasserstraßen<br />
(z. B. Main-Donau-Kanal) miteinander<br />
verbunden ist. Allerdings besteht gerade<br />
bei den zuletzt genannten drei Strömen ein z. T. er-<br />
Binnenwasserstraßen<br />
Quelle: Europäische Kommission (2003a), eigene Berechnungen
heblicher Investitionsbedarf, um die Befahrungsverhältnisse<br />
den Anforderungen moderner Binnenschiffe,<br />
wie sie z. B. auf den westdeutschen Kanälen<br />
oder gar dem Rhein eingesetzt werden, anzupassen.<br />
Die EU trägt dem im Rahmen der �Transeuropäischen<br />
Verkehrsnetze (TEN) Rechnung, indem sie<br />
sich z. B. am Ausbau der Donau zwischen Straubing<br />
und Vilshofen finanziell beteiligt und damit die Verbindung<br />
zwischen Nordsee und Schwarzem Meer<br />
verbessern will. Das Programm sieht auch Zuschüsse<br />
für solche Binnenhäfen vor, die, soweit noch nicht<br />
geschehen, zu trimodalen Schnittpunkten ausgebaut<br />
werden sollen, d. h. die Möglichkeit schaffen wollen,<br />
alle drei Landverkehrsträger Schiene, Straße und<br />
Binnenwasserstraße mit einander zu verknüpfen (zu<br />
kombinieren).<br />
Das Gewerbe teilt sich traditionell in Reedereien und<br />
Partikuliere – Letzteres sind Unternehmen mit bis zu<br />
drei Schiffen ohne eigene Akquisitionsmöglichkeiten,<br />
weshalb sie als Hauspartikuliere der Reedereien<br />
oder als Mitglieder einer Genossenschaft, seltener<br />
durch direkten Kontakt zu Verladern Aufträge zu erhalten<br />
suchen. Die Reedereien, früher Eigentümer<br />
des größten Teils der Flotte, setzen eigene Schiffe<br />
fast nur noch in Spezialverkehren ein und bedienen<br />
sich ansonsten der Partikuliere. Diese Entwicklung<br />
ist auch in den neuen EU-Staaten zu erkennen, wenn<br />
auch erst in Anfängen.<br />
Die Binnenflotten vor allem der bisherigen 15 Mit-<br />
Binnenschifffahrt<br />
gliedstaaten haben in den vergangenen Jahrzehnten<br />
eine radikale Veränderung erfahren. Motorisierung<br />
des Kahnraumes, Selbstfahrer mit immer größerer<br />
Tragfähigkeit (3 000 t), Schubverbände mit bis zu<br />
sechsLeichtern(16000t),KoppelverbändeundSpezialschiffe<br />
sowie Rationalisierung des Umschlags in<br />
den Binnenhäfen und die – wegen des Personalmangels<br />
notwendige – Substitution von Arbeit durch Kapital<br />
haben zu enormen Produktivitätssteigerungen<br />
geführt, die die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt<br />
gegenüber den Konkurrenten einigermaßen<br />
gesichert haben (s. Tabelle 2). Diese RationalisierungserfolgestehenbeidenFlottenderneuenMitgliedstaaten<br />
noch aus. Deren Binnenschiffe sind entweder<br />
zu klein, entsprechen nicht dem Stand der<br />
Technik oder werden zu personalintensiv betrieben,<br />
so dass sie ihre bestehenden (Personal-)Kostenvorteile<br />
nur bedingt ausspielen können.<br />
Über die größte Binnenflotte verfügen die Niederlande.<br />
Während die Binnenflotten der anderen<br />
Rheinanlieger in der Vergangenheit geschrumpft<br />
sind, haben die Niederlande ihre Flotte noch erweitern<br />
können. Ursachen dafür sind das relativ dichte<br />
niederländische Binnenwasserstraßennetz, die geringe<br />
Konkurrenz der niederländischen Eisenbahn<br />
im nationalen Güterverkehr sowie – aus der Sicht der<br />
intramodalen Konkurrenten anderer Staaten – staatlich<br />
verursachte Wettbewerbsverzerrungen zu<br />
Gunsten der niederländischen Binnenschiffer.<br />
, eigene Berechnungen<br />
111
Binnenschifffahrt<br />
Die Binnenschifffahrt ist, wie die Eisenbahn auch,<br />
vor allem auf massenhafte Verkehrsströme angewiesen,<br />
bei der die Beförderungszeit eine untergeordnete<br />
Rolle spielt. Ihre Vorteile liegen neben der Massenleistungsfähigkeit<br />
in der Umweltverträglichkeit,<br />
inderPünktlichkeitundinfreienKapazitätensowohl<br />
auf den Binnenwasserstraßen als auch im Transportraum.<br />
Nachteile sind vor allem die geringe Netzdichte<br />
(wobei allerdings die verladende Wirtschaft, die<br />
auf die Binnenschifffahrt zurückgreift, zumeist einen<br />
Standort an nassen Plätzen gewählt hat) sowie<br />
der Einfluss von Wasserstandsschwankungen und<br />
Eis. Die Entwicklungen auf den Verkehrsmärkten,<br />
die sich z. B. im Struktureffekt (weniger Kohle, mehr<br />
Konsum- und Investitionsgüter), im Regionalisierungseffekt<br />
(De-Agglomeration der Produktionsstandorte)<br />
und im Logistikeffekt (Verringerung der<br />
Lagerhaltung, Verstetigung der Transportprozesse,<br />
kleinere Sendungseinheiten) bemerkbar machen,<br />
112<br />
Zypern<br />
begünstigen zudem im Wesentlichen den Güterkraftverkehr<br />
(s. Tabelle 3).<br />
Die Binnenschifffahrt hat ihre größte regionale Bedeutung<br />
in den Niederlanden, wo sie auf einen<br />
Marktanteil (Verkehrsleistung) von 45,0 % kommt<br />
und fast an den Güterkraftverkehr heranreicht. Zweistellige<br />
Marktanteile erreicht sie noch in Belgien,<br />
Deutschland und Luxemburg. Ihre größte relationale<br />
Bedeutung hat die Binnenschifffahrt im grenzüberschreitenden<br />
Verkehr – vor allem auf dem Rhein –,<br />
wo sie 1999 einen Marktanteil von 38,3 % am Verkehrsaufkommen<br />
erreichte; der Güterkraftverkehr<br />
brachte es auf 38,7 %, die Schiene auf 23,0 %; wichtigsteTransportgüterderBinnenschifffahrtimnationalen<br />
Verkehr der Mitgliedstaaten sind mit weitem<br />
Abstand Steine und Erden, im grenzüberschreitenden<br />
Verkehr kommen Erze und Metallabfälle sowie<br />
Mineralölprodukte noch hinzu (Quelle: Europäische<br />
Kommission, Hg., 2003b).<br />
Quelle: Europäische Kommission (2003a)<br />
und eigene Berechnungen
Die Binnenschifffahrt ist aber nicht nur in traditionellen<br />
Verkehren erfolgreich: Die größten Zuwachsraten<br />
entfallen auf den Containerverkehr, vor allem<br />
im Rheinkorridor, wo sie im Verkehr mit den<br />
ARA-Häfen (Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam)<br />
inzwischeneinenMarktanteilvonetwaeinemDrittel<br />
hält. Auf anderen Wasserstraßen setzt sich der Containertransport<br />
erst langsam durch, lassen doch hier<br />
dieinfrastrukturellenBeschränkungenwiezuniedrige<br />
Brücken, Zeitverluste durch Schleusungen u. ä.<br />
einen wirtschaftlichen Einsatz dieses Verkehrsträgers<br />
(noch) nicht zu. Es bleibt abzuwarten, ob Maut<br />
und Kapazitätsengpässe bei den konkurrierenden<br />
Verkehrsträgern nicht zu einem Umdenken der Verlader<br />
führen.<br />
Die Fluss-See-Schifffahrt verbindet Elemente der<br />
Binnen- mit denen der Küstenschifffahrt. Vor allem<br />
von Häfen am Niederrhein werden Direktverkehre<br />
mit Häfen des Mittelmeers, in Westafrika, der europäischen<br />
Atlantikküste, Großbritanniens sowie<br />
Skandinaviens durchgeführt.<br />
Die Küstenschifffahrt (short sea shipping) ist, neben<br />
dem Güterkraftverkehr, der sich am dynamischsten<br />
entwickelnde Verkehrsträger in der EU. Die schrittweise<br />
Erweiterung der EU um Länder mit Insellage<br />
undlangenKüstenabschnittensowiederenIntegration<br />
hat ebenso dazu beigetragen wie das Bestreben<br />
der Reedereien, durch den Einsatz größerer Seeschiffe<br />
und die Konzentration auf wenige Seehäfen<br />
die Kosten zu senken, wodurch Feederverkehre<br />
(Verteiler- und Zubringerverkehr) immer wichtiger<br />
werden. F. v. St.<br />
Quellen:<br />
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen<br />
(Hg.): Verkehr in Zahlen 2003/2004. 32. Jg., Hamburg 2003<br />
Europäische Kommission (Hg.): Energy and Transport in<br />
figures 2003. Brüssel 2003a<br />
Dies. (Hg.): Panorama des Verkehrs. Statistischer Überblick<br />
des Verkehrs in der europäischen Union. Daten 1970–2000.<br />
Luxemburg 2003b<br />
United Nations: Annual Bulletin of Transport Statistics for<br />
Europe and North America. Vol. LII. New York/Genf 2004<br />
Literatur:<br />
Ewers, H.-J./ F. v. Stackelberg: Verkehrspolitik. In:<br />
P. Klemmer (Hg.), Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik.<br />
München 1998, S. 1151–1192<br />
BIOMED 2. EU-Programm für Forschung, Entwicklung<br />
und Demonstration im Bereich Biomedizin und<br />
Gesundheitswesen innerhalb des 4. Forschungsrahmenprogramms<br />
(neben BIOTECH 2 und FAIR).<br />
Bio- und Gentechnologie<br />
Zeitrahmen: 1994 – 1998, Etat: 336 Mio. ECU. Veröffentlichung<br />
und Rechtsgrundlage: Abl. L 361/<br />
1994; Art. 166 Abs. 4 EGV. Fortsetzung der bereits<br />
1978 begonnenen biomedizinischen Forschungsförderung<br />
der Kommission. Im 5. Forschungsrahmenprogramm<br />
abgelöst durch das Themenprogramm<br />
Quality of Life and Management of Life Resources<br />
(1998 – 2002).<br />
Bio- und Gentechnologie<br />
1. Zur Einführung: Für die Bio- und Gentechnologie<br />
gilt – wie auch für andere Zukunftstechnologien,<br />
z. B. Einsatz moderner Materialien in Luft- und<br />
Raumfahrt, die Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechnologie<br />
–, dass in keinem Fall ein einzelnes<br />
Land oder gar ein einzelnes Unternehmen der EU<br />
ausreichend Kapazität besitzt, um mit den großen<br />
Mitbewerbern USA und Japan sowie zunehmend<br />
auch den neuen regionalen Zusammenschlüssen aufstrebender<br />
Industrienationen auf diesen Märkten der<br />
Zukunft Schritt zu halten.<br />
Es ist unabdingbar, dass die EU die Bündelung der<br />
vielfältigen Ressourcen ihrer Mitglieder weiter verstärkt<br />
und damit dazu beiträgt, den „europäischen<br />
Mehrwert“ solcher Kooperationen zu realisieren.<br />
Die Bio- und Gentechnologie ist deshalb zu einem<br />
wichtigen und integralen Bestandteil der Europäischen<br />
Forschungs- und Technologiepolitik geworden.<br />
Die Biotechnologie ist aber nicht nur ein wichtiger<br />
Bestandteil der EU-Forschungspolitik, sondern hat<br />
darüber hinaus entscheidenden Einfluss auf viele andere<br />
Politiken bzw. Lebensbereiche (Wirtschaft,<br />
Umwelt, Recht, Ethik). Fragen der Biotechnologie<br />
haben deshalb auch Eingang in eine Vielzahl von<br />
EU-Politiken gefunden.<br />
2. Die beiden Technologien<br />
2.1. Biotechnologie. Unter Biotechnologie (Bio-<br />
Tech) versteht man die Kombination biologischer<br />
und technischer Systeme für Zwecke der Stoffumwandlung.<br />
Sie erfolgt unter Einsatz von subzellulären<br />
biologischen Systemen, Mikroorganismen (wie<br />
Bakterien, Hefen, anderen Pilzen), Algen, Pflanzenoder<br />
Tierzellkulturen. Auch der Einsatz züchterisch<br />
und/oder gentechnisch veränderter Tiere und Pflanzen<br />
in der Landwirtschaft wird dazu gezählt. Sie beinhaltet<br />
also<br />
– Veränderung von Eigenschaften von gezüchteten<br />
Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren;<br />
113
Bio- und Gentechnologie<br />
– Weiter- und Neuentwicklung der industriellen<br />
Stoffproduktion.<br />
DieBioTechkannvielenindustriellenAnwendungsfeldern<br />
zugeordnet werden, denn sie ist eine Querschnittstechnologie.<br />
In der Reihenfolge abnehmender<br />
gesellschaftlicher Akzeptanz ist sie auf folgenden<br />
Gebieten eine die globalen Wirtschaftstrends<br />
mitbestimmende Realität: Gesundheit inkl. Humangenetik<br />
und Pharmazeutik, Umweltsanierung, Landwirtschaft,<br />
Lebensmittelherstellung.<br />
Trotzdem steht die BioTech nur am Anfang ihrer<br />
Möglichkeiten. Das ist erst vor ca. 25 Jahren evident<br />
geworden,nämlichseitdemsiedurchdieGentechnik<br />
revolutioniert wird. Deren Möglichkeiten scheinen<br />
nahezu unbegrenzt zu sein. Gerade deshalb aber werden<br />
die Stimmen derjenigen lauter, die vor Missbrauch<br />
und Risiken warnen und dafür teilweise fundamentale<br />
kulturkritische Argumente ins Feld führen.<br />
2.2. Gentechnologie. Gentechnologie (GenTech),<br />
häufig gleichgesetzt mit „Neuer Biotechnologie“, ist<br />
eines der modernsten Teilgebiete der Biotechnologie,<br />
das gezielt Erbinformationen (Gene) umbaut<br />
und zwischen Organismen überträgt. Meistens werden<br />
dabei Empfängerzellen mit Genen ausgestattet,<br />
die sie vorher nicht besaßen und die sie durch zufällige,<br />
spontane („natürliche“) Vorgänge nicht erwerben<br />
können. Sie beinhaltet also die Anwendung von<br />
molekular-biologischen Methoden zur direkten und<br />
gezielten Neukombination von Erbinformationen<br />
verschiedener Organismen durch kontrollierten Eingriff.<br />
Wichtig für die Gentechnologie ist, dass der genetische<br />
Code universal ist und daher die breite Anwendbarkeit<br />
der Gentechnologie ermöglicht.<br />
Biotechnologie (BioTech): Die einen halten sie für<br />
eine entscheidende Chance in Problembereichen der<br />
Welternährung, der Gesundheit, der Ökologie, für<br />
die anderen ist sie mit so vielen unwägbaren Risiken<br />
behaftet,dasssiesieüberhauptnichthabenwollen.<br />
Tatsächlich lässt sich bei einigen bio- und gentechnologischen<br />
Forschungen nur vermuten, welche<br />
enorme technische, ökonomische, kulturelle und soziale<br />
Bedeutung sie erreichen werden, wie ihre Anwendungen<br />
den zukünftigen Lebensstil verändern<br />
werden. In vielen Fällen ist das allerdings schon heute<br />
bekannt oder es kann ziemlich genau vorausgesagt<br />
werden.<br />
Esisteines,diesachlichenRisikeneinerAnwendung<br />
der Gentechnik zu bestimmen. Es ist ein zweites zu<br />
114<br />
entscheiden, welches Risiko wir für welchen Nutzen<br />
in Kauf nehmen wollen. Die erste Frage hat die Wissenschaft<br />
zu lösen, die zweite muss im aufgeklärten<br />
gesellschaftlichen Diskurs behandelt werden, an<br />
demalleBetroffenen(Konsumenten,Naturschützer,<br />
Landwirte, Patientenvereinigungen u. a. m.) zu beteiligen<br />
sind. Auch die Frage nach den ökonomischen<br />
Auswirkungen der gesetzlichen Regelwerke<br />
für die Stellung der EU im globalen Wettbewerb auf<br />
diesem Gebiet kann dabei nicht ausgeklammert bleiben.<br />
3. „Biowissenschaften und Biotechnologie:<br />
Eine Strategie für Europa“ – Zielsetzung, Chancen,<br />
Risiken. Im Januar 2002 hat die Kommission eine<br />
langfristige Strategie (Zeithorizont bis 2010) für Europa<br />
im Bereich Biowissenschaften und Biotechnologieangenommen(KOM2000/27).DieseStrategie<br />
ist eng verzahnt mit der �„Lissabon Strategie“, der<br />
die Zielsetzung zugrunde liegt, Europa bis zum Jahre<br />
2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten<br />
wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu<br />
machen“. Bei der Verfolgung dieser „Lissabon-Zielsetzung“<br />
kommt der Biotechnologie prioritäre Bedeutung<br />
zu. Nach der Informationstechnologie bildet<br />
die Biotechnologie nach allgemeiner Einschätzung<br />
die nächste Phase einer wissensbasierten Wirtschaft<br />
und Gesellschaft.<br />
Die Kommission schlägt eine politische Strategie<br />
vor, die verantwortliche, wissenschaftlich fundierte<br />
und am Menschen orientierte Konzepte auf ethischer<br />
Grundlagebeinhaltet.DieseStrategiesollesinEuropa<br />
ermöglichen, das positive Potenzial von Biowissenschaften<br />
und Biotechnologie zu nutzen, einen angemessenen<br />
ordnungspolitischen Rahmen (�„Governance“)<br />
zu schaffen und der globalen Verantwortung<br />
Europas gerecht zu werden. Es ist dies ein Vorschlag<br />
für eine integrierte Strategie – die verschiedenen<br />
Elemente bedingen und verstärken sich gegenseitig.<br />
Die Kommission schlägt weiter einen Aktionsplan<br />
vor, der konkrete Maßnahmen der Kommission<br />
und der Gemeinschaft beschreibt sowie<br />
Empfehlungen ausspricht für andere öffentliche und<br />
private Akteure – stets unter Wahrung des �Subsidiaritätsprinzips.<br />
Mit dieser Biotechnologieinitiative regt die Kommission<br />
eine Strategie für Europa an, um nachhaltige<br />
und verantwortungsbewusste Konzepte für folgende<br />
drei Fragenkomplexe zu entwickeln (vgl. Europäische<br />
Kommission, KOM 2002/27):
– BiowissenschaftenundBiotechnologiebieteneine<br />
Chance, zahlreiche globale Probleme im Zusammenhang<br />
mit Gesundheit, Alter, Ernährung und Umwelt<br />
sowie nachhaltiger Entwicklung in den Griff zu<br />
bekommen. Wie kann Europa die notwendigen Humanressourcen,<br />
Industriekapazitäten und Finanzen<br />
anziehen, um diese Technologien optimal zu gestalten<br />
und zu nutzen, den Bedürfnissen der Gesellschaft<br />
gerecht zu werden und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu<br />
steigern?<br />
– Breiter Rückhalt in der Öffentlichkeit ist entscheidend,<br />
und die ethischen und gesellschaftlichen<br />
Aspekte und Bedenken müssen ernst genommen<br />
werden. Wie kann Europa wirksame, glaubwürdige<br />
und verantwortliche Politikkonzepte hervorbringen,<br />
die das Vertrauen und die Unterstützung der Bürger<br />
finden?<br />
– Wissenschaftliche und technologische Revolution<br />
sind eine globale Realität, die neue Chancen und Herausforderungen<br />
für alle Länder der Welt – ob reich<br />
oder arm – schafft. Wie kann Europa am besten auf<br />
die globalen Herausforderungen reagieren, seine politischen<br />
Konzepte mit einer klaren internationalen<br />
Perspektive entwickeln und global handeln, um seine<br />
Interessen wahrzunehmen?<br />
Biowissenschaften und Biotechnologie gelten allgemein<br />
als einer der Bereiche mit den weitreichendsten<br />
PerspektivenfürdienächstenJahrzehnte.Dankzahlreicher<br />
wissenschaftlicher Erfolge im Bereich Biotechnologie<br />
in den letzten Jahren wird das explosionsartigeWachstumunseresWissensüberlebende<br />
Systeme zwangsläufig einen kontinuierlichen Strom<br />
neuer Anwendungen hervorbringen:<br />
a) In der Gesundheitsfürsorge besteht weltweit ein<br />
enormer Bedarf an innovativen Konzepten, die den<br />
Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung und der<br />
armen Länder gerecht werden. Die Biotechnologie<br />
erlaubt bereits heute eine billigere, sichere und<br />
ethisch eher vertretbare Entwicklung von immer<br />
mehr traditionellen wie auch neuartigen Medikamenten<br />
und medizinischen Diensten. Biotechnologie<br />
(Stammzellenforschung und Xenotransplantation)bietetdieAussichtaufErsatzgewebeund-organe<br />
zur Behandlung degenerativer Krankheiten und der<br />
Folgen von Verbrennungen und Rückenmarksverletzungen.<br />
b) In der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung<br />
hat die Biotechnologie das Potenzial, für eine<br />
verbesserte Lebensmittelqualität und ökologische<br />
Bio- und Gentechnologie<br />
Vorteile durch agronomisch verbesserte Nutzpflanzen<br />
zu sorgen. Biowissenschaften und Biotechnologie<br />
dürften eines der wichtigsten Instrumente im<br />
Kampf gegen Hunger und Mangelernährung sein<br />
und zur Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung<br />
bei gleichbleibender Nutzfläche und verringerten<br />
Umweltauswirkungen beitragen.<br />
c) Die Biotechnologie bietet auch die Möglichkeit,<br />
den Einsatz von Kulturpflanzen für andere Zwecke<br />
alsLebensmittelzuverbessern,soetwaalsRohstoffe<br />
für die Industrie oder als neue Werkstoffe wie biologisch<br />
abbaubare Kunststoffe. Pflanzliche Rohstoffe<br />
können molekulare Bausteine und komplexe Moleküle<br />
für die verarbeitende Industrie, den Energiesektor<br />
(z. B. Biomasse zur alternativen Energieerzeugung<br />
und Biotreibstoffe) und die pharmazeutische<br />
Industrie liefern.<br />
d) Biotechnologie bietet auch neue Wege zum<br />
Schutz und zur Verbesserung der Umwelt, bspw.<br />
durchdieBiosanierungvonLuft,Boden,Wasserund<br />
Abfällen sowie die Entwicklung sauberer Industrieprodukte<br />
und -prozesse, bspw. mit Hilfe von Enzymen<br />
(Biokatalyse).<br />
Die Biotechnologie besitzt somit ein sehr weitreichendes,<br />
heute noch kaum zu überblickendes Potenzial.<br />
Dieses Potenzial wird immer intensiver genutzt,<br />
und es wird einen neuen Wirtschaftszweig hervorbringen,<br />
der mehr Wohlstand und qualifizierte Arbeitsplätze<br />
schafft. Unsicher sind jedoch der zeitliche<br />
Ablauf und die Richtung dieser Entwicklung und<br />
dieFrage,obEuropadabeiumfassendbeteiligtist.<br />
Einigen Schätzungen zufolge könnte der europäischeMarktfürBiotechnologiebiszumEnde2005einen<br />
Wert von über 100 Mrd. Euro erreichen. Bis zum<br />
Ende des Jahrzehnts könnten die weltweiten Märkte<br />
– einschl. der Wirtschaftszweige, in denen Biowissenschaften<br />
und Biotechnologie den Hauptteil der<br />
eingesetzten neuen Technologien ausmachen – auf<br />
über 2000 Mrd. Euro kommen.<br />
Das gegenwärtig vordringlichste Problem der europäischen<br />
Biotech-Unternehmen ist die Finanzierung.<br />
Sie sind jünger als die vergleichbaren US-Unternehmen<br />
und befinden sich gegenwärtig meistenteils<br />
in einer Entwicklungsphase, in der sie äußerst<br />
anfälligsind.IhrKapitalbedarfübersteigtbeiweitem<br />
die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. Mit dem<br />
Basel-II-Übereinkommen ist es für sie viel schwieriger<br />
geworden, Mittel von Banken zu erhalten.<br />
Die europäische Strategie im Bereich Biotechnolo-<br />
115
Bio- und Gentechnologie<br />
gie hat nicht nur eine wissenschaftlich-technische<br />
oder finanzielle Dimension, sondern ist auch ohne<br />
breiten Konsens der Bevölkerung nicht durchsetzbar.<br />
Hierzu gehören insbes. folgende Punkte:<br />
– Kontrolle durch Gesellschaft und Ethik: Um die<br />
Entwicklungen der Biotechnologie begleiten und sicherstellen<br />
zu können, dass sie im Einklang mit den<br />
gesellschaftlichen Werten stehen, muss eine öffentliche<br />
Diskussion stattfinden. In dieser Hinsicht stößt<br />
der Aktionsplan der EU eine wichtige europäische<br />
Debatte über Biotechnologie an.<br />
– Unterstützungfürdiejenigen,dieinderBiotechnologie<br />
tätig sind: Die Marktteilnehmer im Bereich der<br />
Biotechnologie brauchen dringend einen verlässlichen<br />
Rechts- und Ordnungsrahmen. Sie brauchen<br />
ebenfalls besseren Zugang zu Risikokapital und insgesamt<br />
eine bessere Koordinierung (sowohl auf öffentlicher<br />
als auch privater Ebene), die die Forschungs-<br />
und Innovationsanstrengungen zum beiderseitigenVorteilinternationalundregionalvereint<br />
und damit sowohl auf die Wettbewerbsfähigkeit als<br />
auchaufdas�BenchmarkingbeiderQualitätabzielt.<br />
– Verbraucherschutz: Ein hohes Maß an Verbraucherschutz,<br />
eine konsequente Risikobewertung und<br />
umfassende klare Informationen sind für alle Produkte,<br />
die im Rahmen der EU-Vorschriften entwickelt<br />
werden, von überragender Bedeutung.<br />
– Vorschriften und Durchsetzung der bestehenden<br />
Vorschriften: Es ist wichtig, dass unverzüglich ein<br />
wissensgestützter Rechtsrahmen für die Biotechnologie<br />
geschaffen wird, der die administrativen HindernissefürdieWissenschaftlerunddieIndustrieabbaut,<br />
und zwar mit Anforderungen, die sich auch tatsächlich<br />
durchsetzen lassen.<br />
Um diesen Rechts- und Ordnungsrahmen zu schaffen,<br />
um den Verbraucherschutz sicherzustellen und<br />
um den Konsens mit der – z. T. besorgten oder nicht<br />
ausreichendinformierten–Öffentlichkeitzusuchen,<br />
wurden u. a. folgende Rechtsetzungen vorgenommen<br />
bzw. Initiativen ergriffen:<br />
a) RechtsvorschriftenübergenetischveränderteOrganismen<br />
(GVO): Ein umfassendes Genehmigungsverfahren<br />
für GVO (z. B. der sog. „Gen-Mais“) ist<br />
seit dem 17. 10. 2002 in Kraft getreten (Richtlinie<br />
2001/18, ABl. L 106/2001).<br />
Zwei neue Verordnungen über GVO, die ein umfassendes<br />
Gemeinschaftssystem zur Rückverfolgung<br />
und Kennzeichnung von GVO und zur Regelung des<br />
Inverkehrbringens und der Kennzeichnung von<br />
116<br />
GV-Lebens- und -Futtermitteln festlegen, sind seit<br />
April 2004 uneingeschränkt anwendbar; die Verordnung<br />
1829/2003 umfasst die Verwendung oder den<br />
Gehalt von GVO in Lebens- und Futtermitteln; die<br />
Verordnung 1830/2003 regelt die Rückverfolgung<br />
und Kennzeichnung von GVO in Lebens- bzw. Futtermitteln<br />
(beide VO in ABl. L 268/2003).<br />
Da in der EU nur zugelassene GVO angebaut werden<br />
dürfen und Umwelt- und Gesundheitsaspekte bereits<br />
in der Richtlinie 2001/18 geregelt sind, bleiben im<br />
Zusammenhang mit der Koexistenz (Koexistenz von<br />
GV-Kulturpflanzen mit solchen aus konventionellem<br />
oder ökologischem Aufbau) nur noch die wirtschaftlichen<br />
Aspekte der Beimischung von gentechnisch<br />
veränderten und nicht veränderten Kulturen zu<br />
klären.<br />
Gemäß dem �Subsidiaritätsprinzip und aufgrund der<br />
hohen Diversität der regionalen Bedingungen beschloss<br />
die Kommission im März 2003, es den Mitgliedstaaten<br />
zu überlassen, Maßnahmen bezüglich<br />
der Koexistenz zu treffen (Empfehlung der Kommission<br />
zur Koexistenz, 2003/556, ABl. L 189/2003).<br />
b) Humanembryonen-Stammzellenforschung: Nach<br />
ersten Richtlinien vom 11. 11. 1993 über Verfahrensmodalitäten<br />
für Forschungstätigkeiten im Bereich<br />
der humanen embryonalen Stammzellen konntenweitereLeitlinienderKommissionvomJuli2004<br />
– trotz der Unterstützung des Europäischen Parlaments<br />
– im Rat keine Zustimmung finden.<br />
c) Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen<br />
(Richtlinie 98/44, ABl. L 213/1998): Diese<br />
Richtlinie ist bisher nur von etwa der Hälfte der Mitgliedsländer<br />
umgesetzt. Die mangelnde Umsetzung<br />
der Richtlinie lässt die mit innovativer Biotechnologieforschung<br />
beschäftigten Unternehmen im Unklaren<br />
darüber, ob sie den Anspruch auf die kommerziellen<br />
Früchte ihrer Arbeit umfassend durchsetzen<br />
können. Dies behindert die Entwicklung der Industrie<br />
erheblich und schreckt nicht nur die Erfinder<br />
selbst, sondern auch ihre potenziellen Geldgeber ab,<br />
deren Beitrag so dringend erforderlich ist.<br />
Im Zusammenhang mit dieser Richtlinie bestehen<br />
(und dies ist der Grund für die schleppende Umsetzung)<br />
noch verschiedene Fragen zum Anwendungsbereich<br />
(z. B. Anwendungsbereich von Patenten für<br />
ausdemmenschlichenKörperisoliertenGensequenzen<br />
oder Teilsequenzen, oder Patentierbarkeit von<br />
Stammzellen und darauf abgeleiteten Zelllinien).<br />
d) Hilfe bei der Kapitalbeschaffung: Zusammen mit
der �Europäischen Investitionsbank (EIB) und dem<br />
Europäischen Investitionsfonds (EIF) bemüht sich<br />
die Kommission, zur Stärkung der Kapitalbasis der<br />
Biotechnologieindustrie beizutragen. Hierzu dienen<br />
insbes.BemühungenumdieStimulierungvonInvestitionen<br />
in Unternehmens-„Inkubatoren“ über die<br />
„Start-Up-Facility“ des EIF.<br />
e) Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog: Die<br />
Kommission sowie alle Interessentengruppen haben<br />
ihre Anstrengungen fortgesetzt, Wissenschaft und<br />
Gesellschaft einander näher zu bringen und das Verständnis<br />
für und den Informationsaustausch über<br />
Biowissenschaften und Biotechnologie anzuregen.<br />
Von der Kommission wird jedoch betont (KOM<br />
2002/27), dass es unerlässlich sei, seitens der Industrie<br />
den Nutzen und das Potenzial dieser TechnologieinallenAnwendungsbereichenoffenzuerläutern<br />
und zu dokumentieren.<br />
Die Kommission hat auf verschiedenen Wegen<br />
(Konferenzen, öffentliche Debatten) mit der interessierten<br />
Öffentlichkeit einen intensiven Dialog gestartet.<br />
Hierzu dienen insbes. auch die „Technologie-Plattformen“,<br />
die dem gesellschaftlichen Dialog<br />
eine neue Dimension der Dynamik hinzufügen, indem<br />
alle interessierten Kreise – Forschungsorganisationen,<br />
Industrie, Politik, Anwender usw. – zu<br />
technologischen Schlüsselthemen zusammengebrachtwerden,umeinegemeinsameStrategiefürdie<br />
Entwicklung, den Einsatz und die Nutzung dieser<br />
Technologien in Europa zu entwickeln und umzusetzen.<br />
4. Der Aktionsplan Biotechnologie als Teil des 6.<br />
Forschungsrahmenprogramms (2002 – 2006): Der<br />
Aktionsplan im Bereich der Biotechnologie ist Teil<br />
des 6. Rahmenprogramms (RP) für Forschung und<br />
Technologische Entwicklung (2002 – 2006) der EU.<br />
Dieses 6. RP enthält zwei vorrangige Themen (Biowissenschaften,<br />
Genomik und Biotechnologie im<br />
Dienste der Gesundheit mit einem Haushalt von<br />
2 255 Mio. Euro und der Lebensmittelqualität und<br />
-sicherheit, 685 Mio. Euro), die ganz der Biotechnologie<br />
offen stehen, während andere (Nanotechnologien<br />
und Nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen<br />
und Ökosysteme) auf sie zurückgreifen<br />
werden. Diese thematische Fokussierung wird durch<br />
den spezifischen Charakter der Unterstützung verstärkt,<br />
die in erster Linie auf die Umsetzung integrierter<br />
Projekte und die Schaffung von Exzellenznetzen<br />
abzielt, die fähig sind, Synergien auf der Ebe-<br />
Bio- und Gentechnologie<br />
ne des gesamten Europäischen Forschungsraums zu<br />
mobilisieren. Andere Abschnitte des Programms –<br />
Unterstützung der �KMU und der Innovation, der<br />
MobilitätderForscher,derwissenschaftlichenInfrastrukturen<br />
– werden ebenfalls im Dienste dieser Mobilisierung<br />
stehen.<br />
5. Ausblick. Die Kommission hat in der letzten Bewertung<br />
(KOM 2004/250) der Biotechnologieaktionen<br />
hervorgehoben, dass zwar im Bereich Biotechnologie<br />
in Europa Fortschritte erzielt worden<br />
sind, jedoch noch viel zu tun bleibt, um die Lage –<br />
insbes. im Vergleich mit den USA – langfristig zu<br />
verbessern.<br />
Vor dem Hintergrund der �„Lissabon-Strategie“<br />
wird von allen Beteiligten auf europäischer Ebene<br />
immer wieder die besondere Bedeutung der Biotechnologie<br />
für die Sicherung der technologischen Position<br />
und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />
Europas betont.<br />
Da die EU sich der globalen Bedeutung der Biotechnologie<br />
bewusst ist, wird seitens der EU der internationale<br />
Dialog über anstehende ordnungspolitische<br />
Fragengesucht,besondersimRahmenmultilateraler<br />
Foren wie der Welthandelsorganisation (�WTO),<br />
des Protokolls über die Biosicherheit oder der verschiedenen,<br />
von den UN abhängenden Agenturen.<br />
DieserinternationaleAnsatzimBereichderBiotechnologie<br />
zeigt sich auch bei der besonderen Verantwortung<br />
der Gemeinschaft gegenüber den Entwicklungsländern.<br />
Für die Erreichung weltweiter Lebensmittelsicherheit,<br />
die Bekämpfung der Aids-Epidemie<br />
und die Wahrung der Artenvielfalt bietet die<br />
Biotechnologie eine Palette bisher unbekannter<br />
Handlungsspielräume.<br />
Es ist heute schwer vorauszusagen, welche Fragen<br />
die Entwicklung der Biotechnologie in naher Zukunft<br />
noch aufwerfen wird. Daher wird umfassender<br />
und offener Informationsaustausch zwischen allen<br />
Beteiligten zukünftig von besonderer Wichtigkeit<br />
sein. P. P./J. Sch.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Biowissenschaften und Biotechnologie:<br />
Eine Strategie für Europa. 2. Fortschrittsbericht und<br />
Orientierungen für die Zukunft. KOM(2004) 250<br />
Internet: EU-Biotechnologie Aktionsplan und Berichte:<br />
http://europa.eu.int/comm/biotechnology<br />
http://www.epsoweb.org/catalog/TP/index.htm<br />
http://www.europabio.org/plant_genomics_platform.htm<br />
http://europa.eu.int/comm/research/science-society/index_de.htm<br />
117
Biotechnologieprogramme<br />
Biotechnologieprogramme. Drei Forschungsprogramme<br />
der EG waren an der vollständigen Sequenzierung<br />
des Genoms der Hefe beteiligt: Aktionsprogramm<br />
für Biotechnologie (BAP, 1985 –<br />
1989), das Programm BRIDGE (Biotechnological<br />
Research for Innovation, Development and Growth<br />
in Europe, 1990 – 1994) und das Biotechnologieprogramm<br />
für 1994 bis 1998. An dem Projekt nahmen<br />
rund 100 europäische Laboratorien teil. Finanzieller<br />
Beitrag der EG: 19,8 Mio. ECU.<br />
Blaues Europa �Fischereipolitik Ziff. 2.1<br />
Bologna-Erklärung<br />
Begriff: Von 29 Staaten am 19. 6. 1999 in Bologna<br />
unterzeichnete gemeinsame Erklärung „Der Europäische<br />
Hochschulraum“ zur Reform der europäischen<br />
Hochschul- und Forschungssysteme.<br />
HintergrundundBeweggründe: Aufderinformellen<br />
Tagung der Bildungsminister am 23./24. 10. 1998 in<br />
Baden bei Wien fand ein Meinungsaustausch über<br />
die �Sorbonne-Erklärung vom 25. 5. 1998 statt, wobei<br />
vor allem von den „kleineren“ EU-Staaten eine<br />
gemeinsames Vorgehen gefordert wurde. Daraufhin<br />
lud der italienische Hochschulminister für den 19. 6.<br />
1999 zu einer Bildungsministerkonferenz nach Bologna<br />
ein. Sie sollte als Follow-up-meeting der Konkretisierung<br />
und Umsetzung der Sorbonne-Erklärung<br />
dienen.<br />
Die Bologna-Erklärung unterzeichneten 31 Bildungsminister<br />
oder deren Stellvertreter aus 29 europäischen<br />
Ländern: alle EU-Staaten, die 10 Beitrittsländer<br />
sowie Bulgarien, Norwegen, Rumänien und<br />
dieSchweiz.DieZahlderMitgliedsländererweiterte<br />
sich später schrittweise auf 33 (�Prager Erklärung),<br />
dann auf 40 (�Berliner Erklärung). Im November<br />
2004 lagen vier weitere Bewerbungen vor (�Bologna-Prozess).<br />
Zur Vorbereitung der Bologna-Konferenz wurde<br />
Ende Oktober 1998 eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung<br />
einer Studie „Über die Trends in der Hochschulbildung<br />
in den EU und EFTA/EWR-Staaten“<br />
beauftragt. Die Studie wurde mit Unterstützung der<br />
Kommission von der Rektorenkonferenz der Hochschulen<br />
der EU und dem Europäischen Hochschulverband<br />
CRE (Project Report I: Trends in Learning<br />
Structures in Higher Education) durchgeführt. (Internet:<br />
www.unige.ch./eua)<br />
Zielsetzung:ZielderInitiativeist,zur„Errichtungei-<br />
118<br />
nes vollständigeren und umfassenderen Europas“<br />
auf der Grundlage des „Europas des Wissens“ eine<br />
„größere Kompatibilität und Vergleichbarkeit der<br />
Hochschulsysteme vollständig zu verwirklichen“<br />
und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen<br />
Hochschulen zu verbessern.<br />
Mit Bezug auf die Grundsätze der �Magna Charta<br />
Universitatum (1988) und der Sorbonne-Erklärung<br />
sollten<br />
a) „im Rahmen der jeweiligen institutionellen Kompetenzen<br />
und unter uneingeschränkter Achtung der<br />
Vielfalt der Kulturen, der Sprachen, der nationalen<br />
BildungssystemeundderAutonomiederUniversitäten“<br />
und<br />
b) in Zusammenarbeit auf Regierungs- und Hochschulebene<br />
und mit den „auf dem Gebiet der Hochschulen<br />
ausgewiesenen europäischen �Nichtregierungsorganisationen“<br />
folgende sechs bis 2010 zu<br />
verwirklichende Aktionsschwerpunkte verwirklicht<br />
werden:<br />
– Einführung eines Systems leicht verständlicher<br />
und vergleichbarer Abschlüsse, auch durch die Einführung<br />
des Diplomzusatzes (Diploma Supplement).<br />
– Einführung eines Systems, das sich im Wesentlichen<br />
auf zwei Hauptzyklen stützt, einen Zyklus bis<br />
zum ersten Abschluss (undergraduate) und einen<br />
Zyklus nach dem ersten Abschluss (graduate). Regelvoraussetzung<br />
für die Zulassung zum zweiten<br />
Zyklus ist der erfolgreiche Abschluss des ersten Studienzyklus,<br />
der mindestens drei Jahre dauert. Der<br />
nach dem ersten Zyklus erworbene Abschluss attestierteinefürdeneuropäischenArbeitsmarktrelevante<br />
Qualifikationsebene. Der zweite Zyklus sollte,<br />
wie in vielen europäischen Ländern, mit dem Master<br />
und/oder der Promotion abschließen.<br />
– Einführung eines Leistungspunktesystems – ähnlich<br />
dem �ECTS – als geeignetes Mittel der Förderung<br />
größtmöglicher Mobilität der Studierenden.<br />
Punkte sollten auch außerhalb der Hochschulen,<br />
bspw. durch lebenslanges Lernen, erworben werden<br />
können, vorausgesetzt, sie werden durch die jeweiligen<br />
aufnehmenden Hochschulen anerkannt.<br />
– Förderung der Mobilität durch Überwindung der<br />
Hindernisse, die der Freizügigkeit in der Praxis im<br />
Wege stehen, insbes. für Studierende (Zugang zu<br />
Studien- und Ausbildungsangeboten), für Lehrer,<br />
Wissenschaftler und Verwaltungspersonal (Anerkennung<br />
und Anrechnung von Auslandsaufenthal-
ten zu Forschungs-, Lehr- oder Ausbildungszwecken,<br />
unbeschadet der gesetzlichen Rechte dieser<br />
Personengruppen).<br />
– Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei<br />
der Qualitätssicherung im Hinblick auf die Erarbeitung<br />
vergleichbarer Kriterien und Methoden.<br />
– Förderung der erforderlichen europäischen Dimensionen<br />
im Hochschulbereich, insbes. in Bezug<br />
auf Curriculum-Entwicklung, Zusammenarbeit zwischen<br />
Hochschulen, Mobilitätsprojekte und integrierte<br />
Studien-, Ausbildungs- und Forschungsprogramme.<br />
(�Bologna-Prozess).<br />
Rechtliche Würdigung: Bei der Bologna-Erklärung<br />
handeltessichumeineintergouvernementaleBemühenserklärung<br />
außerhalb des Rechts- und institutionellen<br />
Rahmens der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Für sie gilt wie für den gesamten Bologna-Prozess<br />
(und den �Kopenhagen-Prozess), dass wegen fehlender<br />
vertraglicher Kompetenzen zwar eine politische<br />
Selbstbindung im Rahmen der jeweiligen einzelstaatlichen<br />
innerrechtlichen Möglichkeiten nicht<br />
geleugnet werden kann, jedoch im rechtlichen Sinne<br />
keine Handlungspflichten begründet werden. Die<br />
unterschiedlich gelagerten Zuständigkeiten und Beschlussfassungsverfahren<br />
in den UnterzeichnerländernlasseneinkonzertiertesHandelnnurauffreiwilligerBasiszu.<br />
I. H.<br />
Bologna-Prozess<br />
1. Begriff: Durch die �Lissabon-Strategie – parallel<br />
zum �Kopenhagen-Prozess (im Bereich der beruflichen<br />
Bildung) – für den Bildungsbereich ergriffene<br />
europaweite Initiative auf zwischenstaatlicher<br />
und/oder nichtstaatlicher Grundlage außerhalb des<br />
institutionellen und rechtlichen Rahmens der EU zur<br />
schrittweisen Verwirklichung eines kohärenten,<br />
transparenten und in seinen einzelstaatlichen Organisationsformen<br />
vergleichbaren Europäischen<br />
Hochschul- und Forschungsraumes bis 2010 mit den<br />
Schwerpunkten Strukturreform (Ablösung der kontinentalen<br />
Tradition einphasiger Studiengänge<br />
durchdreifachgestuftekonsekutivePhasenmiteigenen<br />
Abschlüssen: Bachelor / Master mit Diploma-<br />
Supplement und Doktoratsstudium), Anerkennung<br />
der Studienzeiten und -abschlüsse, Qualitätssicherung<br />
und Förderung der Mobilität von Lehrenden<br />
und Lernenden, eingeleitet durch die �Sorbonner<br />
und �Bologna-Erklärungen, ergänzt durch die Folgekonferenzen<br />
von Prag, Berlin und Bergen und<br />
Bologna-Prozess<br />
zahlreiche nichtstaatliche Erklärungen, Seminare<br />
und Konferenzen.<br />
2. Hintergrund, Vorgeschichte<br />
2.1 Verwirklichung des �Binnenmarktes: Das am<br />
14. 6. 1985 veröffentlichte „Weißbuch zur Vollendung<br />
des Binnenmarktes“ (KOM 1985/310 endg.)<br />
schlug 279 bis 1992 durchzuführende gesetzgeberische<br />
Maßnahmen vor. Dazu gehörten auch solche,<br />
die den Bildungs- und Ausbildungsbereich berührten<br />
(Gleichwertigkeit der beruflichen Ausbildung,<br />
Vergleichbarkeit der Abschlusszeugnisse und der<br />
Universitätszeugnisse, die gegenseitige Anerkennung<br />
der Grade und Diplome, die Förderung der Mobilität<br />
der Studenten und die Schaffung eines Gemeinschaftssystems<br />
für studentische Stipendien).<br />
2.2 Die Konzeption eines „Bildungsraums Europa“<br />
(Hochschulraum/Forschungsraum) als Ergänzung<br />
des ökonomisch definierten Binnenmarktes mit dem<br />
wesentlichen Ziel akademischer Freizügigkeit (Mobilität).<br />
2.3 Die Begünstigung von Initiativen außerhalb des<br />
institutionellen Rahmens der EU durch<br />
– dieBegrenzungderUnionszuständigkeitenimBildungs-<br />
und Kulturbereich durch den �Maastrichter<br />
Vertrag auf das „Unterstützen“ und „Ergänzen“ mitgliedstaatlicher<br />
Politik, die die Mitgliedstaaten zur<br />
gegenseitigen Abstimmung ihrer einzelstaatlichen<br />
Bildungs- und Ausbildungspolitiken untereinander<br />
verpflichtete (Art. 126 a. F./149 Abs. 1 und 127 a. F./<br />
150 Abs. 1 EGV, Gutachten des Juristischen Dienstes<br />
des Rates vom 21. 9. 2004 Ziff. 20, Entschließung<br />
des EP vom 5. 6. 2003), und die fehlende vertragliche<br />
Kompetenz, die Lehrinhalte und die Gestaltung<br />
der Bildungssysteme (Studienstrukturen,<br />
Studienorganisation, akademische Abschlüsse) zu<br />
regeln,<br />
– das Verbot der Harmonisierung der Rechts- und<br />
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten durch<br />
die Union,<br />
– die Praxis der Kommission, außerhalb des InstitutionengefügesderGemeinschaftKontakt-(z.B.über<br />
die Generaldirektoren in den Mitgliedstaaten) und<br />
Steuerungsaufgaben(z.B.überdie �„offeneKoordinierungsmethode“)<br />
wahrzunehmen,<br />
– die parallel zum Bologna-Prozess stattfindenden<br />
Konferenzen der europäischen Bildungsminister<br />
(Warschau 1997, Prag 1998, Budapest 1999, Bukarest<br />
2000, Riga 2001, Bratislava 2002, Nikosia 2003,<br />
Oslo 2004) zu Themen außerhalb des Vertrages.<br />
119
Bologna-Prozess<br />
2.4 Die Beschlüsse der Europäischen Räte von:<br />
– Lissabon (23./24. 3. 2000; �Lissabonstrategie,<br />
�Kopenhagen-Prozess) mit der Aufforderung an die<br />
Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen<br />
Vorschriften sich für die Beseitigung der Mobilitätshindernisse,<br />
mehr Transparenz bei der Anerkennung<br />
von Abschlüssen und von Studien- und<br />
Ausbildungszeiten einzusetzen und Überlegungen<br />
über die konkreten künftigen Ziele der Bildungssysteme<br />
anzustellen, und<br />
– Barcelona (15./16. 3. 2002), die Systeme der allgemeinen<br />
und beruflichen Bildung bis 2010 „zu einer<br />
weltweiten Qualitätsreferenz“ zu machen.<br />
2.5 Zahlreiche seit 1990 in der �„gemischten Formel“<br />
vom Bildungsministerrat gefasste hochschulpolitische<br />
Schlussfolgerungen und Entschließungen.<br />
2.6 Bereits außerhalb des EU-Vertrages eingeleitete<br />
Maßnahmen im Rahmen einzelstaatlicher Bildungspolitik<br />
zur strukturellen und inhaltlichen Reform des<br />
Hochschulwesens durch die Einführung gestufter<br />
Studiengänge und entsprechender Abschlüsse. Hierzu<br />
gehören in der Bundesrepublik<br />
– das „Kasseler Modell“ der gestuften Studiengänge,<br />
– die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes<br />
vom 20. 8. 1998 (Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge)<br />
und ihre Umsetzung in die Landeshochschulgesetze,<br />
– DieReformbemühungenzur„Steigerungderinternationalen<br />
Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandorts<br />
Deutschland“ durch auslandskompatible Studienzeiten,<br />
Studiengänge und -abschlüsse – einschl.<br />
des Diploma Supplement –, und zur Förderung der<br />
Mobilität, die sich in den Berichten und Folgeberichten<br />
der KMK seit 1996 und den Gemeinsamen Erklärungen<br />
der Regierungschefs von Bund und Ländern<br />
spiegeln.<br />
3. Chronologie und Zielsetzungen<br />
3.1BolognaMagnaChartaUniversitatum1988.Die<br />
an der 900-Jahr-Feier der Universität Bologna teilnehmenden<br />
über 400 europäischen Universitätsrektoren<br />
und -präsidenten verabschiedeten eine feierliche<br />
Erklärung über die „Schlüsselfunktion“ der<br />
Hochschulen bei der Schaffung eines europäischen<br />
Hochschulraumes(�MagnaChartaUniversitatum).<br />
3.2 Lissabon 1997. Die von der Unesco und dem Europarat<br />
angesichts der fortschreitenden europäischenEinigungbeschlossene„LissabonnerKonven<br />
120<br />
tion über die Anerkennung von Qualifikationen im<br />
Hochschulbereich in der Europäischen Region“ vom<br />
11. 4. 1997 (Anerkennung im Ausland erworbener<br />
Qualifikationen, Transparenz des Anerkennungsverfahrens,<br />
Einführung des sog. Diploma Supplement<br />
[DS] als jedem Universitäts- oder FachhochschuldiplombeizufügenderBeschreibungderQualifikation,<br />
als Beurteilungshilfe für die Immatrikulationsbehörde<br />
der Partnerstaaten) gilt als ein völkerrechtlicher<br />
Vertrag von Bedeutung für den Bologna-Prozess.<br />
Die Konvention wurde bis zum März<br />
2004 von 36 Staaten ratifiziert (Ratifikation durch<br />
die Bundesrepublik für 2005 angestrebt).<br />
3.3 Sorbonne-Erklärung 1998. Als Beginn des Bologna-Prozesses<br />
gilt im allgemeinen die Sorbonne-Erklärung<br />
vom 25. 5. 1998 zur „Harmonisierung der<br />
Architektur der europäischen Hochschulbildung“<br />
(�Sorbonne-Erklärung).<br />
3.4 Charta von Köln 1999. Am 1. 5. 1999 griffen die<br />
Staats- und Regierungschefs der G 8-Staaten die Bildungsproblematik<br />
in der Charta von Köln erstmalig<br />
als Thema auf (�Charta von Köln).<br />
3.5 Bologna-Erklärung 1999. In der Erklärung „Der<br />
Europäische Hochschulraum“ vom 19. 6. 1999 erklärten<br />
die 31 Bildungsministerinnen und -minister<br />
ihre Bereitschaft, 6 Ziele bis zum Jahre 2010 umzusetzen<br />
(�Bologna-Erklärung).<br />
3.6 Florenz-Erklärung 1999. Eine Initiative, den<br />
�Bologna-Prozess auf die Grundbildung auszudehnen<br />
(„Lernen in Europa, Zusammenarbeit zur Bewältigung<br />
gemeinsamer Herausforderungen“) führte<br />
zur �„Florenz-Erklärung“ vom 30. 9. 1999.<br />
3.7StudentGöteborgConvention2001(25.3.2001).<br />
Damit nahmen die National Unions of Students in<br />
Europe (ESIB) zu dem Bologna-Prozess Stellung.<br />
Sie befürworteten die beabsichtigten Reformen, unterstrichenaberdieNotwendigkeit,dieStudierenden<br />
am Reformprozess zu beteiligen und die sozialen<br />
AspekteunddieBedeutungderMobilitätstärkerhervorzuheben.<br />
3.8 Academic Convention of Salamanca 2001. Auf<br />
einem Konvent der Europäischen Hochschulinstitutionen<br />
„The Bologna-Process and the European Higher<br />
Education Area“ vom 29./30 5. 2001 in Salamanca<br />
beschlossen die Vertreter von 600 europäischen<br />
Hochschulen und Hochschulorganisationen, eine<br />
Botschaft an die Prager Folgekonferenz zu richten.<br />
Darin bekundeten sie ihre Unterstützung der Grundsätze<br />
der Magna Charta Universitatum und der Bolo-
gna-Erklärung zur Schaffung eines Europäischen<br />
Hochschulraumsbis2010undvereinbartenfolgende<br />
„Ziele, Grundsätze und Prioritäten“:<br />
– Hochschulbildung ist ein Bereich der öffentlichen<br />
Verantwortung,keine„Ware“,siedientauchderpersönlichen<br />
Entfaltung und ist Teil des lebenslangen<br />
Lernens,<br />
– Lehre und Forschung sind untrennbar miteinander<br />
verbunden, insofern ist der europäische Hochschulraum<br />
durch einen Forschungsraum zu ergänzen,<br />
– grundlegende Elemente des Europäischen Hochschul-/Forschungsraumes<br />
sind die Vielfältigkeit der<br />
Hochschulsysteme, ihre Qualitätssicherung und die<br />
Förderung der Mobilität, sowie<br />
– die Kompatibilität der Abschlüsse.<br />
Auf der Tagung wurde außerdem die Gründung der<br />
Europäischen Hochschulvereinigung (European<br />
University Association EUA) in Salamanca beschlossen.<br />
3.9 Prager Kommuniqué 2001. Die nach Aufnahme<br />
Liechtensteins, Kroatiens, der Türkei und Zyperns<br />
nunmehr 33 Staatenvertreter vereinbarten auf der<br />
1. Bologna-Folgekonferenz in Prag (18./19. 5. 2001)<br />
das �Prager Kommuniqué mit dem Titel „Auf dem<br />
Weg zum europäischen Hochschulraum“.<br />
3.10 Grazer Erklärung 2003. Nach Salamanca fand<br />
Ende Mai 2003 in Graz die zweite Konferenz statt, an<br />
der 600 Hochschulrektoren und -präsidenten, Studierende,<br />
Regierungsvertreter und weitere Partner<br />
eine Botschaft an die Berliner Bologna-Nachfolgekonferenz<br />
richteten. Schwerpunkte der Grazer Erklärung<br />
sind: Hochschulbildung als öffentliche Aufgabe;<br />
Forschung als integraler Bestandteil der Hochschulbildung;<br />
Verbesserung der akademischen Qualität<br />
durch Stärkung der Hochschulautonomie; Förderung<br />
der akademischen Mobilität und ihrer sozialenDimension;VoranbringendesBolognaprozesses<br />
(Einführung einer zweistufigen Studienstruktur mit<br />
Promotionsphase als dritter Stufe; Einsatz von<br />
ECTS;gemeinsameDefinitionenfürQualifikationsrahmen<br />
und Lernergebnisse; Einbeziehung von<br />
Hochschullehrern, Studierenden, Fachverbänden<br />
und Arbeitgebern in die Neugestaltung der Curricula;<br />
Einführung des Diploma Supplements).<br />
3.11 Berlin-Kommuniqué 2003. Die zweite Folgekonferenz<br />
fand am 18./19. 9. 2003 in Berlin statt. In<br />
dem Berlin-Kommuniqué „Den europäischen Hochschulraum<br />
verwirklichen“ vereinbarten die MinisterinnenundMinister,zurBeschleunigungdesProzes<br />
Bologna-Prozess<br />
ses für die nächsten Jahre (bis 2005) kurzfristige<br />
Prioritäten und neue Ziele (�Berlin-Erklärung).<br />
3.12 Bergen 2005. Auf Beschluss der Berliner Konferenz<br />
wurde zur Vorbereitung der 3. Bologna-<br />
Nachfolgekonferenz am 19./20. 5. 2005 in Bergen<br />
beschlossen, dass die Follow up-Gruppe unter Mitwirkung<br />
der Kommission eine Bestandsaufnahme<br />
(„synoptischer Überblick über den Bologna-Prozess“)<br />
bis 2005 erarbeitet und die detaillierten Berichte<br />
der Mitgliedstaaten über die erzielten Fortschritte<br />
und die Umsetzung der mittelfristigen Prioritäten<br />
vorgelegt werden. In Bergen wurde ein weiterer<br />
Fortschrittsbericht bis 2007 (London) beschlossen:<br />
„Kommuniqué von Bergen – Der europäische<br />
Hochschulraum – die Ziele erreichen.“ Die 4. Bologna-Nachfolge-Konferenz<br />
findet 2007 in London<br />
statt.<br />
Rechtliche Würdigung: Die Bologna-Erklärung wie<br />
auch die Erklärungen der Folgekonferenzen von<br />
Prag 2001, Berlin 2003 und Bergen 2005, allgemein<br />
als „Bologna-Prozess“ bezeichnet, stellen intergouvernementale,<br />
unverbindliche Bemühenserklärungen<br />
der unterzeichnenden Ministerinnen und Minister<br />
außerhalb des Willensbildungs- und Beschlussfassungsprozesses<br />
der EU dar. Trotzdem ist ihnen<br />
eine politische Bindungswirkung im Rahmen zwischenstaatlicher<br />
Kooperation nicht abzusprechen.<br />
Für die am Bologna-Prozess beteiligten Staaten untereinander<br />
gibt es keine rechtlich verbindliche Umsetzungspflicht<br />
der Ziele des Bologna-Prozesses. So<br />
gesehen, fehlt ihm die demokratische Legitimation<br />
durch die nationalen Parlamente.<br />
Zur Frage der Vereinbarkeit der zwischenstaatlichen<br />
Initiative mit dem Initiativmonopol der Kommission<br />
ist festzustellen: Zwar läuft der Bologna-Prozess seit<br />
der ihm voraufgehenden Sorbonne-Erklärung vom<br />
25. 5. 1998 parallel zur offiziellen Bildungspolitik<br />
der Union (Kommission: „außerhalb des EU-Kontexts“).Bundesrat(Drs.249/93–Beschlussvom7.5.<br />
1993), KMK und MPK (Protokollerklärung vom 29.<br />
10. 1993) hatten sich deshalb gegen eine von der<br />
Bundesregierung vertretene intergouvernementale<br />
(dem Vorlagemonopol der Kommission zuwider<br />
laufende) europäische Bildungspolitik mit der Begründung<br />
ausgesprochen, dass die Kompetenzverteilung<br />
des am 1. 11. 1993 in Kraft getretenen Vertrags<br />
von Maastricht für sog. „gemischte Beschlüsse“<br />
(�gemischte Formel) keinen Raum mehr ließ (die<br />
Bundesregierung war anderer Meinung und wollte<br />
121
Bonner Erklärung<br />
auf diese Beschlussfassungsform nicht verzichten).<br />
Aber diese kritische Haltung änderte sich, als die<br />
Kommission selbst ihre vertraglichen Rechte nicht<br />
verletzt sah, indem sie versicherte, dass der Bologna-Prozess<br />
sich in die Ziele der Beschlüsse der Europäischen<br />
Räte von Lissabon (23./24. 3. 2000) und<br />
Barcelona (15./ 16. 3. 2002) einordne. Die Kommission<br />
erklärte nach der zweiten Folgekonferenz in<br />
Berlin sogar, dass „die Ziele der Bologna-Erklärung<br />
in vielerlei Hinsicht den Zielen der EU-Programme<br />
im Hochschulbereich, unter Einschluss des Doktoratniveaus“<br />
entsprechen, so dass „eine engere Verknüpfung<br />
sowohl logisch als auch notwendig erscheint“<br />
(KOM 2004/156 endg.). Das gelte „insbesondere<br />
für Bereiche wie die Qualitätssicherung, das<br />
Europäische System zur Anrechnung von Studienleistungen<br />
(ECTS), die Mobilitätsförderung und die<br />
Europäische Dimension der Bildung“: KOM 2004/<br />
642 endg. (zur Qualitätssicherung); KOM 2004/474<br />
endg. (zu ECTS); KOM 2004/021 endg. (zur Mobilität);<br />
KOM 2004/156 endg. (zur Europäischen Dimension<br />
der Bildung).<br />
Die für die Hochschulpolitik im Wesentlichen zuständigen<br />
Länder der Bundesrepublik erklärten folglich<br />
in Abänderung ihrer anfänglichen, eine intergouvernementale<br />
Bildungspolitik ablehnenden,<br />
Haltung, dass der Bologna-Prozess im Einklang mit<br />
ihren eigenen Zielsetzungen stünde (hierzu auch:<br />
Entschließung des 193. Plenums der HRK vom<br />
19./20.2.2001),dieBundundLändergemeinsamfür<br />
die „Modernisierung des Hochschulwesens in<br />
Deutschland und die Stärkung seiner internationalen<br />
Attraktivität“ entwickelt haben.<br />
Hierdurch entwickelte sich der Bologna-Prozess zu<br />
einer Politik, die es (wie der �Kopenhagen-Prozess)<br />
durch seine freiwillige, auch Nicht-EU-Mitglieder<br />
und die zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht<br />
ausschließende, unverbindliche Form der Kooperation<br />
zulässt, dass Themen aufgegriffen werden, die<br />
im Rahmen des EU-Vertrages nicht behandlungsfähig,<br />
aber der Förderung einer weit gefassten europäischen<br />
„self-identity“ förderlich sind.<br />
Ausblick: Eine Anfang 2004 vom BMBF vorgelegte<br />
Studie „Bachelor und Master in Deutschland“ (von<br />
Schwarz-Hahn, Rehburg) belegt, dass die neuen Bachelor-<br />
und Masterstudiengänge 15 % des StudienangebotsinDeutschlandausmachen.ÜberdieHälfte<br />
dieser Studiengänge wurden völlig neu entwickelt.<br />
Bei 60 % der neuen Studiengänge gehören interna-<br />
122<br />
tionale Kooperationen fest zum Programm. Etwa<br />
zwei Drittel der Lehrveranstaltungen werden teilweise<br />
in einer Fremdsprache abgehalten. Mehr als<br />
80%derneuenStudiengängewerdeninModulenangeboten,<br />
knapp 90 % haben ein Leistungspunktsystem<br />
und studienbegleitende Prüfungen. Dadurch erhöht<br />
sich die internationale Vergleichbarkeit der<br />
neuen Abschlüsse und die Attraktivität eines grenzüberschreitenden<br />
Wechsels zwischen den Hochschulen.<br />
In Bergen traten dem Bologna-Prozess die Länder<br />
Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien<br />
undUkrainebei. I. H.<br />
Internet: www.bologna-bergen2005.no<br />
Literatur:<br />
Edel, K.-O.: Bologna und die Folgen. Brandenburg 2004<br />
Evanet – Extra 3, Informationen und Links zum „Bologna-<br />
Prozess“, HIS 16. 4. 2003<br />
Haug, G.: Trends and Issues in Learning Structures in Higher<br />
Education in Europe. In: Beiträge zur Hochschulpolitik<br />
12/2001, Bonn<br />
Haug, G./Kirstein, J.: Project Report to the Bologna-<br />
Conference. Trends in Learning Structures in Higher<br />
Education (I). 7. 6. 1999<br />
Haug, G./Tauch, Ch.: Trends in Learning Structures in Higher<br />
Education (II). Follow-up Report prepared for the Salamanca<br />
and Prague Conferences of March/May 2001<br />
Hochbaum, Ingo: Zur Mobilität der Lehrkräfte in der<br />
Europäischen Union. RdJB 2/2001, 180<br />
Kleinwächter, C.: Dokumentation zur hochschulpolitischen<br />
Entwicklung im Bereich der modularisierten und gestuften<br />
Studiengänge und ihrer Akkreditierung bis Juni 2003. GEW<br />
Niedersachsen 2003<br />
Lourtie, P.: Furthering the Bologna Process. Report to the<br />
Ministers of Education of the signatory countries. Prag 2001<br />
Schwarz-Hahn, St./Rehburg, M.: Bachelor und Master in<br />
Deutschland. Kassel 2003<br />
Seifert, M.: Rechtliche Grundlagen des Bologna-Prozesses und<br />
der Lissabon-Strategie – Europaweite Vereinheitlichung der<br />
Studienstrukturen und Maßnahmen zur Erleichterung der<br />
Anerkennung von Diplomen. Europainstitut Wirtschaftsuniversität<br />
Wien 2004 (mit Bibliografie)<br />
Reichert, S./Tauch, Ch.: Trends 2003, Progress towards the<br />
European Higher Education Area. Report to the Berlin<br />
Conference 2003<br />
Dies.: Trends IV, European Universities implementing<br />
Bologna. EUA 25. 4. 2005<br />
Tauch, Ch./Rauhvargers, A.: Survey on Master Degrees and<br />
Joint Degrees in Europe. EUA 2002<br />
Zgaga, P.: Bologna Process between Prague and Berlin.<br />
Report to the Ministers of Education of the signatory<br />
countries. Berlin 2003<br />
Bonner Erklärung vom 21. 6. 1999 zur Partnerschaft<br />
EU–USA an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.<br />
Es wurden Mechanismen zur Früherkennung
von Meinungsverschiedenheiten zwischen den<br />
transatlantischen Partnern vereinbart, insbes. im Bereich<br />
Handel. Außerdem anerkannten die USA die<br />
gleichberechtigte Partnerschaft der Europäischen<br />
Union bei der Lösung regionaler und globaler Fragen.<br />
Bosman-/Fußball-Urteil. Der belgische Berufsfußballspieler<br />
Jean-Marc-Bosman hatte gegen die<br />
von der UEFA/FIFA aufgestellten Transfer- und<br />
Ausländerklauseln geklagt, die seine freie Arbeitsplatzwahl<br />
beschränkten und somit nicht mit den Bestimmungen<br />
über Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar<br />
seien. Im Urteil vom 15. 12. 1995 (Slg. 1995,<br />
I-4921) entschied der EuGH im Wege der Vorabentscheidung<br />
insbes., dass Art. 39 EGV (freier Personenverkehr)<br />
der Anwendung von durch Sportverbände<br />
aufgestellten Regeln entgegensteht, nach denen<br />
ein Berufsfußballspieler, der Staatsangehöriger<br />
eines Mitgliedstaates ist, bei Ablauf des Vertrages,<br />
der ihn an einen Verein bindet, nur dann von einem<br />
Verein eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt<br />
werden kann, wenn dieser dem bisherigen Verein<br />
eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung<br />
gezahlt hat. Außerdem stünde Art. 39<br />
EGV der Anwendung solcher Regeln entgegen, nach<br />
denen die Fußballvereine bei den Spielen der von<br />
diesen Verbänden veranstalteten Wettkämpfe nur<br />
eine begrenzte Anzahl von Berufsspielern, die<br />
Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, aufstellen<br />
können. Im Anschluss an die �Dassonville-<br />
Formel formulierte der EuGH, dass Art. 39 EGV<br />
„nicht nur jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung<br />
aus Gründen der Staatsangehörigkeit,<br />
sondern auch nationale Regelungen verbietet, die,<br />
auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit<br />
der betroffenen Arbeitnehmer anwendbar sind,<br />
deren Freizügigkeit beeinträchtigen“. Damit baute<br />
der EuGH auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit von<br />
einem bloßen Diskriminierungsverbot weiter in<br />
Richtung auf ein allgemeines Beschränkungsverbot<br />
aus. J. M. B.<br />
Briand, Aristide (1862 – 1932), französischer Ministerpräsident<br />
(1910 – 1911, 1913, 1915 – 1917,<br />
1921 – 1922, 1925 – 1926, 1929) und Minister in<br />
verschiedenen Ressorts. War insbes. bemüht um die<br />
Wahrung der französischen Sicherheitsinteressen in<br />
Europa (Locarno-Verträge von 1925), förderte den<br />
BSE<br />
„Kriegsächtungspakt“ (Briand-Kellogg-Pakt von<br />
1928) und setzte sich ein für einen föderalen Zusammenschluss<br />
der europäischen Staaten („Memorandum<br />
über die Organisation eines Systems europäischer<br />
föderativer Union“ von 1930).<br />
BRITE/EURAM (Basic Research in Industrial Technologies<br />
for Europe and European Research in Advanced<br />
Materials). EU-Programme im Bereich Forschung<br />
und technologische Entwicklung ab 1984 bis<br />
1998. Ziel war die vorwettbewerbliche Forschung<br />
für fortgeschrittene Werkstoff-, Produktions- und<br />
Verfahrenstechnologien. Gefördert wurden Kooperationen<br />
von Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />
und Unternehmen. Das erste BRITE-Programm<br />
startete 1984 (im ersten EU-Forschungsrahmenprogramm<br />
FP1), das erste BRITE/EURAM-Programm<br />
1988 (FP2). Es wurde in den folgenden Rahmenprogrammen<br />
erneuert bis BRITE/EURAM III (FP4) mit<br />
einer Laufzeit von 1994 bis 1998 und einem Etat von<br />
1,6 Mrd. ECU. BRITE/EURAM wurde im FP5 abgelöst<br />
durch das Programm �Growth (Competitive and<br />
sustainable Growth).<br />
Brüssel, Hauptstadt Belgiens, ist als Sitz oder<br />
Tagungsort von Organen der EU (Rat, Kommission,<br />
Parlament) zentraler Ort von Beratungen und Entscheidungen<br />
der Gemeinschaft. Der Ortsname<br />
„Brüssel“ wird auch stellvertretend für die EU oder<br />
für das Organ Kommission verwendet, häufig in kritischer<br />
Absicht.<br />
Brüsseler Übereinkommen �Gerichtsstands- und<br />
Vollstreckungs-Übereinkommen<br />
BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie), seit<br />
Mitte der 1980er Jahre unter Rindern zunächst in<br />
Großbritannien epidemisch auftretende degenerative<br />
Hirnerkrankung. Die Krankheitsform ist bei<br />
Schafen seit langem als Scrapie bekannt und ähnelt<br />
der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei Menschen. Die<br />
Seuche, derentwegen mehrere hunderttausend Tiere<br />
getötet werden mussten, wurde durch Verfütterung<br />
vonausSchafenhergestelltemTiermehlausgelöst.<br />
Wegen der Gefahr der seuchenartigen Ausbreitung<br />
der Krankheit und der Gefahr möglicher Übertragbarkeit<br />
der Erreger auf Menschen hat die EU eine<br />
ReihevonMaßnahmenzurEindämmungderRinderkrankheit<br />
BSE ergriffen, u. a.:<br />
123
Budapester Forum<br />
– Entscheidung 89/469 untersagte den Versand lebender<br />
Rinder aus Großbritannien, die vor dem 18. 7.<br />
1988 geboren worden waren oder von verdächtigen<br />
Rindern abstammten.<br />
– Entscheidung 90/134 machte die Meldung aller<br />
BSE-Fälle zur Pflicht.<br />
– Entscheidung 90/200 untersagte den Versand bestimmter<br />
Teile von mehr als sechs Monaten alten<br />
Rindern aus Großbritannien.<br />
– Entscheidung 94/382 verbot die Verfütterung von<br />
(Säuge-)Tiermehl an Wiederkäuer.<br />
– Entscheidung 96/239 verbot den Export von Rindern<br />
und Rindserzeugnissen aus Großbritannien in<br />
EU- und Drittländer, in Teilen aufgehoben durch<br />
Entscheidungen 98/256 und 98/692 und zum 1. 8.<br />
1999völligaufgehobendurchEntscheidung99/514.<br />
– Entscheidung 98/653 führte Tests zur Überwachung<br />
der übertragbaren spongiformen Enzephalopathien<br />
ein; Schnelltest wurden eingeführt durch<br />
Entscheidung 2000/374.<br />
– Entscheidung 98/653 verhängte ein Rinderembargo<br />
über Portugal.<br />
– Entscheidung 2000/418 untersagte für die Nahrungsmittel-<br />
und Futtermittelkette die Verwendung<br />
tierischer Gewebe mit hohem BSE-Risiko (wie<br />
Schädel, Tonsillen, Rückenmark, Ileum).<br />
Im Zeitraum 1987 bis 30. 4. 2005 wurden weltweit<br />
insgesamt 189 432 Fälle von BSE bestätigt, davon<br />
182 920 in Großbritannien und Nordirland, 1 485 in<br />
Irland, 959 in Frankreich, 951 in Portugal, 554 in<br />
Spanien, 457 in der Schweiz, 376 in Deutschland.<br />
Budapester Forum für Europa – Institut für EuropäischesRecht,WirtschaftundVerwaltung.Stiftung<br />
ungarischen Rechts, ins Leben gerufen 2001 von der<br />
Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit<br />
(IRZ). Offeriert Weiterbildung für Juristen<br />
mit Bezug auf Gemeinschaftsrecht, richtet<br />
Diskussionsforen zu europa- und wirtschaftsrechtlichen<br />
Fragen aus, organisiert multilaterale Konferenzen,<br />
Symposien und Workshops.<br />
Adresse: Szent István krt. 17.3. 7/a, H–1055 Budapest.<br />
Internet: www.budforum.hu<br />
Bulletin der Europäischen Union. Es wird vom<br />
�Amt für Veröffentlichungen der EU herausgegeben,<br />
erscheint zehnmal pro Jahr und beschreibt in<br />
knapper Form die Maßnahmen der Kommission und<br />
der anderen Organe und Institutionen der Gemein-<br />
124<br />
schaft (Ausgabe1/2über Ereignisse von Januar und<br />
Februar erscheint im April). Es ist in Papierform erhältlich<br />
und im Internet zugänglich. Bis 2004 ist es in<br />
allenAmtssprachenerschienen,seit2005nurnochin<br />
Deutsch, Englisch und Französisch. Das Bulletin<br />
wird ergänzt durch den jährlich erscheinenden �Gesamtbericht<br />
über die Tätigkeit der Europäischen<br />
Union mit einem Überblick über das Vorjahr.<br />
Internet: http://europa.eu.int/abc/doc/off/bull/de/welcome.htm<br />
Bund-Länder-Vereinbarung (BLV). Die BLV<br />
(abgedruckt im Handbuch des Bundesrates) wurde<br />
zur Ergänzung des EUZBLG (�Zusammenarbeitsgesetz)<br />
am 23. 3. 1993 geschlossen und am 8. 6. 1998<br />
geändert. Darin werden Einzelheiten der Ländermitwirkung<br />
vereinbart. Zunächst wird sehr detailliert<br />
geregelt, in welcher Weise und hinsichtlich welcher<br />
Art von Dokumenten die Unterrichtung des Bundesrates<br />
durch die Bundesregierung erfolgt, z. B. durch<br />
Dokumente der Kommission und ihrer Dienststellen,<br />
des Europäischen Rates, Berichte und Mitteilungen<br />
von Organen der Europäischen Union, Berichte<br />
der Ständigen Vertretung über Sitzungen des Rates<br />
und der Ratsgruppen, der informellen Ministertreffenunddes�AusschussesderStändigenVertreter.<br />
Des Weiteren enthält die BLV Regelungen, in welcher<br />
Weise sog. Ländervertreter (Einzelheiten �Zusammenarbeitsgesetz)<br />
bei den Beratungen der Bundesregierung<br />
zur Festlegung ihrer Verhandlungsposition<br />
für den Ministerrat beteiligt werden.<br />
Eine fortlaufende Unterrichtung über den Fortgang<br />
der Verhandlungen auf europäischer Ebene stellt sicher,dassderBundesratseineStellungnahmeanveränderte<br />
Verhandlungssituationen auf der europäischen<br />
Ebene anpassen kann. Auch für den Fall des<br />
Auseinanderfallens der Positionen von Bundesrat<br />
und Bundesregierung wird eine „Regieanweisung“<br />
formuliert.<br />
Die Regelungen zur Hinzuziehung von Ländervertretern<br />
in die europäischen Gremien reichen von der<br />
Mitteilung der technischen Daten über Ort und Zeit<br />
der Sitzungen bis zur Führung einer sog. Gremienliste.<br />
Festgehalten ist die Stellung der Ländervertreter<br />
als Mitglieder der deutschen Delegation und die Delegationsleitung<br />
sowie die Möglichkeit des Ländervertreters<br />
zu Wortbeiträgen.<br />
Da die Länder bisher keine eigenen Klagerechte zu<br />
den europäischen Gerichten haben, erläutert die<br />
BLV, dass auf Beschluss des Bundesrates die Bun-
desregierung Klage beim Europäischen �Gerichtshof<br />
oder beim Gericht Erster Instanz erheben muss.<br />
Aufgabe der Länder ist es dann, rechtzeitig eine ausführliche<br />
Stellungnahme dafür zur Verfügung zu<br />
stellen. In der BLV werden auch die sog. �Länderbürosunddersog.�Länderbeobachterangesprochen.<br />
Zur BLV gibt es Protokollnotizen und -erklärungen<br />
(abgedruckt im Handbuch des Bundesrates), aus denen<br />
die Punkte ersichtlich sind, zu denen zwischen<br />
Bund und Ländern keine Einigung erzielt werden<br />
konnte.DazuzähltetwadieFrage,inwieweiteinEinvernehmen<br />
des Bundesrates auch für eine Stimmenthaltung<br />
Deutschlands im Rat der Europäischen<br />
Unionerforderlichist. H. D.-K.<br />
Literatur:<br />
Dette-Koch, H. E.: Die Rolle des „Länderbeobachters“ im<br />
Rahmen der Mitwirkung der Länder an der europäischen Integration.<br />
In: Thüringer Verwaltungsbl. 1997, S. 169 ff.<br />
Bürgeranfragen sind Fragen, Informationsersuchen,<br />
Vorschläge oder Empfehlungen der Bürger an<br />
das Europäische Parlament. Sie müssen die Tätigkeitsbereiche<br />
der Europäischen Union betreffen. Sie<br />
werden schriftlich in einer der 20 Amtssprachen der<br />
EU über den Briefkasten des EP eingereicht, der über<br />
die Website des EP (www.europarl.eu.int) unter<br />
„ABC / Bürgeranfragen“ zu erreichen ist.<br />
Bürgerbeauftragter, Europäischer. Im Unterschied<br />
zum �Petitionsrecht, das auf eine lange Tradition<br />
zurückreicht, gab es den Bürgerbeauftragten<br />
oder Ombudsmann lange Zeit nur in den skandinavischen<br />
Ländern Schweden (1809 justitieombudsman),<br />
Finnland (1919) und Dänemark (1953); er ist<br />
dort zur Kontrolle der Verwaltung eingesetzt. Ab<br />
Anfang der 1970er Jahre wurden in vielen Mitgliedstaaten<br />
der EG Ombudsmannstellen geschaffen. In<br />
Deutschland gibt es auf Bundesebene vom Parlament<br />
eingesetzte Bürgerbeauftragte nur für spezielle<br />
Zuständigkeiten (Wehrbeauftragter nach Art 45 c<br />
GG und Bundesbeauftragter für Datenschutz). Lediglich<br />
einige Bundesländer (Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein,<br />
Thüringen) haben Bürgerbeauftragte.<br />
1. Begriffserklärung und Merkmale: Nach klassischen<br />
Definitionen handelt es sich beim Bürgerbeauftragten<br />
um ein Organ zur Kontrolle der Verwaltung.<br />
Typologisch unterscheidet man zwischen Parlamentsbeauftragten,<br />
die auf Beschluss eines Parlaments<br />
eingesetzt und diesem verantwortlich sind,<br />
Bürgerbeauftragter<br />
Regierungsbeauftragten, die von der sie berufenden<br />
Verwaltungseinheit abhängig sind, und speziellen<br />
Bürgerbeauftragten, die von der Legislative oder der<br />
Exekutive eingesetzt sind und deren Zuständigkeit<br />
auf einen Kompetenzbereich beschränkt ist.<br />
Im traditionellen Verständnis wählt das Parlament<br />
einen Bürgerbeauftragten zur Kontrolle der Verwaltung<br />
und zur Entgegennahme von Beschwerden. Insofern<br />
ergänzt und erweitert der Bürgerbeauftragte<br />
einerseits die Kontrollfunktion des Parlaments und<br />
vertritt andererseits die Bürgerinteressen. Er ist in<br />
seiner Amtsführung unabhängig und keinerlei Weisungen<br />
unterworfen. Als unparteiischer Sachwalter<br />
vermittelt er nicht nur zwischen den Bürgerinnen<br />
bzw. Bürgern und der Verwaltung, sondern kann<br />
auch aus eigener Initiative tätig werden, um auf mögliche<br />
Fehlinterpretationen von Gesetzen durch die<br />
Verwaltung hinzuweisen. Zur Ausübung seiner Tätigkeit<br />
ist er mit einem umfangreichen Frage- und Informationsrecht<br />
ausgestattet.<br />
2. Sinn und Zweck des Europäischen Bürgerbeauftragten:<br />
1979 befürwortete das Europäische Parlament<br />
die Einsetzung eines Parlamentsbeauftragten,<br />
der Beschwerden der Gemeinschaftsbürger prüfen<br />
und diese über die vorhandenen Rechtsbehelfe belehren<br />
sollte. Die Diskussion um den Europäischen<br />
Bürgerbeauftragten wurde im Schlussbericht des<br />
�Adonnino-Ausschusses zum �Europa der Bürger<br />
wieder aufgegriffen. Jedoch erst mit dem Maastrichter<br />
Vertrag trat am 1. 11. 1993 der neu hinzugefügte<br />
Art. 138e EGV (jetzt Art. 195 EGV) zum Europäischen<br />
Bürgerbeauftragten in Kraft. Im September<br />
1995 trat mit dem früheren finnischen Ombudsmann<br />
Jakob Magnus Söderman der erste Europäische Bürgerbeauftragte<br />
sein Amt an; sein Nachfolger wurde<br />
zum 1. 4. 2003 der Nationale Bürgerbeauftragte<br />
Griechenlands, Nikiforos Diamandouros.<br />
Der Vertragstext des Art. 195 EGV in den verschiedenen<br />
Amtssprachen veranschaulicht die Mehrschichtigkeit<br />
der Funktionen des Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />
Während im deutschen Text mit der<br />
Bezeichnung „Bürgerbeauftragter“ zum Ausdruck<br />
gebracht wird, dass diese Institution den Interessen<br />
der Bürger dienen soll, weist die Bezeichnung „El<br />
Defensor del Pueblo Europeo“ im spanischen Text<br />
vornehmlich auf die Rechtsschutzfunktion. Der<br />
„Médiateur européen“ bzw. „Mediatore Europeo“<br />
im französischen bzw. italienischen Text weist in die<br />
Richtung einer zwischen dem Einzelnen und den<br />
125
Bürgerbeauftragter<br />
Einrichtungen der EU vermittelnden Instanz. In diesen<br />
Begriffen spiegeln sich seine Funktionen wider.<br />
Der Bürgerbeauftragte ist ein flexibles Instrument<br />
zur Kontrolle des Tätigwerdens von EU-Einrichtungen,dasvondenBürgerinnenundBürgernwegen<br />
�Missständen angerufen werden kann (subjektiver<br />
Rechtsschutz); der Bürgerbeauftragte kann eigeninitiativ<br />
tätig werden und damit auch eine objektive<br />
Kontrolle der Gemeinschaftsorgane ausüben; er tritt<br />
alsMittlerzwischenBürgerundGemeinschaftauf.<br />
Nach der Systematik des EGV steht der Bürgerbeauftragte<br />
in engem Verhältnis zu �Unionsbürgerschaft<br />
und zum �Europäischen Parlament. Gemäß<br />
Art. 21 Abs. 2 EGV gehört es zu den Rechten der<br />
Unionsbürgerschaft, sich an den Bürgerbeauftragten<br />
zu wenden. Die Regelungen zum Bürgerbeauftragten<br />
in Art. 195 EGV sind innerhalb des Abschnitts<br />
zum Europäischen Parlament enthalten. Die Berichte<br />
des Bürgerbeauftragten können das Parlament<br />
dazu veranlassen, seine politische Kontrolltätigkeit<br />
gegenüber den anderen Gemeinschaftsorganen aufzunehmen<br />
oder darauf hinzuwirken, dass das Gemeinschaftsrecht<br />
verändert bzw. verbessert wird.<br />
Der Bürgerbeauftragte hat eine wesentliche Bedeutung<br />
für die Aufstellung der Verhaltensregeln der<br />
Gemeinschaftseinrichtungen. Die an ihn gerichteten<br />
Beschwerden geben ihm Anhaltspunkte dafür, in<br />
welchen Bereichen es Defizite in den Beziehungen<br />
zwischen den Institutionen der Gemeinschaft und<br />
den Bürgern gibt. Diesen kann er ggf. im Rahmen einer<br />
Eigeninitiativuntersuchung nachgehen und Vorschläge<br />
unterbreiten, die auf eine Änderung der Gesetze<br />
bzw. bestehenden Verwaltungspraktiken abzielen.<br />
So hat der Bürgerbeauftragte 1997 eine Eigeninitiativuntersuchung<br />
zu Möglichkeiten einer<br />
qualitativen Verbesserung der Verwaltungsverfahren<br />
der Kommission bei der Bearbeitung von Beschwerden<br />
aufgenommen, welche die Verletzung<br />
von Gemeinschaftsrechten durch die Mitgliedstaaten<br />
betreffen. Diese Initiative hat die Kommission<br />
2002veranlasst,eineMitteilungüberihreBeziehung<br />
zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht<br />
zu veröffentlichen (KOM 2002/<br />
141 endg.). Im Jahre 1998 hat der Bürgerbeauftragte<br />
einen �Kodex für gute Verwaltungspraxis zur Annahme<br />
durch die Gemeinschaftseinrichtungen empfohlen,<br />
der 2001 vom Europäischen Parlament gebilligt<br />
wurde. Zwar fehlt diesem Kodex bislang die allgemeine<br />
rechtliche Verbindlichkeit, aber er enthält<br />
126<br />
2004 eingereichte Beschwerden: 3 726<br />
davon aus:<br />
Belgien 268<br />
Dänemark 32<br />
Deutschland 464<br />
Estland 7<br />
Finnland 73<br />
Frankreich 303<br />
Griechenland 129<br />
Großbritannien 195<br />
Irland 53<br />
Italien 269<br />
Lettland 9<br />
Litauen 18<br />
Luxemburg 40<br />
Malta 38<br />
Niederlande 88<br />
Österreich 69<br />
Polen 285<br />
Portugal 116<br />
Schweden 84<br />
Spanien 482<br />
Slowakei 52<br />
Slowenien 38<br />
Tschechische Republik 98<br />
Ungarn 53<br />
Zypern 59<br />
Drittländer 404<br />
eine Selbstverpflichtung für die Einrichtungen, welche<br />
diese Verhaltensregeln nach ihren eigenen Äußerungen<br />
befolgen wollen. Solche Vorschläge des<br />
Bürgerbeauftragten, die aus seiner Funktion legitimiert<br />
sind, zur Verbesserung der Beziehungen zwischen<br />
den Gemeinschaft und den Bürgern beizutragen,<br />
binden die betroffenen Einrichtungen nicht; sie<br />
werden von diesen jedoch oftmals aufgegriffen und<br />
in Gesetze überführt. Die Aufgabe des BürgerbeauftragtenistalsonichtaufdieAbhilfeindividuellerBeschwerden<br />
beschränkt. Das Amt des Bürgerbeauftragten<br />
eignet sich vielmehr auch zur Erarbeitung<br />
von Standards für das Verhalten der Gemeinschaftseinrichtungen.<br />
Im Unterschied zu den Gemeinschaftsgerichten,<br />
die nicht befugt sind, von vornherein<br />
einen Komplex von Verhaltensstandards zu entwickeln,undzudenanderenGemeinschaftsorganen,<br />
für die kein Grund für die Aufstellung von Verhaltensregeln<br />
besteht, die über ihren eigenen Aufgaben-
ereich hinausgehen, kann der Bürgerbeauftragte<br />
auf Grund größeren Blickwinkels Lösungen mit einer<br />
großen Bandbreite vorlegen. Die Aufnahme des<br />
Rechts auf gute Verwaltung in Art. 41 der Charta der<br />
Grundrechte der Europäischen Union geht im WesentlichenaufdasEngagementdesBürgerbeauftragten<br />
zurück.<br />
3. Ausgestaltung der Rechtsstellung: Der Präsident<br />
des Europäischen Parlaments ruft zu Bewerbungen<br />
für das Amt des Bürgerbeauftragten auf. Gemäß der<br />
Geschäftsordnung des Parlaments muss jede Kandidatur<br />
von mindestens 37 Mitgliedern des Parlaments<br />
aus mindestens zwei Mitgliedstaaten befürwortet<br />
werden (Art. 194 Nr. 2 GO). Das Parlament, von dem<br />
mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend<br />
sein muss, stimmt geheim und mit der Mehrheit seiner<br />
Stimmen ab. Gemäß Art. 195 Abs. 2 EGV wird<br />
der Bürgerbeauftragte für die Dauer der Legislaturperiode<br />
ernannt. Sein Amt endet mit dem Ablauf des<br />
Mandats, durch Rücktritt oder Amtsenthebung, letztere<br />
nur dann, wenn der Bürgerbeauftragte die Voraussetzungen<br />
für die Ausübung seines Amtes nicht<br />
mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen<br />
hat. Eine Wiederwahl ist möglich.<br />
Die allgemeinen Bedingungen für die Ausführungen<br />
der Aufgaben des Bürgerbeauftragten sind im Statut<br />
vom 25. 10. 1993 geregelt. Danach kann das Amt des<br />
Bürgerbeauftragten nur eine Unionsbürgerin bzw.<br />
ein Unionsbürger wahrnehmen, welche bzw. welcher<br />
die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt, jede Gewähr<br />
für Unabhängigkeit bietet und entweder die für<br />
höchste richterliche Ämter erforderlichen Voraussetzungen<br />
erfüllt oder anerkanntermaßen über die<br />
Erfahrung und Befähigung zur Wahrnehmung der<br />
Aufgaben eines Bürgerbeauftragten verfügt. Nach<br />
Art. 9 Abs. 1 des Statuts übt der Bürgerbeauftragte<br />
sein Amt zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften<br />
und der Bürger der Union aus. Das Statut verpflichtet<br />
ihn zur Unterlassung jeder Handlung, welche<br />
mit seinen Aufgaben unvereinbar ist. Er darf<br />
während seiner Amtszeit keine andere entgeltliche<br />
oder unentgeltliche Berufstätigkeit oder andere politische<br />
und administrative Ämter wahrnehmen. Gemäß<br />
Art. 195 Abs. 3 EGV übt der Bürgerbeauftragte<br />
sein Amt in voller Unabhängigkeit aus und darf bei<br />
der Erfüllung seiner Pflichten von keiner anderen<br />
Stelle Anweisungen anfordern oder entgegennehmen.DieseUnabhängigkeitgiltauchgegenüberdem<br />
Europäischen Parlament. Damit ist eine objektive<br />
Bürgerbeauftragter<br />
und neutrale Behandlung der bei ihm eingereichten<br />
Beschwerden gewährleistet.<br />
Der Bürgerbeauftragte ist nicht der Judikative auf<br />
der Gemeinschaftsebene zuzuordnen, da er keine<br />
verbindlichen Entscheidungen trifft, im Gegensatz<br />
zu den Gemeinschaftsgerichten eigeninitiativ tätig<br />
werden kann und möglichst auf einvernehmliche Lösungenhinwirkensoll.DieSystematiklegtzwareine<br />
Zuordnung zum Europäischen Parlament nahe. Da<br />
das Amt aber nicht von einem Abgeordneten wahrgenommen<br />
wird, ist der Bürgerbeauftragte im Unterschiedzum<br />
�PetitionsausschusskeinUnterorgandes<br />
Parlaments, zumal er nach Art. 195 Abs. 1 EGV Beschwerden<br />
über Missstände bei der Tätigkeit aller<br />
OrganeoderInstitutionenderGemeinschaft–ausgenommendieGemeinschaftsgerichteinAusübungihrer<br />
Rechtsprechungsbefugnisse – entgegennimmt.<br />
Da damit auch das Parlament der Kontrolle des Bürgerbeauftragten<br />
unterliegt, der seinerseits nur tätig<br />
wird, wenn er es für gerechtfertigt hält, und außerdem<br />
eigeninitiativ tätig werden kann, ist der Bürgerbeauftragte<br />
auch kein Hilfsorgan des Parlaments.<br />
DasParlamentkannseineAbsetzungzwarinitiieren.<br />
Ob die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung<br />
vorliegen, entscheidet aber der Europäische Gerichtshof.<br />
Gegen die Annahme eines Hilfsorgans<br />
spricht außerdem, dass der Bürgerbeauftragte seit<br />
dem Jahre 2000 über einen eigenen Einzelhaushaltsplan<br />
verfügt.<br />
Eine genauere Bestimmung des Aufgabenbereichs<br />
des Bürgerbeauftragten erschließt sich aus den französischen<br />
und englischen Vertragstexten, die von<br />
„mauvaiseadministration“bzw.„maladministration<br />
in the activities of the Community institutions or bodies“<br />
sprechen und damit die Tätigkeit ausdrücklich<br />
auf die Verwaltung beziehen. Infolge dessen unterliegen<br />
die Gesetzgebung und politische Maßnahmen<br />
nicht der Kontrolle des Bürgerbeauftragten. Es gibt<br />
keine verbindliche Definition im Gemeinschaftsrecht,<br />
was unter „Missstand“ zu verstehen ist. Der<br />
Bürgerbeauftragte hat 1997 diesbezüglich vorgeschlagen:<br />
„Ein Missstand ergibt sich, wenn eine öffentliche<br />
Einrichtung nicht im Einklang mit für sie<br />
verbindlichen Regeln oder Grundsätzen handelt“<br />
und davon die mangelnde Achtung der Menschenrechte,<br />
der Rechtsstaatlichkeit und der Grundsätze<br />
der guten Verwaltungspraxis erfasst werden (Jahresbericht<br />
des Bürgerbeauftragten 1997, S. 26). Dieser<br />
Vorschlag fand die Zustimmung des Parlaments und<br />
127
Bürgerbeauftragter<br />
der Kommission. In seinem Ratgeber für Bürger<br />
(„Was kann der Europäische Bürgerbeauftragte für<br />
Sie tun?“) hat der Bürgerbeauftragte seinen Standpunkt<br />
präzisiert, wonach von einem Missstand auch<br />
gesprochen werden könne, wenn die EG-Administration<br />
nicht tätig werde, obwohl sie hätte handeln<br />
sollen, wenn sie den falschen Weg wähle oder sie in<br />
einer Weise handele, wie sie nicht hätte handeln sollen<br />
(Ratgeber, S. 7).<br />
Neben der Prüfung, ob die Entscheidungen der Verwaltungen<br />
der Gemeinschaft materiell rechtmäßig<br />
sind und mit den Rechtsvorgaben übereinstimmen,<br />
kontrolliert der Bürgerbeauftragte auch die Einhaltung<br />
von Verfahrensstandards, wobei er nach eigenen<br />
Aussagen den Kodex für gute Verwaltungspraxis<br />
bei seiner Tätigkeit „berücksichtigt“. Der Bürgerbeauftragte<br />
wacht weiterhin über die Einhaltung<br />
der Grundrechte durch die Verwaltung.<br />
4. Anrufung und Befassung: Beschwerdeberechtigt<br />
sind nach Art. 195 Abs. 1 EGV jeder Bürger der<br />
Union oder jede natürliche oder juristische Person<br />
mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz im einem<br />
Mitgliedstaat. Beschwerden von anderen Personen<br />
sind unzulässig. Beschwerdegegenstände sind ausschließlich<br />
Missstände bei der Tätigkeit der Organe<br />
oder Institutionen der Gemeinschaft. Beschwerden<br />
über Handlungen anderer Behörden und Stellen werden<br />
nicht behandelt. Der Bürgerbeauftragte befasst<br />
sich nicht mit Beschwerden, die Maßnahmen der nationalen,<br />
regionalen oder kommunalen Verwaltungen<br />
betreffen, selbst wenn sie einen Bezug zum Gemeinschaftsrecht<br />
haben. Weiterhin befasst sich der<br />
Bürgerbeauftragte nicht mit Sachverhalten, die Gegenstand<br />
eines Gerichtsverfahrens auf nationaler<br />
wie auf europäischer Ebene sind oder waren.<br />
Die zulässigen Beschwerden beziehen sich überwiegend<br />
auf die in Art. 7 Abs. 1 EGV genannten Organe<br />
der Gemeinschaft: 69 % der (insgesamt 375) Untersuchungen<br />
des Bürgerbeauftragen im Jahre 2004 bezogen<br />
sich auf die Kommission, 11 % (58) auf das<br />
Europäische Amt für Personalauswahl, 9 % (48) das<br />
Parlament, 4 % (22) auf den Rat und 7 % (39) auf<br />
sonstige Institutionen. Da die Kommission das Gemeinschaftsorgan<br />
ist, das die meisten Entscheidungen<br />
mit unmittelbaren Auswirkungen für die Bürger<br />
trifft, ist sie auch das Hauptziel der Beschwerden.<br />
Die Einschränkung des Mandats des Bürgerbeauftragten<br />
auf Missstände bei den Organen und Institutionen<br />
der Gemeinschaft wird bei den eingereichten<br />
128<br />
Beschwerden vielfach übersehen. Von den im Zeitraum<br />
2000 bis 2003 vom Bürgerbeauftragten behandelten<br />
8 419 Fällen fielen nur etwa 30 % in seinen Zuständigkeitsbereich.<br />
In 909 Fällen wurden Untersuchungen<br />
eingeleitet. Die meisten dieser Fälle bezogen<br />
sich auf einen Mangel bzw. eine Verweigerung<br />
von Informationen, vermeidbare verwaltungstechnische<br />
Verzögerungen bzw. Zahlungsverzug, Einstellungsverfahren<br />
einschl. Auswahlverfahren, vertragliche<br />
Auseinandersetzungen, Bürgerrechte, Entwicklungszusammenarbeit,<br />
Umwelt und die Rolle<br />
der Kommission als Hüterin der Verträge. Dabei<br />
wurdeinfastderHälftederFällekeinMissstandfestgestellt.<br />
270 Fälle wurden von der betroffenen Institution<br />
erledigt, nachdem der Bürgerbeauftragte eine<br />
Untersuchung eingeleitet hatte. 46 Untersuchungen<br />
haben zu Empfehlungen geführt. Die betroffene Institution<br />
hat im Berichtszeitraum in 37 Fällen die<br />
Empfehlung angenommen. In sechs weiteren Fällen<br />
legte der Bürgerbeauftragte dem Europäischen Parlament<br />
einen Sonderbericht vor. Die Entschließungen<br />
des Parlaments haben die Schlussfolgerungen<br />
und Empfehlungen des Bürgerbeauftragten unterstützt.<br />
Bei den unzulässigen Beschwerden empfahl<br />
der Europäische Bürgerbeauftragte in 2 139 Fällen,<br />
die Beschwerde an einen nationalen oder regionalen<br />
Bürgerbeauftragten zu leiten oder eine Petition an<br />
das nationale Parlament zu richten, in 628 Fällen,<br />
eine Petition an das Europäische Parlament zu richten,<br />
in 771 bzw. 779 Fällen, sich an die Kommission<br />
bzw. an andere Institutionen zu wenden.<br />
Die Beschwerde an den Bürgerbeauftragten erfolgt<br />
ineinemeinfachenSchreiben,dasineinerAmtssprachederUnionverfasstseinmuss.DieseKriterienstehen<br />
weder in Art. 195 EGV noch im Statut, sie ergeben<br />
sich aus den Hinweisen zur Einreichung von Beschwerden<br />
auf der Homepage des Bürgerbeauftragten.<br />
Nach Art. 2 Nr. 3 Statut muss das Beschwerdeschreiben,<br />
das auch auf elektronischem Wege übermittelt<br />
werden kann, den Gegenstand der Beschwerde<br />
und die Person des Beschwerdeführers erkennen<br />
lassen. Außerdem soll der Beschwerdeführer die<br />
Gründe für seine Beschwerde nennen. Die Beschwerde<br />
ist direkt an den Bürgerbeauftragten oder<br />
an ein Mitglied des Europäischen Parlaments zur<br />
Weiterleitung an ihn zu richten. Gemäß Art. 2 Nr. 4<br />
Statut muss die Beschwerde innerhalb von zwei Jahren<br />
ab dem Zeitpunkt eingelegt werden, zu dem der<br />
Beschwerdeführer Kenntnis vom ihr zu Grunde lie-
genden Sachverhalt erlangt hat. Im Unterschied zum<br />
Petitionsrecht ist für die Anrufung des Bürgerbeauftragten<br />
keine persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers<br />
notwendig. Nach Art. 2 Nr. 4 Satz 2<br />
müssen der Beschwerde „die geeigneten administrativen<br />
Schritte bei dem betroffenen Organ oder den<br />
betroffenenInstitutionenvorausgegangensein“.Damit<br />
soll erreicht werden, dass zunächst Abhilfe bei<br />
der jeweiligen Einrichtung angestrebt werden soll<br />
undggf.auchderBürgerbeauftragteentlastetwird.<br />
Sofern kein vertraulicher Umgang mit der Angelegenheit<br />
erwünscht wird, behandelt der Bürgerbeauftragte<br />
die Beschwerden möglichst transparent und<br />
offen. Damit können die Bürger seine Arbeit verfolgen.<br />
Nach Eingang und Registrierung wird dem Beschwerdeführer<br />
eine Empfangsbescheinigung unter<br />
Angabe der Registriernummer der Beschwerde und<br />
Nennung des zuständigen Sachbearbeiters zugesendet.<br />
Im ersten Schritt werden die Zulässigkeit der Beschwerde<br />
und die Zuständigkeit des Bürgerbeauftragten<br />
geprüft. Bei einer zulässigen Beschwerde<br />
liegt es im Ermessen des Bürgerbeauftragten zu handeln;<br />
d. h. er muss sich darüber klar werden, ob es<br />
ausreichende Gründe zur Durchführung einer Untersuchung<br />
gibt. Er wird von einer Untersuchung absehen,<br />
wenn der Beschwerdeführer keinen konkreten<br />
Missstand in der Verwaltungstätigkeit benennen<br />
kann oder keine Beweisunterlagen vorlegt. Außerdem<br />
wird eine Untersuchung nicht durchgeführt,<br />
wenn das Anliegen bereits vom Petitionsausschuss<br />
behandelt wurde und keine neuen Erkenntnisse vorliegen<br />
oder der Sachverhalt schon von einem parlamentarischen<br />
Untersuchungsausschuss geprüft wurde.<br />
Liegen ausreichende Gründe für die Einleitung<br />
einer Untersuchung vor, unterrichtet der Bürgerbeauftragte<br />
den Beschwerdeführer und das betreffende<br />
Organ, das innerhalb einer Frist von in der Regel<br />
nicht mehr als drei Monaten eine Stellungnahme abzugeben<br />
hat. Nach Eingang der Stellungnahme erhält<br />
der Beschwerdeführer Gelegenheit, hierauf innerhalb<br />
eines Monats zu erwidern. In Anschluss an<br />
diePrüfungderStellungnahmeundetwaigerAnmerkungen<br />
des Beschwerdeführers kann der Bürgerbeauftragte<br />
die Beschwerdeakte durch eine mit Gründen<br />
versehene Entscheidung schließen oder die Untersuchung<br />
fortführen.<br />
5. Die Rechtsstellung im Verfassungsvertrag 2004:<br />
Der Bürgerbeauftrage ist in Teil I unter Titel VI „Das<br />
demokratische Leben der Union“ in Art. 49 veran-<br />
Bürgerberater<br />
kert, der den Stand der gegenwärtigen Verträge wiedergibt.<br />
Näher ausgeführt werden seine Wahl und<br />
seine Befugnisse im Teil III unter Titel VI „Arbeitsweise<br />
der Union“ in den Vorschriften über die Organe<br />
im Unterabschnitt „Das Europäische Parlament“.<br />
Artikel III-335 VVE 2004 greift in Abs.1–3dieBestimmungen<br />
des EGV Art. 195 auf. Absatz 4 stärkt<br />
die Stellung des Europäischen Parlaments bezüglich<br />
der Regelungen und allgemeinen Bedingungen für<br />
die Ausübung der Aufgaben des Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />
Im Unterschied zu Art. 195 Abs. 4<br />
EGV „beschließt das Europäische Parlament auf eigene<br />
Initiative nach Stellungnahme der Kommission<br />
und nach Zustimmung des Ministerrates“ in einem<br />
Gesetz über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen<br />
für die Ausübung der Aufgaben des EuropäischenBürgerbeauftragten.<br />
U. M.<br />
Anschrift: 1 Avenue du Président Robert Schuman, B. P. 403,<br />
FR–67001 Straßburg Cedex<br />
Fax aus Deutschland: 0033–3–88179062<br />
E-Mail: euro-ombudsman@europarl.eu.int<br />
Internet: www.euro-ombudsman.eu.int<br />
Literatur:<br />
Europäischer Bürgerbeauftragter: Was kann der Europäische<br />
Bürgerbeauftragte für Sie tun? Ein Ratgeber für Bürger. 2002.<br />
Abrufbar unter: www.euro-ombudsman.eu.int/guide/de/default.htm<br />
Guckelberger, A.: Der Europäische Bürgerbeauftragte und die<br />
Petitionen zum Europäischen Parlament. Schriftenreihe der<br />
Hochschule Speyer, Bd. 162, Berlin 2004<br />
Reif, L. C.: The ombudsman, good governance, and the<br />
international human rights system. Leiden 2004<br />
Meese, J. M.: Das Petitionsrecht beim Europäischen<br />
Parlament, das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der<br />
Europäischen Union. Frankfurt/Main 2000<br />
Bürgerberater der Europäischen Kommission geben<br />
seit 1989 in jedem Mitgliedstaat Auskünfte, die<br />
zur Wahrnehmung von Rechten als Unionsbürger<br />
benötigt werden. Sie informieren über Fragen zum<br />
EU-Recht, die den einzelnen Bürger betreffen (wie<br />
Anerkennung von Diplomen oder Rentenbezug im<br />
EU-Raum) und sind untereinander im EURO-JUS<br />
Network zusammengeschlossen (nicht zu verwechseln<br />
mit dem Europäischen �Bürgerbeauftragten,<br />
der Beschwerden entgegennimmt).<br />
Sitz des Bürgerberaters in Deutschland: Europäische Kommission,<br />
Vertretung in Deutschland, Unter den Linden 78, 10117<br />
Berlin. Telefon 030-22802450; Fax 030-22802880; E-Mail<br />
eu-de-buergerberater@cec.eu.int.<br />
Regelmäßige Sprechstunden auch in den regionalen Vertretungen<br />
in Bonn und München.<br />
129
Bürgerbeschwerden<br />
BürgerbeschwerdenkönneninjederAmtssprache<br />
derEuropäischenUnionanden�Bürgerbeauftragten<br />
desEuropäischenParlamentsoderanden �Petitionsausschuss<br />
des Europäischen Parlaments gerichtet<br />
werden.<br />
Büro für Unternehmenskontakte / Unternehmenskooperation<br />
(BUK / Bureau de Rapprochement<br />
des Entreprises, BRE) in Brüssel. Im Rahmen<br />
derFörderungländerübergreifenderPartnerschaften<br />
zwischen kleinen und mittleren Unternehmen<br />
(�KMU) hat die Europäische Kommission (GD Unternehmen)<br />
das BRE-Netzwerk geschaffen, das sich<br />
auf Korrespondenten aus aller Welt (z. B. Interessenvertretungen,<br />
Kammern, Banken) stützt, denen kooperationswillige<br />
Unternehmen Eckdaten zu ihrem<br />
Geschäftsfeld bekannt geben. Das BRE entwirft anhand<br />
dieser Daten eine Anzeige, die in verschiedenen<br />
Medien anonymisiert veröffentlicht wird. Interessenten<br />
nehmen über das BRE Kontakt miteinander<br />
auf und werden so zusammengeführt.<br />
130<br />
Business and Innovation Centres (BIC) sind<br />
TechnologiezentreninMitgliedstaaten,dieseit1984<br />
auf Initiative der Europäischen Kommission geschaffen<br />
worden und untereinander vernetzt sind.<br />
Sie helfen und unterstützen bei der Gründung von<br />
technologieorientierten Unternehmen insbes. im<br />
IT-Bereich, beraten und fördern bei der Umsetzung<br />
innovativer Projekte in marktfähige Produkte oder<br />
Dienstleistungen, vermitteln zwischen Jobanbietern<br />
undJobsuchenden(z.B.inHochschulen),vermitteln<br />
Kontakte und Kooperationen im Binnenmarkt und<br />
bieten Existenzgründern günstige Startbedingungen<br />
als Mieter in ihren Zentren (z. B. BIC Südtirol in Bozen,<br />
BIC Zwickau, BIC Kaiserslautern).<br />
Business Cooperation Network (BC-Net). Es<br />
verbindet rund 400 unternehmensberatende Institutionen<br />
aus der EU und Drittländern, z. B. Industrieund<br />
Handelskammern, Entwicklungsagenturen und<br />
private Berater. Die mögliche Zusammenarbeit<br />
reicht von der Anbahnung von Beziehungen über<br />
Forschung bis zur Geschäftsübernahme. Vgl. �Euro<br />
Info Centres (EIC)
CAFE (Clean Air for Europe), das EU-Programm<br />
�„Saubere Luft für Europa“.<br />
Cantoni-Urteil des �Europäischen Gerichtshofs für<br />
Menschenrechte (EGMR). In dem Urteil Cantoni ./.<br />
Frankreich vom 15. 11. 1996 (dt. Übersetzung in<br />
EuGRZ 1999, 193) hat sich der EGMR erstmals unmittelbar<br />
mit dem Vollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts<br />
durch die EU-Mitgliedstaaten am<br />
Beispiel der europäischen Arzneimittelrichtlinie<br />
und deren Vereinbarkeit mit den Menschenrechtsgarantien<br />
der �Europäischen Menschenrechtskonvention(EMRK)befasst.Dabeigingesumdieumstrittene<br />
Frage, ob der EGMR überhaupt zuständig ist, eine<br />
aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht abgeleitete<br />
mitgliedstaatliche Vorschrift zu überprüfen.<br />
Denn bislang sind nur die EU-Mitgliedstaaten, nicht<br />
aber die Europäischen Gemeinschaften selbst Vertragspartei<br />
der EMRK. Der EGMR kommt in seinem<br />
Urteil zu dem Ergebnis, dass eine nationale Vorschrift<br />
von ihm auch dann anhand der EMRK überprüft<br />
werden kann, wenn sie praktisch wortwörtlich<br />
durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben bestimmt<br />
wurde. Die weitergehende Frage hingegen, ob eine<br />
Zuständigkeit des EGMR auch für Beschwerden gegen<br />
Maßnahmen der Organe der Europäischen Gemeinschaften<br />
zulässig ist, hat der EGMR bislang bewusst<br />
offen gehalten, so zuletzt in seiner Entscheidung<br />
�Senator Lines ./. 15 Mitgliedstaaten vom 10.<br />
3. 2004, (dt. Übersetzung in EuGRZ 2004, 279);<br />
�Matthews. S.W.<br />
Cardiff-Prozess. Der Cardiff-Prozess bezweckt<br />
eine umfassende strukturelle Reform und Modernisierung<br />
zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit<br />
und der Effizienz der Güter-, Dienstleistungs- und<br />
Kapitalmärkte in der EU. Er steht neben dem sog.<br />
�„Luxemburg-Prozess“, welcher auf die Weiterentwicklung<br />
und bessere Umsetzung einer koordinierten<br />
Beschäftigungsstrategie in der Europäischen<br />
Union ausgerichtet ist. Er ist auch neben dem sog.<br />
�„Köln-Prozess“ zu erwähnen, der die Koordinierung<br />
der Wirtschaftspolitik und Verbesserung des<br />
wechselseitigen Zusammenwirkens der Lohnent-<br />
C<br />
Cardiff-Prozess<br />
wicklung sowie der Geld-, Haushalts- und Finanzpolitik<br />
durch einen �makroökonomischen Dialog bezweckt,<br />
um eine nachhaltige nicht-inflationäre<br />
Wachstumsdynamik freizusetzen. Der Cardiff-Prozess<br />
sieht eine jährliche Prüfung der nationalen<br />
Strukturpolitiken vor. Die EU zeigt damit ihre Entschlossenheit,<br />
umfassende Strukturreformen durchzuführen.<br />
1. Ziele des Cardiff-Prozesses. Der Prozess wurde<br />
durch den Europäischen Rat vom 15./16. 6. 1998 in<br />
Cardiff eingeleitet. Er stand im Zusammenhang mit<br />
den Beschlüssen zur Einführung der �WirtschaftsundWährungsunionundderReformderUnionspolitiken<br />
sowie der künftigen Finanzierung der EU.<br />
Nach Darlegung des Europäischen Rates in Cardiff<br />
kann der volle Nutzen der �Wirtschafts- und Währungsunion<br />
und des Europäischen �Binnenmarktes<br />
für alle Bürger Europas nur durch eine Strategie erzielt<br />
werden, mit der die Beschäftigung durch erhöhte<br />
Wettbewerbsfähigkeit sowie wirtschaftlichen und<br />
sozialenZusammenhaltineinemUmfeldmakroökonomischer<br />
Stabilität gefördert wird. Maßgeblich ist<br />
nach dieser Strategie die Entschlossenheit der Mitgliedstaaten,<br />
für eine wirksame Koordinierung ihrer<br />
Wirtschaftspolitiken zu sorgen. Dabei hat sich die<br />
Wirtschaftspolitik darauf zu konzentrieren, Wachstum<br />
und Beschäftigung zu fördern und makroökonomische<br />
Stabilität sowie eine effiziente Funktionsweise<br />
der Arbeits-, der Waren- und Dienstleistungssowie<br />
der Kapitalmärkte zu gewährleisten.<br />
2. Verfahrensschritte und Maßnahmen. In einem<br />
vereinfachten Verfahren erstellen die Mitgliedstaaten<br />
und die Kommission kurze Jahresberichte über<br />
dieWaren-undDienstleistungs-sowieKapitalmärkte.<br />
Dabei sollen das �Subsidiaritätsprinzip in vollem<br />
Umfang respektiert, der Austausch bewährter Praktiken<br />
gefördert und die Angaben der Nationalen Aktionspläne<br />
Beschäftigung (�Beschäftigungspolitik<br />
Ziff. 3) beachtet werden. Für den Prozess von Cardiff<br />
ist deshalb eine Betonung der Ziele des Luxemburg-Prozesses<br />
wichtig. Weitere vergleichbare Fortschrittsindikatoren<br />
sollen festgelegt werden, wobei<br />
wirtschaftliche Reformen stets mit einem sozialen<br />
Dialog verbunden werden müssen. Die verstärkte<br />
131
CARDS<br />
Heranbildung qualifizierter und anpassungsfähiger<br />
Arbeitskräfte, u. a. durch lebensbegleitendes Lernen,<br />
verstärkte Maßnahmen zur Herstellung von<br />
Chancengleichheit und der Gleichberechtigung von<br />
Männern und Frauen sowie die Förderung familienfreundlicher<br />
Arbeitsbedingungen und die Bekämpfung<br />
der Diskriminierung von Behinderten, ethnischen<br />
Minderheiten und anderen auf dem Arbeitsmarkt<br />
benachteiligten Gruppen sind in diesen Prozess<br />
einzubeziehen. Gleiches gilt für die Förderung<br />
neuer Formen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel<br />
von mehr Flexibilität und Arbeitsplatzsicherheit, die<br />
Überprüfung der Steuer- und Sozialleistungssysteme<br />
und schließlich die Entwicklung einer Kultur des<br />
Unternehmensgeistes und der Förderung kleinerer<br />
und mittlerer Unternehmen (�KMU). Eine weitere<br />
Betonung liegt auf der Modernisierung und dem<br />
AusbaudesBinnenmarktes.WeitereFaktorenindiesem<br />
Zusammenhang sind die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit,<br />
die Vereinfachung der Rechtsvorschriften<br />
im Binnenmarkt sowie vermehrte Transparenz<br />
und Offenheit für den Bürger.<br />
Der Cardiff-Prozess wurde im Folgenden von der<br />
�Lissabon-Strategie überlagert. Er dient den dort<br />
vorgelegtenZielen. I. B.-M.<br />
CARDS (Community Assistance for Reconstruction,<br />
Development and Stabilization) ist ein EU-Programm<br />
für den Westbalkan. Die CARDS-Verordnung<br />
hat der Rat am 5. 12. 2000 beschlossen (2666/<br />
2000, Abl. L 306/2000, berichtigt Abl. L 38/2001).<br />
Die Hilfe richtet sich an die Länder Albanien, Bosnien<br />
und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien sowie<br />
Serbien und Montenegro. CARDS vereint die früheren<br />
Hilfsprogramme �PHARE und �OBNOVA für<br />
dieses Gebiet.<br />
Das Programm gewährt Hilfen insbes. für den Aufbau<br />
öffentlicher Institutionen und Verwaltungen, für<br />
den allgemeinen Wiederaufbau und für regionale<br />
Zusammenarbeit. Die mit CARDS-Mitteln geförderten<br />
Projekte in Serbien und Montenegro werden<br />
von der �Wiederaufbauagentur Kosovo durchgeführt.<br />
Insgesamt sind für den Zeitraum 2000 bis 2006<br />
Mittel in Höhe von 4,65 Mrd. Euro vorgesehen.<br />
Das CARDS-Programm ergänzt die Heranführung<br />
von fünf Ländern in Südosteuropa an die EU und ihre<br />
Integration in EU-Strukturen im Rahmen des �„Stabilisierungs-<br />
und Assoziierungsprozesses“ (SAp).<br />
�Südosteuropapolitik<br />
132<br />
Carrefours-Netzwerk. Französisch carrefours bedeutet<br />
Straßenkreuzung und Ort der Begegnung. Das<br />
Carrefours-Netz wurde ab 1988 aufgebaut zur Information<br />
der ländlichen Bevölkerung über die Arbeit<br />
der Gemeinschaften (in Ergänzung der �„Info-<br />
Points Europa“ in Städten), zuletzt über 130 Informationsstellen<br />
in 25 EU-Staaten. Seit Mai 2005 sind<br />
das Carrefours-Netzwerk und die Info-Points ersetzt<br />
durchdasInformationsnetzwerk�„EuropeDirect“.<br />
Cassis-de-Dijon-Urteil des Europäischen Gerichtshofs<br />
(EuGH) von 1978 ist grundlegend geworden<br />
für die Entwicklung der EG. Es schuf eine wesentliche<br />
Voraussetzung für den von den Staats- und<br />
Regierungschefs der EG 1985 gefassten Beschluss<br />
zur Errichtung eines europäischen �Binnenmarktes.<br />
Dem Lebensmittelkonzern Rewe/Köln wurde von<br />
der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein der<br />
Verkauf des französischen Likörs „Cassis de Dijon“<br />
mit Hinweis auf die deutschen Gesetze verboten,<br />
weil „Cassis de Dijon“ mit einem Alkoholgehalt von<br />
15 bis 20 % unter den vom Branntweinmonopolgesetz<br />
vorgeschriebenen Mindestgehalt liegt. Der LebensmittelkonzernwolltedasGetränkunterHinweis<br />
auf das Verbot von Einfuhrbeschränkungen gem.<br />
Art. 28 EGV dennoch als „Likör“ verkaufen und<br />
klagte gegen die Bundesmonopolverwaltung. Mit<br />
der Klage war das Hessische Finanzgericht befasst.<br />
Es legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung<br />
vor. Der EuGH stellte darin den Grundsatz auf:<br />
Jedes Produkt, das in einem Mitgliedstaat nach den<br />
dortigen Gesetzen rechtmäßig hergestellt und in den<br />
Verkehr gebracht worden ist, darf grundsätzlich in<br />
allen anderen Mitgliedstaaten frei verkauft werden<br />
(�Ursprungslandprinzip bzw. �Prinzip der gegenseitigen<br />
Anerkennung).<br />
Dieses Urteil wurde fortgeführt im Zusammenhang<br />
mit dem deutschen „Reinheitsgebot“ für Biere. Für<br />
Deutschland mögen die Reinheitsvorschriften weiter<br />
in Kraft bleiben (d. h. die sog. Inländer-Diskriminierung<br />
ist europarechtlich erlaubt), aber entsprechende<br />
Produkte aus anderen EU-Staaten dürfen<br />
nicht verboten werden. Durch diese Urteile wurde<br />
der �freie Warenverkehr in der EG/EU durchgesetzt.<br />
Nur noch innerhalb enger Vorgaben (Art. 30 EGV) –<br />
z. B. Gesundheits- und Lebensschutz der Bürgerinnen<br />
und Bürger sowie öffentliche Sicherheit und<br />
Ordnung – dürfen dem Warenverkehr über die Grenzen(Einfuhr-)Schrankengesetztwerden.<br />
W. M.
CDCC (Comité Directeur de la Cooperation Culturelle),<br />
Lenkungsausschuss des �Europarates, zuständig<br />
für die kulturelle Zusammenarbeit der MitgliedstaatenaufderBasisdesKulturabkommensvon<br />
1954. 1990 wurden ihm 4 Fachausschüsse zugeordnet<br />
für Bildung, Hochschulwesen und Forschung,<br />
Kultur sowie Kulturelles Erbe (historische Bausubstanz).<br />
Die vier Fachausschüsse wurden im November<br />
2001 in Lenkungsausschüsse umgewandelt.<br />
Cecchini, Paolo, italienischer Wirtschaftswissenschaftler<br />
und Bankier; arbeitete als Generaldirektor<br />
der Kommission im Auftrag der Kommission<br />
1987/88 einen Bericht über die „Kosten der Nichtverwirklichung<br />
Europas (�Cecchini-Bericht) aus.<br />
Cecchini-Bericht (1992) wird eine Studie von Paolo<br />
�Cecchini als Ergebnis eines Forschungsprogramms<br />
über die „Kosten der Nichtverwirklichung<br />
Europas“ im Auftrag der Kommission (1988) genannt.<br />
Der Bericht schätzte den potenziellen Gesamtnutzen<br />
des Binnenmarktes (resp. die Kosten seinerNichtverwirklichung)auf216Mrd.ECU(Mittelwert;<br />
Bandbreite 174 – 258 Mrd. ECU). Ferner wurden<br />
ein zusätzliches Wachstum des BIP von 4,5 %<br />
(Bandbreite3,2–5,7%),Preissenkungenvonca.6%<br />
(Bandbreite4,5–7,7%)und1,8Mio.zusätzlicheArbeitsplätze<br />
(Bandbreite 1,8 – 2,3 Mio.) prognostiziert.<br />
Auf alle Fälle wurden eine raschere Modernisierung,<br />
ein stärkerer Wettbewerb, vermehrte Rationalisierung,<br />
effektivere Produktion, Einsparung von<br />
VerwaltungskostenbeiWegfallderGrenzkontrollen<br />
und -formalitäten sowie von technischen Handelshemmnissen<br />
usw. bei Vollendung des Binnenmarkteserwartet.<br />
W. M.<br />
Literatur:<br />
Cecchini, P.: Europa ‘92. Der Vorteil des Binnenmarktes.<br />
Baden-Baden 1992<br />
CECIMO (Comité Européen de Coopération des Industries<br />
de la Machine-Outil). Komitee für Zusammenarbeit<br />
der Werkzeugmaschinenindustrie. Gegründet<br />
1950, Sitz in Brüssel. �CEN<br />
CEDEFOP (Centre Européen pour le Développement<br />
de la Formation Professionnelle, European<br />
Centre for the Development of vocational Training).<br />
Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung.<br />
Eine �Agentur der EG. Gegründet 1975<br />
durch Verordnung 337/75 (ABl. L 39/1975). Ursprünglicher<br />
Sitz war Berlin, seit 1995 Thessaloniki.<br />
CEDEFOP liefert der Kommission Informationen<br />
und Analysen zu Strategien, Studien und Maßnahmen<br />
im Bereich der Berufsbildung und unterstützt<br />
Fachleute in ganz Europa bei der Entwicklung und<br />
Verbesserung von Berufsbildungsmaßnahmen.<br />
CEDEFOP unterhält die interaktive Plattform European<br />
Training Village (ETV), eine Datenbank zur Information<br />
und zum Austausch von Wissen und Erfahrungen.<br />
Der Zugang ist kostenlos, aber registrierungspflichtig.<br />
W. M.<br />
Adresse: 123 Europe, GR-57001 Thessaloniki (Pylea).<br />
Postanschrift: PO Box 22427, GR-55102 Thessaloniki.<br />
Internet www.cedefop.eu.int<br />
Literatur:<br />
Chomé, G.: Die Rolle des CEDEFOP für den Integrationsprozess<br />
der EG. In: Die berufsbildende Schule 41 (1989),<br />
S. 719 – 723<br />
CEEC (Comité Européen pour l’Enseignement Catholique,<br />
Europäisches Komitee für das katholische<br />
Bildungswesen). Institutionelle Vertretung des katholischen<br />
Schulwesens auf europäischer Ebene; gegründet<br />
1974, Sitz in Brüssel; 22 aktive Mitglieder<br />
und 2 assoziierte (2004). Gründungsmitglieder waren<br />
Organisationen des katholischen Schulwesens<br />
aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich,<br />
Irland, Niederlande, Portugal, Spanien. Hinzu kamen<br />
Bosnien-Herzegowina, England und Wales,<br />
Griechenland, Italien, Litauen, Österreich, Schweiz,<br />
Slowakei, Ungarn. Organisationsstruktur: Vollversammlung,<br />
Präsident (auf vier Jahre), zweimal jährlich<br />
Mitgliederversammlung, vierteljährliche Sitzungen<br />
des geschäftsführenden Vorstandes, Generalsekretär.<br />
W. M.<br />
Internet: www.ceec.be<br />
CEEP(Centreeuropéendesentreprisesàparticipation<br />
publique et des entreprises d’interêt économique<br />
général) ist die Interessenvereinigung der Unternehmen,<br />
die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden<br />
oder die �gemeinwohlorientierte Leistungen erbringen<br />
sowie ihrer Arbeitgeberorganisationen.<br />
CEEP ist einer der von der EU anerkannten �Sozialpartner.<br />
Das Generalsekretariat hat seinen Sitz in<br />
Brüssel, in jedem Mitgliedstaat der EU befinden sich<br />
nationaleSektionen(in�Beneluxeinegemeinsame).<br />
Anschrift: Rue de la Charité, 15 Bte 12, B–1210 Brüssel<br />
Internet: www.ceep.org<br />
CEEP<br />
133
CEFIC<br />
CEFIC (Conseil Européen de l’Industrie Chimique).<br />
Dachverband der nationalen Verbände chemischer<br />
Industrien. 1972 gegründet, Sitz in Brüssel. �CEN<br />
CEFTA (Central European Free Trade Agreement),<br />
Zentraleuropäische Freihandelszone. Am 15. 2.<br />
1991 nahmen die Regierungen der Tschechoslowakei,<br />
von Polen und Ungarn in Visegrád (Ungarn) eine<br />
Erklärung zur Zusammenarbeit auf dem Weg zur Europäischen<br />
Integration an (Visegrád-Gruppe). Die<br />
drei Staaten schlossen Assoziationsabkommen mit<br />
der EU (�Europaabkommen), die CEFTA galt als<br />
Vorstufe zur EU-Mitgliedschaft. Im Oktober 1991<br />
vereinbarten die Staaten die Bildung einer Freihandelszone,<br />
das Abkommen wurde am 21. 12. 1992 in<br />
Krakau (Polen) unterzeichnet und trat am 1. 3. 1993<br />
in Kraft. Seit ihrer Trennung am 1. 1. 1993 sind die<br />
Tschechische Republik und die Slowakei Mitglieder<br />
der CEFTA. Am 1. 1. 1996 schloss sich Slowenien<br />
als Vollmitglied der CEFTA an, am 1. 7. 1997 Rumänien,<br />
am 1. 1. 1999 Bulgarien, am 1. 3. 2003 Kroatien.<br />
Seit der Erweiterung der EU am 1. 5. 2004 sind<br />
nur noch Bulgarien, Kroatien und Rumänien Mitglieder<br />
der CEFTA.<br />
CELEX (Communitatis Europeae Lex) ist die zu Beginn<br />
der 1970er Jahre eingerichtete juristische Datenbank<br />
der drei Europäischen Gemeinschaften und<br />
der EU. Sie ist seit 1. 7. 2004 der umfassenden Datenbank<br />
EUR-Lex der EU angegliedert und allgemein<br />
zugänglich (CELEX wird seit 1. 1. 2005 nicht mehr<br />
aktualisiert). Die bis dahin kostenpflichtige Recherche<br />
in der Datenbank ist seither gebührenfrei (für die<br />
Formate HTML, PDF und TIF; zur Textbearbeitung<br />
geeignete Formate wie Word bleiben kostenpflichtig).<br />
CELEX enthält im Volltext und in allen Amtssprachen<br />
das gesamte geltende und das aufgehobene<br />
Recht der EU: Verträge, internationale Abkommen,<br />
abgeleitetes Recht, Komplementärrecht, Rechtsprechung,<br />
vorbereitende Rechtsakte und ParlamentarischeAnfragen.JedesDokumentistdurcheineDokumentennummer<br />
eindeutig gekennzeichnet.<br />
Internet: http://europa.eu.int/celex bzw. über http://europa.eu.int/eur-lex<br />
CEN (Comité Européen de Normalisation), Europäisches<br />
Komitee für Normung. 1961 von den nationalen<br />
Normungsstellen aller EWG- und EFTA-Staaten<br />
gegründet. Ihm gehören heute Mitglieder aus 28 eu-<br />
134<br />
ropäischen Staaten an (aus Deutschland: Deutsches<br />
Institut für Normung), angeschlossen sind acht europäische<br />
Organisationen (�CEFIC, �FIEC, �ANEC,<br />
�ECOS, �CECIMO, �EUCOMED, �NORMAP-<br />
ME, �TUTB).<br />
CEN-Normen sind technische Standards für den<br />
�freien Warenverkehr im Binnenmarkt und für öffentliche<br />
Aufträge, für die Sicherheit bei der Herstellung<br />
und für den Verbraucher. Sie sollen Netzwerke<br />
untereinander verbindungsfähig machen, die Umwelt<br />
schützen und die Auswertung von Ergebnissen<br />
derForschungundEntwicklungverbessern.CENarbeitet<br />
für alle Bereiche der Produktion mit Ausnahme<br />
der Elektrotechnik (zuständig: �CENELEC) und<br />
der Telekommunikation (zuständig: �ETSI).<br />
Europäische Normen (inzwischen mehr als 10 000)<br />
werdendurchMehrheitsbeschlussderMitgliederangenommen<br />
und sind für alle Mitgliedstaaten bindend.<br />
Die Standards müssen auf nationaler Ebene<br />
umgesetzt und Normen, die damit nicht übereinstimmen,<br />
zurückgezogen werden. Ein dreisprachiger Katalog<br />
Europäischer Normen erscheint zweimal jährlich.<br />
�Normung<br />
Anschrift: 36, rue de Stassart, B–1050 Brüssel<br />
Internet : www.cenorm.be<br />
CENELEC (Comité Européen de Normalisation<br />
Electrotechnique), Europäisches Komitee für elektrotechnische<br />
Normung.<br />
1973 gegründet durch Zusammenschluss der Vorgängerorganisationen<br />
CENELCOM (1959 gegründet)<br />
und CENEL (1960 gegründet). Non-Profit-<br />
Organisation unter belgischem Recht mit Sitz in<br />
Brüssel. CENELEC setzt sich aus den nationalen<br />
elektrotechnischen Komitees von 28 europäischen<br />
Staaten zusammen (Stand Februar 2004), angeschlossen<br />
sind außerdem nationale Komitees aus<br />
fünf Balkanstaaten, der Türkei und der Ukraine. Die<br />
Komitees arbeiten z. T. seit den 1950er Jahren zusammenmitdemZiel,neueStandardsfürelektrische<br />
und elektronische Produkte zu schaffen und bestehende<br />
im Hinblick auf den Binnenmarkt europaweit<br />
zu harmonisieren, möglichst in Übereinstimmung<br />
mitdenNormenandererinternationalerOrganisationen<br />
wie IEC (International Electrotechnical Commission)<br />
oder ISO (International Organisation for<br />
Standardization). �CEN, �ETSI, �Normung<br />
Anschrift: 35, rue de Stassart, B-1050 Brüssel<br />
Internet: www.cenelec.org
CEPS(CentreforEuropeanPolicyStudies),gegründet<br />
1983 als unabhängiges Forschungsinstitut<br />
(Think Tank) mit dem Ziel, konstruktive Lösungen<br />
für aktuelle Probleme im Bereich der europäischen<br />
Integration zu finden.<br />
Das Centre wird finanziert durch Mitgliedsbeiträge<br />
sowie durch Zuschüsse von der Europäischen Kommission<br />
und anderen internationalen und nationalen<br />
Institutionen; es veranstaltet Konferenzen, erarbeitet<br />
und veröffentlicht Studien.<br />
Internet: www.ceps.be<br />
CERN (Organisation Européenne pour la Recherche<br />
Nucléaire), Europäische Organisation für Kernforschung.<br />
1952 auf Anregung der Unesco provisorisch<br />
als Rat für Kernforschung (Conseil Européen pour la<br />
Recherche Nucléaire, daher das Akronym CERN)<br />
eingerichtet,1954 gegründet als Joint Venture in Europa<br />
von 12 Staaten; heute 20 Mitgliedstaaten und<br />
rund 3000 Mitarbeiter. Die Kommission der EU und<br />
die UNESCO haben Beobachterstatus. Aufgaben:<br />
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kern-, Hochenergie-<br />
und Elementarteilchenphysik. Die ersten<br />
Teilchenbeschleuniger (Protonensynchrotrone) gingen1957und1959inBetrieb.SiebeschleunigenPartikel<br />
nahezu auf Lichtgeschwindigkeit und machen<br />
sie durch Detektoren sichtbar. Zur Informations-<br />
VernetzungvonWissenschaftlernundUniversitäten<br />
erfand der CERN-Wissenschaftler Tim Berners-Lee<br />
1989 das World Wide Web.<br />
Internet: http://public.web.cern.de<br />
CES (Confédération Européenne des Syndicats)<br />
�Gewerkschaftsbund, europäischer<br />
CE-Zeichen kennzeichnen Produkte, die grundlegende<br />
und für alle Mitgliedstaaten verbindliche Sicherheitsanforderungen<br />
erfüllen und somit zum freien<br />
Verkehr im Binnenmarkt zugelassen sind. Die<br />
Normen sind in Richtlinien genannt (oder es wird auf<br />
bestehende verwiesen), z. B. in der Maschinenrichtlinie<br />
(89/392, ABl. L 183/1989, aktualisiert durch<br />
98/37, ABl. L 207/1998) oder in der Richtlinie über<br />
Seilbahnen für den Personenverkehr (2000/9, ABl. L<br />
106/2000). Das CE-Zeichen ist kein Prüfzeichen,<br />
sondern zeigt an, dass der Hersteller bzw. der Importeur<br />
die Konformität des Produkts mit allen einschlägigen<br />
EG-Rechtsakten bestätigt und die Verantwortung<br />
dafür übernimmt.<br />
Charta für Kleinunternehmen<br />
Chancengleichheit von Frauen und Männern<br />
�Gleichbehandlung von Frauen und Männern<br />
Charta der Grundrechte �Grundrechtecharta<br />
Charta der kommunalen Selbstverwaltung �EuropäischeChartaderkommunalenSelbstverwaltung<br />
Charta der öffentlichen Dienste. Dienste von allgemeinem<br />
wirtschaftlichen Interesse (z. B. in den<br />
Bereichen Post, Eisenbahn, Energie, Telekommunikation)<br />
spielen im Binnenmarkt eine bedeutende<br />
Rolle. Das wird auch in Art. 16 EGV bestätigt. Da im<br />
Binnenmarkt auch öffentliche Dienste liberalisiert<br />
werden (sollen), plant die Kommission die Festlegung<br />
von Grundsätzen für die Erbringung solcher<br />
Leistungen und von Grundrechten der Nutzer in einer<br />
„Charta der öffentlichen Dienste“. Damit sollen<br />
die Sicherheit und die Kontinuität der Versorgung<br />
für alle und zu erschwinglichen Preisen gewährleistet<br />
werden. Artikel 86 EGV bestimmt, dass insbes.<br />
die Wettbewerbsregeln des Vertrags für Dienste von<br />
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nur gelten,<br />
soweit sie die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgabe<br />
rechtlich oder tatsächlich nicht verhindert.<br />
Charta für Kleinunternehmen, am 13. 6. 2000<br />
vom Rat in Lissabon verabschiedet und vom Europäischen<br />
Rat in Feira am 19./20. 6. 2004 angenommen.<br />
Um die Bedeutung der kleinen und mittleren<br />
Unternehmen (�KMU) für Innovation und Beschäftigung<br />
in Europa zu stärken, fordert die Charta die<br />
Förderung der unternehmerischen Initiative und die<br />
Verbesserung der Rahmenbedingungen und schlägt<br />
dafür zehn Leitlinien vor:<br />
– Erziehung und Ausbildung von Jugendlichen zu<br />
unternehmerischer Initiative.<br />
– Verringerung der Kosten und der Zeitdauer für<br />
Neugründungen.<br />
– Vereinfachung der Rechts- und VerwaltungsvorschriftenundEntlastungvonVorschriftenfürKMU.<br />
– Ausrichtung der Ausbildungseinrichtungen an den<br />
Bedürfnissen der Unternehmen.<br />
– Aufbau von staatlichen Online-Diensten für Unternehmen.<br />
– Rasche Vollendung des Binnenmarktes.<br />
– Günstigere Steuersysteme für unternehmerische<br />
TätigkeitundverbesserterZugangzu(Risiko-)Kapital.<br />
135
Charta von Köln<br />
– Förderung der Zusammenarbeit von KMU und<br />
Forschungseinrichtungen, erleichterter Zugang zu<br />
Forschungsprogrammen.<br />
– Anreize für KMU, erfolgreiche Modelle für elektronischen<br />
Handel zu übernehmen und Ausbau der<br />
Unterstützungsdienste für KMU.<br />
– KMU sollen ihre Interessen auf nationaler Ebene<br />
und auf Ebene der EU stärker und effizienter vertreten<br />
können.<br />
Die Charta wurde von den Beitrittsländern am 23. 4.<br />
2002 angenommen, sie nahmen bis zu ihrem Beitritt<br />
an dem Prozess teil. Die Länder des westlichen Balkans<br />
haben die Charta im Mai 2003 angenommen.<br />
Die Kommission veröffentlicht jährlich im Frühjahr<br />
einen Bericht über die Umsetzung der Charta.<br />
Bisherige Berichte: KOM 2001, 122 endg., KOM<br />
2002, 68 endg., KOM 2003, 21 endg., KOM 2004, 64<br />
endg. Die Berichte werden nicht im Amtsblatt veröffentlicht.<br />
Charta von Köln<br />
Begriff: Auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs<br />
der �G 8 am 18. 6. 1999 in Köln (25. Wirtschaftsgipfel)<br />
der Schlusserklärung beigefügte<br />
„Charta von Köln über Ziele und Bestrebungen für<br />
lebenslanges Lernen“. Anknüpfungspunkt ist Kapitel<br />
IV der Schlusserklärung („Investitionen in die<br />
Menschen“).<br />
Hintergrund und Beweggründe: Die in der Charta<br />
enthaltene Forderung nach Investitionen in lebenslanges<br />
Lernen zur Verwirklichung der sozialen und<br />
wirtschaftlichen Ziele des Vertrages beruht auf Titel<br />
VIII (Beschäftigung) des �Vertrages von Amsterdam,<br />
den Beschlüssen der Europäischen Räte von<br />
Luxemburg (20./21. 11. 1997) und Köln (3./4. 6.<br />
1999,„Beschäftigungspakt“)undder36.Tagungdes<br />
Bildungsministerratesvom7.6.1999inLuxemburg,<br />
auf dem der „Beitrag der Bildungspolitik zum Europäischen<br />
Beschäftigungspakt“ im Einzelnen verbindlich<br />
erörtert wurde.<br />
Das Thema des lebenslangen Lernens ist seit der<br />
„Mitteilung vom 2. 6. 1989 über die allgemeine und<br />
berufliche Bildung in der Europäischen Gemeinschaft<br />
– Mittelfristige Leitlinien 1989–1992“ ausführlich<br />
behandelt worden, insbes. im „Weißbuch<br />
zur allgemeinen und beruflichen Bildung vom 29.<br />
11. 1995: Lehren und Lernen – Auf dem Weg zur kognitiven<br />
Gesellschaft“ und der „Mitteilung vom 12.<br />
11. 1997: Für ein Europa des Wissens“.<br />
136<br />
Zielsetzung: In Ziff. 15 der Schlusserklärung heißt<br />
es: „Grundbildung, berufliche Bildung, akademische<br />
Qualifikationen, lebenslange Verbesserung der<br />
Fähigkeiten und Kenntnisse für den Arbeitsmarkt<br />
und Unterstützung der Entwicklung innovativen<br />
Denkens sind entscheidend für die Gestaltung des<br />
wirtschaftlichenundtechnischenFortschrittsaufunserem<br />
Weg in die Wissensgesellschaft“. Zur Förderung<br />
dieser Ziele wird vereinbart, die Bestrebungen<br />
der Charta von Köln weiterzuverfolgen (Ziff.16).<br />
Als wesentliche Elemente einer Strategie für lebenslanges<br />
Lernen und Ausbildung gelten (Charta von<br />
Köln, Teil 2) eine „qualitativ hochwertige Bildung“<br />
auf allen Ebenen, eine „grundlegende soziale Kompetenz“<br />
im Primarbereich, die Zuordnung der Sekundar-undBerufsschulbildungaufdieErfordernisse<br />
des Arbeitsmarkts und eine Hochschulbildung,<br />
„die allen, die zu einem Studium mit Hochschulabschluss<br />
befähigt sind, die Chance dazu eröffnet“.<br />
Rechtliche Würdigung: Die Charta von Köln hat<br />
gem. Art. 4 EUV eine politische Impuls- und Bindungswirkung,<br />
ist aber im Bildungsbereich gem.<br />
Art. 149 und 150 EGV auf das „Unterstützen und Ergänzen“<br />
der mitgliedstaatlichen Politik und durch<br />
dasHarmonisierungsverbotbegrenzt. I. H.<br />
Churchill, Sir Winston (1874 – 1965), britischer<br />
Premierminister (1940 – 1945, 1951 – 1955). Hatte<br />
entscheidenden Einfluss auf die Konferenzen des<br />
Zweiten Weltkrieges (u. a. in Teheran und Jalta), gehörte<br />
zu den Mitbegründern der UNO und zu den Initiatoren<br />
von �NATO und �Europarat. In seiner berühmten<br />
Rede vom 19. 9. 1946 an der Züricher Universität<br />
(„Züricher Rede“) schlug er die Schaffung<br />
der „Vereinigten Staaten von Europa“ vor, jedoch<br />
ohne Teilnahme Großbritanniens wegen seiner<br />
Commonwealth-Verpflichtungen.<br />
CIREA (Centre for Information, Discussion and Exchange<br />
on Asylum), Informations-, Reflexions- und<br />
Austauschzentrum für Asylfragen, eingerichtet auf<br />
Ratsbeschluss vom 11. 6. 1992 als Arbeitsgruppe des<br />
Rates im Rahmen der durch den Maastrichter Vertrag<br />
eingeführten Zusammenarbeit in den Bereichen<br />
Justiz und Inneres. Die von CIREA und �CIREFI gesammelten<br />
vereinheitlichten Daten über Asyl und<br />
Einwanderung wurden von �eurostat veröffentlicht.<br />
CIREA hat auf Entscheidung von �COREPER vom<br />
6. 3. 2002 seine Tätigkeit am 1. 7. 2002 eingestellt.
DieAufgabenvonCIREA(insbes.derInformationsund<br />
Erfahrungsaustausch zwischen den nationalen<br />
Asylbehörden) werden seither von der Kommission<br />
ausgeführt, die dafür die Arbeitsgruppe �EURASIL<br />
eingerichtet hat.<br />
CIREFI (Centre for Information, Discussion and Exchange<br />
on the Crossing of Frontiers and Immigration),<br />
Informations-, Reflexions- und Austauschzentrum<br />
für Fragen im Zusammenhang mit dem Überschreiten<br />
der �Außengrenzen und der Einwanderung,<br />
ähnlich wie �CIREA auf Ratsbeschluss vom<br />
30. 11/ 1. 12. 1992 als Arbeitsgruppe des Rates im<br />
Rahmen der durch den Maastrichter Vertrag eingeführten<br />
Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und<br />
Inneres eingerichtet zur Überwachung der Einwanderung<br />
und der Bekämpfung illegaler Immigration.<br />
Durch Entschließung des Rates vom 27. 5. 1999 wurde<br />
im Rahmen von CIREFI ein Frühwarnsystem zum<br />
Informationsaustausch über illegale Einwanderung<br />
und Schleuserkriminalität geschaffen. CIREFI ist<br />
beteiligt an der Weiterentwicklung des Katalogs<br />
grenzpolizeilicher Regeln und Praktiken im Gemeinsamen<br />
Schengener Handbuch sowie an dem<br />
computergestützten Informationssystem zur Erkennung<br />
gefälschter Dokumente (�FADO, False and<br />
Authentic Documents).<br />
CITES (Convention on International Trade in Endangered<br />
Species of Wild Fauna and Flora), Washingtoner<br />
Artenschutzübereinkommen. �Naturschutz<br />
Cocolaf (Advisory Committee for the Coordination<br />
of Fraud Prevention), Beratender Ausschuss für die<br />
Koordinierung der Betrugsbekämpfung, durch Beschluss<br />
der Kommission vom 23. 2. 1994 eingesetzt.<br />
�Betrugsbekämpfung, �OLAF<br />
Coded ist eine Datenbank der Europäischen Union<br />
für Konzepte und Begriffe aus allen Bereichen des<br />
Europäischen Statistischen Systems (ESS). Aufgelistet<br />
sind rund 3700 Begriffe und deren Definition<br />
sowieihreÜbersetzunginEnglischundFranzösisch,<br />
ferner rd. 200 Abkürzungen und Akronyme.<br />
Internet: Zugang Eurostat oder über http://forum.europa.eu.int/irc/dsis/coded/info/data/coded/<br />
de.htm<br />
COGECA (Confédération Générale des Coopératives<br />
Agricoles de l’Union Européenne), auch<br />
COCEGA (General Committee for Agricultural<br />
Cooperation in the European Union). Allgemeiner<br />
VerbandderlandwirtschaftlichenGenossenschaften<br />
in der EU. 1959 gegründet. Heute 40 Mitglieder aus<br />
20 EU-Staaten. Offizielles Vertretungsorgan aller<br />
landwirtschaftlichen und Fischerei-Genossenschaften<br />
der EU. Gemeinsames Sekretariat mit �COPA.<br />
Anschrift: Rue de la Science 23–25, 1040 Brüssel.<br />
Internet: www.cogeca.be<br />
Colombo, Emilio (geb. 1920), italienischer Ministerpräsident<br />
(1970–1972) und Minister in verschiedenen<br />
Ressorts. 1977 – 79 Präsident des Europäischen<br />
Parlaments, 1979 Träger des Karlspreises.<br />
Legte als Außenminister (1980 – 83 und 1992 – 93)<br />
gemeinsam mit seinem deutschen Kollegen �Genscher<br />
1981 einen Vertragsentwurf zur Gründung einer<br />
Europäischen Union vor (�Genscher-Colombo-Plan).<br />
Colonna-Memorandum. Memorandum der Kommission<br />
an den Rat vom 18. 3. 1970 unter dem Titel<br />
„Die Industriepolitik in der Gemeinschaft“. Es empfahl<br />
eine gemeinsame Politik der industriellen Entwicklung<br />
als notwendig für die weitere wirtschaftliche<br />
Entwicklung. Der Pariser �Gipfel vom 21. 10.<br />
1972 stimmte den Empfehlungen zu. Daraufhin beschloss<br />
der Rat am 17. 12. 1973 ein erstes Programm<br />
zur Industriepolitik mit einer Reihe von legislativen<br />
Maßnahmen. �Industriepolitik<br />
COMECE (Commissio Episcopatuum Communitatis<br />
Europensis, Kommission der Bischofskonferenzen<br />
der Europäischen Gemeinschaft). Am 3. 3. 1980<br />
gegründet. Kommission aus 21 von den Bischofskonferenzen<br />
in EU-Staaten delegierten Bischöfen,<br />
die sich zweimal pro Jahr zu einer Vollversammlung<br />
treffen, an der auch der Apostolische Nuntius teilnimmt.<br />
Dokument:<br />
Das Werden der Europäischen Union und die Verantwortung<br />
der Katholiken. Brüssel, 9. 5. 2005<br />
Anschrift: 42, rue Stévin, B–1000 Brüssel<br />
Internet: www.comece.org<br />
COMENIUS �Bildungsprogramme Ziff. 2.1.1<br />
COMMETT �Bildungsprogramme Ziff. 2.2<br />
COMEXT<br />
COMEXT ist eine Datenbank von eurostat mit Statis-<br />
137
CONCORD<br />
tiken zum Intrahandel der EU-Staaten und zum Extrahandel<br />
zwischen den EU-Staaten und rd. 250 Handelspartnern<br />
unter Verwendung der Kombinierten<br />
Nomenklatur. Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch.<br />
Daten seit 1976 jährlich, seit 1988 jährlich,<br />
halbjährlich, vierteljährlich und monatlich. Aktualisierung<br />
monatlich<br />
Internet: http://fd.comext.eurostat.cec.eu.int/xtweb<br />
CONCORD (European NGO Confederation for Relief<br />
and Development), europäischer Dachverband<br />
(Netzwerk) von 18 nationalen Vereinigungen mit<br />
über 1 500 entwicklungspolitischen �Nichtregierungsorganisationen,<br />
gegründet am 30. 1. 2003<br />
(�TRIALOG).<br />
Ähnliche Netzwerke sind CIDSE (Coopération Internationale<br />
pour le Développement et la Solidarité)<br />
für katholische entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen,<br />
APRODEVfürentsprechende<br />
protestantische NGO, EuronAid für NGO im Bereich<br />
Nahrungsmittelhilfe.<br />
CONCORDE (Centre for Organizations and Networks<br />
for Cooperation, Research and Development<br />
in Education). Ziel: Austausch von Ideen und Verbreitung<br />
von Informationen über Erziehung zwischen<br />
europäischen �Nichtregierungs-Organisationen<br />
sowie Veranstaltung von Seminaren zu den europäischen<br />
�Bildungsprogrammen.<br />
Anschrift: Rue de la Concorde 60, B–1050 Bruxelles<br />
CONECCS (Consultation, the European Commission<br />
and Civil Society; Konsultation, Europäische<br />
Kommission und Zivilgesellschaft). Datenbank der<br />
Kommission zum Zweck, ihre Konsultationsverfahrentransparenterzugestalten.EnthältInformationen<br />
zu den förmlichen und strukturierten Beratungsgremien<br />
der Kommission, an denen Organisationen der<br />
Zivilgesellschaft teilnehmen, ferner ein Verzeichnis<br />
von nicht gewinnorientierten Organisationen, die<br />
auf europäischer Ebene tätig sind (freiwillige Eintragung).<br />
Internet: europa.eu.int/comm/civil_society/coneccs<br />
Cono Sur (Südlicher Kegel). Bezeichnung der Südspitze<br />
von Lateinamerika mit den Staaten Argentinien,<br />
Chile, Uruguay, Paraguay; oft wird auch Bolivien<br />
und/oder Brasilien dazu gerechnet. Argentinien,<br />
Paraguay, Uruguay und Brasilien haben 1991<br />
138<br />
den gemeinsamen Markt �Mercosur (Mercado Comun<br />
del Cono Sur) gegründet.<br />
COPA (Comité des Organisations Professionelles<br />
Agricoles de l’Union Européenne). Ausschuss der<br />
berufsständischen landwirtschaftlichen Organisationen<br />
der EU, gegründet 1958. Heute 50 Mitglieder<br />
aus 20 EU-Ländern. Von den Organen der EU als<br />
Sprecher für die gesamte Landwirtschaft anerkannt.<br />
Gemeinsames Sekretariat mit �COGECA.<br />
Anschrift: Rue de la Science 23–25, B–1040 Brüssel.<br />
Internet www.copa.be<br />
Copyright. Der Begriff entstammt dem angloamerikanischen<br />
Urheberrecht. Gestützt auf den „Copyright<br />
Act“ vom 19. 10. 1976 ist das Copyright<br />
(Vervielfältigungsrecht) im Recht der USA geschriebene<br />
Voraussetzung des Urheberrechtsschutzes,<br />
der durch Registrierung in einem besonderen<br />
Copyright-Register erreicht wird.<br />
Der Copyright-Vermerk besteht aus dem ©-Kennzeichen<br />
oder dem Wort „Copyright“ in Verbindung<br />
mit dem Namen des Urheberrechtsinhabers und der<br />
Jahreszahl der ersten Veröffentlichung. Im europäischen<br />
Urheberrecht kommt dem Copyright-Vermerk<br />
über das Welturheberrechtsabkommen (WUA<br />
vom 6. 9. 1952, BGBl. 1973 II, 1111), zu dem sich<br />
sämtliche Mitgliedstaaten der EU bekennen, Bedeutung<br />
zu. Für ein Werkstück der Literatur, Wissenschaft<br />
oder Kunst, das den Copyright-Vermerk trägt,<br />
gelten alle innerstaatlichen Förmlichkeiten für die<br />
ErlangungdesUrheberrechtsschutzesalserfüllt.Der<br />
Abkommensstaat hat dem Urheberrechtsinhaber<br />
nach dem Prinzip der Inländerbehandlung alle für<br />
seine eigenen Staatsangehörigen vorgesehenen<br />
Schutzrechtezukommenzulassen. J. M. B.<br />
�Urheberrecht<br />
CORDIS (Community Research and Development<br />
Information Service). Elektronischer Informationsdienst<br />
der Kommission für die Bereiche Forschung<br />
undEntwicklung(F&E)sowieInnovationinEuropa.<br />
Es soll die Teilnahme an Forschungsprogrammen<br />
der EU erleichtern und die Verwertung von Forschungsergebnissenverbessern.CORDISisteineinteraktive<br />
Plattform mit der Möglichkeit, Wissen auszutauschen<br />
und Partnerschaften zu bilden. Der Zugang<br />
ist kostenfrei. Hauptsprache ist Englisch.<br />
Internet www.cordis.lu
COREPER (Comité des représentants permanents).<br />
Die gebräuchliche Abkürzung für den �Ausschuss<br />
der Ständigen Vertreter (AStV II) der Mitgliedstaaten<br />
in Brüssel (im Botschafterrang) und ihrer Stellvertreter<br />
(AStV I).<br />
COREU (Correspondance Européenne). Elektronisches<br />
Netzwerk, das die Außenministerien der Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union, das Ratssekretariat<br />
und die Kommission zum Austausch von Stellungnahmen,<br />
Berichten sowie sonstigen Informationen<br />
und Nachrichten im Bereich der �GASP einschl.<br />
der �ESVP miteinander verbindet.<br />
Es ermöglicht in Krisensituationen eine BeschlussfassunginnerhalbvonStunden.COREUwurde1973<br />
im Rahmen der �Europäischen Politischen Zusammenarbeit<br />
(EPZ) eingerichtet als ein Netz aus Fernschreibern.<br />
U. S.<br />
COSAC. Die Rolle der am 16./17. 11. 1989 in Paris<br />
gegründeten Konferenz der Europa-Ausschüsse<br />
(Conférence des Organes Spécialisés dans les Affaires<br />
Communautaires, COSAC) wurde vor allem im<br />
Protokoll Nr. 9 zum Amsterdamer Vertrag „über die<br />
Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der EU“<br />
präzisiert. Hier vereinbarte der Europäische Rat<br />
1997, dass die Konferenz jeden ihr zweckmäßig erscheinenden<br />
Beitrag für die Organe der EU leisten<br />
kann, und zwar insbes. auf der Grundlage von Entwürfen<br />
für Rechtstexte, deren Übermittlung an die<br />
COSAC von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten<br />
in Anbetracht der behandelten Frage<br />
ggf. einvernehmlich beschlossen wird. Zudem kann<br />
die Konferenz Vorschläge oder Initiativen im Zusammenhang<br />
mit der Errichtung eines �Raumes der<br />
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts prüfen, die<br />
möglicherweise unmittelbare Auswirkungen auf die<br />
Rechte und Freiheiten des Einzelnen nach sich ziehen.<br />
Das Europäische Parlament, der Rat und die<br />
Kommission werden über solche von der COSAC<br />
geleisteten Beiträge unterrichtet. Die Konferenz<br />
kann dem Europäischen Parlament, dem Rat und der<br />
Kommission weiter jeden ihr zweckmäßig erscheinenden<br />
Beitrag über die Gesetzgebungstätigkeiten<br />
der Union, insbes. hinsichtlich der Anwendung des<br />
�Subsidiaritätsprinzips, des Raums der Freiheit, der<br />
Sicherheit und des Rechts sowie die �Grundrechte<br />
betreffenden Fragen vorlegen. Ausdrücklich binden<br />
allerdings die COSAC-Beiträge nicht die einzel-<br />
Costa/ENEL-Urteil<br />
staatlichen Parlamente und präjudizieren in keiner<br />
Weise deren Standpunkte. Insbesondere im Rahmen<br />
des politischen Frühwarnsystems des EU-Verfassungsvertrags<br />
2004, der die Rolle der nationalen Parlamente<br />
generell aufwerten will, könnte COSAC<br />
eine erweiterte Relevanz erlangen.<br />
1991 hat die COSAC sich eine Geschäftsordnung gegeben.<br />
Jeder Mitgliedstaat und das EP sind mit 6 Abgeordneten<br />
vertreten. Deutschland entsendet 4 Abgeordnete<br />
des Bundestages und 2 des Bundesrates.<br />
Beitrittskandidatenentsendenje3Parlamentarierals<br />
Beobachter. COSAC tritt halbjährlich in dem Land<br />
zusammen, das den Ratsvorsitz innehat. Ein ständiges<br />
Sekretariat der COSAC wurde am 1. 1. 2004 in<br />
Brüsseleingerichtet,zunächstfür2Jahre. J. M. B.<br />
Anschrift: 2, rue d’Ardenne, B–1047 Brüssel<br />
Internet: www.cosac.org<br />
COST (EuropeanCooperationinthefieldofScientific<br />
and Technical Research). 1971 gegründete Zusammenarbeit<br />
europäischer Staaten auf dem Gebiet<br />
der wissenschaftlichen und technischen Forschung<br />
vor allem im Grundlagenbereich und in der vorwettbewerblichen<br />
Entwicklung. Verwaltungssitz ist<br />
Brüssel. Mitglieder sind 36 europäische Staaten<br />
(darunter alle 25 EU-Staaten). Seit 1989 können sich<br />
auch Forschungseinrichtungen, Hochschulen und<br />
Unternehmen aus Ländern, die nicht Mitglied von<br />
COST sind, an den einzelnen Aktionen beteiligen.<br />
Forschungsaktionen können von Forschenden aus<br />
allen COST-Staaten und von der Europäischen<br />
Kommission vorgeschlagen werden. Über ihre Aufnahme<br />
entscheidet ein Ausschuss Hoher Beamter.<br />
Die Teilnahme ist freiwillig. Eine Aktion beginnt,<br />
wenn sich mindestens fünf Mitgliedstaaten zur Teilnahme<br />
verpflichten. Die Forschung wird national<br />
von den teilnehmenden COST-Staaten finanziert,<br />
die Kosten für die europaweite Koordination des<br />
COST-Sekretariats übernimmt ein gemeinsamer<br />
Fonds. Forschungsschwerpunkte sind die Bereiche<br />
Telekommunikation,Verkehr,Werkstoffe,Umwelt,<br />
Meteorologie, Landwirtschaft und Biotechnologie,<br />
Lebensmitteltechnologie, Sozialwissenschaften,<br />
Medizinische Forschung, Chemie, Forstwirtschaft,<br />
Physik / Strömungsdynamik, Nanotechnologie.<br />
Costa/ENEL-Urteil. Im Grundsatzurteil vom<br />
15. 7. 1964 (Rs. 6/64; Slg. 1964, 1251) beanspruchte<br />
der EuGH erstmals für das Gemeinschaftsrecht den<br />
139
Cotonou-Abkommen<br />
Vorrang vor allem nationalen Recht. Der EG-<br />
Vertrag habe nicht nur eine neue, eigenständige<br />
Rechtsordnung geschaffen, die in die Rechtsordnungen<br />
der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und<br />
von ihren Gerichten anzuwenden sei. Diese europäische<br />
Rechtsordnung stehe gewissermaßen auch über<br />
dem (allem) Recht der Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten<br />
hätten, wenn auch auf begrenztem Gebiet,<br />
ihre Souveränität beschränkt „und so einen<br />
Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen<br />
und sie selbst verbindlich“ sei.<br />
Die Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten im<br />
Vertrag zur Gründung der Gemeinschaften eingegangen<br />
sind, „wären keine unbedingten mehr, sondern<br />
nur noch eventuelle, wenn sie durch spätere Gesetzgebungsakte<br />
der Signatarstaaten in Frage gestellt<br />
werden könnten“.<br />
Die nationalen Obergerichte sind dem Vorrang-Anspruch<br />
des Gemeinschaftsrechts mit einiger Skepsis<br />
entgegengetreten. Weitgehend haben sie sich inzwischen<br />
jedoch damit abgefunden. Auch das deutsche<br />
Bundesverfassungsgericht hat insbes. im �Bananenmarktordnung-Beschluss<br />
vom 7. 6. 2000 die Vorrangfrage<br />
im Wesentlichen zu Gunsten des Gemeinschaftsrechts<br />
aufgelöst. Der EU-Verfassungsvertrag<br />
2004 bestätigt nun ausdrücklich den Vorrang des Europarechts(Art.I-6VVE).<br />
J. M. B.<br />
Cotonou-Abkommen. Mit Beendigung des Ost-<br />
West-Konflikts und sich rasch verstärkenden Globalisierungsprozessen<br />
ist die 25-jährige, im Ganzen erfolgreiche<br />
AKP-EG-Entwicklungszusammenarbeit<br />
im Rahmen der �Lomé-Abkommen I–IV (1975 –<br />
2000) an ihre Grenzen gestoßen. Die Veränderung<br />
der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
und vielfältige Differenzierungen im Entwicklungsverlauf<br />
und -stand innerhalb der Gruppe<br />
der �AKP-Staaten haben eine grundlegende Umorientierung<br />
der Entwicklungszusammenarbeit und<br />
-partnerschaft zwischen den Vertragsparteien notwendig<br />
gemacht. Sie hat ihren Niederschlag im Abkommen<br />
von Cotonou (Benin), dem Nachfolgeabkommen<br />
von Lomé IV, gefunden. Cotonou markiert<br />
eine Zäsur in der AKP-EG-Entwicklungszusammenarbeit,<br />
ohne aber bewährte Grundsätze von<br />
Lomé, z. B. Partnerschaft und Kooperation, die vertragliche<br />
Vereinbarung gegenseitiger Rechte und<br />
Pflichten, paritätische Institutionen, Dialog, Berechenbarkeit<br />
über Bord zu werfen. Auf diesen Prinzi-<br />
140<br />
pien aufbauend, ist mit dem Abkommen von Cotonou<br />
ein neuer Kooperationsrahmen geschaffen worden,<br />
der den veränderten Bedingungen und den jeweiligen<br />
Interessen der Vertragsparteien Rechnung<br />
trägt. Die EU setzt seit dem Vertrag von Maastricht<br />
mit der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP) neue außen- und sicherheitspolitische<br />
Prioritäten bei der Mitgestaltung der internationalen<br />
Zusammenarbeit und der Wahrung des Friedens und<br />
der internationalen Sicherheit. Viele AKP-Staaten<br />
haben ihrerseits politische und wirtschaftliche Reformen<br />
eingeleitet. Dementsprechend setzt das Cotonou-Abkommen<br />
neue Akzente.<br />
1. Von Lomé IV nach Cotonou: Die Diskussion um<br />
die Nachfolge von Lomé IV wurde bereits Ende1996<br />
mit dem „Grünbuch über die Beziehungen zwischen<br />
derEuropäischenUnionunddenAKP-Staatenander<br />
Schwelle zum 21. Jahrhundert – Herausforderungen<br />
und Optionen für eine neue Partnerschaft“ eingeleitet.<br />
Sie löste eine breit angelegte Debatte aus, an der<br />
neben Regierungskreisen und dem Europäischen<br />
Parlament auch die Zivilgesellschaft, Wissenschaftler,<br />
der Privatsektor und �NROs beteiligt waren. Daran<br />
anknüpfend formulierte die Europäische Kommission<br />
im Herbst 1997 Leitlinien für Neuverhandlungen.<br />
Auch die Staats- und Regierungschefs der<br />
AKP-LänderäußertensichaufihrerKonferenzinLibreville<br />
(Gabun) im November 1997 in der „Libreville-Erklärung“<br />
zum künftigen Verhältnis zur EU.<br />
Während die Kommission eindeutig für eine grundlegende<br />
Umgestaltung des Lomé-Konzeptes plädierte,<br />
um die AKP-Partnerländer für eine zunehmend<br />
eigenständigere Entwicklung in der sich verändernden<br />
Welt fit zu machen, wünschten diese lediglich<br />
unbedeutende Veränderungen des Lomé-<br />
Konzeptes nebst einigen unverbindlichen politischen<br />
Auflagen.<br />
Nach schwierigen Anfangsverhandlungen, die im<br />
September 1998 begannen und einem Scheitern der<br />
AKP-EU-Partnerschaft nahe waren, kam schließlich<br />
auf beiden Seiten der politische Wille zum Durchbruch,<br />
das Kooperations- und Partnerschaftsverhältnis<br />
über das Jahr 2000 hinaus fortzusetzen, zu revitalisieren<br />
und zu vertiefen. Nach langen Verhandlungen<br />
wurde das neue Partnerschaftsabkommen zwischenderEUundnunmehr76AKP-Staatenam23.6.<br />
2000 in Cotonou unterzeichnet. Es trat nach RatifizierungdurchdieEU-MitgliederundzweiDrittelder<br />
AKP-Länder am 1. 4. 2003in Kraft. Die Laufzeit des
Abkommens beträgt 20 Jahre und gibt beiden Seiten<br />
relative Planungssicherheit.<br />
3. Rechtliche Grundlagen, Ziele und Grundprinzipien<br />
des Abkommens: Die rechtliche Vertragsgrundlage<br />
bildet das „Partnerschaftsabkommen zwischen<br />
den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im<br />
Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits<br />
und der Europäischen Gemeinschaft und ihren<br />
Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou<br />
am 23. Juni 2000“. Es gliedert sich in folgende<br />
Abschnitte:<br />
– Allgemeine Bestimmungen;<br />
– Institutionelle Bestimmungen;<br />
– Kooperationsstrategien;<br />
– Zusammenarbeit bei Entwicklungsfinanzierung;<br />
– Allgemeine Bestimmungen für die am wenigsten<br />
entwickelten AKP-Staaten, die AKP-Binnenstaaten<br />
und die AKP-Inselstaaten;<br />
– Schlussbestimmungen.<br />
Ziel des Abkommens ist, „ im Sinne eines Beitrages<br />
zu Frieden und Sicherheit und zur Förderung eines<br />
stabilen und demokratischen politischen Umfeldes<br />
die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung<br />
der AKP-Staaten zu fördern und zu beschleunigen“<br />
und „in Einklang mit den Zielen der �nachhaltigen<br />
Entwicklung und der schrittweisen Integration<br />
der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft die Armut<br />
einzudämmen und schließlich zu besiegen“.<br />
Die Zusammenarbeit, die sich auf rechtsverbindliche<br />
Vereinbarungen und gemeinsame Organe (Ministerrat,<br />
Botschafterausschuss, Paritätische Parlamentarische<br />
Versammlung) stützt, beruht auf folgenden<br />
Grundprinzipien:<br />
– Gleichheit der Partner und Eigenverantwortung<br />
für die Entwicklungsstrategien;<br />
– Partizipation der verschiedenen gesellschaftlichen<br />
Akteure;<br />
– Zentrale Rolle des Dialogs und Erfüllung der beiderseitigen<br />
Verpflichtungen;<br />
– Differenzierung und Regionalisierung.<br />
Gegenüber Lomé IV stellen die Eigenverantwortung<br />
der Partner, breit gefächerte gesellschaftliche Partizipation,<br />
die zentrale Rolle des Dialogs und der<br />
Grundsatz der Differenzierung und Regionalisierung<br />
neue Vertragsschwerpunkte dar. In ihrem kohärenten<br />
Zusammenwirken tragen sie durch Stärkung<br />
der politischen Dimension zur Optimierung der Vertragserfüllung<br />
bei.<br />
3. Inhaltliche Schwerpunkte: Neben der stärkeren<br />
Cotonou-Abkommen<br />
AkzentuierungderschoninLoméIVeingegangenen<br />
Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte, zur<br />
Einhaltung demokratischer Grundsätze und der<br />
Rechtsstaatlichkeit stellen Armutsbekämpfung, die<br />
Beachtung der Grundsätze nachhaltiger Entwicklung,<br />
die Gleichberechtigung von Mann und Frau,<br />
die Unterstützung politischer und institutioneller<br />
ReformensowiedieEinbindungnichtstaatlicherAkteure<br />
(�Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Gewerkschaften,<br />
�Nichtregierungsorganisationen) in die<br />
Zusammenarbeit neue Schwerpunkte des Vertragswerkes<br />
dar. Mit der Stärkung der politischen Dimension<br />
erhält der politische Dialog zwischen der EU<br />
unddenAKP-StaateneineneueQualität.Ersolldazu<br />
dienen, Konfliktsituationen zu entschärfen und Vertragsverletzungen<br />
soweit wie möglich zu vermeiden<br />
oder – noch besser – zu einem möglichst frühen Zeitpunkt<br />
Konflikte im Keim zu ersticken. Der Vertrag<br />
sieht deshalb vor, dass eine Vertragspartei ein Konsultationsverfahren<br />
einleiten kann, wenn der andere<br />
Partner die Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte<br />
und Grundfreiheiten, der demokratischen<br />
Grundsätze oder des Rechtstaatsprinzips verletzt<br />
oder nicht erfüllt. Neu ist, dass in diese Konsultationen<br />
auch die �Zivilgesellschaft einbezogen<br />
werden kann. Das Scheitern der Konsultationen<br />
kann zu einer partiellen oder gar vollständigen Aussetzung<br />
der Zusammenarbeit führen (Art. 96).<br />
Vor allem gelang es auch, das Prinzip verantwortlicher<br />
Regierungsführung („good governance“) als<br />
„fundamentales Element“ in das Cotonou-Abkommen<br />
einzubeziehen und es rechtlich und politisch auf<br />
die gleiche Stufe wie Schutz der Menschenrechte sowie<br />
Achtung demokratischer und rechtsstaatlicher<br />
Grundsätze anzuheben. Alle drei Elemente sind zentrale<br />
Themen des politischen Dialogs. Verantwortliche<br />
Regierungsführung wird definiert als „transparente<br />
und verantwortungsbewusste Verwaltung der<br />
menschlichen, natürlichen, wirtschaftlichen und finanziellen<br />
Ressourcen und ihr Einsatz für eine ausgewogene<br />
und nachhaltige Entwicklung“ (Art. 9).<br />
Fernzielderwirtschaftlichenundhandelspolitischen<br />
Zusammenarbeit ist, „die AKP-Staaten in die Lage<br />
zu versetzen, in vollem Umfang am Welthandel teilzunehmen“.<br />
Angesichts ihres derzeitigen Entwicklungsstandes<br />
soll die wirtschaftliche und handelspolitische<br />
Zusammenarbeit die AKP-Staaten schrittweise<br />
befähigen, sich den neuen Bedingungen des<br />
globalisierten Welthandels anzupassen und so „ihre<br />
141
Cotonou-Abkommen<br />
Eingliederung in die liberalisierte Weltwirtschaft erleichtern“.<br />
Um dieses Ziel erreichen zu können, einigten<br />
sich beide Seiten darauf, die für die AKP-Länder<br />
bestehenden Handelspräferenzen bis 2007 in regionale<br />
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu<br />
überführen. Zum einen widerspricht die Gewährung<br />
solch einseitiger Sonderpräferenzen (ohne Reziprozität)<br />
dem Nichtdiskriminierungsprinzip von<br />
�GATT/WTO, zum anderen bieten regionale Wirtschafts-<br />
und Partnerschaftsabkommen (Regional<br />
and Economic Partnership Agreements, REPA) die<br />
Chance, Ressourcenausstattung, den jeweiligen Entwicklungsstand,<br />
spezifische strukturelle Grundlagen<br />
der verschiedenen Regionen, vorhandene Initiativen<br />
zu regionaler Integration usw. angemessen zu<br />
berücksichtigen.DerErfolgderRegionalabkommen<br />
wird davon abhängen, ob es gelingt, die regionale Integration,<br />
die teilweise schon vorhanden ist, auf eine<br />
solide, tragfähige Grundlage zu stellen. Voraussetzungen<br />
dafür sind zum einen die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
und der Exportkapazitäten der jeweiligen<br />
Region sowie der Aufbau von die regionale<br />
Integration fördernden Organisationsstrukturen.<br />
Das verpflichtet die AKP-Partnerländer und -regionen<br />
zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den<br />
eigenen Bedürfnissen, Möglichkeiten, Problemen<br />
usw. und zur Ausarbeitung entsprechender eigener<br />
Lösungsstrategien.<br />
Längere Übergangsfristen (bis zu 12 Jahren) tragen<br />
denunterschiedlichenregionalenKooperations-und<br />
Integrationsbedingungen Rechnung und ermöglichen<br />
eine differenzierte und flexible Handhabung<br />
derRegionalabkommen.Zumanderenmussauchdie<br />
EU-Seite ihrer Verpflichtung nachkommen, die Abschottung<br />
ihres Agrarmarktes gegen sensible Produkte<br />
aus Entwicklungsländern (z. B. Reis, Wein,<br />
Zucker, Milchprodukte) abzubauen. Die Eingliederung<br />
der AKP-Länder in die Weltwirtschaft kann nur<br />
gelingen, wenn sie von beiden Seiten gemeinsam getragen<br />
wird. Sonderregelungen wurden für die am<br />
wenigsten entwickelten AKP-Länder, die AKP-Binnenstaaten<br />
und die AKP-Inselstaaten vereinbart. Neben<br />
der Bereitstellung von 1 Mrd. Euro aus Restmitteln<br />
(rd. 9,9 Mrd. Euro) des 8. EEF zur finanziellen<br />
Absicherung der HIPC-Entschuldungsinitiative<br />
wird ersteren ab 2005 zollfreier Zugang zu den<br />
EU-Märkten für „im Wesentlichen alle Waren“(Art.<br />
39,9) gewährt (HIPC: Heavily indebted poor countries,<br />
hochverschuldete arme Länder).<br />
142<br />
4. Wertung: Unbestreitbar ist, dass das Cotonou-Abkommen<br />
einen epochalen Wandel in den EU-AKP-<br />
Beziehungen darstellt. Im Vergleich zu Lomé IV<br />
schaffen grundlegende Neuerungen die Voraussetzung<br />
für wesentliche Verbesserungen der Entwicklungszusammenarbeit<br />
zwischen den AKP-Staaten<br />
und der Europäischen Gemeinschaft. Dazu zählen<br />
insbes. die beachtliche Aufwertung der politischen<br />
Dimension (insbes. die Akzentuierung der Menschenrechte,<br />
des Demokratieprinzips, der Rechtsstaatlichkeit<br />
und verantwortlicher Regierungsführung),<br />
die Heraushebung von Querschnittsaufgaben<br />
(Armutsbekämpfung, Nachhaltige Entwicklung,<br />
Gleichberechtigung der Geschlechter, politische<br />
und institutionelle Reformen, Einbindung von<br />
NRO). Mit der Verpflichtung, Entwicklungsaufgaben<br />
mit Hilfe integrierter Strategien anzugehen, die<br />
ökologische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und<br />
institutionelle Elemente umfassen, erhält der politische<br />
Dialog nicht nur eine neue Qualität, er unterstützt<br />
auch die Entfaltung von Eigeninitiativen und<br />
-kräften zur nachhaltigen Nutzung heimischer Ressourcen.<br />
Die regionale Differenzierung der wirtschafts- und<br />
handelspolitischen Zusammenarbeit in Form regionaler<br />
Wirtschaftspartnerschaften bietet einen optimalen,<br />
wenn auch ehrgeizigen Ansatz, die wirtschaftliche<br />
Entwicklung der AKP-Partnerländer<br />
voranzutreiben, zumal die 20-jährige Laufzeit des<br />
Abkommens beiden Partnern langfristige Planungssicherheit<br />
gibt. Auch die Flexibilisierung der Programmierung<br />
(z. B. Abhängigkeit der Mittelzuweisung<br />
vom Erreichen bestimmter Vorgaben) stellt ein<br />
wichtiges Element der Effektivierung dar.<br />
Die Entwicklungszusammenarbeit zwischen den<br />
Partnern ist jedoch nicht leichter geworden, im Gegenteil:<br />
Die Komplexität der Entwicklungsaufgaben<br />
stellt erhöhte Anforderungen an die Akteure beider<br />
Seiten. Viele Fragen bleiben offen:<br />
– Sind in der Mehrzahl der AKP-Länder überhaupt<br />
die erforderlichen Kapazitäten für die Umsetzung<br />
der gesteckten Ziele vorhanden bzw. lassen sich diese<br />
in dem gesetzten Zeitrahmen entwickeln? Das gilt<br />
insbes. für die Etablierung von regionalen Wirtschaftspartnerschaften,<br />
für die entweder keine oder<br />
nur partielle Ansätze vorhanden sind.<br />
– Reichen die im Vertragswerk vereinbarten Fristen/Übergangsfristen<br />
für die Realisierung von Wirtschaftspartnerschaften<br />
aus bzw. werden die im Ab-
kommen eingebauten Revisionsmöglichkeiten für<br />
die Verlängerung dieser Fristen genutzt?<br />
– Ist die EU zum Abbau von Handelsbarrieren für<br />
sensible Agrarimporte aus AKP-Ländern im für die<br />
Entwicklung dieser Länder erforderlichen Umfang<br />
und Zeitrahmen bereit?<br />
– Ist die EU angesichts zunehmender finanzieller<br />
Engpässe bereit bzw. in der Lage, das Finanzvolumen<br />
des 9. EEF (13,5 Mrd. Euro für den Zeitraum<br />
2000–2005)realauchfürden10.bis12.EEF(2006–<br />
2020) zur Verfügung zu stellen? Die AKP-Staaten<br />
befürchten ohnehin, dass die Erweiterung der Europäischen<br />
Union auf 25 bzw. 27 Mitglieder zu einer<br />
Umlenkungfinanzieller RessourcenderUnionindie<br />
schwächsten Beitrittsländer führen könnte, zum<br />
Nachteil der AKP-Staaten.<br />
BeideSeitensolltensichdarüberimKlarensein,dass<br />
das Cotonou-Abkommen ehrgeizige Ziele gesetzt<br />
hat, deren Realisierung enorme Anstrengungen, insbes.<br />
die Entwicklung intelligenter Lösungsstrategien,<br />
erfordert, die geeignet sind, auf breiter Ebene<br />
Kräfte zu mobilisieren, die die Armut schrittweise<br />
überwinden und eine eigenständige integrative EntwicklunginGangzusetzen.<br />
K. E.<br />
Literatur:<br />
BMZ: Elfter Bericht zur Entwicklungspolitik der<br />
Bundesregierung. Materialien Nr. 111. Bonn 2001<br />
Dass.: Das Abkommen von Cotonou – Neue Wege in der<br />
AKP-EU-Partnerschaft. Materialien Nr. 118, Bonn 2002<br />
Brüne, St.: Die Konvention von Cotonou. In: Nord-Süd<br />
aktuell, 2/2001, S.338 – 343<br />
Ders.: Europas Außenbeziehungen und die AKP-Staaten. Das<br />
Abkommen von Cotonou. Eine erste Zwischenbilanz.<br />
In: Nord-Süd aktuell, 2/2002 S. 201 – 214<br />
Coudenhove-Kalergi, Richard Nicolas Graf (1894<br />
bis 1972), österreichischer (politischer) SchriftstellerundProfessorfürGeschichte.GiltalsUrheberdes<br />
modernen Europagedankens. Er gründete 1923 die<br />
�Paneuropa-Bewegung und legte deren Programm<br />
undZieleinseinemWerk„Paneuropa“fest.Coudenhove<br />
publizierte 1934 das Buch „Europa erwacht“<br />
und 1938 „Kommen die Vereinigten Staaten von Eu-<br />
CREST<br />
ropa?“ (darin die Forderung: „freiwilliger Zusammenschluss<br />
Europas zu einem Staatenbund freier<br />
und gleichberechtigter Völker“). 1938 gelangte er<br />
über die Schweiz ins amerikanische Exil. Aus jener<br />
Zeit stammt seine Begegnung mit Otto von Habsburg.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg (1946) kehrte<br />
Coudenhove nach Europa zurück. Churchill beriet<br />
mit ihm seine berühmte Züricher Rede zur Gründung<br />
der „Vereinigten Staaten von Europa“.<br />
Coudenhovewar1950ersterTrägerdesKarlspreises<br />
der Stadt Aachen. 1952 wurde er Ehrenpräsident der<br />
Paneuropa-Bewegung, trat jedoch 1965 aus, da sie<br />
die Europakonzeption de �Gaulles („Europa der Vaterländer“)ablehnte.<br />
W. M.<br />
CPMR (Conference of Peripheral Maritime Regions<br />
ofEurope),1973inSaint-Malo aufInitiativederBretagne<br />
gegründet im Zusammenhang mit den Beitritten<br />
von Großbritannien, Irland und Dänemark. Mitglieder<br />
sind heute 149 periphere und maritime Regionen<br />
(Küstenregionen) in 27 Ländern Europas.<br />
Die CPMR teilt sich in 6 geographische Kommissionen:<br />
Atlantischer Bogen, Balkan und Schwarzes<br />
Meer, Inseln, Mittelmeer, Nordsee, Ostsee.<br />
Anschrift: 6, Rue Saint-Martin, F–35700 Rennes<br />
Internet: www.cpmr.org<br />
CRAFT (Cooperative Research Action for Technology).<br />
Förderprogramm im Rahmen des 6. Forschungsrahmenprogramms<br />
der EU für kleine und<br />
mittlere Unternehmen (�KMU) mit geringer Forschungskapazität.<br />
CRAFT ermöglicht ihnen die<br />
(grenzüberschreitende) Kooperation mit Forschungseinrichtungen,<br />
Universitäten sowie anderen<br />
Unternehmen, insbes. zur Entwicklung umweltfreundlicher<br />
Technologien. Laufzeit des aktuellen<br />
Programms:2002bis2006.Budget295Mio.Euro.<br />
CREST (Comité de la Recherche Scientifique et<br />
Technique). �Ausschuss für wissenschaftliche und<br />
technologische Forschung<br />
143
Dahrendorf-Memorandum<br />
Dahrendorf-Memorandum. Memorandum der<br />
Europäischen Kommission von 1973 zur Rolle der<br />
Bildung in entwickelten Industriegesellschaften,<br />
entstanden unter Federführung des deutschen Bildungspolitikers<br />
Ralf Dahrendorf, 1970 – 1974 Mitglied<br />
der Kommission. �Bildungspolitik Ziff. 3<br />
Dankert, Pieter (1934 – 2003), niederländischer Politiker.<br />
1969 – 1980 Leiter des Auswärtigen Ausschusses<br />
in der Zweiten Kammer des niederländischen<br />
Parlaments. 1971 Mitglied der Beratenden<br />
Versammlung des �Europarats. 1977–1989 Mitglied<br />
des Europäischen Parlaments, 1982– 1984 dessen<br />
Präsident.<br />
DANTE (Delivery of Advanced Network Technology<br />
to Europe), 1993 von elf nationalen Forschungsund<br />
Bildungsnetzen (aus Deutschland: Deutsches<br />
Forschungsnetz DFN) in Cambridge (St. John’s College)<br />
gegründete europäische Non-Profit-Gesellschaft.<br />
Zweck der Gesellschaft ist die Planung, der<br />
Aufbau und der Betrieb eines europaweiten Forschungs-Netzes<br />
von Hochleistungsrechnern. Ergebnis<br />
waren mehrere aufeinanderfolgende Generationen<br />
von Netzwerken: EuropaNET (1993 – 97),<br />
TEN-34 (1997 – 98, Übertragungsgeschwindigkeit<br />
34 Mb pro Sekunde), TEN-155 (1998 – 2001, 155<br />
Mbps) und �GÉANT (2001 – 04, bis 10 Gbps). Die<br />
Entwicklung der 7. Generation GÉANT2 startete am<br />
1. 9. 2004 und ist auf vier Jahre angelegt. 34 Länder<br />
sind durch 30 nationale Forschungs- und Bildungsnetze<br />
angeschlossen. DANTE organisiert auch das<br />
Projekt �ALICE. DANTE wird von der Europäischen<br />
Kommission und ihren Forschungsrahmenprogrammen<br />
gefördert.<br />
DAPHNE II ist ein EU-Finanzierungsprogramm, das<br />
Gemeinschaftsprojekte von �Nichtregierungsorganisationen<br />
aus mehreren Staaten im Kampf gegen<br />
jede Form von Gewalt gegen Frauen, Kinder und Jugendliche<br />
(sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt,<br />
Schikane in Schulen, Menschenhandel, Gewalt gegen<br />
Minderheiten) mitfinanziert. Laufzeit von Mai<br />
2004bisEndeDezember2008.Budget50Mio.Euro.<br />
144<br />
D<br />
Daseinsvorsorge �Kommunalpolitik Ziff. 6<br />
Dassonville-Formel. Mit dem Urteil vom 11. 7.<br />
1974 (Rs. 8/74; Slg. 1974, 837) setzte der EuGH den<br />
ersten Meilenstein auf dem Weg zum �freien Warenverkehr.<br />
Hier prägte er die Formel, dass eine dem<br />
Mitgliedstaat grundsätzlich verbotene „Maßnahme<br />
gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung<br />
i. S. d. Art. 30 EG“ jede Regelung sei, die<br />
geeignet erscheine, „den innergemeinschaftlichen<br />
Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder<br />
potenziell zu behindern“. Damit wollte der EuGH<br />
grundsätzlich alle denkbaren Handelsbeschränkungen<br />
erfassen bzw. verhindern und so den Binnenmarktdurchsetzen.Im�Cassis-de-Dijon-Urteilsetzte<br />
er den zweiten Meilenstein und führte aus, dass<br />
„alle Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig<br />
hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind,<br />
grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten eingeführt<br />
und vertrieben werden dürfen, es sei denn, dass höherwertige<br />
Interessen der Allgemeinheit dem im<br />
Einzelfall entgegenstehen“. Damit schrieb der<br />
EuGH das �Prinzip der gegenseitigen Anerkennung<br />
im europäischen Warenverkehr fest und erübrigte so<br />
in vielen Bereichen eine langwierige Rechtsangleichung.<br />
Erst die „Novemberrevolution“ des �Keck-Urteils<br />
hat die weite Dassonville-Formel teilweise zurückgenommen:<br />
staatliche Beschränkungen im Sinne<br />
von„Verkaufsmodalitäten“(Arbeitszeitregelungen,<br />
Öffnungszeiten ...) seien von vornherein keine<br />
„Maßnahmen gleicher Wirkung i. S. d. Art. 30 EG“,<br />
d. h. grundsätzlich erlaubt, wenn sie diskriminierungsfrei<br />
für heimische und eingeführte Waren gelten<br />
würden und auch tatsächlich nicht zum Schutz<br />
der heimischen Produktion, d. h. der Abschottung<br />
nationaler Märkte, führten. Die genaue Abgrenzung<br />
von (erlaubten) vertriebsbezogenen Verkaufsmodalitäten<br />
zu (verbotenen) produktbezogenen Regelungen<br />
erweist sich im Einzelfall allerdings als außerordentlichschwierig.<br />
J. M. B.<br />
Datenbanken der EU. Die Kommission und das<br />
�Amt für Veröffentlichungen haben zahlreiche Da-
tenbanken eingerichtet, von denen die meisten seit<br />
Mitte 2004 allgemein und kostenfrei zugänglich<br />
sind. Hier eine Auswahl nach Themen und Politikbereichen.<br />
Einen Überblick über die Gesetzgebung in allen Tätigkeitsbereichen<br />
der EU bietet �Scadplus (http://europa.eu.int/scadplus).<br />
Listen von Ansprechpartnern findet man unter<br />
�CONECCS (Organisationen der Zivilgesellschaft,<br />
http://europa.eu.int/comm/civil_society/coneccs)<br />
und �IDEA (Suche in den Organen und Institutionen<br />
der EU, http://europa.eu.int/idea).<br />
Archive bieten ARCHISplus (Historisches Archiv<br />
mit allem, was nach der 30-Jahre-Frist freigegeben<br />
ist, http.//europa.eu.int/historical_archives) und das<br />
Historische Archiv der EU beim �Europäischen<br />
Hochschul-Institut(EHI)inFlorenz(historischeDokumentederEU-Organe,www.iue.it/ECArchives).<br />
Zu Außenbeziehungen (EPZ, GASP, Entwicklungspolitik)<br />
gibt es eine Volltext-Datensammlung aller<br />
Dokumente seit 1985 in der Akademie für EuropäischesRechtamEHIinFlorenz(www.iue.it/EFPB).<br />
Bibliographische Dokumentationen bieten ECLAS<br />
(Katalog der Zentralbibliothek der Kommission,<br />
http://europa.eu.int/eclas), Euristote (Forschungsarbeiten<br />
zur europäischen Integration, http://europa.eu.int/comm/dg10/university/euristote),<br />
das Robert-Schuman-Zentrum<br />
am EHI (www.iue.it/<br />
RSCAS) und die VET-Bibliothek der �CEDEFOP<br />
(Berufsbildung, http://libserver.ceefop.eu.int).<br />
Zur Forschung gibt es Datenbanken unter �CORDIS<br />
(Forschungs- und Entwicklungsinformationen,<br />
www.cordis.lu).<br />
ImBereichIndustriebietetTRISInformationenüber<br />
nationale technische Vorschriften (http://europa.eu.int/comm/enterprise/tris),<br />
Informationen über<br />
Chemikalien (Rechtsakte, Substanzen) gibt es unter<br />
Légichim oder ComLégi (Zugang über die Website<br />
derKommissionDG3),Informationenübererneuerbare<br />
Energien unter AGORES (www.agores.org).<br />
Landwirtschaftliche Daten findet man unter INLB,<br />
dem Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen<br />
(http://europa.eu.int/comm/agriuculture/<br />
rica/dwh/index_en.cfm).<br />
Zum Recht bieten folgende Datenbanken Informationen:<br />
CURIA (neueste Rechtsprechung, http://curia.eu.int/de/coopju/apercu_reflets/lang),<br />
�EUR-<br />
Lex (der Zugang zum EU-Recht, http://europa.<br />
eu.int/eur-lex), �PRELEX (Daten über die einzelnen<br />
Datenschutz<br />
EtappendesgemeinschaftlichenGesetzgebungsprozesses,<br />
http://europa.eu.int/prelex/apcnet.cfm).<br />
Dokumente der Organe: Parlament (Daten zum<br />
Rechtsetzungsverfahren) unter OEIL (www..europarl.eu.int/oeil),<br />
Ratsdokumente unter REGISTER<br />
(http://ue.eu.int/docCenter.aps), Kommissionsdokumente<br />
unter http://europa.eu.int/comm/ secretariat_general/<br />
regdoc/recherche.cfm.<br />
Informationen über öffentliche Aufträge sind in den<br />
Datenbanken �SIMAP (http://simap.eu.int) und<br />
�TED (http://ted.publications.eu.int) zu finden.<br />
Über Regionalpolitik (regionale Entwicklungsprogramme)<br />
informiert, getrennt nach Staaten, Regionen,<br />
Programmen und Themen, die Datenbank<br />
INFOREGIO. (http://europa.eu.int/comm/regional<br />
_policy/ns_de.htm)<br />
Zur Wirtschafts- und Währungsunion gibt es eine<br />
Datenbank mit den Übersetzungen aller gängigen<br />
BegriffeinalleAmtssprachenderEUunterhttp://europa.eu.int/comm/translation/euro/euenfram.htm.<br />
Den Index der Klassifikation der internationalen<br />
Statistik bietet RAMON (http://europa.eu.int/<br />
comm/eurostat/ramon).<br />
Datenschutz<br />
1. Begriff und Entwicklung: Der Datenschutz als Regelung<br />
zum Schutz personenbezogener Daten bei jeder<br />
Art von Sammlung und Verarbeitung, sei es automatisiert<br />
oder manuell in einer Datei, ist seit 1990<br />
BestandteilderPolitikderEG,alsdieKommissionin<br />
Form einer „Mitteilung“ ein Paket von Maßnahmen<br />
zum Datenschutz vorlegte. Im Jahre 1995 führte diese<br />
Initiative zur Richtlinie 95/46 (ABl. L 281/1995),<br />
die in diesem Bereich eine Angleichung der nationalen<br />
Rechtsvorschriften zum Gegenstand hat.<br />
Diese Richtlinie betrifft jede Art von Verwendung<br />
personenbezogener Daten und hat damit einen umfassenderen<br />
Anwendungsbereich als das deutsche<br />
Bundesdatenschutzgesetz. Andererseits nimmt sie<br />
die Bereiche der öffentlichen Sicherheit, der Landesverteidigung,<br />
der Sicherheit des Staates und dessen<br />
Tätigkeit im Bereich des Strafrechts aus.<br />
Die Richtlinie stellt die Grundsätze auf, dass die Verwendung<br />
von Daten an einen zuvor festgelegten<br />
Zweck gebunden sein muss, auf den sich die Einwilligung<br />
des Betroffenen beziehen muss. Fällt der<br />
Zweck weg, sind auch die Daten zu löschen. Fehlt es<br />
an einer Einwilligung des Betroffenen, können dessenDatennurzubestimmtenüberragendenZwecken<br />
145
Davignon<br />
verwendet werden, wenn sie im Interesse einer anderen<br />
Person erforderlich sind und nicht die Interessen<br />
des Betroffenen überwiegen. Dabei sind die Einzelheiten<br />
von den Mitgliedstaaten festzulegen.<br />
So wurde bspw. im deutschen Datenschutzrecht eine<br />
neue Kategorie von Daten geschaffen, die sog. besonders<br />
sensiblen Daten, die grundsätzlich nicht verarbeitetwerdendürfen.Sondervorschriftenbestehen<br />
für den Bereich der Presse. Der Betroffene erhält ein<br />
Recht auf Unterrichtung über die ihn betreffenden<br />
Daten, die verwendet werden, er kann der Verwendung<br />
unter bestimmten Voraussetzungen widersprechen,<br />
z. B. für Werbungszwecke. Letztendlich kann<br />
er bei rechtswidriger Verwendung den Rechtsweg<br />
beschreiten und Schadenersatz geltend machen.<br />
Wenn Drittländer kein angemessenes Datenschutzniveau<br />
bieten, verbietet die Richtlinie die ÜbermittlungvonDatendorthin.Außerdemwerdengeeignete<br />
technischeundorganisatorischeMaßnahmenfürden<br />
Datenschutz gefordert. Aufgrund dieser Richtlinie<br />
wurde eine Datenschutzgruppe eingesetzt, die u. a.<br />
die Aufgaben hat, die einheitliche Anwendung des<br />
Datenschutzes in allen Mitgliedstaaten durch die Zusammenarbeit<br />
der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz<br />
zu fördern, die Kommission zu beraten und<br />
gegenüber der Allgemeinheit und insbes. gegenüber<br />
den Organen der Gemeinschaft Empfehlungen zum<br />
Datenschutz zu geben. In einer Mitteilung aus dem<br />
Jahre 2005 stellt die EU-Kommission fest, dass die<br />
Hauptziele der Richtlinie, der Schutz der Bürger und<br />
die Erleichterung des Datenaustausches in der EU,<br />
erreicht seien, wenngleich nur vier Mitgliedstaaten<br />
innerhalbderFristdieRichtlinieumgesetzthatten.<br />
Inzwischen hat sich auch der Europäische Gerichtshof<br />
in mehreren Fällen mit der Auslegung und Anwendung<br />
dieser Richtlinie beschäftigen müssen und<br />
u. a. festgestellt, dass jemand, der persönliche Daten<br />
aufeineraufeinenbegrenztenKreiszugeschnittenen<br />
Homepage in das Internet stellt, diese damit nicht „in<br />
ein Drittland übermittelt“. Andererseits stellte er<br />
klar, dass es den Mitgliedstaaten freigestellt ist, Bereiche,<br />
die die Richtlinie nicht anspricht, selbst zu regeln<br />
(EuGH, Urt. v. 6. 11. 2003 – Rs. 101/01 – Lindquist).<br />
Diese Richtlinie wird ergänzt durch eine Richtlinie<br />
von 1997 über den Datenschutz im Bereich der Telekommunikation<br />
(97/66, ABl. L 24/1998). Sie nimmt<br />
auf die besonderen Erfordernisse Bezug. Wichtig ist<br />
hier neben Bestimmungen über die Sicherheit der<br />
146<br />
Datennetze und dem Schutz natürlicher und juristischer<br />
Personen vor allem der Grundsatz der Vertraulichkeit<br />
der Kommunikation, die sich in einem<br />
grundsätzlichen Verbot des Abhörens, Mithörens<br />
und Speicherns ausdrückt, die nur unter bestimmten<br />
Bedingungen erlaubt sind. Die Richtlinie wurde<br />
durch eine neue Richtlinie 2002/58 (ABl. L 201/<br />
2002) an die Entwicklung der elektronischen Kommunikation<br />
angepasst.<br />
Eine Verordnung aus dem Jahre 2001 regelt die Anwendung<br />
der Datenschutzbestimmungen auf die Arbeit<br />
der Institutionen der Europäischen Union, insbes.<br />
die Rechte der Betroffenen gegenüber den<br />
EU-Einrichtungen (VO 45/2001, ABl. L 8/2001).<br />
Zur Überwachung der Einhaltung der europäischen<br />
Datenschutzbestimmungen hat die EU gem. Art. 286<br />
Abs. 2 EGV im Jahre 2003 einen Europäischen Datenschutzbeauftragten<br />
mit Sitz in Brüssel ernannt<br />
(Internet: www.edps.eu.int). Der Status und die allgemeinen<br />
Arbeitsbedingungen des Amtes sind im<br />
Beschluss1247/2002(ABl.L183/2002)festgelegt.<br />
Auch im Rahmen der Arbeit von �Europol, �Eurojust<br />
und bei dem �Schengen-Informations-System<br />
(SIS), alles Bereiche, in denen mit besonders sensiblen<br />
personenbezogenen Daten gearbeitet wird, sind<br />
umfangreiche Datenschutzbestimmungen zu beachten,<br />
die in den betreffenden Verordnungen ausgeführt<br />
sind. Wichtig sind hier Informationspflichten<br />
gegenüber den Betroffenen und Rechtsmittelmöglichkeiten<br />
gegen die Aufnahme unrichtiger Daten.<br />
2. Gegenwärtige Lage: Die Datenschutzrichtlinien<br />
deckeneinengroßenTeildesDatenschutzesab,ohne<br />
dessenVereinheitlichungHemmnisseimgrenzüberschreitenden<br />
Handelsverkehr entstehen könnten.<br />
Dass die EU den Datenschutz auch in der eigenen Arbeit<br />
ernst nimmt, zeigen die ausführlichen Datenschutzbestimmungen<br />
selbst und besonders im sensiblen<br />
Bereich der Koordinierung von Straf- und Ermittlungsverfahren.<br />
Und die Einsetzung eines Europäischen<br />
Datenschutzbeauftragten sowie der Datenschutzgruppe<br />
stellt auch personell eine stetige ÜberwachungdesDatenschutzessicher.<br />
M. K.<br />
Postanschrift des Europäischen Datenschutzbeauftragten:<br />
Rue Wirtz, 60, B–1047 Brüssel<br />
Literatur:<br />
DiMartino, A.: Datenschutz im europäischen Recht.<br />
Baden-Baden 2005<br />
Davignon, Etienne (geb. 1932), belgischer Politiker.<br />
Ab 1964 Kabinettschef im Außenministerium,
ab 1969 Generaldirektor für politische Angelegenheiten.<br />
1977 – 1985 Mitglied der Kommission. Unter<br />
seinem Vorsitz erarbeiteten die politischen Abteilungen<br />
der Außenministerien der EG-Länder im Jahre<br />
1970 Grundsätze und Verfahren einer gemeinsamen<br />
Außenpolitik im Rahmen der �Europäischen<br />
Politischen Zusammenarbeit (�Luxemburger Bericht).<br />
Davignon-Bericht �Luxemburger Bericht<br />
Defizitverfahren der Kommission und des Rates<br />
gegen Mitgliedstaaten �Stabilitäts- und Wachstumspakt<br />
Ziff. 4 u. 5<br />
De Gasperi, Alcide (1881–1954), italienischer Ministerpräsident<br />
(1945 – 1953) und Außenminister<br />
(1944 – 1946, 1951 – 1953). 1954 Präsident der Gemeinsamen<br />
Versammlung der EGKS (später: Europäisches<br />
Parlament). Zählt neben �Adenauer und<br />
�Schuman zu den stärksten Befürwortern einer wirtschaftlichen<br />
und politischen Integration Europas.<br />
Deklaration von Barcelona �Mittelmeerpolitik<br />
Delegationen sind von der Europäischen Kommission<br />
eingerichtete und ihr unterstehende Vertretungen<br />
in 123 Drittstaaten und bei 5 internationalen Organisationen<br />
(FAO, OECD, OSZE, UN, WTO) mit<br />
rd. 5 000 Mitarbeitern (Stand Anfang 2005). De jure<br />
sind Delegationen keine Botschaften, werden aber<br />
de facto von den Ländern, in denen sie akkreditiert<br />
sind, als solche behandelt. Sie genießen die entsprechenden<br />
Vorrechte und Befreiungen (�Gesandtschaftsrecht).<br />
Ihre Aufgaben sind es, im Gastland die<br />
Politik der EU zu repräsentieren und die Interessen<br />
der EU zu vertreten, die Politik und Entwicklung des<br />
Gastlandes zu analysieren und der Kommission darüber<br />
zu berichten sowie Verhandlungen im Rahmen<br />
eines vom Rat erteilten Mandats zu führen. Außerdem<br />
erfüllen sie Aufgaben im Rahmen der Europäischen<br />
�Entwicklungspolitik und der �Humanitären<br />
Hilfe. Seit dem �Maastrichter Vertrag sind sie auch<br />
in die �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP) eingebunden. Sie stimmen sich mit den diplomatischen<br />
und konsularischen Vertretungen von<br />
Mitgliedstaaten der EU ab, „um die Einhaltung und<br />
Umsetzung der vom Rat angenommenen gemeinsamen<br />
Standpunkte und gemeinsamen Aktionen zu ge-<br />
Delors-Pakete<br />
währleisten“ (Art. 20 EUV). Wenn der Verfassungsvertrag<br />
in Kraft tritt, werden sie Teil des �Europäischen<br />
Auswärtigen Dienstes sein.<br />
Delors, Jacques (geb. 1925), französischer Wirtschafts-<br />
und Finanz- (1981 – 1984) sowie Budgetminister(1983–1984).1979–1981PräsidentderWirtschafts-<br />
und Währungskommission der EG, 1985 –<br />
1994 Präsident der Kommission der EG/EU (2. Wiederwahl<br />
1992). Brachte den europäischen Integrationsprozess<br />
entscheidend voran, u. a. durch sein<br />
EintretenfürdieWeiterentwicklungderEUimSinne<br />
einer möglichst engen Föderation der Nationen, in<br />
der die Verlagerung von nationaler Souveränität und<br />
ihre Grenzen genau definiert werden können, seine<br />
Vorschläge zur Schaffung der �Wirtschafts- und<br />
Währungsunion (�Delors-Bericht) sowie durch seine<br />
Reformvorschläge (�Delors-I-Paket, �Delors-<br />
II-Paket).<br />
Delors-Bericht.Am12.4.1989vorgelegterBericht<br />
des 1988 eingesetzten Ausschusses der Zentralbankpräsidenten<br />
der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung<br />
der �Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) unter<br />
Leitung des Kommissionspräsidenten Jacques<br />
Delors.DerBerichtempfahleinenDrei-Stufen-Plan.<br />
Der Europäische Rat beschloss am 26./27. 6. 1989 in<br />
Madrid die Einführung der WWU entsprechend den<br />
Vorschlägen des Delors-Berichts.<br />
Delors-Bericht (Unesco). 1997 in Deutsch erschienener<br />
Bericht „Lernfähigkeit. Unser verborgener<br />
Reichtum“ der von der UNESCO eingesetzten Internationalen<br />
Kommission „Bildung für das 21. Jahrhundert“<br />
unter Leitung des ehemaligen Kommissionspräsidenten<br />
Jacques Delors.<br />
Delors-Pakete. Zwei von der Kommission unter<br />
Leitung ihres damaligen Präsidenten Jacques Delors<br />
vorgelegte Empfehlungen zum Haushalt der EU.<br />
Das erste „Paket“ (Delors-I-Paket) von 1987 enthielt<br />
Reformvorschläge zum Finanzsystem der Gemeinschaft,<br />
zur Begrenzung der Agrarausgaben, zur Aufstockung<br />
der Strukturfonds und zu neuen Regeln der<br />
Haushaltsführung. Die Vorschläge wurden GrundlagederBeschlüssedesEuropäischenRatsvomFebruar<br />
1988 in Brüssel und wichtige Voraussetzung für<br />
die Umsetzung des Binnenmarktprogramms.<br />
Das zweite „Paket“ (Delors-II-Paket) von 1992 (vor-<br />
147
De-minimis-Beihilfe<br />
gelegt nach Unterzeichnung des �Maastrichter Vertrages)<br />
enthielt Empfehlungen zur mittelfristigen Finanzplanung<br />
(1992 – 1997) mit dem Ziel, den Haushalt<br />
der EU zu erhöhen, um die in Maastricht beschlossenen<br />
Maßnahmen finanzieren zu können. Sie<br />
wurden Grundlage der Beschlüsse des Europäischen<br />
Rats vom Dezember 1992 in Edinburgh für einen<br />
neuen, 1994 verabschiedeten �Eigenmittelbeschluss.<br />
De-minimis-Beihilfe. Nach Art. 87 Abs. 1 EGV<br />
sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte<br />
Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.<br />
Die Mitgliedstaaten müssen deshalb die Einführung<br />
oder Umgestaltung von Beihilfen der Kommission<br />
zur Prüfung mitteilen (Art. 88 Abs. 3 EGV). Die<br />
Verordnung 994/98 (ABl. L 142/1998) ermächtigt<br />
jedoch die Kommission, mittels Verordnung einen<br />
Schwellenwert festzulegen, bis zu dem Beihilfen<br />
nicht die Tatbestandsmerkmale des Art. 87 Abs. 1<br />
EGV erfüllen und entsprechend nicht gemeldet werden<br />
müssen. Beihilfen bis zu diesem Schwellenwert<br />
werden De-minimis-Beihilfen genannt. So legt<br />
bspw.dieVerordnung1860/2004(ABl.L325/2004)<br />
für den Agrar- und Fischereisektor einen Höchstbetrag<br />
für De-minimis-Beihilfen von 3000 Euro je<br />
Empfänger für einen Zeitraum von 3 Jahren fest, wobei<br />
der Gesamtbetrag solcher Beihilfen 0,3 % des<br />
jährlichen Produktionswertes der Fischwirtschaft<br />
des Mitgliedstaates nicht überschreiten darf.<br />
Demokratiedefizit. Eines der in den letzten Jahren<br />
meistdiskutierten Problemfelder der Europäischen<br />
Union ist zweifelsohne das sog. „demokratische Defizit“.Polemischheißtesgern,dieUnionseisoundemokratisch,<br />
dass sie sich selbst nicht beitreten könnte.<br />
Die Mitgliedstaaten haben im Rahmen der letzten<br />
Vertragsrevisionen auf diese Kritik reagiert. Zwischenzeitlich<br />
versucht die – durch das Notstandsverfahren<br />
des Art. 7 EUV sanktionsbewehrte – Festschreibung<br />
der freiheitlich demokratischen Grundordnung<br />
in Art. 6 Abs. 1 EUV Abhilfe zu schaffen.<br />
Der problematische Kern des Demokratiedefizits,<br />
d. h. die starke Stellung des Rats bzw. der Fakt, dass<br />
hierüberwiegendMitgliederdernationalenExekutive<br />
Recht erlassen, sowie die demgegenüber vergleichsweise<br />
schwächere Stellung des Europäischen<br />
Parlaments wird hierdurch selbstredend nicht modifiziert.<br />
Hieran ändert auch der Verfassungsvertrag<br />
148<br />
2004, der allerdings die Stellung des Parlaments erneut<br />
stärkt, strukturell nichts Wesentliches.<br />
Auf Unionsebene muss grundsätzlich dasselbe Verständnis<br />
der liberalen, pluralen und sozialen Demokratie<br />
wie innerhalb der Mitgliedstaaten deutlich<br />
werden,nachdemdiesederEUwesentlicheBestandteile<br />
ihrer bisherigen staatlichen Befugnisse anvertraut<br />
haben. Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen,<br />
dass der Europäische Integrationsverbund kein Bundesstaat<br />
ist und deshalb auch nur eine „strukturangepasste<br />
Grundsatzkongruenz“ bzw. eine „strukturelle<br />
Homogenität“ verlangt werden kann. Zu Recht wird<br />
zudem darauf hingewiesen, dass eine noch stärkere<br />
Parlamentarisierung der EU-Rechtsetzung leicht in<br />
ein Spannungsfeld zum Subsidiaritätsgrundsatz gelangenkönnte.DenndieEuropa-Abgeordnetenüben<br />
keinerlei nationale Hoheitsgewalt aus und sind von<br />
jeglicher staatsrechtlichen Bindung frei. Je stärker<br />
die programmatische Verbundenheit über nationale<br />
Grenzen hinaus in den Gruppierungen des Europäischen<br />
Parlamentes wächst, desto stärker werden unitarisierende<br />
Tendenzen. Es ist bezeichnend, dass die<br />
Rücknahme von Regelungsvorhaben durch die<br />
Kommission im Dienste der �Subsidiarität gerade<br />
beim Europäischen Parlament immer wieder auf Beanstandungen<br />
stößt.<br />
Trotz bloßer „struktureller Homogenitätserfordernisse“<br />
ist jedoch festzuhalten, dass auch im Rahmen<br />
der Union desto mehr „Demokratiedichte“ entstehen<br />
muss, je mehr legislative Macht auf sie übergeht. Je<br />
stärker durch die Rechtsetzungstätigkeit des Rates<br />
die nationalen Parlamente „entmachtet“ werden,<br />
desto wichtiger wird es, dass die Unionsbürger stärkeren<br />
Einfluss auf den europäischen Rechtsetzungsprozess<br />
erhalten. Hierzu gibt es einen europäischen<br />
undeinennationalenWeg:Zumeinenkönnenimmer<br />
weitere Legislativkompetenzen auf das Europäische<br />
Parlament übertragen werden. Eine solche Stärkung<br />
des Parlaments wird von diesem seit Jahrzehnten<br />
lautstark gefordert, von den Staats- und Regierungschefs<br />
der Mitgliedstaaten aber nur zögerlich zugestanden.<br />
Insbesondere durch die Novellierungen des<br />
Kodezisionsverfahrens in Art. 251 EGV und die<br />
Ausdehnung dieses Verfahrens auf im Wesentlichen<br />
alle Politikfelder, die die Unionsbürger direkt betreffen,wurdezuletztmitdenVerträgenvonAmsterdam<br />
und Nizza ein beachtlicher Schritt in Richtung von<br />
mehr „Demokratiedichte“ in der EU gemacht. Von<br />
einem „gleichstarken“ Organ Parlament gegenüber
einem „entmachteten“ Rat kann aber noch nicht die<br />
Rede sein.<br />
Dieslegtesnahe,daseuropäischeDemokratiedefizit<br />
auf dem nationalen Weg abzubauen. Können doch<br />
Defizite in der europäischen Legitimationsstruktur<br />
demokratietheoretisch auch ohne Weiteres durch<br />
eine entsprechende Verstärkung der nationalen Legitimation<br />
kompensiert werden (und umgekehrt).<br />
Praktisch könnten in diesem Sinne etwa die Regierungsvertreter<br />
im Rat stärker an die einzelstaatlichen<br />
Parlamente angebunden werden. Bildlich gesprochen<br />
haben die nationalen Parlamente durchaus verschiedene<br />
Möglichkeiten, ihre Ratsmitglieder etwa<br />
durch „peinliche Befragungen“ vor und nach einer<br />
Ratssitzung „an die kurze Leine“ zu legen. Durch<br />
solcheMaßnahmenwärendieRatsmitgliederstärker<br />
an die unmittelbar demokratisch legitimierten nationalen<br />
Abgeordneten rückgekoppelt, was allerdings<br />
wiederum die Kompromissmöglichkeiten im Rat in<br />
der Praxis erheblich einschränken dürfte. Solang die<br />
Verwirklichung der Ziele der Verträge hierdurch<br />
nicht gefährdet ist, wäre dies europarechtlich dennoch<br />
nicht zu beanstanden.<br />
Überhaupt überrascht es, dass sich die nationalen<br />
Parlamente zwischenzeitlich in so vielen Politikbereichen<br />
durch die EU haben faktisch marginalisieren<br />
lassen, ohne ihren möglichen politischen Einfluss<br />
etwa auf die Ratsmitglieder entsprechend auszubauen.<br />
In den Verträgen sind in diesem Zusammenhang<br />
inzwischen gewisse Hinweise auf ein erstarkendes<br />
Problembewusstsein aufzufinden: Vor Maastricht<br />
(1958 – 1993) sah der damalige EWG-Vertrag keinerlei<br />
Beteiligungsrechte der nationalen Parlamente<br />
vor. Zwar gab es in fast allen Parlamenten Europa-Ausschüsse;<br />
diese hatten aber kaum einen direkteren<br />
EU-Einfluss. In Maastricht (1992/1993) wurden<br />
immerhin in der Schlussakte zwei Erklärungen<br />
zur neuen Rolle der einzelstaatlichen Parlamente<br />
aufgenommen, deren praktische Wirkung allerdings<br />
weitgehend ausblieb. In Amsterdam (1997/1999)<br />
schafften die Nationalparlamente dann den „Sprung<br />
in das Primärrecht“, wenn auch nur in Form eines<br />
EU-Protokolls, das allerdings recht umfassende Informationsrechte<br />
vorsieht und zudem die Konferenz<br />
der Europa-Ausschüsse – COSAC – institutionalisierte.<br />
Hieran wurde im Vertrag von Nizza (2001/<br />
2003) angeknüpft, indem im �„Post-Nizza-Prozess“<br />
ausdrücklich als eine der zu behandelnden Fragen<br />
„dieRolledernationalenParlamenteinderArchitek-<br />
Demokratiedefizit<br />
tur Europas“ herausgestellt wurde. Im Verfassungsvertrag<br />
2004 wird dies umgesetzt: Etwa in Art. I-46<br />
VVE ist davon die Rede, dass die Staats- und Regierungschefs<br />
sowie die Ratsmitglieder „in demokratischer<br />
Weise gegenüber ihrem nationalen Parlament<br />
Rechenschaftablegenmüssen“.Vielleichtwirdhierdurch<br />
mittelfristig das oftmals zu konstatierende allgemeine<br />
Desinteresse (zu) vieler nationaler Parlamentarier<br />
in Sachen EU überwunden.<br />
Im Hinblick auf die viel kritisierten demokratischen<br />
Schwächen der EU ist gewissermaßen zur Verteidigung<br />
des Europäischen Integrationsverbunds weiter<br />
darauf hinzuweisen, dass sich der Vorwurf des EU-<br />
Demokratiedefizits im Vergleich mit ebenfalls vorhandenen<br />
Schwächen einzelstaatlicher Strukturen<br />
durchaus entkräften lässt (vgl. Nass, FAZ vom 29. 3.<br />
1999).DennbeinähererBetrachtunglässtsichdarlegen,<br />
dass alle vier Elemente demokratischer Verfassungen<br />
– Legitimation, Kontrolle und Transparenz<br />
hoheitlicher Macht, Partizipation der Bürger – im<br />
Rahmen der EU doch eigentlich hinreichend verwirklicht<br />
sind.<br />
– Legitimation: Die Mitglieder des Rates gehören als<br />
Minister alle demokratisch legitimierten Regierungen<br />
an. Das Problem des Rates, dass hier Angehörige<br />
der Exekutive legislative Befugnisse ausüben, ist<br />
mithin kein demokratisches im engeren Sinne, sondern<br />
eigentlich ein rechtsstaatliches. Dieser Problematik<br />
kann mit dem Argument begegnet werden,<br />
dass die Trennung zwischen Exekutive und Legislative<br />
in föderalen Strukturen durch Teilhabe der Glieder<br />
an zentralen Entscheidungen in aller Regel verwischt<br />
werden. Auch in der Bundesrepublik sind<br />
über den Bundesrat die Landesregierungen am Gesetzgebungsverfahren<br />
beteiligt. Der graduelle Unterschied,<br />
dass der Bundesrat nicht Hauptlegislativorgan<br />
ist, kann mit dem Unterschied eines Integrationsverbunds<br />
zum Bundesstaat gerechtfertigt werden.<br />
Ergänzend mag argumentiert werden, dass die<br />
GewaltenteilunginFormdesinstitutionellenGleichgewichts<br />
zumindest in Ansätzen existiert.<br />
– Auch die Kommission ist aus demokratietheoretischer<br />
Sicht hinreichend legitimiert. Die Kommissionsmitglieder<br />
kommen nur durch Zustimmung des<br />
Europäischen Parlaments zu ihrem Amt. Zuvor unterziehen<br />
sie sich einem aufwändigen und ins fachliche<br />
Detail gehenden Prüfungsverfahren vor Parlamentsausschüssen.<br />
Wie der Rücktritt der Santer-<br />
Kommission gezeigt hat, kann das Parlament eine<br />
149
Demokratiedefizit<br />
Kommission auf Grund seiner Kontrolle durchaus<br />
auchwieder„ausdemAmtjagen“.Verglichenmiteinem<br />
deutschen Bundesminister ist ein Kommissionsmitglied<br />
wohl sogar demokratisch mehr legitimiert,<br />
zieht man in Erwägung, dass der Deutsche<br />
Bundestag auf die Ernennung der Bundesminister<br />
rechtlich keinerlei Einflussmöglichkeit hat.<br />
– Auch das Europäische Parlament selbst ist hinreichend<br />
demokratisch legitimiert. Zwar rekrutieren<br />
sich seine Mitglieder streng genommen wohl noch<br />
nicht aus einem „Staatsvolk“, und der Grundsatz der<br />
Gleichheit der Wahl ist nicht voll verwirklicht. Gerechtfertigt<br />
werden können diese Umstände zum einen<br />
wiederum mit dem Hinweis auf die Eigentümlichkeiten<br />
eines Integrationsverbundes und zum anderen<br />
mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gleichheit<br />
der Staaten, die die Grundlage der Union bilden.<br />
Kleine Mitgliedstaaten müssen demnach relativ<br />
mehr Abgeordnete stellen als die großen, soll gesichert<br />
werden, dass die großen Mitgliedstaaten die<br />
kleinen nicht majorisieren können. Angesichts der<br />
vielfältigen Mitwirkungsrechte, die dem Europäischen<br />
Parlament nunmehr – gerade in Bereichen, die<br />
den Bürger direkt betreffen – eingeräumt wurden,<br />
kann mithin argumentiert werden, dass die europäischen<br />
Rechtsakte hinreichend demokratisch entstanden<br />
sind.<br />
– Kontrolle hoheitlicher Macht: Insbesondere hinsichtlich<br />
der „Hauptorgane“ Rat, Kommission und<br />
Parlament besteht im Rahmen des institutionellen<br />
Gleichgewichts eine hinreichende gegenseitige<br />
Kontrolle. Allerdings bleibt hierbei das Problem,<br />
dassderRatdurchseinestarkeStellungimInstitutionengefüge<br />
aus dem theoretischen Gleichgewicht ein<br />
faktisches Un-Gleichgewicht macht. Zudem kann<br />
der Rat von Kommission und Parlament weitgehend<br />
nur politisch und vom EuGH nur sehr begrenzt rechtlich<br />
kontrolliert werden. Da die Ratsmitglieder jedoch<br />
alle demokratisch legitimierten Regierungen<br />
angehören und die nationalen Parlamente zudem die<br />
Möglichkeit haben, ihre Ratsmitglieder „an die kurze<br />
Leine zu legen“, kann dies nicht pauschal als „undemokratisch“<br />
eingestuft werden. Nachdem die nationalen<br />
Parlamente ihre Kontrollmöglichkeiten bei<br />
weitem nicht wirklich ausschöpfen, kann die mangelndeKontrolledesRatesaußerdemallenfallszueinem<br />
gewissen Teil der EU angelastet werden.<br />
– Transparenz hoheitlicher Macht: Dass die Sitzungen<br />
des Rates nicht umfassend öffentlich sind (auch<br />
150<br />
gem. Art. I-50 VVE 2004 soll der Rat nur dann öffentlich<br />
tagen, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten<br />
berät oder abstimmt), liegt in der Natur<br />
der Sache. Würde hier durchgängig Öffentlichkeit<br />
gelten, wäre dessen Arbeitsfähigkeit im Zeitalter der<br />
Mediendemokratie mit großer Wahrscheinlichkeit<br />
zumindest partiell in Frage gestellt. Alle echten Diskussionen<br />
wären aus dem Sitzungssaal in die Gänge<br />
und Delegationsräume verbannt, weil es sich ein nationaler<br />
Minister vor laufender Kamera kaum leisten<br />
könnte, als erster etwa Konzessionsbereitschaft zu<br />
signalisieren. Nach Art. 207 Abs. 3 EGV werden seit<br />
dem Amsterdamer Vertrag jedoch – ergänzend zu<br />
sonstigen Transparenzbemühungen – die Abstimmungsergebnisse<br />
sowie die Erklärungen zur Stimmabgabe<br />
und die Protokollerklärungen veröffentlicht,<br />
wennderRatalsLegislativorgantätigwurde.Diesist<br />
vor dem Hintergrund bundesdeutscher Strukturen<br />
ausreichend demokratisch. Auch das Bundeskabinett,<br />
die Bundestags- und Bundesratsausschüsse, die<br />
Fraktionen, die Koalitionsausschüsse, die ParteigremienundsogarderVermittlungsausschusszwischen<br />
BundestagundBundesrattagenunterAusschlussder<br />
Öffentlichkeit, ohne dass dies etwa als „undemokratisch“<br />
gebrandmarkt worden wäre. Man sollte von<br />
der EU nun auch nicht mehr verlangen, als man zu<br />
Hause von seinen eigenen Verfassungsorganen fordert.<br />
– Partizipation der Unionsbürger: Die Verträge von<br />
Maastricht, Amsterdam und Nizza sowie insbes. der<br />
Verfassungsvertrag 2004 sind von den Bemühungen<br />
gekennzeichnet, die Union „bürgernah“ auszubauen.<br />
So wurde zuletzt in den Art. 17 bis 22 EGV die<br />
Unionsbürgerschaft ausgebaut: Jeder Unionsbürger<br />
besitzt heute das aktive und passive Wahlrecht zum<br />
Europäischen Parlament und nach Art. 230 EGV das<br />
Klagerecht zum EuGH bezüglich Rechtsakten, die<br />
ihn unmittelbar und individuell betreffen. Nach<br />
Art. 21 EGV besitzt jeder Unionsbürger das �Petitionsrecht<br />
und kann sich an den �Bürgerbeauftragten<br />
wenden. Jeder Unionsbürger kann sich zudem<br />
schriftlich in seiner Sprache an die europäischen Institutionen<br />
wenden und muss Antwort in derselben<br />
Sprache erhalten. Nach Art. 255 EGV hat jeder<br />
Unionsbürger grundsätzlich das Recht auf Zugang<br />
zu Dokumenten des Parlaments, des Rates und der<br />
Kommission. Durch dieses Bündel an Unionsbürgerrechten,<br />
die der VVE 2004 weiter ausbauen will,<br />
isteinedemokratischePartizipationsichergestellt.
Im Vergleich kann sich die Europäische Union mithin<br />
schon heute durchaus mit den Demokratiesystemen<br />
der Mitgliedstaaten messen. Zudem ist davon<br />
auszugehen, dass im dynamischen Prozess der europäischenIntegrationdereinoderanderenachwievor<br />
unbefriedigende Zustand im Rahmen der nächsten<br />
Vertragsrevisionen weiter abgebaut wird. Wie es das<br />
Bundesverfassungsgericht formuliert hat, werden<br />
die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend<br />
mit der Integration ausgebaut; und auch im<br />
Fortgang der Integration wird in den Mitgliedstaaten<br />
eine lebendige Demokratie erhalten bleiben.<br />
Insoweit könnte man abschließend behaupten, dass<br />
das wahre Problem der EU nicht ihr sog. „Demokratiedefizit“<br />
ist, sondern der fehlende Konsens über die<br />
Finalität, d. h. darüber, wie tief die Europäische Integration<br />
letztlich greifen soll. Solange viele Mitgliedstaaten<br />
vehement auf ihre Souveränität pochen –<br />
etwa Frankreich auf die der Bürgernation, Großbritannien<br />
auf die des Parlaments, etc. – kann es eigentlich<br />
überhaupt keine „echte“ supranationale Demokratie<br />
in Europa geben. Wollen die Mitgliedstaaten<br />
möglichst viel im Bereich der intergouvernementalen<br />
Zusammenarbeit regeln, bedeutet dies im Klartext,<br />
dass Regierungen verhandeln und das Volk<br />
„wenig zu sagen hat“. Aus theoretischer Sicht kann<br />
wohl nur ein echter Bundesstaat wirklich demokratisch<br />
verfasst sein. Der Europäische Integrationsverbund<br />
leidet mithin, was die diesbezügliche Rhetorik<br />
seiner Politiker betrifft, wohl eher an einem „Ehrlichkeitsdefizit“.<br />
J. M. B.<br />
Denkmalschutzpolitik, europäische. Der Schutz<br />
architektonischer Denkmäler gehört, wie der gesamte<br />
kulturelle Bereich, nicht zu den genuinen Aufgaben<br />
und Kompetenzen der Europäischen Union.<br />
Trotzdem hat es in den vergangenen Jahrzehnten in<br />
kleinem Rahmen Fördergelder zur Erhaltung bedeutender<br />
Kulturdenkmäler von europäischer Bedeutung<br />
gegeben. Im Rahmen des Aktionsprogramms<br />
zur Erhaltung des kulturellen Erbes „RAPHAEL“<br />
von 1995 ist eine ähnliche Förderung zur Erhaltung<br />
von Baudenkmälern nicht mehr vorgesehen. Auch<br />
das Programm „Kultur 2000“ sieht dies nicht mehr<br />
vor. Im Rahmen des Programms werden jedoch<br />
Maßnahmen gefördert, die die grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit von Museen und Baudenkmälern<br />
zum Ziel haben oder Baudenkmäler auch Interessenten<br />
aus anderen Ländern besser zugänglich machen<br />
Diäten<br />
sollen (z. B. durch mehrsprachige Tafeln oder Führer).<br />
Im Rahmen des �Europarats wurde ein Übereinkommen<br />
zum Schutz des archäologischen Erbes geschlossen,<br />
das im Wesentlichen eine Bewahrung von<br />
Bodendenkmälern für nachfolgende Generationen<br />
und einen erleichterten Informationsaustausch über<br />
archäologischeDenkmälervorsieht. M.K.<br />
Deutsch-Französisches Jugendwerk �Jugendwerk,<br />
Deutsch-Französisches<br />
Deutsch-Polnisches Jugendwerk �Jugendwerk,<br />
Deutsch-Polnisches<br />
Diäten. Die Abgeordneten im Europäischen Parlament<br />
erhalten ihre Diäten nicht aus dem EU-Haushalt,<br />
sondern aus den Haushalten ihrer jeweiligen<br />
Herkunftsländern und – mit Ausnahme der niederländischen<br />
Europaabgeordneten – je nach den Sätzen,<br />
welche auch für die nationalen Abgeordneten<br />
gelten. So bekommen die italienischen Europaabgeordneten<br />
mehr als 10 000 Euro, während ihre spanischen<br />
Kollegen nur rd. zweieinhalbtausend Euro erhalten.<br />
Seit dem Beitritt von zehn weiteren Ländern<br />
am 1. 5. 2004 ist das Problem noch größer geworden.<br />
Die Entschädigung beläuft sich für einen ungarischen<br />
Abgeordneten auf rd. 800 Euro und für seinen<br />
slowakischen Kollegen auf etwa 900 Euro. Das entspricht<br />
natürlich nicht dem allgemein anerkannten<br />
Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.<br />
Die Europaabgeordneten erhalten allerdings (wie<br />
nationale Abgeordnete) auch ein Tagegeld, eine Reisekostenerstattung<br />
bzw. -pauschale, eine allgemeine<br />
Kostenvergütung (für Bürounterhaltung usw.) und<br />
eine Sekretariatszulage, welche den Mitarbeitern direktausbezahltwird,diesallesausdemeuropäischen<br />
Haushalt.<br />
VorallemdieNutzungderReisekostenpauschalegerietindieKritik,damehrereMissbrauchsfällevorkamen,<br />
obwohl die durch die unterschiedlichen Diäten<br />
schlechtergestelltenAbgeordneten,diezudemeinen<br />
weiteren Anreiseweg haben, die recht großzügige<br />
Fahrtkostenregelung als „gerechten“ Ausgleich dafür<br />
betrachten konnten.<br />
Das Europäische Parlament bemühte sich nicht nur<br />
um die Abstellung der tatsächlichen und befürchteten<br />
Missbrauchsfälle (trotz Pauschalierung Vorlage<br />
eines schriftlichen Nachweises für durchgeführte<br />
Reisen, Abhängigkeit der Tagegeldzahlungen von<br />
151
Dienstleistungen<br />
der Teilnahme an namentlichen Abstimmungen sowie<br />
Bemühungen um einen gemeinsamen RechtsrahmenfürdieMitarbeiter),sonderneswilleineendgültige<br />
Regelung durch ein gemeinsames �Statut für<br />
die Abgeordneten des EP, für das der �Berichterstatter<br />
Willy Rothley 1998 einen Entwurf vorgelegt hat.<br />
In diesem Statut werden einheitliche Diäten für alle<br />
Abgeordneten vorgesehen. Diese Beträge sollen<br />
nach dem Statut künftig aus dem europäischen Haushalt<br />
bezahlt werden und einer EU-Gemeinschaftssteuer<br />
unterliegen sowie frühestens nach fünf Jahren<br />
angepasst werden können. Reisekosten sollen künftig<br />
nicht mehr pauschaliert, sondern nur noch gemäß<br />
den tatsächlich entstandenen Kosten erstattet werden.<br />
Der vorgesehene einheitliche Betrag für die<br />
Diäten würde dazu führen, dass italienische Abgeordnete<br />
deutlich weniger Diäten bekommen als vorher,<br />
spanische und portugiesische deutlich mehr, für<br />
deutsche Europaabgeordnete wird sich bei den Diätenwenigändern.DasEuropäischeParlamentverabschiedete<br />
diesen Entwurf bereits am 3. 12. 1998 mit<br />
314 Ja-Stimmen, 84 Nein-Stimmen und 62 Enthaltungen.<br />
Das Parlament hatte also entsprechend den<br />
Bestimmungen des am 1. 5. 1999 in Kraft getretenen<br />
Vertrags von Amsterdam den Entwurf zu einem Abgeordnetenstatut<br />
vorgelegt. Der Ministerrat begnügtesichjedochnichtmitZustimmungoderAblehnung<br />
des Entwurfs des Parlaments, wie vorgesehen, sondern<br />
legte seinerseits einen erheblich abgeänderten<br />
Entwurfvor.DamithaterindasdurchArt.190Abs.5<br />
EGV gesicherte Recht des Europäischen Parlaments<br />
eingegriffen, wie jedes nationale Parlament seine<br />
Angelegenheiten grundsätzlich selbst zu regeln:<br />
„DasEuropäischeParlamentlegtnachAnhörungder<br />
Kommission und mit der Zustimmung des Rates, der<br />
einstimmig beschließt, die Regelungen und allgemeinenBedingungenfürdieWahrnehmungderAufgaben<br />
seiner Mitglieder fest.“<br />
Mit großer Mehrheit von 376 gegen 140 Stimmen bei<br />
31 Enthaltungen lehnte daraufhin das Parlament das<br />
vomMinisterratvorgelegteStatutab,weileswiederum<br />
ein System der Ungleichheit zwischen den Europaabgeordneten<br />
schaffe. Die dänische Regierung<br />
hatte im Ministerrat eine zusätzliche nationale Sondersteuer<br />
verlangt, mit der sie die höheren Diäten der<br />
dänischen Europaabgeordneten auf das Niveau der<br />
nationalen dänischen Abgeordneten heruntersetzen<br />
wollte. Schweden, Briten und Franzosen forderten<br />
daraufhin das gleiche Recht.<br />
152<br />
Zur Zeit des Parlamentspräsidenten Gil Robles bestand<br />
die Hoffnung, noch vor den Wahlen 1999 eine<br />
Zustimmung des Ministerrats zu erreichen. In der<br />
Zeit der Parlamentspräsidentin Fontaine wurden<br />
weitere Versuche unternommen. Sie hatte u. a. einen<br />
Rat der Weisen für die vergleichende Analyse der<br />
Abgeordnetenentschädigung eingesetzt, stieß aber<br />
ihrerseitsauchaufWiderstände.IndieserZeithatder<br />
Berichterstatter im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt<br />
eine neue Fassung vorgelegt. Eine endgültige<br />
Entscheidung gibt es noch nicht (Red.: sie ist im<br />
Juni/Juli 2005 gefallen; vgl. �Statut der AbgeordnetendesEP).<br />
O. B.<br />
Dienstleistungen, öffentliche (Dienstleistungen<br />
entsprechend Art. 86 EGV) �Gemeinwohlorientierte<br />
Leistungen.<br />
Dienstleistungsfreiheit. Die Dienstleistungsfreiheit<br />
gehört zu den Grundfreiheiten des Binnenmarktes(Arbeitnehmerfreizügigkeit,Niederlassungsfreiheit,<br />
Warenverkehrsfreiheit und Freiheit des Kapitalverkehrs).<br />
Diese Freiheiten sind in der Europäischen<br />
Union gewährleistet (Art. 12 EGV, so auch<br />
Art. I-4 Abs. 1 VVE 2004). Bei der Durchsetzung<br />
dieser Grundfreiheiten darf weder nach der Staatsangehörigkeit<br />
unterschieden werden, noch darf die<br />
Ausübung der Grundfreiheit beschränkt oder unattraktiver<br />
gemacht werden. Wirtschaftlich kommt gerade<br />
dem Dienstleistungsbereich eine besondere Bedeutung<br />
zu. In einer Stärkung der grenzüberschreitenden<br />
Dienstleistungen wird ein großes Potential<br />
für das Beschäftigungswachstum in der EU gesehen.<br />
Baugewerbe, Handwerksberufe, Gesundheitssektor,<br />
freie Berufe wie Architekten sollen vermehrt in<br />
andern Mitgliedstaaten ihre Dienste anbieten oder<br />
von Kunden aus anderen Mitgliedstaaten nachgefragt<br />
werden. Es geht dabei um die Öffnung der<br />
Dienstleistungsmärkte. Grundsätzlich dürfen dem<br />
keine Hindernisse entgegenstehen.<br />
1. Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit: Beschränkungen<br />
des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb<br />
der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten,<br />
die in einem anderen Mitgliedstaat der Union als<br />
demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind,<br />
sinduntersagt.NähereskanndurchRichtlinien(bzw.<br />
nach dem Verfassungsvertrages durch Europäische<br />
Rahmengesetze), geregelt werden (Art. 49 EGV<br />
bzw. Art. III-144 VVE 2004).
Für den Bereich des Verkehrs bestehen gesonderte<br />
Vorschriften; die mit dem Kapitalmarkt verbundenen<br />
Dienstleistungen unterfallen den Regelungen<br />
zur Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 51, 71 ff.<br />
EG-Vertrag, Art. III-146, 236 ff. VVE 2004).<br />
2. Begriffsbestimmung: Unter Dienstleistungen versteht<br />
man Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt<br />
erbracht werden. Dies gilt insbes. für folgende Bereiche:<br />
– Gewerbliche Tätigkeiten,<br />
– Kaufmännische Tätigkeiten,<br />
– Handwerkliche Tätigkeiten,<br />
– Freiberufliche Tätigkeiten.<br />
Die Dienstleistungsfreiheit umfasst Leistungserbringungen<br />
bei vorübergehendem Aufenthalt in einem<br />
anderen Mitgliedstaat. Die Dienstleistungsfreiheit<br />
kann folgende Formen aufweisen:<br />
–AktiveDienstleistungsfreiheit:Hierbegibtsichder<br />
DienstleistungserbringervorübergehendindasLand<br />
desDienstleistungsempfängers(z.B.reisendeMusiker,<br />
Bauunternehmer).<br />
– Passive Dienstleistungsfreiheit: Hier begibt sich<br />
der Dienstleistungsempfänger in den Mitgliedstaat,<br />
in dem der Erbringer der Dienstleistung ansässig ist<br />
(z. B. Touristen oder Personen, die medizinische Behandlung<br />
im Ausland in Anspruch nehmen, Studienund<br />
Geschäftsreisende).<br />
– Korrespondenzdienstleistungsfreiheit: Hier überschreitet<br />
allein die Dienstleistung die Grenzen. Die<br />
Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger<br />
bleiben am Ort. Hierzu zählen z. B. die Kommunikationsdienstleistungen,<br />
der grenzüberschreitende<br />
Rundfunk und das grenzüberschreitende Fernsehen<br />
(Satellit, Kabeleinspeisung).<br />
– Auslandsdienstleistungsfreiheit: Hier begeben<br />
sich Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger<br />
gemeinsam in einen anderen Mitgliedstaat,<br />
um dort die Dienstleistung abzuwickeln (z. B.<br />
Reisegruppe mit Reiseführer).<br />
3. Abgrenzung von den anderen Grundfreiheiten:<br />
Die Dienstleistungsfreiheit ist den anderen Freiheitennachrangig–diesistausdrücklichsofestgehalten<br />
(Art. 50 EGV, bzw. Art. III-145 VVE 2004).<br />
Am schwierigsten ist die Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit.<br />
Das Unterscheidungsmerkmal ist hier<br />
die Dauer der Tätigkeit im Ausland. Bei der Abgrenzung<br />
zwischen �Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit<br />
kommt es nach der Rechtsprechung<br />
des EuGH darauf an, dass der Erbringer solcher Lei-<br />
Dienstleistungsfreiheit<br />
stungen in dem anderen Mitgliedstaat über eine besondere<br />
Infrastruktur verfügt. Eine Infrastruktur, die<br />
es dem Leistungserbringer erlaubt, ständig und gesichert<br />
einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist ein<br />
Zeichen für eine Niederlassungsfreiheit. Allein die<br />
Tatsache, dass ein Dienstleistungserbringer mehr<br />
oder weniger häufig oder sogar regelmäßig über einen<br />
längeren Zeitraum hinweg Leistungen in einem<br />
anderen Mitgliedstaat erbringt, reicht nicht aus. Hier<br />
gibt es Abgrenzungsschwierigkeiten bei Zweigniederlassungen<br />
und sog. „Präsenzen“.<br />
Hinsichtlich der �Freizügigkeit für Arbeitnehmer<br />
kommt es darauf an, wem die Leistung zuzurechnen<br />
ist:StehtsieinZusammenhangmiteinemArbeitgeber<br />
im Ausland, dann handelt es sich um eine Dienstleistung,diemitHilfevonArbeitstruppserbrachtwird.<br />
Bei der Abgrenzung zum �freien Warenverkehr geht<br />
es darum, ob bestimmte Dienstleistungen wie Installationen<br />
und Wartungen nur Anhang für eine Warenlieferung<br />
aus dem Ausland sind. Bei der Abgrenzung<br />
zumKapitalverkehristdaraufabzustellen,obeinefinanzielle<br />
Transferleistung der Selbstzweck ist oder<br />
ob es nur um die Bezahlung einer erbrachten Dienstleistung<br />
geht.<br />
4.VerboteneMaßnahmen:Beschränkungendesfreien<br />
Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft<br />
für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem<br />
anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers<br />
ansässig sind, sind nach Maßgabe<br />
der Vertragsbestimmungen verboten (Art. 49 EGV,<br />
bzw. Art. III-144 VE 2004). Untersagt sind ferner<br />
Ungleichbehandlungen (Diskriminierungen) auf<br />
Grund der Staatsangehörigkeit; es gilt das Gebot der<br />
Gleichbehandlung mit den Inländern (Art. 50 EGV,<br />
Art. III-145 VVE 2004). Diese verbotenen Maßnahmen<br />
sind vom EuGH in vielfacher Rechtsprechung<br />
präzisiert worden:<br />
Die Diskriminierung. Bei der Diskriminierung wird<br />
die unmittelbare und die mittelbare Diskriminierung<br />
zu unterschieden:<br />
– Bei der unmittelbaren Diskriminierung wird nach<br />
der Staatsangehörigkeit unterschieden und der Angehörige<br />
aus einem anderen Mitgliedstaat entsprechend<br />
benachteiligt. Dies ist im Rahmen der Grundfreiheiten<br />
stets untersagt.<br />
– Bei der mittelbaren Diskriminierung wird eine Regelung<br />
von einem Mitgliedstaat getroffen, die zunächst<br />
unterschiedslos auf Einheimische wie auf<br />
Bürger anderer Mitgliedstaaten anzuwenden zu sein<br />
153
Dienstleistungsfreiheit<br />
scheint. Aufgrund der faktischen Gegebenheiten<br />
trifft diese Regelung jedoch im vermehrten Maße<br />
Angehörige anderer Mitgliedstaaten. Das kann z. B.<br />
bei der Anknüpfung von Vergünstigungen an das Erfordernis<br />
des Wohnsitzes im Inland oder des Vorlegens<br />
eines Qualifikationsdokuments, das nur im Inland<br />
erworben werden kann, der Fall sein. Das Verbot<br />
der Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit<br />
umfasst somit nicht nur offensichtliche,<br />
sondern auch versteckte Formen der Diskriminierung,<br />
die durch die Anwendung anderer Unterschiedsmerkmale<br />
tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis<br />
führen. Ob eine mittelbare Diskriminierung<br />
gerechtfertigt werden kann, ist allerdings nicht immer<br />
klar. In den meisten Fällen hat die Rechtsprechung<br />
Rechtfertigungsgründe zugelassen – in einigen<br />
Fällen wurde die Frage einer Rechtfertigung jedoch<br />
nicht gestellt.<br />
Die Beschränkung. Bei einer Beschränkung führen<br />
nationale Maßnahmen oder Regelungen dazu, dass<br />
die garantierten Grundfreiheiten behindert oder unattraktiver<br />
gemacht werden. Beschränkungen können<br />
aber unter folgenden Voraussetzungen gerechtfertigt<br />
werden und damit zulässig sein:<br />
– Die beschränkenden Maßnahmen müssen in nicht<br />
diskriminierenderWeisegeregeltsein–d.h.siemüssen<br />
auf Bestimmungen zurückzuführen sein, die unterschiedslos<br />
auf eigene Staatsangehörige wie auf<br />
die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten anwendbar<br />
sind.<br />
– Sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses<br />
entsprechen, derartige Gründe können jedoch<br />
nicht rein wirtschaftlicher Natur sein.<br />
– Sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles<br />
geeignet sein.<br />
– Sie dürfen nicht über das hinaus gehen, was zur Erreichung<br />
des Zieles erforderlich ist – sie müssen dem<br />
Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen. So<br />
dürfen im Herkunftsmitgliedstaat nicht bereits Bestimmungen<br />
gelten, die auf dieses Ziel ausgerichtet<br />
sind.<br />
Eine derartige Rechtfertigung muss allerdings auf<br />
objektiven Erwägungen beruhen, die von der Staatsangehörigkeit<br />
des Betroffenen unabhängig sind.<br />
Diskriminierung und Beschränkung können auch<br />
darin vorliegen, wenn nur ein kleiner Teil der Angehörigen<br />
eines Mitgliedstaates bevorzugt wird: Die<br />
Diskriminierung bezieht sich somit nicht allein auf<br />
die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, sondern<br />
154<br />
auch auf die eigenen Staatsangehörigen im Vergleich<br />
zur begünstigten Gruppe eigener Staatsangehöriger.<br />
Auch dies ist eine verbotene Maßnahme, da<br />
auf jeden Fall ausländische Staatsangehörige benachteiligt<br />
werden.<br />
5. Prinzip der Herkunftslandregelung: Bestimmend<br />
für die Dienstleistungsfreiheit sind die Regelungen,<br />
die in dem Land gelten, aus dem der Dienstleistungserbringer<br />
kommt, das sog. Herkunftslandprinzip.<br />
Das bedeutet z. B., dass von dem Dienstleistungserbringer<br />
nicht verlangt werden darf, im Mitgliedstaat,<br />
in dem er seine Leistungen erbringen will, eine ständige<br />
Niederlassung zu haben. Genauso wenig darf<br />
ein Mitgliedstaat die Erbringung von Dienstleistungen<br />
von der Einhaltung aller Vorschriften abhängig<br />
machen, die an sich für eine Niederlassung gelten.<br />
Damit würde der Dienstleistungsfreiheit alle Wirksamkeit<br />
genommen. Wenn der Staat, in dem die<br />
Dienstleistung erbracht werden soll, die Voraussetzungen<br />
für die Dienstleistung ganz allgemein strenger<br />
reguliert, als der Staat aus dem der Dienstleistungserbringer<br />
kommt, so steht das Herkunftsland<br />
in einer Wechselwirkung zum grundsätzlichen<br />
Recht eines Mitgliedstaates, den Ordnungsrahmen<br />
für Dienstleistungen selbst zu bestimmen. Dieser allgemeine<br />
Ordnungsrahmen kann dann eine Beschränkung<br />
darstellen, die nur unter den genannten<br />
Voraussetzungen gerechtfertigt wäre. Das Beschränkungsverbot<br />
kann dann zu einem allgemeinen<br />
Liberalisierungsgebot werden.<br />
6. Allgemeine Grundsätze der Rechtsprechung: Zu<br />
den Grundfreiheiten des EG-Vertrages allgemein<br />
und damit auch zur Dienstleistungsfreiheit hat sich<br />
im Laufe der Zeit eine umfangreiche Rechtsprechung<br />
des Europäischen Gerichtshofes entwickelt.<br />
Aus dieser Rechtsprechung lassen sich einige allgemeine<br />
Grundsätze ableiten:<br />
– Im Zweifel für die Grundfreiheit: Die Grundfreiheiten<br />
sind das Wesenselement der Europäischen<br />
Gemeinschaft und der Union. Es geht hier um die<br />
Freiheiten der Bürger. Das bedeutet, dass die Grundfreiheiten<br />
auch in solchen Politikbereichen durchzusetzen<br />
sind, die nicht in der Zuständigkeit der Union<br />
stehen: So ist die Union bei der Ausübung ihrer Befugnisse<br />
in keiner Weise eingeschränkt, auch wenn<br />
sich ihre Rechtsakte auf Maßnahmen auswirken<br />
können, die von den Mitgliedstaaten zur Durchführung<br />
einer Politik ergriffen sind, die nicht der Union<br />
unterworfen ist, wie z. B. der Bildungsbereich.
– Nichtgeltung bei innerstaatlichen Sachverhalten:<br />
Die Bestimmungen des Vertrages gehen davon aus,<br />
dass potenziell Freiheiten der Bürger aus anderen<br />
Mitgliedstaaten betroffen sind. Für rein interne<br />
Sachverhalte, die keinerlei grenzüberschreitenden<br />
Bezug haben, d.h. die keinerlei Auswirkung auf andere<br />
Unionsmitgliedstaaten haben oder haben könnten,<br />
finden die Grundfreiheiten keine Anwendung.<br />
So kann auch ein Mitgliedstaat seinen eigenen Angehörigen<br />
größere Belastungen aufbürden als den Angehörigen<br />
anderer Mitgliedstaaten, so z. B. von ihnen<br />
eine Qualifikation verlangen, die er von den Angehörigen<br />
anderer Mitgliedstaaten nicht verlangt.<br />
– Verhältnis zur Rechtsangleichung: Viele Hindernisse<br />
bei der Durchsetzung der Grundfreiheiten sind<br />
durch den Erlass von Richtlinien bereits beseitigt.<br />
DiemitdiesenRichtlinien–undnachdemInkrafttreten<br />
des �Verfassungsvertrags mit den Europäischen<br />
Rahmengesetzen – geschaffene Rechtslage ist vorrangig.<br />
So ist es nicht mehr möglich, sich auf Beschränkungen<br />
der Grundfreiheit zu berufen, wenn<br />
Richtlinien der Gemeinschaft (bzw. Rahmengesetze<br />
der Union) hier eine Rechtsangleichung vorgenommen<br />
haben. Dann sind die Maßnahmen festgeschrieben,diezurVerwirklichungeinesbestimmtenZieles<br />
erforderlich sind. In Deutschland hat z. B. die Entsenderichtlinie,<br />
welche die Konditionen, mit denen<br />
ausländische Bauunternehmer in Deutschland ihr eigenes<br />
Personal beschäftigen und entlohnen dürfen,<br />
regelt, eine größere Aufmerksamkeit erlangt.<br />
– Unmittelbare Wirkung: Der EuGH hat frühzeitig<br />
festgestellt, dass die Grundfreiheiten des EG-Vertrags<br />
den betroffenen Bürgern unmittelbare Rechte<br />
verleihen, auf die sich diese Bürger berufen können.<br />
So haben die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, sich<br />
unionsfreundlich zu verhalten (Art. 10 EGV bzw.<br />
Art. I-5 VVE 2004). Sie müssen alles tun, um den<br />
Grundfreiheiten zum Erfolg zu verhelfen.<br />
– Drittwirkung der Grundfreiheiten: Die Frage, ob<br />
die Grundfreiheiten sich auch an Private richten, also<br />
unmittelbare Drittwirkung gegenüber anderen Bürgernentfalten,istnachderRechtsprechungnichteindeutig<br />
zu beantworten. Bedeutsam hierfür ist, dass<br />
der EuGH bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der<br />
DienstleistungsfreiheitunddemallgemeinenDiskriminierungsverbot<br />
bereits den Schritt zur unmittelbaren<br />
Drittwirkung angedeutet hat. Zunächst ist festzustellen,<br />
dass Kollektivregelungen (z. B. Tarifverträge,<br />
Verbandssatzungen) die Grundfreiheiten beach-<br />
Dienstleistungsfreiheit<br />
ten müssen, da die Freizügigkeit gefährdet wäre,<br />
wenn derartige kollektive Vereinbarungen privater<br />
Art Schranken aufstellen könnten, die dem Staat verwehrt<br />
sind. Darüber hinaus hat der EuGH eine derartige<br />
Drittwirkung in einem Falle auch bei Beziehung<br />
zwischen Privatpersonen – im vorliegenden Fall im<br />
Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit – angenommen.<br />
7. Zulässige Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit:<br />
Die Vertragsgrundlagen selbst sehen zwei<br />
Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit vor.<br />
– Öffentliche Gewalt: Auf Tätigkeiten, die in einem<br />
Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung<br />
öffentlicher Gewalt verbunden sind, finden<br />
die Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit keine<br />
Anwendung (Art. 55 EGV i. V. m. Art. 45 EGV, bzw.<br />
Art. III-139 VVE i. V. m. Art. III-150 VVE).<br />
– Anerkannte Schutzgründe: Beschränkungen und<br />
unterschiedliche Behandlungen, die aus Gründen<br />
der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit<br />
gerechtfertigt sind, bleiben zulässig. Allerdings<br />
sollen diese durch einen europäischen Rechtsakt unter<br />
den Mitgliedstaaten koordiniert werden - es werden<br />
also entsprechende Richtlinien bzw. Europäischen<br />
Rahmengesetze im Sinne des Verfassungsvertragsentwurfes<br />
erlassen.<br />
8. Anerkennung von Qualifikationen und Berufserlaubnissen:<br />
Damit die Dienstleistungen auch in den<br />
anderen Mitgliedstaaten erbracht werden können,<br />
müssen die Qualifikationen der Dienstleistungserbringerauchdortanerkanntwerden.Indeneinzelnen<br />
Mitgliedstaaten herrschen unterschiedliche Regelungen<br />
über die Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen<br />
und sonstigen Befähigungsnachweisen<br />
sowie über die Aufnahme und Ausübung<br />
selbständiger Tätigkeiten. Hier müssen Rechtsakte<br />
gesetzt werden, welche es ermöglichen, diese unterschiedlichen<br />
Regelungen miteinander zu verbinden<br />
(Art. 55 i. V. m. Art. 47 Abs. 3 EGV bzw. Art. III-150<br />
i. V. m. Art. III-141 VVE).<br />
Sogibtesnebendensog.„sektoralen“Richtlinienfür<br />
bestimmte Berufe auch Richtlinien, welche die gegenseitige<br />
Anerkennung von Diplomen und Befähigungsnachweisen<br />
ganz allgemein regeln. Hier gilt<br />
folgender Grundsatz: Wer in einem Mitgliedstaat<br />
eineQualifikationerworbenhat,welcheeineBerufsausübung<br />
erlaubt, soll mit dieser Qualifikation in allen<br />
anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich tätig werden<br />
dürfen. Durchaus können bisweilen Zusatz-<br />
155
Dienstleistungsrichtlinie<br />
kenntnisse wie z. B. sprachlicher Art etc. verlangt<br />
werden.ZumBeispielbrauchenaberAngehörigeanderer<br />
Mitgliedstaaten, die in Deutschland einen<br />
Handwerksbetrieb führen wollen, keine Meisterprüfung<br />
abgelegt und damit den Großen Befähigungsnachweis<br />
erworben zu haben. Das Erfordernis einer<br />
Eintragung in die Handwerksrolle muss erforderlich<br />
und verhältnismäßig sein. Derzeit befindet sich eine<br />
NovellierungdesRechtsdergegenseitigenAnerkennung<br />
im Konsultationsprozess zwischen Rat und Europäischem<br />
Parlament. Ein Abschluss des Verfahrens<br />
wird bis Ende 2005 angestrebt.<br />
9. Die künftige Dienstleistungsrichtlinie (sog. Bolkestein-Richtlinie).<br />
Weil trotz dieser Entwicklung<br />
die Entwicklung der Dienstleistungsfreiheit noch<br />
nicht ausreichend gewährleistet ist und sogar anerkannte<br />
gravierende Hindernisse bestehen und weil<br />
die Rechtsangleichung bei nunmehr 25 Mitgliedstaaten<br />
sehr schwierig ist, sieht der Entwurf einer<br />
Richtlinie, den die Kommission im Herbst 2004 vorgelegthat,vor,dassdieDienstleisterimanderenMitgliedstaaten<br />
weitgehend nur noch dem Recht ihres<br />
Herkunftslandes unterworfen sind (s. o. Herkunftslandprinzip;<br />
schon bestehende Richtlinien werden<br />
allerdings davon nicht berührt). Dabei wird befürchtet<br />
dass die hohen sozialen, ökologischen und verbraucherschützenden<br />
Bestimmungen in der Bundesrepublik<br />
in diesem Zusammenhang nicht mehr zu<br />
halten sein werden. Derzeit sind die Diskussion um<br />
dessen Anwendungsbereich, insbes. des Herkunftslandprinzips,<br />
in Rat und Europäischem Parlament allerdings<br />
noch äußerst kontrovers. Dieser Richtlinienvorschlag<br />
gilt als einer der wichtigsten Vorschläge<br />
zur Vollendung des Binnenmarkts und zur<br />
SchaffungvonmehrWachstumundBeschäftigung.<br />
I. B.-M.<br />
Dienstleistungsrichtlinie �Dienstleistungsfreiheit<br />
Ziff. 9<br />
Diplome, Anerkennung der Diplome �Dienstleistungsfreiheit<br />
Ziff. 8, �Binnenmarkt<br />
Diplomatischer und konsularischer Schutz der<br />
Unionsbürger im Ausland �Unionsbürgerschaft<br />
Direktwahl zum Europäischen Parlament<br />
1. Begriff. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments<br />
(EP) werden seit 1979 von den Bürgern di-<br />
156<br />
rekt gewählt (Wahlergebnisse siehe �Europäisches<br />
Parlament). Zuvor wurden Vertreter der nationalen<br />
Parlamente entsandt, die somit nur über einen indirekten<br />
Wählerauftrag verfügten. Die Direktwahl<br />
zum EP findet alle fünf Jahre statt (sechste Direktwahl<br />
im Zeitraum vom 10. bis 13. Juni 2004). Solche<br />
Fristen werden für die Europawahlen vereinbart, damit<br />
die in den �Mitgliedstaaten traditionellen Wahltage<br />
eingehalten werden können. In Großbritannien<br />
und den Niederlanden fanden die Wahlen zum EP am<br />
10. 6. 2004 statt (einem Donnerstag), in Irland am<br />
Freitag, dem 11. 6., in der Tschechischen Republik<br />
am Freitag und am Samstag, in Lettland und Malta<br />
am Samstag, in Italien am Samstag und Sonntag und<br />
indenübrigenStaatenamSonntag,dem13.Juni.Um<br />
die Wähler nicht durch die Ergebnisse in anderen<br />
Ländern zu beeinflussen, darf mit der Stimmenauszählung<br />
erst begonnen werden, wenn die letzten<br />
Wahllokale geschlossen sind (�Schweigepflicht).<br />
2. Rechtsgrundlage: Die Direktwahl basiert auf dem<br />
„Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer<br />
Wahlen der Abgeordneten der Parlamentarischen<br />
Versammlung“ (später „EP“) vom 20. 9. 1976. Darin<br />
werden u. a. die Abgeordnetenzahl und deren Verteilung<br />
auf die Mitgliedstaaten, die Dauer der Wahlperiode<br />
sowie die Unvereinbarkeit mit bestimmten<br />
Ämtern und Funktionen geregelt. Diese Bestimmungen<br />
wurden durch Ratsbeschlüsse – mangels eines<br />
einheitlichenWahlverfahrens–jeweilsaktualisiert.<br />
3. Einheitliches Wahlverfahren: Auch die sechste<br />
Direktwahl(2004)hattenochnationaleWahlgesetze<br />
zur Grundlage. Immerhin gilt inzwischen für alle<br />
Mitgliedstaaten bei den Europawahlen der Grundsatz<br />
der Verhältniswahl, gegen das sich GroßbritannienlangeZeitgewandthatte.Seit1999werdenauchdieAbgeordnetenausGroßbritanniennachdemVerhältniswahlprinzip<br />
gewählt, bei nationalen Wahlen<br />
gilt dort dagegen nach wie vor das Mehrheitswahlprinzip.<br />
Der Auftrag des Nizza-Vertrages (Art. 190<br />
Abs. 4 EGV), dass das Europäische Parlament einen<br />
Entwurf für allgemeine unmittelbare Wahlen auszuarbeiten<br />
soll, besteht fort. In die einzelstaatlichen<br />
Rechtsvorschriften, die für die Europawahl Anwendung<br />
finden, wurden jedoch vor der Wahl 2004 die<br />
von EP und Rat verabschiedeten Bestimmungen aufgenommen,<br />
die gem. Art.190 Abs. 4 EGV im Einklang<br />
mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen<br />
Grundsätzen stehen (�Europawahlen).<br />
Sitzverteilung im EP: In den vergangenen Jahren ist
es mehrfach zu einer Änderung der Sitzverteilung<br />
gekommen. So erhöhte sich die Zahl der deutschen<br />
Mandate bei der 4. Direktwahl (1994) als Folge der<br />
deutschen Einheit auf 99 Sitze. Im Zuge dieser Neuregelung<br />
kam es insgesamt zu einer Erhöhung der<br />
Parlamentssitze von 518 auf 567.<br />
Weitere Anpassungen der Sitzverteilung fanden<br />
nach dem EU-Beitritt Finnlands, Österreichs und<br />
Schwedens (1995) statt. Die Zahl der EP-Abgeordneten<br />
erhöhte sich auf 626. Seit der letzten<br />
EU-Erweiterung 2004 gehören dem EP 732 Abgeordnete<br />
an. Die nächste Anpassung wird voraussichtlich<br />
bei den Europawahlen 2009 erforderlich,<br />
wenn Rumänien und Bulgarien der EU angehören.<br />
Der Nizza-Vertrag legt eine Obergrenze (Art. 189<br />
EGV) für die Anzahl der Mitglieder des Europäischen<br />
Parlaments fest. Diese liegt bei 732 Abgeordneten.<br />
Gleichzeitig wird im „Protokoll über die Erweiterung<br />
der EU“ zum Nizza-Vertrag ein Korrekturmechanismus<br />
vorgesehen für Beitritte in der Zeit<br />
bis 2009.<br />
Aktives und passives Wahlrecht: Seit der 4. Direktwahl<br />
1994 können EU-Bürger in dem Mitgliedstaat,<br />
in dem sie wohnen, dessen Staatsangehörigkeit sie<br />
jedoch nicht besitzen, das passive und aktive Wahlrecht<br />
bei den Wahlen zum EP ausüben. Zuvor war die<br />
Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts<br />
durch einzelstaatliche Vorschriften geregelt. Die auf<br />
Art 19 Abs. 2 EGV gestützte Richtlinie hat einheitliche<br />
Rahmenbedingungen für die Ausübung des passiven<br />
und aktiven Wahlrechts in den Mitgliedstaaten<br />
der Union festgelegt. Um Missbräuche – etwa durch<br />
Doppelstimmabgaben oder Doppelkandidaturen –<br />
zu verhindern, ist der wahlberechtigte Unionsbürger<br />
verpflichtet, gegenüber dem Wohnsitzstaat nachzuweisen,dasserimHerkunftsstaatnichtvompassiven<br />
und aktiven Wahlrecht ausgeschlossen ist. Von der<br />
Möglichkeit, im Wohnsitzstaat das passive und aktive<br />
Wahlrecht nicht nur bei den Europa-, sondern<br />
auch bei den Kommunalwahlen wahrzunehmen,<br />
wirdinderPraxisjedochwenigGebrauchgemacht.<br />
4. Bewertung. Von der Entscheidung des EuropäischenRates1974inParis,europäischeDirektwahlen<br />
zuzulassen,biszurerstenDirektwahl1979waresein<br />
langer Weg. Bis heute ist noch kein einheitliches<br />
Wahlverfahren verabschiedet. Die Erwartungen,<br />
dass durch die Direktwahlen die Legitimität des Europäischen<br />
Parlaments gestärkt, die nationale Rückkoppelung<br />
verbessert und zugleich das Bewusstsein<br />
Diskriminierungsverbot<br />
für europäische Zusammenhänge gefördert werde,<br />
haben sich in weiten Teilen nicht erfüllt. Die Impulse,<br />
die von der Gründung europäischer Parteienzusammenschlüsse<br />
ausgingen, blieben schwach. Nach<br />
wie dominieren im Europawahlkampf nationale,<br />
nicht europäische Themen. Die Wahlbeteiligung ist<br />
seit der ersten Direktwahl stetig gesunken: von 63 %<br />
1979 auf 49,8 % bei der fünften Direktwahl 1999 (s.<br />
Tab. S. 292). Ein Rekordtief erreichte sie 2004 mit<br />
45,7 % und z.T. sehr niedrigen Werten in den neuen<br />
Beitrittstaaten (Polen 20%, Slowakei 17%). Dies<br />
wurde vor dem Hintergrund der nur zwei Monate zuvor<br />
erfolgten EU-Erweiterung als besonders enttäuschend<br />
empfunden. Dabei steht der rückläufigen<br />
Wahlbeteiligung eine stetige Zunahme der Mitwirkungsrechte<br />
des Europäischen Parlaments gegenüber.<br />
Mit der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen<br />
auf die überwiegende Zahl der EU-Politikfelder<br />
ist der Einfluss auf die EU-Gesetzgebung im<br />
Vergleich zu früheren Jahren deutlich gewachsen.<br />
Aber auch davon ging offenbar keine die Wähler mobilisierendeWirkungaus.<br />
Ch. H.<br />
Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe<br />
�Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)<br />
Diskriminierungsverbot. Diskriminierungsverbote<br />
bilden als besondere Ausformung des allgemeinenGleichheitssatzeseinesderHerzstückederEuropäischen<br />
Gemeinschaften. Man unterscheidet die<br />
besonderen Diskriminierungsverbote von dem allgemeinen<br />
Diskriminierungsverbot und die verdeckte<br />
von der offenen Diskriminierung.<br />
Wesentlicher Bestandteil der �vier Grundfreiheiten<br />
(Warenverkehr, Freizügigkeit, Niederlassungs- und<br />
Dienstleistungsfreiheit) sind die besonderen Diskriminierungsverbote.<br />
Danach dürfen im jeweiligen<br />
Anwendungsbereich der Grundfreiheiten Staatsangehörige<br />
bzw. Waren anderer Mitgliedstaaten nicht<br />
anders behandelt werden als inländische Staatsbürger<br />
bzw. Waren (vgl. z. B. Art. 39 Abs. 2, 43 Abs. 2,<br />
50 Abs. 3 EGV). Man spricht insoweit vom Grundsatz<br />
der Inländergleichbehandlung. Das primäre Gemeinschaftsrecht<br />
kennt darüber hinaus eine ganze<br />
Reihe weiterer besonderer Diskriminierungsverbote<br />
(z.B.Art.19Abs.1,75Abs.1,95Abs.6,183EGV).<br />
Das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art.<br />
12 Abs. 1 EGV verbietet im Anwendungsbereich des<br />
EG-Vertrages jede Diskriminierung aufgrund der<br />
157
Divergenz<br />
Staatsangehörigkeit. Es ist jedoch subsidiär gegenüber<br />
den besonderen Diskriminierungsverboten<br />
(„unbeschadet besonderer Bestimmungen“). Artikel<br />
12 EGV erfasst seinem Wortlaut nach nur Diskriminierungen<br />
in Sachgebieten, die im EG-Vertrag geregelt<br />
sind und in denen die Gemeinschaft tätig ist. Es<br />
genügt nach der Rechtsprechung des EuGH aber,<br />
dass ein Bereich im EG-Vertrag nur ganz punktuell<br />
geregelt ist. Der Anwendungsbereich ist nach der<br />
Rechtsprechung des EuGH auch eröffnet, wenn nur<br />
ein rudimentärer Bezug zum Europäischen Gemeinschaftsrecht<br />
besteht und Grundfreiheiten nur berührt,<br />
aber nicht tatbestandlich einschlägig sind.<br />
Eine Diskriminierung im Sinne von Art. 12 EGV<br />
liegt aber nicht vor, wenn die Ungleichbehandlung<br />
sachlich gerechtfertigt ist.<br />
Die reine Inländerdiskriminierung, also die umgekehrte<br />
Diskriminierung der Inländer gegenüber den<br />
Unionsbürgern bei rein innerstaatlichen Sachverhalten<br />
wird hingegen weder von dem allgemeinen noch<br />
von den besonderen Diskriminierungsverboten erfasst.<br />
Bei der Inländerdiskriminierung handelt es<br />
sich somit um ein Problem des nationalen Verfassungsrechts<br />
der Mitgliedstaaten.<br />
Weiter wird zwischen offenen und verdeckten Diskriminierungen<br />
unterschieden: Eine offene (unmittelbare,<br />
direkte, formale) Diskriminierung liegt vor,<br />
wenn eine staatliche Regelung in ihrem Tatbestand<br />
ausdrücklich auf die Inländer- oder Ausländereigenschaft<br />
abstellt. Eine verdeckte (verschleierte, mittelbare,<br />
indirekte) Diskriminierung liegt hingegen vor,<br />
wenn eine Regelung zwar formal auf In- und Ausländer<br />
gleichermaßen anwendbar ist, die faktischen<br />
Auswirkungen aber überwiegend aufgrund der<br />
Staatsangehörigkeit eintreten. Dies ist etwa häufig<br />
der Fall, wenn zwar nicht an die Staatsangehörigkeit,<br />
aber an den Wohnsitz oder die Niederlassung im Inland<br />
angeknüpft wird. Typischerweise sind Gebietsfremde<br />
meist Ausländer und damit in großer Zahl betroffen.<br />
Durch den �Vertrag von Amsterdam wurden die<br />
Rechtssetzungsbefugnisse des Rates in der Antidiskriminierungspolitik<br />
deutlich erweitert. Artikel 13<br />
EGVgestattetMaßnahmenzurBekämpfungderDiskriminierung<br />
aus Gründen des Geschlechts, der Rasse,<br />
der ethnischen Herkunft, der Religion oder der<br />
Weltanschauung,einerBehinderung,desAltersoder<br />
der sexuellen Ausrichtung. Der Rat hat auf diese Ermächtigungsgrundlage<br />
zwischenzeitlich mehrere<br />
158<br />
Richtliniengestützt(vgl.z.B.Richtlinie2000/43des<br />
Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes<br />
ohne Unterschied der Rasse oder der<br />
ethnischen Herkunft, ABl. L 180/2000; RL 2000/78<br />
zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die<br />
Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung<br />
und Beruf, ABl. L 303/2000), die weite BereichedestäglichenLebensbetreffenunddiediePrivatautonomie<br />
zugunsten der Gleichstellung mindestens<br />
partielleinschränken. Ch. S.<br />
Divergenz als Merkmal, das es durch eine Politik<br />
der �Konvergenz zu überwinden bzw. zu verringern<br />
gilt, besteht zwischen den Staaten der EU und zwischenihrenRegionenu.a.inBezugaufstatistischerfassbare<br />
wirtschaftliche und soziale Daten (z. B. Inflation,<br />
Arbeit, Handel, Schulbildung, Umwelt, Forschung),<br />
aber auch in bestimmten Bereichen der Politik<br />
(Schwerpunktsetzung in der Wirtschaftspolitik,<br />
der Strukturpolitik). Divergenz kann auch beim Vergleich<br />
von Rechtsvorschriften der Staaten festgestellt<br />
werden, ebenso zwischen den Grundsätzen,<br />
nach denen Mitgliedstaaten bestimmte Politikbereiche<br />
ausrichten. Der Verringerung von Divergenzen,<br />
die das Funktionieren des Binnenmarktes oder der<br />
Währungsunion beeinträchtigen bzw. zu unerwünschten<br />
Wanderungsbewegungen führen können,<br />
dienen u. a. konkrete Zielvorgaben in Konvergenzprogrammen<br />
bzw. für Prozesse (z. B. �Lissabon-Strategie),<br />
außerdem der Erlass von Richtlinien<br />
zur Harmonisierung bzw. das �Prinzip der gegenseitigen<br />
Anerkennung. Divergenz in der EU kann auch<br />
zwischen erreichten Stufen und Zielen der Integration<br />
festgestellt werden, z. B. zwischen dem Stand der<br />
wirtschaftlichen Integration und dem Stand der politischen<br />
Integration. Durch den Beitritt von 10 Staaten<br />
am 1. 5. 2004 haben sich die Divergenzen in der<br />
EU vergrößert.<br />
Doha-Runde �WTO, �Entwicklungspolitik<br />
Dokumentationszentren �Europäische Dokumentationszentren<br />
(EDZ)<br />
Dokumente der EU �Zugang zu Dokumenten,<br />
�Transparenz<br />
Dolmetscher- und Übersetzungsdienst der EU.<br />
Zu unterscheiden ist zwischen dem Dienst der Über-
setzung (in schriftlicher Form) und dem des Dolmetschens<br />
(mündlich).<br />
Übersetzungsdienst: Jedes Organ der EU hat einen<br />
eigenen Übersetzungsdienst. Der größte unter ihnen<br />
ist in der GD Übersetzung der Kommission zusammengefasst<br />
mit rd. 1 650 Übersetzern und 650 weiteren<br />
Mitarbeitern. Für die zahlreichen Agenturen der<br />
EU wurde 1994 durch VO 2965/94 ein Übersetzungszentrum<br />
in Luxemburg mit 150 Mitarbeitern<br />
geschaffen.<br />
Der Übersetzungsdienst der Kommission übersetzt<br />
rd. 1,3 Mio. Seiten pro Jahr (2004), ein Viertel davon<br />
außer Haus durch freiberufliche Übersetzer. Übersetzt<br />
wird in alle 20 �Amtssprachen der EU, jedoch<br />
nur solche Rechtsvorschriften und Dokumente, die<br />
für die Öffentlichkeit bestimmt sind (rd. ein Drittel<br />
des gesamten Textaufkommens). Mitteilungen an<br />
Mitgliedstaaten oder Schriftwechsel mit Staaten<br />
werden nur in die jeweiligen Sprachen übersetzt, Arbeitsdokumente<br />
in die sog. Verfahrenssprachen<br />
Englisch, Deutsch und Französisch. Die Kosten belaufen<br />
sich auf ca. 320 Mio. Euro.<br />
Für Übersetzungen werden auch bestimmte Datenbanken<br />
(�Eurodicautom) bzw. Computerprogramme<br />
(�Systran) eingesetzt.<br />
Dolmetschen: Für mündliches Übersetzen ist der Gemeinsame<br />
Dolmetscher- und Konferenzdienst<br />
(SCIC) zuständig, und zwar für alle Organe und Institutionen<br />
der EU mit Ausnahme des Parlaments<br />
und des Gerichtshofs, die über eigene Abteilungen<br />
für Dolmetschen verfügen. Der SCIC beschäftigt<br />
450 fest angestellte und 2000 freiberufliche Dolmetscher<br />
(Stand vor der Erweiterung). Sie dolmetschen<br />
im Durchschnitt in 50 Sitzungen und Konferenzen<br />
pro Tag. Das häufigste Verfahren ist das Simultandolmetschen<br />
direkt aus allen und in alle Sprachen<br />
bzw. über eine Drittsprache. Bei Simultandolmetschung<br />
aus und in die 11 Amtssprachen der EU-15<br />
wurden 33 Dolmetscher benötigt. Bei Tagungen des<br />
Europäischen Rats mit den Beitrittsländern wurde<br />
bspw. aus 22 und in 22 Sprachen gedolmetscht (sog.<br />
22-22-Regime). Der SCIC kostet rd. 105 Mio. Euro<br />
(2001).<br />
Donauraum-Kooperation.Am27.5.2002vonden<br />
13 Staaten des Donaubeckens, der Europäischen<br />
Kommission und dem Stabilitätspakt für Südosteuropa<br />
gegründet. Aufgabe ist die Zusammenarbeit vor<br />
allem in den Bereichen Transport (Donau als wichti-<br />
Doppelte Mehrheit<br />
ger Transportweg), Umweltschutz und Tourismus.<br />
Mitgliedstaaten sind Bosnien-Herzegowina, Bulgarien,<br />
Deutschland, Kroatien, Moldawien, Österreich,<br />
Rumänien, Serbien und Montenegro, Slowakei,<br />
Slowenien, Tschechische Republik, Ukraine,<br />
Ungarn.<br />
Institutionen der Donau-Kooperation sind Gipfeltreffen<br />
(2. Donau-Gipfeltreffen 2004 in Belgrad, 3.<br />
vom18. bis 20. 10. 2006 in Budapest) und Ministerkonferenzen<br />
(1. Ministerkonferenz am 27. 5. 2002 in<br />
Wien, 2. am 14. 7. 2004 in Bukarest, 3. im Jahr 2006<br />
in Wien). Weitere Institutionen: Donau-Rektoren-<br />
Konferenz, Donau-Touristische Werbegemeinschaft.<br />
Internet: www.danubecooperation.org<br />
Dooge, James (geb. 1922), irischer Politiker. Dooge<br />
wurde im Juni 1984 vom Europäischen Rat zum Vorsitzenden<br />
eines Ausschusses für institutionelle Fragen<br />
ernannt (�Dooge-Ausschuss), dessen Abschlussbericht<br />
(Vorschläge zum besseren Funktionieren<br />
der �Integration) als Grundlage für die Beratungen<br />
über die �Einheitliche Europäische Akte<br />
(1986) diente.<br />
Dooge-Ausschuss wird der vom Europäischen<br />
Rat in Fontainebleau im Juni 1984 eingesetzte<br />
�Ad-hoc-Ausschuss aus persönlichen Vertretern der<br />
Staats- und Regierungschefs unter Leitung von<br />
JamesDooge(Irland)genannt.Seine(nichtvonallen<br />
Ausschuss-Mitgliedern gut geheißenen) Vorschläge<br />
für institutionelle Veränderungen und zur Verbesserung<br />
der politischen Zusammenarbeit wurden dem<br />
Europäischen Rat von Dublin im Dezember 1984<br />
vorgelegt (Dooge-Bericht). Der Europäische Rat<br />
von Dublin beschloss die Fortsetzung der Arbeit des<br />
Ausschusses, setzte dann aber im Juni 1985 eine Regierungskonferenz<br />
ein, die weitere vorbereitende<br />
Arbeiten zur Änderung der Gründungsverträge ausarbeiten<br />
sollte. Deren Vorschläge führten zur Verabschiedung<br />
der �Einheitlichen Europäischen Akte<br />
durch den Europäischen Rat von Luxemburg im Dezember<br />
1985 (Unterzeichnung am 17. und 28. 2.<br />
1986).<br />
Dooge-Bericht �Einheitliche Europäische Akte<br />
Ziff. 1.3<br />
Doppelte Mehrheit �Qualifizierte Mehrheit<br />
159
Drei-Säulen-Theorie<br />
Drei-Säulen-Theorie �Tempelstruktur<br />
Dritte Säule der Europäischen Union �Tempelstruktur,<br />
�PJZS<br />
Drittstaaten bzw. Drittländer sind alle nicht zur EU<br />
gehörenden Staaten in und außerhalb Europas.<br />
Dual use (doppelter Verwendungszweck) bezeichnet<br />
Güter und Technologien, die für zivile Nutzung<br />
entwickelt wurden, aber auch für militärische Zwecke<br />
nutzbar sind bzw. nutzbar gemacht werden können.<br />
Sie unterliegen unterschiedlichen Kontrollen<br />
und Beschränkungen bei der Ausfuhr. Rechtsgrundlage<br />
für einschlägige Verordnungen der EU ist Art.<br />
133 EGV. Darauf basiert die Verordnung 1334/ 2000<br />
(Abl. L 176/2000), die in Anhang 1 alle Dual-use-<br />
Artikel auflistet. Änderungen dieser Liste werden<br />
vom Rat auf Vorschlag der Kommission beschlossen.<br />
Bisherige Änderungen: VO 2432/2001 (Abl. L<br />
338/2001) und VO 149/2003 (Abl. L 30/2003, berichtigt<br />
Abl. L 52/2003). Dual-use-Artikel bedürfen<br />
bei der Ausfuhr einer besonderen Genehmigung. Für<br />
einige gibt es eine für alle EU-Mitgliedstaaten geltende<br />
Ausfuhrgenehmigung in 7 Drittstaaten (USA,<br />
Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Norwegen<br />
und die Schweiz). Andere Dual-use-Artikel unterliegen<br />
weiteren nationalen Beschränkungen.<br />
Darüber hinaus existieren mehrere internationale<br />
Kontroll-Regime für den Export von Dual-use-<br />
Gütern und -Technologien, so die Australien-<br />
Gruppe (für chemische und biologische Artikel), das<br />
Waffentechnische Kontrollregime, die Wassenaar-<br />
Vereinbarung sowie das Kontrollregime des Nichtverbreitungsvertrags<br />
(Non-proliferation-treaty).<br />
Die Resolution 1540/2004 des Weltsicherheitsrates<br />
empfiehlt allen Staaten der Welt, Exportkontrollen<br />
anzuwenden. �Nichtverbreitungs- und Abrüstungspolitik<br />
der EU<br />
Dublin II wird die Verordnung 343/2003 (ABl.<br />
50/2003) genannt. �Dubliner Übereinkommen<br />
Dubliner Übereinkommen (Dublin I) vom 15. 6.<br />
1990. Ein völkerrechtlicher Vertrag der EU-Staaten,<br />
in dem geregelt ist, welcher Staat für die Prüfung einesineinemEU-StaatgestelltenAsylantragszuständig<br />
ist (veröffentlicht in ABl. C 254/1997). Es ist am<br />
1. 9. 1997 in Kraft getreten und hat die zuvor gelten-<br />
160<br />
den Regelungen des �Schengener Durchführungsübereinkommensabgelöst.Seit25.3.2001sindauch<br />
Norwegen und Island am Dubliner Übereinkommen<br />
beteiligt. Die Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens<br />
wurden am 1. 6. 2003 abgelöst durch die<br />
Verordnung 343/2003 zur Festlegung der Kriterien<br />
und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats,<br />
der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen<br />
in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags<br />
zuständig ist (ABl. L 50/2003), auch Dublin II<br />
genannt.<br />
Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Asylantrag. Geprüft<br />
wird der Antrag nur von einem EU-Staat gem.<br />
seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und seinen<br />
internationalen Verpflichtungen. Zuständig ist<br />
der Staat, in dem z. B. ein Familienangehöriger (Ehegatte,<br />
minderjähriges Kind, bei Minderjährigen: Vater<br />
oder Mutter) des Asylbewerbers als Flüchtling<br />
nach der Genfer Konvention einen legalen Wohnsitz<br />
hat, oder der Staat, der dem Bewerber eine Aufenthaltserlaubnis<br />
erteilt hat.<br />
Bei illegaler Einreise ist der Staat zuständig, dessen<br />
Außengrenze der Asylsuchende überschritten hat.<br />
Bei Einreise über einen „sicheren Drittstaat“, der<br />
nicht Dublin-Staat ist, hängt die Behandlung davon<br />
ab, wann und wo der Asylsuchende erkannt wird. Bei<br />
Aufgreifen nahe der Grenze ist in Deutschland innerhalb<br />
von 96 Stunden der Bundesgrenzschutz zuständig<br />
und die Wahrscheinlichkeit einer sofortigen AbschiebunginderDrittstaatsehrhoch.Wirdderillegal<br />
Eingereiste dagegen im Binnenland aufgegriffen,<br />
gelten Bestimmungen der Rücknahme-Übereinkommen<br />
mit den Drittstaaten. �Asylpolitik Ziff. 2,<br />
�Einwanderungspolitik Ziff. 2<br />
Duisenberg, Willem (Wim) Frederik (1935 –<br />
2005).NiederländischerWirtschaftswissenschaftler<br />
und Bankmanager. Mitarbeiter beim Internationalen<br />
Währungsfonds in Washington (1965 – 1969), Professor<br />
für Volkswirtschaft (1970 – 1973), Niederländischer<br />
Finanzminister (1973 – 1977), Präsident<br />
der niederländischen Notenbank (1982 – 1997),<br />
1997 Leiter des �Europäischen Währungsinstituts<br />
(EWI),von1998bis2003ersterPräsidentder �Europäischen<br />
Zentralbank (EZB).<br />
Durchführungsbestimmung (Durchführungsverordnung).<br />
Allgemein ein Rechtsakt der Verwaltung<br />
ohne Gesetzescharakter, der regelt, wie durch-
zuführen ist, was ein Gesetz fordert. Durchführungsbefugnisse<br />
in der EG umfassen das Recht, im Rahmen<br />
der von der Gemeinschaft erlassenen Rechtsakte<br />
(Basisrechtsakte) Durchführungsverordnungen<br />
zu erlassen, technische Anhänge von Richtlinien<br />
dem technischen Fortschritt anzupassen (zu ändern)<br />
oder Verwaltungsaufgaben (besonders im Rahmen<br />
der Marktordnungen der Gemeinsamen Agrarpolitik)<br />
zu erfüllen. Durchführungsverordnungen der<br />
EG (Verordnungen zur Durchführung einer Verordnung)<br />
können in allen Teilen verbindlich sein und in<br />
allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten oder für jeden<br />
Staat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des<br />
zu erreichenden Ziels verbindlich sein (Verordnungen<br />
zur Durchführung einer Richtlinie).<br />
BiszurÄnderungdesEWG-VertragesdurchdieEinheitliche<br />
Europäische Akte (1986, in Kraft seit 1987)<br />
entschied der Rat in jedem Einzelfall, ob er den Erlass<br />
von Durchführungsverordnungen sich selbst<br />
vorbehält oder der Kommission (nach Art. 155<br />
EWGV)überträgt.Seit1987istderRatjedochgehalten,<br />
die Befugnis zur Durchführung der von ihm erlassenen<br />
Vorschriften in der Regel der Kommission<br />
zu übertragen (Art. 202 EGV). Er kann sich nur in<br />
spezifischen Fällen vorbehalten, Durchführungsbefugnisse<br />
selbst auszuüben. Die Modalitäten für die<br />
Übertragung und die Ausübung der Befugnisse legt<br />
Durchführungsbestimmung<br />
der Rat einstimmig fest (Art. 202 EGV). Das ist geschehen<br />
durch Ratsbeschluss vom 18. 7. 1987, geändert<br />
durch Ratsbeschluss vom 28. 6. 1999 (1999/468<br />
„Zweiter Komitologiebeschluss“, ABl. L 184/<br />
1999). Dabei legte der Rat Wert darauf, dass die<br />
Kommission die Durchführungsbefugnisse auch<br />
weiterhin nur in enger Verbindung mit den Mitgliedstaaten<br />
ausüben kann.<br />
Die Kommission wird bei der Ausübung der Durchführungsbefugnisse<br />
von Ausschüssen (Komitees)<br />
nationaler Beamter unterstützt und kontrolliert<br />
(�„Ausschuss“- oder �„Komitologieverfahren“).<br />
Diese Ausschüsse (es gibt davon mehrere hundert)<br />
können entweder beratend mitwirken („Beratender<br />
Ausschuss“) oder die Arbeit der Kommission beeinflussen<br />
(„Verwaltungsausschuss“). Der Rat kann in<br />
jedem Falle wählen, welches Ausschussverfahren er<br />
für die Ausübung der Durchführungsbefugnisse<br />
durch die Kommission vorschreibt; der Rechtsakt<br />
muss einen entsprechenden Hinweis enthalten. Der<br />
�Verfassungsvertrag 2004 sieht vor, dass die Modalitäten<br />
der Komitologie durch ein �Europäisches Gesetz<br />
festgelegt werden, also unter Mitentscheidung<br />
des Europäischen Parlaments. DurchführungsbestimmungenzuEuropäischenGesetzenwerdendann<br />
Europäische Verordnungen heißen (Art. I-33 VVE<br />
2004).<br />
161
EAEA<br />
EAEA (European Association for the Education of<br />
Adults, Europäischer Verband für Erwachsenenbildung).<br />
Transnationaler gemeinnütziger Verband mit<br />
der Aufgabe, europäische Organisationen der Erwachsenenbildung<br />
zu vernetzen und ihre Interessen<br />
zu vertreten.<br />
Anschrift: 27, rue Liedts, B–1030 Brüssel<br />
Internet: www.eaea.org<br />
EAG �EURATOM (Europäische Atomgemeinschaft)<br />
EAGFL (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds<br />
für die Landwirtschaft) �Gemeinsame Agrarpolitik,<br />
�Fonds der EU<br />
EAPC (Euro-Atlantic Partnership Council), Euroatlantischer<br />
Partnerschaftsrat, löste 1997 den sechs<br />
Jahre zuvor geschaffenen Nordatlantischen Kooperationsrat<br />
(NAAC, North Atlantic Cooperation<br />
Council) ab. Dem Rat gehören (Stand 2004) die 19<br />
NATO-Staaten und die 27 PfP-Staaten an (PfP =<br />
Partnership for Peace). Die Partnerschaft für den<br />
Frieden (PfP) wurde 1994 von der NATO gegründet<br />
und steht allen �OSZE-Staaten offen.<br />
Der EAPC ist ein Forum zur Aussprache über sicherheitspolitische<br />
Fragen, Internationales Krisenmanagement,<br />
Rüstungskontrolle und -planung, Terrorismus,<br />
zivil-militärische Katastrophenhilfe. Im Rahmen<br />
der EAPC finden zweimal jährlich Treffen der<br />
Außenminister, der Verteidigungsminister und der<br />
Armeechefs statt. Sitz des Sekretariats ist Brüssel.<br />
EASA (�European Aviation Safety Authority)<br />
�Flugsicherheit<br />
EBIC(EuropeanBusinessInformationCentres),von<br />
der EU in Asien aufgebautes Netz, das Unternehmen<br />
über Märkte, Investitionsmöglichkeiten und Partnerschaften<br />
informiert. Erstes EBIC wurde 1993 auf<br />
den Philippinen gegründet, weitere waren geplant.<br />
Die EBIC haben ihre Tätigkeit 2002 eingestellt. Ihre<br />
Dienstleistungen werden nun von den �Euro Info<br />
Centres (EIC) wahrgenommen.<br />
162<br />
E<br />
EBRD European Bank for Reconstruction and Development<br />
�Europäische Bank für Wiederaufbau und<br />
Entwicklung<br />
eCall-Notrufsystem soll nach einer AbsichtserklärungderKommissionundderAutomobilindustrieab<br />
2009 in alle Neufahrzeuge eingebaut werden. Das<br />
Notrufsystem wird bei einem Unfall automatisch<br />
odermanuelldieEU-Notrufnummer112wählenund<br />
den genauen Standort melden. Normen und Spezifikationen<br />
für das eCall-System sollen bis Ende 2005<br />
festgelegt sein, erste Feldtests 2007 durchgeführt<br />
werden. Voraussetzung ist, dass die um Standortangaben<br />
erweiterte Europa-Notrufnummer E-112 von<br />
allen Notrufzentralen in den EU-Staaten verarbeitet<br />
werden kann.<br />
ECHO (European Community Humanitarian<br />
Office), am 1. 4. 1992 von der Kommission eingerichtetes<br />
Amt für �Humanitäre Hilfe der EG. Es ist<br />
die zentrale Entscheidungsstelle innerhalb der KommissionfürVerwaltungundKoordinierungderHilfe<br />
bei Naturkatastrophen und in Krisengebieten mit bewaffneten<br />
Konflikten. Unterschieden wird zwischen<br />
�Soforthilfe, �Nahrungsmittelhilfe und �Flüchtlingshilfe.<br />
Die Hilfsaktionen werden von rund 200<br />
Partnerorganisationen(UN-Hilfsorganisationen,Internationales<br />
Rotes Kreuz und andere internationale<br />
Organisationen, �Nichtregierungsorganisationen)<br />
vor Ort durchgeführt. Grundlage dafür sind das Finanzierungs-<br />
und Verwaltungsabkommen der EG<br />
mit den UN und Partnerschaftsrahmenverträge mit<br />
internationalen Organisationen und �NRO.<br />
ECHO-Server (European Commission Host Organization,<br />
auch: European Community Host Organization).<br />
Zentraler Server der Kommission, auf<br />
dem zahlreiche Datenbanken der EU installiert sind<br />
(wie�CORDIS,�TED).DaderZugangzunahezuallen<br />
Datenbanken der EU seit 2004 kostenlos ist, ist<br />
eine vorherige Registrierung nicht mehr Voraussetzung<br />
für die Recherche. ECHO ist nicht mehr über<br />
www.echo.lu erreichbar. Daten können u. a. über<br />
www.cordis.lu/ist abgerufen werden.
ECLAS (European Commission’s Libraries Automated<br />
System) ist der digitalisierte Verbundkatalog<br />
der Zentralbibliothek der Europäischen Kommission,<br />
der die im Bibliotheksnetz erfassten Bestände<br />
auflistet. Er zeigt bibliografische Angaben zu den<br />
verfügbaren Dokumenten an (ca. 350 000, jährlich<br />
7 000 neue), ermöglicht aber keine Lieferung oder<br />
Kopie der Dokumente.<br />
Internet: europa.eu.int/eclas<br />
Ecofin-Rat (Economic and Financial) / Rat der<br />
Wirtschafts- und Finanzminister<br />
1. Ecofin ist die Abkürzung für den Rat der EU in der<br />
Zusammensetzung der Wirtschafts- und Finanzminister.<br />
Der Ecofin-Rat ist mit dem „Rat Allgemeine<br />
Angelegenheiten“ (Außenminister) und dem „Landwirtschaftsrat“<br />
(Landwirtschaftsminister) der wichtigste<br />
Rat auf Ministerebene. Er tritt mindestens einmal<br />
im Monat zu Tagungen zusammen. Tagungsort<br />
ist in der Regel Brüssel, zwei Mal im Jahr, jeweils im<br />
Frühjahr und im Herbst, Luxemburg. Zusätzlich findet<br />
pro �Präsidentschaft ein sog. „Informeller Ecofin-Rat“<br />
an einem von der Präsidentschaft zu bestimmenden<br />
Ort statt. Dabei treffen sich die zuständigen<br />
Minister, der Präsident der Kommission, die Gouverneure<br />
aller nationalen �Zentralbanken der Mitgliedstaaten<br />
sowie der �EZB-Präsident. Die vertraulichenBeratungenbeidiesenTreffendienenderVorbereitung<br />
der offiziellen Ecofin-Tagungen; bindende<br />
Beschlüsse kann dieses Gremium nicht fassen.<br />
2. Vorbereitende Gremien: Die Abstimmung der<br />
�Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten ist die wichtigste<br />
Aufgabe des Ecofin (Art. 202, 99 EGV), dessen<br />
Arbeit vom �Ausschuss der Ständigen Vertreter<br />
(AStV) vorbereitet wird (Art. 207 EGV). Zusätzlich<br />
und speziell mit der Zielsetzung, die Koordinierung<br />
der Währungspolitik in der EU zu fördern, unterstützt<br />
der beratende �Wirtschafts- und Finanzausschuss<br />
(WFA) die Arbeit des Ecofin. Jener hat nach<br />
Art. 114 Abs. 2 EGV die Aufgabe, die Wirtschaftsund<br />
Finanzlage der Mitgliedstaaten zu beobachten,<br />
dem Ecofin und der Kommission darüber Bericht zu<br />
erstatten (insbes. über die finanziellen Beziehungen<br />
zu dritten Ländern und internationalen Einrichtungen),<br />
den Ecofin zu beraten und jährlich die Maßnahmen<br />
in den Bereichen Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit<br />
zu prüfen. Jeder Mitgliedstaat und die<br />
Kommission ist mit je zwei Mitgliedern im WFA<br />
vertreten. Darüber hinaus bewertet der WFA zusam-<br />
Ecofin-Rat<br />
men mit der Kommission seit dem Eintritt in die dritte<br />
Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion<br />
(WWU) die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme<br />
der Mitgliedstaaten und legt sie dem Ecofin-Rat zur<br />
Prüfung vor.<br />
3. Aufgaben: Der Ecofin-Rat befasst sich mit der<br />
EU-Politik in mehreren Bereichen: Koordinierung<br />
der Wirtschaftspolitik zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten,<br />
wirtschaftspolitische Überwachung,<br />
Überwachung der Haushaltspolitik und der öffentlichen<br />
Finanzen der Mitgliedstaaten, der �Wirtschafts-<br />
und Währungsunion (Euro) und den Finanzmärkten.<br />
Mit Eintritt in die 3. Stufe der WWU behält<br />
der Ecofin-Rat seine Rolle als zentrales Gremium für<br />
die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten<br />
ungeachtet der Tatsache, dass zunächst<br />
nur 12 der 25 Mitgliedstaaten in die dritte Stufe der<br />
WWU eingetreten sind. Er ist als einziges Gemeinschaftsgremium<br />
befugt, die Grundzüge der Wirtschaftspolitik,<br />
die das Hauptinstrument der wirtschaftspolitischen<br />
Koordinierung darstellt, zu formulieren<br />
und zu verabschieden. Als zentrale Schaltstelle<br />
wirtschaftspolitischer Koordinierung und Beschlussfassung<br />
festigt der Ecofin-Rat somit die Einheit<br />
und den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Er erstellt<br />
und verabschiedet außerdem jedes Jahr zusammen<br />
mit dem Europäischen Parlament den Haushaltsplan<br />
der Europäischen Union (Volumen 2005<br />
knapp über 100 Mrd. Euro), beide bilden die �Haushaltsbehörde.<br />
Er ist darüber hinaus das entscheidende<br />
Gremium, das über die Einhaltung des �Stabilitäts-<br />
und Wachstumspakts wacht. Er entscheidet<br />
über die Eröffnung und den Fortgang von Defizitverfahren<br />
gegen einzelne Mitgliedstaaten wegen übermäßigerHaushaltsdefiziteundlegtletztlichSanktionen<br />
gegen Mitgliedstaaten fest, die den Empfehlungen<br />
des Ecofin-Rates zum Abbau des übermäßigen<br />
Haushaltsdefizits nicht nachgekommen sind. Vor<br />
den regulären Tagungen des Ecofin-Rates treffen<br />
sich die Finanzminister der Staaten, die an der WWU<br />
teilnehmen, in der Regel am Vorabend des Rates, um<br />
Fragen in Verbindung mit der gemeinsamen Währung<br />
vertieft zu erörtern. Hierzu können die Kommission<br />
und die EZB eingeladen werden. Dieses informelle<br />
Gremium wird �Eurogruppe genannt. Ihr<br />
gehören derzeit die Finanzminister Deutschlands,<br />
Frankreichs, Spaniens, Italiens, Griechenlands,<br />
Finnlands,Österreichs,Portugals,Belgiens,derNiederlande,<br />
Luxemburgs und Irlands an. Seit dem<br />
163
Ecofin-Rat<br />
1. 1. 2005 hat die Eurogruppe einen Vorsitzenden,<br />
dessen Amtszeit 2 Jahre beträgt und der aus dem Gremium<br />
heraus gewählt wird. Mit der Einführung eines<br />
für eine längere Zeit gewählten Vorsitzes will die<br />
Gruppe sich ein Gesicht nach außen geben und sie so<br />
stärken.<br />
4. Wirtschaftspolitische Koordinierung: Durch den<br />
Eintritt in die 3. Stufe der WWU werden die VolkswirtschaftenderdemEuro-Währungsgebietangehörenden<br />
Mitgliedstaaten durch die gemeinsame<br />
�Geldpolitik und den einheitlichen Wechselkurs enger<br />
miteinander verflochten. Dies macht eine noch<br />
genauere Überwachung und Koordinierung der<br />
Wirtschaftspolitiken dieser Mitgliedstaaten erforderlich.<br />
Enge wirtschafts- und geldpolitische Wechselbeziehungen<br />
werden auch zu den nicht an der<br />
WWU teilnehmenden Mitgliedstaaten als TeilnehmeramBinnenmarktbestehen.SiewerdenindieKoordinierung<br />
einbezogen, um die weitere Konvergenz<br />
und ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes<br />
sicherzustellen. Gegenstand der vom Ecofin-Rat<br />
vorzunehmenden verstärkten Koordinierung<br />
istnebenderÜberwachungdermakroökonomischen<br />
Entwicklung und der Haushaltspolitik auch die der<br />
nationalen �Strukturpolitik. Mit dem Wegfall nationaler<br />
Geld- und Wechselkurspolitik und der durch<br />
den Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten<br />
Regelungen für strikte Haushaltsdisziplin wird es<br />
nämlich erforderlich, die Anpassungsflexibilität der<br />
jeweiligen Güter-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkte<br />
zu erhöhen.<br />
Der Europäische Rat Luxemburg hat dem Ecofin in<br />
denSchlussfolgerungendesVorsitzesam12./13.12.<br />
1998 daher im Rahmen der verstärkten wirtschaftspolitischen<br />
Koordinierung weitere Aufgaben zugewiesen.<br />
So soll er bei der Formulierung der Grundzüge<br />
der Wirtschaftspolitik den Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven<br />
mehr Beachtung schenken<br />
und von dem Instrument spezieller Empfehlungen<br />
an Mitgliedstaaten, deren Politik nicht mit den<br />
Grundzügen im Einklang steht, stärker Gebrauch<br />
machen. Wenn es um die Durchführung der multilateralen<br />
Überwachung nach Art. 99 EGV, die Bewertung<br />
von Stabilitäts- und Wachstumsprogrammen,<br />
Haushaltsentwicklungen oder strukturelle Fragen<br />
geht, kann der Ecofin auch in engerem Rahmen tagen<br />
(Minister).<br />
5. Verhältnis zur EZB, Außenvertretung und Informationsaustausch:<br />
Präzisiert wurde zum Beginn der<br />
164<br />
3. Stufe der WWU auch das Verhältnis zwischen<br />
Ecofin und EZB in Fragen der Wechselkurspolitik,<br />
der Außenvertretung und des Informationsaustausches.<br />
Während die Geldpolitik durch EGV in die<br />
ausschließliche Zuständigkeit der unabhängigen<br />
EZB gelegt worden ist, sind die wechselkurspolitischen<br />
Kompetenzen prinzipiell dem Ecofin zugewiesen,<br />
wenn auch nicht in alleiniger Verantwortlichkeit.<br />
So ist das ESZB für die Durchführung der<br />
DevisengeschäfteunddieVerwaltungderoffiziellen<br />
Währungsreserven der Mitgliedstaaten zuständig.<br />
Der Ecofin kann seinerseits – einstimmig zu beschließende<br />
– förmliche Wechselkursvereinbarungen<br />
für den Euro gegenüber Drittwährungen auf der<br />
Grundlage von Empfehlungen der EZB oder der<br />
KommissionundunterAnhörungdesEPtreffen.Das<br />
gleiche gilt bei Festlegung, Änderung oder Aufgabe<br />
von Euro-Leitkursen innerhalb eines Wechselkursregimes,<br />
wobei Ecofin-Entscheidungen nur eine<br />
qualifizierte Mehrheit benötigen und das EP nur informiert<br />
wird. Sofern kein spezielles Wechselkurssystem<br />
gegenüber Drittlandswährungen besteht,<br />
kann der Ecofin mit qualifizierter Mehrheit allgemeine<br />
Orientierungen für die Wechselkurspolitik<br />
gegenüber diesen Währungen aufstellen, die allerdings<br />
das vorrangige EZB-Ziel, nämlich die Preisstabilität<br />
zu gewährleisten, nicht beeinträchtigen<br />
dürfen.<br />
Die Außenvertretung der an der Währungsunion teilnehmenden<br />
Mitgliedstaaten in Fragen, die für die<br />
WWU von besonderer Bedeutung sind, ist angesichts<br />
der differenzierten Zuständigkeitsverteilung<br />
nicht einfach zu regeln. In den Beziehungen zu einzelnen<br />
Drittstaaten, zu internationalen Organisationen<br />
oder informellen internationalen Gremien wie<br />
etwa die G 7 oder G 10 geht es dabei insbes. um Fragen<br />
des Wechselkurssystems und der -politik sowie<br />
der internationalen Liquiditätsversorgung. Artikel<br />
111 Abs. 4 EGV sieht vor, dass der Rat auf Vorschlag<br />
der Kommission und nach Anhörung der EZB mit<br />
qualifizierter Mehrheit über die Haltung der Gemeinschaft<br />
befindet. Da die Mitgliedstaaten für wesentliche<br />
Teile der allgemeinen Wirtschaftspolitik<br />
weiterhinselbstzuständigsind,werdensieihreInteressen<br />
außerhalb der Gemeinschaft auch zukünftig<br />
selbst wahrnehmen und dabei die Gemeinschaftsbelange<br />
berücksichtigen. Klar ist auch, dass die EZB in<br />
geldpolitischen Fragen die Position der Gemeinschaft<br />
nach außen vertritt. Bei der Vertretung der Ge-
meinschaft in Wechselkursfragen sieht die Entschließung<br />
des Europäischen Rats von Luxemburg<br />
vor, dass Rat und EZB diese gemeinsam ausüben und<br />
auch die Kommission in die Außenvertretung einbezogen<br />
wird.<br />
Ein umfassender Informationsaustausch zwischen<br />
EcofinundEZBistfüreinewiderspruchsfreiePolitik<br />
im Euro-Währungsgebiet unerlässlich. Artikel 111<br />
EGV bildet die Grundlage dafür, dass Ecofin und<br />
EZB ihre jeweilige Einschätzung der Wirtschaftslage<br />
in der Gemeinschaft und ihre wirtschafts- bzw.<br />
geldpolitischen Absichten regelmäßig austauschen.<br />
So nehmen der Ratspräsident und ein Kommissionsmitglied<br />
an den Sitzungen des EZB-Rats teil, während<br />
der EZB-Präsident zu Ecofin-Tagungen einzuladen<br />
ist, wenn dieser Fragen im Zusammenhang mit<br />
Zielen und Aufgaben der EZB erörtert. Darüber hinaus<br />
hat die EZB dem EP, dem Rat, der Kommission<br />
und dem Europäischen Rat einen Jahresbericht zu<br />
unterbreiten. Die im EGV umfassend geregelte Organisation<br />
der Zusammenarbeit zwischen Ecofin<br />
und EZB klärt entsprechend auch die Zuständigkeitsverteilung<br />
der verschiedenen Politikbereiche<br />
zwischen Ecofin und EZB, so dass in der WWU-<br />
Endstufe die Autonomie der EZB bei ihren geldpolitischen<br />
Entscheidungen nicht beeinträchtigt wird.<br />
S. F.<br />
Eco-Label �Europäisches Umweltzeichen<br />
ECOS.EinedersechsFachkommissionendes �Ausschusses<br />
der Regionen, zuständig für Wirtschaftsund<br />
Sozialpolitik. �CEN<br />
ECOSOC (Economic and Social Council), Wirtschafts-<br />
und Sozialrat der Vereinten Nationen, eines<br />
der 6 Hauptorgane der UNO, zuständig für wirtschaftliche<br />
und soziale Fragen sowie für Entwicklung.<br />
Er setzt sich aus 54 Mitgliedern zusammen.<br />
Mehr als 2 300 Nichtregierungsorganisationen haben<br />
einen Beobachterstatus.<br />
ECSA (European Community Studies Association).<br />
1987 als Vereinigung mitgliedstaatlicher Verbände<br />
von Wissenschaftlern gegründet, die an Universitäten,<br />
Hochschulen und außeruniversitär über Themen<br />
dereuropäischenIntegrationforschen,lehrenundinterdisziplinären<br />
Austausch pflegen. ECSA, mit neuen<br />
Statuten seit 1997 in Belgien als „association in-<br />
ternationale“ (mit Rechtspersönlichkeit und Sitz in<br />
Brüssel) registriert, fördert:<br />
1. Lehre und Forschung über die europäische Integration,<br />
2. die Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen VerbändesowiedieweltweiteHochschulkooperation,<br />
3. die Durchführung transnationaler Forschungsprogramme<br />
und Konferenzen (u. a. die ECSA-World<br />
Conferences,inzweijährigemAbstand,seit1992),<br />
4. die Verbreitung von Informationen zur Integrationsforschung<br />
im Internet.<br />
ECSA veröffentlich eigene Schriften und Sammelbände<br />
(u. a. Tagungsbände zu ECSA-Weltkonferenzen)undgibtdas„Who’sWhoinEuropeanIntegration<br />
Studies“ heraus.<br />
Die (2005) 24 nationalen ECSA-Verbände in den<br />
EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Luxemburg)<br />
und 28 weitere drittstaatliche Verbände auf allen<br />
Kontinenten repräsentieren rund 9 000 Professoren<br />
und Forscher. ECSA arbeitet eng mit der Europäischen<br />
Kommission, GD Bildung und Kultur, zusammen.<br />
ECSA-Mitgliedsverbände im deutschsprachigen<br />
Raum sind in Deutschland der �„Arbeitskreis Europäische<br />
Integration e.V.“ (AEI), in Österreich „Österreichische<br />
Gesellschaft für Europaforschung“<br />
(ECSA Austria) und in der Schweiz die „Schweizerische<br />
Studiengesellschaft für die europäische Integration/Association<br />
suisse pour l’étude de l’intégrationeuropéenne“(ECSASuisse).<br />
B. K. S.<br />
Internet: www.ecsanet.org<br />
Literatur:<br />
ECSA Europe: Who’s Who in European Integration Studies<br />
2000. Baden-Baden, 5. Aufl. 2000<br />
ECTS �European Credit Transfer System<br />
EDICOM<br />
ECU (European Currency Unit) �Europäische Währungseinheit<br />
bis Ende 1998, mit Beginn der 3. Stufe<br />
der �WWU1:1durch den �Euro ersetzt.<br />
EDICOM ist ein EU-Programm zum Aufbau eines<br />
transeuropäischen Netzes zur Verbesserung der Erhebung,<br />
Verarbeitung und Verbreitung statistischer<br />
Daten über den innergemeinschaftlichen Handel sowie<br />
den Handel der EU-Staaten mit Drittländern.<br />
Das Programm wird von der Kommission durchgeführt;<br />
es begann 1996 und wurde 2001 bis 2005 verlängert.<br />
165
EEA<br />
EEA �Einheitliche Europäische Akte<br />
EECCS (European Ecumenic Commission for<br />
Church and Society). Europäische Ökumenische<br />
Kommission für Kirche und Gesellschaft, eine gemeinnützige<br />
Vereinigung nach belgischem Recht<br />
mitSitzinBrüsselundStraßburg.Siewirdvonprotestantischen,anglikanischenundorthodoxenKirchen<br />
aus den Ländern der EU und des Europarats als Mitgliedskirchen<br />
getragen.<br />
Aufgaben: Informationen der Mitglieder, Kontakte<br />
und regelmäßiger Dialog mit den europäischen Institutionen<br />
des Europarats und der EU mit dem Ziel, gemeinsame<br />
kirchliche Anliegen zur Sprache zu bringen<br />
(z. B. Erweiterung der EU, Zukunft der Erwerbsarbeit,<br />
Menschenrechtspolitik, Bioethik).<br />
Die EECCS wurde 1999 als eigenständige Organisation<br />
aufgelöst und ist als Kommission für Kirche und<br />
Gesellschaft (KKG) in die �Konferenz Europäischer<br />
Kirchen(KEK)integriert. W.M.<br />
EEF �Europäischer Entwicklungsfonds, �Fonds der<br />
EU, �Entwicklungspolitik<br />
eEurope. eEurope ist eine politische Initiative der<br />
Europäischen Kommission, die gewährleisten soll,<br />
dass die Europäische Union das Potential der Technologien<br />
der Informationsgesellschaft bestmöglich<br />
nutzt.<br />
1. Entstehung der Initiative eEurope 2002. Die Europäische<br />
Kommission verabschiedete am 8. 12. 1999<br />
die Mitteilung „eEurope – Eine Informationsgesellschaft<br />
für alle“ (KOM 1999/687 endg., nicht im ABl.<br />
veröffentlicht). Der Europäische Rat begrüßte bei<br />
seiner Sitzung in Helsinki diese Mitteilung und ersuchte<br />
die Kommission, zusammen mit dem Rat den<br />
„eEurope“-Aktionsplan vorzubereiten und dem Europäischen<br />
Rat auf seiner Sondersitzung am 23./24.<br />
3. 2000 in Lissabon einen Zwischenbericht vorzulegen.<br />
Dieser Bericht wurde damit Teil der �Lissabon-Strategie.<br />
Das in Lissabon festgelegte strategische<br />
Ziel, die Union bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbfähigsten<br />
und dynamischsten wissensbasierten<br />
Wirtschaftsraum der Welt zu machen, verlangte<br />
auch den Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft<br />
und Gesellschaft durch bessere Politiken für<br />
die Informationsgesellschaft. Der Europäische Rat<br />
in Lissabon ersuchte deshalb Rat und Kommission,<br />
ihm noch im Juni 2000 einen umfassenden „eEuro-<br />
166<br />
pe“-Aktionsplan vorzulegen. Dieser Aktionsplan<br />
sollte auf die neue �„offene Koordinierungsmethode“<br />
gestützt werden. Diese Methode war vom Europäischen<br />
Rat in Lissabon für eine Reihe von Politikbereicheneingeführtworden.Dabeisolltevoneinem<br />
Vergleich nationaler Initiativen im Rahmen eines<br />
Benchmarking-Prozesses (�Benchmarking) ausgegangen<br />
werden. Am 19. und 20. 6. 2000 bekräftigte<br />
der Europäische Rat in Santa Maria da Feira diese Initiativeundbilligtedenumfassenden„eEurope“-Aktionsplan<br />
2002. Er forderte alle Organe der EU, die<br />
Mitgliedstaaten und alle anderen Beteiligten auf, die<br />
vollständige Durchführung dieses Aktionsplanes bis<br />
2002 sicherzustellen und langfristige Perspektiven<br />
füreinewissensbasierteWirtschaftzuentwickeln.<br />
2. Ziele der Initiative. Die politische Initiative verfolgt<br />
drei Hauptziele:<br />
– Jeder Bürger, jeder Haushalt, jede Schule, jedes<br />
Unternehmen und jede Verwaltungseinrichtung soll<br />
ans Internet angeschlossen und ins digitale Zeitalter<br />
geführt werden.<br />
– Europa soll digital kompetent werden, unterstützt<br />
von einer unternehmerischen Kultur, die zur Finanzierung<br />
und Entwicklung neuer Ideen bereit ist.<br />
– Es soll gewährleistet werden, dass alle Teile der<br />
Gesellschaft in diesen Prozess einbezogen werden<br />
und dass das Vertrauen der Verbraucher gewonnen<br />
und der soziale Zusammenhalt gestärkt werden.<br />
Die Initiative zielt darauf ab, den Menschen preiswerte<br />
und zugängliche Instrumente zur Höherqualifizierung<br />
an die Hand zu geben. Die Initiative „eEurope“<br />
ist damit auch ein Teil der BeschäftigungsstrategieimRahmendes�Luxemburg-ProzessesderEuropäischenUnion.EineMitteilungderEuropäischen<br />
Kommission zu „Strategien für mehr Arbeitsplätze<br />
in der Informationsgesellschaft“ enthält dementsprechend<br />
Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, die<br />
Sozialpartner und die Wirtschaft, wie Defizite in den<br />
Bereichen Lernen, Arbeiten, öffentliche Dienstleistungen<br />
und Unternehmen in der Informationsgesellschaft<br />
ausgeglichen werden können (KOM 2000/<br />
48 endg. vom 4. 2. 2000)<br />
3. Maßnahmenbereiche im Rahmen der Initiative.<br />
Zur Erreichung dieser Ziele werden gemeinsame<br />
Maßnahmen der Union mit den Mitgliedstaaten, der<br />
Industrie und den europäischen Bürgern in einer Reihe<br />
von Schwerpunktbereichen vorgeschlagen. Es<br />
gehtvorallemumdiefolgenden10Handlungsfelder:<br />
– Europas Jugend ins digitale Zeitalter.
– Billigerer Internetzugang.<br />
– FörderungdeselektronischenGeschäftsverkehrs.<br />
– SchnellesInternetfürWissenschaftlerundStudenten.<br />
– Intelligente Chipkarten für sicheren elektronischen<br />
Zugang.<br />
– Risikokapital für Hochtechnologie bei den kleinen<br />
und mittleren Unternehmen (�KMU).<br />
– eTeilnahme für Behinderte.<br />
– Gesundheitsfürsorge über das Netz.<br />
– Intelligenter Verkehr.<br />
– Regierung und Verwaltung am Netz.<br />
Es wurde bei der Vorlage der Initiative davon ausgegangen,dassEuropadann,wennesdenSchwerpunkt<br />
seiner Politik auf diese 10 Bereiche legt, in die Lage<br />
versetzt wird, eine Vielzahl hochqualifizierter Arbeitsplätze<br />
zu schaffen. Dabei galt es Hindernisse zu<br />
überwinden: Der Zugang zum Internet und zum elektronischen<br />
Geschäftsverkehr erwies sich als teuer,<br />
unsicher und langsam, nur ein geringer Teil der BevölkerungnutztedasNetzundgaltfürdieKommission<br />
deshalb als „digital mündig“, die Unternehmenskultur<br />
war nicht hinreichend dynamisch und dienstleistungsorientiert<br />
und der öffentliche Bereich förderte<br />
die Entwicklung neuer Anwendungen und<br />
Dienste nicht aktiv genug.<br />
4. Zielvorgaben. Deshalb gab die Kommission Zielsetzungen<br />
vor, die als Grundlage für einen Benchmarking-Prozess<br />
innerhalb der europäischen Beschäftigungsstrategie<br />
im Rahmen des Luxemburg-<br />
Prozesses dienen sollen. Zu jedem dieser Punkte<br />
wurde eine genaue Analyse vorgenommen; es wurden<br />
Ziele vorgeschrieben, die jeweils zu einem bestimmten<br />
Zeitpunkt zwischen 2001 und 2003 erreicht<br />
werden sollten. So sollten bis Ende 2001 z. B.<br />
alle Schulen in der Europäischen Union Zugang zum<br />
Internet und zu den multimedialen Ressourcen haben.<br />
Alle Lehrer und Schüler sollten bis zu diesem<br />
Zeitpunkt Zugang zu unterstützenden Diensten im<br />
Netz erhalten. Bis 2001 sollten außerdem alle Studenten<br />
über das Netz Zugang zu interaktiven multimedialen<br />
Vorlesungen einer virtuellen europäischen<br />
Universität, die sich aus mindestens einer Universität<br />
oder Ausbildungseinrichtung pro Mitgliedstaat<br />
zusammensetzt, erhalten. Bis 2002 sollten z. B. alle<br />
Lehrer persönlich für die Nutzung des Internets und<br />
multimedialer Ressourcen ausgerüstet und ausgebildet<br />
sein. Alle Schüler sollten zu diesem Zeitpunkt in<br />
ihrem Klassenzimmer einen Hochgeschwindig-<br />
eEurope<br />
keitszugang zum Internet und zu den multimedialen<br />
Ressourcen haben. Bis Ende 2003 sollten z. B. alle<br />
Schüler „digital mündig sein“, wenn sie die Schule<br />
verlassen haben, d. h. mit den modernen Informationstechnologien<br />
leicht umgehen können. Außerdem<br />
sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen,<br />
dass die Bürger einen allgemeinen elektronischen<br />
Zugang zu den wichtigsten grundlegenden öffentlichen<br />
Diensten bis 2003 erhalten. Die Regelungen<br />
über das Beschaffungswesen sollten für elektronische<br />
Ausschreibungsverfahren und Transaktionen<br />
angepasst werden.<br />
5. Leistungsvergleiche (Benchmarks). Der vom Europäischen<br />
Rat in Feira verabschiedete Aktionsplan<br />
„eEurope 2002“ legte fest, dass eine beschränkte Anzahl<br />
von zielgerichteten eEurope-Leistungsvergleichen<br />
definiert werden müsse, um die Fortschritte bei<br />
der Umsetzung zu messen. Der Rat billigte deshalb<br />
am 30. 11. 2002 eine Liste von 23 Leistungsvergleich-Indikatoren.<br />
Dieses „Benchmarking“ von „eEurope“ sollte vollständig<br />
koordiniert mit der Entwicklung der Strukturindikatoren<br />
im Rahmen der Lissabon-Strategie erfolgen.<br />
Es sollte den Mitgliedstaaten ermöglichen,<br />
ihre Leistungen zu vergleichen, vorbildliche Verfahren<br />
aufzuzeigen und Erkenntnisse darüber zu gewinnen,<br />
welche Faktoren für eine Weiterverbreitung digitaler<br />
Technologien entscheidend sind. Außerdem<br />
sollte dieses Verfahren Abhilfemaßnahmen ermöglichen.<br />
Dabei handelte es sich sowohl um quantitative<br />
als auch um qualitative Vergleichsmaßstäbe. Dieses<br />
Benchmarking sollte vor allem den Austausch<br />
von Erfahrungen im Rahmen der „offenen Koordinierungsmethode“<br />
ermöglichen. Es sollte den Mitgliedstaaten<br />
und den anderen Beteiligten eine Reihe<br />
politischer Konzepte liefern, mit denen die zu beseitigenden<br />
Hindernisse angegangen werden können.<br />
6. Notwendige Rahmenbedingungen. Zur Erreichung<br />
dieser Ziele galt es günstige Bedingungen zu<br />
schaffen. Das betraf z. B. ein Telekommunikationspaket,<br />
Regelungen über den Fernabsatz von Dienstleistungen<br />
und den Urheberrechtschutz, die Vermittlung<br />
umfassender Qualifikationen in den modernen<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien,<br />
Maßnahmen in den Schulen und im Bereich des lebenslangen<br />
Lernens ganz allgemein – sog. �eLearning<br />
– sowie die Unterstützung vor allem der kleinen<br />
und mittleren Unternehmen beim Einstieg in den<br />
elektronischen Geschäftsverkehr. Das betraf ferner<br />
167
Effet utile<br />
die Aufgeschlossenheit der Regierungen und öffentlichen<br />
Verwaltung für die Verwendbarkeit der modernen<br />
Technologien im öffentlichen Sektor.<br />
7. Finanzierung. Diese Strategien sollen auch durch<br />
Investitionen der Europäischen �Strukturfonds von<br />
Seiten der Europäischen Union mitfinanziert werden.<br />
Ansonsten setzt die Initiative auf eigene Leistungen<br />
in den Mitgliedstaaten und der betroffenen<br />
Bürger und Unternehmen.<br />
8. Bilanz der Initiative. Bei den anschließenden Europäischen<br />
Räten in Nizza vom 7. bis 9. 12. 2000 und<br />
von in Stockholm am 23./24. 3. 2001 wurde festgestellt,<br />
dass die Auswirkungen von „eEurope“ weit<br />
über den öffentlichen Sektor in der Europäischen<br />
Union hinaus spürbar würden. Das Rechtsetzungsverfahren<br />
sei beschleunigt, eine Reihe von Veranstaltungen<br />
und Maßnahmen seien durchgeführt worden.<br />
Es wurden aber auch noch Defizite und weitere<br />
Handlungserfordernisse festgestellt. Für den Europäischen<br />
Rat in Stockholm hatte die Europäische<br />
Kommission in einer Mitteilung dargelegt, dass<br />
„eEurope“ auch eine Initiative für die Beitrittskandidaten<br />
sein müsse.<br />
9. Initiative eEurope 2005. Ein weiterer Anstoß für<br />
„eEurope“ erfolgte während der Europäischen Räte<br />
in Barcelona vom 15. bis 16. 3. 2002 und von Sevilla<br />
vom 21. bis 22. 6. 2002. Gestützt auf deren Schlussfolgerungen<br />
und aufgrund von Mitteilungen und<br />
Vorlagen der Kommission zu diesem Themenbereich<br />
fasste der Rat am 18. 2. 2003 eine Entschließung<br />
über die Umsetzung eines Aktionsplanes „eEurope<br />
2005“ (ABl. C 48/2003).<br />
Dieser neue Aktionsplan führte die Ziele des ersten<br />
Aktionsplanes „eEurope 2002“ weiter. Hierin wurden<br />
die Mitgliedstaaten aufgefordert, mit den in einem<br />
Anhang enthaltenen Indikatoren für den Leistungsvergleich<br />
und unter Berücksichtigung der jeweiligen<br />
nationalen, institutionellen und administrativen<br />
Strukturen ihr Möglichstes zu tun, um die Ziele<br />
des Aktionsplanes zu verwirklichen, die Netzwerksicherheit<br />
und die Breitbandtechnik zu fördern und<br />
„eGovernment“, „eLearning“, „eHealth“, „eBusiness“<br />
voranzubringen.<br />
Die speziellen Ziele von „eEurope“ 2005, die bis<br />
2005 erreicht werden sollen, sind:<br />
– Moderne öffentliche online-Dienste über Breitband:<br />
Elektronische Behördendienste, Dienste für<br />
elektronisches Lernen, online-Gesundheitsfürsorgedienste;<br />
168<br />
– Ein dynamisches Umfeld für den elektronischen<br />
Geschäftsverkehr;<br />
– Breitbandzugang zu wettbewerbsfähigen Preisen<br />
fast überall;<br />
– Eine sichere Informationsinfrastruktur.<br />
Auch dieser Aktionsplan „eEurope“ 2005 ist Teil der<br />
Lissabon-Strategie zur Modernisierung der europäischen<br />
Wirtschaft und zum Aufbau einer wissensgestützten<br />
Wirtschaft in Europa. Die Halbzeitbilanz<br />
von „eEurope“ 2005 wurde im Februar 2004 getroffen.DasErreichendergesetztenZielebis2005bleibt<br />
weiterhin zu überprüfen. Die Kommission berichtet<br />
hierüber dem Rat, dem Europäischen Parlament,<br />
dem Europäischen �Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />
und dem �Ausschuss der Regionen<br />
10. Programm „MODINIS“. Am 17. 11. 2003 hatten<br />
das Europäische Parlament und der Rat eine Entscheidung<br />
zur Annahme des gemeinschaftlichen<br />
Programms MODINIS (2003 bis 2005) zur Verfolgung<br />
der Umsetzung des Aktionsplanes „eEurope“<br />
2005, zur Verbreitung empfehlenswerter Verfahren<br />
und zur Verbesserung der Netz- und Informationssicherheit<br />
erlassen (ABl. L 336/2003). Das Programm<br />
hat zum Ziel, die bisherigen Leistungen zu beobachten,<br />
empfehlenswerte Verfahren zu verbreiten, Analysen<br />
und strategische Erörterungen zu ermöglichen<br />
und die Netz- und Informationssicherheit zu verbessern.<br />
I. B.-M.<br />
Internet: http://europa.eu.int/information_society/eeurope/<br />
2005/index<br />
Effet utile, praktische Wirksamkeit, volle Sinnentfaltung.<br />
Eine besondere, im Wesentlichen teleologische<br />
Auslegungsmethode des EuGH, um möglichst<br />
alle im Gemeinschaftsrecht angelegten europäischen<br />
Befugnisse umfassend auszuschöpfen. Nach<br />
ihr soll grundsätzlich jede europarechtliche Norm so<br />
ausgelegt werden, dass sie maximale Nutzung pro<br />
europäische Integration entfaltet. Dies kann bisweilenmitdem�PrinzipderbegrenztenEinzelermächtigungkollidieren.<br />
J. M. B.<br />
Effizienzgebot. In erweitertem Sinne verlangt das<br />
Effizienzgebot sparsames und wirksames Wirtschaften<br />
der staatlichen und gemeinschaftlichen Organe,<br />
die insoweit der Kontrolle der Rechnungshöfe<br />
unterliegen.<br />
In engerem Sinne bezieht sich das Effizienzgebot auf<br />
denVollzugdesGemeinschaftsrechtsdurchnationa-
le Behörden der Mitgliedstaaten (�effet utile). Sie<br />
dürfen dabei Verzögerungen oder Defizite in der<br />
Durchführung nicht mit Besonderheiten oder Problemen<br />
ihrer Verwaltungsorganisation entschuldigen.<br />
Das Effizienzgebot verlangt, dass das Gemeinschaftsrecht<br />
nicht durch Anwendung des nationalen<br />
Verwaltungsrechts in seiner Wirkung oder Tragweite<br />
beeinträchtigt werden darf. Entsteht durch Nichtbeachtung<br />
des Effizienzgebots ein Schaden, kann<br />
der Staat dafür haftbar gemacht werden.<br />
EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung)<br />
�Fonds der EU<br />
EFTA (European Freetrade Association) �Europäische<br />
Freihandelsassoziation<br />
EFZW �EuropäischerFondsfür währungspolitische<br />
Zusammenarbeit<br />
EG-Kammer des Deutschen Bundesrates (bis<br />
1993). 1988 durch Änderung der Geschäftsordnung<br />
des Bundesrates geschaffen. Die Bundesregierung<br />
war nach einem Beschluss des Bundesrates vom<br />
16. 5. 1986 zur �Einheitlichen Europäischen Akte<br />
verpflichtet, „vor ihrer Zustimmung zu Beschlüssen<br />
derEuropäischenGemeinschaftenzuEG-Vorhaben,<br />
die ganz oder in einzelnen Bestimmungen in die ausschließliche<br />
Gesetzgebungskompetenz der Länder<br />
fallen oder deren wesentliche Interessen berühren,<br />
die Stellungnahme des Bundesrates einzuholen“. Sie<br />
durfte „nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen<br />
Gründen“ vom Votum des Bundesrates<br />
abweichen. In der EG-Kammer war jedes Bundesland<br />
mit einem Mitglied vertreten. Nach Gründung<br />
der Europäischen Union 1993 ersetzt durch die �Europakammer.<br />
W. M.<br />
EGKS �Europäische Gemeinschaft für Kohle und<br />
Stahl<br />
eGovernment �eEurope<br />
EigenmittelderEuropäischenGemeinschaften<br />
1. Begriff und Ziel: Die Eigenmittel der EU sind die<br />
derGemeinschaftzumAusgleichihresHaushaltszugewiesenen<br />
Finanzmittel. Der Haushalt der Gemeinschaft<br />
wird vollständig aus diesen Mitteln finanziert.<br />
Sie beruhen auf folgenden Rechtsgrundlagen: Art.<br />
Eigenmittel<br />
269 EGV, Art. 173 EAGV, bis 2002 auch: Art. 49–53<br />
EGKSV; Beschluss vom 21. 4. 1970 über die Ersetzung<br />
der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch<br />
eigene Mittel der Gemeinschaften, Beschluss vom<br />
29. 9. 2000 über das System der eigenen Mittel der<br />
Gemeinschaft; für die Anleihen: Art. 308 EGV, Art.<br />
172 und 203 EAGV.<br />
Durch die Schaffung der Eigenmittel wurde das Ziel<br />
der Sicherung eines gewissen Maßes an Finanzautonomie<br />
für die EG verfolgt. Dazu ist vorgesehen, die<br />
eigenen Mittel mit der Zeit an die Erfordernisse der<br />
Entwicklung der Gemeinschaften/Union anzupassen.<br />
Die Tatsache, dass den Gemeinschaften eigene<br />
Mittel zur Deckung ihrer Ausgaben zur Verfügung<br />
gestellt werden, bildete die Grundlage für die Haushaltsbefugnisse<br />
des Europäischen Parlaments. Da<br />
die der Gemeinschaft zugewiesenen Mittel der Kontrolle<br />
der nationalen Parlamente entzogen werden,<br />
musste eine demokratische Kontrolle auf Gemeinschaftsebene<br />
sichergestellt werden.<br />
2. Finanzierungssysteme der Gemeinschaften<br />
2.1 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl:<br />
Die erste Gemeinschaft, die EGKS, die vertragsgemäß<br />
2002 beendet wurde, war seit Beginn (1952) mit<br />
einem Finanzierungssystem ausgestattet, das auf der<br />
Erhebung von Umlagen und der Aufnahme von Anleihen<br />
beruhte.<br />
Die EGKS-Umlage: Die EGKS verfügte über ein –<br />
wenn auch begrenztes – Besteuerungsrecht. Die in<br />
der Europäischen Kommission aufgegangene Hohe<br />
Behörde hatte das Recht, auf die Erzeugung von<br />
Kohle und Stahl eine Umlage zu erheben, deren Satz<br />
1 % nur überschreiten durfte, wenn die Kommission<br />
die vorherige Genehmigung des Rates erhielt, der<br />
mit Zweidrittelmehrheit zustimmen musste. Im HinblickaufdasAuslaufendesEGKS-VertragsimJahre<br />
2002 war der Umlagesatz ab dem Funktionshaushaltsplan<br />
1998 auf 0 % gesetzt worden.<br />
Wegen der Krise im Kohle- und Stahlsektor war es<br />
früher bereits notwendig, zusätzliche Finanzmittel<br />
aufzubringen, sei es durch von den Mitgliedstaaten<br />
gezahlte Beiträge oder einen im Gesamthaushaltsplan<br />
der Gemeinschaft eingesetzten Beitrag. Während<br />
noch für 1985 im Gesamthaushalt der EG Mittel<br />
in Höhe von 62,5 Millionen ECU für den sozialen<br />
Aspekt der wirtschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahmen<br />
in den Eisen- und Stahlunternehmen<br />
eingesetzt wurden, fanden sich in den folgenden<br />
Haushaltsplänen keine Mittelansätze mehr für die-<br />
169
Eigenmittel<br />
sen Bereich. Die Zölle auf EGKS-Erzeugnisse, die<br />
nur einen sehr bescheidenen Betrag ausmachten,<br />
wurden seit dem Beschluss über das System der eigenen<br />
Mittel der EG von 1988 in den Gesamthaushaltsplan<br />
der Gemeinschaft einbezogen.<br />
2.2 Europäische (Wirtschafts-)Gemeinschaft, Europäische<br />
Atomgemeinschaft: Die Haushalte der EWG<br />
und der EURATOM wurden zunächst durch Finanzbeiträge<br />
der Mitgliedstaaten finanziert (Art. 200<br />
EWGV), die von diesen nach bestimmten Aufbringungsschlüsseln<br />
an die Gemeinschaften abgeführt<br />
wurden (bis Ende 1970: Deutschland, Frankreich<br />
und Italien je 28 %, Belgien und die Niederlande je<br />
7,9 %, Luxemburg 0,2 %). Die Aufbringungsschlüssel<br />
konnten vom Rat einstimmig geändert werden.<br />
Mit zunehmender Umsetzung der Ziele der Verträge<br />
und Übertragung neuer Aufgaben wurde die Schaffung<br />
eines angemessenen Finanzierungsfundaments<br />
für die Gemeinschaft durch Zuweisung von Eigenmitteln<br />
notwendig.<br />
Die Eigenmittel wurden durch den Beschluss vom<br />
21. 4. 1970 geschaffen, der sich auf die Art. 201<br />
EWGV und Art. 173 EAV stützt. Darin wurden der<br />
Gemeinschaft neben den Mitteln aus den Agrarabschöpfungen,<br />
der Zuckerabgabe und dem Zollaufkommen<br />
aufgrund des �Gemeinsamen Zolltarifs<br />
Mehrwertsteuer-(MwSt-)Einnahmen zugewiesen,<br />
die sich aus der Anwendung eines Satzes ergeben,<br />
der 1 % einer steuerpflichtigen Bemessungsgrundlagenichtüberschreitendarf,welcheeinheitlichfürdie<br />
Mitgliedstaaten nach Gemeinschaftsvorschriften<br />
bestimmt wird (sie entspricht in etwa dem Konsum).<br />
Bereits im Haushaltsplan für 1985 reichten die zu<br />
dieser Zeit verfügbaren Eigeneinnahmen mit der<br />
Höchstgrenze des MwSt-Satzes von 1 % zur Finanzierung<br />
des Haushalts nicht aus; die Mitgliedstaaten<br />
haben die Lücke durch „nicht rückzahlbare Vorschüsse“<br />
gedeckt. Im neuen Eigenmittelbeschluss<br />
von 1985 wurde der MwSt-Satz angehoben. Aber<br />
170<br />
schon bald wurde klar, dass die Gemeinschaftstätigkeiten,<br />
insbes. auch im Hinblick auf die Vollendung<br />
des Binnenmarktes, mit diesen Eigenmitteln nicht zu<br />
finanzieren waren. Auf Vorschlag der Kommission<br />
einigte sich der Europäische Rat im Februar 1988 auf<br />
ein neues Finanzierungssystem für die Gemeinschaften,<br />
das durch den Eigenmittelbeschluss des<br />
Ratesvom24.6.1988inEG-Rechtumgesetztwurde.<br />
3. Neue Eigenmittel: Der neue Eigenmittelbeschluss<br />
von 1988, der den Beschluss von 1985 ersetzte, erweiterte<br />
die bereits bestehenden Eigenmittel – also<br />
Agrarabschöpfungen, Zuckerabgaben, Zölle (jetzt<br />
zuzüglich der Zölle auf EGKS-Erzeugnisse) und<br />
Aufkommen aus einem MwSt-Satz von 1,4%–um<br />
die sog. vierte Einnahmequelle, die sich aus der Anwendung<br />
eines unter Berücksichtigung aller sonstigen<br />
Einnahmen festzulegenden Satzes auf den Gesamtbetrag<br />
des BSP aller Mitgliedstaaten ergibt.<br />
Nach den Beschlüssen des Europäischen Rates von<br />
Edinburgh im Dezember 1992 wurde 1994 ein neuer<br />
Eigenmittelbeschluss verabschiedet, wonach die<br />
Obergrenze der Eigeneinnahmen bis 1999 von 1,2<br />
auf 1,27 % des EU-BSP ansteigt und der MwSt-<br />
Anteil vom jetzigen Satz von 1,4 % auf 1,0 % herabgesetzt<br />
wird. Diese Beträge gelten im Grundsatz<br />
auch noch nach dem Eigenmittelbeschluss vom<br />
29. 9. 2000, allerdings entspricht die Eigenmittelobergrenze<br />
von 1,27 % des EU-BSP nunmehr wegen<br />
einer geänderten Berechnungsmethode 1,24 % des<br />
Bruttonationaleinkommens (BNE).<br />
DamitumfassendieEigenmittelderGemeinschaft:<br />
– die Agrarabschöpfungen und die auf die Zuckererzeugung<br />
erhobenen Abgaben sowie die aufgrund des<br />
Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) auf Einfuhren in die<br />
Gemeinschaft erhobenen Zölle (2005: ca. 12,4 Mrd.<br />
Euro);<br />
– das Aufkommen aus einem Mehrwertsteuersatz,<br />
derauf1%festgesetztist(2005:ca.15,3Mrd.Euro).<br />
– Einnahmen, die sich aus der Anwendung eines im<br />
Entwicklung der Einnahmen aus Eigenmitteln in Prozent<br />
1990 1999 2001 2005<br />
Agrarabschöpfungen und Zuckerabgabe 5,2 2,3 2,2 1,5<br />
Zölle 25,9 14,3 13,5 10,3<br />
Mehrwertsteuer-Eigenmittel 64,4 36,4 36,8 14,7<br />
Anteil nach dem Bruttosozialprodukt 4,5 47,0 47,5 73,4<br />
Eigenmittelbeschlüsse: 1988 – 1992; 1993 – 1999; 2000 – 2006
Rahmen des Haushaltsverfahrens unter Berücksichtigung<br />
aller sonstigen Einnahmen festzulegenden<br />
Satzes auf den Gesamtbetrag des BNE aller Mitgliedstaaten<br />
ergeben (bis zu 1,24 %). In diesem Rahmen<br />
wird neben den anderen Einnahmen zunächst<br />
einmal der Anteil an der MwSt bis zur Höhe von 1 %<br />
ausgeschöpft (effektiver Abrufsatz 0,50 % nach Anwendung<br />
verschiedener Kriterien); die darüber hinaus<br />
bestehende Finanzierungslücke wird durch eine<br />
Gemeinschaftsabgabe in Höhe der Differenz zwischen<br />
MwSt-Aufkommen und verfügbarem BSP-<br />
Anteil gedeckt (2005: ca. 77,1 Mrd. Euro, insgesamt<br />
werden die gesamten Eigenmittel auf unter 1,15 %<br />
des BSP vorausgeschätzt). Seit 1988 wurden die<br />
Obergrenzen bei weitem nicht ausgeschöpft. Für<br />
Länder mit hohem Konsumanteil am MwSt-Aufkommen<br />
wird ein Korrekturmechanismus angewendet.<br />
– Verschiedene Einnahmen, z. B. aus Zinsen, Geldbußen,<br />
Steuern auf die Gehälter der EU-Bediensteten<br />
etc. (2005: ca. 1,0 Mio. Euro).<br />
Es ist darauf hinzuweisen, dass der MwSt-Satz nicht<br />
zum innerstaatlichen Satz hinzukommt, sondern auf<br />
diesen angerechnet wird, da ein beachtlicher Teil der<br />
Ausgaben der Gemeinschaft das Ergebnis einer Verlagerung<br />
von früher auf nationaler Ebene verwirklichter<br />
Maßnahmen auf die europäische Ebene darstellt,<br />
deren Durchführung bzw. Einleitung auf gemeinschaftlicher<br />
Ebene wirtschaftlicher und effizientererschien.AusdiesemSystemergibtsich,dass<br />
für einige Mitgliedstaaten ein im Vergleich zu ihrem<br />
Anteil am EU-BSP höherer Anteil an den Eigenmitteln<br />
zu verzeichnen ist.<br />
4. Anleihen: Neben der Finanzierung durch die Eigenmittel<br />
besteht die Möglichkeit der Finanzierung<br />
bestimmterMaßnahmenüberdieAufnahmevonAnleihenunddieVergabevonDarlehen.DieAnleihetätigkeit<br />
hat seit 1978 einen beachtlichen Aufschwung<br />
genommen.DieKapitaltransaktionenundderSchuldendienst<br />
werden seit einigen Jahren in einem Anhang<br />
zu dem die Kommission betreffenden Einzelplan<br />
des Haushaltsplans aufgeführt, die Operationen<br />
der EGKS und der Europäischen Investitionsbank<br />
hingegennicht.EntsprechenddemVollständigkeitsprinzipunddaderGesamthaushaltsplanteilweiseals<br />
Garantie für diese Operationen dient, müssten auch<br />
alle diese Operationen voll in den Gesamthaushaltsplan<br />
integriert werden, wie es insbes. das Europäische<br />
Parlament seit langem fordert.<br />
Einheitliche Europäische Akte<br />
5. Bewertung und zukünftige Finanzierung: Das bestehende<br />
Eigenmittelsystem ist weiterhin von einer<br />
bedeutenden Abhängigkeit von den nationalen<br />
Haushalten gekennzeichnet; von einer wirklichen<br />
Finanzautonomie der Gemeinschaft kann noch nicht<br />
gesprochen werden. Daher werden Lösungen untersucht,<br />
die eine deutliche Unterscheidung zulassen,<br />
welcher Anteil am Steueraufkommen rechtmäßig<br />
den Mitgliedstaaten und welcher der Gemeinschaft<br />
zusteht und die Einnahmen der EU schaffen, die<br />
durch die Art ihrer Erhebung einen unmittelbaren<br />
Bezug zwischen der EU (und ihren Haushaltsbehörden)<br />
und dem steuerzahlenden Bürger herstellen.<br />
Hierwirdz.B.aneinealleinvonderEUverantworteteSteuergedachtoder–wennmanbeiderMwStbleiben<br />
will – daran, der EU in Zukunft einen eigenen<br />
Steueranteil auf der nationalen Bemessungsgrundlage<br />
zuzuweisen, der zu dem Satz für die nationale<br />
Mehrwertsteuerhinzukäme,sodassdieGesamtbelastung<br />
des Bürgers sich aus der Summe beider Steuersätze<br />
ergäbe. Die Probleme der Eigenmittel der EU<br />
werden insbes. im Hinblick auf die Erweiterung der<br />
Union um neue Mitgliedstaaten und den neuen Finanzrahmen<br />
(2007 – 2013) nach Auslaufen des derzeitigen<br />
Finanzrahmens Ende 2006 wieder verstärkt<br />
diskutiertwerden. K. H. O.<br />
�Finanzielle Vorausschau<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Agenda 2000 – Eine stärkere und<br />
erweiterte Union, Bd.1, 3. Teil: Der neue Finanzrahmen<br />
(2000 – 2006). KOM/97/2000<br />
Dies.: Mitteilung der Kommission vom 10. 2. 2004 – „Unsere<br />
gemeinsame Zukunft aufbauen – Politische Herausforderungen<br />
und Haushaltsmittel der erweiterten Union – 2007 – 2013“.<br />
KOM (2004) 101<br />
Dies.: Bericht der Kommission v. 6. 9. 2004 über das<br />
Funktionieren des Eigenmittelsystems. KOM(2004) 505<br />
Einheitliche Europäische Akte (EEA). Die Einheitliche<br />
Europäische Akte ist der erste Änderungsvertrag<br />
der Gründungsverträge der Europäischen<br />
Gemeinschaften, den die Mitgliedstaaten am 17. 2.<br />
1986 beschlossen haben und der am 1. 7. 1987 in<br />
Kraft trat. Er schuf wichtige Grundvoraussetzungen<br />
fürdieVollendungdesBinnenmarktesundstelltedie<br />
�Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) auf<br />
eine vertragliche Basis.<br />
Der durch die Einheitliche Europäische Akte eingeleitete<br />
Vertiefungsprozess wurde durch den Maastrichter<br />
Vertrag und Verträge von Amsterdam und<br />
Nizza fortgesetzt.<br />
171
Einheitliche Europäische Akte<br />
1. Vom Entwurf einer Europäischen Akte zur EEA<br />
1.1 Genscher-Colombo-Vertragsentwurf: Der deutsche<br />
Außenminister Genscher ergriff Anfang 1981<br />
eine Initiative zum Ausbau der Gemeinschaft in<br />
Richtung auf eine �Europäische Union. Dieser „Entwurf<br />
einer Europäischen Akte“ sah im institutionellen<br />
Teil die Zusammenführung der EG und der �EPZ<br />
unter Einschluss der Sicherheitspolitik vor. Durch<br />
AusbauderPositiondesEuropäischenRatesalspolitisches<br />
Leitungsgremium, Erweiterung der Kompetenzen<br />
des Europäischen Parlaments (aber keine materielle<br />
Mitentscheidung des Parlaments bei der Gesetzgebung)<br />
und durch die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip<br />
im Ministerrat sollte die Effizienz im<br />
Entscheidungsprozess gesteigert werden. Der Plan<br />
sah außerdem eine engere Zusammenarbeit in kulturellen<br />
und rechtspolitischen Bereichen vor. Der italienische<br />
Außenminister Colombo unterstützte die<br />
Initiative und ergänzte sie konzeptionell im Bereich<br />
der wirtschaftlichen Integration, u. a. durch die Entwicklung<br />
eines Europäischen Währungssystems.<br />
Der Genscher-Colombo-Plan wurde Ende 1981 dem<br />
EP und der Kommission vorgelegt. Dieser Schritt<br />
leitete einen Reformprozess ein, der zunächst zu<br />
Kontroversen bei den Mitgliedstaaten und den Organen<br />
der Europäischen Gemeinschaften führte.<br />
1.2 Feierliche Deklaration zur Europäischen Union<br />
1983: Die Erklärung, die auf dem Europäischen Gipfel<br />
in Stuttgart am 19. 6. 1983 abgegeben wurde,<br />
blieb hinter den Zielen des Genscher-Colombo-<br />
Plans zurück. Die Reform des Abstimmungsverfahrens<br />
im Rat wurde auf die Formel beschränkt: „Im<br />
Rat wird jede Möglichkeit zur Erleichterung der Beschlussfassung<br />
genutzt; hierzu gehört auch die Möglichkeit<br />
der Stimmenthaltung in den Fällen, in denen<br />
Einstimmigkeit erforderlich ist.“ Im Bereich der Sicherheitspolitik<br />
beschränkt sich die Erklärung auf<br />
die „Koordinierung der Positionen der Mitgliedstaaten“.<br />
Dennoch bedeutet die Erklärung einen Fortschritt<br />
der Integrationsbemühungen, da erstmals in<br />
einem Dokument der Europäischen Gemeinschaften<br />
derRatalseinLenkungsorganderEGaufgeführtund<br />
EG und EPZ – wenn auch nicht rechtsverbindlich –<br />
miteinander verklammert werden. Fortschritte wurden<br />
auch in Fragen der Angleichung der Rechtsvorschriften<br />
im Rahmen der Zuständigkeit der Gemeinschaft<br />
erreicht.<br />
1.3 Dooge-Bericht: Der EP-Ausschuss unter dem<br />
Vorsitz des Iren James Dooge empfahl in seinem Ab-<br />
172<br />
schlussbericht vom 29. 3. 1985, den Entwurf einer<br />
Europäischen Union auf der Grundlage des BesitzstandesderGemeinschaft(�acquiscommunautaire),<br />
derFeierlichenDeklarationunddeseigenenBerichts<br />
auszuarbeiten. Die meisten Vorbehalte, die in Form<br />
von Minderheitenvoten geäußert wurden, galten<br />
dem Vorschlag, Ratsbeschlüsse mit einfacher oder<br />
qualifizierter Mehrheit zu fassen und ein Verfahren<br />
einzuführen, „nach dem ein Mitglied während einer<br />
Übergangszeit ein lebenswichtiges Interesse geltend<br />
machen könnte, sofern es dies dem Rat objektiv<br />
nachweisen kann, der wiederum mit Hilfe der Kommission<br />
sicherstellen kann, dass die lebenswichtigen<br />
Interessen der Gemeinschaft insgesamt gewahrt<br />
werden“.<br />
Bezüglich der Befugnisse des Parlaments stellt der<br />
Dooge-Bericht fest, dass ein demokratisch gewähltes<br />
Parlament nicht nur überwiegend beratende<br />
Funktionen haben könne und deshalb eine Stärkung<br />
„angestrebt“ werden müsse.<br />
1.4 Unterzeichnung der EEA: Neben den erwähnten<br />
Reformvorschlägen legten mehrere Mitgliedstaaten<br />
Memoranden vor, die auf der Konferenz der StaatsundRegierungschefsimDezember1985mitdemErgebnis<br />
beraten wurden, erste umfassende Änderungen<br />
der Gemeinschaft seit dem EWG-Vertrag im institutionellen<br />
Bereich durchzuführen, einen rechtsverbindlichen<br />
Rahmen für die EPZ zu schaffen und<br />
die Kompetenzen der Gemeinschaft zu erweitern.<br />
Die EEA wurde im Februar von den Mitgliedstaaten<br />
unterzeichnet (in Dänemark und Irland nach vorheriger<br />
Volksabstimmung). Neben dem Vertragstext<br />
wurden elf Erklärungen einzelner Mitgliedstaaten<br />
angenommen, die überwiegend bloße Interpretationen<br />
des Vertragstextes beinhalten.<br />
2. Inhalte der Einheitlichen Europäischen Akte:<br />
2.1 Ziele:<br />
– schrittweise Verwirklichung des Binnenmarktes<br />
bis zum 31. 12. 1992 wie bereits im Weißbuch der<br />
Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes<br />
vom Juni 1985 formuliert;<br />
– Stärkung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft<br />
durch Änderung der Entscheidungsverfahren<br />
(qualifizierte Mehrheiten im Rat neben der Einstimmigkeitsregel);<br />
– Erweiterung der Kompetenzen der Gemeinschaft<br />
durch neue Tätigkeitsfelder (u. a. in den Bereichen<br />
der Umweltpolitik, der Forschungs- und Technologiepolitik<br />
sowie der Sozialpolitik);
– AusrichtungdesIntegrationsprozessesaufdasZiel<br />
einerEuropäischenUnion(BündelungderOrganisationsvielfalt,<br />
Zusammenführen von EG und EPZ).<br />
Die Präambel der EEA bekräftigt das Integrationsziel<br />
einer Europäischen Union und zieht VerbindungslinienzudenBeschlüssenüberdieschrittweise<br />
Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion<br />
von 1972 sowie zur Errichtung des Europäischen<br />
Währungssystems von 1979.<br />
Die Neuregelungen durch die EEA sind Bestandteile<br />
des bestehenden Vertragswerks und werden in die<br />
VerträgederEuropäischenGemeinschafteneingearbeitet<br />
(Art. 1 EEA). Die Ergänzungen der Verträge<br />
zur EGKS und EAG beschränken sich auf die Verankerung<br />
einer ersten Gerichtsinstanz (�Europäischer<br />
Gerichtshof). Die Struktur der Organe der Gemeinschaft<br />
bleibt erhalten (Art. 3 Abs. 1 EEA), wenn auch<br />
die Funktionen und Kompetenzen geändert werden.<br />
Die drei neuen Kapitel des EWG-Vertrags (wirtschaftlicher<br />
und sozialer Zusammenhalt, Forschung<br />
und technologische Entwicklung, Umwelt) werden<br />
als zusätzliche Artikel 158 – 176 in den EWG-Vertrag<br />
aufgenommen.<br />
2.2 Binnenmarkt: Artikel 13 EEA führt einen neuen<br />
Art. 8a in den EWG-Vertrag ein: „Die Gemeinschaft<br />
trifft die erforderlichen Maßnahmen, um bis zum 31.<br />
12. 1992 (...) den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen.<br />
Der Binnenmarkt umfasst einen Raum<br />
ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von<br />
Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß<br />
den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet<br />
ist.“ Wenn auch das Zeitziel rechtlich nicht<br />
bindend ist, wurde dennoch ein wichtiges politisches<br />
Signal gegeben. Die erforderlichen Maßnahmen soll<br />
der Rat in Zukunft mit �qualifizierter Mehrheit in der<br />
Mehrzahl der Politikbereiche durchführen, ausgenommen<br />
bleiben Rechtsangleichung, Steuern, Freizügigkeit<br />
und Rechte der Arbeitnehmer.<br />
Der Rat erlässt – entsprechend Art. 100a EWG-Vertrag<br />
– „auf Vorschlag der Kommission, im Zusammenarbeit<br />
mit dem Europäischen Parlament und<br />
nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses<br />
die Maßnahmen zur Angleichung der<br />
Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“<br />
(in geänderter Fassung Art. 95 Abs. 1 EGV).<br />
Da die Schaffung des Binnenmarktes in Zusammenarbeit<br />
mit dem Parlament erfolgen sollte, führt Art.<br />
149 EWGV ein neues Rechtsetzungsverfahren ein<br />
(Verfahren der Zusammenarbeit), das die Mitwir-<br />
Einheitliche Europäische Akte<br />
kungsmöglichkeiten des Parlaments zwar verstärkt,<br />
aber letztlich die Entscheidung beim Rat belässt<br />
(�Gesetzgebungsverfahren).<br />
Die Rechtsangleichung soll den unterschiedlichen<br />
Standards der Mitgliedstaaten bei Gesundheitsschutz,<br />
technischen Sicherheitsnormen, Verbraucher-<br />
und Umweltschutz und Schutz der Arbeitsumwelt<br />
Rechnung tragen („hohes Schutzniveau“); d. h.<br />
nationale Standards können mit Zustimmung der<br />
Kommission beibehalten werden. Letztlich entscheidet<br />
im Konfliktfall der EuGH.<br />
2.3 Kompetenzen der Organe: Neben den Richtlinien<br />
zur Rechtsangleichung und den damit verbundenenÄnderungendesEntscheidungsverfahrensbeinhaltet<br />
die EEA auch eine Erweiterung der Befugnisse<br />
des Europäischen Parlaments. Es erhält durch<br />
die Zusammenarbeit mit dem Rat Mitwirkungsrechte<br />
und im Bereich künftiger Beitrittsverträge und Assoziierungsabkommen<br />
Mitentscheidungsrechte.<br />
Nach dem in Art. 149 Abs. 2 EWGV neu geregelten<br />
Verfahren der Zusammenarbeit von Rat und Parlament<br />
legt im Gesetzgebungsverfahren der Rat auf<br />
VorschlagderKommissionundnachStellungnahme<br />
des Parlaments einen Gemeinsamen Standpunkt<br />
fest, der dann dem Parlament zu einer zweiten Lesung<br />
vorgelegt wird (Art.149 EWGV wurde mit<br />
Gründung der EU aufgehoben und durch Art. 251<br />
und252EGVersetzt).InAbweichungvondervorher<br />
geltenden Regelung erhält das Parlament damit die<br />
GelegenheitsicherneutmiteinemGegenstandzubefassen.<br />
Die Kompetenzen der Kommission bleiben von den<br />
Änderungen weitgehend ausgeschlossen, jedoch<br />
wurden die Durchführungsbefugnisse des Organs<br />
gestärkt. Der Europäische Rat erhält mit der EEA in<br />
Art. 2 erstmals eine rechtliche Grundlage: „Im Europäischen<br />
Rat kommen die Staats- und Regierungschefs<br />
der Mitgliedstaaten sowie der Präsident der<br />
Kommission der Europäischen Gemeinschaften zusammen.“.<br />
Der Europäische Rat wird damit jedoch<br />
kein förmliches Organ der Gemeinschaft und steht<br />
außerhalb des EWG/EG-Vertrags.<br />
2.4 Erweiterung der Kompetenzen: Die Gemeinschaft<br />
erhält neue Zuständigkeiten. Im Bereich der<br />
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit wird<br />
besonders der Regionalausgleich hervorgehoben<br />
(�Regionalpolitik, �Fonds der EU). Dieser soll<br />
durch effizienteren Einsatz der Strukturfonds verbessert<br />
werden. Die Forschungs- und Technologie-<br />
173
Einheitlicher institutioneller Rahmen<br />
politik (Art. 163 – 173 EGV) soll gestärkt werden,<br />
um künftig die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Gemeinschaft zu sichern. Hierzu sind Rahmenprogramme<br />
mit Gemeinschaftsaktionen als Ergänzung<br />
der Maßnahmen der Mitgliedstaaten vorgesehen<br />
(Forschungs- und Technologiepolitik, Bildungsprogramme).<br />
Neu aufgenommen wird die Umweltpolitik<br />
(zu Zielen der Umweltpolitik vgl. Art.<br />
174 EGV).<br />
2.5 Ausrichtung des Integrationsprozesses auf eine<br />
Europäische Union: Durch Art. 30 EEA wird die<br />
EPZ erstmals auf eine völkerrechtlich bindende<br />
Grundlage gestellt, wobei die Kohärenz zwischen<br />
den Politiken der EPZ und der Gemeinschaft unterstrichen<br />
wird. Die EG-Mitgliedstaaten bemühen<br />
sich, „gemeinsam eine europäische Außenpolitik<br />
auszuarbeiten und zu verwirklichen“. Die EEA festigt<br />
den Aktionsrahmen für die Abstimmung der Außenpolitik<br />
der Mitgliedstaaten und die Durchführung<br />
gemeinsamer Aktionen.<br />
Die gemeinsamen Bestimmungen in Art. 1 EEA setzen<br />
die Gemeinschaft und die EPZ in Beziehung zueinander<br />
mit dem Ziel, „gemeinsam zu konkreten<br />
Fortschritten auf dem Wege zur Europäischen Union<br />
beizutragen“. Aus der Klammerfunktion erklärt sich<br />
auch der Name „Einheitliche Europäische Akte“.<br />
Trotz ihres Kompromisscharakters stellt die Akte einenwichtigenSchrittaufdemWegzurEuropäischen<br />
Uniondar. U. M.<br />
Literatur:<br />
Engels, C./Wessels, W. (Hg.): From Luxembourg to Maastricht.<br />
Bonn 1992<br />
Hrbek, R./Läufer, Th.: Die Einheitliche Europäische Akte.<br />
In: Europa-Archiv 6/1986, S. 173–184<br />
Teske, H.: Europa zwischen gestern und morgen. Von den<br />
Römischen Verträgen zur Europäischen Akte. Köln 1988<br />
Einheitlicher institutioneller Rahmen der EU.<br />
Nach Art. 3 EUV verfügt die Union über einen einheitlichen<br />
institutionellen Rahmen, d. h., die Organe<br />
der EG handeln auch für die EU und sind somit für<br />
alle 3 Säulen der Union zuständig (�Organe, allgemein).<br />
Der einheitliche institutionelle Rahmen ist<br />
Voraussetzung für die Kohärenz der gemeinschaftlichen<br />
Maßnahmen in den Bereichen der 3 Säulen der<br />
EU (�Tempelstruktur). Für die drei Europäischen<br />
GemeinschaftenEGKS,EWGundEURATOMwurde<br />
durch Vertrag vom 8. 4. 1965, in Kraft seit 1. 7.<br />
1967 (�Fusionsvertrag) ein einheitlicher institutioneller<br />
Rahmen geschaffen.<br />
174<br />
Einheitliches Wahlverfahren für Europawahlen<br />
�Europawahlen<br />
Einstimmigkeit bezeichnet ein Beschlussverfahren,<br />
in dem jeder Stimmberechtigte ein Vetorecht<br />
hat, also mit seiner Stimme einen Beschluss gegen<br />
dieStimmenalleranderenverhindernkann.Einstimmigkeit<br />
in der EU schränkt demnach die Entscheidungsgewalt<br />
(�Souveränität) des einzelnen Mitgliedstaates<br />
nicht ein. Die Gründungsverträge der<br />
EG von 1957 sahen den Übergang von der Pflicht zur<br />
Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen in bestimmten<br />
Bereichen (z. B. der Agrarpolitik) nach einer<br />
Übergangsfrist vor. Dieser Übergang verlief<br />
nicht problemlos (�Politik des „leeren Stuhls“). Für<br />
Beschlüsse, die vertraglich mit Mehrheit der Stimmen<br />
zustande kommen können, wird gelegentlich<br />
das �Konsensverfahren vereinbart, das in der Wirkung<br />
der Einstimmigkeit entspricht (�Luxemburger<br />
Vereinbarung).<br />
Die Änderungsverträge der Römischen Verträge<br />
(�EEA, �Maastrichter Vertrag, �Vertrag von Amsterdam,<br />
�Vertrag von Nizza) haben nach und nach<br />
den Zwang zur Einstimmigkeit bei Beschlüssen in<br />
den meisten sensiblen Bereichen aufgehoben, insbes.<br />
die Einheitliche Europäische Akte 1986, um<br />
eine fristgerechte Verwirklichung des Binnenmarktes<br />
zu ermöglichen.<br />
Einstweilige Anordnung. Die – neben dem �Beschleunigten<br />
Verfahren und der �Vorrangigen Behandlung<br />
mögliche – einstweilige Anordnung (eA)<br />
ist auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen eines<br />
Organs oder auf jede andere vorläufige Maßnahme<br />
gerichtet, die erforderlich ist, um den Eintritt eines<br />
schweren und nicht wieder gutzumachenden<br />
Schadens zu verhindern. Der eA-Antrag ist akzessorisch<br />
zum Verfahren in der Hauptsache; er ist in den<br />
Art. 83 ff. der Verfahrensordnung des EuGH bzw.<br />
den Art. 104 ff. der Verfahrensordnung des EuG geregelt.VoraussetzungenfürdenErlasseinereAsind:<br />
(1.) Der Antragsteller muss die Notwendigkeit der<br />
eA in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaftmachen,d.h.dieKlagemussgewissermaßenauf<br />
den ersten Blick als begründet erscheinen. (2.) Zudem<br />
müssen Umstände vorliegen, aus denen sich die<br />
Dringlichkeit der Sache ergibt. (3.) Schließlich muss<br />
die Abwägung der Interessen der Beteiligten bzw.<br />
des allgemeinen Interesses dafür sprechen, vorläufig
den Vollzug der in der Hauptsache angegriffenen<br />
Maßnahme zu stoppen. Über einen eA-Antrag entscheidet<br />
regelmäßig der Gerichtspräsident durch mit<br />
Gründen versehenen Beschluss. (Gegen einen<br />
eA-BeschlussdesEuG-PräsidentenkanneinRechtsmittel<br />
beim EuGH-Präsidenten eingelegt werden).<br />
(http://curia.eu.int/de/) �Vorläufiger Rechtsschutz<br />
J.M.B.<br />
Einwanderungspolitik der Europäischen Union<br />
1. Migration nach Europa. Nach einem vorübergehenden<br />
Rückgang der Zuwanderung in die Europäische<br />
Union im Verlauf der 1970er Jahre nimmt die<br />
Zahl der Immigranten in den letzten Jahren wieder<br />
kontinuierlich zu. Einen hohen Anteil haben Zuwanderer<br />
aus den GUS-Staaten und aus den für die<br />
EU-MitgliedertraditionellenHerkunftsländernSüdosteuropas,<br />
Afrikas und Asiens. Gründe für die MigrationsprozessesinddiewirtschaftlichenUnsicherheiten<br />
und politisch-ethnischen Konflikte in den<br />
Herkunftsländern und die hohe wirtschafts- und sozialpolitische<br />
Attraktivität der Union.<br />
2. Rechtliche Entwicklung und Grundlagen. Inden<br />
ersten Jahrzehnten ihrer Entwicklung beschränkt<br />
sich die Europäische Gemeinschaft auf interne Vereinbarungen<br />
zur Förderung der Mobilität der Bürger<br />
innerhalb ihres Gebietes. Jedoch entstehen bereits<br />
Mitteder1970erJahreAnsätzeeinermigrationspolitischen<br />
Zusammenarbeit in Bezug auf Drittstaaten.<br />
Die Richtlinie über die schulische Betreuung der<br />
Kinder von Wanderarbeitnehmern von 1977 (77/<br />
486), welche sowohl Migranten innerhalb als auch<br />
von außerhalb der Gemeinschaft betrifft, markiert<br />
diesen Wandel. Zur verantwortlichen Gemeinschaftsinstitution<br />
wird die Kommission, die bis heute<br />
als zentrale Instanz der europäischen Einwanderungspolitik<br />
fungiert. In der ersten Hälfte der 1970er<br />
Jahre verfolgen die meisten EU-Staaten eine Strategie<br />
der Minimierung bzw. Verhinderung von Zuwanderung,<br />
die in der Folgezeit die europäische und<br />
dienationalenMigrationspolitikenprägt.ImVerlauf<br />
des europäischen Integrationsprozesses unterzeichnen<br />
Frankreich, Deutschland und die Benelux-<br />
Staaten im Jahr 1985 das �Schengener Abkommen,<br />
dem bis zur Erweiterung der Union im Mai 2004 außer<br />
Großbritannien und Irland alle Mitgliedstaaten<br />
beitreten. Die Ziele des Abkommens betreffen in erster<br />
Linie die Erleichterung des Personen- und Güterverkehrs<br />
zwischen den Unterzeichnerstaaten; es<br />
Einwanderungspolitik<br />
siehtüberdiesStandardsfüreinheitlicheRegelungen<br />
an den �Außengrenzen vor. Damit ist eine erste<br />
Grundlage für eine europäische Einwanderungspolitik<br />
geschaffen. Aufgrund mangelnder inhaltlicher<br />
Konkretisierung wird 1990 das Schengener Durchführungsabkommen<br />
(Schengen II) unterzeichnet.<br />
Intensivierte Kontrollen der Außengrenzen und die<br />
Harmonisierung von Visa- und Asylregelungen sind<br />
die Ziele des Durchführungsabkommens. Um einem<br />
zentralen Problem der Zuwanderung in die Union,<br />
der Mehrfachantragstellung (Asylum-Shopping),<br />
entgegenzuwirken, wird ebenfalls 1990 das �Dubliner<br />
Übereinkommen (Dublin I) unterzeichnet, durch<br />
welches das für Asylverfahren zuständige Land zuverlässig<br />
bestimmt und zugleich verhindert werden<br />
soll, dass Asylbewerber so lange in verschiedenen<br />
EU-Staaten Anträge stellen, bis sie über die Asylgewährung<br />
in einem Mitgliedsland doch noch Zugang<br />
zur Union erhalten (�Asylpolitik der EU). Erst mit<br />
dem Vertrag von Maastricht gibt es seit 1992 eine<br />
vertragsrechtliche Grundlage zur Koordinierung der<br />
Einwanderungspolitik der Unterzeichnerstaaten.<br />
Auch diese Änderung des EG-Vertrages hält an der<br />
nationalstaatlichen Autonomie weitestgehend fest,<br />
es werden lediglich nationale Regelungen aufeinander<br />
abgestimmt. Erst der Vertrag von Amsterdam<br />
von 1997 überführt die mitgliedstaatlichen Kompetenzen<br />
in der Migrations- und Asylpolitik auf die<br />
Ebene der Union. Um eine größtmögliche Zustimmung<br />
zu erreichen, erfolgt die Vergemeinschaftung<br />
dieses Politikbereichs allerdings unter Einräumung<br />
von Sonderregelungen für einzelne Mitglieder;<br />
Großbritannien, Irland und Dänemark schließen sich<br />
der europäischen Migrations- und Asylpolitik nicht<br />
an, halten sich aber die Möglichkeit eines späteren<br />
Beitritts offen. Einen weiteren Schritt auf dem Weg<br />
zu einer europäischen Migrationspolitik vollzieht<br />
der Europäische Rat von Tampere (Finnland), wo<br />
1999 die Ziele des Vertrages von Amsterdam bestätigt<br />
und erweitert werden. Das Haager Programm<br />
(vgl. �Raum der Freiheit, der Sicherheit und des<br />
Rechts, Ziff. 3) schließlich erweitert 2004 die europäische<br />
Migrations- und Asylpolitik um Aspekte der<br />
inneren Sicherheit und Strategien zur Bekämpfung<br />
des internationalen Terrorismus. Mit der Qualifikationsrichtlinie<br />
vom 29. 4. 2004 (2004/83, ABl. L<br />
304/2004) werden Mindestnormen für die Anerkennung<br />
und den Status von Drittstaatenangehörigen<br />
und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen,<br />
175
Einwanderungspolitik<br />
die anderweitig internationalen Schutz benötigen,<br />
sowie für die mit dem jeweiligen Status verbundenen<br />
Rechte und Leistungen festgelegt. Mit der gleichzeitig<br />
vom Rat verabschiedeten Asylverfahrensrichtlinie<br />
gem. Art. 67 Abs. 5 EGV sollen künftig EU-weit<br />
für alle erstinstanzlichen Verfahren dieselben Mindestnormen<br />
gelten; Ziel ist die Beschleunigung der<br />
Verfahren und die Ermöglichung einer gerichtlichen<br />
Kontrolle bei Ablehnungsbescheiden. Damit ist zumindest<br />
ein erster Schritt zur Schaffung eines einheitlichen<br />
EU-Asylsystems getan, auch wenn die<br />
Unterschiede der nationalen Verfahren bestehen<br />
bleiben, da den Mitgliedstaaten Möglichkeiten eingeräumt<br />
werden, von den Richtlinien abzuweichen.<br />
Für die Umsetzung beider Richtlinien ist ein Zeitraum<br />
von zwei Jahren vorgesehen.<br />
3. Europäische Einwanderungspolitik und nationalstaatliche<br />
Interessen. Der in dreißig Jahren schrittweise<br />
etablierten, jedoch erst eingeschränkt effektiven<br />
europäischen Migrations- und Asylpolitik stehen<br />
weiterhin massive nationale Interessen gegenüber.DieFurchtvoreinemunkontrolliertenZustrom<br />
von Zuwanderern nach Europa, die im Einwanderungsstopp<br />
der 1970er Jahre kulminiert, wirkt bis<br />
heutenach.Seitden1990erJahrenwerdenallerdings<br />
neue Konzepte einer aktiven, interessengeleiteten<br />
Steuerung der Zuwanderung diskutiert. Untersuchungen<br />
wie das „Programme for International Student<br />
Assessment“ (PISA) zeigen, dass sich die Leistungen<br />
von Schülern nach ihrer nationalen Zugehörigkeit<br />
nicht unwesentlich unterscheiden. Dabei erreichen<br />
traditionelle Einwanderungsländer wie Australien,<br />
Kanada oder Neuseeland signifikant bessere<br />
Ergebnisse als jüngere Einwanderungsländer wie<br />
DeutschlandundFrankreich.DieEinschätzung,dass<br />
bei den PISA-Befunden neben der unterschiedlichen<br />
Effektivität nationaler Integrationskonzepte der sozioökonomische<br />
Hintergrund der Migranten eine<br />
wichtigeRollespielt,hatdieDiskussionumdenVerlust<br />
bzw. Gewinn der weltweit qualifiziertesten<br />
Fachkräfte(braindrainbzw.braingain)belebt.Auch<br />
innerhalb der Europäischen Union konkurrieren die<br />
Mitgliedstaaten um qualifizierte Migranten; gleichzeitig<br />
sind sie bestrebt, den Zustrom gering qualifizierter<br />
und älterer Einwanderer möglichst niedrig zu<br />
halten. Überdies verstärkt die Überalterung und<br />
Schrumpfung der autochthonen europäischen Bevölkerung<br />
die Notwendigkeit der Zuwanderung, um<br />
diese Entwicklung wenn nicht kompensieren, so<br />
176<br />
doch abmildern zu können. Zur Realisierung beider<br />
Ziele der janusköpfigen EU-Migrationspolitik, Abwehr<br />
und Anziehung von Migranten zugleich, gilt<br />
deshalb die Kooperation mit den Herkunfts- und<br />
Transitländern als eine wesentliche Bedingung erfolgreicher<br />
europäischer Migrationspolitik. EntsprechendeProgrammeseheneineVerbesserungder<br />
Wirtschaftslage dieser Staaten sowie Verbesserungen<br />
der dortigen Grenzkontrollen und Strafverfolgung<br />
zur Verhinderung illegaler Zuwanderung vor.<br />
Mit dem vom Europäischen Rat in Brüssel 2004 verabschiedeten<br />
Haager Programm wird versucht, die<br />
gemeinsame europäische Migrations- und Asylpolitik<br />
weiterzuentwickeln sowie um Aspekte der inneren<br />
Sicherheit in Europa und Strategien zur Bekämpfung<br />
des internationalen Terrorismus zu erweitern.<br />
Mittelfristig zielt das Haager Programm auf eine<br />
Harmonisierung der Migrations- und Asylpolitik sowieeineverstärkteKooperationbeimAustauschvon<br />
Informationen zur Prävention terroristischer Akte<br />
und organisierter Kriminalität.<br />
4. Festung Europa. Wie viele andere Politikfelder<br />
befindet sich auch die europäische Migrationspolitik<br />
seit Mitte der 1970er Jahre in einem kontinuierlichen<br />
und bis heute unabgeschlossenen Entwicklungsprozess.<br />
Zwar sind bereits umfassende Kompetenzen<br />
von der nationalstaatlichen Ebene auf die der EU<br />
übertragenworden,dasZieleinerharmonisierteneuropäischenMigrationspolitikistjedochbislangnicht<br />
erreicht.DieGründehierfürsindvielfältig;sieliegen<br />
insbes. in den konkurrierenden Interessen der EU-<br />
Mitgliedsländer, besonders offenkundig im Falle der<br />
Gewinnung hoch qualifizierter Fachkräfte. Weiterhin<br />
hemmen Sonderregelungen einzelner Staaten sowie<br />
die Mehrheitsbeschlussregel im Ministerrat die<br />
kontinuierliche Entwicklung und Umsetzung. Die<br />
gegenwärtige, überwiegend restriktive Praxis der<br />
europäischen Migrations- und Asylpolitik wird international,<br />
so vom UN-Generalsekretär Kofi Annan,<br />
als Selbstisolation der Union kritisiert. Die Entwicklung<br />
zu einer einheitlichen, Einwanderung fördernden<br />
und zugleich steuernden europäischen Zuwanderungs-<br />
und Asylpolitik ist angesichts der Stellung<br />
Europas in der Welt, seiner humanitären Verantwortung<br />
gegenüber Drittstaaten, seiner demographischen<br />
Entwicklung und seines steigenden Bedarfs<br />
an qualifizierten Fachkräften eine besondere<br />
Herausforderung für die Gemeinschaftspolitik in der<br />
erstenDekadedes21.Jahrhunderts. D. K./L. R. R.
Literatur:<br />
Angenendt, St.: Die europäische Migrations- und Asylpolitik.<br />
In: Weidenfeld, W. (Hg.), Die Europäische Union: Politisches<br />
System und Politikbereiche. Bonn 2004, S. 359–379<br />
Entorf, H./Minoiu, N.: What a difference immigration law<br />
makes: PISA results, migration background and social<br />
mobility in Europe and traditional countries of immigration.<br />
Darmstadt 2004<br />
EU-Kommission: Presseerklärung vom 30. 4. 2004<br />
(IP/04/572)<br />
Foders, F.: Zuwanderungspolitik in Europa: Begrenzung,<br />
Steuerung oder Förderung der Migration?.<br />
In: Die Weltwirtschaft 2004, S. 211 – 226<br />
Fricke, D./Gieler, W. (Hg.): Handbuch europäischer Migrationspolitiken:<br />
Die EU-Länder und die Beitrittskandidaten.<br />
Münster 2004<br />
Krieger, H.: Migration Trends in an Enlarged Europe.<br />
European Foundation for the Improvement of Living and<br />
Working Conditions. Dublin 2004<br />
Renner, G.: Asylverfahrensrichtlinie. In: Zeitschrift für<br />
Ausländerrecht und Ausländerpolitik 9, 2004, S. 305 – 310<br />
Einwanderung und Integration. Von der Einwanderung<br />
ist die Freizügigkeit zu trennen. Diese garantiert<br />
Unionsbürgern das Recht, grundsätzlich in allen<br />
Mitgliedstaaten zu leben und zu arbeiten. Sie ist eine<br />
Basis der Europäischen Union und macht deren Realität<br />
erlebbar. Einwanderung hingegen bezieht sich<br />
auf Drittstaatsangehörige. Da die Entscheidungen<br />
der Einzelstaaten, Drittstaatsangehörigen Aufenthaltsrechte<br />
zu gewähren, in einem Europa offener<br />
Grenzen zwangsläufig Rückwirkungen auf alle Partnerländer<br />
haben, ergibt sich die sachliche Notwendigkeit<br />
der Abstimmung und Kooperation.<br />
Mit dem Vertrag von Amsterdam, der das Ziel der<br />
Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit<br />
und des Rechts formulierte, erhielt die Gemeinschaft<br />
umfassende Zuständigkeiten für die Einwanderungspolitik.<br />
Insbesondere die EU-Kommission<br />
treibt seitdem die europäische Zusammenarbeit auf<br />
allen Gebieten vom Familiennachzug über die Arbeitsmigration<br />
bis hin zur Integration von Drittstaatsangehörigen<br />
voran. Sie stößt dabei nicht selten<br />
auf Widerstand im Rat der Justiz- und Innenminister<br />
sowie in den Mitgliedstaaten, die sorgsam auf die<br />
Wahrung ihrer Kompetenzen achten. Am 22. 9. 2003<br />
nahm der Ministerrat der EU einen Entwurf für eine<br />
Richtlinie über das Recht auf Familienzusammenführung<br />
für Drittstaatsangehörige an (2003/86, ABl.<br />
L 251/2003). Nach langwierigen Verhandlungen<br />
wurde am 25. 11. 2003 die Richtlinie 2003/109 über<br />
den Status langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehörigen<br />
angenommen (ABl. L 16/2004).<br />
EIRO<br />
Die Richtlinie dient dem erklärten Ziel, die Rechtsstellung<br />
von Einwanderern aus Nicht-EU-Staaten<br />
auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet an die von<br />
Unionsbürgern anzunähern. Unter definierten Bedingungen<br />
erhalten Drittstaatsangehörige das Recht,<br />
sich in anderen EU-Staaten niederzulassen und dort<br />
einer selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit<br />
nachzugehen. Damit wird i. Ü. eine Rechtsprechungstendenz<br />
des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofsflankiert,derüberdasFamiliengrundrecht<br />
des Art. 8 EMRK seit langem die Einwanderung von<br />
Drittstaatsangehörigen zu bzw. mit ihren Familienangehörigen<br />
erleichtert.<br />
Damit ist auch die Integration stärker ins Blickfeld<br />
der EU gerückt. Auf ihrer Tagung am 9. – 11. 11.<br />
2004 verständigten sich die Innen- und Justizminister<br />
auf „Gemeinsame Grundsätze für die Politik der<br />
Integration von Einwanderern in der Europäischen<br />
Union“. Sie stellten Einigkeit darüber her, dass eine<br />
aktive Einwanderungspolitik von einer aktiven Integrationspolitik<br />
begleitet werden muss und die Mitgliedstaaten<br />
hier große Versäumnisse aufzuarbeiten<br />
haben. Nachdem 2001 erste ambitionierte Versuche<br />
der Kommission, zu einer EU-weiten Verständigung<br />
über Standards der organisierten Arbeitsmigration<br />
zu kommen, an Bedenken der Mitgliedstaaten scheiterten,<br />
legte sie am 11. 1. 2005 ihr „Grünbuch über<br />
ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration“<br />
vor. Das Grünbuch will einen strukturierten<br />
Diskussionsprozess darüber anregen, wie die Europäische<br />
Union auf den Rückgang ihrer Erwerbsbevölkerung<br />
in Folge der demographischen Krise reagierensoll.�ELAINE<br />
B. Sa.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Handbook on Integration for<br />
Policy-makers and practitioners. Brüssel November 2004.<br />
Im Internet unter: http://europa.eu.int/comm/justice_home/<br />
doc_centre/immigration/integration/doc/handbook_en.pdf<br />
Niessen, J.: Zwischen Harmonisierung und kleinstem gemeinsamen<br />
Nenner: Einwanderungspolitik auf europäischer Ebene.<br />
In: Klaus J. Bade/Rainer Münz (Hg.), Migrationsreport 2002<br />
Fakten, Analysen, Perspektiven. Frankfurt/Main, S. 207 – 229<br />
Einzelermächtigung �Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung<br />
EIPA �Europäisches Institut für öffentliche Verwaltung<br />
EIRO (European Industrial Relations Observatory),<br />
von der �Europäischen Stiftung zur Verbesserung<br />
177
Eisenbahnagentur<br />
der Lebens- und Arbeitsbedingungen 1997 eingerichtetes<br />
Instrument zur Beobachtung der Beziehungen<br />
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es<br />
sammelt und analysiert Informationen über die Entwicklung<br />
dieser Beziehungen und stellt sie EU-<br />
Institutionen, nationalen Regierungen und Dachverbänden<br />
der Sozialpartner zur Verfügung. EIRO basiert<br />
auf einem Netzwerk führender Institutionen der<br />
SozialpartnerindenEU-Staaten(inDeutschland:Institut<br />
der deutschen Wirtschaft, Köln / Wirtschaftsund<br />
Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-<br />
Böckler-Stiftung, Düsseldorf), in Kandidatenländern<br />
und Norwegen.<br />
Eisenbahnagentur �Europäische Eisenbahnagentur<br />
ELAINE (European Local Authorities Interactive<br />
Network for Ethnic Minorities Policies). Netzwerk<br />
von Städten, die Erfahrungen und Informationen<br />
über effektive Möglichkeiten für die Integration von<br />
Zuwanderern und ethnischen Minderheiten austauschen.<br />
Im Rahmen des Netzwerks finden auch Seminare<br />
statt.<br />
eLearning. „eLearning“ wird definiert als „die Nutzung<br />
der neuen Multimedia- und Internettechnologien<br />
zur Verbesserung der Qualität des Lernens<br />
durch Erleichterung des Zugangs zu Ressourcen und<br />
Dienstleistungen sowie des Gedankenaustausches<br />
und der Zusammenarbeit in Echtzeit“ und ist zu sehen<br />
im Rahmen der Aktionspläne zu �„eEurope“.<br />
Der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
selbst ist nicht Ziel von „eLearning“.<br />
Vielmehr hat sich „eLearning“ zum Leitwort<br />
einer Vision entwickelt, in der das auf die neuen Informations-<br />
und Kommunikationstechnologien gestützte<br />
Lernen als unmittelbarer Bestandteil der Bildungs-undBerufsbildungssystemeverstandenwird.<br />
Dabei enthält die „digitale Kompetenz“ den StellenwerteinerneuenGrundkompetenz.SiewirdzurVoraussetzung<br />
für Kreativität, Innovation und Unternehmensgeist,<br />
ohne welche die Bürger weder in vollem<br />
Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben<br />
noch die Kompetenzen und Kenntnisse erwerben<br />
können, die für das Leben im 21. Jahrhundert erforderlich<br />
sind.<br />
1. Entwicklung. „eLearning“ ist ein Teil der europäischen<br />
Strategie zu „eEurope“. Bereits davor hatte es<br />
178<br />
Bemühungen auf europäischer Ebene zur Verbesserung<br />
des Lernens in der Informationsgesellschaft gegeben<br />
– so z. B. den Aktionsplan für eine europäische<br />
Initiative in der Schulbildung (1996 – 1998). Am<br />
24. 5. 2000 rief die Europäische Kommission in einer<br />
Mitteilung die Initiative „eLearning: Gedanken zur<br />
Bildung von morgen“ (KOM 2000/318 endg.) ins<br />
Leben. Diese Initiative war darauf gerichtet, die Bildungs-<br />
und Kultureinrichtungen sowie die wirtschaftlichen<br />
und sozialen Akteure in Europa anzusprechen,<br />
um die Anpassung der Bildungs- und Ausbildungssysteme<br />
an den Wandel Europas zu einer<br />
wissensbasierten Gesellschaft zu beschleunigen.<br />
Dabei ging die Initiative von Schwächen und Rückständen<br />
Europas gegenüber den Vereinigten Staaten<br />
bei der Entwicklung der Wissensgesellschaft aus.<br />
Sie basierte auf dem Wunsch der EU-Mitgliedstaaten<br />
zusammenzuarbeiten, um ihre Politiken auf<br />
dem Gebiet der Bildungstechnologie anzugleichen<br />
und ihre Erfahrungen auszutauschen. „eLearning“<br />
zielt dabei darauf ab, diese Anstrengungen der Mitgliedstaaten<br />
zu unterstützen und zu koordinieren und<br />
die Anpassung der Systeme der allgemeinen und beruflichen<br />
Bildung in Europa voranzutreiben. Der Europäische<br />
Rat von Santa Maria da Feira begrüßte am<br />
19./20. 6. 2000 diese Vorlage der Kommission zu<br />
„eLearning“.<br />
2. Schwerpunkte und Ziele der Initiative „eLearning“.<br />
Diese Initiative beruhte auf folgenden Schwerpunkten:<br />
– Verbesserung der Informations- und Kommunikationstechnologien;<br />
– Infrastruktur im Bildungs- und Ausbildungsbereich;<br />
– Verstärkung der Ausbildung auf allen Ebenen, um<br />
die digitale Kompetenz für alle voranzutreiben und<br />
zur Verringerung von Qualifikationslücken bei den<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
beizutragen;<br />
– Entwicklung von europäischen Multimediainhalten<br />
und -diensten für den Bildungsbereich;<br />
– Förderung der Innovation im größeren Rahmen<br />
und Vernetzung von bestehenden Initiativen auf allen<br />
Ebenen.<br />
So sollten alle Schulen bis 2001 Internetzugang haben,<br />
ein transeuropäisches Breitband-Wissenschaftsnetz<br />
sollte errichtet werden. Alle Lehrer sollten<br />
bis 2001 in Informations-Technologien fortgebildet<br />
werden. Eine digitale Kluft sollte vermieden
werden. Die Bildungseinrichtungen sollten zu Lernzentren<br />
ausgebaut werden. Ein genauer Zeitplan für<br />
die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten sollte gemäß<br />
der Lissabon-Strategie eingehalten werden. Die<br />
Kommission verpflichtete sich zu regelmäßigen<br />
Zwischenberichten über „eLearning“ an den Rat.<br />
3. Finanzierung. Die nationalen Bemühungen sollten<br />
durch Maßnahmen, finanziert aus den �Strukturfonds,<br />
den bestehenden EU-Programmen für die Bereiche<br />
der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie<br />
Jugend, durch die Forschungsprogramme und<br />
das Informations-Technologieprogramm (IST), die<br />
�Europäische Investitionsbank sowie durch die EntwicklungvonPartnerschaftenzwischenöffentlichen<br />
Stellen und Privatwirtschaft unterstützt werden.<br />
4. Aktionsplan „eLearning“. Am 27. 3. 2001 legte<br />
die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur<br />
Initiative „eLearning“ (KOM 2001/172 endg.) vor.<br />
Die Laufzeit umfasste den Zeitraum von 2001 bis<br />
2004. Mit dem Aktionsplan sollten Modalitäten und<br />
Mittel zur Umsetzung der Initiative „eLearning“ geschaffen<br />
und ermöglicht werden. Die Akteure im Bereich<br />
allgemeine und berufliche Bildung sollten mobilisiert<br />
werden, um das lebenslange Lernen zur treibenden<br />
Kraft einer solidarischen und harmonischen<br />
Gesellschaft in einer wettbewerbsbestimmten Wirtschaft<br />
zu machen. Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit<br />
im Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie<br />
(�Luxemburg-Prozess) sollten<br />
verbessert werden. Es wurden genaue Ziele, die<br />
zubestimmtenZeitenzuerreichensind,vorgegeben.<br />
Für die Mitgliedstaaten hatte dieser Aktionsplan keine<br />
unmittelbare Bedeutung, denn Aktionspläne sind<br />
reine Willensbekundungen der Europäischen Kommission<br />
und stellen keinen zwingenden Handlungsbedarf<br />
für die Mitgliedstaaten dar.<br />
5. Programm „eLearning“. Am 5. 12. 2003 beschlossenderRatunddasEuropäischeParlamentauf<br />
entsprechende Vorlage der Kommission ein Mehrjahresprogramm<br />
(2004 – 2006) für die wirksame Integration<br />
von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
in die Systeme der allgemeinen und beruflichen<br />
Bildung in Europa – Programm „eLearning“.<br />
Mit diesem Programm sollen die Qualität und<br />
die Zugänglichkeit der europäischen Systeme der<br />
allgemeinen und beruflichen Bildung durch den<br />
wirksamen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
verbessert werden. Das Programm<br />
hat eine Laufzeit von 2004 bis 2006 und ein<br />
ELSA<br />
Finanzvolumen von 36 Mio. Euro. Es gründet auf<br />
den Initiativen „eEurope“ und „eLearning“.<br />
Mit dem Programm sollen die Fähigkeiten im informationstechnischen<br />
Bereich vorangetrieben und die<br />
Gefahr einer sog. „digitalen Kluft“ bekämpft werden.<br />
Ein Schwerpunkt liegt auf den Hochschuleinrichtungen.<br />
Es geht um den virtuellen Campus und<br />
die virtuelle Mobilität in Ergänzung des �Bologna-Prozesses.<br />
Es sollen aber auch SchulpartnerschaftenüberdasInternetgeschaffenwerden,umdie<br />
Schüler für das mehrsprachige und multikulturelle<br />
europäische Gesellschaftsmodell zu sensibilisieren.<br />
Die Vernetzung europäischer Schulen soll weiter<br />
ausgebaut werden. Ferner gibt es Querschnittsmaßnahmen,<br />
wie die Beobachtung des Aktionsprogramms„eLearning“vom27.3.2001.Esgehtumdie<br />
Verbreitung, Förderung und Übernahme bewährter<br />
Praktiken und Produkte, die im Rahmen der europäischen<br />
und nationalen Projekte und Programm entwickelt<br />
werden. Das Programm soll ab 2007 nicht separat<br />
weitergeführt werden, eLearning-Belange sollen<br />
imRahmendesgegenwärtigzwischenRatundParlament<br />
diskutierten Aktionsprogramms „Lebenslanges<br />
Lernen“ (2007 – 2013; vgl. Kommissionsvorschlag474vom14.7.2004)weitergeführtwerden.<br />
I. B.-M.<br />
Internet:<br />
http://europa.eu.int/comm/education/programmes/elearning/index_de.html<br />
ELSA (Ethical, Legal and Social Aspects), im 4. Forschungsrahmenprogramm<br />
(1994 – 1998) geförderte<br />
Aktivitäten zur Untersuchung ethischer, gesetzlicher<br />
und sozialer Aspekte der Programme Biomed 2,<br />
BIOTECH 2 und FAIR. Unter multidisziplinärem<br />
Ansatz wurde die Diskussion unter Wissenschaftlern,<br />
Ärzten, Philosophen, Theologen und Juristen<br />
initiiert mit dem Ziel, menschlichen Grundwerten<br />
(wie Unversehrtheit, Solidarität, Menschenwürde)<br />
die nötige Beachtung in der Forschung zu sichern.<br />
ELSA (The European Law Students Association) ist<br />
die weltgrößte Jurastudentenvereinigung und bietet<br />
Jurastudenten, Referendaren und jungen Juristen die<br />
Möglichkeit, sich zu engagieren und weiterzubilden.<br />
Völkerverständigung,dieAusbildungsozialkompetenter<br />
Juristen, akademische Arbeit und Praxisbezug<br />
sind die Grundpfeiler des Selbstverständnisses der<br />
Vereinigung. Als Vorreiter für die universitäre Ausbildung<br />
bietet ELSA studienbegleitend sowohl aka-<br />
179
Elternorganisation<br />
demischealsauchpraxisbezogeneAktivitäteninklusive<br />
Auslandserfahrung, internationaler Kommunikation,<br />
Organisation von Projekten und Soft Skills.<br />
Durch den Austausch auf europäischer Ebene ermöglicht<br />
ELSA Jurastudenten aus ganz Europa, miteinander<br />
in Kontakt zu treten und gemeinsam aktiv<br />
zu werden. Mit 25 000 Mitgliedern an über 220 Universitäten<br />
in 37 Ländern profitiert ELSA von einem<br />
europaweiten Netzwerk (http://elsa-deutschland.<br />
org/de).<br />
Elternorganisation �EPA (European Parents Association)<br />
EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) ist ein<br />
auf freiwilliger Basis vereinbartes Gemeinschaftssystem<br />
für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung<br />
zur Verbesserung des betrieblichen<br />
Umweltschutzes in Unternehmen (auch als<br />
Öko-Audit bekannt). Teilnehmende Firmen (auch<br />
Handwerks- und Gewerbebetrieb oder Einrichtungen<br />
der öffentlichen Hand) werden bei der IHK in ein<br />
EMAS-Register eingetragen und können für ihren<br />
Standort (nicht zur Produktwerbung) ein EMAS-<br />
Logo verwenden. Sie verpflichten sich, in regelmäßigen<br />
Umwelterklärungen über die Auswirkungen<br />
ihrer Tätigkeit, ihrer Produkte und Dienstleistungen<br />
auf die Umwelt Auskunft zu geben und ihren betrieblichen<br />
Umweltschutz kontinuierlich zu verbessern.<br />
Jede Erklärung wird von staatlich zugelassenen Gutachtern<br />
überprüft und für gültig erklärt (validiert),<br />
wenn sie den Anforderungen der EG-Öko-Audit-<br />
Verordnung von 1993 (1896/93) entspricht. Eine<br />
Novelle der Verordnung (761/2001, EMAS II) ist am<br />
27. 4. 2001 in Kraft getreten (ABl. L 114/2001).<br />
Embleme der Organe und Einrichtungen der EU.<br />
Der Kranz aus zwölf Sternen der europäischen Flagge<br />
ist zugleich das Emblem der Europäischen Kommission.<br />
Andere Organe und Einrichtungen der EU<br />
verwenden in ihren Veröffentlichungen zusätzlich<br />
zur Flagge eigene Embleme.<br />
Übersicht im Internet:<br />
http://publications.eu.int/code/de/de-5000200.htm<br />
Empfehlungen in Angelegenheiten des Titels V<br />
EUV (GASP) und des Titels VI EUV (PJZS) kann<br />
das EP an den Rat richten. Der Vorschlag für eine<br />
EmpfehlungwirdnachderGeschäftsordnungdesEP<br />
180<br />
von dem zuständigen Ausschuss ausgearbeitet; er<br />
kannauchvoneinerFraktionodervonmindestens37<br />
Abgeordneten eingereicht werden und wird vom zuständigen<br />
Ausschuss geprüft. Vom Plenum angenommene<br />
Empfehlungen werden dem Rat vom PräsidentendesEPübermittelt.DieseFormderEmpfehlung<br />
ist nicht identisch mit Empfehlungen nach Art.<br />
249 EGV.<br />
Energiepolitik<br />
1. Begriff und Rechtsgrundlagen: Als Teilbereich<br />
der Wirtschaftspolitik umfasst die Energiepolitik<br />
alle politischen Maßnahmen, die die Energieerzeugung,<br />
die Energieversorgung/-verteilung, den Energieverbrauch,<br />
die Energiepreispolitik und die zugehörigen<br />
umweltpolitischen Implikationen regeln.<br />
Sie nimmt unter den Politiken der Gemeinschaft insoferneineSonderstellungein,alssiesichalseinzige<br />
auf alle drei Gründungsverträge der Europäischen<br />
Gemeinschaften stützt. Der Energieträger Kohle unterlagdemVertragüberdieEGKS(ausgelaufennach<br />
50 Jahren 2002); die Kernenergie unterliegt dem<br />
Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft<br />
EAG (EURATOM), und für die übrigen Energieträger<br />
(Erdöl, Erdgas und die erneuerbaren Energien<br />
wie Biogas, Sonnen-, Wasser- und Windenergie) ist<br />
derEG-VertragdiepolitischeHandhabungsgrundlage.<br />
Die Gemeinschaft hat aber auf dem Energiesektor,<br />
ähnlich wie bei den meisten anderen Gemeinschaftspolitiken,<br />
keine ausschließliche Zuständigkeit;<br />
ein großer Teil der energiepolitischen Entscheidungskompetenzen<br />
liegt (entsprechend dem �Subsidiaritätsprinzip<br />
– auf ausdrücklichen Wunsch einiger<br />
Mitgliedstaaten) in der Hand der Mitgliedstaaten.<br />
Darüber hinaus bestehen zahlreiche internationale<br />
Abkommen, insbes. im Atomenergie- und Erdölsektor,<br />
an denen die Mitgliedstaaten (z. T. auch die<br />
Gemeinschaft selbst) beteiligt sind. Daraus resultierende<br />
Rechtsverbindlichkeiten bedeuten eine weitere<br />
Eingrenzung des energiepolitischen Handlungsspielraums<br />
der Gemeinschaft.<br />
2. Ziele der EU-Energiepolitik waren von Anfang an<br />
die Gewährleistung einer gleichmäßigen und flächendeckenden<br />
Energieversorgung zu niedrigen<br />
Preisen und die Versorgungssicherheit. Als weitere<br />
wichtige Zielsetzung wird heute der Umweltschutz<br />
bzw. die �„nachhaltige Entwicklung“ hervorgehoben.<br />
Heute richtet sich die EU-Energiepolitik an den<br />
langfristigen Zielen aus, wie sie zuletzt (2002) im
Grünbuch der EU zur Energieversorgungssicherheit<br />
genannt wurden (KOM 2002/769 und KOM 2002/<br />
321). Demnach ist die EU-Energiepolitik ein integraler<br />
Bestandteil der EU-Wirtschaftspolitik – basierend<br />
auf Marktintegration und Deregulierung –<br />
und zielt ab auf: Beschränkung der öffentlichen Interventionen<br />
auf die Fälle, wo es aufgrund übergeordneten<br />
öffentlichen Interesses unumgänglich notwendig<br />
erscheint; nachhaltige Entwicklung; VerbraucherschutzundwirtschaftlicherundsozialerZusammenhalt.<br />
Neben den generellen Zielsetzungen hat sich die<br />
EU-Energiepolitik auch verschiedene sektorale<br />
Zielsetzungen gesetzt: Beibehaltung des Anteils der<br />
festen Brennstoffe (Kohle) am Gesamtenergieverbrauch;<br />
Gewährleistung des höchstmöglichen Sicherheitsstandards<br />
als Grundvoraussetzung bei Planung,<br />
Bau und Betrieb von Kernkraftanlagen; Erhöhung<br />
des Anteils der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch.WährenddieEUinsgesamtbisheutedeutlicheErfolge<br />
bei der Umsetzung dieser sektoralen Zielvorstellungen<br />
erreicht hat, zeigen sich in Bezug auf den<br />
Zielerreichungsgrad zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten<br />
jedoch deutliche Unterschiede.<br />
Kommission, Parlament und Rat stimmen darin<br />
überein, dass insbes. verstärkte Anstrengungen unternommen<br />
werden sollten, um den Anteil der erneuerbaren<br />
Energien am Gesamtenergieverbrauch bis<br />
zum Jahre 2010 zumindest auf 12 % zu verdoppeln<br />
(Substitutionsprinzip). Die Kommission ist aufgefordert,<br />
dieses Ziel in konkrete Aktionen umzusetzen.<br />
Kontrovers wird auf EU-Ebene aber derzeit diskutiert,welcheMaßnahmenhierzuamgeeignetesten<br />
wären (z. B. der deutsche Weg einer „Einspeisevergütung“<br />
oder die Vorgabe einer festen Zielmarke für<br />
erneuerbare Energie wie in einigen anderen Mitgliedsländern).<br />
3. Stand und Entwicklung der EU-Energiepolitik<br />
3.1 Energieerzeugung und -verbrauch: Kurzer Gesamtüberblick.<br />
Die EU hat bereits deutliche Erfolge<br />
inBezugaufdieErreichungihrerEnergiezieleerzielt<br />
(Verringerung der Energieimportabhängigkeit, Rohölsubstitution,<br />
Energieeffizienzsteigerung und<br />
Energieeinsparung). Seit 1975 hat die EU insgesamt<br />
ihre Primärenergieerzeugung deutlich gesteigert –<br />
vor allem aufgrund der hohen Steigerungen der ÖlproduktioninGroßbritannien.TrotzeineshohenAnstiegs<br />
der Wirtschaftsleistung (Bruttosozialprodukt)<br />
Energiepolitik<br />
in den zurückliegenden drei Jahrzehnten hat sich der<br />
Bruttoenergieverbrauch in der EU jedoch deutlich<br />
weniger erhöht, die Gemeinschaft hat also Fortschritte<br />
in ihrer Zielsetzung erreicht, Wirtschaftswachstum<br />
und Energieverbrauchssteigerung zu entkoppeln.<br />
Die Energieintensität (Verhältnis von<br />
Energieverbrauch zu Sozialprodukt) zeigt damit in<br />
der Gemeinschaft insgesamt fallende Tendenz.<br />
Doch ist dieser anhaltende Rückgang der EnergieintensitätnichtnuraufSteigerungderEnergieeffizienz<br />
bzw. Anstrengungen bei der Energieeinsparung zurückzuführen,<br />
sondern basiert auf dem anhaltenden<br />
Strukturwandel (weg von der energieintensiven<br />
Schwerindustrie, hin zur weniger energieintensiven<br />
Dienstleistungswirtschaft).<br />
Die EU hat seit den 1970er Jahren auch ihre Energieabhängigkeit<br />
insgesamt (Verhältnis Energieimporte<br />
zu Gesamtenergieverbrauch) und ihre Rohölabhängigkeitreduziert(Abhängigkeitin2001:Energieinsgesamt:<br />
51,0 %, Rohöl: 32,5 %). Doch alle Prognosen<br />
signalisieren, dass diese Ziffern für die Energieabhängigkeit<br />
der EU in den nächsten Jahren (Perspektive:<br />
10 – 20-Jahre-Horizont) deutlich steigen<br />
werden (Auslaufen oder deutliche Verringerung der<br />
Öl- und Gasproduktion in Großbritannien; weiteres<br />
Zurückfahren der Kohleproduktion in der EU; Ausstieg/Verringerung<br />
im Bereich der Kernenergie).<br />
Für die einzelnen Mitgliedstaaten zeigen sich jedoch<br />
gegenüber diesen Entwicklungstendenzen in der EU<br />
insgesamt (EU-15 und ebenso EU-25) deutliche Unterschiede<br />
in Bezug auf Energieerzeugung und -verbrauch,<br />
Energieabhängigkeit und insbes. was die angestrebten<br />
Ziele Energieeinsparung und Rohölsubstitution<br />
angeht. Ebenso bestehen zwischen den Mitgliedstaaten<br />
z. T. sehr deutliche Unterschiede in bezug<br />
auf Anteile der einzelnen Energieträger aus dem<br />
Gesamtenergieverbrauch (z. B. hoher Kernenergieanteil<br />
an der gesamten Stromerzeugung in Frankreich<br />
78,2 % und 31,9 % bzw. 33,4 % für die EU-25<br />
bzw.EU-15imJahre2002;hoherAnteilderKohlean<br />
der gesamten Primärenergieerzeugung in Deutschland,<br />
Tschechien und Polen von 44,6 %, 80,8 % und<br />
89.3 % gegenüber 12,9 % für EU-15 bzw. 22,4 % für<br />
EU-25 im Jahre 2002).<br />
3.2 Einzelne Energiesektoren<br />
Feste Brennstoffe (Kohle): Die Ziele der EU-Politik<br />
sehen auch weiterhin vor, dass die Kohle einen wichtigen<br />
Beitrag zur Energieversorgung (Ziel: Energieversorgungssicherheit)<br />
leistet. Heute gibt es in der<br />
181
Energiepolitik<br />
EU nur noch vier wichtige Kohleproduzenten: Polen<br />
(70,6 Mio Tonnen in Öläquivalenten [mtoe] im Jahre<br />
2002; Deutschland: 58,7 mtoe; Tschechien: 24,2<br />
mtoe und Großbritannien: 17,5 mtoe). Auch nach<br />
den Energiepreissteigerungen (2004/2005) auf dem<br />
Weltmarkt (mit entsprechendem Anstieg auch bei<br />
den Kohlepreisen) ist Importkohle immer noch deutlich<br />
billiger als EU-Kohle. Die zur Förderung des<br />
Einsatzes der EU-Kohle insbes. in Deutschland gewährten<br />
Subventionen stoßen auf immer stärkeren<br />
Widerstand (auf Verbraucherseite, von anderen<br />
Energieanbietern; Widerspruch zur grundsätzlich<br />
marktwirtschaftlichen Ausrichtung des Energiesektors;<br />
Konkurrenz der Finanzmittel im Kohlebereich<br />
mit anderen Politikbereichen wie z. B. Forschung<br />
und Entwicklung).<br />
Kohlenwasserstoffe (Rohöl, Erdgas): Die EU-Energiepolitik<br />
zielt darauf ab, die hohe – und zukünftig<br />
voraussichtlich noch deutlich steigende – Rohölabhängigkeit<br />
zu mindern durch eine Veränderung des<br />
„energy mix“ und durch Förderung der Exploration/Erschließung<br />
heimischer Lagerstätten. Zur Verbesserung<br />
der Versorgungssicherheit soll – sofern<br />
möglich – eine Diversifizierung der Bezugsquellen<br />
und eine Bevorratungspolitik betrieben werden<br />
(Mitgliedstaaten sind von der EU verpflichtet, eine<br />
Rohölreserve von 90 Verbrauchstagen als strategischen<br />
Vorrat zu halten).<br />
Kernenergie und -brennstoffe: Der Kernenergie<br />
wird in den EU-Energiezielen auch weiterhin eine<br />
wichtige Rolle zugestanden. Doch seit dem Tschernobyl-UnfallimJahre1986istdieKernenergieinder<br />
EU sehr umstritten. Während einige Mitgliedstaaten<br />
– entsprechend der weitgehenden nationalen Souveränität<br />
im Energiebereich – auch längerfristig der<br />
Kernenergie eine wichtige Rolle zubilligen (z. B.<br />
Frankreich, Tschechien) haben sich andere (z. B.<br />
Deutschland, Belgien) mittelfristig für einen Ausstiegentschieden.AufEU-Ebenewirdaberversucht,<br />
zu einer Anhebung und größeren Vereinheitlichung<br />
der Sicherheitsstandards von Kernkraftanlagen zu<br />
gelangen. Doch trotz des EURATOM-Vertrages<br />
müssen die Befugnisse der EU-Kommission auf diesem<br />
Gebiet auch heute noch als nicht ausreichend bezeichnet<br />
werden (z. B. keine einheitlichen Standards<br />
und Vorschriften auf den Gebieten der Sicherheit<br />
und Entsorgung; keine zwingenden EU-KonsultationsvorschriftenbeiBauundBetriebvonKernkraftanlageninGrenznähe;keineklarenEU-Vorschriften<br />
182<br />
für Lagerung und Transport von Brennstoffen und<br />
nuklearem Abfall; Schwierigkeiten, gemeinsame<br />
Standards und Grenzwerte für Strahlenbelastung<br />
einzuführen; kein ausreichendes Informations- und<br />
Beobachtungssystem in der EU im Falle von Störungen<br />
bei Kernkraftanlagen; keine allgemeinen, abgestimmten<br />
Notfallprozeduren im Falle von schwerwiegenden<br />
Störfällen auf nuklearem Gebiet etc.).<br />
Fragen der nuklearen Sicherheit spielten auch in den<br />
abgeschlossenen Beitrittsverhandlungen (rund 20<br />
Kernkraftanlagen in den Beitrittsländern mit größtenteils<br />
geringerem Sicherheitsniveau als in den alten<br />
Mitgliedstaaten) eine entscheidende Rolle (z. B.<br />
strenge EU-Auflagen und Einigung auf Restlaufzeiten<br />
für Kernanlagen im Falle von Litauen und Slowakei);<br />
diese Fragen sind auch in den Beitrittsverhandlungen<br />
mit Bulgarien von besonderer Bedeutung.<br />
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz: Die<br />
Förderung von erneuerbaren Energien ist eines der<br />
Hauptziele der EU-Energiepolitik. Wie schon zuvor<br />
erwähnt, hat sich die EU das Ziel gesetzt, den Anteil<br />
der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch<br />
bis 2010 auf 12 % zu steigern (in etwa: Verdopplung)<br />
und den Anteil erneuerbarer Energien aus<br />
der gesamten Elektrizitätserzeugung bis 2010 auf<br />
22,1 % zu erhöhen (Richtlinie 2001/77, ABl. L<br />
283/2001). Das EU-Programm �„Intelligente Energie<br />
für Europa“ (Entscheidung 1230/2003, ABl. L<br />
176/2003) ist ein Rahmenprogramm mit einem Finanzvolumen<br />
von 200 Mio. Euro für den Zeitraum<br />
2003-2006); dieses Programm enthält zahlreiche<br />
Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien<br />
und zur Steigerung der Energieeffizienz.<br />
Der Steigerung der Energieeffizienz dient auch die<br />
Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung (Erzeugung<br />
von Elektrizität und Wärme in einem einzigen<br />
integrierten Prozess), für die nach langer und kontroverser<br />
Diskussion im Jahre 2004 eine EU-Regelung<br />
gefundenwurde(Richtlinie2004/8,Abl.L52/2004).<br />
3.3 Forschung, Entwicklung und Demonstration:<br />
Das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung<br />
umfasst viele Projekte im Energiebereich,<br />
mit denen die Energieziele der EU unterstützt werden<br />
sollen. Diese Projekte zielen darauf ab, die Akzeptanz,<br />
Wettbewerbsfähigkeit und den Anwendungsbereich<br />
traditioneller Energieträger zu fördern<br />
(z. B. Reaktorsicherheit und Behandlung, Transport<br />
und Lagerung von Nuklearabfall; Vergasung und<br />
Verflüssigung von Kohle) oder die Anwendung neu-
erEnergieformen(erneuerbareEnergien,neueTechnologien<br />
für ein nachhaltiges Energiesystem, Kernfusion)<br />
und Energieeinsparung sowie Energieeffizienz<br />
zu unterstützen.<br />
3.4 Binnenmarkt für Energie: In der Gründungsphase<br />
der Gemeinschaft zeigten sich zwischen den einzelnen<br />
Mitgliedstaaten noch deutliche Unterschiede<br />
in Bezug auf die ordnungspolitischen Grundvorstellungen<br />
für den Energiebereich. Einzelne Sektoren<br />
(Kohle und Stahl, Kernenergie) waren durch deutliche<br />
planwirtschaftlich-dirigistische und protektionistische<br />
Komponenten geprägt, während andere<br />
Sektoren (Öl, Erdgas) eher marktwirtschaftlich geprägt<br />
waren. Dies fand auch seinen Niederschlag in<br />
den ordnungspolitischen Unterschieden zwischen<br />
den Verträgen (EGKS und EURATOM einerseits<br />
und EWG andererseits).<br />
Aber spätestens mit dem Konzept und der weitgehenden<br />
Realisierung des „Binnenmarktes 1992“ hat<br />
sich auch im Energiebereich der liberale, an marktwirtschaftlichen<br />
Grundsätzen orientierte und eindeutig<br />
auf Durchsetzung von Wettbewerbsprozessen<br />
ausgerichtete Kurs durchgesetzt. Damit hat die<br />
EU im Energiebereich, der in zahlreichen Mitgliedstaaten<br />
bis in die jüngste Zeit noch in der Hand von<br />
planwirtschaftlich gelenkten, z. T. staatlichen Monopolunternehmen<br />
lag bzw. sich in der Hand von Privatunternehmen<br />
mit Gebietsmonopolrechten befand,<br />
einen quasi revolutionären Veränderungsprozess<br />
eingeleitet.<br />
Im Energiebereich verlangt die Vollendung des Binnenmarktes<br />
die Abschaffung von zahlreichen Hindernissen<br />
und Schranken, die Annäherung von Steuer-<br />
und Preispolitiken und gemeinsame Maßnahmen<br />
in Bezug auf Normen und Standards und Umweltund<br />
Sicherheitsregelungen. Nach den schon 1990<br />
und 1991 nach langem und zähem Ringen zwischen<br />
allenBeteiligten(EU-Institutionen,nationaleRegierungen,<br />
Industrie, Verbraucher) verabschiedeten<br />
Transitrichtlinien für Strom und Gas wurde im Juli<br />
1996 eine weitere Öffnung des Elektrizitätsmarktes<br />
für große industrielle Abnehmer („Third Party Access“,<br />
TPA) eingeleitet (Richtlinie 96/92, ABl. L<br />
27/1997). Im Juni 1998 wurde schließlich auch eine<br />
entsprechende Öffnung des Gasmarktes durchgesetzt<br />
(Richtlinie 98/30, geändert durch 2003/55,<br />
ABl. L 176/2003). Die Kommission berichtet dem<br />
Europäischen Parlament im 2-Jahres-Rhythmus<br />
über die eingeleiteten Marktöffnungen.<br />
Energiepolitik<br />
Mit zwei weiteren Richtlinien für Elektrizität<br />
(2003/54, ABl. L 176/2003) und für Gas (2003/55,<br />
ABl. L 176/2003) sollten – in Verbindung mit der<br />
Verordnung 1228/2003 (ABl. L 160/2003) über die<br />
Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden<br />
Stromhandel – die Energiemärkte für Elektrizität<br />
und Gas ab 1. 7. 2004 für alle Nicht-Haushalts-<br />
Kunden (ab 1. 7. 2007 für alle Kunden) vollständig<br />
dem Wettbewerb geöffnet sein. Doch sind diese<br />
Richtlinien, die in Deutschland ihren Niederschlag<br />
im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) finden sollen,<br />
noch nicht in allen Mitgliedstaaten umgesetzt.<br />
Auf Beschluss der Kommission (2003/96, ABl. L<br />
36/2003) müssen alle Mitgliedstaaten eine Regulierungsbehörde<br />
für die Energiemärkte (Elektrizität<br />
und Gas) einrichten, die mit bestimmten Mindestbefugnissen<br />
ausgestattet sind (Überwachung der „public-service“-Verpflichtungen<br />
der Energieanbieter<br />
und Kontrolle der Liefersicherheit und der Tarife).<br />
3.5. Klimaverpflichtungen. Die EU hat sich stets zu<br />
ihrer Verpflichtung bekannt, dem Anstieg der Treibhausgase(vorallemCO2)unddendadurchimplizierten<br />
Klimaänderungen entgegenzuwirken. Insbesondere<br />
auf ihr Drängen ist im Dezember 1997 das Protokoll<br />
von Kyoto über Klimaänderungen unterzeichnet<br />
worden, in dem sich die EU verpflichtet, ihre<br />
Treibhausgasemissionen von 2008 bis 2012 im Vergleich<br />
zum Stand von 1990 um 8%zuverringern.<br />
Anfang2005istdasKyoto-ProtokollnachderRatifizierung<br />
durch Russland – nach langjährigem Drängen<br />
und viel politischer Überzeugungsarbeit seitens<br />
der EU – in Kraft getreten. Der Erfüllung der Kyoto-Verpflichtungen<br />
dient (wie im Kyoto-Protokoll<br />
vorgesehen) auch das zum Jahresbeginn 2005 in der<br />
EU eingeführte System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten<br />
– auch „Emissions<br />
Trading“ genannt (Richtlinie 2003/87, ABl. L 275/<br />
2003). In diesem System bedeutet „Zertifikat“ die<br />
Berechtigung zur Emission einer Tonne Kohlendioxid<br />
oder eines anderen Treibhausgases mit äquivalenterWirkungineinem<br />
bestimmten Zeitraum. Alle<br />
Anlagen der Sektoren Energie, Eisenmetallerzeugung<br />
und -verarbeitung, mineralverarbeitende Industrie<br />
sowie Papier- und Pappeindustrie fallen automatisch<br />
unter die Bestimmungen des Emissionshandels.<br />
Für den Betrieb dieser Anlagen, bei dem dann<br />
aufgrund energetischer Umwandlungen Treibhausgasemissionen<br />
anfallen, sind Zertifikate entsprechend<br />
dem Emissionsvolumen zwingend vorge-<br />
183
Energiepolitik<br />
schrieben. Diese Zertifikate sind zwischen den Anlagebetreibern<br />
innerhalb der EU handelbar. Diese Zertifikate<br />
selbst sind in einem nationalen Aktionsplan<br />
(NAP) in den einzelnen Mitgliedstaaten den jeweiligen<br />
Anlagebetreibern von den nationalen Regierungen<br />
(in Deutschland: Bundesministerium für Umwelt)<br />
nach langwierigen Verhandlungen zugeteilt<br />
worden. Mittels dieses Systems soll auf kostenwirksame<br />
Weise eine Verringerung der Treibhausgasemissionen<br />
erreicht werden. Die im Kyoto-Protokoll<br />
auch genannten projektbezogenen Mechanismen<br />
(„Joint Implementation" und „Clean Development<br />
Mechanism" für Projekte zur CO2-Reduktion in sog.<br />
Schwellenländern und in weniger entwickelten Ländern)<br />
können im EU-Emissionshandelssystem mitberücksichtigt<br />
werden (Richtlinie 2004/101, ABl. L<br />
338/2004). Die dort erbrachten Emissionsreduktionen<br />
können sich Anlagebetreiber in der EU anrechnen<br />
lassen.<br />
Gegenwärtig wird auf EU-Ebene intensiv diskutiert,<br />
welche Strategie seitens der Gemeinschaft in der<br />
„Nach-Kyoto“-Phase (nach 2012) eingeschlagen<br />
werden soll (z. B. weitere Emissionsreduktionen;<br />
verstärkte Bemühungen auf internationaler Ebene,<br />
weitere Länder – wie USA, China etc. – in den Kyoto-Prozess<br />
mit einzubeziehen).<br />
3.6 Internationale Kooperationen. Nach dem Ende<br />
der Trennung Europas durch den Eisernen Vorhang<br />
hatte der Europäische Rat im Juni 1990 in Dublin angeregt,<br />
durch eine intensive Zusammenarbeit im<br />
Energiebereich mit den Ländern Osteuropas und der<br />
ehemaligen Sowjetunion die Wirtschaftsentwicklung<br />
dieser Länder zu beschleunigen und die Energie-Versorgungssicherheit<br />
der Gemeinschaft zu verbessern.<br />
Auf Initiative der EU-Kommission kam es<br />
1991 in Den Haag zur Unterzeichnung der Energiecharta.<br />
In dem späteren Vertrag über die Energiecharta<br />
kamen im Dezember 1994 in Lissabon die 49<br />
Unterzeichnerstaaten (ohne USA und Kanada) überein,<br />
die industrielle Zusammenarbeit zwischen Ostund<br />
Westeuropa zu fördern, indem es auf dem Gebiet<br />
der Investitionen, des Transits und des Handels mit<br />
Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen<br />
Rechtssicherheit schafft (ergänzt durch das EnergiechartaprotokollüberEnergieeffizienzunddamitverbundene<br />
Umweltaspekte).<br />
Der Verbesserung der Ost-Europa-Beziehungen im<br />
Energiebereich dient insbes. die Energiepartnerschaft<br />
EU-Russland, die auf einem bilateralen Gip-<br />
184<br />
feltreffen am 30. 10. 2000 in Paris begründet wurde.<br />
Ziel ist der Ausbau der Beziehungen im Energiebereich,<br />
um die Investitionsmöglichkeiten im russischen<br />
Energiesektor zu verbessern, die Infrastruktur<br />
zu modernisieren und die Energieeffizienz und umweltfreundliche<br />
Technologien zu fördern.<br />
Für die EU ist es von zentralem Interesse, die Rolle<br />
Russlands als Erdgas- und Erdölversorger des EU-<br />
Marktes zu günstigen und wirtschaftlichen Bedingungenaufrechtzuerhaltenundauszubauen.DerEU<br />
ist gleichfalls daran gelegen, die Infrastrukturkapazitäten<br />
Russlands als sicherem und zuverlässigem<br />
LieferlanddurchdenTransfervonTechnologienund<br />
durch Investitionen zu stärken.<br />
Die angesprochene Verbindung mit Osteuropa im<br />
Energiesektor ist auch Zielsetzung der von der EU-<br />
Kommission seit 1999 eingeleiteten „Verstärkung<br />
der nördlichen Dimension der europäischen Energiepolitik“<br />
(konzentriert sich vor allem auf die Ostseeanrainerstaaten<br />
einschl. Norwegen und die Nordwestregion<br />
Russlands einschl. Kaliningrad).<br />
Ein weiterer wichtiger Eckpunkt in der internationalen<br />
Kooperation im Energiebereich ist die „Zusammenarbeit<br />
Europa-Mittelmeer“, wie sie 1995 in Barcelona<br />
(�„Barcelona-Prozess“) zwischen den 12<br />
Mittelmeer-Partnerländern und der EU für einen<br />
breit gefächerten Politikbereich eingeleitet wurde.<br />
Der Energiesektor erfordert insbes. aus zwei Gründen<br />
die enge Zusammenarbeit: Geographische Bedeutung<br />
der Mittelmeerländer als Brücke zu den für<br />
die EU wichtigsten Exportländern (Golf- und Kaukasusstaaten);<br />
bedeutende Erdöl- und Erdgasreserven<br />
in einigen Partnerländern (insbes. Algerien, Libyen).<br />
In der internationalen Kooperation im Energiebereich<br />
wird seitens der EU der Zusammenarbeit mit<br />
Entwicklungsländern immer größere Bedeutung<br />
eingeräumt. Der Energiesektor ist von zentraler Bedeutung<br />
für die drei Dimensionen der nachhaltigen<br />
Entwicklung: die soziale Dimension (Kampf gegen<br />
die Armut), die wirtschaftliche Dimension (Sicherheit<br />
der Energieversorgung) und die Umweltdimension<br />
(Umweltschutz). Insbesondere seit dem Weltgipfel<br />
für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg<br />
im September 2002 versucht die EU, auch auf dem<br />
Energiesektor ihre Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern<br />
zu verstärken.<br />
4. Ausblick. In dem zur Ratifizierung anstehenden<br />
�Verfassungsvertrag 2004 ist erstmals ein Energie-
kapitel eingefügt (Artikel III-256), das – neben Verbesserung<br />
der Umwelt – insbes. folgende Ziele benennt:<br />
Sicherung des Energiemarktes und der Energieversorgungssicherheit,<br />
Förderung der Energieeffizienz<br />
und Entwicklung erneuerbarer Energiequellen.<br />
Für drei Bereiche sieht die EU-Verfassung Ausnahmen<br />
vor: Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Sicherung<br />
der Energieversorgung, zur Ausbeutung eigener<br />
Energieressourcen und solche überwiegend<br />
steuerlichen Charakters. Zu einer – wegen einer nur<br />
unzureichenden Beteiligung des Europäischen Parlaments<br />
am Entscheidungsverfahren häufig geforderten<br />
– Reform des EURATOM-Vertrages konnte<br />
sich der Verfassungskonvent nicht durchringen.<br />
Falls die EU-Verfassung und damit das Energiekapitel<br />
in Kraft treten sollten, würde dies sicherlich der<br />
EU-Energiepolitik zu neuem Schwung verhelfen<br />
und neue energiepolitische Aktivitäten einleiten.<br />
Unstrittig ist, dass die Fragen Versorgungssicherheit,<br />
Energiepreisentwicklung und Klimaschutz die<br />
energiepolitische Debatte in der EU auch in absehbarer<br />
Zeit beherrschen werden. Nicht zu vergessen,<br />
dass plötzliche Ereignisse (z. B. gravierende Anschläge<br />
oder Unfälle im Erzeugungssektor oder auf<br />
den Transportwegen) die Energiepolitik als wichtigsten<br />
Aspekt unseres Wirtschaftens jederzeit wieder<br />
schlagartig ins Rampenlicht rücken könnten.<br />
P. P.<br />
Literatur:<br />
Nuscheler, U.: Energiepolitik. In:<br />
Weidenfeld, W., Wessels, W. (Hg), Jahrbuch der Europäischen<br />
Integration 2003/2004. Bonn 2004<br />
Internet: http://europa.eu.int/comm/energy/index_de.html<br />
Energy Star ist ein Stromsparzeichen der USA für<br />
Bürogeräte (PC, Bildschirme, Faxgeräte, Drucker<br />
usw.), das durch ein 2001 geschlossenes Abkommen<br />
zwischen den USA und der EU (ABl. L 172/2001)<br />
auch in der EU Verwendung findet. Die Modalitäten<br />
dafür wurden durch Verordnung des Rates und des<br />
EPvom6.11.2001festgelegt(ABl.L332/2001).<br />
Enthaltung, positive/konstruktive, ist die Möglichkeit<br />
eines Ratsmitglieds, bei einer Beschlussfassung<br />
im Rahmen der �GASP, die Einstimmigkeit<br />
verlangt, sich der Stimme zu enthalten, ohne damit<br />
einVetorechtauszuüben,alsoohnedenBeschlusszu<br />
blockieren (Art. 23 Abs. 1 EUV).<br />
Entkoppelung der Zahlungen von der Produktion<br />
bzw. der Tierzahl �Gemeinsame Agrarpolitik<br />
Entlastung. Nach Prüfung der Rechnung über alle<br />
Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft und der<br />
von der Gemeinschaft geschaffenen Einrichtungen<br />
(gem. Art. 248 EGV) erstellt der Rechnungshof einen<br />
Jahresbericht, der den anderen Organen zur Stellungnahme<br />
vorgelegt und mit den Antworten der Organe<br />
im Amtsblatt veröffentlicht wird. Der Rechnungshof<br />
legt darüber hinaus dem Rat und dem Parlament<br />
eine Erklärung über die Zuverlässigkeit der<br />
Rechnungsführung sowie die Rechtmäßigkeit und<br />
Ordnungsmäßigkeit der Ausführung des Haushaltsplans<br />
vor. Der Bericht und die Erklärung dienen dem<br />
Europäischen Parlament als Grundlage für die Entlastung<br />
der Kommission zur Ausführung des Haushaltsplans<br />
gem. Art. 276 EGV. Die Kommission<br />
übermittelt dem Rat und dem Parlament zudem für<br />
das abgelaufene Haushaltsjahr einen Rechenschaftsbericht<br />
über alle Einnahmen und Ausgaben sowie<br />
über das Vermögen und die Schulden der Gemeinschaft<br />
(Art. 275 EGV).<br />
Der Rat gibt mit qualifizierter Mehrheit eine Empfehlung<br />
zur Entlastung ab. Danach prüft das Parlament<br />
den Rechenschaftsbericht der Kommission sowie<br />
den Jahresbericht des Rechnungshofs und dessen<br />
Zuverlässigkeitserklärung. Es kann dazu von der<br />
Kommission alle notwendigen Auskünfte einholen.<br />
Als Abschluss des Verfahrens erteilt oder verweigert<br />
das Parlament der Kommission die Entlastung zur<br />
Ausführung des Haushaltsplans (bisher einmal Verweigerung<br />
der Entlastung für den Haushalt 1996).<br />
Die Kommission ist gehalten, den in den Entlastungsbeschlüssen<br />
von Rat und Parlament enthaltenen<br />
Bemerkungen und Erläuterungen nachzukommen<br />
und muss auf Ersuchen des Rats oder des ParlamentsüberergriffeneMaßnahmenBerichterstatten.<br />
Entscheidung �Rechtsakte der EU<br />
Entschließung<br />
Entschließung(en). Form der politischen Willensäußerung<br />
des Europäischen Rates, des Rates der EU<br />
oder des Europäischen Parlaments (EP) ohne rechtlich<br />
bindende Wirkung, aber oft von erheblicher politischer<br />
Bedeutung.<br />
Das EP nutzt die Entschließung als Mittel, seinen<br />
Auffassungen Publizität und Geltung zu verschaffen.<br />
Der Rat fasst Entschließungen u. a. im Rahmen der<br />
�Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, um<br />
eine gemeinsame Haltung zu Fragen der Weltpolitik<br />
185
Entsendung von Arbeitnehmern<br />
oderfürVerhandlungenininternationalenOrganisationen<br />
oder Konferenzen festzulegen.<br />
Entschließungen des Europäischen Rates haben der<br />
EG/EU mehrfach Impulse zu weiterer �Integration<br />
gegeben, so zur Errichtung des �Europäischen Währungssystems,<br />
in der �Energiepolitik und der �Regionalpolitik.<br />
Ähnliche Bedeutung wie Entschließungen können<br />
auch Erklärungen (Deklarationen) haben, so die „ErklärungderGrundrechteundGrundfreiheitendesEP<br />
(1989) oder die �„Feierliche Erklärung zur Europäischen<br />
Union“ des Europäischen Rates (1983).<br />
Entsendung von Arbeitnehmern.UmeinHindernis<br />
für die Verwirklichung der �Dienstleistungsfreiheit<br />
im Binnenmarkt auszuräumen, wurde 1996 die<br />
„Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern<br />
im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“<br />
erlassen (96/71, ABl. L 18/1997), die bis spätestens<br />
16. 12. 1999 in nationales Recht umgesetzt sein<br />
musste. Die Richtlinie gilt für Unternehmen, die Arbeitnehmer<br />
vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat<br />
schicken, um dort vertraglich vereinbarte<br />
Leistungenzuverrichten.SiegiltnichtfürSchiffsbesatzungen<br />
von Unternehmen der Handelsmarine.<br />
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten,<br />
dafür zu sorgen, dass den in ihr Hoheitsgebiet<br />
entsandten Arbeitnehmern jene Arbeits- und<br />
Schutzbestimmungen garantiert werden, die dort<br />
aufgrund von Rechtsvorschriften oder tariflichen<br />
Vereinbarungengelten.Dasbetrifftinsbes.Mindestlohnsätze,<br />
Höchstarbeitszeiten, den bezahlten Mindestjahresurlaub,<br />
die Sicherheit und den Gesundheitsschutz<br />
am Arbeitsplatz, die Gleichbehandlung<br />
von Frauen und Männern sowie Schutzmaßnahmen<br />
für Schwangere, Kinder und Jugendliche.<br />
Artikel4derRichtlinieverpflichtetdieMitgliedstaaten<br />
zur Zusammenarbeit beim Austausch von Informationen<br />
über die Einhaltung der Bestimmungen,<br />
z. B. zur unentgeltlichen gegenseitigen Amtshilfe<br />
bei begründeten Anfragen von Behörden.<br />
Entwicklungspolitik<br />
1. Begriff und Entwicklung. Entwicklungspolitik ist<br />
die Summe aller Mittel und Maßnahmen, die von<br />
Entwicklungs- und Industrieländern eingesetzt/ergriffen<br />
werden, um die wirtschaftliche und soziale<br />
Entwicklung der Entwicklungsländer zu fördern,<br />
d. h. die Lebensbedingungen ihrer Menschen zu ver-<br />
186<br />
bessern. Sie erfordert organisierte Trägergruppen in<br />
Entwicklungs- und Industrieländern und ein den entwicklungspolitischen<br />
Zielsetzungen angepasstes Instrumentarium.<br />
In der EU ist die Zuständigkeit für die Entwicklungspolitikgeteilt;sieliegtzumeineninderHanddereinzelnen<br />
Mitgliedstaaten, zum anderen in der Hand der<br />
Gemeinschaft. Die Ursprünge der Entwicklungspolitik<br />
der EG gehen auf den EWG-Gründungsvertrag<br />
von 1957 zurück. Damals wurden die noch abhängigen<br />
außereuropäischen Länder und Hoheitsgebiete<br />
(Kolonien) der EWG-Gründerstaaten Frankreich,<br />
Belgien, Niederlande und Italien in einer Art Freihandelszone<br />
mit der EWG assoziiert und der erste<br />
�Europäische Entwicklungsfonds stellte Mittel zur<br />
HilfefürdieseTerritorienzurVerfügung.Wegendes<br />
Fehlens vertraglich abgesicherter Gemeinschaftskompetenzen<br />
für den Bereich Entwicklungspolitik<br />
erfolgte die Wahrnehmung entwicklungspolitischer<br />
AufgabendurchRückgriffaufRechtsgrundlagenanderer<br />
Politikbereiche. Grundlage für die �Assoziierung<br />
waren die Art. 131–136 EWGV. Aus dieser einseitigen<br />
Anbindung der damaligen Kolonien dieser<br />
Mitgliedstaaten an die EWG entwickelte sich nach<br />
ihrer Unabhängigkeit Anfang der 1960er Jahre und<br />
nach dem Beitritt Großbritanniens zur EG 1973 eine<br />
zunehmend partnerschaftliche EntwicklungszusammenarbeitzwischenderGemeinschaftund(2005)78<br />
Entwicklungsländern Afrikas, der Karibik und des<br />
pazifischen Raumes (�AKP-Staaten). Sie wurde mit<br />
den �Jaunde-Abkommen I und II, denen die �Lomé-Abkommen<br />
I bis IV (1975 – 1979, 1980 – 1984,<br />
1985 – 1989, 1990 – 1999) und das Abkommen von<br />
�Cotonou (seit 1. 4. 2003 in Kraft) folgten, auf eine<br />
vertragliche Grundlage gestellt.<br />
Darüber hinaus eröffneten Art. 228 und 238 EWGV<br />
die Möglichkeit, auch mit anderen Staaten Assoziierungsabkommen<br />
zu schließen. Weitere entwicklungspolitische<br />
Aktivitäten stützten sich bis zum Inkrafttreten<br />
des Vertrages über die Europäische<br />
Union (1993) vor allem auf die Zuständigkeiten der<br />
Gemeinschaft im Handels- und Agrarbereich (Art.<br />
113 bzw. 43 EWGV) und die allgemeine Handlungsermächtigung<br />
zur Verwirklichung der Vertragsziele<br />
(Art. 235 EWGV). Obwohl die Entwicklungszusammenarbeit<br />
in den Römischen Verträgen nicht als eigenständiger<br />
Politikbereich ausgewiesen ist, haben<br />
sich so auf Grund der Erweiterung der EWG, des<br />
wachsenden Selbstbewusstseins der unabhängig ge-
wordenen Entwicklungsländer und der Erkenntnis<br />
der wechselseitigen Abhängigkeit insbes. nach der<br />
ersten Erdölkrise (1973/74) die Beziehungen zwischen<br />
EWG und Entwicklungsländern über die Zusammenarbeit<br />
mit den AKP-Staaten hinaus zu einer<br />
weltweiten entwicklungspolitischen Kooperation<br />
erweitert. Erst mit dem �Maastrichter Vertrag über<br />
dieEuropäischeUnionwirddieEntwicklungspolitik<br />
als eigenständiger Bereich im EG-Vertrag verankert<br />
(Art. 177 – 181 EGV). Damit ist das rechtliche Fundament<br />
für die weitere Europäisierung der Entwicklungszusammenarbeit<br />
geschaffen.<br />
2. Formen der Zusammenarbeit: Im Rahmen der<br />
„globalen Mittelmeerpolitik“ hat die EG bereits in<br />
den siebziger Jahren mit den Maghreb-Ländern Marokko,<br />
Algerien und Tunesien, mit den Ländern des<br />
Maschrik (Ägypten, Syrien, Jordanien, Libanon),<br />
mit Israel, der Türkei, Zypern und Malta Kooperationsabkommen<br />
über handelspolitische, industrielle,technischeundfinanzielleZusammenarbeitabgeschlossen;<br />
sie wurden einzeln (bilateral) ausgehandelt.<br />
Mitte der 1970er Jahre wurden die entscheidenden<br />
Schritte zu einer Ausweitung der Zusammenarbeit<br />
mit den Ländern Lateinamerikas und Asiens getan.<br />
Sie führte zu Kooperationsabkommen mit einzelnen<br />
asiatischen und lateinamerikanischen Ländern<br />
(z. B. Jemen, Indien, Pakistan, Bangladesch,<br />
Golfstaaten, China, Brasilien, Argentinien) sowie<br />
mit Organisationen für regionale Integration/Zusammenschlüsse,<br />
dem Andenpakt 1983 (Bolivien,<br />
Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela), den Ländern<br />
Zentralamerikas 1985 (Costa Rica, Guatemala,<br />
Honduras, Nicaragua, Panama, EI Salvador) und mit<br />
den ASEAN-Staaten 1980 (Indonesien, Malaysia,<br />
Philippinen, Singapur, Thailand, seit 1984 Brunei).<br />
Die Abkommen mit diesen Staaten und Staatengruppen<br />
haben eher Rahmencharakter, weil sie weder<br />
Handelspräferenzen noch konkrete Zusagen für Finanzhilfe<br />
enthalten. Bisher haben über 100 Länder<br />
der (ehem.) Dritten Welt und die meisten Nachfolgestaaten<br />
der ehemaligen Sowjetunion Kooperationsabkommen<br />
mit der EG/EU abgeschlossen. Dementsprechend<br />
erfolgt die finanzielle Abwicklung der<br />
Verträge im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit<br />
unterschiedlich:<br />
a) mit den AKP-Staaten über den Europäischen Entwicklungsfonds,<br />
b) mit den Ländern des Mittelmeerraums über Finanzprotokolle,<br />
Entwicklungspolitik<br />
c) mit Ländern, für die in den Abkommen mit der<br />
EG/EU finanzielle Hilfe nicht ausdrücklich vorgesehen<br />
ist, über ein besonderes Budget.<br />
Über die Assoziierungs- und Kooperationsabkommen<br />
und die nationale Entwicklungszusammenarbeit<br />
hinaus hat sich die EU in verschiedenen anderen<br />
Formen aktiv an der Nord-Süd-Zusammenarbeit beteiligt:<br />
�Nahrungsmittelhilfe (meist kostenlos), Katastrophenhilfe,<br />
finanzielle Unterstützung von<br />
Nichtregierungsorganisationen und seit 1971 Anwendung<br />
des Systems der �allgemeinen Zollpräferenzen<br />
(APS) zu Gunsten der Entwicklungsländer,<br />
das 1970 im Rahmen der �UNCTAD (United Nations<br />
Conference on Trade and Development) entwickelt<br />
wurde.<br />
3. Ziele, Instrumente und Maßnahmen der Entwicklungspolitik:<br />
Ziele, Umfang, Formen und Inhalte der<br />
Entwicklungspolitik/-zusammenarbeit der EU haben<br />
sich seit den 1990er Jahren aufgrund der veränderten<br />
politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />
Rahmenbedingungen stark gewandelt. Neben die ursprünglichen<br />
Zielsetzungen<br />
– Unterstützung der Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer,<br />
– Förderung der Ernährungsunabhängigkeit mit<br />
Vorrang der ländlichen Entwicklung,<br />
– Entwicklung der menschlichen Ressourcen und<br />
Berücksichtigung der kulturellen Dimension,<br />
– Entwicklung autonomer Kapazitäten in Wirtschaft,<br />
Forschung und Entwicklung,<br />
– Nutzung der in den Entwicklungsländern vorhandenen<br />
heimischen Ressourcen,<br />
– Harmonische Eingliederung der Entwicklungsländer<br />
in die Weltwirtschaft<br />
sind neue getreten:<br />
– Wirtschaftlich, sozial- und umweltverträgliche<br />
nachhaltige Entwicklung,<br />
– Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit<br />
und der Marktwirtschaft sowie eine berechenbare<br />
entwicklungsfördernde Wirtschaftspolitik,<br />
– Einhaltung der Menschenrechte und<br />
– Zentrierung aller entwicklungspolitischen Anstrengungen<br />
auf die Bekämpfung der Armut.<br />
DieEUhataufdemMillenniumsgipfelderVereinten<br />
Nationen (2000), auf den großen Weltgipfeln in<br />
Doha/Katar zur Eröffnung der 9. Welthandelsrunde<br />
(2001, �WTO), in Monterrey/Mexiko (2002) zur<br />
Entwicklungsfinanzierung und in Johannesburg<br />
(2002) auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwick-<br />
187
Entwicklungspolitik<br />
lung ausdrücklich ihre Verpflichtung, sich für die<br />
Einlösung der großen Entwicklungsziele einzusetzen,bekräftigt.NebendenMaßnahmenderHandelsund<br />
Assoziierungspolitik, die auch viele Länder<br />
Asiens und Lateinamerikas sowie die noch nicht zur<br />
EU gehörigen Länder Mittel- und Osteuropas und<br />
der ehemaligen UdSSR einschließen, gehören die<br />
Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen<br />
und die Koordinierung der Entwicklungspolitiken<br />
der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zu<br />
den wichtigsten entwicklungspolitischen Aufgaben<br />
der EU.<br />
4. Neue Akzente im 21. Jahrhundert: Seit Beginn des<br />
21. Jhs. wird die EU-Entwicklungspolitik zunehmend<br />
stärker in die außen- und sicherheitspolitische<br />
Diskussion einbezogen, zumal die Europäische<br />
Union als internationaler Akteur eine immer wichtigere<br />
Rolle spielt. Ob dieser Prozess zu einer Verwässerung<br />
oder zu einer schärferen Akzentuierung der<br />
zentralen entwicklungspolitischen Aufgaben – Armutsbekämpfung<br />
und nachhaltige Entwicklung –<br />
führt, bleibt abzuwarten. Über die in den 1990er Jahren<br />
in die europäische Entwicklungspolitik eingebrachten<br />
politischen Aspekte (Demokratie, Menschenrechte,<br />
Rechtsstaatlichkeit, gute Staatsführung)hinausspieltmehrundmehrdieSicherheitsfrage<br />
eine zentrale Rolle. Entwicklung braucht innere<br />
und äußere Sicherheit. Zur Vermeidung bzw. Entschärfung<br />
gewaltsamer Konflikte nimmt die Verknüpfung<br />
entwicklungspolitischer mit militärischen<br />
Maßnahmen zu. Beispiele dafür sind die finanzielle<br />
Unterstützung des ECOWAS-Militäreinsatzes in LiberiadurchdieEUmitMittelnausdem<br />
�EEFundder<br />
Einsatz deutscher Militär-Transportflugzeuge im<br />
Rahmen der Lösung des Flüchtlingselends in Darfour/Sudan.<br />
Konfliktprävention ist unverzichtbare<br />
Voraussetzung für erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit.<br />
An den Konfliktursachen anzusetzen,<br />
ist die beste Präventionsstrategie; Militäreinsätze<br />
sollten nur dann erfolgen, wenn alle anderen Mittel<br />
wirkungslos bleiben. Kritiker, insbes. Vertreter<br />
188<br />
von �Nichtregierungsorganisationen (NROs) lehnen<br />
den Einsatz militärischer Mittel im Rahmen der<br />
Entwicklungszusammenarbeitstriktab.Siebefürchten,<br />
dass Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit<br />
der Außen- und Sicherheitspolitik untergeordnet<br />
werden und so ihre Eigenständigkeit verlieren könnten.<br />
Umgekehrt wächst aber auch die Einsicht, dass<br />
der Einsatz militärischer Mittel zur Eindämmung<br />
von Konflikten Voraussetzung für strukturelle Maßnahmen<br />
der Entwicklungszusammenarbeit ist.<br />
Die Verknüpfung von Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit<br />
mit der Außen- und Sicherheitspolitik<br />
wird auch im Europäischen �Verfassungsvertrag<br />
2004 deutlich. Hier soll die Entwicklungszusammenarbeit<br />
zusammen mit der Gemeinsamen Außenund<br />
Sicherheitspolitik sowie mit der gemeinsamen<br />
�Handelspolitik zum „Auswärtigen Handeln der<br />
Union“(TeilIII,TitelV)zusammengefasstwerden.<br />
Einen unbefriedigenden Verlauf nahm bisher die<br />
2001 begonnene 9. Welthandelsrunde, die als „Entwicklungsrunde“<br />
angekündigt worden war, aber<br />
noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt hat.<br />
Auf der Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko,<br />
2003)kameswederzueinerEinigungüberdiefürdie<br />
Entwicklungsländer wichtigen Themen „Abbau der<br />
Agrarsubventionen, Zugangserleichterungen für<br />
nichtagrarische (arbeitsintensive) Produkte zu den<br />
Märkten der lndustrieländer“, noch waren die Industrieländer<br />
bereit, auf die Behandlung anderer Themen<br />
(sog. Singapur-Themen, Dienstleistungen) zu<br />
verzichten. Die EU signalisierte erst Kompromissbereitschaft,<br />
als das Scheitern nicht mehr zu verhindern<br />
war. Inzwischen hat die EU angekündigt, bei<br />
den weiteren Verhandlungen eine führende Rolle<br />
einzunehmen. Die Europäische Kommission hat einen<br />
Aktionsplan mit Vorschlägen zur Unterstützung<br />
der Entwicklungsländer bei der Bewältigung von<br />
Preisschwankungen bei Agrarrohstoffen auf dem<br />
Weltmarkt ausgearbeitet. Dass die EU ihre entwicklungspolitische<br />
Neuausrichtung ernst zu nehmen<br />
scheint lässt, sich daran erkennen, dass sie damit be-<br />
Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in Mrd. US-Dollar (netto)<br />
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2003<br />
EG-/EU-Staaten 6,1 13,0 11,6 26,4 31,3 25,2 37,1<br />
USA 4,2 7,1 9,4 11,4 7,4 10,0 16,3<br />
Japan 1,1 3,4 3,8 9,1 14,5 13,5 8,9<br />
Quelle: OECD/DAC 2004, World Bank Global Development Finance 2005
gonnen hat, die Entwicklungsfinanzierung gem. ihrer<br />
Zusage in Monterrey zu verstärken. Auch ihre Initiative<br />
„Alles außer Waffen“ und der erfolgreiche<br />
Abschluss des �Cotonou-Abkommens mit den<br />
AKP-Staaten weisen in diese Richtung. Als erfolgreich<br />
kann auch die �Mittelmeerpolitik der EU gelten,<br />
die bis 2010 die Errichtung einer Freihandelszone<br />
mit den südlichen und östlichen Mittelmeerländern<br />
vorsieht.<br />
Trotz wesentlicher Fortschritte weist die Entwicklungspolitik<br />
der Gemeinschaft auch Schwachstellen<br />
und offene Fragen auf:<br />
– Die Harmonisierung der Entwicklungspolitiken<br />
der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten ist noch<br />
nicht gelungen;<br />
– Gleiches gilt für das Gebot der Kohärenz der entwicklungsbezogenen<br />
Politikbereiche sowohl der EU<br />
als auch ihrer Mitgliedsländer (insbes. der �Gemeinsamen<br />
Agrar-, �Außenhandels-, �Struktur- und<br />
�Umweltpolitik).<br />
Viele Entwicklungsländer befürchten, dass mit der<br />
Erweiterung der EU um 10 neue Mitglieder und der<br />
Verschiebung der Außengrenzen die traditionellen<br />
Bindungen mit den AKP-Staaten beiseite geschoben<br />
werden und sicherheitspolitische Aspekte in den<br />
Mittelpunkt treten könnten.<br />
Prüfstein für die künftige Entwicklungspolitik wird<br />
sein, ob die neuen Schwerpunkte Armutsbekämpfung,<br />
Achtung der Menschenrechte, Demokratiegebot,<br />
good governance und Rechtsstaatlichkeit neben<br />
berechtigten außen- und sicherheitspolitischen AspektenzumZugekommenwerden.<br />
K.E.<br />
Literatur:<br />
Bellers, J./Meyers, Z. (Hg.): Europa in der entwicklungspolitischen<br />
Verantwortung. Münster 1992<br />
Europäische Kommission: Grünbuch über die Beziehungen<br />
zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten an<br />
der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Luxemburg 1997<br />
Dies.: Gesamtbericht der Europäischen Union 1999 – 2004<br />
Kasch, V.: Der Vertrag von Maastricht: Neue Ansätze der<br />
EG-Entwicklungspolitik. In: E+Z1/1993, S. 17 ff.<br />
Kevenhörster, P./Woyke, W. (Hg.): Der Politikdialog zwischen<br />
der Europäischen Gemeinschaft und den AKP-Staaten.<br />
Münster 1992 (darin: Taake, H.-H.: Neue Herausforderungen<br />
und Akzente in der Entwicklungspolitik der Europäischen<br />
Gemeinschaft in den kommenden Jahren S. 4–11)<br />
Menck, K. W.: Die Förderung der regionalen Zusammenarbeit<br />
zwischen den Entwicklungsländern durch die Europäische<br />
Union. Aus Politik und Zeitgeschichte B 12/96, S. 18–25<br />
Tanous-I.: Entwicklungspolitik. In: Weidenfeld, W./Wessels,<br />
W. (Hg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 2002 – 2003,<br />
2003 – 2004<br />
EPA (European Parents Association). Europäische<br />
Elternorganisation mit Sitz in Brüssel. Vereinigt<br />
über 50 Elternorganisationen aus 23 europäischen<br />
Ländern. Die EPA stellte 1991 eine „Charta der<br />
Rechte und Pflichten von Eltern in Europa“ („Charter<br />
of the Rights and Responsibilities of Parents in<br />
Europe“) auf.<br />
Anschrift: Rue de Trèves 49 bte 8, B–1040 Brüssel<br />
Internet: www.epa-parents.org<br />
EPZ �Europäische Politische Zusammenarbeit<br />
EQUAL �Regionalpolitik<br />
Erasmus �Bildungsprogramme<br />
Erklärungen<br />
Erasmus MundusisteinProgrammderEUzurFörderung<br />
der Kooperation und der Mobilität mit Drittstaaten<br />
weltweit im Hochschulbereich (Laufzeit<br />
2004 – 2008). Es umfasst vier Aktionen: Masterstudiengänge,<br />
Stipendien, Partnerschaften sowie Aktionen<br />
zur Steigerung des Interesses an der europäischen<br />
Hochschulbildung (ABl. L 345/2003). Es ergänzt<br />
und erweitert bestehende regionale Programme<br />
wie �Tempus, �ALFA und �Asia-Link und gliedertsichindenRahmendes�Bologna-Prozessesein.<br />
Internet: europa.eu.int/comm/education<br />
ERF (European Research Forum), Europäisches<br />
Forschungsforum. Entstanden durch Zusammenfassung<br />
des Beratenden Ausschusses für industrielle<br />
Forschung und Entwicklung (�IRDAC) und der Europäischen<br />
Wissenschafts- und Technologieversammlung(�ESTA).BeratendesGremiumderEuropäischen<br />
Kommission im Bereich Forschung und<br />
Technologie. Seine rd. 60 Mitglieder bilden zwei<br />
Kammern: Hochschul- und Wissenschaftskammer,<br />
Kammer für Industrie, Dienstleister und Nutzer.<br />
Erklärungen (als Anhang von Verträgen) �Protokolle/Erklärungen<br />
Erklärungen im Zusammenhang mit dem �Bologna-Prozess:<br />
�Berlin-E., �Bologna-E., �Florenz-E.,<br />
�Kopenhagen-E., �Prager E., �Sorbonne-E.<br />
Erklärungen, schriftliche des EP. Nach Art. 116<br />
der Geschäftsordnung des EP können bis zu fünf Abgeordnete<br />
eine schriftliche Erklärung zu Tätigkeiten<br />
189
Erklärung von Luxemburg<br />
der EU einreichen. Sie wird öffentlich ausgelegt zur<br />
Unterzeichnung durch weitere Abgeordnete. Wenn<br />
nach drei Monaten die Mehrheit der Mitglieder des<br />
EP unterzeichnet hat, ist die Erklärung angenommen,<br />
wenn nicht, ist sie hinfällig. Der Präsident teilt<br />
dem Plenum die Annahme einer Erklärung mit. Sie<br />
wird ins Protokoll der Sitzung aufgenommen und<br />
denInstitutionenderEUübermittelt,dieinderErklärung<br />
angesprochen sind.<br />
Erklärung von Luxemburg �Europäischer Wirtschaftsraum<br />
(EWR)<br />
Erklärung zur Zukunft der Union �Post-Nizza-<br />
Prozess<br />
Ernährungssicherheit �Europäisches Netz für Ernährungssicherheit<br />
Erste Säule �Tempelstruktur<br />
Erwachsenenbildung / Weiterbildung<br />
BegriffundAufgabevonErwachsenenbildunghaben<br />
sich in der supranational verfassten EU erst in einem<br />
längeren Entwicklungsprozess zu einem die Souveränitätsrechte<br />
der Mitgliedstaaten berücksichtigenden,<br />
integralen Bestandteil ihres Aufgabenspektrums<br />
durchsetzen können.<br />
1. Zur Terminologie: Diese Entwicklung spiegelt<br />
sich auch terminologisch wider. Am Beginn der<br />
EU-Institutionengeschichte begreift die Europäische<br />
Gemeinschaft die „berufliche Bildung“ allenfalls<br />
als eine flankierende Maßnahme im wirtschaftlichenOrdnungs-undEinigungsprozess;inderMitte<br />
der 1970er Jahre finden sich in Harmonisierungskonzepten<br />
bereits Begriffe wie „berufliche Erwachsenenbildung“<br />
und „Migranten-/Jugendbildung“;<br />
heute stehen Erwachsenenbildung und berufliche<br />
und allgemeine Bildung fast gleichberechtigt nebeneinander.<br />
Die begriffliche Differenzierung von Erwachsenenbildung<br />
und Weiterbildung, die in der<br />
Bundesrepublik mit dem Strukturplan des Deutschen<br />
Bildungsrates (1970) beginnt und sich im Bildungsgesamtplan<br />
der Bund-Länder-Kommission<br />
für Bildungsplanung (1973) fest etabliert zu haben<br />
scheint, ist von der EG/EU nicht mitvollzogen worden.<br />
(�Bildungspolitik)<br />
2. Zur Genese der Weiterbildung in der EG und EU.<br />
Die �Römischen Verträge (EGKS, EWG, EURA-<br />
190<br />
TOM) erwähnen unter den Funktionsbeschreibungen<br />
und Aufgabenfeldern die berufliche Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />
nicht und sehen eine Regelungsbefugnis<br />
eher indirekt im Zusammenhang<br />
von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Nachfolgend<br />
avancierten berufliche Bildung und berufliche<br />
Weiterbildung zu wichtigen Themen der europäischen<br />
�Wirtschaftspolitik und wurden von der EG<br />
konzeptionell und strategisch behandelt, weil es<br />
schien, als könne die EG mit ihren Regelungs- und<br />
Eingriffsmöglichkeiten hier koordinierend und vereinheitlichend<br />
wirken. Mit dem sog. �Dahrendorf-<br />
Memorandum von 1973 wurde eine Diskussion um<br />
Harmonisierungskonzepte in Gang gebracht, die in<br />
letzter Konsequenz ein europäisches Bildungssystem<br />
nach einheitlichen Vorgaben, Maßnahmen, Zielen<br />
und Berechtigungen glaubten realisieren zu können.<br />
Danach ist allerdings die EG zu einer Politik<br />
übergegangen, die nationalstaatliche Bildungspolitiken<br />
besonders auf ein großes Maß von Flexibilität<br />
und Kooperationsbereitschaft verpflichtete. Diese<br />
Strategie findet ihren Niederschlag in der Entschließung<br />
des Rates und der im Rat vereinigten Minister<br />
für Bildungswesen vom 9. 2. 1976.<br />
Einen vorläufigen Endpunkt der Entwicklung bilden<br />
die für die Erwachsenenbildung/Weiterbildung festgeschriebenen<br />
Zielvorstellungen des �Maastrichter<br />
Vertrags (1992) in den Art. 126, 127 bzw. des �VertragsvonAmsterdam(1997)indenwort-identischen<br />
Art. 149, 150 „Allgemeine und berufliche Bildung<br />
undJugend“.SiestehenunterdemSubsidiaritätsvorbehalt<br />
nach Art. 5 EGV. Das �Subsidiaritätsprinzip<br />
gebietet die Zurückhaltung z. B. gegenüber Eingriffen<br />
in die verfassungsrechtlichen Föderalismusgarantien<br />
in der Bundesrepublik; hier könnte eine Abtretung<br />
von Souveränitätsrechten durch die Bundesregierung<br />
zunächst nur im Rahmen ihrer Kompetenz<br />
für die berufliche Bildung liegen. Eine Harmonisierung<br />
oder Vergemeinschaftung wird von allen Mitgliedstaaten<br />
abgelehnt. Die Beurteilung der derzeitigen<br />
Zuständigkeit und Handlungsfähigkeit der EU<br />
fällt unterschiedlich aus, auf der einen Seite wird fast<br />
übertriebene Hoffnung auf Förderung und Weiterentwicklung<br />
der Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />
gesetzt, auf der anderen wird zurückhaltend geäußert,dassdieVertragstextegeradehinsichtlichder<br />
Förderungsmaßnahmen, besonders der Austauschprogramme,nichtmehrenthaltenalsdasbereitsohne<br />
Vertragsgrundlage Praktizierte.
3.Inhalte.IneinererstenPhase,inderdieEGberufliche<br />
Bildung aus dem Kontext von Arbeitsmarkt- und<br />
Wirtschaftspolitik entfaltet, wurden die folgenden<br />
Arbeitsschwerpunkte benannt, die allerdings nicht<br />
sogleich und stets in konkrete Aktionen umgesetzt<br />
werden:<br />
– Erstausbildung Jugendlicher und Erwachsener;<br />
– Entrance-Problematik, d. h. Übergangsregelungen<br />
von Schule zur Arbeitswelt;<br />
– Eingliederung in die Berufstätigkeit;<br />
– Rehabilitation von Personen, die nach einer ersten<br />
Ausbildungsphase Schädigungen oder Benachteiligungen<br />
erlitten haben, die eine Wiedereingliederung<br />
indenerlerntenBerufausschließenodererschweren;<br />
– Umschulung;<br />
– freie Arbeitsplatzwahl;<br />
– gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit (u. a. Gleich–<br />
stellung von Mann und Frau);<br />
– wechselseitige Anerkennung von berufsqualifizierenden<br />
Abschlüssen;<br />
– internationale Gesetzgebung zur Berufsbildung.<br />
In den 1970er Jahren intensiviert sich Berufsbildungspolitik<br />
im Rahmen der EG und wird 1973<br />
durch ein „Arbeitsprogramm für Forschung und Bildung“<br />
und durch das „Aktionsprogramm“ (6. 2.<br />
1976) thematisch und perspektivisch näher gekennzeichnet.<br />
In diesem Zusammenhang wird auch<br />
Hochschulpolitik als ein weiterer ZuständigkeitsbereichindieBildungspolitikderEGaufgenommen,in<br />
dem sich offenbar Harmonisierung leichter erreichen<br />
lässt als in den anderen schulischen und beruflichen<br />
Bildungsbereichen. Neben der Angleichung<br />
akademischer Grade und deren wechselseitiger Anerkennung<br />
sollten durch postgraduale Studien in Geschichte,<br />
Politologie, Kulturgeschichte, Wirtschafts-,<br />
Rechts- und Gesellschaftswissenschaften<br />
Herkommen, Gegenwart und Zukunft Europas und<br />
des europäischen Einigungsprozesses wissenschaftlicher<br />
Bearbeitung zugeführt werden (�Europäisches<br />
Hochschulinstitut Florenz).<br />
Derzeit wird die Harmonisierung im Hochschulbereich<br />
und besonders die der akademischen Abschlüsse<br />
(B. A. / M. A.) in den nationalen Bildungspolitiken<br />
der Mitgliedstaaten der EU im Zusammenhang<br />
des �Bologna-Prozesses begünstigt. Ein Abschluss<br />
dieser Harmonisierungsbemühungen ist für<br />
2010 vorgesehen.<br />
In den Schlussfolgerungen des Ministerrates (Bildung)<br />
vom Juni 1984 werden Leitlinien für die künf-<br />
Erwachsenenbildung<br />
tigebildungspolitischeArbeitfestgeschrieben.Hierbei<br />
werden ausdrücklich „Aktionen bezüglich der<br />
Erwachsenenbildung“ genannt, freilich noch nicht<br />
spezieller ausgeführt: Ausbildung und Qualifikation,<br />
Ausbildungssysteme, Ausbildung in der Nahrungsmittelindustrie,<br />
Berufsbildung von Gastarbeitern,<br />
Berufsbildung im Fernunterricht (Massenmedien<br />
und Bildung von Gastarbeitern), Berufsberatung,<br />
Berufsbildung der Frauen.<br />
Einen ersten praktischen und konzeptionellen Endpunkt<br />
in der inhaltlichen Entwicklung von Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />
markiert der Vertrag<br />
von Maastricht, in dessen Art. 126 (jetzt Art. 149<br />
EGV) die Ziele der Tätigkeit der Gemeinschaft zusammengefasst<br />
sind.<br />
Die konzeptionelle Dimension der Bildungspolitik<br />
derEUwirdseitdemMaastrichterVertragbesonders<br />
gefördert durch das „Europäische Jahr des lebensbegleitenden<br />
Lernens“, für das 1996 u. a. die folgenden<br />
Themen ausgewählt wurden: Die Bedeutung der Allgemeinbildung,<br />
die Förderung der beruflichen und<br />
allgemeinen Weiterbildung, die Motivation für das<br />
lebensbegleitende Lernen, die Zusammenarbeit von<br />
Bildungs- und Wirtschaftseinrichtungen, die Förderung<br />
der europäischen Dimension. Die konzeptionelle<br />
Entwicklung von Berufsbildung und beruflicher<br />
Weiterbildung wird des Weiteren im geometrischen<br />
Dreieck von Lerngesellschaft, Berufsbildung<br />
und europäischer Dimension durch das Weißbuch<br />
zur allgemeinen und beruflichen Bildung der Europäischen<br />
Kommission „Lehren und Lernen – Auf<br />
dem Wege zur kognitiven Gesellschaft“ gefördert<br />
(1996), womit besonders zu Flexibilität in den nationalen<br />
Systemen aufgefordert wird (Schule und Berufswelt,Trainingon-the-job,Sprachenbildung,Anerkennung<br />
von Abschlüssen nach dem Äquivalenzprinzip<br />
usw.). In jüngster Zeit hat sich die Kommission<br />
verstärkt auf Fragen und Realisierungschancen<br />
lebenslangen Lernens konzentriert, hier auch unterstützt<br />
durch die Förderprogramme für den Bereich<br />
der allgemeinen Bildung Sokrates und für den Bereich<br />
der Berufsbildung Leonardo (darunter Grundtvig<br />
speziell für Erwachsenenbildung).<br />
Mit den beiden Dokumenten „Memorandum über lebenslanges<br />
Lernen“ (2000) und „Making a European<br />
Area of Lifelong Learning a Reality“ (2001) wird ein<br />
Konsultationsprozess unter den Einrichtungen der<br />
Erwachsenenbildung/Weiterbildung in den Mitgliedsländern<br />
der EU eingeleitet, dem ein Konzept<br />
191
Erwachsenenbildung<br />
von lebenslanger Bildung zugrunde liegt, das alle Institutionen,<br />
Programme und Altersstufen der schulischen<br />
und außerschulischen Bildung erfasst und sich<br />
vor allem auf die Kontinuität und nicht mehr auf in<br />
sich geschlossene Einheiten von Bildung und Ausbildung<br />
gründet.<br />
4. Besondere Institutionen. Neben dem Europäischen<br />
Hochschulinstitut in Florenz als einer postgradualen<br />
Realisierung von Wissenschaftspolitik der<br />
EG wird die berufliche Bildungspolitik im Rahmen<br />
von EG/EU konzeptionell begleitet und gefördert<br />
u. a. vom „Europäischen Zentrum für die Förderung<br />
der Berufsbildung“ �CEDEFOP. Das Zentrum wurde<br />
mit der Funktion betraut, „[...] die Berufsbildung<br />
unddieständigeWeiterbildungderErwachsenenauf<br />
Gemeinschaftsebene zu fördern und zu entwickeln“.<br />
Neben das Zentrum tritt als ein flankierendes und vor<br />
allem auf aktuellen Bildungsbedarf reagierendes Instrument<br />
die „Task Force Humanresource, Allgemeine<br />
und Berufliche Bildung, Jugend“.<br />
In der statistischen Dokumentation und Beschreibung<br />
der beruflichen Weiterbildung in den Mitgliedstaaten<br />
überlappen sich die Aktivitäten beider Einrichtungen.<br />
Allgemeine und berufliche Bildung werden<br />
stets in den Zusammenhang des Gemeinschaftszweckes<br />
gebracht und auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes<br />
bezogen. Die eher bildungspolitische<br />
Funktion von „Task Force“ kann abgelesen werden<br />
anMemoranden,diesichmit„Berufsausbildungspolitik<br />
der Gemeinschaft für die 90er Jahre“ und<br />
„Hochschulbildung in der Europäischen Gemeinschaft“<br />
befassen; hierher gehört auch die publizistische<br />
Unterstützung des „Offenen Fernunterrichts in<br />
der EG“. Das CEDEFOP versieht Aufgaben, die in<br />
anderen internationalen Organisationen ebenfalls<br />
vongesondertenForschungs-oderDokumentationseinrichtungen<br />
wahrgenommen werden. Die „CEDE-<br />
FOP-Veröffentlichungen“ ( u. a. European Journal<br />
„Vocational Training“, Cedefop monographs, VET<br />
Research) machen die Projekte für eine breite<br />
Teil-Öffentlichkeit der Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />
zugänglich, das „Cedefop Info“ befriedigt<br />
den Bedarf an aktuellen Berichten aus der Berufsbildungs-„Szene“.<br />
Von der Generaldirektion „Bildung und Kultur“ der<br />
Europäischen Kommission ist darüber hinaus eine<br />
Europäische Informationsstelle unter dem Namen<br />
�Eurydice eingerichtet und als Eurydice-Web-Site<br />
ins Netz gestellt worden, die über Bildungssysteme<br />
192<br />
und Bildungspolitik der Staaten informiert, die an<br />
den Aktivitäten des Netzes teilnehmen.<br />
Fördermaßnahmen: Nicht erst durch den Maastrichter<br />
Vertrag hat die EG Fördermaßnahmen vorgesehen,<br />
die weit über das Interesse an beruflicher Bildung<br />
hinaus in das Schul- und Hochschulwesen hineinreichen.<br />
So gab bereits in den 1970er Jahren die<br />
Konferenz der Bildungsminister in Luxemburg<br />
(6. 6. 1974) die Anregung, dass das Lehren und Lernen<br />
moderner Fremdsprachen und der Austausch<br />
von Fremdsprachenlehrern zu fördern seien. Dabei<br />
sollte „die verstärkte Mobilität der Studierenden,<br />
Lehrkräfte und Forscher“ auch finanziell gesichert<br />
werden. Seither haben sich Ausmaß und Zuständigkeit<br />
der Förderungsaktivitäten so ausgedehnt, dass<br />
heute das Tableau für den Laien schon nicht mehr<br />
überschaubar ist. Auch wissenschaftliche Arbeiten<br />
über Erwachsenenbildung/Weiterbildung in einer<br />
großflächigen und multinationalen Perspektive sind<br />
erst durch die Fördermaßnahmen möglich geworden.<br />
Heute konzentriert sich Förderung in zwei Aktionsprogrammen,<br />
Sokrates für den Bereich der allgemeinen<br />
Bildung (Comenius, Erasmus, Grundtvig, Lingua,<br />
Minerva) und Leonardo für den Bereich der Berufsbildung<br />
(�Bildungspolitik). Im Rahmen von SokratesistdasProgrammGrundtvigaufdieFörderung<br />
der Erwachsenenbildung eingerichtet, wobei die<br />
„Förderung der europäischen Dimension des lebenslangen<br />
Lernens durch stärkere transnationale Zusammenarbeit“<br />
im Vordergrund steht. Das Programm<br />
wendet sich an „alle Organisationen der Erwachsenenbildung“.ZurFörderungaufderGrundlage<br />
einer freiwilligen Selbstorganisation der Einrichtungen<br />
(Verbände, Organisationen, Universitäten)<br />
derErwachsenenbildung/Weiterbildungtragenauch<br />
die Organisationen ENEA (European Association<br />
for the Education of Adults, Brüssel) und ESREA<br />
(European Society for Research on the Education of<br />
Adults,Leiden)bei. J. H. K.<br />
Internet:<br />
http://.europa.eu.int/comm/education/life/index_de.html<br />
Literatur:<br />
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Politische<br />
Bildung für Europa. Die europäische Dimension in der<br />
politischen Bildung der zwölf EG-Staaten. Bonn 1991<br />
Cleve, B. van: Erwachsenenbildung und Europa. Der Beitrag<br />
politischer Bildung zur Europäischen Integration – Bilanz und<br />
Perspektive aus pluralismustheoretischer Sicht.<br />
Weinheim 1995
Deutscher Industrie- und Handelstag (Hg.): Bildung und Lernen<br />
von Erwachsenen in Europa. Frankfurt 1999<br />
Ders.: Zukunftsfähigkeit durch Weiterbildung in Europa.<br />
Mainz 1999<br />
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (Hg.): Lernen für<br />
die Zukunft. Frankfurt 1999<br />
European Association for the Education of Adults (Ed.):<br />
Innovation and Adult Education. Amersfoort 1995<br />
Europäische Kommission (Hg.): Teaching and Learning.<br />
Towards the Learning Society. White Paper on Education and<br />
Training. Luxembourg 1995<br />
Dies. (Hg.): Memorandum der Kommission über die Berufsausbildungspolitik<br />
der Gemeinschaft für die 90er Jahre.<br />
Brüssel 1991<br />
Dies.: Lehren und Lernen – Auf dem Wege zur kognitiven<br />
Gesellschaft. Luxemburg 1996<br />
Dies: .Memorandum über lebenslanges Lernen. Brüssel 2000<br />
Dies.: Making a European Area of Lifelong Learning a<br />
Reality“. Brüssel 2001<br />
Feuchthofen, J. E. et al.: Europäisches Handbuch Weiterbildung.<br />
Neuwied 1994 ff.<br />
Goethe-Institut Inter Nationes (Hg.): Berufliche Weiterbildung<br />
in Deutschland. In: Bildung und Wissenschaft, 3, 2001.<br />
Bonn 2001<br />
Internationales Jahrbuch der Erwachsenenbildung, 22 (1994),<br />
Themenheft „Bildung in Europa für Europa – ein Thema der<br />
Erwachsenenbildung“<br />
Knoll, J. H.: Europa nach Maastricht zwischen Fortschritt und<br />
Beharrung. In: Internationales Jahrbuch der Erwachsenenbildung<br />
24 (1996), S. 209 – 240<br />
Ders.: Internationale Weiterbildung und Erwachsenenbildung.<br />
Konzepte, Institutionen, Methoden. Darmstadt 1996<br />
Ders.: Neue Studienformen und Abschlüsse im B. A./M.<br />
A-Konzept. Themenheft Bildung und Erziehung, Heft 2/2005<br />
Künzel, K.: Ansätze und Irritationen europäischer<br />
Weiterbildungsforschung. In: Bildung und Erziehung,<br />
50 (1997), S. 331 – 354<br />
Müller-Solger, H. et al.: Bildung in Europa – Die EU –<br />
Fördermaßnahmen. Bonn, 2. Aufl. 1997<br />
Erweiterung und/oder Vertiefung der EU. Seit<br />
Beginn der europäischen �Integration stellt sich immer<br />
wieder die Frage, ob es eine Priorität zwischen<br />
einer Vertiefung und einer Erweiterung der EG gibt.<br />
Im Kern lässt sich die Divergenz über die Prioritätensetzung<br />
auf die Frage reduzieren, welches Ziel mit<br />
der europäischen Integration verfolgt wird, eine<br />
�Freihandelszone oder eine �Politische Union.<br />
1. Norderweiterung: Auf der Gipfelkonferenz 1969<br />
in Den Haag wurde die Aufnahme von BeitrittsverhandlungenmitEngland,Irland,DänemarkundNorwegen<br />
beschlossen und mit den ersten drei Ländern<br />
1973 vollzogen. Gleichzeitig entschied sich die Gipfelkonferenz<br />
für den Aufbau einer �Wirtschafts- und<br />
Währungsunion und den Beginn einer außenpolitischen<br />
Zusammenarbeit. Vollendung, Vertiefung<br />
Erweiterung der EU<br />
und Erweiterung sollten gleichzeitig vorangetrieben<br />
werden. Der �Werner-Plan sah die Schaffung einer<br />
�Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in drei<br />
Stufen innerhalb von zehn Jahren bis 1980 vor. Der<br />
Plan scheiterte, weil die einzelnen Wirtschafts- und<br />
Währungspolitiken der Mitgliedstaaten nach zu verschiedenen<br />
Grundsätzen ausgerichtet waren (�Divergenz).<br />
Der Plan verlangte eine für seine Zeit zu<br />
hohe Anpassungsleistung sowie ein zu hohes Maß an<br />
Integrationsbereitschaft von den Mitgliedstaaten.<br />
Das Ziel einer Europäischen Union wurde auf dem<br />
PariserGipfel1972bekräftigtundfür1980anvisiert.<br />
Als problematisch bei der Verwirklichung dieses<br />
Vorhabens erwies sich die Ausgestaltung der europäischen<br />
Institutionen, die mit den Entwicklungen<br />
nicht Schritt hielt (z. B. nach wie vor Einstimmigkeit<br />
im Rat, �Luxemburger Vereinbarung). Dadurch war<br />
die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaften erheblich<br />
eingeschränkt. In der Folge kam es in den 1970er<br />
Jahren bei notwendigen Problemlösungen nur zu<br />
pragmatisch ausgerichteten intergouvernementalen<br />
Ansätzen (Schaffung von �Europäischem Währungssystem<br />
und �Europäischer Politischer Zusammenarbeit).<br />
Das Ziel „Europäische Union“ wurde<br />
nicht erreicht und der Zeitplan für die Verwirklichung<br />
der WWU nicht eingehalten. Die Erweiterung<br />
der Gemeinschaft hatte faktisch also doch Vorrang<br />
vor der Vertiefung.<br />
2. Süderweiterung: In den 1980er Jahren wurde die<br />
EG durch Griechenland (1981), Spanien und Portugal<br />
(1986) erweitert. Dieses Mal galt die Strategie<br />
„Erweiterung vor Vertiefung“. Nach dem Ende der<br />
DiktaturenindensüdeuropäischenLändernhatdiese<br />
Integrationsperspektive den Übergang zu stabilen<br />
demokratischenVerhältnissenwirksamunterstützt.<br />
Es war klar, dass die Wirtschaftsintegration durch<br />
die südeuropäischen Staaten starken Zentrifugalkräften<br />
ausgesetzt werden würde und dass bereits die<br />
Verwirklichung der „klassischen Ziele“ – wie der<br />
�Gemeinsame Markt und die übrigen in den �Römischen<br />
Verträgen vorgesehenen Maßnahmen – im erweiterten<br />
Raum der Zwölfergemeinschaft zusätzlichen<br />
politischen Willen und substanzielle Reformbeschlüsse<br />
erforderten, wenn eine (Rück-)Entwicklung<br />
hin zu einer �Freihandelszone vermieden werden<br />
sollte. Die Süderweiterung war eben nicht aus<br />
Gründen der Integrationslogik notwendig gewesen,<br />
sondern sie galt der Stabilisierung der jungen Demokratien.<br />
Dennoch hatte sie einen Vertiefungsschub<br />
193
Erweiterung der EU<br />
zur Folge. Zur Bewältigung der sich abzeichnenden<br />
zusätzlichen Probleme (Finanzierung des Agrarmarktes,<br />
Verdoppelung der Strukturfonds, Neuordnung<br />
der Finanzvorschriften) sollte auch das westeuropäische<br />
Modernisierungsprogramm �„Binnenmarkt“<br />
dienen. Die �Einheitliche Europäische Akte<br />
(EEA) konnte durchgesetzt werden.<br />
3. EFTA-Erweiterung: Mit dem Vertragswerk von<br />
Maastricht (�Maastrichter Vertrag) schien die Frage<br />
„Erweiterungund/oderVertiefung“mitderStrategie<br />
„erst vertiefen, dann erweitern“ entschieden worden<br />
zu sein. Zur Frage der künftigen Erweiterungen wurde<br />
beim EG-Gipfel in Maastricht im Dezember 1991<br />
– neben der Grundsatzerklärung, dass jeder demokratische<br />
Staat in Europa den Beitritt beantragen<br />
kann – vereinbart, dass Beitrittsverhandlungen beginnen<br />
können, sobald der �Vertrag über die Europäische<br />
Union ratifiziert und die Gemeinschaft über<br />
die Reform ihrer �Eigenmittel entschieden hat.<br />
Schon bald zeigte sich, dass es wichtiger war, erst<br />
einmal für die Probleme der Mitgliedstaaten Großbritannien<br />
und Dänemark Lösungen zu suchen und<br />
damit das weitere gemeinsame Handeln in der EG sicherzustellen.<br />
Der Gipfel von Edinburgh im Dezember<br />
1992 hat hierzu eine Kompromisslösung formuliert:<br />
Dänemark wurden die geforderten Lockerungen<br />
bei der Anwendung der Maastrichter Beschlüsse<br />
zugesichert. So konnte eine Neuverhandlung des<br />
Vertrages über die Europäische Union verhindert<br />
werden. Für die Sicherstellung der Finanzen der EG<br />
wurde ein für sieben Jahre geltender modifizierter<br />
Stufenplan verabschiedet. Damit waren die Bedingungen<br />
zur Erweiterung der EG um Finnland, Österreich<br />
und Schweden 1995, wie sie 1991 in Maastricht<br />
verabschiedet worden sind, erfüllt – wenn auch etwas<br />
später als geplant.<br />
4. Osterweiterung: Zum 1. 5. 2004 wurde die bisher<br />
größte Erweiterung der EU vollzogen: Estland, Lettland,<br />
Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien,<br />
Tschechien, Ungarn, Zypern wurden Mitglied der<br />
EU. Auf dem Gipfel in Kopenhagen (Juni 1993) wurde<br />
als Vorbedingung einer nächsten Erweiterung<br />
festgelegt, dass die Stoßkraft der europäischen Integration<br />
erhalten bleiben muss. Die den Erweiterungsverhandlungen<br />
vorausgehende Reform des<br />
Unionsvertrages hat die Hürden für die Beitrittskandidaten<br />
nicht wesentlich erhöht: Beim �Vertrag von<br />
Amsterdam handelt es sich um eine Weiterentwicklung<br />
des Maastrichter Vertrages; eine Übertragung<br />
194<br />
neuer umfassender Kompetenzen auf die EU hat<br />
nicht stattgefunden. Flexibilitätsklauseln sollen in<br />
Zukunft differenzierte Integration möglich machen.<br />
Trotz der nicht ganz befriedigenden Ergebnisse des<br />
Amsterdamer Gipfels (Juni 1997) wurde die nächste<br />
Erweiterungsrunde begonnen. Die Kommission unterbreitete<br />
den Staats- und Regierungschefs einen<br />
Plan, um den durch die Erweiterung zu erwartenden<br />
Änderungsbedarf einzuleiten: Die �Agenda 2000<br />
umfasst ein Reformprogramm für die Agrar-, Regional-<br />
und Strukturpolitik, die Neuordnung der Finanzen<br />
der EU, die Anpassung der Institutionen sowie<br />
die Beitrittsstrategie für die mittel- und osteuropäischen<br />
Beitrittskandidaten einschl. einem Angebot<br />
zur Einbindung der Türkei. In der Phase der Beitrittsverhandlungen<br />
versuchten die 15 EU-Mitgliedstaaten<br />
die institutionellen Strukturen, die Effizienz der<br />
Entscheidungsfindung, die Transparenz der politischen<br />
Zuständigkeiten und die Handlungsfähigkeit<br />
der EU zu stärken. Die Bemühungen mündeten in<br />
den �Vertrag von Nizza (in Kraft seit 1. 2. 2003). Mit<br />
dem Vertrag von Nizza wurde auch eine Erklärung<br />
zur Zukunft der Europäischen Union angenommen;<br />
sie listet die immer noch offenen Reformfragen auf<br />
und legt die Methode �„Konvent“ zur Klärung dieser<br />
Punkte fest. Diese Zukunftserklärung ist Ausdruck<br />
der auch nach dem Nizza-Vertrag immer noch bestehenden<br />
unbefriedigenden Situation in Bezug v. a. auf<br />
die Handlungsfähigkeit der EU. Der Konvent, an<br />
demVertreterderRegierungenundnationalenParlamente<br />
der 15 Mitgliedstaaten und der 13 Beitrittskandidaten<br />
(einschl. der Türkei) sowie des Europäischen<br />
Parlaments teilnahmen, arbeitete anschließendeinen„EntwurffüreinenVertragübereineVerfassung“<br />
aus. Der �Verfassungsvertrag (sofern er<br />
von allen 25 Mitgliedstaaten ratifiziert ist) wäre ein<br />
deutlicher Schritt zur Vereinfachung der Gesamtkonstruktion<br />
der EU und von Entscheidungsstrukturen;<br />
aber der Verfassungsvertrag ist nicht als der<br />
letztendliche Stand der Entwicklung zu betrachten.<br />
Der durch den Nizza-Vertrag erreichte Stand der<br />
Vertiefung ist gerade soweit möglich gewesen, wie<br />
weit der Kompromisswille der Mitgliedstaaten ging.<br />
Das heißt, parallel zur Erweiterung war eine – wenn<br />
auch nicht sehr weitreichende – Vertiefung der EU<br />
möglich.<br />
5. Weitere Beitrittskandidaten: Bulgarien und Rumänien<br />
sollen 2007, spätestens 2008 der EU beitreten,<br />
die Beitrittsverträge wurden am 25. 4. 2005 un-
terzeichnet. Auf dem Europäischen Gipfel vom Dezember<br />
2004 wurde beschlossen, mit der Türkei ab<br />
Oktober2005Beitrittsverhandlungenaufzunehmen.<br />
Erstmals wird der Verhandlungsprozess bezüglich<br />
seines Ergebnisses explizit als offen bezeichnet.<br />
Kroatien und Mazedonien haben Beitrittsanträge gestellt.<br />
Damit wird deutlich, dass die EU für Staaten,<br />
die sich in einem schwierigen Demokratisierungsund<br />
Modernisierungsprozess befinden, ihre Attraktivität<br />
nicht eingebüßt hat.<br />
6. Problemaufriss bei künftigen Erweiterungen: Integrationsoffenheit<br />
hat dort ihre Grenze, wo sie ihre<br />
eigenenZielekonterkariert.Einesistebensoevident:<br />
Je mehr Mitglieder die Europäische Union haben<br />
wird, desto enger werden die Bewegungsspielräume<br />
für die EU, weil ihre Mitglieder spezielle bilaterale<br />
Beziehungen zu Dritten pflegen und weil die InteressenvielfaltderMitgliedstaatensteigt.DieKomplexität,<br />
Ausnahmen und Sonderregelungen werden zunehmen.<br />
Die Aufnahme neuer Mitglieder stand bisher in engem<br />
Kontext zu Vertiefungsschritten. Ob dies auch<br />
in Zukunft möglich sein wird, hängt besonders von<br />
der Durchsetzungskraft der Staaten mit weit reichendem<br />
Integrationswillen ab, sowie von der Zielbestimmung<br />
des Integrationsprozesses. Da über das<br />
Ziel der europäischen Integration unterschiedliche<br />
Vorstellungen bestehen, rückt die Frage nach den gemeinsamen<br />
Interessen der Mitgliedstaaten und nach<br />
der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in<br />
den Vordergrund. Die bisherigen Erweiterungsrunden<br />
hatten keine wesentlichen Änderungen in der<br />
Struktur der Organe der Europäischen Gemeinschaft<br />
und in ihrem Beziehungsgeflecht untereinander zur<br />
Folge: Der Verfassungsvertrag zeigt erste Ansätze<br />
zu einer strukturellen Änderung der EU, der Nizza-<br />
Vertrag hat hierfür die Vorlage geliefert. Es stellen<br />
sich aber eine ganze Reihe von grundsätzlicheren<br />
Fragen an die „unbegrenzte“ Erweiterungsfähigkeit<br />
der EU:<br />
– Die neuen Mitgliedstaaten müssen sich erst in die<br />
ungewohnten Entscheidungsprozesse innerhalb der<br />
EG hineinfinden. Wie lange braucht dieser Lernprozessundwielangebrauchtes,bisVertrauenindieauf<br />
europäischer Ebene handelnden Akteure aufgebaut<br />
ist?<br />
– Schon die Ausweitung der Politikmaterien führt zu<br />
einer Steigerung des Bedarfs an Regelungskapazität<br />
(z. B. Personal). Dieser Bedarf wird durch jedes neue<br />
Erweiterung der EU<br />
Mitgliedslandnochpotenziert.Wasbedeutetdiesfür<br />
die neuen Mitgliedstaaten, aber auch für die europäische<br />
Bürokratie? Wo liegt die Grenze für die Verarbeitung<br />
von Informationen?<br />
– Die Kosten für die EU stehen in Abhängigkeit zu<br />
ihrer Größe und ihren Zielen. Die wirtschaftlichen<br />
und sozialen Disparitäten innerhalb der Gemeinschaft<br />
und damit die innergemeinschaftlichen Verteilungskämpfe<br />
werden zunehmen. Überlegungen<br />
hinsichtlich der Etablierung eines innergemeinschaftlichen<br />
Finanzausgleichs drängen sich auf.<br />
Hierbei ist zu prüfen, ob unterschiedliche Lebensverhältnisse<br />
in den Mitgliedstaaten nicht auch eine<br />
Chance der strukturellen Differenzierung bedeuten<br />
und damit als Standortvorteil wirken können.<br />
– Gibt es eine sozial-organisatorische Grenze bei der<br />
Größe der Europäischen Union? Wie viele Mitgliedstaaten<br />
verkraftet sie, ohne die Intensität der Zusammenarbeit<br />
einzubüßen, die sie so erfolgreich gemacht<br />
hat? Denn es kann nicht im Interesse der Beitrittskandidaten<br />
liegen, der Europäischen Union das<br />
Fundament zu entziehen, auf dem die Attraktivität<br />
der Gemeinschaft und damit ihre Anziehung auf andere<br />
Staaten beruht.<br />
– Wo bilden sich in einer immer größer werdenden<br />
Europäischen Union Entscheidungszentren aus?<br />
Welche Konsequenzen für die DurchsetzungsfähigkeitvonPolitikwerdendiesichvielleichtneuherausbildenden<br />
Koalitionen innerhalb der Mitglieder haben?<br />
Werden divergierende Vorstellungen, Ziele<br />
und Positionen den weiteren Integrationsprozess<br />
blockieren?<br />
6. Kritische Wertung: Die Erweiterungen der EU haben<br />
ihr Innengefüge spannungsreicher werden lassen.<br />
Es werden wahrscheinlich stärker zentrifugale<br />
als zentripetale Kräfte auf das System der Europäischen<br />
Union wirken. Der Grundkonsens zwischen<br />
denMitgliedstaatenwirdbrüchiger.JemehrMitglieder<br />
die EU hat, desto stärker wird es auf feste Koalitionen,<br />
feste Interessen- und Abstimmungspartner<br />
ankommen. Nur so wird es in Zukunft möglich sein,<br />
differenzierten Interessenausgleich zu organisieren.<br />
In der Europäischen Union stellen die Gründungsländer<br />
nicht einmal mehr die Hälfte der Mitglieder.<br />
NachjederErweiterungsrundewirdesalsoschwieriger,<br />
die Intentionen, die beim Gründungsakt zur<br />
WahlderIntegrationsstrategieführte,denneubeitretenden<br />
Mitgliedstaaten zu vermitteln.<br />
Die Fortentwicklung der europäischen Integration<br />
195
Erziehung<br />
ist u. a. aber auch von personalen Komponenten abhängig.<br />
Bisher wirkten die eng aufeinander abgestimmten<br />
deutsch-französischen Beziehungen auf<br />
den europäischen Integrationsprozess förderlich,<br />
durch die Staatschefs wurden die vorhandenen konzeptionellen<br />
Unterschiede in konstruktive Vertiefungsschritte<br />
positiv gewendet. Die nachwachsende<br />
Politikergeneration, nicht mehr geprägt durch das eigene<br />
Kriegserleben und die Erfahrung der Ohnmacht,<br />
bei Vorhandensein verschiedener nationaler<br />
Interessen zu friedlichen Konfliktlösungen zu kommen,sondernaufgewachsenunterdemSignum,kühl<br />
Nutzen-Kosten-Rechnungen anzustellen, wird auch<br />
europäische Integrationspolitik anders gestalten.<br />
Fraglich wird sein, ob die deutsch-französische<br />
„Motor-Rolle“ für den Integrationsprozess noch ihre<br />
Kraft entwickeln kann, oder ob die Entscheidung<br />
zwischen den Zielen „Vertiefung und/oder Erweiterung“<br />
für das größere Europa mit abflachender Integration<br />
gefällt wird. Ein Zielkonflikt zwischen Vertiefung<br />
und Erweiterung ist und bleibt vorhanden.<br />
Allerdings ändert dies nichts daran, dass man auf<br />
Grund der politischen Situation gezwungen ist, beidesgleichermaßenvoranzutreiben.<br />
M. P.<br />
Literatur:<br />
Beichelt, T.: Die Europäische Union nach der Osterweiterung.<br />
Wiesbaden 2004<br />
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): EU 25 – Die<br />
Erweiterung der Europäischen Union. Informationen zur<br />
Politischen Bildung Nr. 19, Januar 2003<br />
Hess, A./Vyslonzil, E. (Hg.): Der EU-Beitritt der Länder<br />
Ostmitteleuropas. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Wien 2004<br />
Erziehung, europäische. In Deutschland hat die<br />
internationale Erziehung Verfassungsrang seit der<br />
Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Art. 148<br />
Abs. 1): „In allen Schulen ist sittliche Bildung,<br />
staatsbürgerliche Gesinnung, persönliche und berufliche<br />
Tüchtigkeit im Geist des deutschen Volkstums<br />
und der Völkerversöhnung zu erstreben.“). Nach der<br />
Präambel des Grundgesetzes (1949) ist das deutsche<br />
Volk „von dem Willen beseelt (...), als gleichberechtigtes<br />
Glied in einem vereinten Europa dem Frieden<br />
der Welt zu dienen (...)“. Und nach dem KMK-<br />
Beschluss „Zur Stellung des Schülers in der Schule“<br />
vom 25. 5. 1953 soll u. a. eine friedliche Gesinnung<br />
im Geiste der Völkerverständigung geweckt werden<br />
(vgl. KMK-Beschluss „Europa im Unterricht“<br />
1978/90).<br />
1. Gemeinsame Minima einer europäischen Erzie-<br />
196<br />
hung: Kulturell lässt sich eine getrennt nationale Erziehung<br />
nicht legitimieren. Vielmehr kommt es darauf<br />
an, die gemeinsamen Wurzeln der abendländischen<br />
Kultur bewusst zu machen und die nationalen<br />
Besonderheiten aus ihren historischen Ursachen,<br />
z. B. aus den zeitlich jeweils verschiedenen Nationen-<br />
und Nationalstaatsbildungen in Europa zu erläutern.<br />
Dadurch würde die Diskussion um den Anteil<br />
der nationalen Komponente des Unterrichts entspannter,<br />
die Furcht vor einer geistigen „Überfremdung“<br />
geringer, weil eine kulturelle Erziehung definitionsgemäß<br />
ohnehin multinational angelegt ist.<br />
Dies beinhaltet, dass Kinder und Jugendliche mehr<br />
als bisher über andere (europäische) Länder und ihre<br />
Eigenheiten und Gemeinsamkeiten lernen (sollten).<br />
Fundamental entscheidend sind praktische Erfahrungen<br />
und �Bewusstseinsbildung durch permanent<br />
immanente Hinweise auf unterschiedliche Denkstrukturen,<br />
Verhaltensweisen u. dgl., die auf ihren<br />
nationalen Ursprung (geschichtlich) zurückgeführt<br />
und erklärt werden.<br />
Interkulturelle Lernprogramme innerhalb der europäischen<br />
Nationen und zwischen ihnen sind Antwort<br />
aufrelativstarkeethnischeundreligiöseMinoritäten<br />
in den betroffenen Ländern. Sie sollten auf Toleranz<br />
und Empathie, auf Aneignung der Standards, Regeln<br />
usw. der vorherrschenden Kultur gerichtet, ebenso<br />
gegenüber den Kulturen der Migranten geöffnet<br />
sein. Man sollte zwischen „europäischer Erziehung“<br />
und „Erziehung über/zu Europa“ unterscheiden.<br />
„Europäische Erziehung“ meint den ganzen (institutionellen,<br />
geographisch verteilten) Komplex der Erziehungseinrichtungen,<br />
die Schulprogramme und<br />
die Erziehungsvorstellungen, ohne dass die europäische<br />
Einheit darin angesprochen sein müsste. Dagegen<br />
enthält eine „Erziehung über/zu Europa“ ein Erziehungsprogramm<br />
mit dem speziellen Ziel der Förderung<br />
der europäischen �Integration im Sinne der<br />
ethischen, kulturellen, politischen, emotionalen, sozialen<br />
usw. Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu<br />
kommt die angestrebte Möglichkeit verstärkter<br />
menschlicher Kontakte, größerer beruflicher Chancen<br />
und mehr direkter politischer Teilnahme. Die Erziehung<br />
zur europäischen Einheit bedarf besonders<br />
der von einem gemeinsamen Wertesystem (�Grundwerte)bestimmtenSolidaritätderMenschen.Daraus<br />
kann man u. a. einen operationalen Zugang zur Gesamtthematik<br />
gewinnen: Abbau von nationalen<br />
Gruppenegoismen, Erwerb von Wissen über allge-
meine Wertvorstellungen. Dies darf jedoch nicht zu<br />
einer geistigen Vereinheitlichung führen; jede Region,<br />
jede Nation soll ihre jeweils eigene �Identität behalten.<br />
2. Überwindung von traditionellen Erziehungsvorstellungen:<br />
Die nationalen Bildungsvorstellungen<br />
überlagern noch den konkreten erzieherischen Internationalismus<br />
und werden besonders evident am<br />
deutschen Bildungsföderalismus. Deswegen sind<br />
Verlautbarungen der über- und supranationalen Organisationen,<br />
die sich vor allem auf den schulischen<br />
Sektor beziehen, als gemeinsame Minima zu betrachten.<br />
Unterhalb dieser Ebene gibt es eine Reihe<br />
von nationalen Einrichtungen und Organisationen,<br />
die sich mit Problemen (Inhalten und Methoden) außerschulischer<br />
europäischer Erziehung und Bildung<br />
– aus nationaler und/oder internationaler (Multi-)<br />
Perspektive – beschäftigen, z. B. Universitäten,<br />
Volkshochschulen, Erwachsenenbildungsstätten von<br />
Parteien, Kirchen, Gewerkschaften sowie von �Europäischen<br />
Akademien (halb-)staatlicher und freier<br />
Trägerschaft.<br />
Außerdem sind die Zugänge zur europäischen Einigungsthematik<br />
aufgrund der differierenden politischen,<br />
historischen, kulturellen, ökonomischen, sozialen,<br />
didaktischen usw. Voraussetzungen und Intentionen<br />
der europäischen Staaten unterschiedlich<br />
undreichenaufeinembreitenSpektrumvonder(vermeintlich<br />
wertfreien) Informationsvermittlung (vor<br />
allemüberdiepolitischenSystemeundüberModelle<br />
und Alternativen internationaler Zusammenschlüsse,<br />
z. B. in Großbritannien und Österreich) bis zur<br />
kritischen Auseinandersetzung (z. B. in Deutschland<br />
und Dänemark) und zum Methodenlernen (z. B. in<br />
den Niederlanden), von der kognitiven Stoffaneignung<br />
(z. B. in Frankreich) bis zum Versuch emotionaler<br />
Identifikation und zum Engagement mit<br />
der/zur europäischen Einigung (z. B. in Italien und<br />
den Beneluxstaaten), nicht zuletzt zu Formen politischer<br />
Ablehnung überhaupt (z. B. in Dänemark).<br />
�Bildungspolitik W. M.<br />
Literatur:<br />
Anweiler, O. u. a.: Bildungssysteme in Europa. Entwicklung<br />
und Struktur des Bildungswesens in zehn Ländern. Weinheim,<br />
1996 4<br />
Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Europäische<br />
Themen im Unterricht (Ökonomie, Ökologie, Frieden, Sicherheit,<br />
Neue Technologien). Bonn 1987<br />
Dies.: (Hg.): Lernen für Europa. Neue Horizonte der<br />
Pädagogik. Bonn 1994<br />
Dies. (Hg.): Von der EG zur Europäischen Union.<br />
Arbeitshilfen für die politische Bildung. Bonn 1993<br />
Mickel, W.: Lernfeld Europa. Didaktische Grundlagen einer<br />
Erziehung zu Europa. Opladen 1993 2<br />
Platter, H.-W.: Lernprozess Europa. Die EG und die neue<br />
europäische Ordnung. Bonn 1993<br />
ESA �European Space Agency<br />
ESF (Europäischer Sozialfonds) �Fonds der EU<br />
ESHA �European Schoolheads Association<br />
ESVP<br />
ESPRIT (European Strategic Programme for Research<br />
and Development in Information Technologies,<br />
Programm für Forschung und technologische<br />
Entwicklung und Demonstration im Bereich der Informationstechnologien)<br />
wurde 1984 im Rahmen<br />
der EG-Technologiepolitik verabschiedet (1. Forschungsrahmenprogramm<br />
1984 – 1988). Förderbereiche:<br />
Softwaretechnologien, Technologien für<br />
IT-Komponenten und Teilsysteme, Multimedia-<br />
Systeme, Langfristige Forschung, Initiative zur Förderung<br />
offener Mikroprozessorsysteme, Hochleistungsrechentechnik<br />
und -netze, Technologien für<br />
Unternehmensprozesse, Integration in der Fertigung.<br />
ESPRIT IV lief im 4. Forschungsrahmenprogramm<br />
1994 – 1998 (ABl. L 334/1994). Die Förderung der<br />
IT-Forschung erfolgt im 6. Forschungsrahmenprogramm<br />
(2002 – 2006) durch das �IST-Programm.<br />
ESREA �European Society for Records on the Education<br />
of Adults<br />
ESSEN war eine Gemeinschaftsmaßnahme der EU<br />
inderZeitvon1998bis2000zurAnalyse,Forschung<br />
und Zusammenarbeit im Bereich der Beschäftigung<br />
(Ratsbeschluss 98/171/1998; ABl. L 63/1998).<br />
ESTA (European Science and Technology Assembly),<br />
Europäische Wissenschafts- und Technologieversammlung.<br />
Beratungsgremium der Kommission<br />
im Bereich Forschung/Technologie, besteht aus<br />
rund 100 Wissenschaftlern aus Universitäten und<br />
Unternehmen. Mit �IRDAC zusammengefasst zum<br />
Europäischen Forschungsforum �ERF.<br />
ESVP �Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
197
ESVP-Kolleg<br />
ESVP-Kolleg. Mit �Gemeinsamer Aktion der EU<br />
vom 18. 7. 2005 geschaffenes Netzwerk zwischen<br />
nationalen Trainingseinrichtungen der EU Mitgliedstaaten<br />
und dem �Institut für Sicherheitsstudien<br />
(EUISS) zur Weiterbildung von Führungskräften im<br />
Bereich der �Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
(ESVP). Ziel des Kollegs ist die Förderung<br />
eines gemeinsamen europäischen VerständnissesderESVPundeinergemeinsamensicherheitspolitischenKulturinderEU.<br />
U. S.<br />
ESZB �Europäisches System der Zentralbanken<br />
ETAP war ein mit Ratsentscheidung 1999/22/EG<br />
(ABl. L 7/1999) verabschiedetes Programm für Studien,<br />
Analysen, Vorhersagen und damit verbundene<br />
Arbeiten im Energiebereich. Laufzeit 1998 – 2002.<br />
ETAP wurde abgelöst durch das Programm �„Intelligente<br />
Energie für Europa“.<br />
ETAP (Environmental Technologies Action Plan)<br />
ist ein am 28. 1. 2004 von der Kommission angenommener<br />
und vom Umweltrat am 2. 3. 2004 sowie vom<br />
Europäischen Rat am 25./26. 3. 2004 gebilligter Aktionsplan<br />
zur Förderung innovativer Umwelttechnologien,<br />
die zum wirtschaftlichen Wachstum und zur<br />
nachhaltigen Entwicklung beitragen.<br />
ETAP (European Technology Acquisition Program,<br />
Europäisches Technologie-Anschaffungsprogramm)<br />
eine Zusammenarbeit von 6 EU-Staaten (Deutschland,<br />
Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden,<br />
Spanien) zur Entwicklung und Beschaffung militärischer<br />
Technologie.<br />
ETF (European Technology Facility) �Finanzierungsinstrumente<br />
Ziff. 2<br />
ETSI (European Telecommunications Standards Institute),<br />
1987 auf Initiative der Europäischen Kommission<br />
gegründet. Ziel ist die Verwirklichung eines<br />
einheitlichen europäischen Standards für den Bereich<br />
der Telekommunikation. Mitglied können u. a.<br />
Verwaltungen, Forschungsinstitute, Netzbetreiber,<br />
Hersteller oder Dienstanbieter werden. Das ETSI hat<br />
537 Vollmitglieder aus 35 europäischen Ländern,<br />
126 assoziierte Mitglieder aus 19 nichteuropäischen<br />
Ländern sowie 36 Mitglieder mit Beobachterstatus<br />
aus allen Kontinenten. ETSI hat wichtige Standards<br />
198<br />
geschaffen wie GSM (Global System for Mobile<br />
Communications) und UMTS (Universal Mobile<br />
Telecommunications System).<br />
Sitz: 650, routes des Lucioles, 06921 Sophia-Antipolis, France<br />
Internet : www.etsi.org<br />
ETUC (European Trade Union Confederation) �Europäischer<br />
Gewerkschaftsbund<br />
ETUCO (European Trade Union College), Europäische<br />
Gewerkschaftsakademie. Eine Einrichtung des<br />
�Europäischen Gewerkschaftsbundes.<br />
ETUI (European Trade Union Institute) ist das 1978<br />
vom Europäischen Gewerkschaftsbund (European<br />
TradeUnionConfederation,ETUC)gegründeteStudien-<br />
und Forschungsinstitut für soziökonomische<br />
Fragen. Es bildet eine Brücke zwischen dem Gewerkschaftsbund<br />
und den Hochschulen. Seit April<br />
2005 mit der Europäischen Gewerkschaftsakademie<br />
�ETUCO und dem Institut für Gesundheit und Sicherheit<br />
am Arbeitsplatz �TUTB zusammengefasst<br />
zum European Trade Union Institute for Research,<br />
Education and Health and Security (ETUI-REHS).<br />
Internet: www.etuc.org/ETUI<br />
EUCOMED (European Medical Technology Industry<br />
Association). Europäischer Dachverband der<br />
Medizinprodukteindustrie. Gegründet 1979 in London,<br />
seit 1991 Sitz in Brüssel. Seit 1999 zusammengeschlossen<br />
mit IAPM (International Association of<br />
Prothesis Manufacturers). �CEN<br />
EuGH Europäischer �Gerichtshof<br />
EU-Lagezentrum (SitCen). Arbeitseinheit innerhalb<br />
des Generalsekretariats des Rats zur Beschaffung,<br />
Verarbeitung und Analyse insbes. zeitkritischer<br />
Informationen, einschließlich nachrichtendienstlicher<br />
Erkenntnisse im Rahmen der �Gemeinsamen<br />
Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einschließlich<br />
der �Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
(ESVP). Ein Schwerpunkt der Arbeit<br />
des EU-Lagezentrums liegt in der Fertigung von<br />
Bedrohungsanalysen für den Rat zur weiteren Beratung<br />
und Schlussfolgerung im Rahmen der Bekämpfung<br />
des internationalen Terrorismus sowie in der<br />
Risikoanalyse im Vorfeld und während laufender<br />
ESVP-Operationen. U. S.
EUMETSAT (European Organization for the Exploitation<br />
of Meteorological Satellites). 1986 durch<br />
internationales Abkommen entstandene intergouvernementale<br />
Organisation mit (Dez. 2004) 18 Mitgliedern<br />
(15 EU-Staaten sowie Norwegen, die<br />
Schweiz und die Türkei) sowie 11 kooperierenden<br />
Staaten (7 �MOE-Staaten, die 2004 der EU beigetreten<br />
sind sowie Kroatien, Serbien und Montenegro,<br />
Rumänien, Bulgarien) mit Sitz in Darmstadt.<br />
EUMETSAT betreibt europäische Wettersatelliten<br />
(auch als Teil eines weltweiten meteorologischen<br />
Beobachtungssystems) und stellt die von den Satelliten<br />
gelieferten Daten Endabnehmern zur Verfügung,<br />
insbes.dennationalenWetterdiensten.DieFinanzierung<br />
erfolgt durch Beiträge der Mitgliedstaaten ihrem<br />
BSP entsprechend.<br />
Nach dem Erfolg des ersten, von der Europäischen<br />
Raumfahrtagentur ESA 1977 gestarteten geostationären<br />
Meteosat-1 wurde auf internationalen Konferenzen<br />
1981 und 1983 die EUMETSAT-Convention<br />
geschaffen, die am 19. 6. 1986 in Kraft getreten ist<br />
(revidierte Fassung November 2000). EUMETSAT<br />
hat 1987 das Meteosat-Programm von der ESA übernommen.<br />
Im August 2002 wurde mit Meteosat-8 der<br />
erste Satellit der zweiten Generation (Meteosat Second<br />
Generation MSG) gestartet, der zweite folgt<br />
2005. Die Satelliten stehen in 36 000 km Höhe über<br />
dem Äquator.<br />
Anschrift: Am Kavalleriesand 31, D–64295 Darmstadt.<br />
Internet: www.eumetsat.int<br />
EU–NATO-Dauervereinbarungen(„Berlin-Plus“)<br />
1. Begriffsbestimmung und Hintergrund: Bezeichnung<br />
für ein zusammenhängendes, meist „Berlin<br />
Plus“ genanntes Paket von Übereinkommen und gegenseitig<br />
gebilligter Dokumente zwischen der EU<br />
und der NATO, die gemeinsam die Grundlage dafür<br />
bilden, dass die EU für die von ihr im Rahmen der<br />
�Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik(ESVP)geführtenOperationen,sofernsiediesfür<br />
erforderlich hält, Rückgriff auf NATO-Mittel und<br />
-Fähigkeiten nehmen kann. Kernstück der Vereinbarungist,dassdieEUauchohnevorherigenBeschluss<br />
des Natorats Zugang zu den Planungskapazitäten der<br />
NATO hat. Die Vereinbarungen werden durch ein<br />
sog. „Rahmenabkommen“ zusammengehalten<br />
(Briefwechsel zwischen dem Generalssekretär des<br />
Rats und dem Generalsekretär der NATO vom 17. 3.<br />
2003). Sie gehen davon aus, dass die NATO „als<br />
Euregio<br />
Ganze“ in einem konkreten Fall nicht tätig wird, die<br />
EU andererseits aber auch frei ist zu entscheiden, ob<br />
und in welchem Umfang sie von der Möglichkeit des<br />
Rückgriffs Gebrauch machen möchte („garantierter<br />
Rückgriff“; kein „Erstentscheidungsrecht“ der<br />
NATO).BislangungelöstbleibtdabeidievonderErweiterungsproblematik<br />
belastete Frage der Einbeziehung<br />
von Zypern (und Malta), die aufgrund eines<br />
entsprechenden türkischen Vorbehalts (formal wegen<br />
des Fehlens eines Sicherheitsabkommens mit<br />
der NATO) an sog. „Berlin Plus“-Operationen nicht<br />
teilnehmen dürfen und deren Beteiligung an dem<br />
„strategischen Dialog“ zwischen der EU und der<br />
NATO die Türkei unter Hinweis auf den umfassenden<br />
Ansatz der Dauervereinbarungen bisher kategorisch<br />
ablehnt.<br />
Der Begriff geht auf ein 1996 in Berlin durchgeführtes<br />
Treffen des NATO-Rats zurück, auf dem ein Angebot<br />
zum Rückgriff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten<br />
an die �Westeuropäische Union (WEU) beschlossen<br />
wurde. „Berlin Plus“ soll zum Ausdruck<br />
bringen, dass das Angebot der NATO gegenüber<br />
dem Beschluss von 1996 noch erweitert wurde.<br />
(�Strategische Partnerschaft EU-NATO).<br />
2. Bisherige Entwicklung: Die EU hat bereits bei ihrer<br />
ersten militärischen ESVP-Operation im Jahre<br />
2003 „Berlin Plus“ in Anspruch genommen (Operation<br />
„CONCORDIA“ in Mazedonien). Auch die von<br />
ihr geführte Operation ALTHEA, mit der die EU<br />
2004 die SFOR-Operation in Bosnien und Herzegowina<br />
abgelöst hat, wird unter Rückgriff auf Mittel<br />
undFähigkeitenderNATOdurchgeführt. U. S.<br />
�Strategische Partnerschaft EU–NATO<br />
EURAB �Forschungsbeirat (Europäischer Forschungsbeirat)<br />
EURASIL (EU Network for asylum practitioners).<br />
Von der Europäischen Kommission einberufene<br />
Gruppe von Sachverständigen aus Dienststellen der<br />
Mitgliedsländer,diefürAsylentscheidungenzuständig<br />
sind. EURASIL tagt gewöhnlich sechsmal im<br />
Jahr in Brüssel und erörtert u. a. die Lage in Herkunftsländern.<br />
Euregio (aus: Europäische Region; auch Euroregionen<br />
genannt) bezeichnet Interessengemeinschaften<br />
von kommunalen oder regionalen Körperschaften in<br />
Grenzregionen zweier oder mehrerer Mitgliedstaa-<br />
199
Euregio-Lehrer<br />
ten der EU und ihrer Nachbarstaaten. Ihre Zusammenarbeit<br />
in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen<br />
Bereichen dient der Verwirklichung gemeinsamer<br />
Projekte, die von der EU-Regionalpolitik und<br />
insbes. von dem Programm >INTERREG gefördert<br />
werden. Erste Euregios waren die 1976 gegründete<br />
Euregio Maas-Rhein im Gebiet von Aachen, Maastricht<br />
und Lüttich und die Ems-Dollart-Region von<br />
1977. Weitere Euregios in Deutschland und seinen<br />
Nachbarn sind: Euregio Rhein-Waal; die Großregion<br />
Saar-Lor-Lux aus dem Saarland, Lothringen und<br />
Luxemburg; Euregio Bayerischer Wald-Böhmerwald;<br />
Euregio Egrensis zwischen Bayern, Sachsen<br />
und Tschechien; die Inn-Salzach-Euregio; Euregio<br />
Salzburg-Berchtesgadener Land; Euregio Bodensee,<br />
Euroregion Erzgebirge/Krusnehory; Euroregion<br />
Elbe/Labe an der Grenze zwischen Sachsen und<br />
Tschechien; Euroregion Neiße-Nisa-Nysa im Dreiländereck<br />
Polen, Tschechien und Deutschland; Euroregion<br />
Spree-Neiße-Bober; Euroregion Pomerania.<br />
In der EU gibt es etwa 115 Grenzregionen, die zusammen<br />
etwa 10 % des Gemeinschaftsgebiets umfassen.<br />
Dachverband aller Euroregionen ist die Arbeitsgemeinschaft<br />
europäischer Grenzregionen<br />
(�AGEG).<br />
Aufgaben: Nach einer INTERREG-Initiative der<br />
Kommission kommen als grenzüberschreitende<br />
Kommunikationsstrukturen und Kooperationsnetze<br />
besonders in Frage:<br />
– Koordination der Raumplanung und die Schaffung<br />
einer Infrastruktur,<br />
– gemeinsame Planung von Fremdenverkehrseinrichtungen,<br />
– gemeinsame Planung von Diensten und Einrichtungen<br />
für kleinere und mittlere Unternehmen,<br />
– Inanspruchnahme von öffentlichen Diensten (z. B.<br />
Wasser-, Energieversorgung, Kläranlagen),<br />
– Programme für Umweltschutz und -kontrolle,<br />
– engere Verknüpfung der Medien,<br />
– Förderung des Informationsaustausches.<br />
Durch die transnationalen Beziehungen entsteht ein<br />
Geflecht politischer Infrastruktur (z. B. durch Interessengruppen,Verbände,regionaleParlamente,Parteien<br />
u. dgl.) und privater Begegnungen (z. B. durch<br />
gemeinsame Festspiele und andere kulturelle Veranstaltungen,<br />
Schüleraustausch, Vereine u. dgl.) auf<br />
übernationaler,regionalerEbene.JedeZunahmevon<br />
grenzüberschreitenden Transaktionen und Kommu-<br />
200<br />
nikationen stellt einen Verflechtungsvorgang dar,<br />
um so stärker, je mehr die Interaktionen den Beteiligten<br />
nützen. Transnationale Korporationen (Großorganisationen)<br />
können einen erheblichen Einfluss auf<br />
das politische System ausüben, größer als der von<br />
kleineren Nationalstaaten. Von ihnen können Impulse<br />
für die Bewusstseinsbildung ausgehen, ebenso für<br />
dieHerstellungregionalerÖffentlichkeit. W. M.<br />
Anschrift: Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen,<br />
Enscheder Str. 362, 48599 Gronau<br />
Euregio-Lehrer (Maître Bilingue). Studiengang (3<br />
Semester Vollzeitstudium, 5 Semester Teilzeitstudium)<br />
an Hochschulen und Einrichtungen der LehrerbildungderOberrheinregion(amRheinliegendeGebiete<br />
von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz,<br />
Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Aargau in der<br />
Schweiz, Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin im<br />
Elsass). Studien- und Prüfungsordnung seit Juni<br />
2002 in Kraft. Zugangsvoraussetzungen sind<br />
Sprachkompetenz in Deutsch und Französisch und<br />
Abschluss eines Lehramtsstudiums (1. Staatsexamen)<br />
für Grund-, Haupt- oder Realschulen in<br />
Deutschland bzw. Lehrbefähigung für Unterricht in<br />
Primarstufe und Sekundarstufe I in der Schweiz oder<br />
im Elsass. Ziel des Studiengangs ist es, die Muttersprache<br />
Deutsch oder Französisch als Fremdsprache<br />
zuunterrichten,dieFächerderPrimarstufeodermindestens<br />
ein Fach der Sekundarstufe I bilingual zu unterrichten<br />
sowie Schülerinnen und Schüler interkulturell<br />
zu erziehen.<br />
Auch in anderen Grenz-Regionen ist die Einführung<br />
des Studienfachs Euregiolehrer geplant, u. a. im<br />
Dreiländereck Oberlausitz.<br />
Internet: www.uni-koblenz-landau.de/studium/euregio.html<br />
EUREK �Europäisches Raumentwicklungskonzept,<br />
�Strukturpolitik Ziff. 4<br />
EUREKA (European Research Coordination Agency).<br />
Eine 1985 gegründete europäische Initiative für<br />
europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet marktorientierter<br />
technologischer Forschung und Entwicklung<br />
für zivile Zwecke. Ziele: Stärkung der europäischen<br />
Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt,<br />
Entwicklung einer gemeinsamen Infrastruktur<br />
(insbes. Standardisierung), Lösung länderübergreifender<br />
Probleme (besonders im Umweltbereich).<br />
Teilnehmer: Nahezu 1000 Industriebetriebe
(vor allem kleine und mittlere) sowie Forschungsinstitute<br />
aus den EU-Staaten, daneben aus Island, Israel,<br />
Monaco, Norwegen, Rumänien, Russland, San<br />
Marino, Schweiz, Serbien und Montenegro, Türkei<br />
(insgesamt 35 Staaten und die EU, vertreten durch<br />
die Kommission).<br />
EUREKAistkeinFörderprogrammderEU.DieVerantwortung<br />
für die Finanzierung liegt bei den Teilnehmern,<br />
jedoch können Mittel aus den Förderprogrammen<br />
des Bundes, der Länder oder der EU beantragt<br />
werden. Antragstelle in Deutschland ist der nationale<br />
Projektkoordinator EUREKA beim Bundesministerium<br />
für Bildung, Wissenschaft, Forschung<br />
und Technologie.<br />
Internet: www.eureka.be<br />
Eureka-Audiovisuell. Fortbildungsprogramm der<br />
EU für die Fachkreise der europäischen audiovisuellen<br />
Programmindustrie (Beschluss des EP und des<br />
Rates 163/2001/EG, ABl. L 26/2001).<br />
EURES (European Employment Services) ist ein<br />
elektronisches Informations-, Beratungs- und Vermittlungsnetz<br />
zur Förderung der Mobilität von Arbeitnehmern.<br />
Das Netz verbindet über die Europäische<br />
Kommission die nationalen Arbeitsverwaltungen<br />
aller Staaten der EU und der �EFTA (rd. 5 000 lokale<br />
Arbeitsämter), die �Sozialpartner (Gewerkschaften,<br />
Arbeitgeberverbände) sowie lokale und regionale<br />
Gebietskörperschaften. EURES dient insbes.<br />
der Förderung der Mobilität in Grenzregionen<br />
und der Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen<br />
(�KMU). EURES-Berater sind speziell ausgebildete<br />
Fachkräfte innerhalb der öffentlichen Arbeitsverwaltung<br />
der Mitgliedstaaten. �Arbeitsvermittlung,<br />
europäische<br />
Internet: http://europa.eu.int/eures<br />
EUR-Lex ist die zentrale Datenbank der EU und umfasstseitMitte2004auchdieDatenbankCELEX.Sie<br />
wird vom �Amt für amtliche Veröffentlichungen im<br />
Namen aller EU-Institutionen verwaltet. Die Datenbanken<br />
umfassen rund 320 000 Dokumente im Volltext<br />
und sind in Sammlungen zusammengefasst:<br />
Verträge, internationale Abkommen, geltendes bzw.<br />
konsolidiertes Gemeinschaftsrecht, Rechtsprechung,<br />
parlamentarische Anfragen. Eur-Lex bietet<br />
außerdem Zugang zu den Ausgaben des Amtsblatts<br />
der Europäischen Union (Reihen L und C).<br />
Euro<br />
Die Sammlung der Dokumente reicht vom Beginn<br />
der Integration (EGKS-Vertrag 1951) bis heute und<br />
wird täglich ergänzt (ca. 20 000 neue Dokumente pro<br />
Jahr). Die Texte sind in allen Amtssprachen der EU<br />
zugänglich, zumindest in denen, die zum Zeitpunkt<br />
der Veröffentlichung amtliche Sprachen der Gemeinschaft<br />
waren. Der Zugang ist kostenfrei.<br />
Internet: http://europa.eu.int/eur-lex<br />
Euro (EUR)<br />
1. Der Euro und die Währungsunion: Die Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union haben 1992 mit dem<br />
�Maastrichter Vertrag vereinbart, eine Europäische<br />
Währungsunion (EWU) zu schaffen, in der eine einheitliche<br />
Währung alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel<br />
sein wird. Nach einem Beschluss der Staatsund<br />
Regierungschefs der EU von 1995 heißt diese<br />
Währung „Euro“. Münzen im Wert unter 1 Euro heißen<br />
Cent. Seit dem 1. 3. 2002 ist der Euro das allein<br />
gültige gesetzliche Zahlungsmittel in zwölf Staaten<br />
der EU.<br />
Mit der Einführung des Euro-Bargeldes wurde die<br />
europäische Wirtschafts- und Währungsunion erfolgreich<br />
abgeschlossen. Das Projekt „Euro“ fügt<br />
sich in eine Reihe längerfristiger finanz-, wirtschafts-<br />
und europapolitischer Grundüberlegungen<br />
und Entscheidungsprozesse mit praktischen Konsequenzen<br />
für jeden einzelnen Bürger sowie für die ZukunftderEUinsgesamt.DerEurostehtfüreineWährungsunion<br />
und nicht für eine Währungsreform. Bei<br />
der Einführung des Euro wurden keine Werte vernichtet.<br />
Die Umstellung auf die gemeinsame Währung<br />
Euro erfolgte wertneutral. Alle Guthaben oder<br />
Verbindlichkeiten in den beteiligten Währungen<br />
wurden zu jeweils einem einzigen unwiderruflich<br />
festgelegten Umrechnungskurs in Euro umgerechnet.<br />
Die festen Wechselkurse waren seit dem 1. 1.<br />
1999 in Kraft. An diesem Tag wurde der �ECU (European<br />
Currency Unit / Europäische Währungseinheit)<br />
1:1 auf den Euro umgestellt. Danach begann die<br />
dreijährige Übergangszeit bis zur Einführung des<br />
Bargeldes.<br />
Die EWU vervollständigt den europäischen Binnenmarkt.<br />
Der Euro hebt die Segmentierung des Binnenmarktes<br />
durch unterschiedliche Währungen auf. Der<br />
Wegfall von Umtausch- und Kurssicherungskosten<br />
verbessert die Wettbewerbssituation der Unternehmen.<br />
Die Preistransparenz sorgt für bessere Markzugangschancen<br />
und erhöht das Angebot. Ohne Wech-<br />
201
Euro<br />
selkursrisiko können die Unternehmen nun grenzüberschreitende<br />
Direktinvestitionen leichter planen<br />
und durchführen, was langfristig auch positive Auswirkungen<br />
auf den Arbeitsmarkt haben kann. Der<br />
gleiche Effekt resultiert daraus, dass ein Teil des in<br />
Dollar oder Yen abgewickelten internationalen Handels<br />
zunehmend in Euro abgerechnet wird. Der Euro<br />
hatsichalszweitwichtigsteWeltwährungetabliert.<br />
Ebenso sorgt die gemeinsame Währung bei den Verbrauchern<br />
für vergleichbare Preise und Kosten für<br />
Waren und Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt.<br />
Dadurch erhöht sich die Transparenz des<br />
europäischen Marktes, die sich wettbewerbsfördernd<br />
und somit preisdämpfend auswirkt.<br />
GleichzeitigerfordertdieWährungsunioneinerhöhtes<br />
Maß an wirtschaftspolitischer Kooperation und<br />
interner struktureller Anpassungsfähigkeit der Mitgliedstaaten,<br />
weil der Wechselkurs als Ventil für<br />
volkswirtschaftliche Produktivitäts- und Kostenunterschiede<br />
weggefallen ist. Hier wirkt der Euro als<br />
Katalysator für notwendige Reformen. Die Wirtschafts-<br />
und Währungsunion ist eine nachhaltige<br />
Triebkraft für das weitere Zusammenwachsen der<br />
Länder Europas.<br />
2. Zeittafel der Europäischen Währungsunion: Bereits<br />
1969 beschlossen die Staats- und Regierungschefs<br />
der Europäischen Gemeinschaft die stufenweise<br />
Schaffung einer �Wirtschafts- und Währungsunion<br />
(WWU). Entscheidend beschleunigt wurde<br />
das Projekt nach den historischen Umbrüchen in Europa<br />
durch das Ende des Kalten Krieges, den Fall der<br />
Berliner Mauer und den Zerfall des Warschauer Paktes<br />
in den Jahren 1989/90.<br />
Umrechnungskurse der 11 Währungen in Euro<br />
Belgischer Franc 40,3399<br />
Deutsche Mark 1,95583<br />
Finnmark 5,94573<br />
Französ. Franc 6,55957<br />
Irisches Pfund 0,787564<br />
Italienische Lira 1936,27<br />
Luxemburg. Franc 40,3399<br />
Niederländ. Gulden 2,20371<br />
Österr. Schilling 13,7603<br />
Portug. Escudo 200,482<br />
Spanische Peseta 166,386<br />
202<br />
Aufbauend auf den Vorarbeiten des sog. �Delors-<br />
Berichts beschlossen die Staats- und Regierungschefs<br />
der Europäischen Union im Maastricht-Vertrag<br />
vom Dezember 1992 die Verwirklichung einer<br />
Währungsunion spätestens zum 1. 1. 1999. Davor<br />
wurde in einer ersten Stufe bis Ende 1993 der Kapitalverkehr<br />
zwischen den EU-Staaten vollständig liberalisiert<br />
und die Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedstaaten<br />
einander angenähert, „konvergent“ gemacht.<br />
In der darauffolgenden zweiten – bis zum 31.<br />
12. 1998 dauernden – Stufe wurden das �Europäische<br />
Währungsinstitut (EWI) als Vorläufer der �Europäischen<br />
Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main<br />
gegründet, die nationalen �Zentralbanken – soweit<br />
noch nicht geschehen – in die volle Unabhängigkeit<br />
entlassen und die Konvergenzbemühungen der Mitgliedstaaten<br />
verstärkt.<br />
Seit dem 1. 1. 1999 ist die Währungsunion in Kraft.<br />
Das Datum markiert den Beginn der dritten Stufe der<br />
EWU. Der Euro trat zunächst formell an die Stelle<br />
der elf teilnehmenden Währungen, deren Umrechnungskurse<br />
zum Euro mit 6 signifikanten Stellen unwiderruflich<br />
festgeschrieben wurden (s. Tabelle).<br />
Gleichzeitig übernahm die EZB die Verantwortung<br />
für die einheitliche Geldpolitik, deren oberstes Ziel<br />
die Gewährleistung der Preisstabilität ist. Während<br />
der dreijährigen Übergangszeit bis zum 31. 12. 2001<br />
galten die nationalen Währungen als Untereinheiten<br />
des Euro weiter. Mit dem 1. 1. 1999 nahmen die Mitgliedstaaten<br />
neue Emissionen öffentlicher Schuldtitel<br />
in Euro auf. Es begann der bargeldlose Zahlungsverkehr<br />
in der neuen Gemeinschaftswährung. Geschäfte<br />
mit dem Euro als Buchgeld waren ungehindert<br />
möglich, ein gesetzlicher Zwang bestand jedoch<br />
nicht. Ab dem 1. 1. 1999 galt ferner das Prinzip der<br />
Vertragskontinuität. Damit wurde sichergestellt,<br />
dass grundsätzlich alle nationalen Währungsbeträge<br />
in Rechtsinstrumenten (Verträgen, Schuldtiteln etc.)<br />
zu dem für die jeweilige Währung festgelegten Kurs<br />
umgerechnet wurden. Ein besonderes KündigungsrechtwardurchdieWährungsunionnichtgegeben.<br />
Am 1. 1. 2002 wurde das neue Euro-Bargeld in zwölf<br />
Ländern der EU eingeführt (Ausnahmen: Großbritannien,<br />
Dänemark, Schweden). Die meisten Länder<br />
sahen bis zum 28. 2. 2002 einen Parallelumlauf, also<br />
den gleichzeitigen Umlauf von nationaler und europäischerWährung,vor.Dochschonindenerstenvier<br />
Wochen wurden nahezu 100 Prozent der Barzahlungen<br />
in Euro abgewickelt. So waren bereits weit vor
dem Ende der offiziellen Übergangszeit die Vorläuferwährungen<br />
des Euro größtenteils eingezogen. Mit<br />
dem 28. 2. 2002 verloren die nationalen Währungen<br />
ihre Gültigkeit als gesetzliches Zahlungsmittel in allen<br />
Ländern des Euro-Währungsgebietes.<br />
3. Das Geld: Die Euro-Scheine zeigen Zeitalter und<br />
Stile in Europa. Jeder der sieben Scheine steht für<br />
eine Epoche der europäischen Zeitgeschichte. In die<br />
Banknoten, die es in den Stückelungen 5, 10, 20, 50,<br />
100, 200 und 500 Euro gibt, wurden zum Schutz vor<br />
Fälschungen eine Reihe von Sicherheitsmerkmalen<br />
eingearbeitet. Die acht Münzen unterteilen sich in 1,<br />
2, 5, 10, 20 und 50 Euro-Cent sowie 1 und 2 Euro<br />
(1 Euro = 100 Cent). Auf der gemeinsamen Vorderseite<br />
ist der Münzwert vor dem Hintergrund verschieden<br />
stilisierter europäischer Landkarten und<br />
der zwölf Sterne der Europäischen Union zu sehen.<br />
Ab 2007 sollen darauf auch die inzwischen beigetretenenStaatenzusehensein.DieRückseitenderMünzen<br />
sind von Land zu Land individuell gestaltet und<br />
jedes Mitgliedsland verwendet eigene, nationale<br />
Symbole. Das Recht zur Prägung eigener Münzen<br />
haben auch das Fürstentum Monaco, die Republik<br />
San Marino und der Staat Vatikanstadt, die den Euro<br />
aufgrund einer formalen Regelung mit der EG als gesetzliches<br />
Zahlungsmittel verwenden. Ohne formale<br />
RegelungwirdderEuroinAndorra,Monteneground<br />
im Kosovo verwendet.<br />
Die deutschen Münzen tragen auf den Ein-, Zweiund<br />
Fünf-Cent-Stücken – in Anlehnung an die Pfennige<br />
– einen Eichenzweig. Auf den 10-, 20-, und<br />
50-Cent-Münzen ist das Brandenburger Tor abgebildet.<br />
Die beiden Euro-Münzen zeigen den deutschen<br />
Adler als Hoheitssymbol.<br />
4. Konvergenzkriterien – Eintrittsbedingungen zur<br />
Währungsunion: Für die Teilnahme an der Währungsunion<br />
sind im Maastrichter Vertrag verbindliche<br />
Bedingungen festgelegt. Staaten, die der EWU<br />
beitreten, müssen wirtschaftlich konvergent sein,<br />
d. h. bestimmte, wichtige Ergebnisse ihrer Wirtschaftsleistung<br />
und die Leitlinien ihrer Haushaltspolitik<br />
müssen übereinstimmen. Bei diesen sog. �Konvergenzkriterien<br />
handelt es sich um Referenzwerte<br />
für statistisch berechenbare ökonomische bzw. fiskalische<br />
Größen. Hierzu gehören eine niedrige Inflationsrate,<br />
ein niedriger Zinssatz für Staatsanleihen,<br />
die Entwicklung des Wechselkurses der Währung<br />
sowie – als Forderung an die Haushaltspolitik – solide<br />
Staatsfinanzen, gemessen an der jährlichen Neu-<br />
Euro<br />
verschuldung der öffentlichen Hand (höchstens 3<br />
Prozent) und der Gesamtverschuldungsrate (nicht<br />
mehr als 60 Prozent) im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt<br />
(BIP). Die Inflationsrate darf maximal<br />
1,5ProzentpunkteundderlangfristigeZinssatznicht<br />
mehr als 2 Prozentpunkte über dem Wert der drei<br />
preisstabilsten Länder der Währungsunion liegen.<br />
Der 1992 vereinbarte Zeitplan für die WährungsunionwirktesichanfangsinkaumfürmöglichgehaltenemMaßedisziplinierendundpositivaus.DieEinführung<br />
des Euro wurde von allen im Deutschen<br />
Bundestag vertretenen Parteien (Ausnahme: PDS)<br />
befürwortet.<br />
DerMaastrichterVertragsahvor,dassdasEWI(jetzt<br />
EZB) und die Europäische Kommission jährlich<br />
Konvergenzberichte abgeben, in denen zur Erfüllung<br />
der oben aufgeführten Konvergenzkriterien<br />
durch die einzelnen Mitgliedstaaten Stellung genommen<br />
wird. Am 25. 3. 1998 legte die Europäische<br />
Kommission abschließend die BeschlussempfehlungfürdieTeilnahmedereinzelnenMitgliedstaaten<br />
an der Währungsunion vor (s. Tab. S. 823).<br />
Auf Grundlage dieser Berichte und Empfehlungen<br />
beschlossen Anfang Mai 1998 zunächst die Wirtschafts-<br />
und Finanzminister, sodann die Staats- und<br />
Regierungschefs der Mitgliedstaaten, dass folgende<br />
elf EU-Länder an der dritten Stufe der Währungsunion<br />
ab dem 1. 1. 1999 teilnehmen: Belgien,<br />
Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien,<br />
Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal<br />
und Spanien. Großbritannien und Dänemark hatten<br />
sich schon im Maastricht-Vertrag das Recht erbeten,<br />
unabhängig davon, ob sie die Konvergenzkriterien<br />
erfüllen, an der dritten Stufe zunächst nicht teilzunehmen.<br />
Schweden erfüllte einerseits nicht das Kriterium<br />
der stabilen Wechselkurse und hatte andererseits<br />
seine Vorbehalte gegen eine Teilnahme an der<br />
Währungsunion zum 1. 1. 1999 deutlich gemacht.<br />
Schließlich legten ebenfalls Anfang Mai die Finanzminister<br />
der EU die bilateralen Umrechnungskurse<br />
der Währungen (EWS) der an der Währungsunion<br />
teilnehmenden elf Staaten untereinander unwiderruflich<br />
fest. Griechenland trat am 1. 1. 2000 als<br />
zwölftes Mitglied der Währungsunion bei. Die neuen<br />
Mitgliedstaaten der EU durchlaufen ein ähnliches<br />
Verfahren.<br />
5. Stabilität als oberstes Ziel der unabhängigen Europäischen<br />
Zentralbank: Mit Beginn der dritten Stufe<br />
der Währungsunion am 1. 1. 1999 ging die Zustän-<br />
203
Eurobarometer<br />
digkeit für die Geldpolitik von den nationalen Zentralbanken<br />
der teilnehmenden Staaten auf die EZB<br />
über. Diese ist gem. dem Maastricht-Vertrag, der<br />
sich insoweit am Gesetz über die Deutsche Bundesbank<br />
orientiert hat, unabhängig von politischen Weisungen<br />
vonseiten der Regierungen der Mitgliedstaaten<br />
und in erster Linie dem Ziel der Erhaltung der<br />
Geldwertstabilität verpflichtet. So ist z. B. in völkerrechtlich<br />
verbindlicher Form zwischen den Mitgliedstaaten<br />
vereinbart, dass eine Finanzierung von<br />
Haushaltsdefiziten in den Mitgliedstaaten durch<br />
Kredite der EZB ausgeschlossen ist. Anders als das<br />
Bundesbankgesetz kann das Statut der EZB (und damit<br />
z. B. auch dieses Verbot) nicht durch einfachen<br />
Mehrheitsbeschluss der Mitgliedstaaten oder eines<br />
Parlaments aufgehoben werden.<br />
Um dauerhaft sicherzustellen, dass ein einmal erreichter<br />
tragbarer Stand der Defizite öffentlicher<br />
Haushalte nach Eintritt in die Währungsunion nicht<br />
durch steigende Defizite wieder gefährdet wird, haben<br />
die Mitgliedstaaten Mitte 1997 den �Stabilitätsund<br />
Wachstumspakt geschlossen. Dieser enthält ein<br />
schnell wirksames Überwachungs- und Sanktionssystem,<br />
das bei Überschreiten des Drei-Prozent-<br />
Grenzwerts der jährlichen Neuverschuldung die<br />
Hinterlegung beträchtlicher Einlagen durch den betreffenden<br />
Mitgliedstaat mit sich bringt, die unwiderruflich<br />
dem Haushalt der Gemeinschaft zufallen,<br />
wenn der Mitgliedstaat keine Maßnahmen zur VerringerungdesDefizitsergreift.VordemHintergrund<br />
der anhaltenden Wachstumsschwäche in Europa hat<br />
der Europäische Rat im März 2005 die strenge Handhabung<br />
der Regeln geändert (vgl. �Stabilitäts- und<br />
Wachstumspakt).<br />
6. Über Europa hinaus: Das Gebiet des Euro erstreckt<br />
sich neben den zunächst zwölf EU-Staaten<br />
auch auf die überseeischen Länder und Gebiete, die<br />
zu einem Euro-Staat gehören oder ihm assoziiert<br />
sind: Guadeloupe, Französisch Guayana, Martinique,<br />
Mayolle, Réunion, Saint-Pierre et Miquelon sowie<br />
die französischen Süd- und Antarktisgebiete. 15<br />
Staaten in Schwarzafrika, meistens ehemalige französische<br />
Kolonien mit ca. 80 Mio. Einwohnern, waren<br />
mit ihrer Währung, dem CFA-Franc, durch ein<br />
Währungsabkommen mit Frankreich an den französischenFrancgebundenundsindesjetztandenEuro.<br />
Frankreich ist dabei allein für die Aufrechterhaltung<br />
des Wechselkurses für die sog. Franc-Zone in Afrika<br />
verantwortlich.<br />
204<br />
Nach dem US-Dollar steht der Euro als Reservewährung<br />
und bei internationalen Transaktionen an zweiter<br />
Stelle. Der Erfolg des Euro zeigt sich auch daran,<br />
dass das Euro-Gebiet als Ganzes, viel mehr als die<br />
einzelnen Länder, eine immer stärkere Beachtung im<br />
Rest der Welt erfährt und die Währung eine hohe Akzeptanzgenießt.<br />
I. T.<br />
Literatur:<br />
Aktionsgemeinschaft Euro (Bundesregierung, Europäische<br />
Kommission, Europäisches Parlament): Ratgeber Euro – Die<br />
20 wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Geld.<br />
Juni 2001 3<br />
Europäische Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und<br />
Finanzen: The euro area in the world economy – Developments<br />
in the first three years. Nummer 46, Juli 2002<br />
Dies.: Texte zum Euro Nr.41: Mitteilung der Kommission,<br />
Praktische Aspekte des Euro: Aktueller Stand und künftige<br />
Aufgaben. Brüssel, 12. 7. 2000<br />
Dies.: Der rechtliche Rahmen für die Verwendung des Euro.<br />
In: Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Wirtschaftsanalysen,<br />
Nr. 2, Brüssel, Februar 1997<br />
Eurobarometer<br />
1. Begriffserklärung: Die öffentliche Meinung in der<br />
Gemeinschaft wurde von der Europäischen Kommission<br />
vor 1973 in unregelmäßigen Abständen und<br />
wird seit 1973 in regelmäßigen Abständen mit ihrem<br />
Umfrageinstrument Eurobarometer ermittelt. Das<br />
heutige Referat „Analysen der öffentlichen Meinung“<br />
der Kommission ist in der Generaldirektion<br />
Presse und Kommunikation in Brüssel angesiedelt.<br />
Halbjährlich veröffentlicht das Referat seine Frühjahrs-<br />
bzw. Herbstanalysen im Standard-Eurobarometer,<br />
kurze Zusammenfassungen der wichtigsten<br />
Ergebnisse erscheinen vorher.<br />
Detaillierte Tabellen und Grafiken ergeben ein vielschichtiges<br />
Bild der Stimmung in den Mitgliedsländern<br />
der Union (seit Herbst 2004 in 25 Mitgliedstaaten<br />
sowie in vier Ländern, die Beitrittsverhandlungen<br />
mit der EU führen – Bulgarien, Kroatien, Rumänien,dieTürkei–sowieimNordteilvonZypern).Ein<br />
neuer Umfragetypus ergänzt seit 1989 das traditionelle<br />
Eurobarometer: das Flash-Eurobarometer. Daneben<br />
wurden von 1991 bis 1998 regelmäßig im Eurobarometer<br />
Mittel- und Osteuropa (CEEB) die Umfrageergebnisse<br />
aus diesen Staaten veröffentlicht<br />
und qualitative Studien durchgeführt. Das CEEB<br />
wurde 2000 bis 2004 ersetzt durch das Eurobarometer<br />
der Kandidatenländer (CCEB). Zwischen 1994<br />
und 1997 wurden zusätzlich kurze Eurobarometer-Umfragen<br />
monatlich erhoben und in der Reihe<br />
„Europinion“ publiziert.
2. Statistische Erhebungsmethode<br />
2. 1 Das Standard-Eurobarometer: Es stützt sich auf<br />
eine Stichprobe von je 1000 Befragten im Alter von<br />
mindestens 15 Jahren in jedem Mitgliedstaat, die<br />
nach einem Zufallsverfahren (random root) ausgesucht<br />
und überall mit dem gleichen Fragebogen interviewt<br />
werden. Einzige Ausnahmen sind Luxemburg<br />
und das Vereinigte Königreich: Während im<br />
kleinen Luxemburg lediglich 600 Leute befragt werden,<br />
sind es im Vereinigten Königreich 1 300 (1000<br />
in Großbritannien und 300 zusätzlich in Nordirland).<br />
Um die Integration der fünf ostdeutschen Länder in<br />
die EU zu beobachten, werden seit Herbst 1990 500<br />
Personen in Ost- und 1000 Personen in Westdeutschland<br />
befragt. Die Umfragen führt jetzt das TNS Opinion&Social,einvonTaylorNelsonSofresundEOS<br />
Gallup Europe gebildetes Konsortium durch (in<br />
Deutschland: TNS Infratest).<br />
Die Interviewfragen sind hauptsächlich geschlossen<br />
– d. h. Antwortvorgaben werden angeboten – und<br />
werden im persönlichen Gespräch zwischen InterviewtemundInterviewerbeantwortet.Diefürdiegesamte<br />
Union aufgeführten Durchschnittszahlen sind<br />
analog der Erwachsenenbevölkerung eines jeden<br />
Landes gewichtet. Einige Fragen werden bei jedem<br />
der halbjährlichen Interviews wiederholt, z. B.: über<br />
persönliche Rahmenbedingungen (Zufriedenheit,<br />
Erwartungen, Ängste), über Einstellungen zur EU,<br />
über die �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
oder zur �Erweiterung. Immer dabei sind auch<br />
Fragen, die sich auf aktuelle Themen der vergangenen<br />
Monate beziehen, so z. B. zum �Euro. Die Daten<br />
der Eurobarometer-Erhebungen sind im Internet<br />
über den Europa-Server der Europäischen Institutionen<br />
im PDF-Format abrufbar (Adresse s. u.).<br />
2.2 Sonderausgaben: Besondere Umfragen werden<br />
im allgemeinen im Auftrag der verschiedenen Generaldirektionen<br />
durchgeführt. Seit 1989 gibt es das<br />
Flash-Eurobarometer,eineUmfrage,diedanneingesetzt<br />
wird, wenn die Einstellung der Unionsbevölkerung<br />
zu einem aktuellen Thema rasch bekannt sein<br />
muss oder wenn zielgruppenspezifische Umfragen<br />
durchgeführt werden. Sie erfolgt über Telefoninterviews<br />
und liefert schon nach drei Wochen erste Ergebnisse.<br />
Themen 2004 u. a.: Einführung des Euro in<br />
den neuen Mitgliedstaaten; Europäischer Verfassungsvertrag;<br />
Jugendliche und Drogen.<br />
Darüber hinaus werden sog. qualitative Analysen<br />
durchgeführt, die in der Regel sehr umfangreich sind<br />
Eurocontrol<br />
und auf ein bestimmtes Thema oder eine Zielgruppe<br />
abzielen. Beispiel 2003: Einstellung der Verbraucher<br />
zu öffentlichen Diensten.<br />
Von Anfang an werden auch Sonderausgaben des<br />
Eurobarometer zu speziellen Themen veröffentlicht,<br />
wobei einige sich in verschiedenen Jahren wiederholen<br />
und Vergleiche ermöglichen. Beispiele 2004:<br />
Unionsbürger und Sport; Finanzen und Finanzdienstleistungen;<br />
Einstellung zu Betrügereien zu<br />
Lasten des EU-Haushalts; Europäische Beschäftigungs-<br />
und Sozialpolitik. Themen aus früheren Jahren:Blutspenden;Biotechnologie;Entwicklungshilfe;<br />
Gemeinsame Agrarpolitik. Im Gegensatz zum<br />
Standard-Eurobarometer werden hierzu sog. offene<br />
Interviews geführt.<br />
Andere Studien reichen über den geographisch begrenzten<br />
Raum der Mitgliedstaaten hinaus. Von<br />
2001 bis 2004 wurden z. B. die Einstellungen der<br />
Bürger in den 13 Kandidatenländern zur EU erfragt<br />
und jährlich jeweils im März im Eurobarometer der<br />
Kandidatenländer veröffentlicht (CCEB). Zuvor<br />
wurde von 1990 bis 1998 jährlich ein Eurobarometer<br />
Mittel- und Osteuropa (CEEB) mit Meinungsumfragenin19Staatenveröffentlicht.<br />
J. L.-B./Red.<br />
Anschrift: Europäische Kommission, GD X/A 2, Rue de<br />
Trèves 120, B–1049 Brüssel.<br />
Internet-Adresse: http://europa.eu.int//comm/public_opinion<br />
mit weiteren Hinweisen<br />
Eine ausführliche Suchfunktion aller bisher erschienenen<br />
Ausgaben von Eurobarometer bietet das Zentralarchiv für<br />
empirische Sozialforschung der Universität Köln unter<br />
www.gesis.org/ZA<br />
Eurocities ist ein Netzwerk von Großstädten in den<br />
25 Mitgliedstaaten der EU und den 3 Beitrittskandidaten<br />
Bulgarien, Rumänien und Türkei zur transnationalen<br />
Kooperation, auch im Hinblick auf die Förderung<br />
urbaner Aufgaben durch die EU (z. B. durch<br />
die �Wiener Erklärung vom November 2004) und<br />
auf den Zugang zu Fördermitteln der Europäischen<br />
Gemeinschaft.<br />
Eurocontrol (European Organisation for the Safety<br />
of Air Navigation). 1960 von 6 europäischen Staaten<br />
gegründete Europäische Organisation zur Lenkung<br />
und Überwachung der zivilen und militärischen<br />
Luftfahrt mit gegenwärtig 34 Mitgliedstaaten aus<br />
Europa und Sitz in Brüssel. EUROCONTROL ist<br />
keine Einrichtung der Europäischen Gemeinschaft,<br />
die ihr aber beigetreten ist. �Flugsicherheit<br />
205
Eurodac<br />
Eurodac-System ermöglicht den Vergleich von<br />
Fingerabdrücken von Asylbewerbern und Personen,<br />
die illegal die Außengrenzen der EU überschritten<br />
haben. Zweck ist die effektive Anwendung des �Dubliner<br />
Abkommens. Das gemeinschaftliche System<br />
wurde mit Rats-Verordnung 2725/2000 eingerichtet<br />
(ABl.L316/2000).Eurodacbestehtauseinervonder<br />
Kommission verwalteten Zentraleinheit, einer computergestützten<br />
Datenbank für Fingerabdrücke sowie<br />
Einrichtungen zur elektronischen Übertragung<br />
zwischen den Mitgliedstaaten und der zentralen Datenbank.<br />
Eurodicautom ist eine Datenbank zur Unterstützung<br />
und Vereinheitlichung der Übersetzungen von<br />
Dokumenten und anderen Texten der Europäischen<br />
Union. Sie enthält rund 5 Millionen Begriffe aus der<br />
Terminologie der Gemeinschaften sowie feststehende<br />
Formulierungen aus dem Primär- und Sekundärrecht<br />
der EU mit ihren Übersetzungen in alle amtlichen<br />
Sprachen. Eurodicautom untersteht der Generaldirektion<br />
Übersetzung der Europäischen Kommission.<br />
Die Datenbank ist öffentlich zugänglich unter:<br />
http://europa.eu.int/eurodicautom.<br />
EUROFOR (European Rapid Operational Force)<br />
und EUROMARFOR (European Maritime Force)<br />
wurden 1995 von den �WEU-Staaten Frankreich,<br />
Italien, Portugal und Spanien als Einsatzverbände<br />
der Land- bzw. Seestreitkräfte aufgestellt. EURO-<br />
FOR ist seit Juni 1998 einsatzbereit und verfügt über<br />
ein ständiges Kommando in Florenz. Die übrigen<br />
Kräfte werden je nach Auftrag und Lage zusammengestellt.<br />
EUROFOR sind vorwiegend leichte Infanteriekräfte<br />
unterstellt und kann für friedenserhaltende<br />
und humanitäre Aufgaben eingesetzt werden,<br />
aber nur begrenzt zur Durchsetzung des Friedens mit<br />
militärischen Mitteln. Auf Beschluss des Rates<br />
2003/563/GASP vom 29. 7. 2003 hat EUROFOR am<br />
1. 10. 2003 das Hauptquartier der EU-Militäroperation<br />
CONCORDIA in Mazedonien übernommen.<br />
Eurogruppe (auch Euro-12-Gruppe bzw. Euro-12-Rat<br />
genannt) ist jener Teil des �Ecofin-Rates,<br />
der sich aus den Ministern der Mitgliedstaaten zusammensetzt,<br />
die den Euro als gesetzliche Währung<br />
eingeführt haben. Die Gruppe wurde vom EuropäischenRatinLuxemburg(12./13.12.1997)insLeben<br />
206<br />
gerufen und trat erstmals am 4. 6. 1998 zusammen<br />
(noch als Euro-11-Gruppe). Sie tagt informell ohne<br />
Beschlussfähigkeit. Auch die Kommission und ggf.<br />
der Präsident der �EZB werden eingeladen. Die Minister<br />
der nicht an der 3. Stufe der Währungsunion<br />
teilnehmenden Länder sind nur dabei, wenn Fragen<br />
von gemeinsamem Interesse beraten werden. Die<br />
Eurogruppe tagt gewöhnlich am Vorabend einer Sitzung<br />
des Ecofin-Rates. Seit 1. 1. 2005 wählt die Eurogruppe<br />
aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden für die<br />
Dauer von 2 Jahren.<br />
Euro Info Centres (EIC) sind Beratungsstellen für<br />
Unternehmen, insbes. für kleine und mittlere Unternehmen<br />
(�KMU, englische Abkürzung: SME). Sie<br />
wurden 1987 von der Europäischen Kommission ins<br />
Leben gerufen und sind durch ein EIC-Netz in 42 europäischen<br />
Staaten miteinander verbunden. In<br />
Deutschland gibt es 35 EIC, die meisten sind Industrie-<br />
und Handelskammern, Handwerkskammern,<br />
Landesgewerbeanstalten oder Banken angeschlossen.<br />
EIC informieren über Ausschreibungen und<br />
Förderprogramme (vor allem in den Bereichen Forschung<br />
und Entwicklung), Richtlinien und Normen<br />
(z. B. im Umwelt- oder Verbraucherschutz), vermitteln<br />
Partner in Europa, organisieren Beteiligungen<br />
an Messen im Ausland und anderes.<br />
Für die zunehmende Verwendung elektronischer<br />
Kommunikationsmittel im Geschäftsverkehr (eCommerce)<br />
wird kleinen und mittleren Unternehmen seit<br />
2001 über das Netzwerk eLogistik (www.ec-elogistik.de)HilfebeiderAbwicklunglogistischerProzesse<br />
und bei der Optimierung von Geschäftsbeziehungen<br />
angeboten.<br />
Euro-Jargon. Halbamtlich, inoffiziell oder umgangssprachlich<br />
verwendete Begriffe aus den Tätigkeitsbereichen<br />
der EU. Eine Übersicht solcher Begriffe<br />
findet sich im Internet unter:<br />
http//europa.eu.int/abc/eurojargon/index_de.htm<br />
Eurojust. Der Vertrag von Nizza begründete diese<br />
Europäische Stelle für justitielle Zusammenarbeit,<br />
um im grenzoffenen �Schengen-Europa eine effizientere<br />
Verbrechensbekämpfung zu ermöglichen.<br />
Eurojust wurde auf der Grundlage einer Vereinbarung<br />
des Europäischen Rates in Tampere (Finnland)<br />
im Herbst 1999 mit Beschluss des Rates der Europäischen<br />
Union vom 28. 2. 2002 geschaffen und ist eine
Einrichtung der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit.<br />
Sämtliche Mitgliedstaaten entsenden eigene<br />
Staatsanwälte,Richterbzw.Polizeibeamte.Aufgabe<br />
von Eurojust ist es, in Zusammenarbeit mit �Europol<br />
und �OLAF im Rahmen der justitiellen Zusammenarbeit<br />
in Strafsachen (vgl. Art. 29 EU bzw. Art. I-42,<br />
Art.III-257ff.desEU-Verfassungsvertrags2004)zu<br />
einer sachgerechten Koordinierung der nationalen<br />
Behörden bei strafrechtlichen Ermittlungen beizutragen.<br />
Zudem leistet Eurojust auf EU-Ebene Unterstützerdienste<br />
bei Ermittlungsarbeiten bezüglich<br />
schwerer, grenzüberschreitender, namentlich organisierterKriminalität.SchließlichversuchtEurojust,<br />
die Erledigung von Rechtshilfe- und Auslieferungsersuchen<br />
innerhalb der EU zu erleichtern.<br />
Da sich ein Großteil der Arbeit von Eurojust auf die<br />
Sammlung, Auswertung und Weitergabe sensibler<br />
Daten bezieht, sind in den Beschluss zur Errichtung<br />
vonEurojustumfangreicheDatenschutzbestimmungen<br />
aufgenommen worden. So sind bspw. Regelungen<br />
zur Sperrung von Daten und zur Datensicherheit<br />
enthalten, ebenso Auskunftsansprüche der Betroffenen<br />
über die sie betreffenden personenbezogenen<br />
Daten. Auch wurde eine gemeinsame Kontrollinstanz<br />
geschaffen, deren Entscheidungen bindenden<br />
Charakter haben. Diese Instanz setzt sich aus Richtern<br />
oder Personen, die aufgrund des ihnen verliehenen<br />
Amtes eine vergleichbare Unabhängigkeit besitzen,zusammen.<br />
J. M. B./M. K.<br />
Euro-Korps. Aus der deutsch-französischen Brigade<br />
seit 1992 („Bericht von La Rochelle“) entwickelter<br />
Verband zur Stärkung der militärischen Zusammenarbeit<br />
in Europa. Mitglieder des Euro-Korps<br />
sind neben Deutschland und Frankreich Belgien<br />
(1993), Spanien (1994) und Luxemburg (1996). Das<br />
Hauptquartier des Verbands steht in Straßburg. Das<br />
Euro-Korps wurde 1993 als „Modell“ einer engeren<br />
militärischen Zusammenarbeit in Europa zunächst<br />
der �Westeuropäischen Union (WEU) als Großverband<br />
zugeordnet. Seit 1999 steht es der EU im Rahmen<br />
von Einsätzen im Spektrum der �„Petersberg-Aufgaben“<br />
zur Verfügung. 2001 erfolgte die<br />
Umwandlung des Euro-Korps in ein „schnelles Reaktionskorps“.DerEinsatzimRahmenderNATOist<br />
seit 1993 geregelt („SACEUR-Abkommen“). 2000<br />
wurde das Euro-Korps von der NATO mit der Leitung<br />
des KFOR-Hauptquartiers im Kosovo betraut.<br />
Mit der Öffnung für andere NATO-Mitgliedstaaten<br />
Eurokratie<br />
im Jahre 2002 kann das Euro-Korps-Hauptquartier<br />
auch als Krisenreaktionshauptquartier der NATO<br />
zumEinsatzkommen. U. S.<br />
Anschrift: Maanweg 174, NL-2516 AB Den Haag<br />
Internet: www.eurojust.eu.int<br />
Eurokratie<br />
1. Begriff: Die Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger<br />
gegenüber der Europäischen Union ist Ausdruck<br />
einer Sorge vor einem „europäischen Überstaat“, in<br />
dem eine anonyme Superbürokratie (�Beamte und<br />
Bedienstete der EU) fernab in Brüssel im Namen der<br />
�Integration alle aus den nationalen Traditionen erwachsenen<br />
Unterschiede nivelliert und den Menschen<br />
mit einer Fülle von Direktiven zentralistisch in<br />
alle Lebensbereiche hineinregiert. Schlagwörter in<br />
der Diskussion sind Bürokratismus, bürokratische<br />
Regelungswut und der detailbesessene Perfektionismus.<br />
WersinddieEurokraten?Grundsätzlichgilt,dassdie<br />
Union immer nur das leistet, was ihr die nationalen<br />
Regierungen abverlangen. Die Macht in der Union<br />
sitzt dementsprechend zuerst bei den nationalen Regierungen,<br />
die über den Rat möglichst viel EU-<br />
Macht zu Gunsten des jeweiligen Landes aktivieren<br />
wollen. Es existieren gegenwärtig auf Ratsebene<br />
über 200 Arbeitsgruppen. Ein Großteil der Mitarbeiter<br />
(ca. 80 %) sind nationale Beamte aus den<br />
EU-Staaten.<br />
Die zweite Machtebene bildet die Europäische KommissionmitihrerBürokratie,diemeistZielobjektder<br />
Bürokratiekritik ist, da sie von ihrem Initiativrecht<br />
Gebrauch macht, um die Europapolitik voranzutreiben<br />
und umzugestalten, die �Rechtsakte überwacht,<br />
die europäischen Politikbereiche koordiniert und<br />
über 90 % des EU-Haushaltes verwaltet.<br />
Die europäische Bürokratie umfasst begrifflich die<br />
für die Union typische, integrationspolitisch (nicht<br />
staatlich) organisierte Form der europäischen Administration(Eurokratie),dieaufgrundihrerstrukturellen<br />
Anlage einen vermeintlich zu starken Einfluss<br />
aufdiepolitischeAusgestaltungderUnionausübt.<br />
Es liegt die Frage nahe, ob die Kommission nicht ein<br />
extrem uneffektiver Verwaltungsapparat ist. Sitzen<br />
da nicht zu viele „Eurokraten“?<br />
In dieser Frage liegt ein Vorurteil, das häufig gegen<br />
die Bürokratie der Union vorgebracht wird und nicht<br />
zu halten ist: Sie ist keineswegs so stark aufgebläht,<br />
wiegerneunterstelltwird.EinVerwaltungsanteilder<br />
207
Eurokratie<br />
Kommission von 4 % am Haushalt der EU ist nicht<br />
übertrieben. Dies gilt auch für den Gesamtanteil von<br />
etwa 5,5 % aller EU-Organe. Dennoch ist der EUweite<br />
Abbau der Bürokratie ein wichtiges Anliegen<br />
in der �Lissabon-Strategie für mehr Wachstum und<br />
Beschäftigung.<br />
Im Rahmen dieser Strategie die EU-Gesetzgebung<br />
durch den Abbau von Überregulierungen verbessert<br />
werden soll. Ziel ist eine Vereinfachung der Rechtsetzung.<br />
Die Kommission setzt beim Bürokratieabbau<br />
auf drei Qualitätsparameter: Verbesserte Folgenabschätzung<br />
bereits im Gesetzgebungsverfahren,<br />
eine stärkere Vereinfachung vorhandener<br />
EU-Regelungen und eine kontinuierliche Umsetzung<br />
des Bürokratieabbaus über jährliche Aktionspläne.<br />
Um das Potenzial der EU voll auszuschöpfen, hat die<br />
Europäische Kommission 2005 ein Maßnahmepaket<br />
für bessere Rechtsetzung vorgelegt. Es soll dazu dienen,<br />
langwierige und komplizierte Verfahren zu verkürzen<br />
und somit das EU-Recht zu vereinfachen und<br />
den Verwaltungsaufwand zu verringern. Um der<br />
Überregulierung und der unnötigen Bürokratie ein<br />
Ende zu setzen, schlägt die Kommission vor, die Folgenabschätzungzuverbessernundschnellerüberdie<br />
vielen hundert Kommissionsvorschläge, die dem<br />
Parlament und dem Rat vorliegen, zu entscheiden.<br />
Viele Maßnahmen, durch die Bürokratie verringert<br />
werdenkann,fallenindenZuständigkeitsbereichder<br />
Mitgliedstaaten. Die Kommission empfiehlt ihnen<br />
daher, auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Verbesserung<br />
der Rechtsetzung zu ergreifen, zu denen auch<br />
Folgenabschätzungssysteme und Vereinfachungsprogramme<br />
gehören sollten.<br />
2. Dimensionen der Eurokratie<br />
2.1 Der Zentralismus: Die Kommission hat die Aufgabe<br />
und das Recht, die Grundlagen für europäische<br />
Regelungen zu erarbeiten. Mit dem fortschreitenden<br />
Integrationsniveau nimmt der Bürokratisierungsgrad<br />
zu. So hat z. B. das Binnenmarktprojekt eine<br />
Fülle von Rechtsakten zur Folge gehabt, die zunehmend<br />
von Auslegungsentscheidungen des Europäischen<br />
Gerichtshofes flankiert werden. Intensivster<br />
Bürokratiekomplex ist der landwirtschaftliche Sektor<br />
mit der überwiegend zentralistisch ausgerichteten<br />
�Gemeinsamen Agrarpolitik.<br />
2.2 Der Lobbyismus: Durch Stellungnahmen, Gutachten<br />
und Gespräche beeinflussen (schätzungsweise<br />
20 000) Lobbyisten den Prozess der Vorschlagser-<br />
208<br />
arbeitung der europäischen Behörden und Politiker.<br />
Sie wollen auf die Ausgestaltung der Unions-Gesetze<br />
und Politiken und die Normensetzung Einfluss<br />
nehmen. Sie wollen Fördergelder aus dem 106 Mrd.<br />
Euro Unionshaushalt (Zahlungsermächtigungen<br />
2005) akquirieren. Und nicht zuletzt wollen sie die<br />
EU-Wettbewerbsbehörde von den Anliegen ihrer<br />
Klientel überzeugen. Sie repräsentieren Konzerne,<br />
Verbände,ParteienoderöffentlicheKörperschaften.<br />
Eine wachsende Rolle spielen die rund hundert Beratungsunternehmen<br />
(Public Affairs Agenturen). Sie<br />
betreiben nach angelsächsischem Muster für feste<br />
Auftraggeber oder zeitlich befristet professionelles<br />
Lobbying. Auch für die Nationalstaaten versuchen<br />
Fachbeamte, so früh wie möglich auf Entscheidungen<br />
der europäischen Ebene Einfluss zu bekommen<br />
(�Europäische Verbände/Lobbyismus). Hinzu kommen<br />
mehr als 100 europäische Regionen, die in Brüssel<br />
mit einem eigenen Büro vertreten sind.<br />
2.3 Der nationale Egoismus auf Ratsebene: Die Eurokratie<br />
scheint sich immer mehr über den Rat zu entwickeln.<br />
Die Zahl der dort angesiedelten Arbeitsgruppen<br />
ist ansteigend. So sind im Kern der Eurokratie<br />
die nationalen Beamten zu nennen, da der Rat (in<br />
FormderRessortminister)inderPraxiseuropäischer<br />
Entscheidungsabläufe weniger präsent ist. Ca. 80 %<br />
der Rechtsakte werden von den nationalen Beamten<br />
in den Arbeitsgruppen ausgehandelt und im �Ausschuss<br />
der Ständigen Vertreter (EU-Botschafter =<br />
nationale Diplomaten) verabschiedet.<br />
2.4 Die Deregulierung der Komplexität und Unübersichtlichkeit<br />
der Entscheidungsprozesse: Die Entscheidungsprozesse<br />
der EU sind trotz fortlaufender<br />
Demokratisierungsbemühungen wenig transparent.<br />
Nach wie vor sind die einschlägigen Verfahren zu<br />
zahlreich und zu kompliziert, wenngleich die Befugnisse<br />
des Europäischen Parlaments bis zum Verfassungsvertrag<br />
2004 kontinuierlich erweitert wurden.<br />
Nimmt man die seit dem Vertrag von Nizza geltenden<br />
Beteiligungsmöglichkeiten und die Abstimmungsmodalitäten<br />
des Rates in allen drei Säulen der<br />
EU sowie die Beteiligungsmöglichkeiten und die<br />
Abstimmungsmodalitäten des EP und kombiniert<br />
diese entsprechend den Vertragsbestimmungen, so<br />
erhält man mindestens 38 verschiedene Verfahrensvarianten.<br />
Die Lichtung dieses Verfahrensdschungels war eines<br />
der wesentlichen Ziele des �Verfassungsvertrages<br />
2004. Die mit dem Amsterdamer Vertrag grund-
legendfestgelegtendreiRechtsetzungsverfahrender<br />
Zustimmung, der Mitentscheidung (mit dem Rat)<br />
und der Anhörung wurden vereinfacht. Wenn der<br />
Verfassungsvertrag in Kraft tritt, ist das �Mitentscheidungsverfahren<br />
als „ordentliches Gesetzgebungsverfahren“<br />
mit der Ausdehnung qualifizierter<br />
Mehrheitsentscheidungen die Regel (�Gesetzgebungsverfahren).<br />
Der Verfassungsvertrag dehnt den<br />
Anwendungsbereich für Mitentscheidungsrechte<br />
des EP von 45 auf 84 fallspezifische Handlungsermächtigungen<br />
aus.<br />
2.5 Förderprogramme und Antragswesen: Die Zahl<br />
der EU-Förderprogramme wird auf insgesamt 170<br />
geschätzt. Offizielle Zahlen oder gar eine Zusammenstellung<br />
aller Förderprogramme seitens der<br />
Kommission gibt es nicht. Zur Unübersichtlichkeit<br />
der Fördertatbestände kommt die häufig kurzfristige<br />
Programminformation durch die Kommission hinzu.<br />
Der Aufruf der Europäischen Kommission zur<br />
Einreichung von Vorschlägen umschreibt das Antragsverfahren<br />
auf finanzielle Hilfen im Rahmen der<br />
Programme und Ausschreibungen. Der Antragsteller<br />
hat umfassende Formulararbeiten zu leisten, deren<br />
Komplexität ein solches Maß angenommen hat,<br />
dass es vielfach ohne spezielle „Consultants“ (Berater)<br />
nicht mehr geht. Bemerkenswert ist, dass die<br />
Kommission vielfach den Antragstellern bereits in<br />
den Programmrichtlinien empfiehlt, sich von einem<br />
namentlichgenanntenBerater-Privatbüroberatenzu<br />
lassen. Zur Bewertung der Förderanträge beauftragt<br />
die Kommission auch vielfach solche Consultants,<br />
d. h. Berater urteilen über die Anträge von Beratern<br />
unddamitüberfinanzielleDienstleistungen.Auchdie<br />
Projektdurchführung wird vielfach den Beratern<br />
überlassen. Mit den Consultants ist eine neue Profession<br />
entstanden, die die Komplexität der Fördermöglichkeiten<br />
vielfach so beherrschen, dass sich eine<br />
zweite mächtige „Bürokraten- und Lobbyebene“ herausgebildet<br />
hat. Die erforderlichen Antragsunterlagensindteilweisesoumfangreich(z.B.25SeitenProgrammrichtlinien<br />
und 25 Antragsseiten beim Phare-<br />
�Lien-Programm), dass es oftmals zu einem krassen<br />
MissverhältniszwischenAufwandbeiderAntragstellung<br />
und bewilligter Zuschusshöhe kommt.<br />
3. Bürgerrecht auf gute Verwaltung: Die Charta der<br />
Grundrechte der Union, Teil des Verfassungsvertrags<br />
2004, enthält als Bürgerrechte zwei bemerkenswerte<br />
Regelungen: Artikel II-101 regelt das<br />
Recht auf eine gute Verwaltung; Art. II-102 das<br />
Eurokratie<br />
Recht auf Zugang zu Dokumenten der Europäischen<br />
Union.<br />
Artikel II-101 räumt jedem Menschen das Recht ein,<br />
dass seine Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen,<br />
Ämtern und Agenturen der EU unparteiisch,gerechtundinnerhalbeinerangemessenenFrist<br />
behandelt werden. Dieses Bürgerrecht wird spezifiziert<br />
als Anhörungsrecht und Aktenzugangsrecht;<br />
hinzu kommt die Pflicht der Verwaltung, ihre Entscheidung<br />
zu begründen (Begründungspflicht). Ferner<br />
existieren ein Schadensersatzanspruch gegenüber<br />
dem (fehlerhaften) Verwaltungshandeln der<br />
Union und ein Sprachenrecht. Jeder Mensch kann<br />
sich in einer der Sprachen der Verfassung an die Organe<br />
der Union wenden und muss eine Antwort in<br />
derselben Sprache erhalten.<br />
4. Fazit: Das Harmonisierungsbestreben der Eurotechnokraten<br />
nahm auf allen Ebenen wenig Rücksicht<br />
auf politische Ziele, nationale Werte und Befindlichkeiten,<br />
war aber auch bedingt dadurch, dass<br />
der Rat sich erst 1984 entschließen konnte, statt<br />
�Harmonisierung �gegenseitige Anerkennung als<br />
Prinzip des �Binnenmarktes zu akzeptieren. Technokratie<br />
als Bestandteil der Eurokratie bedeutet hier,<br />
dass nicht politische Ziele, sondern die Wege und<br />
Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung den Maßstab<br />
für politisches Denken und Handeln abgeben.<br />
Unbestritten ist, dass ein Projekt wie die europäische<br />
Integration, die immer mehr einzelstaatliche Politikbereiche<br />
und Kompetenzen an sich zieht, neue Politikgestaltungsfunktionen<br />
auslöst und Verfahren entwickelt,<br />
die einen Bedarf an bürokratischer Lenkung<br />
haben. Die Gefahr besteht, dass die bürokratischen<br />
Eliten über mehr und mehr Herrschaftswissen und<br />
-techniken verfügen. Verordnungen und Richtlinien<br />
sind oftmals nicht mehr das Werk von politisch Verantwortlichen,<br />
sondern das von Bürokraten. Hinzu<br />
kommt die unkontrollierbare Praxis der Lobbyisten.<br />
Nationale Parlamente und das EP können dies teilweise<br />
nicht nachvollziehen.<br />
Der Europäische Rat hat 2004 erneut darauf hingewiesen,<br />
dass das Bewusstsein der Bürger für die Bedeutung<br />
der Arbeit der Union gestärkt werden muss.<br />
Für ihn stehen die Politiker auf nationaler und europäischer<br />
Ebene in der Verantwortung, die Europäer<br />
durch öffentliche Debatten und aktiven Bürgersinn<br />
andenEntscheidungenderEUteilhabenzulassen.<br />
Eine weitere Dimension des Bürokratieabbaus sind<br />
die elektronischen Dienste. Eine der Zielsetzungen<br />
209
Euro-Mediterrane Partnerschaft<br />
des „Aktionsplans �eEurope 2005“ war es, die<br />
grundlegenden öffentlichen Dienste – öffentliche<br />
Verwaltung, Gesundheitswesen, Bildungswesen<br />
und Justiz – ab 2005 online zugänglich zu machen.<br />
Dieses Ziel wurde weitgehend erreicht. Das eGovernment<br />
hat noch weitere Vorteile: Es trägt zur SteigerungderTransparenzderöffentlichenVerwaltungbeiundhilftsomitbeiderBekämpfungvonKorruption<br />
und der besseren Umsetzung von öffentlichen<br />
Maßnahmen. Außerdem spart es Zeit und Geld, steigert<br />
die Effizienz und so die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit<br />
der Wirtschaft im Allgemeinen.<br />
L. U.<br />
Literatur:<br />
Club de Bruxelles/Stern, A.: European Lobbying. Brüssel 1992<br />
Van Schendelen, M. (Hg.): National Public und Private EC<br />
Lobbying. Dartmouth Publishing Company 1993<br />
Vedder, C. (Hg.): EU-Verfassung. Baden-Baden 2005<br />
Euro-Mediterrane Partnerschaft(EMP).DieEntwicklungszusammenarbeit<br />
im Mittelmeerraum – die<br />
auch als �„Barcelona-Prozess“ benannte Euro-Mediterrane<br />
Partnerschaft (EMP) – erstreckt sich auf<br />
alle Mittelmeerdrittländer (sog. MDL) mit der bisherigen<br />
Ausnahme Libyens: Marokko, Tunesien, Algerien,<br />
Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Syrien,<br />
Türkei, Zypern, Malta und – obwohl noch kein Staat<br />
– die Palästinensische Autonomiebehörde. In den<br />
letzten zehn Jahren stellte die EG hierfür rund 7 Mrd.<br />
Euro zur Verfügung, mit denen insbes. die politische<br />
Stabilität und Demokratie dieser Mittelmeerpartner<br />
gestärkt bzw. eine Politische und Sicherheitspartnerschaft,<br />
eine Wirtschafts- und Finanzpartnerschaft<br />
sowieeinePartnerschaftimkulturellen,sozialenund<br />
menschlichen Bereich herbeigeführt werden sollte.<br />
Bis 2010 soll zudem eine euro-mediterrane Freihandelszone<br />
errichtet werden. Im gewerblichen Bereich<br />
besteht im Rahmen der EMP bereits eine nahezu<br />
vollständige Zollfreiheit; im Agrarbereich werden<br />
wegen der unmittelbaren Konkurrenz zu den südlichen<br />
EU-Mitgliedstaaten nur teilweise Vorteile gewährt.<br />
Für die Umsetzung der EMP ist der sog. Euro-Med-Ausschuss<br />
zuständig. Probleme bereitet<br />
hierbei insbesondere die negative Entwicklung des<br />
Friedensprozesses im Nahen Osten sowie die mangelnde<br />
Kooperationsbereitschaft vieler MDL untereinander.�Mittelmeerpolitik<br />
J. M. B.<br />
Europa-Abkommen (Europa-Verträge). Bezeichnung<br />
für Assoziierungsabkommen der EG mit Staa-<br />
210<br />
ten Mittel- und Osteuropas, die über die bisherigen<br />
Kooperationsabkommen hinausgehen (z. B. in der<br />
Präambel die Perspektive auf einen Beitritt zur Europäischen<br />
Union eröffnen). Rechtsgrundlage ist Art.<br />
310 EGV.<br />
Die ersten, schon im Dezember 1991 unterzeichneten<br />
Abkommen zwischen der EG, Polen und Ungarn<br />
traten Anfang 1994 als sog. Europa-Verträge in<br />
Kraft, am 1. 2. 1995 die Abkommen mit Tschechien,<br />
der Slowakei, Rumänien und Bulgarien, 1996 mit<br />
Slowenien. Sie sollten den Rahmen für freien Handelsaustausch<br />
und die Errichtung von Freihandelszonen<br />
sowie für regelmäßige politische Konsultationen<br />
und kulturelle Zusammenarbeit bilden. Ziel der<br />
Verträge war es, die ost(mittel)europäischen Reformstaaten<br />
auf ihre EU-Vollmitgliedschaft vorzubereiten.<br />
1995 wurden entsprechende Abkommen<br />
mit den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen<br />
unterzeichnet.<br />
Die EU verpflichtete sich zum Abbau von Einfuhrhemmnissen<br />
für Industriegüter und zur Erleichterung<br />
der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse,<br />
ferner zu einer Liberalisierung des Dienstleistungsaustauschs<br />
und des Kapitalverkehrs. Den Reformstaaten<br />
wurde gestattet, ihre eigenen Märkte langsamer<br />
zu öffnen; ihr Wirtschafts- und Sozialrecht solltensieandieEUanpassen.<br />
W.M.<br />
Europa à la carte, Europa mit variabler Geometrie<br />
und andere Integrationskonzepte.<br />
1. Begriff. Hinter den Begriffen verbergen sich verschiedene<br />
europapolitische Konzepte differenzierter<br />
Integration (�abgestufte Integration). Sie waren<br />
Mitte der 1990er Jahre von besonderer Brisanz, als<br />
die Diskussion um die Einführung einer allgemeinen<br />
Flexibilitätsklausel in die Gründungsverträge aktuell<br />
war. Sie sind geprägt von unterschiedlichen Zielvorstellungen<br />
über die politische Finalität einer erweiterten<br />
Europäischen Union.<br />
a) Unter dem Sammelbegriff Europa unterschiedlicher<br />
Geschwindigkeiten sind solche Konzepte zu<br />
verstehen, welche der abgestuften Integration lediglich<br />
die Bedeutung einer Zwischenetappe auf dem<br />
Weg zu einem einheitlichen Integrationsstand in allen<br />
Mitgliedstaaten beimessen. Eine differenzierte<br />
Integration kann in Gestalt einer befristeten Ausnahmeregelung<br />
zugunsten eines Mitgliedstaates erfolgen,<br />
der aufgrund nationaler Besonderheiten eine<br />
längere Übergangszeit zur Anpassung an neue ge-
meinschaftsrechtliche Standards benötigt. Der gleiche<br />
Integrationsstand könnte allerdings auch ohne<br />
Zeitvorgaben erreicht werden, wenn eine intensivierte<br />
Zusammenarbeit zunächst nur zwischen einigen<br />
Mitgliedstaaten stattfindet, aber den Anschluss<br />
derübrigenMitgliedstaatennachsichzieht.DieVorreiterrolle<br />
kann dabei einem festen Kreis besonders<br />
integrationswilliger Staaten im Sinne eines Kerneuropa<br />
zukommen – aber auch mehreren jeweils nach<br />
Interessenschwerpunkten zusammengeschlossenen<br />
Staatengruppen für die verschiedenen Politikbereiche,<br />
so dass ein Europa konzentrischer Kreise entsteht.<br />
Wenn die übrigen Mitgliedstaaten sich in der<br />
Folgezeit der verstärkten Zusammenarbeit nach und<br />
nach anschließen, herrscht am Ende wieder der gleiche<br />
Integrationsstand innerhalb der Union.<br />
b) Die Grenzen zum Konzept eines Europa variabler<br />
Geometrie sind fließend. Denn es steht den nichtbeteiligten<br />
Mitgliedstaaten schließlich frei, sich der<br />
verstärkten Zusammenarbeit nicht anzuschließen,<br />
wenn sie die eingeschlagene politische Entwicklung<br />
nicht billigen. Nach diesem Modell wird ein dauerhaft<br />
differenziertes Integrationsniveau innerhalb der<br />
Union in Gestalt eines Kerneuropas oder eines Europas<br />
konzentrischer Kreise akzeptiert, solange bestimmte<br />
Politiken als „integrationspolitischer Kernbereich“<br />
nach wie vor von allen Mitgliedstaaten gemeinsam<br />
betrieben werden.<br />
c)NochdifferenzierterwäreeinEuropaàlacartegestaltet:<br />
Jeder Mitgliedstaat dürfte aus dem Angebot<br />
des Unionsrechts frei auswählen, welche Regelungen<br />
er für sich anerkennen möchte. Ein Mindeststandard<br />
an Integration wäre in einem solchen Modell<br />
nicht erforderlich.<br />
2. Gegenwärtiger Stand. Formen abgestufter IntegrationsindinderEUschonWirklichkeit.Sichtbarstes<br />
Beispiel ist die Geltung des �Euro als gemeinsamerWährunginnur12Mitgliedstaaten:währenddas<br />
Vereinigte Königreich, Dänemark und Schweden<br />
momentan keine Beteiligung wünschen, müssen die<br />
Beitrittstaaten bestimmte Kriterien erst noch erfüllen.<br />
Die Einführung einer allgemeinen Flexibilitätsklausel<br />
in Art. 43 EUV ermöglicht die verstärkte Zusammenarbeit<br />
in weiteren Politikfeldern der Gemeinschaft,<br />
so dass eine differenzierte Integration vorgezeichnet<br />
ist.<br />
3.Ausblick.SkeptikersehenindenTendenzenzudifferenzierter<br />
Integration die Gefahr einer Zersplitte-<br />
Europa der Bürger<br />
rung der EU und fürchten eine letztlich desintegrative<br />
Wirkung. Allerdings ist festzuhalten, dass die gegenwärtige<br />
Rechtslage eine Zersplitterung im Sinne<br />
eines Europa à la carte nicht erlaubt, welches tatsächlich<br />
wenig mit einer „immer enger werdenden Union<br />
der Völker Europas“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 EUV<br />
gemein hätte. Zudem haben die bisherigen Formen<br />
abgestufter Integration keinesfalls zum Auseinanderdriften<br />
der Union geführt. Vielmehr ermöglichten<br />
sie stets die weitere Entwicklung des Unionsrechts<br />
– wenn auch in einem kleineren Kreis – trotz<br />
fehlendem Konsens unter den Mitgliedstaaten in Bezug<br />
auf die Fortführung gemeinsamer Politiken. Außerdem<br />
ist nicht auszuschließen, dass Bedenken der<br />
Nichtteilnehmer letzten Endes durch Erfolge der intensivierten<br />
Zusammenarbeit ausgeräumt werden<br />
und sich auch diese dem neuen Integrationsschritt<br />
anschließen, so dass in unterschiedlichen Geschwindigkeiten<br />
doch noch ein einheitlicher Stand erreicht<br />
würde.<br />
Indes ist fraglich, ob die verstärkte Zusammenarbeit<br />
immer eine Sogwirkung auf die übrigen Mitgliedstaaten<br />
wird entfalten können. Denn in einer Union<br />
mit 25 Mitgliedern von unterschiedlicher wirtschaftlicher<br />
Leistungskraft und unterschiedlichem politischen<br />
Integrationswillen ist ein Konsens für umwälzende<br />
Neuerungen nur sehr schwer zu finden. Die<br />
Fortentwicklung des Unionsrechts wird daher um<br />
eine Flexibilisierung nicht umhin kommen, wobei<br />
das Endziel eines einheitlichen Integrationsstandes<br />
in allen Mitgliedstaaten wohl nicht immer zu erreichen<br />
sein wird. Realistisch erscheint daher die Zukunftsvision<br />
eines Europas variabler Geometrie.<br />
J. I.<br />
Literatur:<br />
Ehlermann, C. D.: Engere Zusammenarbeit nach dem<br />
Amsterdamer Vertrag: Ein neues Verfassungsprinzip.<br />
In EuR 1997, 362 ff.<br />
Hall, P.: Flexibilität. In: Bergmann/Lenz, Der Amsterdamer<br />
Vertrag. Köln/Stuttgart 1998, Kap. 20<br />
Europa-Armee �Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />
(EVG)<br />
Europa der Bürger<br />
1. Begriffserklärung. Jean Monnet wies immer wieder<br />
darauf hin: „Wir einigen keine Staaten, wir bringen<br />
Menschen zusammen.“ In seinen Erinnerungen<br />
brachte der Gründer und erste Präsident der Montanunion<br />
sein Selbstverständnis europäischer Gemeinschaft<br />
zum Ausdruck: „Habe ich deutlich gemacht,<br />
211
Europa der Bürger<br />
dass die von uns gegründete Gemeinschaft kein<br />
Selbstzweck ist? Sie ist ein Umwandlungsprozess,<br />
der sich an die geschichtlich gewachsenen Formen<br />
des nationalen Lebens anschließt. Wie gestern unsere<br />
Provinzen, so müssen heute unsere Völker lernen,<br />
nach gemeinsamen Regeln und unter gemeinsamen,<br />
frei verfassten Institutionen zusammenzuleben,<br />
wenn sie die für ihren Fortschritt und für die Beherrschung<br />
ihres Schicksals erforderliche Dimension erreichen<br />
wollen.“ (Jean Monnet: Erinnerungen eines<br />
Europäers, S. 662)<br />
Jedoch erst in den 1970er Jahren wurde das „Europa<br />
der Bürger“ zu einem politischen Ziel und ist seitdem<br />
eng verbunden mit den Plänen und Realisierungsstadien<br />
der Europäischen Union. Zwar prägen sich bei<br />
den Bürgern Konturen eines europäischen �Bewusstseins<br />
heraus, aber angesichts eines Integrationsprozesses,<br />
der ein von wirtschaftlichen Zielen<br />
bestimmtes, technokratisches und bürokratisches<br />
Europa beinhaltet, zeichnet sich, wie es der ehemalige<br />
Kommissionspräsident Delors ausdrückte, ein<br />
wenig bürgernahes Bild. Delors verband diese Feststellung<br />
mit der Frage, wie man Europa bauen könne,<br />
wenn es in den Augen junger Menschen keine Vorstellung<br />
ihrer eigenen Zukunft beinhalte.<br />
Als primär politischer Begriff steht „Europa der Bürger“<br />
für alle Maßnahmen in den verschiedenen Politikbereichen,<br />
die unmittelbar auf den Bürger einwirken.<br />
Der Begriff taucht offiziell erstmals im Bericht<br />
Leo Tindemans an den Europäischen Rat (�Tindemans-Bericht)<br />
und danach ab den 1980er Jahren explizitz.B.beiEntscheidungendesRatesauf.Soheißt<br />
es u. a. in der Annahme des ersten Erasmus-Programms<br />
(�Bildungsprogramme), Ziele seien, „das<br />
Zusammenwirken der Bürger der einzelnen Mitgliedstaaten“zustärkenund„denBegriffeinesEuropas<br />
der Bürger zu festigen“.<br />
2. Dimensionen eines Europas der Bürger. Einerseits<br />
geht es um die Rechte und den Einfluss der Bürger<br />
auf Gemeinschaftsaktionen der EU, andererseits<br />
um die Wirkungen von europäischen Aktivitäten auf<br />
den Bürger:<br />
a) politisch-institutionell: Wahlen zum Europäischen<br />
Parlament, Wahlsystem, Teilhabe- und Einflussmöglichkeiten<br />
von Interessenverbänden und<br />
einzelnen Bürgern, Kompetenzen des Europäischen<br />
Parlaments (Demokratiedefizit), Schutz der Menschenrechte<br />
und der Bürgerfreiheiten, Verhältnis<br />
zwischen den Organen der EU und den Mitgliedstaa-<br />
212<br />
ten, Subsidiaritätsprinzip, Bürgerbeauftragter, Petitionsrecht.<br />
b) Freiheitsrechte: Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit,<br />
Unionsbürgerschaft, Wahlrecht im Wohnsitzland,<br />
diplomatische Schutzrechte.<br />
c) Soziale Komponente: Wirkungen auf die konkreten<br />
Lebens- und Arbeitsbedingungen.<br />
d) Transparenz des Beziehungsgeflechts der EU und<br />
verständliche und sachorientierte Information.<br />
e) Kulturelle Dimension Europas: kulturelle Einheit<br />
und Vielfalt, pluralistische Denkweisen und Traditionen,<br />
religiöse Prägung und grundlegende Werte<br />
(Bewusstsein einer europäischen Identität).<br />
Diese ineinandergreifenden Dimensionen des Konzepts<br />
eines „Europas der Bürger“ spiegeln sich ab<br />
Mitte der 1970er Jahre in Berichten an den Europäischen<br />
Rat wider. Sie finden ab Mitte der achtziger<br />
Jahre ihren Niederschlag in den Vertragswerken und<br />
in Gemeinschaftsaktionen der Gemeinschaft.<br />
3. Initiativen<br />
3.1 Tindemans-Bericht. Leo Tindemans, der frühere<br />
belgische Ministerpräsident, legte im Dezember<br />
1975 den EG-Staats- und Regierungschefs einen Bericht<br />
vor, in dem er nach Befragen von Politikern,<br />
Wissenschaftlern, Verbänden und Interessengruppen<br />
in den einzelnen Mitgliedstaaten die Vorstellung<br />
einer weiteren europäischen �Integration entwickelte.<br />
Er führte u. a. aus: „Die Öffentlichkeit in unseren<br />
Ländern wünscht kein technokratisches Europa. Die<br />
Europäische Union muss im täglichen Leben fühlbar<br />
werden und bürgernah sein. Die Notwendigkeit, die<br />
Vorteile und die schrittweise Verwirklichung eines<br />
solchen Vorhabens müssen von allen erkannt und<br />
empfunden werden, damit die Anstrengungen und<br />
die notwendigen Opfer auf freiwilliger Basis erfolgen.<br />
Europa muss bürgernah sein.“ Diese nüchterne<br />
Analyse und die hieraus gezogenen pragmatischen<br />
Schlüsse blieben lange Zeit ohne erkennbare Wirkungen.<br />
3.2 Adonnino-Bericht. Erst der 1984 vom Europäischen<br />
Rat eingesetzte �Ad-hoc-Ausschuss „Europa<br />
der Bürger“ (�Adonnino-Ausschuss) unter Leitung<br />
des Italieners Pietro Adonnino führte zur umfassenden<br />
Bestandsaufnahme aller Möglichkeiten, wie<br />
man dem Bürger die Gemeinschaft im Alltag erfahrbar<br />
machen könnte. Der Ausschuss prüfte verschiedene<br />
Maßnahmen und schlug Aktionsfelder vor:<br />
a) Steigerung der Mobilität der Bürger u. a. durch ErweiterungderFreizügigkeit(VereinfachungderPer-
sonenkontrollen an den Grenzen, europäischer<br />
Pass), freien Warenverkehr (einschl. der Beförderungsdienste),<br />
Abbau von Verwaltungsformalitäten<br />
(Verkehr im Grenzbereich);<br />
b) Bürgerrechte: aktives und passives Wahlrecht für<br />
alle Gemeinschaftsbürger, einheitliches Wahlsystem<br />
für das Europäische Parlament, grenzüberschreitendes<br />
Anhörungsrecht, Vereinfachung von<br />
Rechtsakten, einheitlicher Führerschein, konsularische<br />
Hilfe im Ausland durch jeden Mitgliedstaat;<br />
c) Aktionen in verschiedenen Politikbereichen, z. B.<br />
Europäisierung der Medienpolitik, Bildungsprogramme<br />
(Fremdsprachen, Austausch, Kooperation),<br />
gemeinsame Forschung auf den Gebieten Gesundheitswesen,<br />
soziale Sicherheit, Drogenbekämpfung,<br />
einheitlicher Notfall-Gesundheitspass, Förderung<br />
von Städtepartnerschaften.<br />
ZurAusprägungeinereuropäischen�Identitätsollen<br />
europäische Symbole (�Europäische Flagge, �Europäische<br />
Hymne, Briefmarkenmotive) beitragen.<br />
Den vom Adonnino-Ausschuss vorgelegten Vorschlägen<br />
stimmte der Europäische Rat Ende Juni<br />
1985 zu und beauftragte die Kommission sowie die<br />
Mitgliedstaaten, diesen Plan durchzuführen: „Der<br />
Europäische Rat hält es für unerlässlich, dass die Gemeinschaft<br />
die Erwartungen der Völker Europas erfüllt,<br />
indem sie Maßnahmen trifft, durch die ihre<br />
Identität gegenüber den europäischen Bürgern und<br />
der Welt gestärkt und gefördert wird und durch die<br />
sie an Prestige gewinnt.“<br />
Zwischenzeitlich wurden durch die Einführung neuer<br />
gemeinschaftlicher Aktionen in der �Einheitlichen<br />
Europäischen Akte und in den EU-Verträgen<br />
diese Aspekte aufgegriffen und weitgehend realisiert.<br />
4. Regelungen im Vertragswerk der Gemeinschaft.<br />
Erst mit der Verabschiedung des EU-Vertrags wurden<br />
in den EG-Vertrag Aussagen über die Stellung<br />
des Bürgers aufgenommen. Artikel 17 EGV führt<br />
eine �Unionsbürgerschaft für jeden Staatsangehörigen<br />
eines Mitgliedstaates ein. Im Amsterdamer Vertrag<br />
heißt es explizit: „Die Unionsbürgerschaft ergänzt<br />
die nationale Bürgerschaft, ersetzt sie aber<br />
nicht.“(Art.17Abs.1EGV)Zugleichwerdendessen<br />
Rechte und Pflichten konkretisiert: Jeder Bürger hat<br />
das Recht, sich in allen Mitgliedstaaten der Union<br />
frei zu bewegen und aufzuhalten. Falls er einen<br />
Wohnsitz in einem Mitgliedsland hat, dessen Staatsangehörigkeit<br />
er nicht besitzt, hat er dort die gleichen<br />
Europa der Bürger<br />
aktiven und passiven Wahlrechte bei Kommunalwahlen<br />
und Wahlen zum Europäischen Parlament<br />
wie die Angehörigen des betreffenden Staates. Entsprechend<br />
wurde mit Wirkung vom 21. 12. 1992 Art.<br />
28 des Grundgesetzes bezüglich der Wahlen in Kreisen<br />
und Gemeinden geändert.<br />
Jeder Unionsbürger genießt in �Drittländern, sofern<br />
dort sein Staat nicht vertreten ist, den diplomatischen<br />
und konsularischen Schutz eines jeden anderen, dort<br />
vertretenen Mitgliedstaates der Union. Außerdem<br />
besitzterdasinArt.194EGVformulierte �Petitionsrecht<br />
beim EP; d. h. er kann in Angelegenheiten, die<br />
in die Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft fallen<br />
und ihn unmittelbar betreffen, eine Petition an das<br />
Parlament richten. Der Vorschlag, einen europäischen<br />
�Bürgerbeauftragten (Ombudsmann) einzuführen,<br />
fand mit dem Maastrichter Vertrag über Art.<br />
195 Eingang in den EGV. Danach kann sich jeder<br />
Bürger – wie auch jede juristische Person – mit Beschwerden<br />
an den Bürgerbeauftragten wenden. Jeder<br />
Bürger hat außerdem das Recht, sich schriftlich<br />
in einer der 20 offiziellen Sprachen (�Amtssprachen)<br />
an jedes Organ oder jede Einrichtung zu wenden<br />
(Art. 314 EGV). Die primärrechtliche Verankerung<br />
des Petitionsrechts und die Anrufung des BürgerbeauftragtensindinsofernfürdieEntwicklungeines<br />
„Europas der Bürger“ wesentlich, als nunmehr<br />
der Unionsbürger als eine Persönlichkeit im traditionellen<br />
Sinne mit Rechten und Pflichten aufgefasst<br />
wird. Zugleich wollte man damit die oftmals beklagte<br />
Bürgerferne und das Demokratiedefizit der Europäischen<br />
Gemeinschaften abbauen. Nunmehr können<br />
die Bürger bei zwei Gemeinschaftseinrichtungen,<br />
dem Parlament und dem Bürgerbeauftragten,<br />
ihre Anliegen vorbringen. Die Bürger können über<br />
das Petitionsrecht auch außerhalb von Wahlen mit<br />
dem EP in Kontakt treten. Die Rolle des Parlaments<br />
bzw. der Parlamentarier als „Fürsprecher“ der Bürger,<br />
als demokratisch gewählte Ansprechpartner,<br />
wird im EGV auch in Art. 191 EGV angesprochen,<br />
der ausdrücklich die politischen Parteien als wichtigen<br />
Integrationsfaktor bezeichnet: „Sie tragen dazu<br />
bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden<br />
und den politischen Willen der Bürger der Union<br />
zum Ausdruck zu bringen.“<br />
Zur Stärkung der Rolle des Bürgers tragen weiterhin<br />
die �Schengen-Regelungen bezüglich des freien<br />
Personenverkehrs, des Asyls und der Einwanderung<br />
bei, die mit dem Amsterdamer Vertrag eine Rechts-<br />
213
Europa der Bürger<br />
grundlage im neuen Titel IV (Art. 61 – 69 EGV) finden.<br />
Artikel 153 EGV gewährleistet den Verbraucherschutz<br />
(Schutz der Gesundheit, der Sicherheit<br />
undderwirtschaftlichenInteressenderVerbraucher)<br />
und fördert das Recht auf Information, Erziehung<br />
und Bildung von Vereinigungen zur Wahrung der Interessen<br />
der Verbraucher.<br />
Mit dem Amsterdamer Vertrag wird die Gleichstellung<br />
von Männern und Frauen (Art. 2 EGV) ebenso<br />
neu in den EG-Vertrag aufgenommen wie das Diskriminierungsverbot<br />
aus Gründen des Geschlechts,<br />
der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion,<br />
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen<br />
Ausrichtung (Art. 13 EGV). Der Schutz von personenbezogenen<br />
Daten durch eine unabhängige Kontrollinstanz<br />
ist im EGV garantiert (Art. 286 EGV).<br />
5. Europa erfahren. Der Bürger wird zunehmend mit<br />
den Aktivitäten der EU konfrontiert. Jede Verordnung<br />
oder Richtlinie der EU (�Rechtsakte) hat – teilweise<br />
unbedachte oder unerwartete – Folgen für die<br />
Institutionen der Mitgliedstaaten und für die Bürger.<br />
Der Umfang der Aktivitäten der Gemeinschaft<br />
wächstständig,trotzdemmüssensichdiejenigen,die<br />
auf EU-Ebene Entscheidungen fällen, kaum direkt<br />
gegenüber dem Bürger verantworten, der seinerseits<br />
auch nach dem Inkrafttreten des Vertrages über die<br />
Europäische Union nur geringe direkte Möglichkeiten<br />
hat, solche Entscheidungen zu kontrollieren oder<br />
zu beeinflussen.<br />
Zur Weckung und Vertiefung des europäischen Bewusstseins<br />
der Bürger sucht die EU möglichst umfassend<br />
zu informieren. Mit Ausnahme von einigen<br />
wenigen vertraulichen Informationen werden alle<br />
Dokumente der Kommission der Öffentlichkeit zugänglichgemacht.Verstärktwerdenauchaudiovisuelle<br />
Technologien eingesetzt. Gleichzeitig soll über<br />
einen wirkungsvolleren Einsatz der regionalen<br />
EU-Büros die Verbreitung der Informationen dezentralisiert<br />
werden. In einem neuen Artikel ist im Amsterdamer<br />
Vertrag ausdrücklich das Recht eines jeden<br />
Unionsbürgersfestgehalten,freienZugangzuDokumenten<br />
des Europäischen Parlaments, des Rates und<br />
der Kommission zu erhalten (Art. 255 EGV). Über<br />
�Eurostat, das seit 1993 sein statistisches Jahrbuch<br />
als CD-ROM herausgibt, werden dem Bürger Wirtschafts-,<br />
Finanz- und Sozialdaten aus allen Bereichen<br />
der Statistik (auf EU-Ebene und im Vergleich<br />
zu USA und Japan), Regionaldaten, Außenhandelsdaten<br />
(geographisch gegliedert nach Warensystema-<br />
214<br />
tiken zur Messung der Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten<br />
und/oder Drittländern) zugänglich gemacht.<br />
Die mit der EU eingeleitete Vollendung des Binnenmarktes<br />
wird für den Bürger schrittweise direkt erfahrbar<br />
durch den Abbau technischer Hemmnisse<br />
(z. B. Normen für Geräte), die Beseitigung der Zölle<br />
und Beschränkungen im grenzüberschreitenden<br />
Binnenverkehr, die Harmonisierung der indirekten<br />
Steuern (Mehrwert- und Verbrauchsteuern), den gemeinschaftlichen<br />
Verbraucherschutz usw. VerbraucherkönnenWarenfürdenprivatenBedarfüberallin<br />
der EU kaufen und ohne weitere Besteuerung und<br />
Anmeldung in ihr Heimatland einführen. Nach der<br />
europäischen Pauschalreiseregelung gelten für alle<br />
Bürger unionsweit gleiche Rechte. Im Juli 1996 ist<br />
die Richtlinie über den europäischen �Führerschein<br />
inKraftgetreten,derzeitlichunbegrenztinallenMitgliedstaaten<br />
gilt.<br />
Dem Bürger tritt die Gemeinschaft auch in vielen anderen<br />
Fällen – oft unbewusst – über Aktionsprogramme<br />
oder Fördermaßnahmen entgegen, z. B. im<br />
Umweltsektor, durch sozialpolitische Maßnahmen,<br />
Bildungsprogramme, auf dem Mediensektor oder<br />
bei der freien Berufswahl und -ausübung in den Mitgliedstaaten<br />
der EU. So ist nach den sozialversicherungsrechtlichenGrundsätzenderEUeinArbeitnehmer<br />
in dem Land versichert, in dem er arbeitet. Er hat<br />
entsprechend auch gleiche Ansprüche und Rechte<br />
(z. B. bei Arbeitslosigkeit). Dieses gilt auch für andere<br />
Felder der Sozialpolitik wie Krankenversicherung,<br />
Pflegeversicherung, Kindergeld oder Sozialhilfe.<br />
6. Bürgerbeteiligung. Trotz erheblicher Fortschritte<br />
ist die Bürgerbeteiligung auf der institutionellen sowie<br />
der praktisch-politischen Ebene noch eingeschränkt.<br />
Einen ersten Ansatz bietet das Europäische<br />
Parlament, dessen Kompetenzen schrittweise erweitert<br />
wurden, das aber als Form repräsentativer Teilhabe<br />
dem Bürger ziemlich abstrakt erscheint. Die<br />
Einrichtung des Bürgerbeauftragten, das Petitionsrecht<br />
und die Grundrechtsklage vor dem Europäischen<br />
Gerichtshof sind weitere Schritte, die noch zusätzlicher<br />
inhaltlicher Ausgestaltung bedürfen. Eine<br />
größere Bürgerbeteiligung würde der Verfassungsvertrag2004ermöglichen,derinArt.I-47Abs.4eine<br />
Bürgerinitiative vorsieht: „Unionsbürgerinnen und<br />
Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine MillionbetragenundbeidenenessichumStaatsangehöri-
ge einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten<br />
handelnmuss,könnendieInitiativeergreifenunddie<br />
Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse<br />
geeignete Vorschläge zu unterbreiten, zu denen es<br />
nach Meinung der Bürgerinnen und Bürgern eines<br />
Rechtsakts der Union bedarf, um die Verfassung umzusetzen.“<br />
Ein solche Initiative erhält gegenüber der<br />
Kommission dasselbe Initiativrecht, wie es das EP<br />
und der EU-Ministerrat bereits haben.<br />
7. Perspektiven. Seit dem Adonnino-Bericht sind die<br />
meisten der in den Verträgen angestrebten Ziele realisiert<br />
worden. Die Bürger in den Mitgliedstaaten<br />
profitieren in zunehmendem Maße von den Vorzügen<br />
des Binnenmarktes. Die Bestimmungen zur Förderung<br />
der Freizügigkeit, der Berufsausübung in den<br />
Staaten der Europäischen Union, der gegenseitigen<br />
Anerkennung von Ausbildungsgängen und Berufsabschlüssen<br />
haben ebenso wie die Bildungsprogramme<br />
dazu beigetragen. Die Charta der �Grundrechte<br />
der Europäischen Union garantiert die bürgerlichen,<br />
politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />
Grundrechte der EU-Bürger.<br />
Auf der anderen Seite erschwert der hoch komplexe<br />
europäische Integrationsprozess dem Bürger den<br />
Zugang zu Europa. Hinzu kommen die komplizierte<br />
Fachterminologie und das schwer nachvollziehbare<br />
Ineinandergreifen der europäischen Institutionen<br />
und Entscheidungsfindungen, die fernab vom Bürger<br />
vollzogen werden. Den meisten europäischen<br />
EntscheidungenmangeltesausderSichtdesBürgers<br />
an demokratischer Legitimität. Die Funktion des Europäischen<br />
Parlaments als Mitgestalter von Politik<br />
wird von ihm kaum wahrgenommen. Für den Bürger<br />
sinddieEuropawahlennachwievorsekundär;erentscheidetaußerdemausnationalstaatlicherPerspektive.<br />
Obwohl die Befugnisse des EP zugenommen haben,<br />
bleibt der Kontakt zu den Bürgern defizitär, wie<br />
derBekanntheitsgraddesParlamentsunddieimVerhältnis<br />
zu nationalen niedrigere Wahlbeteiligung belegen.<br />
Der Verfassungsvertrag dürfte wenig dazu beitragen,<br />
die Distanz zu Europa abzubauen. Denn es<br />
bleibtdieFragezunächstoffen,obnachseinerRatifizierungderBürgerleichternachvollziehenkann,wie<br />
Europa funktioniert, und ob die Europawahlen in der<br />
politischen Praxis an Gewicht gewinnen. Solange<br />
die Entscheidungsprozesse in der Union nicht transparent<br />
und in ihren Auswirkungen für den Bürger<br />
nachvollziehbar gestaltet sind, solange nicht bei den<br />
Europa-Flagge<br />
Bürgern ein europäisches �Bewusstsein fest verankert<br />
ist, bleibt ein Europa der Bürger weiterhin eine<br />
noch zu realisierende Perspektive einer �Politischen<br />
Union. U. M.<br />
Literatur:<br />
Conrad, S.: Europa der Bürger – Perspektiven einer Vision.<br />
In: Zs. f. Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch 8/1995, S. 449–469<br />
Giannoulis, Ch.: Die Idee des „Europa der Bürger“ und ihre<br />
Bedeutung für den Grundrechtsschutz. Saarbrücken 1992<br />
Kadelbach, St.: Unionsbürgerschaft. In: von Bogdandy, A.<br />
(Hg.): Europäisches Verfassungsrecht. Berlin 2003<br />
Magiera, S. (Hg.): Das Europa der Bürger in einer Gemeinschaft<br />
ohne Binnengrenzen. Baden-Baden 1990<br />
Niedobitek, M.: Pläne und Entwicklung eines Europas der<br />
Bürger. Speyer 1989<br />
Europa der Vaterländer ist ein von dem französischen<br />
Staatspräsidenten Charles de �Gaulle (1890 –<br />
1970)nachGründungderEWGgeprägterBegrifffür<br />
daspolitischeOrdnungskonzepteineskünftigenvereinigten<br />
Europas, in dem die Mitgliedstaaten und<br />
insbes. Frankreich gegenüber den supranationalen<br />
Organen eine dominierende Rolle behalten (Staatenbund<br />
statt Bundesstaat). Heute u. a. auch verwendet<br />
zur Beschreibung einer Europäischen Union, in der<br />
die Mitgliedstaaten ihre nationale Identität bewahren<br />
(können).<br />
Europa-Flagge. Offizielle Flagge der Europäischen<br />
Union. Im �Verfassungsvertrag von 2004 ist<br />
sie als eines der Symbole der Union festgelegt (Art<br />
I-8 VVE).<br />
Heraldische Beschreibung: Ein Kranz von zwölf<br />
goldenen fünfzackigen Sternen auf azurblauem<br />
Grund. Die Spitzen der Sterne berühren sich nicht,<br />
alle Sterne stehen senkrecht, d. h., ein Zacken weist<br />
nach oben. Die Breite des Rechtecks beträgt das Eineinhalbfache<br />
der Höhe.<br />
Sinnbildliche Beschreibung: Vor dem Hintergrund<br />
des blauen Himmels bilden die zwölf Sterne einen<br />
Kreis als Zeichen der Einheit. Die Anzahl der Sterne<br />
ist unveränderlich, da die Zahl Zwölf als Symbol der<br />
Vollkommenheit gilt. Die Sterne sind wie die Stunden<br />
auf dem Zifferblatt einer Uhr angeordnet.<br />
Ursprung: Die Beratende Versammlung des �Europarats<br />
hat am 8. 12. 1955 nach langwierigen, sich<br />
überJahrehinziehendenDiskussionendenKreisvon<br />
zwölf goldenen Sternen vor blauem Hintergrund als<br />
Symbol angenommen. Die Flagge wurde am 13. 12.<br />
1955 zum ersten Mal offiziell vor dem Europaratsgebäude<br />
in Straßburg gehisst. Der Europarat forderte<br />
215
Europahymne<br />
die anderen europäischen Institutionen auf, dieses<br />
Symbol ebenfalls zu übernehmen.<br />
Dieser Aufforderung kam am 11. 4. 1983 das Europäische<br />
Parlament nach. 1985 nahm der Europäische<br />
Rat den Sternenkreis als offizielles Emblem der Gemeinschaft<br />
an. Die Flagge wird seit 26. 5. 1986 offiziell<br />
von allen europäischen Einrichtungen verwendet.<br />
Sie ist das einzige Emblem der Europäischen<br />
Kommission, während andere Organe und Einrichtungen<br />
der EU zusätzlich eigene Embleme verwenden.<br />
Das Emblem „Flächenfüllendes grünes E auf weißem<br />
Grund“, häufig als frühe Form der Europa-Flagge<br />
bezeichnet, wurde von der 1948 in Den Haag gegründeten<br />
�Europäischen Bewegung als ihr Zeichen<br />
geschaffen und galt vor 1955 inoffiziell auch als<br />
Symbol für die europäische Integration. Seit 1993<br />
verwendet auch die Europäische Bewegung die<br />
blaue Europaflagge mit goldenen Sternen.<br />
Europahymne. Die Melodie der Hymne ist der<br />
Neunten Symphonie Ludwig van Beethovens von<br />
1823 entnommen. In ihrem letzten Satz ist die „Ode<br />
an die Freude“ von Friedrich von Schiller aus dem<br />
Jahr 1785 vertont. Sie enthält die idealistische Vision,<br />
dass alle Menschen Brüder werden.<br />
Der Europarat hat 1972 Beethovens „Ode an die<br />
Freude“ als eigene Hymne angenommen und den Dirigenten<br />
Herbert von Karajan beauftragt, drei Instrumentalfassungen<br />
(ohne Worte) für Klavier, Blasund<br />
Symphonieorchester zu arrangieren.<br />
1985 wurde sie vom Europäischen Rat als offizielle<br />
HymneauchderEUangenommen.SiesolldieNationalhymnen<br />
der Mitgliedstaaten nicht ersetzen. Im<br />
�Verfassungsvertrag von 2004 wird sie als eines der<br />
Symbole der Union benannt (Art. I-8 VVE).<br />
Europa im Unterricht (KMK-Beschluss). Die gesamtdeutsche<br />
Kultusministerkonferenz (KMK) verabschiedete<br />
am 7. 12. 1990 einstimmig (wie alle Beschlüsse<br />
und Empfehlungen der KMK) ihren Beschluss<br />
„Europa im Unterricht“, eine Neufassung<br />
des gleichlautenden Beschlusses vom 8. 6. 1978. Darin<br />
hat die KMK die vielfältigen bildungspolitischen<br />
Anregungen seitens der Ländererlasse, der Erziehungsministerkonferenz<br />
des �Europarats, der Bildungsministerkonferenz<br />
der EG/EU sowie des Nordischen<br />
Rates und der UNESCO konstruktiv aufgegriffen<br />
und deren Repräsentanz im (Schul-)Unter-<br />
216<br />
richt, in den Lehrplänen/Richtlinien und Schulbüchern<br />
der sozialwissenschaftlichen Fächer (mit je<br />
nach Bundesland unterschiedlichen rezeptionsmethodisch<br />
bedingten curricularen Anteilen, integrationspolitischen<br />
Akzentsetzungen, inhaltlichen<br />
Schwerpunkten, operationalen Hinweisen und dergleichen)<br />
gefestigt.<br />
Der KMK-Beschluss stellt eine gemeinsame Absichts-<br />
und Willenserklärung dar, die den Unterrichtspraktikern,<br />
Curriculumexperten und Lehrbuchautoren,<br />
Wissenschaftlern, Lehrerbildnern und<br />
-fortbilden sowie den Schülern (und ihren Eltern) die<br />
europäische Thematik mit Forderungscharakter vorstellt.<br />
Er ist in vier Teile eingeteilt. In einer „Vorbemerkung“<br />
wird auf die „positive Weiterentwicklung<br />
der Zusammenarbeit der Staaten in Europa und der<br />
europäischen Integration in der Europäischen Gemeinschaft“<br />
verwiesen, insbes. a) politisch auf die<br />
von der �Einheitlichen Europäischen Akte (1986)<br />
neueröffnetenPerspektiven(Umweltschutz,Sicherheitsfragen,<br />
parlamentarische Mitwirkung bei internationalen<br />
Verträgen, Mehrheitsprinzip bei Abstimmungen,<br />
Institutionalisierung des Europäischen Rates),<br />
auf die jüngsten Entwicklungen in Mittel- und<br />
Osteuropa, auf die Pariser KSZE-Charta (1990) und<br />
schließlich b) pädagogisch-curricular auf die Entschließung<br />
der EG-Bildungsminister „Zur europäischen<br />
Dimension im Bildungswesen“ (1988). (�Bildungspolitik,<br />
�Kulturpolitik)<br />
Als allgemeine Lernziele werden genannt:<br />
„Um diese europäische Dimension in Bildung und<br />
Erziehung zu verwirklichen, muss die Schule Kenntnisse<br />
und Einsichten vermitteln über<br />
– die geographische Vielfalt des europäischen Raumes<br />
mit seinen naturräumlichen, sozialen und wirtschaftlichen<br />
Strukturen,<br />
– die politischen und gesellschaftlichen Strukturen<br />
Europas,<br />
– die prägenden geschichtlichen Kräfte in Europa,<br />
vor allem die Entwicklung des europäischen<br />
Rechts-, Staats- und Freiheitsdenkens,<br />
– die Entwicklungslinien, Merkmale und Zeugnisse<br />
einer auch in ihrer Vielfalt gemeinsamen europäischen<br />
Kultur,<br />
– die Vielsprachigkeit in Europa und den darin liegenden<br />
kulturellen Reichtum,<br />
– die Geschichte des europäischen Gedankens und<br />
die Integrationsbestrebungen seit 1945,<br />
– denInteressenausgleichunddasgemeinsameHan-
deln in Europa zur Lösung wirtschaftlicher, ökologischer,<br />
sozialer und politischer Probleme,<br />
– die Aufgaben und Arbeitsweisen der europäischen<br />
Institutionen.“<br />
Die besondere Akzentuierung liegt auf der dezidierten<br />
Herausstellung der politischen und gesellschaftlichen<br />
Strukturen Europas, der Betonung der gemeinsamen<br />
europäischen Kultur, der Vielsprachigkeit,<br />
der ökologischen Probleme und der europäischen<br />
Institutionen, d. h. in einer politisch-kulturellen<br />
(Gegenwarts- und Zukunfts-) Orientierung. Die<br />
ebenfalls aufgelisteten mehr verhaltensorientierten<br />
Lernziele betreffen:<br />
„– die Bereitschaft zur Verständigung, zum Abbau<br />
von Vorurteilen und zur Anerkennung des Gemeinsamen<br />
unter gleichzeitiger Bejahung der europäischen<br />
Vielfalt,<br />
– eine kulturübergreifende Aufgeschlossenheit, die<br />
die eigene kulturelle Identität wahrt,<br />
– die Achtung des Wertes europäischer Rechtsbindungen<br />
und Rechtsprechung im Rahmen der in Europa<br />
anerkannten Menschenrechte,<br />
– die Fähigkeit zum nachbarschaftlichen Miteinander<br />
und die Bereitschaft, Kompromisse bei der Verwirklichung<br />
der unterschiedlichen Interessen in Europa<br />
einzugehen, auch wenn sie Opfer zugunsten anderer<br />
einschließen,<br />
– das Eintreten für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte,GerechtigkeitundwirtschaftlicheSicherheit,<br />
– den Willen zur Wahrung des Friedens in Europa<br />
undinderWelt.“ W. M.<br />
Literatur:<br />
Mickel, W.: Der neue KMK-Beschluss „Europa im Unterricht“.<br />
In: Geschichte–Erziehung–Politik 2 (1991), S. 342 – 347<br />
Mickel, W.: Europa in Unterricht und Bildung.<br />
Grevenbroich/Stuttgart 2002<br />
Europa in der Schule. „Europa in der Schule“ ist<br />
ein Netzwerk zur Förderung der europäischen �Bewusstseinsbildung<br />
in derzeit 32 europäischen Staaten.<br />
Die Aktion geht zurück auf einen Aufruf zu einem<br />
„Europäischen Schultag“ im Jahr 1953 auf französische<br />
Initiative. An diesem Tag sollten in möglichst<br />
allen Schulen (West-)Europas die Themen Europa<br />
und Europäische Integration den Unterricht bestimmen.<br />
Die Idee wurde zunächst in den sechs<br />
Gründerstaaten der �EGKS aufgegriffen, weitete<br />
sich aber bis 1975 auf alle 20 Mitgliedstaaten des<br />
�Europarates aus. Der „Europäische Schultag“ wurde<br />
nun in �„Europäischer Wettbewerb“ umbenannt<br />
Europa-Institute<br />
undfandunterdemDachvon„EuropainderSchule–<br />
Europäischer Wettbewerb“ (Europe at School – European<br />
Competition; L’Europe à l’Ecole – Concours<br />
Européen) statt. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs<br />
beteiligten sich auch die mittel- und osteuropäischen<br />
Staaten an der Aktion. Derzeit nehmen<br />
Schulen aus 32 Ländern daran teil.<br />
Europa in der Schule soll<br />
– Interesse an europäischen Fragen wecken,<br />
– Kenntnisse über den Prozess der europäischen Integration<br />
vermitteln,<br />
– �interkulturelles Lernen und die Beachtung der<br />
Menschenrechte fördern,<br />
– die Begegnung und den Austausch von Schülerinnen<br />
und Schülern sowie von Lehrkräften unterstützen.<br />
Der Europäische Wettbewerb wird seit 1998 ergänzt<br />
durch das Internet Award Scheme, einen transnationalen<br />
Wettbewerb für Gruppen oder Klassen, die gemeinsam<br />
ein Projekt zu europäischen Themen im Internet<br />
vorstellen. Europa in der Schule organisiert rd.<br />
15 internationale Jugendbegegnungen pro Jahr und<br />
veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Europäischen<br />
Kommission und dem Europarat Lehrerseminare.<br />
Europa in der Schule wird gefördert vom Europarat,<br />
dem Europäischen Parlament, der Europäischen<br />
Kommission und der Europäischen Kulturstiftung<br />
(Amsterdam). In jedem Teilnehmerstaat übernimmt<br />
ein Nationalkomitee die Aufgabe, die Umsetzung<br />
der internationalen Aktion zu organisieren. In<br />
Deutschland ist es das Deutsche Komitee des Zentrums<br />
für Europäische Bildung.<br />
Anschrift: Bachstraße 32, 53115 Bonn.<br />
Europa-Institute sind i. d. R. an europäischen Universitäten<br />
eingerichtete (interdisziplinäre, fakultätsunabhängige)<br />
Zentren für Lehre und Forschung oder<br />
außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bzw.<br />
Vereine mit Bindung an Universitäten.<br />
Institute an Universitäten bieten (Master-)Studiengänge<br />
(überwiegend für Graduierte) mit Diplomabschlüssen<br />
(Magister des Europarechts, LL.M., Master<br />
of Advanced European Studies) und dem Schwerpunkt<br />
„europäische Integration“, ihren Instrumenten<br />
und Methoden. Die Lehrveranstaltungen umfassen<br />
juristische, historische, politische und ökonomische<br />
Bereiche. Europa-Institute fördern auch den internationalen<br />
Austausch von Dozenten und Studierenden<br />
217
Europäisch-arabischer Dialog<br />
im Rahmen des �Sokrates-Programms der EU. Universitäre<br />
und außeruniversitäre Europainstitute bieten<br />
außerdem Weiterbildungsseminare für Unternehmen,<br />
Anwälte und Behörden und fertigen Expertisen<br />
an.<br />
Europa-Institute in Vereinsform (mit Bindung an<br />
Universitäten) veranstalten Symposien zu Fragen<br />
der europäischen Verfassungs-, Rechts- und Wirtschaftspolitik.<br />
Europäisch-arabischer Dialog (EAD). Der EAD<br />
geht auf den Yom-Kippur-Krieg Ägyptens und mehrerer<br />
arabischer Staaten gegen Israel zurück (1973).<br />
DanachwurdeaufInitiativederarabischenErdölförderländer<br />
(OPEC) ein Ölboykott gegen die westlichen<br />
Industrieländer verhängt. Daraufhin beschlossen<br />
1973 die neun EG-Staaten und die Staaten der<br />
Arabischen Liga (zu der seit 1976 die Palästinensische<br />
Befreiungsorganisation PLO gehört), langfristig<br />
einen Interessenausgleich herbeizuführen – unter<br />
Einschluss Israels. Dies führte zu Experten- und Botschaftertreffen<br />
in der sog. Allgemeinen Kommission<br />
des EAD. Ägypten schloss mit Israel unter amerikanischer<br />
Vermittlung den Friedensvertrag von Camp<br />
David (März 1979). Durch die Anerkennung Israels<br />
(VerlustdesSinai)wurdeÄgyptenimarabischenLager<br />
isoliert, bis zu dessen Wiederaufnahme in die<br />
Arabische Liga 1989. Wegen innerarabischer Spannungen<br />
in den 1980er Jahren erlahmte der EAD.<br />
Die EG/EU hat finanzielle Hilfe für den nach dem<br />
zwischen Israel und der PLO ausgehandelten Gaza-Jericho-Abkommen<br />
von 1993 (palästinensische<br />
Autonomie in diesen Gebieten) erfolgenden wirtschaftlichen<br />
und administrativen Aufbau geleistet.<br />
Die sechs Mitglieder des Golf-Kooperationsrates<br />
(GCC1981:Saudi-Arabien,Kuwait,Katar,Bahrain,<br />
Oman, Vereinigte Arabische Emirate) arbeiten mit<br />
der EG/EU zusammen. Ein erstes umfassendes wirtschaftliches,<br />
technologisches und umweltpolitisches<br />
Kooperationsabkommen konnte 1988 abgeschlossen<br />
werden – mit einem sich jährlich treffenden<br />
Gemeinsamen Rat auf Ministerebene.<br />
Bewährt hat sich die Zusammenarbeit während der<br />
Golfkrise 1990/91 durch erhebliche EG-Hilfsmaßnahmen<br />
für die Kriegsflüchtlinge.<br />
Die fünf Staaten des Maghreb (Marokko, Algerien,<br />
Tunesien, Libyen, Mauretanien) haben 1989 eine<br />
Union des Arabischen Maghreb (UMA) gegründet.<br />
Sie wollen eine gemeinsame industrielle, landwirt-<br />
218<br />
schaftliche und soziale Entwicklung vorantreiben.<br />
Ihre Integrationsziele sind als Antwort auf die Herausforderung<br />
durch den Binnenmarkt der EU zu<br />
verstehen. Die Maghreb-Staaten tätigen je über 50<br />
Prozent ihres Außenhandels mit der EU.<br />
1991 verabschiedete der Ministerrat der EU eine<br />
neue �Mittelmeerpolitik für die Zeit von 1992 bis<br />
1996. Dabei sollten u. a. bi- und multilaterale Kooperationsansätze<br />
zwischen den einzelnen Mittelmeerländern<br />
und der EU gefördert werden. Aufgrund ihrer<br />
intensiven Handelsbeziehungen kann die EU auf<br />
die Verhältnisse in den arabischen Mittelmeerstaaten<br />
einwirken. Die arabischen Staaten des östlichen<br />
Mittelmeerraumes (sog. Maschrik: Ägypten, Jordanien,<br />
Libanon, Syrien) sind in den EAD mit einzubeziehen,<br />
ergänzt durch die Sonderbeziehungen der<br />
EUzuIsraelundderTürkei. W. M.<br />
Europäische Agentur für den Wiederaufbau<br />
(EAR) mit Sitz in Thessaloniki und operativen Zentren<br />
in Belgrad, Pristina, Podgorica und Skopje wurde<br />
durch Ratsverordnung 2454/99 (ABl. L 299/<br />
1999) errichtet und arbeitet seit Februar 2000. Sie<br />
verwaltet die EU-Hilfsprogramme für die Republik<br />
Serbien, den Kosovo, die Republik Montenegro und<br />
die Republik Mazedonien. Durch Verordnung<br />
2666/2000wurdeeineinheitlicherRechtsrahmenfür<br />
die EU-Hilfen für Albanien, Bosnien und Herzegowina,<br />
Kroatien, die Bundesrepublik Jugoslawien<br />
(seit 4. 2. 2003 Föderation Serbien und Montenegro)<br />
sowie die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien<br />
geschaffen.<br />
Anschrift: Egnatia 4, GR–54626 Thessaloniki;<br />
Postanschrift P.O.Box 10177, GR–54110 Thessaloniki<br />
Internet: www.ear.eu.int<br />
Europäische Agentur für die Sicherheit des<br />
Seeverkehrs (EMSA) mit Sitz in Brüssel wurde<br />
durch Verordnung 1406/2002 (ABl. L 208/2002) errichtet<br />
(als Reaktion auf die Havarie des Öltankers<br />
„Erika“ vor der bretonischen Küste im Dezember<br />
1999). Sie hat Anfang 2003 ihre Arbeit aufgenommen.<br />
�Seeverkehr.<br />
Anschrift: rue de Genève 12, B–1140 Brüssel<br />
Internet: www.emsa.eu.int<br />
Europäische Agentur für Flugsicherheit<br />
(EASA) mit Sitz in Köln wurde errichtet auf Grundlage<br />
der Verordnung 1592/2002 (ABl. L 240/2002);<br />
sie hat im September 2003 ihre Arbeit aufgenom-
men, zunächst provisorisch in Brüssel, seit November<br />
2004 in Köln. Die Aufgaben der Agentur sind<br />
noch eingeschränkt auf die Zulassung von Luftfahrzeugen<br />
und von Organisationen und Personen, die an<br />
ihrer Herstellung und Instandhaltung beteiligt sind.<br />
Sie sollen durch Verordnungen erweitert werden auf<br />
alle Bereiche der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit<br />
der zivilen Luftfahrt. �Flugsicherheit<br />
Anschrift: Ottoplatz 1, D–50679 Köln;<br />
Postanschrift: Postfach 10 12 53, D–50452 Köln<br />
Internet: www.easa.eu.int<br />
Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit<br />
(ENISA) wurde errichtet durch<br />
Verordnung 460/2004 (ABl. L 77/2004) mit vorläufigem<br />
Sitz in Brüssel, ab September 2005 in Heraklion<br />
(Griechenland). Die Agentur soll als Fachzentrum<br />
für die Fragen der Netz- und Informationssicherheit<br />
allen Mitgliedstaaten und den EU-Organen<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Vorläufige Anschrift: Rue Belliard 7, 02/56, B–1049 Brüssel<br />
Internet: www.enisa.eu.int<br />
Europäische Agentur für operative Zusammenarbeit<br />
an den Außengrenzen (VO 2007/2004<br />
(ABl. L 349/2004) �Außengrenzen<br />
Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />
am Arbeitsplatz (EU-OSHA)<br />
mit Sitz in Bilbao wurde durch Ratsverordnung<br />
2062/94 (ABl. L 216/1994) errichtet, zuletzt geändert<br />
durch Ratsverordnung 1643/95 (ABl. L<br />
156/1995). Sie erhebt, analysiert, bündelt und verbreitet<br />
sachdienliche Informationen und unterhält<br />
ein umfangreiches Netz von Websites zum Thema<br />
Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.<br />
Im Verwaltungsrat der Agentur sind die Gewerkschaften,<br />
die Arbeitgeberverbände, die nationalen<br />
Regierungen und die Kommission vertreten.<br />
Anschrift: Gran Via 33, E–48009 Bilbao<br />
Internet: http://agency.osha.eu.int<br />
Europäische Akademien (EA)<br />
1. Gesellschaft der Europäischen Akademien<br />
(GEA): Die Mitgliedseinrichtungen der GEA sind<br />
autonome Bildungsstätten der außerschulischen Jugend-<br />
und Erwachsenenbildung und zumeist als gemeinnütziger,<br />
eingetragener Verein organisiert. Sitz<br />
der Geschäftsstelle ist die Europäische Akademie<br />
Nordrhein-Westfalen in Bonn.<br />
Europäische Akademien<br />
Gemeinsames Ziel dieser Akademien und Europahäuser<br />
ist die Förderung der europäischen Einigung.<br />
IndenBildungsmaßnahmensollendieBedeutungeines<br />
geeinten Europas bewusst gemacht und seine<br />
Notwendigkeit, seine Chancen und Probleme in den<br />
Mittelpunkt einer kritischen Auseinandersetzung<br />
gerückt werden. Im Rahmen dieser gemeinsamen<br />
Aufgabenstellung haben die Akademien zusätzlich<br />
besondere Schwerpunkte entwickelt: die deutschfranzösische<br />
Zusammenarbeit, die deutsche Frage in<br />
ihrer europäischen Dimension, die Annäherung an<br />
Mittel- und Osteuropa, die Beziehungen Europas zur<br />
Dritten Welt sowie betonte Zielgruppenarbeit mit<br />
Lehrern, Journalisten, Landwirten, Arbeitnehmern,<br />
Frauen, Soldaten, Auszubildenden, Schülern.<br />
Während die Europäische Union und der Europarat<br />
mangels Kompetenz oder finanzieller Ausstattung<br />
die europäische Bildungsarbeit nur in geringem Umfang<br />
fördern, ist dieser Arbeitsbereich im nationalen<br />
Rahmen als förderungswürdig anerkannt. Dennoch<br />
besteht – wie bei allen freien Trägern – das Problem<br />
der ausreichenden Finanzmittel für Unterhaltung der<br />
Häuser, Programme und Projekte.<br />
Neben dem Angebot mehrtägiger Seminare mit bestimmten<br />
Zielgruppen führen die Akademien und<br />
Europahäuser auch Kolloquien und Fachkonferenzen<br />
durch und beteiligen sich an multilateralen Projekten<br />
zur europäischen Bildung. Schließlich werdenvonderGEAgemeinsamebildungspolitischeInteressen<br />
sowie die Vertretung gegenüber nationalen<br />
wie europäischen Behörden und Institutionen wahrgenommen.<br />
Themenkreise wie Grundlagen der europäischen Einigungsidee,<br />
Prinzipien einer freiheitlichen und demokratischen<br />
europäischen Gesellschaft, Bedeutung<br />
eines gemeinsamen Rechts in Europa und der<br />
Menschenrechte in der Welt, das politisch, wirtschaftlich<br />
und sozial geeinte Europa, Organisationsstrukturen<br />
eines föderalen Europa, die Politische<br />
Union in Europa und die verschiedenen Formen europäischer<br />
Kooperation und Integration finden in<br />
den Bildungsangeboten Berücksichtigung: die Geschichte<br />
der Europäischen Gemeinschaft, deren<br />
Zielsetzung eine politische, wirtschaftliche und soziale<br />
Union ist; der Europarat, der sich auf intergouvernementale<br />
Zusammenarbeit konzentriert; die Gesamtheit<br />
der europäischen Staatenordnung.<br />
In der Bildungsarbeit sollen wirklichkeitsbezogene<br />
LeitbilderfürdieZukunftdereuropäischenVölkerin<br />
219
Europäische Akademien<br />
Einheit und Vielfalt entwickelt werden. Daher richten<br />
sich die Angebote vorwiegend an Multiplikatoren<br />
aus Bildung, Wirtschaft, Medien, Verwaltung<br />
und Politik. Eine kritische und nüchterne Analyse<br />
der Europapolitik ist Grundlage der Bildungsarbeit.<br />
Die europäische Integration als am weitesten fortgeschrittener<br />
Einigungsprozess ist nach Überzeugung<br />
der EA dann zu befürworten, wenn durch sie eher als<br />
durch nationalstaatliche Politik Freiheit, Frieden,<br />
Wohlstand und Gerechtigkeit gesichert werden.<br />
Gleichzeitig wird die EU als offene Gemeinschaft<br />
pluralistischer Gesellschaften verstanden, die allen<br />
demokratischen Staaten Europas offen steht. DanebenstehtdieSolidaritätmitallenRegionenderWelt.<br />
Die Bildungsstätten und Informationszentren sind<br />
personell und materiell sehr unterschiedlich ausgestattet<br />
und arbeiten selbständig. Sie sind durch private<br />
Initiativen gegründet und – wie alle europäischen<br />
Bildungseinrichtungen – überparteilich und überkonfessionell<br />
ausgerichtet.<br />
Zahlreiche Seminare, Fachtagungen, Kolloquien<br />
und Exkursionen werden in internationaler, nationaler<br />
oder regionaler Zusammensetzung durchgeführt<br />
und behandeln Europa in seinen verschiedenen Dimensionen.<br />
Die institutionalisierte Zusammenarbeit<br />
mit dem �Institut für europäische Politik in Berlin<br />
dient der Verbindung von Bildungsarbeit mit europapolitischer<br />
Forschung.<br />
2. Die Europäischen Akademien/Europahäuser<br />
Europäische Akademie Bayern, gegründet 1976;<br />
Durchführung von Seminaren und Konferenzen zur<br />
Förderung der Einheit Europas auf föderativer<br />
Grundlage; landesweite Einzelveranstaltungen und<br />
internationale Kooperation mit besonderen Kontakten<br />
zu südeuropäischen Ländern.<br />
Anschrift: Hirtenstraße 16, 80335 München<br />
Europäische Akademie Berlin, gegründet 1964; Einwöchige<br />
Informations- und Arbeitstagungen zu Themen<br />
der europäischen Integration und der Beziehungen<br />
zu Mittel- und Osteuropa. Tagungsstätte mit<br />
überwiegend internationalen Gästen; Dokumentationszentrum<br />
und Bibliothek; Simultan-Dolmetschanlage<br />
für vier Sprachen. Angegliedert eine Europäische<br />
Akademie für städtische Umwelt.<br />
Anschrift: Bismarckallee 46 – 48, 14193 Berlin<br />
Europäische Akademie Hessen, gegr. 1976; Seminare<br />
und Kurzveranstaltungen zur Förderung der europäischen<br />
Einigung, Vermittlung von Referenten.<br />
Anschrift: Luisenplatz 2, 64283 Darmstadt.<br />
220<br />
Europäische Akademie Nordrhein-Westfalen, zunächst<br />
als Europäische Bildungs- und Aktionsgemeinschaft<br />
1953 gegründete Einrichtung mit Veranstaltungen<br />
u. a. in Bonn, Berlin, Brüssel, Straßburg,<br />
Stettin, Paris.<br />
Anschrift: Weberstraße 118, 53113 Bonn<br />
Europäische Akademie Otzenhausen, gegründet<br />
1954; seit 1968 mit angegliedertem Institut für Rhetorik<br />
und Methodik der politischen Bildung; Tagungsstätte<br />
für Jugend- und Erwachsenenbildung<br />
mit dem Ziel der Verbreitung des europäischen Gedankens<br />
und übernationaler Zusammenarbeit; Simultan-Dolmetschanlage<br />
für drei Sprachen.<br />
Anschrift: Europahausstraße, 66620 Nonnweiler<br />
Europäische Akademie Schleswig-Holstein, gegründet<br />
1977; hervorgegangen aus der Europäischen<br />
Akademie Husum mit dem Ziel, durch Veranstaltungen<br />
und Studienreisen die Einigung Europas zu fördern;<br />
Tagungsstätte mit besonderen Kontakten zu<br />
den skandinavischen Ländern.<br />
Anschrift: 24988 Sankelmark.<br />
Europahaus Marienberg, gegründet 1951 als erste<br />
Einrichtung; Tagungsstätte im Westerwald zur Information<br />
und Bildung für übernationale und europäische<br />
Zusammenarbeit; Seminare, Begegnungen<br />
undStudienreisenfürErwachseneundJugendliche.<br />
Anschrift: Europastraße 1, 56470 Bad Marienberg<br />
Europa-Zentrum Baden-Württemberg, gegründet<br />
1976 als Institut und Akademie für Europafragen;<br />
Seminare, Vorträge, Kolloquien und offene Kulturarbeit,<br />
Studienfahrten und Referentendienst.<br />
Anschrift: Nadlerstraße 4, 70173 Stuttgart.<br />
Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen,<br />
22 deutsch-ausländische Gesellschaften und mehrere<br />
Institute; vermittelt in Seminaren, Jugendaustausch<br />
und Partnerschaften politisch-gesellschaftliches<br />
Verständnis im Rahmen internationaler Beziehungen.<br />
Anschrift: Steinstraße 48, 44147 Dortmund<br />
Europa-Haus Aurich. Schwerpunkt der Bildungsarbeit<br />
sind grenzüberschreitende Maßnahmen.<br />
Sitz: Von-Ihering-Str.35, 26603 Aurich.<br />
Informations- und Bildungszentrum Schloss Gimborn<br />
Anschrift: Schloßstr.10, 51709 Marienheide.<br />
Fridtjof-Nansen-Akademie für politische Bildung<br />
Anschrift: Wilhelm-Leuschner-Straße 61, 55218 Ingelheim.<br />
Internationales Haus Sonnenberg,<br />
Anschrift: Clausthaler Straße 11, 37444 St. Andreasberg.
Neugründungen nach 1990 in den neuen Bundesländern:<br />
Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft<br />
Anschrift: Schulstraße 8b, 14439 Potsdam<br />
Europahaus Leipzig<br />
Anschrift: Katharinenstraße 11, 04109 Leipzig.<br />
EuropäischeAkademieMecklenburg-Vorpommern<br />
Anschrift: Am Eldenholz 23, 17192 Waren/Müritz.<br />
Europa-Haus Görlitz<br />
Anschrift: Untermarkt 9, 02826 Görlitz.<br />
Internet der Gesellschaft Europäischer Akademien (GEA):<br />
www.gea-deutschland.de G. R.<br />
Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea,<br />
SE)<br />
1. Entwicklung und Zweck: Neben der Angleichung<br />
der nationalen Rechtsregeln für Gesellschaften ist es<br />
seit 1970 das Bestreben der Europäischen Union,<br />
auch ein einheitliches europäisches Statut einer Aktiengesellschaft<br />
zu schaffen.<br />
ImZugedesProgrammszurVollendungdesBinnenmarkts<br />
betrieb die Europäische Kommission mit<br />
Nachdruck die Verwirklichung dieses Vorhabens<br />
und legte 1989 einen Verordnungsvorschlag für ein<br />
Statut vor, der jedoch insbes. aufgrund großer Unterschiede<br />
in der Frage der Beteiligung der Arbeitnehmer<br />
an der Gesellschaftsführung lange nicht verabschiedet<br />
werden konnte. Erst am 8. 10. 2001 verabschiedete<br />
der Rat die Verordnung 2157/2001 über<br />
das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft<br />
(SE-VO) und die Richtlinie 2001/86 zur Ergänzung<br />
des Statuts hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer<br />
(beide ABl. L 294/ 2001). Ziel der SE ist es,<br />
grenzüberschreitend tätigen Unternehmen ein InstrumentandieHandzugeben,dasihnendenZusammenschluss<br />
über die Grenzen erleichtern soll.<br />
– Neben Aktiengesellschaften nach nationalem<br />
Recht können auch GmbHs und andere Kapitalgesellschaften<br />
eine SE gründen. Natürliche Personen<br />
sind von der Gründung einer SE allerdings ausgeschlossen.<br />
– Die SE muss grenzüberschreitend tätig sein; ihre<br />
Tätigkeit muss sie in mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten<br />
entfalten. Artikel 8 Abs. 3 der Verordnung<br />
macht die Eintragung der Europäischen Aktiengesellschaft<br />
davon abhängig, dass zuvor ein Modell für<br />
die �Mitbestimmung der Arbeitnehmer vereinbart<br />
worden ist.<br />
Europäische Aktiengesellschaft<br />
Die SE kann auf fünf Arten gegründet werden:<br />
(a) durch Verschmelzung mehrerer nationaler Aktiengesellschaften<br />
(Art. 2 Abs. 1, 17 SE-VO),<br />
(b) mehrere Kapitalgesellschaften (AG oder GmbH)<br />
gründen eine Holdinggesellschaft in Form einer SE<br />
(Art. 2 Abs. 2, 32 ff. SE-VO),<br />
(c) mehrere nationale Gesellschaften gründen eine<br />
gemeinsame Tochtergesellschaft in Form einer SE<br />
(Art. 2 Abs. 3, 35 ff. SE-VO),<br />
(d) eine Aktiengesellschaft mit Tochtergesellschaft<br />
oder Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat<br />
kann sich in eine SE umwandeln (Art. 2 Abs. 4, 37 ff.<br />
SE-VO),<br />
(e)einebereitsexistierendeSEgründeteineTochtergesellschaft<br />
in Form einer SE (Art. 3 Abs. 2,35f.<br />
SE-VO).<br />
Das Mindestkapital der SE beträgt 120 000 Euro.<br />
Artikel 38 der SE-Verordnung macht die Eintragung<br />
der SE davon abhängig, dass die Wahl zwischen dem<br />
dualistischen Verwaltungssystem (getrenntes Leitungsorgan<br />
und Aufsichtsorgan; z. B. Vorstand und<br />
Aufsichtsrat wie in der deutschen AG) und dem monistischen<br />
Verwaltungssystem mit einem einheitlichen<br />
Leitungsorgan (z. B. „Board of Directors“, wie<br />
es insbes. der angloamerikanische Rechtskreis<br />
kennt) getroffen wird.<br />
Die Wahl eines Sitzes in einem Mitgliedstaat innerhalb<br />
der EU ist ebenfalls Gründungsvoraussetzung.<br />
Von Vorteil ist es, dass die SE ihren Sitz innerhalb<br />
der EU frei verlegen kann, ohne sich auflösen und<br />
neu gründen zu müssen.<br />
Was die Beteiligung der Arbeitnehmer angeht, so ist<br />
die SE-Verordnung von ihrer ursprünglichen Forderung<br />
abgewichen, die Wahl eines Beteiligungsmodells<br />
zur Voraussetzung für die Gründung der SE zu<br />
machen. Zwar regelt die SE-Arbeitnehmer-Beteiligungsrichtlinie,<br />
dass vor Gründung der SE die Unternehmungsleitung(en)miteinemzudiesemZweck<br />
gegründeten „besonderen Verhandlungsgremium“<br />
der Arbeitnehmer Verhandlungen geführt werden<br />
mit dem Ziel, Regeln über die Beteiligung der Arbeitnehmer,<br />
und zwar einerseits auf Betriebsebene<br />
(insbes. über den SE-Betriebsrat) und andererseits<br />
im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung zu<br />
vereinbaren. Dies soll innerhalb von sechs bzw (falls<br />
einvernehmlich verlängert) zwölf Monaten geschehen<br />
sein. Erst wenn eine Einigung nicht zustande<br />
kommt, treten Auffangregelungen hinzu (Europäischer<br />
�Betriebsrat).<br />
221
Europäische Arzneimittelagentur<br />
2. Bewertung: Die vorliegenden Vorschläge versuchen,<br />
den Besonderheiten der nationalen Gesellschaftsrechte<br />
Rechnung zu tragen. Doch ist zu befürchten,<br />
dass durch die verschiedenen Wahlmöglichkeiten<br />
in Bezug auf Führung und Mitbestimmung<br />
der Gesellschaft, die von den Mitgliedstaaten<br />
vorgeschrieben werden können, der Wert der einheitlichen<br />
Gesellschaftsform aufgehoben wird.<br />
So wird es wohl weiter dabei bleiben, dass Sitz und<br />
Gesellschaftsform eines internationalen Unternehmens<br />
nach ergänzenden Rechtsregeln wie Steuerund<br />
Insolvenzrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Wettbewerbs-<br />
und Kartellrecht ausgewählt werden.<br />
Literatur:<br />
M. K.<br />
Europäische Kommission (Hg.): Die Angleichung des<br />
Gesellschaftsrechts in der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Luxemburg 1990<br />
Jannott, D./Frodermann, J. (Hg.): Handbuch der Europäischen<br />
Aktiengesellschaft – Societas Europaea. Eine umfassende und<br />
detaillierte Darstellung für die Praxis unter Berücksichtigung<br />
sämtlicher EU-Mitgliedstaaten. Heidelberg 2005<br />
Ganske, J.: Das Recht der Europäischen Wirtschaftlichen<br />
Interessenvereinigung. München 1988<br />
Kersting, M.: Die Europäische Aktiengesellschaft – Stand und<br />
Entwicklung. In: EG-spezial 18–19/91, Freiburg<br />
Ders.: Neue Gesellschaftsformen in der Diskussion.<br />
In: EG-spezial 10/93, 12/93, 13/93, Freiburg<br />
Klapdor, R.,/Bartone, R.: Die Europäische Aktiengesellschaft<br />
Berlin 2005<br />
Lutter, M.: Genügen die vorgeschlagenen Regelungen für eine<br />
Europäische Aktiengesellschaft? AG 1990, S. 413<br />
Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) mit<br />
Sitz in London wurde durch Ratsverordnung 2309/<br />
93 (ABl. L 214/1993) errichtet und begann 1995 mit<br />
ihrer Arbeit. Die vier Ausschüsse der Agentur (für<br />
Human-Arzneimittel, für Tierarzneimittel, für Arzneimittel<br />
gegen seltene Leiden, für pflanzliche Arzneimittel)<br />
erstellen Gutachten, ihre wissenschaftliche<br />
Arbeit stützt sich auf ein Netz von 3500 Sachverständigen<br />
in Europa.<br />
Anschrift: 7, Westferry Circus, Canary Warf,<br />
UK–London E14 4HB; Internet: www.emea.eu.int<br />
Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM /<br />
EAG). Der Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />
Atomgemeinschaft (EURATOM-Vertrag, EAGV)<br />
wurde am 25. 3. 1957 zeitgleich mit dem Vertrag für<br />
die – damals noch als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />
bezeichnete – �Europäische Gemeinschaft<br />
(EG) in Rom unterzeichnet. Im Unterschied<br />
zur 1951 gegründeten �Europäischen Gemeinschaft<br />
222<br />
für Kohle und Stahl (EGKS) ist der EURATOM-<br />
Vertrag nicht zeitlich befristet. Wie früher auch der<br />
EGKSV betrifft der EURATOM-Vertrag nur einen<br />
spezifischen sektoriellen und überdies höchst umstrittenen<br />
Ausschnitt der Gemeinschaftspolitiken,<br />
nämlich die Nutzung der Atomenergie und insbes.<br />
die Versorgung der Mitgliedstaaten mit spaltbaren<br />
Stoffen. Aufgabe der Europäischen Atomgemeinschaftistes,„durchdieSchaffungderfürdieschnelle<br />
Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen<br />
Voraussetzungen zur Hebung des Lebensstandards<br />
und zur Entwicklung der Beziehungen mit<br />
den anderen Ländern beizutragen.“ (Art. 1 Abs. 2<br />
EAGV)<br />
1. Die Abtrennung der Energieträger Kohle (in der<br />
EGKS) einerseits und Uran andererseits vom EG-<br />
Vertrag (EGV) unterstreicht die besondere Bedeutung,<br />
die diese Energieträger für die Mitgliedstaaten<br />
in den 1950er Jahren hatten. So war seinerzeit noch<br />
Kohle der wichtigste Energieträger und zusammen<br />
mit Stahl einer der Schlüsselrohstoffe für den Wiederaufbau<br />
der westeuropäischen Industrien nach<br />
dem 2. Weltkrieg. Demgegenüber verband sich mit<br />
dem Ausbau der Atomenergie – ungeachtet der Tatsache,<br />
dass auch spaltbare Materialien importiert<br />
werden müssen (Lieferanten: USA, Kanada, Australien,<br />
Russland) – die Hoffnung, von Erdölimporten<br />
unabhängig werden zu können. Zugleich galt Atomenergie<br />
in den 1950er Jahren als der Energieträger<br />
der Zukunft schlechthin, auf den die Mitgliedstaaten<br />
ihre Hoffnungen richteten. Derzeit decken die Mitgliedstaaten<br />
ca. ein Drittel ihres Elektrizitätsbedarfs<br />
mit Atomstrom, unter den „alten“ Mitgliedstaaten<br />
der Fünfzehner-Gemeinschaft schwankt dabei der<br />
Anteil zwischen ca. 75 % in Frankreich und 4,9 % in<br />
den Niederlanden; Dänemark, Griechenland, Irland,<br />
Italien, Luxemburg, Österreich und Portugal setzen<br />
überhaupt keine Atomenergie ein. Im Übrigen normiert<br />
der EURATOM-Vertrag keine Verpflichtung<br />
der Mitgliedstaaten, den Ausbau oder Beibehalt der<br />
Atomenergienutzung innerstaatlich vorzusehen,<br />
sondern überlässt ihnen die Wahl, ob und in welchem<br />
Umfang sie davon Gebrauch machen wollen.<br />
Die Befürworter der zivilen Nutzung der Atomenergie<br />
stellen heute in erster Linie das Fehlen schädlicher<br />
Treibhausemissionen als entscheidenden Vorteil<br />
gegenüber fossilen Energieträgern dar. Doch das<br />
Bild der Atomenergie als „sauberer Energie“ hat sich<br />
in der Zwischenzeit stark gewandelt. Der Reaktorun-
fall von Tschernobyl im Jahr 1986 hat der breiten Öffentlichkeit<br />
die Risiken der Atomkraftnutzung deutlich<br />
gemacht. Mehr noch als die weiter schwindende<br />
gesellschaftliche Akzeptanz von Atomanlagen war<br />
jedoch für etliche Mitgliedstaaten die nach wie vor<br />
ungelöste und brisante Frage der Endlagerung der<br />
hochradioaktiven Abfallstoffe ausschlaggebend, bis<br />
aufWeiteresjedenfallskeineweiterenAnlagenmehr<br />
in Betrieb zu nehmen bzw. auch weiterhin an ihrem<br />
Verzicht festzuhalten. So haben Schweden, Spanien,<br />
Großbritannien, Deutschland, Belgien entweder die<br />
Absicht, alle laufenden Anlagen zur Elektrizitätsgewinnung<br />
stillzulegen, oder haben zumindest ein Moratorium<br />
für den Bau weiterer Anlagen verhängt.<br />
Von den alten Mitgliedstaaten sprechen sich lediglichFrankreichundFinnlandfüreinenweiterenAusbau<br />
von Atomkraftwerken aus.<br />
Unbestritten ist unter allen Mitgliedstaaten, dass die<br />
Entsorgung der radioaktiven Abfälle in der derzeitigen<br />
Debatte die Achillesferse und das größte Hindernis<br />
für einen weiteren Ausbau dieser Form der<br />
Stromerzeugung bedeutet. Kein Mitgliedstaat hat<br />
bislang eine technische und gesellschaftspolitisch<br />
überzeugende Antwort auf die Probleme bei Transport<br />
und Endlagerung der Abfälle gefunden. Finnland<br />
und Schweden scheinen derzeit bei der Suche<br />
nach zumindest mittelfristigen Lösungen zur Lagerung<br />
auch hochradioaktiver Abfälle am nächsten.<br />
Die Forderung des Europäischen Parlaments, dieses<br />
Problem auf Gemeinschaftsebene zu behandeln,<br />
konnte sich gegenüber den heterogenen nationalen<br />
Interessen in der Atompolitik nicht durchsetzen.<br />
Die jüngste Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften<br />
könnte jedoch mittelfristig auch ein neues<br />
Kapitel in der europäischen Atompolitik bedeuten.<br />
ZugleichstelltendieFragendernuklearenSicherheit<br />
erstmals einen eigenen Gegenstand in den Erweiterungsverhandlungen<br />
dar.<br />
DerbestehendeStreitüberdieZukunfteinereuropäischen<br />
Atompolitik ist auch der wesentliche Grund,<br />
weshalb eine Integration des EURATOM-Vertrags<br />
in den �Vertrag über eine Verfassung für Europa<br />
nicht vorgesehen ist.<br />
2. Der EURATOM-Vertrag ist in seinen Strukturen<br />
mit denen des EGV weitgehend identisch, hat jedoch<br />
weitaus weniger Änderungen erfahren und daher<br />
mehr von seiner ursprünglichen Gestalt aus den<br />
1950er Jahren bewahrt. Auch die EURATOM-Gemeinschaft<br />
besitzt Rechtspersönlichkeit (Art. 184<br />
Europäische Atomgemeinschaft<br />
EAGV). Ihre Organe, d. h. Europäisches Parlament,<br />
Rat, Kommission, Gerichtshof, Rechnungshof,<br />
Wirtschafts- und Sozialausschuss sind seit dem<br />
�„Fusionsvertrag“ von 1967 mit denen der EG identisch;<br />
hinzu tritt lediglich die EURATOM-Versorgungsagentur<br />
in Brüssel (s. u.). Allerdings ist die<br />
Stellung des Europäischen Parlaments im Rahmen<br />
des EURATOM-Vertrags deutlich schwächer ausgestaltet.<br />
So werden die rechtlichen Handlungsinstrumente<br />
des EURATOM-Vertrags, d. h. Verordnungen,<br />
Richtlinien, Entscheidungen und Empfehlungen<br />
(Art. 161 EAGV) ausschließlich vom Rat und<br />
der Kommission erlassen, das Parlament findet in<br />
Art. 161 EAGV keine Erwähnung und ist – mit Ausnahme<br />
seiner Budgetrechte (Art. 177 EAGV) – als<br />
Beratungs- und Kontrollorgan konzipiert (Art. 107<br />
EAGV). Auch beim Abschluss von Abkommen mit<br />
dritten Staaten oder internationalen Organisationen<br />
steht dem Europäischen Parlament im Rahmen des<br />
EURATOM-Vertrags unverändert nur ein Anhörungsrecht<br />
zu (Art. 206 EAGV).<br />
Wie bereits angesprochen ist eine Integration des<br />
EAGVindenVertragübereineVerfassungfürEuropa<br />
(VVE) nicht vorgesehen. Während mit dem VVE<br />
der EGV und der EUV in einem Vertragswerk zusammengeführt<br />
und in diesem vollständig aufgehen<br />
werden, wird der EAGV unverändert als völkerrechtlich<br />
eigenständiges Abkommen neben dem<br />
VVE weiter bestehen bleiben. Dessen ungeachtet<br />
werden auch in Zukunft die Organe des EAGV (s.o.)<br />
mit denen des VVE identisch sein, und ebenso wie<br />
bisher wird der Beitritt neuer Mitgliedstaaten zum<br />
EAGV einen separaten Rechtsakt erfordern.<br />
3. Der EURATOM-Vertrag zielt auf die Schaffung<br />
einer europaweiten, weitgehend einheitlichen<br />
Atomindustrie ab. Der EURATOM-Vertrag stellt<br />
dazu die „Förderung des Fortschritts auf dem Gebiet<br />
der Kernenergie“ in den Vordergrund und sieht hierfür<br />
die Förderung der Forschung als wichtigstes Mittel<br />
an. Als weitere Mittel hierzu beinhaltet der Vertrag<br />
Regeln zur Verbreitung der Kenntnisse, aber<br />
auchderggf.erforderlichenGeheimhaltung,denGesundheitsschutz,Investitionserleichterungenundermöglicht<br />
schließlich die Gründung von gemeinsamen<br />
EURATOM-Unternehmen (wie z. B. zukünftig:<br />
�ITER).<br />
Dabei sind die „besonderen spaltbaren Stoffe“ im<br />
Sinne des Art. 197 Abs. 1 EAGV, insbes. Plutonium<br />
239 und Uran 233, mit Ausnahme der vorhandenen<br />
223
Europäische Bank für Wiederaufbau<br />
Naturvorkommen,EigentumderGemeinschaft(Art.<br />
86 EAGV). Dieses Eigentumsrecht umfasst alle besonderen<br />
spaltbaren Stoffe, die von einem Mitgliedstaat,<br />
einer Person oder einem Unternehmen erzeugt<br />
oder eingeführt werden. Deren Verwaltung unterstellt<br />
der EAGV einer speziellen Agentur, der bereits<br />
genannten EURATOM-Versorgungsagentur, Art.<br />
52 ff. EAGV. Diese Agentur mit Sitz in Brüssel hat<br />
eigene Rechtspersönlichkeit, untersteht jedoch einer<br />
umfassenden Aufsicht der Kommission. Die Versorgungsagentur<br />
übt sowohl das ausschließliche Bezugsrecht<br />
für Erze, Ausgangsstoffe und besondere<br />
spaltbare Stoffe, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten<br />
erzeugt werden, als auch das ausschließliche<br />
Recht zum Abschluss von Lieferverträgen für Erze,<br />
Ausgangsstoffe und besondere spaltbare Stoffe aus<br />
Staaten innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft<br />
aus.<br />
4. Die Forschungsaktivitäten im Bereich des EURA-<br />
TOM-Vertrags beziehen sich sowohl auf den Bereich<br />
der Kernspaltung als auch auf den Bereich der<br />
Kernfusion. Die Gemeinschaft führt diese Aktivitäten<br />
teilweise direkt durch die �Gemeinsame Forschungsstelle<br />
(GFS), teilweise im Rahmen von indirekten<br />
Aktionen in Zusammenarbeit mit den Forschungsinstitutionen<br />
und der Industrie in den Mitgliedstaaten,<br />
aber auch solchen aus Drittstaaten aus.<br />
Im Rahmen des derzeit laufenden 6. Forschungsrahmenprogramms<br />
2002 – 2006 ist hierfür ein Gesamtvolumen<br />
von 1 230 Mio. Euro vorgesehen. ForschungsschwerpunkteimBereichKernspaltungsind<br />
die Behandlung der radioaktiven Abfälle, Strahlenschutz<br />
sowie sonstige Maßnahmen im Bereich der<br />
nuklearen Sicherheit. Im Bereich der Kernfusion<br />
konzentrieren sich die Bemühungen nun, nach dem<br />
JET (Joint European Torus), auf den internationalen<br />
Fusionsforschungsreaktor ITER (lat.: der Weg) als<br />
nächstem Schritt auf dem Weg der Forschung und<br />
späteren Nutzung der Kernfusion. Letzterer soll nun<br />
nach langem Streit über den Standort in Cadarache<br />
(F) errichtet werden.<br />
5. Das Ziel einer gemeinschaftsweiten gemeinsamen<br />
Atompolitik im Rahmen des EURATOM-Vertrags<br />
haben die Mitgliedstaaten bislang nur sehr unvollkommen<br />
verwirklicht. Am weitesten gediehen ist<br />
diese im Bereich der Fusionsforschung, in dem die<br />
Forschungstätigkeiten der Gemeinschaft und der<br />
Mitgliedstaaten nahezu vollständig ineinander integriert<br />
sind. Soweit hingegen die Elektrizitätsgewin-<br />
224<br />
nung durch Kernspaltung betroffen ist, ist es bei nationalen<br />
Alleingängen und kaum zu vereinbarenden<br />
Gegensätzen zwischen den Mitgliedstaaten geblieben.<br />
Welchen Beitrag die Atomenergie überdies zum Klimaschutz<br />
wird leisten können, ist angesichts der ungelösten<br />
Entsorgungsproblematik offen. Die Kommission<br />
selbst nimmt im Grünbuch zur Zukunft der<br />
Energieversorgungssicherheit an, dass auch zukünftigfossileEnergieträgerfürdieVersorgungmaßgeblich<br />
bleiben werden und der Anteil der Atomenergie<br />
zur Deckung des gesamten Energieverbrauchs von<br />
derzeit ca. 15 % (ausschließlich bezogen auf Elektrizitätserzeugung<br />
beträgt der Anteil ca. 35 %) bis zum<br />
Jahr 2030 auf ca. 6 % sinken dürfte (für die erneuerbarenEnergienprognostiziertdieKommissioneinen<br />
Anstieg von derzeit 6 % auf 8 %). Dabei bleibt offen,<br />
ob und wann jemals der Kernfusion eine ernstzunehmende<br />
Bedeutung für die Energieversorgung zukommen<br />
wird oder ob diese Hoffnung ein Traum der<br />
Wissenschaftlerbleibenwird. S. W.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Grünbuch „Hin zu einer<br />
Europäischen Strategie der Energieversorgungssicherheit“.<br />
29. 11. 2000, KOM (2000) 769<br />
Dies.: Kernenergie: Ja bitte oder nein danke? FTE-Info Nr. 40,<br />
Februar 2004<br />
Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung<br />
(EBWE, European Bank for Reconstruction<br />
and Development, EBRD), kurz Osteuropabank,<br />
mit Sitz in London. Sie wurde am 15. 4. 1991<br />
gegründet, um Kredite und Investitionen von 24<br />
Staaten (G 24) in die mittel(ost)europäischen Länder<br />
(MOE-Länder) zu transferieren. Hauptaufgabe der<br />
Bank ist die Förderung von wettbewerbsfähigen Investitionen<br />
im produktiven Sektor in den Ländern<br />
Zentral- und Osteuropas sowie Zentralasiens, die<br />
ehemals dem Ostblock angehörten, sowie die Hilfe<br />
beim Übergang zu einer marktorientierten Wirtschaft<br />
und demokratischen Regierungsform und die<br />
Beschleunigung der dafür erforderlichen Strukturanpassungen.<br />
Sie will ihre Geschäftstätigkeit stärker<br />
auf kleine und mittlere Unternehmen (�KMU) verlagern<br />
und sich von Projekten fernhalten, die eher entwicklungspolitischen<br />
Charakter haben und den<br />
staatlichen Bereich der osteuropäischen Länder betreffen.<br />
Rund 60 % der Kredite und Bürgschaften<br />
sind dem privaten Sektor vorbehalten.<br />
Grundkapital: 20 Mrd. Euro. 62 Anteilseigener bzw.
Mitglieder (2003), darunter alle EU-Staaten, die Europäische<br />
Investitionsbank, die Europäische Kommission,<br />
alle Länder, in denen die EBWE tätig ist sowie<br />
weitere europäische und außereuropäische Staaten.<br />
Größter Einzelaktionär sind die USA.<br />
Anschrift: One Exchange Square, London EC2A 2JN, United<br />
Kingdom<br />
Internet: www.ebrd.com<br />
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />
(EFSA), eine �Agentur der EU, wurde nach den<br />
Lebensmittelskandalen in den 1990er Jahren (�BSE,<br />
Dioxin) durch Verordnung 178/2002 (ABl. L 31/<br />
2002) gegründet. Sie berät die Kommission in FragenderLebensmittelsicherheitentlangdergesamten<br />
Lebensmittelkette (von Tierfuttermitteln bis zu Produkten<br />
für Endverbraucher). Ihr Wissenschaftlicher<br />
Ausschuss und ihre 8 wissenschaftlichen Gremien<br />
nehmen Risikobewertungen vor, auch in Bereichen<br />
wie Tiergesundheit, Tierschutz und Pflanzenschutz.<br />
Näheres zu ihren Aufgaben �Lebensmittelrecht Ziff.<br />
5.2<br />
Anschrift: rue de Genève 10, B–1140 Brüssel<br />
Internet: www.efsa.eu.int<br />
Europäische Beobachtungsstelle für audiovisuelle<br />
Medien ist eine dem �Europarat unterstellte<br />
Institution mit Sitz in Straßburg. An der 1992 gegründeten<br />
europäischen Einrichtung des öffentlichen<br />
Rechts sind 35 Staaten und die EG (durch Ratsentscheidung<br />
vom 22. 11. 1999, ABl. 307/1999) beteiligt.<br />
Sie soll der audiovisuellen Fachwelt Informationen<br />
bereitstellen und für Transparenz im audiovisuellen<br />
Bereich (Film, Fernsehen, Video/DVD, neue<br />
Medien) sorgen.<br />
Anschrift: 76 allée de la Robertsau, F–67000 Straßburg<br />
Internet: www.obs.coe.int<br />
Europäische Beobachtungsstelle für Drogen<br />
und Drogensucht (EBDD) mit Sitz in Lissabon,<br />
eine Agentur der EU, errichtet durch Ratsverordnung<br />
302/93 (ABl. L 36/1993), zuletzt geändert<br />
durch Verordnung 3294/94 (ABl. L341/1994). Sie<br />
hat ihre Arbeit 1995 aufgenommen (Aufgabe: Sammeln<br />
und Verbreiten von objektiven, zuverlässigen<br />
und vergleichbaren Informationen über Drogen und<br />
Drogensucht in Europa) und 1996 den ersten Bericht<br />
über die Drogenproblematik in der EU veröffentlicht.<br />
Die EBDD arbeitet mit Interpol und �Europol<br />
zusammen, ebenso mit dem Drogenüberwachungs-<br />
Europäische Charta<br />
programm der UN (UNDCP), der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO), der Weltzollorganisation<br />
(WZO)undder �„Pompidou-Gruppe“desEuroparates.<br />
Anschrift: Rua da Cruz de Santa Apolónia, 23–25,<br />
PT–1149-045 Lisbon<br />
Internet: www.emcdda.eu.int<br />
Europäische Beschäftigungsstrategie �Luxemburg-Prozess<br />
Europäische Bewegung (Netzwerk Europäische<br />
Bewegung) ist ein überparteilicher internationaler<br />
Zusammenschluss der organisierten Zivilgesellschaft<br />
im Bereich Europapolitik mit 120 privaten Organisationen<br />
aus 41 europäischen Ländern. Sitz ist<br />
Brüssel. Ein Bundesrat konstituiert sich aus den nationalen<br />
Mitgliedsverbänden. Der Europäischen Bewegung<br />
Deutschland (EBD), 1949 in Wiesbaden gegründet,<br />
gehören die großen im Bundestag vertretenen<br />
Parteien und ca. 130 gesellschaftliche Verbände,<br />
Organisationen und Gruppen an.<br />
Die Europäische Bewegung wurde 1948 auf einem<br />
Kongress in Den Haag (�Haager Kongress) gegründet.<br />
Die Mitgliederorganisationen setzen sich für die<br />
Ideen der europäischen Einigung (z. B. durch gemeinsame<br />
Resolutionen zur Europäischen Union,<br />
zum �Vertrag über die Europäische Union, zu Gesamteuropausw.)inderÖffentlichkeiteinundunterstützen<br />
den europäischen Integrationsprozess durch<br />
politische und wissenschaftliche Beiträge sowie<br />
durch kontinuierliche Aufklärungs- und Informationsarbeit.<br />
Die Aktivitäten der Europäischen Bewegung erfolgen<br />
in enger Zusammenarbeit mit den europäischen<br />
Behörden und laufen im Berliner Europa-Zentrum<br />
zusammen; sie werden lokal weitergegeben durch<br />
die Europahäuser, �Europäischen Akademien, Bildungsstätten<br />
für die politische Jugend- und Erwachsenenbildung.<br />
In manchen Bundesländern bestehen<br />
„Landeskomitees“ als regionale Untergliederungen<br />
der EBD. Ebenso wurde eine Frauenkommission<br />
eingerichtet.<br />
Organe: Deutscher Rat der Europäischen Bewegung,Präsidium,Mitgliederversammlung.<br />
W. M.<br />
Anschrift: Europäische Bewegung Deutschland e.V.,<br />
Jean-Monnet-Haus, Bundesallee 22, 10717 Berlin<br />
Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung<br />
�Kommunalpolitik Ziff. 3.1<br />
225
Europäische Charta<br />
Europäische Charta für Kleinunternehmen<br />
�Charta für Kleinunternehmen<br />
Europäische Dimension (im Unterricht)<br />
1. Beschreibung des Gegenstandes: Die Vorstellung<br />
von Europa als einer politischen Einheit ist in der nationalen<br />
und übernationalen Perspektive präsent. Sie<br />
impliziert gemeinsame und bewahrenswerte politische<br />
und kulturelle Werte und tritt insbes. in Gestalt<br />
der EU und der �NATO (als atlantische Gemeinschaft)<br />
sowie im weiteren Sinne als das Gesamteuropades�Europaratsundder�OrganisationfürSicherheit<br />
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) von ZypernüberdieTürkeiimSüdenbisnachSkandinavien<br />
im Norden sowie die Staaten des ehemaligen Ostblocks<br />
in Erscheinung. Praktisch äußert sie sich in<br />
abgestuften Formen der Zusammenarbeit auf einzelnen<br />
Gebieten und zwischen einzelnen Ländern. Aufgabe<br />
von Schule und sonstigen Lernstätten ist es, einen<br />
so bedeutsamen kulturellen, politischen, wirtschaftlichen,<br />
sozialen, rechtlichen Tatbestand in ihr<br />
curriculares Programm aufzunehmen. Er wird mit<br />
dem Begriff der „Europäischen Dimension“ benannt.<br />
Worauf bezieht er sich?<br />
Die Festlegung seines Inhalts und Umfangs beginnt<br />
mit dem Definitionsproblem in Sachen „Europa“. Er<br />
sollte eine politisch entwicklungsoffene Dimension<br />
wieeinehistorischeundgeografischeDimensionhaben<br />
sowie auf die Bildung eines europäischen �Bewusstseins<br />
und einer europäischen �Identität gerichtet<br />
sein. Dafür wäre ein international-konsensuales<br />
Set von Grundkenntnissen und -einsichten zu wünschen.<br />
Die „Europäische Dimension“, wie immer<br />
man sie definieren und inhaltlich fixieren mag, ist<br />
primär integrationspolitischer Natur. Sie verhilft der<br />
politischen Sozialisation zu einer zusätzlichen Perspektive.<br />
Sie erfordert, dass beizeiten Basisloyalitäten<br />
gegenüber den übernationalen Institutionen in<br />
Gestalt von neuen Solidaritäten, Werten und Normen,<br />
Informationen und Orientierungen gegenüber<br />
supranationalen Organisationen und Autoritäten<br />
größere Chancen im politischen Lernprozess erhalten.<br />
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die „Europäische<br />
Dimension“ im Unterricht der sozialwissenschaftlichen,<br />
sprachlichen und künstlerischen Fächer<br />
präsent sein sollte. Entscheidend für die Bewusstseinsbildung<br />
und Handlungsmotivation ist die<br />
Intensität der Bewusstmachung eines Problems. Die<br />
226<br />
Tatsache also, dass man sich z. B. mit europäischer<br />
Literatur befasst, besagt noch nicht, dass sie vom<br />
Schüler eo ipso in einen europäischen Handlungskontext<br />
aufgenommen wird, sondern kann durchaus<br />
als ein isoliertes Ereignis verstanden werden, es sei<br />
denn,manadaptierteundinterpretiertesieauchunter<br />
sozialwissenschaftlichem, zeitkritischem und einheitspolitischem<br />
Aspekt. Dies gilt ebenso für GeschichteundGeografie.Dazukommt/kommenu.a.:<br />
– derSchulalltag(sozialesundpolitischesLernen),<br />
– die �Europa-Schulen,<br />
– die Betreuung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer,<br />
– der �Europäische Schülerwettbewerb,<br />
– die schulischen Aktivitäten (Projekte, Wanderfahrten,<br />
Begegnungen, Ferienkurse, Grenzprojekte),<br />
– die Beziehungen, Patenschaften mit europäischen<br />
bzw. Minderheitenschulen,<br />
– der/die Jugend-/Schüleraustausch, -begegnungen,<br />
-kontakte, -veranstaltungen,<br />
– die Teilnahme an EU-, Europarats-, Unesco-Projekten<br />
(Curriculum, interkulturell),<br />
– die Öffnung zur (europäischen) Gesellschaft und<br />
Kultur.<br />
2. Europäische Dimension nach Auffassung der EG:<br />
Von spürbarer Bedeutung für die Förderung internationaler<br />
didaktischer Studien wurde die Mitteilung<br />
der EG-Kommission an den EG-Ministerrat „Unterricht<br />
mit europäischen Bildungsinhalten: Die Europäische<br />
Gemeinschaft als Unterrichtsgegenstand an<br />
denSchulender Mitgliedstaaten“vom8.6.1978(am<br />
27. 6. 1980 von den EG-Bildungsministern beraten,<br />
aberinfolgedesDissensesüberdieZuständigkeitder<br />
�Römischen Verträge für die Bildungspolitik vor allem<br />
infolge des dänischen Vetos nicht verabschiedet),<br />
ergänzt durch die Mitteilung der Kommission<br />
an den Rat über den „Sprachunterricht in der Gemeinschaft“<br />
vom 22. 6. 1978. Nach einer ungewöhnlichdeutlichenKritikderKommissionanderSituation<br />
des Unterrichts über Europa in den meisten<br />
EG-Ländern werden als wesentliche Inhalte benannt:<br />
„9. Das Unterrichtsfach sollte während der gesamten<br />
Schulzeit die folgenden drei Hauptbereiche umfassen:<br />
a) Die Gemeinschaft in ihrem europäischen Zusammenhang:<br />
historische und politische Zusammenhänge,<br />
die zur Gründung der Gemeinschaft führten; Zie-
le der Gründer; die Rolle der Gemeinschaft im Verhältnis<br />
zu anderen Regierungsebenen (kommunal,<br />
regional,national);dieGemeinschaftalsRahmenfür<br />
gemeinsame Aktionen, bei denen die menschlichen,<br />
kulturellenundnationalenEigenheitengewahrtbleiben;<br />
Beziehungen zu anderen Ländern und Gebieten<br />
Europas.<br />
b) Tätigkeiten der Gemeinschaft; ihre Befugnisse<br />
und Entscheidungsmechanismen; institutionelle<br />
Entwicklungen (einschl. Direktwahlen) und ihre<br />
Auswirkungen; wichtigste Leistungen und Probleme<br />
der Gemeinschaft; Auswirkungen auf das Leben<br />
ihrerBürger;ProblemeihrerkünftigenEntwicklung.<br />
c) Die Gemeinschaft in weltweitem Rahmen; Beziehungen<br />
zu den Supermächten, anderen Industriestaaten<br />
und Entwicklungsländern; ihre Rolle in Bezug<br />
auf die Vereinten Nationen und sonstige internationale<br />
Organisationen; Vergleich mit anderen regionalen<br />
Gruppierungen. [...]<br />
15. Ausgangspunkt für einen ernst zu nehmenden<br />
Versuch, die in diesem Zusammenhang anstehenden<br />
Fragen zu lösen, müsste nach Ansicht der Kommission<br />
eine gemeinsame Handlungsstrategie auf einzelstaatlicher<br />
und Gemeinschaftsebene sein.<br />
16. Diese Strategie sollte hauptsächlich folgendes<br />
umfassen:<br />
a) die systematische Förderung der Einbeziehung<br />
des Unterrichts über die Europäische Gemeinschaft<br />
indieLehrpläneallerSchulenderMitgliedstaaten;<br />
b) ein gemeinschaftliches Lehrplanentwicklungsprogramm<br />
mit dem Ziel, für den Unterricht über die<br />
Europäische Gemeinschaft an den Schulen neue Methoden<br />
auszuarbeiten und sie in einer Reihe von Modellversuchen<br />
zu erproben;<br />
c) Förderung und Entwicklung von Programmen für<br />
die Grund- und berufsbegleitende Lehrerbildung zur<br />
Vorbereitung auf den Unterricht über die Gemeinschaft<br />
in allen Mitgliedstaaten und Unterstützung<br />
der Arbeit der Lehrerbildungsanstalten, die sich auf<br />
diesem Gebiet spezialisieren;<br />
d) VersorgungmitHilfseinrichtungenundLehr-und<br />
Lernmitteln, um Lehrer, die über die Gemeinschaft<br />
unterrichten, mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten.“<br />
Entscheidend wird sein, dass die nationalen RegierungeninihremBereichfüreineUmsetzungder„Europäischen<br />
Dimension“ in die Curricula sowie für<br />
eine intraeuropäische Zusammenarbeit in den o. g.<br />
Punkten sorgen. Inhaltlich reicht ein bloßes „Verste-<br />
Europäische Dimension<br />
hen“ des politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen<br />
Lebens der EU-Mitgliedstaaten und die „Information“überdieZielederEUnichtaus.Eskommt<br />
vielmehr auf eine kritische Analyse der Einigungspolitik<br />
und eine praktisch-politische Beteiligung der<br />
Bürger am Einigungsprozess an (vgl. die Initiativen<br />
und Arbeiten einzelner Institute wie: Institut für europäische<br />
Lehrerbildung an der Europäischen Akademie<br />
Berlin; Interdisziplinäres Institut für europäische<br />
Fragen und Lehrerbildung der Pädagogischen<br />
Fakultät der Universität Bonn; Internationales Institut<br />
für Europäische Bildung, Paderborn; Zentrum für<br />
Europäische Bildung, Bonn; Sussex European Research<br />
Centre, The University of Sussex, Brighton;<br />
Institute of European Education, S. Martin’s College,<br />
Lancaster; Europees Platform voor het Nederlandse<br />
Onderwijs, Alkmaar).<br />
Die EG-Bildungsminister wollen nach ihrer „Entschließung<br />
zur europäischen Dimension im Bildungswesen“<br />
vom 24. 5. 1988 (ABl. C 177/1988) zur<br />
Verwirklichung des „Europas der Bürger“ und zur<br />
Schaffung des Binnenmarktes beitragen, indem sie<br />
als Ziele angeben:<br />
„– das Bewusstsein der jungen Menschen für die europäische<br />
Identität zu stärken und ihnen den Wert der<br />
europäischenKulturundderGrundlagen,aufwelche<br />
die Völker Europas ihre Entwicklung heute stützen<br />
wollen,nämlichinsbes.dieWahrungderGrundsätze<br />
der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der<br />
AchtungderMenschenrechte[...],zuverdeutlichen;<br />
– die junge Generation auf ihre Beteiligung an der<br />
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gemeinschaft<br />
und an der Erzielung konkreter Fortschritte<br />
zur Verwirklichung der Europäischen Union<br />
gemäß der Einheitlichen Europäischen Akte vorzubereiten;<br />
[...]<br />
– den jungen Menschen eine bessere Kenntnis der<br />
Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten in ihren historischen,<br />
kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen<br />
Aspekten zu vermitteln und ihnen die Bedeutung der<br />
Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Gemeinschaft<br />
mit anderen Staaten Europas und der<br />
Welt näher zu bringen.“<br />
Als Aktionen zur Zieloperationalisierung werden<br />
angeführt:<br />
– die „ausdrückliche Einbeziehung der europäischen<br />
Dimension in die Lehrpläne aller dafür geeigneten<br />
Fächer, bspw. im Literatur- und Fremdsprachenunterricht,inGeschichte,Erdkunde,Sozialkun-<br />
227
Europäische Dokumentationszentren<br />
de, Wirtschaftskunde und in den künstlerischen Fächern“;<br />
– die Erstellung entsprechender Lehrmaterialien;<br />
– die Lehreraus- und -fortbildung;<br />
– der Lehrer- und Schüleraustausch, Schulpartnerschaften;<br />
– die Förderung des Informationsaustauschs;<br />
– dieNutzungderEG-Programme(�ARION,�Erasmus)<br />
u. dgl.<br />
Die Umsetzung dieser Vorschläge bleibt den nationalen<br />
Bildungssystemen überlassen (vgl. Deutschland:<br />
KMK-Beschluss). �Europa im Unterricht<br />
W. M.<br />
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Grünbuch zur europäischen Dimension<br />
des Bildungswesens (abgedruckt in Zs. für internationale<br />
erziehungs- und sozialwissenschaftliche Forschung 1/1994)<br />
Luchtenberg, S./Nieke, W. (Hg.): Interkulturelle Pädagogik und<br />
Europäische Dimension. Münster 1994<br />
Mickel, W.: Der Begriff der „europäischen Dimension“ im<br />
Unterricht. In: Aus Politik und Zeitgeschichte Bd. 41/84,<br />
S. 25 – 37<br />
Mickel, W.: Europa in Unterricht und Bildung. Ausgewählte<br />
Schriften zur europäischen Erziehungs-, Bildungs- und<br />
Kulturpolitik. Grevenbroich/Stuttgart 2002<br />
Europäische Dokumentationszentren (EDZ)<br />
sindein1963errichtetesNetzwerkderEUzurFörderung<br />
des Studiums, der Lehre und der Forschung auf<br />
Hochschulebene. Die Einrichtungen (Spezialbibliotheken)<br />
erhalten sämtliche Dokumente, periodische<br />
und nichtperiodische Veröffentlichungen der<br />
EG/EU und fungieren ebenso als Depositarbibliotheken<br />
und/oder Referenzzentren der EU (ca. 500<br />
weltweit). Die deutschen EDZ befinden sich in der<br />
Regel an Universitäten mit Fachbereichen, die europäische<br />
Studien anbieten, oder an Universitätsbibliotheken,<br />
darüber hinaus u. a. an der Europäischen<br />
AkademieBerlin,beiderDeutschenGesellschaftfür<br />
Auswärtige Politik Berlin, beim Deutschen Institut<br />
für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin, bei<br />
der Bibliothek des Deutschen Bundestages Berlin,<br />
bei der Deutschen Bibliothek in Frankfurt/M., am<br />
Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches<br />
Recht und Völkerrecht in Heidelberg, am Institut für<br />
Weltwirtschaft Kiel, an der Bayerischen Staatsbibliothek<br />
München, an der Württembergischen LandesbibliothekStuttgart.<br />
W. M.<br />
Europäische Eisenbahnagentur, gegründet<br />
durch Verordnung 881/2004 des Europäischen Par-<br />
228<br />
lamentes und des Rats vom 29. 4. 2004 (ABl. L<br />
164/2004, berichtigt ABl. L 220/2004). Technische<br />
und betriebliche Unterschiede zwischen den EisenbahnsystemenderMitgliedstaaten(u.a.unterschiedliche<br />
Spurweiten, nicht untereinander kompatible<br />
nationale Vorschriften) haben bisher die Verwirklichung<br />
eines europäischen Eisenbahnraums ohne<br />
Grenzen behindert, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen<br />
dafür schon weitgehend geschaffen sind,<br />
insbes. durch die Richtlinien 91/440 (Öffnung des<br />
Güterschienenverkehrsmarktes), 95/18 (EU-weite<br />
GenehmigungfürEisenbahnunternehmen),2001/14<br />
(Nutzung der Eisenbahninfrastruktur gegen Entgelt).<br />
Um auch die technische Nutzung der unterschiedlichen<br />
Eisenbahnsysteme (ihre Interoperabilität) zu<br />
verbessern, wurden die Richtlinien 96/48 (Transeuropäisches<br />
Hochgeschwindigkeitsbahnsystem) und<br />
2001/16 (Interoperabilität des konventionellen<br />
transeuropäischen Eisenbahnsystems) erlassen. Zusätzlich<br />
sieht die Richtlinie 2004/49 (Eisenbahnsicherheit)dieEntwicklunggemeinsamerSicherheitsstandards<br />
vor.<br />
Die Koordinierung, Überwachung und Verbesserung<br />
einer sicheren transeuropäischen Nutzung des<br />
Schienennetzes ist Aufgabe der unabhängigen Europäischen<br />
Eisenbahnagentur, die ihren Sitz in Valenciennes<br />
(Frankreich) hat. Die Agentur kann Empfehlungen<br />
und Stellungnahmen an die Kommission<br />
richten. Sie greift auf Vorarbeiten und Erfahrungen<br />
derEuropäischenVereinigungfürdieInteroperabilität<br />
im Bereich der Bahn (AEIF) zurück, der Fahrzeughersteller,<br />
Fahrwegbetreiber und Eisenbahnunternehmen<br />
angehören.<br />
Internet:<br />
http://europa.eu.int/comm/transport/rail/era/index_de.htm<br />
Europäische Elternorganisation �EPA (European<br />
Parents Association)<br />
Europäische Frauenlobby (EFL)<br />
1. Wer ist die EFL: Die Europäische Frauenlobby<br />
(EFL) ist die größte Frauenorganisation in der EU.<br />
Sie wurde 1990 von Frauenorganisationen aus allen<br />
Ländern der EU gegründet und ist seitdem ständig<br />
gewachsen. Derzeit vertritt sie über 4000 Mitgliedsorganisationen<br />
aus den 25 EU-Ländern. Dabei berücksichtigt<br />
sie die gesamte Bandbreite von Lebenssituationen<br />
und Erfahrungen von Frauen. Die EFL
vertritt u. a. Gewerkschafterinnen, Bäuerinnen, Migrantinnen,<br />
konfessionell und berufsständig organisierte<br />
Frauen, Frauenrechtsorganisationen, Frauen<br />
mit Behinderungen etc., die sich auf europäischer<br />
odernationalerEbenezusammengeschlossenhaben.<br />
Die EFL ist eine demokratische Organisation mit<br />
transparenten Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen.<br />
Höchstes Organ ist die Mitgliederversammlung.SietritteinmalimJahrzusammenund<br />
wählt alle zwei Jahre einen Vorstand. Dieser wiederum<br />
wählt einen fünfköpfigen geschäftsführenden<br />
Vorstand. Das Sekretariat mit Sitz in Brüssel koordiniert<br />
und unterstützt die Lobbyarbeit der Mitgliedsverbände<br />
auf europäischer Ebene.<br />
Die EFL erhält 80 Prozent ihres Budgets von der Europäischen<br />
Kommission, 20 Prozent setzen sich aus<br />
Mitgliedsbeiträgen und anderen, unabhängigen Finanzquellen<br />
zusammen. Die EFL hat Beobachterstatus<br />
im Wirtschafts- und Sozialrat (�ECOSOC) der<br />
Vereinten Nationen.<br />
2. Ziele und Aufgaben der EFL: Oberstes Ziel der<br />
EFL ist es, darauf hinzuwirken, dass Gleichberechtigung<br />
und Menschenrechte von Frauen in allen Politikbereichen<br />
der EU berücksichtig werden und alle<br />
Formen der Diskriminierung von Frauen verschwinden.<br />
Großen Wert legt die EFL dabei auch auf die<br />
Rechte und den Schutz von Migrantinnen, ethnischen<br />
Minderheiten und anderen besonders gefährdeten<br />
Randgruppen in der EU. Die EFL macht sich<br />
stark für eine europäische Sozialpolitik und dafür,<br />
dass Frauen einbezogen werden in die Kooperationen,<br />
die die EU mit anderen, vor allem mit osteuropäischen<br />
Ländern unterhält.<br />
Aufgabe der EFL ist es, die Interessen ihrer Mitgliedsorganisationen<br />
gegenüber den europäischen<br />
Institutionen zu vertreten. Sie beobachtet EU-Gesetzesvorhaben<br />
und arbeitet auf die umfassende BerücksichtigungundUmsetzungvonGeschlechtergerechtigkeithin.Darüberhinausplantundführtsiezusammen<br />
mit ihren Mitgliedern Kampagnen durch.<br />
Dabei steht es jeder Mitgliedsorganisation frei, sich<br />
einer solchen Kampagne anzuschließen oder nicht.<br />
3. Wichtige Themen: Folgende Themen haben die<br />
EFL in den vergangenen Jahren besonders beschäftigt:<br />
der Europäische Verfassungsvertrag, die ErweiterungderEuropäischenUnion,dieneueEU-Gleichstellungsrichtlinie,<br />
10 Jahre Pekinger Aktionsplattform,<br />
der Kampf gegen Gewalt an Frauen.<br />
3.1.DerEuropäischeVerfassungsvertrag2004:Seit<br />
Europäische Frauenlobby<br />
2002 hat die EFL die Arbeit des Konvents zur Zukunft<br />
Europas aus nächster Nähe beobachtet, kommentiert<br />
und kritisiert. Die EFL stellte allen Konventsmitgliedern<br />
regelmäßig Positionspapiere und<br />
Änderungsvorschläge zur Verfügung und blieb in<br />
engem Kontakt mit den weiblichen Konventsmitgliedern.<br />
Sie informierte ihre Mitgliedsorganisationen,<br />
beriet sich mit ihnen und unterstützte Aktionen<br />
auf nationaler Ebene. Als Reaktion auf zahlreiche<br />
Proteste gegen die eklatante Unterrepräsentanz von<br />
Frauen im Konvent wurde zumindest der Jugendkonvent<br />
geschlechterparitätisch besetzt. Der erste<br />
Verfassungsentwurf enthielt nicht einen einzigen<br />
Hinweis auf die Gleichberechtigung von Frauen und<br />
Männern. Darauf haben seit Ende 2002 alle Mitglieder<br />
der EFL in einer konzertierten Aktion reagiert.<br />
Im Vergleich zur Ausgangssituation ist der vom<br />
Konvent verabschiedete Entwurf ein guter frauenpolitischer<br />
Erfolg. Die Gleichberechtigung von Frauen<br />
und Männern ist im Kapitel „Ziele der EU“ verankert<br />
und das �Gender Mainstreaming auf alle Bereiche<br />
der EU-Politik, einschl. der Außen-, Sicherheits-,<br />
Justiz- und Innenpolitik ausgedehnt worden.<br />
3.2. Die Erweiterung der Europäischen Union: Dem<br />
Beitritt von 10 Ländern am 1. 5. 2004 war ein langwieriger<br />
Erweiterungsprozess vorausgegangen. In<br />
dieser Zeit haben sich Frauenorganisationen auf europäischer<br />
und nationaler Ebene dafür eingesetzt,<br />
dass der für den EU-Beitritt erforderliche Gesetzesrahmen<br />
zur Gleichberechtigung zwischen Frauen<br />
und Männern vollständig umgesetzt wird. Parallel<br />
dazu baute die EFL ihre Kontakte zu und ihre Zusammenarbeit<br />
mit Frauenorganisationen in den neuen<br />
EU-Staaten und zukünftigen Beitrittsländern weiter<br />
aus und nahm neue Mitgliedsorganisationen aus diesen<br />
Ländern in ihren Reihen auf.<br />
3.3. Die neue EU-Gleichstellungsrichtlinie: Seit<br />
2002 hat sich die EFL intensiv für eine umfassende<br />
Antidiskriminierungsrichtlinie außerhalb des Bereiches<br />
„Arbeitsmarkt und Beschäftigung“ eingesetzt<br />
und erstmalig im Vorfeld eines EU-Kommissionsentwurfes<br />
eine eigene umfangreiche „Schattenrichtlinie“<br />
ausgearbeitet. Ihr zentrales Anliegen war, weg<br />
von einer bloßen Vermeidung von Diskriminierung<br />
hin zu einer Förderung der Gleichberechtigung zu<br />
kommen.<br />
Noch bevor ein Richtlinienvorschlag der Kommission<br />
auf dem Tisch lag, begann im Sommer 2003 eine<br />
Pressekampagne dagegen. Triebkräfte waren vor al-<br />
229
Europäische Frauen-Union<br />
lem die Versicherungslobby, die sich keine Unisex-<br />
Tarife für ihre Leistungen verordnen lassen wollte,<br />
und die (Boulevard-)Medien, die sich vor Klagen gegen<br />
Sexismus in redaktionellen Beiträgen und Anzeigen<br />
fürchteten.<br />
Bei einer öffentlichen Anhörung im September<br />
2003, die vom Frauenrechtsausschuss des Europäischen<br />
Parlaments organisiert wurde, mobilisierte die<br />
EFL ihre Mitglieder und machte die breite Unterstützung<br />
für das neue Gesetz deutlich. Der Richtlinienvorschlag,<br />
der schließlich im November 2003 von<br />
der Europäischen Kommission angenommen wurde,<br />
schließt lediglich „die gleiche Behandlung von Frauen<br />
und Männern im Zugang und Angebot von Gütern<br />
und Dienstleistungen“ ein. Bereiche wie „Bildung“<br />
und „Medien und Werbung“ fielen weg. Die Richtlinie<br />
wurde so vom EU-Ministerrat am 4. 10. 2004 bei<br />
einer Enthaltung durch Deutschland angenommen<br />
(RL 2004/113, Abl. L 373/2004).<br />
Diese Richtlinie bleibt deutlich hinter der europäischen<br />
Antidiskriminierungs-Richtlinie zurück, die<br />
im Jahr 2000 angenommen wurde und auch die Bereiche<br />
Sozialschutz, Gesundheitsschutz und Ausbildung<br />
umfasst. Daher kann die neue Richtlinie „zur<br />
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung<br />
von Frauen und Männern beim Zugang und bei<br />
der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“<br />
nur ein erster Schritt sein, um nach und nach die Diskriminierung<br />
von Frauen in allen Bereichen gesetzlich<br />
zu unterbinden.<br />
3.4. Zehn Jahre Pekinger Aktionsplattform: Auf der<br />
UN-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking wurde<br />
eine Aktionsplattform verabschiedet, die Maßnahmen<br />
benennt zur Beseitigung von Benachteiligungen,<br />
Diskriminierung und Gewalt, denen Frauen<br />
weltweit ausgesetzt sind. Im Jahr 2005 soll auf internationaler<br />
und nationaler Ebene Rechenschaft abgelegt<br />
werden über den Stand der Implementierung.<br />
Die EFL hat einen alternativen Bericht erstellt, der<br />
die gesamten EU-Politiken (Aktionen, Programme,<br />
Gesetzgebung) darauf hin untersucht, inwieweit sie<br />
in den vergangenen zehn Jahren der Pekinger Aktionsplattform<br />
gerecht geworden sind. In Kurzform<br />
lautet das Resümee: Auf Gesetzesebene hat es hinsichtlich<br />
Gleichberechtigung in der EU einen echten<br />
Fortschritt gegeben, auch hat der Anteil von Frauen<br />
in Führungspositionen zugenommen, außerdem ist<br />
das Bewusstsein bzw. die Sensibilität gestiegen gegenüber<br />
Fragen, die mit Gewalt gegen Frauen ver-<br />
230<br />
bunden sind. Gleichzeitig hat eine Wirtschaftspolitik,<br />
die die Marktfreiheit, die Privatisierung und den<br />
Wettbewerb forciert und einer sozialen Agenda<br />
kaum Beachtung schenkt, den Gleichberechtigungsprozess<br />
verlangsamt. Die Kürzungen im öffentlichen<br />
Sektor haben Frauen unverhältnismäßig getroffen,<br />
haben die Frauenarmut erhöht und die Sozialstaatsmodelle<br />
in Europa geschwächt. Sorge bereitet<br />
auchdasErstarkenextremkonservativerundreligiös<br />
fundamentalistischer Kräfte, die besonders das<br />
Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung<br />
von Frauen bedrohen.<br />
3.5. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen: Die EFL<br />
hat ein Aktionszentrum gegen Gewalt an Frauen ins<br />
Leben gerufen und einen „Think Tank“ gegründet, in<br />
dem Vertreterinnen von Frauenorganisationen, europäischen<br />
Institutionen und Wissenschaftlerinnen<br />
europäische Politik im Bereich Gewalt gegen Frauen<br />
diskutieren. Die EFL verfolgt die Entwicklung der<br />
europäischen Gesetzgebung in Sachen Frauenhandel<br />
und strebt eine gesetzliche Grundlage gegen Gewalt<br />
an Frauen auf europäischer Ebene an.<br />
4. Ausgewählte Projekte der EFL: Verstärkte Einmischung<br />
in die EU-Beschäftigungspolitik, um Geschlechtergerechtigkeit<br />
auf dem Arbeitsmarkt einzufordern;<br />
Mobilisierung der MitgliedsorganisationenfürdieEU-StrategiengegensozialenAusschluss<br />
und Armut; Aufmerksamkeit und Engagement von<br />
Frauenorganisationen wecken im Zusammenhang<br />
mit der Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrags<br />
und der geplanten Referenden; Verstärkung der Zusammenarbeit<br />
mit Frauenorganisationen in den neuen<br />
EU-Mitglieds- und weiteren Beitrittsinteressenten<br />
wie Bulgarien, Rumänien, Kroatien und der Türkei;<br />
Intensivierung des Kampfes gegen jegliche GewaltanFrauen,VerbesserungdesKontakteszuFrauenorganisationen<br />
in Ost- und Mitteleuropa, die auf<br />
diesem Gebiet arbeiten, verstärkte Lobbyarbeit für<br />
eine europäische Antigewalt-Gesetzgebung, Kampagne<br />
für ein „Europäisches Jahr gegen Gewalt an<br />
Frauen“.<br />
5. Deutsche Mitglieder der EFL: Der Deutsche Frauenrat<br />
(www.frauenrat.de) ist Gründungsmitglied der<br />
EFL und hat als nationale Mitgliedsorganisation einen<br />
Sitz im Vorstand. Darüber hinaus gibt es eine<br />
Reihe von Frauenverbänden in Deutschland, die der<br />
EFLassoziiertsind. U. H.<br />
Anschrift: 18 Rue Hydralique, B–1210 Bruxelles<br />
Internet: www.womenlobby.org
Europäische Frauen-Union (EFU). European<br />
Union of Women/Union Européenne Féminine),<br />
gegr. 1953 in Salzburg. Überparteilicher Zusammenschluss<br />
von weiblichen Abgeordneten des Europaparlaments,<br />
der Bundes-, Landes- und Kommunalparlamente<br />
und von Frauen des öffentlichen Lebens.<br />
Sie gehören christlich-demokratischen, konservativen<br />
u. ä. Parteien oder ihnen verwandten Organisationen<br />
aus 15 Ländern (Belgien, Dänemark,<br />
Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland,<br />
Großbritannien, Italien, Luxemburg, Malta, Norwegen,<br />
Portugal, Österreich, Schweden und der<br />
Schweiz) an (Kontakte mit Island und Spanien).<br />
Ziele:„DieEFUkämpftinZusammenarbeitmitpolitischen<br />
Parteien und Verbänden des freien Europas,<br />
die die geistigen und moralischen Werte christlicher<br />
Grundprinzipien vertreten, für die Verteidigung der<br />
menschlichenWürde,fürdieFreiheitunddenSchutz<br />
des kulturellen Erbes von Europa sowie für den ökonomischen,<br />
liberalen und sozialen Fortschritt unter<br />
Wahrung der Rechte des Individuums.<br />
Die EFU setzt sich für den Frieden ein und gründet<br />
ihre Handlungsprinzipien auf Gerechtigkeit und der<br />
freien Zusammenarbeit der Völker Europas und der<br />
Welt.“ (Statuten, Art. II)<br />
„Diese Grundprinzipien müssen durch eine VerstärkungdesEinflussesderFrauenaufdaspolitischeund<br />
öffentliche Leben in den europäischen Nationen und<br />
in den europäischen Organisationen verwirklicht<br />
werden. Die Schaffung von Kontakten zwischen<br />
Frauen der freien europäischen Nationen ist eine besondere<br />
Aufgabe der EFU.“ (Statuten, Art. III)<br />
Struktur: Die Generalversammlung und der Rat bestimmen<br />
die Grundlinien der Verbandsarbeit, der<br />
Vorstand führt sie aus. Er steht in ständiger Verbindung<br />
mit den internationalen Organisationen und Institutionen.<br />
Dabei unterstützen ihn Fachkommissionen.<br />
W. M.<br />
Internet: www.frauen-union.de<br />
Europäische Freihandelsassoziation(European<br />
Free Trade Association, EFTA)<br />
1. Gründung, Vertragsgrundlage: Die Europäische<br />
Freihandelsassoziation, zumeist „Europäische Freihandelszone“<br />
genannt, wurde nach dem Scheitern<br />
der Pläne für eine gesamt-(west-)europäische Freihandelszone<br />
am 4. 1. 1960 von Dänemark, Großbritannien,<br />
Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden<br />
und der Schweiz in Stockholm gegründet. Das Ab-<br />
Europäische Freihandelsassziation<br />
kommen über die Errichtung der EFTA (EFTA-<br />
Konvention oder „Konvention von Stockholm“) trat<br />
am 3. 5. 1960 in Kraft. Island wurde 1970 Mitglied;<br />
Finnland, seit 1961 assoziiert, wurde 1986 Vollmitglied.<br />
Liechtenstein, zunächst von der Schweiz vertreten,<br />
ist seit 1991 Mitglied.<br />
SechsderEFTA-MitgliedersindmittlerweilezurEU<br />
übergewechselt (vgl. Ziff. 4). Seit 1995 besteht die<br />
EFTA nur mehr aus den vier Staaten Island (0,29<br />
Mio. Einw.), Liechtenstein (0,03 Mio.), Norwegen<br />
(4,6 Mio.) und der Schweiz (7,3 Mio.). Für Island,<br />
Liechtenstein und Norwegen bildet die EFTA zugleich<br />
die Grundlage für die Teilnahme am �Europäischen<br />
Wirtschaftsraum (EWR) zwischen EFTA<br />
und EU. Die Schweiz gehört nicht zu den sog. „EF-<br />
TA-EWR-Staaten“, hat allerdings mittlerweile verschiedene<br />
bilaterale sektorielle Abkommen mit der<br />
EU abgeschlossen, um eine mögliche Isolation zu<br />
verhindern (�Schweiz – EU).<br />
Am 21. 6. 2001 unterzeichneten die EFTA-Mitgliedstaaten<br />
in Vaduz ein Abkommen, mit dem die EFTA-<br />
Konvention aus dem Jahre 1960 vollständig überarbeitet<br />
wurde. Mit dem Abkommen von Vaduz wurden<br />
u. a. Regelungen zur Personenfreizügigkeit, für<br />
den Handel mit Dienstleistungen, den Kapitalverkehr<br />
und den Schutz des geistigen Eigentums in die<br />
EFTA-Konvention aufgenommen. Hintergrund dafür<br />
war die Anpassung der Konvention an die<br />
EWR-Vereinbarungen und die 1995 etablierte Welthandelsorganisation<br />
�WTO.<br />
Das Abkommen zur Änderung der EFTA-Konvention<br />
ist am 1. 6. 2002 in Kraft getreten, zeitgleich mit<br />
den sieben sektoriellen Abkommen zwischen der<br />
Schweiz und der EU aus dem Jahre 1999. Die EF-<br />
TA-Konvention wird seither regelmäßig angepasst,<br />
vor allem um den Entwicklungen bei den bilateralen<br />
Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU<br />
Rechnung zu tragen. Ziel ist eine möglichst parallele<br />
Weiterentwicklung der Vertragsbeziehungen zwischen<br />
den EFTA-Staaten untereinander und zwischen<br />
den EFTA-Staaten und der EU.<br />
2. Ziele, Arbeitsweise: Nachdem es Ende der 1950er<br />
Jahrenichtmöglichwar,imRahmender�OEECeine<br />
gesamt-(west-)europäische Freihandelszone zu errichten<br />
(Maudling-Verhandlungen), und die an<br />
Wirtschaftsintegration interessierten Staaten die<br />
�Römischen Verträge unterzeichnet hatten, entschieden<br />
sich die verbleibenden, lediglich an Freihandel<br />
interessierten Staaten, mit der EFTA ein Ge-<br />
231
Europäische Freihandelsassoziation<br />
gengewicht zur 1957 gegründeten EWG zu schaffen.<br />
Großbritannien wollte damals aus Rücksicht auf seine<br />
engen Bindungen mit den Commonwealth-Partnern<br />
nicht Mitglied der EWG werden; Österreich<br />
durftewegenderimStaatsvertrag(1955)mitdenvier<br />
Siegermächten des Zweiten Weltkriegs enthaltenen<br />
NeutralitätsklauselnichtderEWGbeitreten;Schweden<br />
und die Schweiz fürchteten, durch einen EWG-<br />
Beitritt ihr traditionelles Neutralitätsprinzip zu verletzen;<br />
andere Gründungsmitglieder der EFTA waren<br />
wegen ihrer engen wirtschaftlichen Bindungen an<br />
Großbritannien von dessen Verhalten abhängig.<br />
Ziel der EFTA war es u. a., durch den Abbau der Binnenzölle<br />
und anderer Handelshemmnisse zwischen<br />
den Mitgliedstaaten (�Außenhandelspolitik, �Binnenmarkt)<br />
den grenzüberschreitenden Warenverkehr<br />
mit gewerblichen Erzeugnissen zu erweitern,<br />
die Wirtschaftstätigkeit auszuweiten, Vollbeschäftigung<br />
zu sichern, die Produktivität zu steigern, faire<br />
Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und zur harmonischen<br />
Entwicklung und Erweiterung des Welthandels<br />
beizutragen. Dahinter stand nicht zuletzt das<br />
Bestreben, den als Folge der EWG-Gründung befürchteten<br />
relativen Rückgang des Handels mit den<br />
EWG-Staaten auszugleichen.<br />
Im Gegensatz zu einer �Zollunion, wie sie das Kernstück<br />
der EWG/EG/EU bildet, kennt eine �FreihandelszonewiedieEFTAkeinengemeinsamenAußenzolltarif,<br />
vielmehr liegt die Handelspolitik gegenüber<br />
Drittstaaten in der Hand der einzelnen Mitglieder.<br />
Jedes EFTA-Mitglied kann im Warenverkehr<br />
mit Drittstaaten Zölle und Mengenbeschränkungen<br />
individuell festlegen. Die EFTA-interne Liberalisierung<br />
erstreckt sich aber nur auf den grenzüberschreitenden<br />
Handel mit Industrie- und gewerblichen Produkten;<br />
wegen der großen Unterschiede in der Landwirtschaft<br />
zwischen den Mitgliedstaaten gilt sie mit<br />
Ausnahme einiger industriell verarbeiteter landwirtschaftlicher<br />
Erzeugnisse nicht für Agrarprodukte.<br />
Um zu verhindern, dass aus EFTA-Staaten mit niedrigen<br />
Außenzolltarifen Importgüter in andere EFTA-<br />
Staaten mit hohen Außenzöllen reexportiert werden,<br />
legt die EFTA-Konvention fest, dass für Waren, für<br />
welche die Zollfreiheit der EFTA in Anspruch genommen<br />
wird, ein mindestens 50-prozentiger Wertzuwachs<br />
in der Freihandelszone nachgewiesen werden<br />
muss. Folglich sind für den grenzüberschreitenden<br />
Warenverkehr innerhalb der EFTA �Ursprungszeugnisse<br />
erforderlich.<br />
232<br />
3. Organe und Institutionen. Der EFTA-Rat ist das<br />
zentraleEntscheidungsorganderFreihandelsorganisation.<br />
Der Vorsitz rotiert halbjährlich zwischen den<br />
Mitgliedstaaten. Der EFTA-Rat setzt sich aus je einem<br />
Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen (je 1<br />
Stimme). Er tagt in der Regel monatlich auf der EbeneständigerDelegierter;zweimaljährlichfindenTagungen<br />
auf Ministerebene im Land des jeweiligen<br />
EFTA-Vorsitzes statt. Als oberstes Organ besitzt der<br />
EFTA-Rat uneingeschränkte politische Entscheidungsbefugnisse,<br />
jedoch müssen Beschlüsse in der<br />
Regel einstimmig erfolgen. Der Rat ist auch für die<br />
Beilegung von Streitfragen zwischen den Mitgliedstaaten<br />
zuständig.<br />
Zur Umsetzung der EWR-Verpflichtungen haben<br />
die EFTA-EWR-Staaten 1992 eine EFTA-Aufsichtsbehörde<br />
(EFTA Surveillance Authority, ESA,<br />
Sitz: Brüssel) und einen EFTA-Gerichtshof (Sitz:<br />
Luxemburg) eingerichtet. Jeder der daran teilnehmenden<br />
EFTA-Mitgliedstaaten entsendet einen<br />
Richter.<br />
Zur Durchführung der EFTA-Konvention und für<br />
Verwaltungsaufgaben wurden vom Rat verschiedene<br />
Ständige Komitees und Expertengruppen aus Beamten<br />
eingesetzt, die aber keine rechtlich bindenden<br />
Entscheidungentreffenkönnen.Danebenbestehtein<br />
Konsultativ-Komitee,dassichausVertreternderSozialpartner<br />
(Wirtschaft, Gewerkschaften und anderen<br />
gesellschaftlichen Gruppierungen) zusammensetzt,<br />
sowie ein Parlamentarier-Komitee, das viermal<br />
jährlich tagt.<br />
Das EFTA-Sekretariat ist auf vier Orte verteilt: Am<br />
EFTA-Hauptsitz in Genf werden unter Leitung des<br />
Generalsekretärs vor allem institutionelle Fragen<br />
und Drittlandbeziehungen behandelt; das Brüsseler<br />
EFTA-Büro, in dem mittlerweile zwei Drittel der<br />
rund 60 Mitarbeiter beschäftigt sind (Stand 2004),<br />
bearbeitet die EWR-relevanten Arbeiten; zudem unterhält<br />
die EFTA in Luxemburg seit 1991 ein Büro<br />
zur statistischen Zusammenarbeit (SAO) mit �Eurostat<br />
auf der Basis des �EWR-Abkommens und in<br />
Paris eine Verbindungsstelle zu �Eurocustoms.<br />
4. Erste Erfolge: Das Kernziel der EFTA-Konvention,<br />
der vollständige Abbau der Handelszölle zwischen<br />
den Mitgliedstaaten, wurde schrittweise bereitsam31.12.1966,dreiJahrefrüheralsgeplant,erreicht.<br />
In Anlehnung an die EWG nahm auch die<br />
EFTA eine Fristverkürzung vor. Mit dem Beitritt Islands<br />
1970 als 8. Vollmitglied erreichte die EFTA
ihre größte Ausdehnung. Ende 1972 schieden Großbritannien<br />
und Dänemark aus der EFTA aus und traten<br />
– zusammen mit Irland – der EG bei.<br />
Nach einer Phase der relativen Distanz in den 1960er<br />
Jahren (vergeblicher Versuch eines „Brückenschlags“<br />
der EFTA zur EG) entwickelte sich seit Beginn<br />
der 1970er Jahre eine immer stärkere Annäherung<br />
an die EG, wodurch die verbliebenen EFTA-<br />
Staaten zunehmend wirtschaftliche Wachstumsimpulse<br />
erhielten. Seit 1970 wurde auch der Abbau<br />
technischer Handelshemmnisse betrieben. Er führte<br />
in vielen Bereichen zur Anerkennung von �Normen<br />
und zur Vereinfachung von Prüfungen und Inspektionen.<br />
Die Verstärkung des Freihandels innerhalb der<br />
EFTA blieb trotz leichter Verbesserungen schon wegen<br />
deren geographischer Zersplitterung begrenzt.<br />
Dagegen nahm der Verflechtungsgrad zwischen<br />
EFTA und EG im Lauf der Jahrzehnte deutlich zu.<br />
Der Austritt Großbritanniens und Dänemarks (1972)<br />
aus der EFTA war ebenso wie der Wechsel von Portugal(1985)undSchweden,FinnlandundÖsterreich<br />
(1994) zur EG bzw. EU von der Erwartung getragen,<br />
an deren Wachstumsdynamik teilhaben zu können.<br />
Dass aber auch die Staaten der Rest-EFTA, die<br />
durchweg zu den wohlhabendsten Staaten Europas<br />
zählen, aus den mittlerweile intensivierten Verflechtungen<br />
mit der EU profitieren, zeigt deren hoher Lebensstandard<br />
(vgl. �Europäischer Wirtschaftsraum,<br />
EWR).<br />
5. Beziehungen EFTA–EU: Aus den ursprünglich<br />
distanzierten Beziehungen zwischen EFTA und EU<br />
hatsichseitAnfangder1970erJahreeinimmerenger<br />
werdendes Verflechtungsverhältnis entwickelt:<br />
5.1. Freihandelsabkommen: Um keine neuen Handelsschranken<br />
in Europa zu errichten, schloss die EG<br />
nach dem Wechsel Großbritanniens und Dänemarks<br />
mit den verbleibenden EFTA-Staaten 1972 bzw.<br />
1973 (bilaterale) Freihandelsabkommen ab, die für<br />
alle EFTA-Mitglieder die gleichen Grundelemente<br />
aufweisen. Sie erstrecken sich auf alle industriellen<br />
und gewerblichen Erzeugnisse, die im Bereich von<br />
EFTA bzw. EG ihren Ursprung haben. Agrarprodukte<br />
sind, ähnlich wie innerhalb der EFTA, prinzipiell<br />
vom Freihandel ausgenommen.<br />
Über diese sektoriellen und bilateralen Vereinbarungen<br />
hinausgehend gelang den EFTA-Staaten zunächstkeineweitereAnnäherungandieEuropäische<br />
Gemeinschaft. Größere Vereinbarungen, wie ein er-<br />
Europäische Freihandelsassoziation<br />
hofftes Rahmenabkommen im Forschungsbereich,<br />
stießen damals bei der EG auf kein entsprechendes<br />
Interesse.<br />
5.2. Zusatzvereinbarungen: Erst in der Folge einer<br />
EG-EFTA-Ministerkonferenz im April 1984 in Luxemburg<br />
anlässlich des Abbaus letzter Zollschranken,<br />
bei der erstmals vom Ziel eines „Europäischen<br />
Wirtschaftsraums“ zwischen EG und EFTA gesprochen<br />
wurde, intensivierten beide Staatengruppen<br />
ihre Zusammenarbeit. Es begann eine intensive,<br />
„pragmatische“ Zusammenarbeit mit über zwanzig<br />
Expertengruppen. Durch das Binnenmarktprojekt<br />
der EG, gegenüber dem die EFTA nicht zurückfallen<br />
wollte, erhielt der �„Luxemburger (Folge-)Prozess“<br />
zusätzliche Impulse. In den 1980er Jahren wurden<br />
mehr als 280 bilaterale und multilaterale Vereinbarungen<br />
zwischen der EG und den EFTA-Staaten getroffen.<br />
Über den Bereich des Abbaus der Zölle und der mengenmäßigen<br />
Beschränkungen hinaus erstrecken sich<br />
dieBeziehungenzwischenEFTAundEGsoauchauf<br />
die Abschaffung �nichttarifärer Handelshemmnisse,<br />
auf die Vereinheitlichung technischer Normen<br />
und die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit.<br />
5.3. EWR-Abkommen: Die konsequente Weiterentwicklung<br />
der engen handels-, wissenschafts- und<br />
technologiepolitischen Zusammenarbeit zwischen<br />
EFTA und EG/EU ist schließlich in die Schaffung<br />
des einheitlichen �Europäischen Wirtschaftsraumes<br />
(1994) eingemündet.<br />
6. Veränderte Rolle der EFTA: Durch den Wegfall<br />
des Ost-West-Konflikts und die Beitrittswünsche<br />
der mittel- und osteuropäischen Staaten zur EG/EU<br />
zeichnete sich spätestens zu Beginn der 1990er Jahre<br />
eine deutliche Relativierung der bisher herausgehobenen<br />
Stellung der EFTA-Staaten zur EG ab. Sie galt<br />
in der Folge allenfalls noch als „EU-Wartezimmer“<br />
für die verbleibenden Staaten, für Drittstaaten mit<br />
EU-Beitrittsperspektive hat sie keine erkennbare Attraktivität<br />
entfalten können: Eine allfällige EFTA-<br />
Mitgliedschaft oder eine EWR-Beteiligung bietet<br />
diesennurgeringePerspektivenundistdaherkeinerstrebenswertes<br />
Modell für eine Integration in europäische<br />
Strukturen. Die EU ist das Kraftzentrum der<br />
europäischen Integration.<br />
7. Drittstaatsbeziehungen: Nach 1990 schlossen die<br />
EFTA-Staaten mit den meisten mittel- und osteuropäischen<br />
Staaten �Kooperationsabkommen (Zu-<br />
233
Europäische Fusionskontrolle<br />
sammenarbeitserklärungen) und Freihandelsabkommen,<br />
allerdings konnten durch die Erweiterung<br />
der EU im Jahr 2004 auf 25 Staaten acht dieser Freihandelsabkommen<br />
wieder aufgehoben werden. Die<br />
Freihandelsabkommen mit Rumänien, Bulgarien,<br />
Mazedonien und Kroatien bestehen bis auf weiteres<br />
fort.<br />
Im Kontext des �Barcelona-Prozesses hat die EFTA<br />
zur Förderung der �euro-mediterranen Wirtschaftszusammenarbeit<br />
mit inzwischen sieben Staaten des<br />
Mittelmeerraums Freihandelsabkommen abgeschlossen;<br />
mit weiteren Staaten wie Ägypten wird<br />
darüber verhandelt bzw. es bestehen Zusammenarbeitserklärungen.<br />
Vor dem Hintergrund der weltweit zunehmenden<br />
Tendenz zum Abschluss von regionalen bzw. regionenübergreifenden<br />
Freihandelsabkommen haben<br />
die EFTA-Staaten in den letzten Jahren begonnen,<br />
ihre Freihandelspolitik auch auf andere Partner auszudehnen.<br />
So bestehen Abkommen mit Mexiko, Singapur<br />
und Chile; mit Kanada, Südkorea und den<br />
SACU-Staaten (Southern African Customs Union:<br />
Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika und Swaziland)<br />
wird verhandelt, mit Thailand, Südkorea, den<br />
USA und dem Golf-Kooperationsrat (GCC) wurden<br />
exploratorische Gespräche aufgenommen.<br />
Die EFTA-Abkommen mit Mexiko, Singapur und<br />
Chile sind umfassende Freihandelsabkommen (sog.<br />
„Freihandelsabkommender2.Generation“).SieenthaltenüberdieBereicheWarenverkehrundgeistiges<br />
Eigentum hinaus zusätzlich substantielle Verpflichtungen<br />
für den Handel mit Dienstleistungen, für Investitionen<br />
und für das öffentliche Beschaffungswesen.<br />
Wegen der unklaren Erfolgsaussichten der laufenden<br />
�WTO-Verhandlungen sind für die EFTA-<br />
Staaten Freihandelsabkommen mit ausgewählten<br />
Handelspartnern auch weiterhin ein unverzichtbares<br />
InstrumentzurErhaltungundStärkungihrerWettbewerbsfähigkeitundStandortattraktivität.<br />
B. K. S.<br />
Dokumente:<br />
44 th Annual Report of the European Free Trade Association<br />
2004. Genf/Brüssel 2005<br />
Internet: www.efta.int<br />
Literatur:<br />
Senti, R.: EG, EFTA, Binnenmarkt. Organisation, Funktionsweise,<br />
Perspektiven. Zürich 2000<br />
Steppacher, B.: Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) – ein<br />
Modell für Mittel- und Osteuropa? Sankt Augustin 1994<br />
Tschäni, H./Tuusvuori, O. (Hrsg.): Principles and Elements of<br />
Free Trade Relations. 40 Years of EFTA Experience.<br />
Genf 2000<br />
234<br />
EuropäischeFusionskontrolle�Fusionskontrolle<br />
Europäische Gegenseitigkeitsgesellschaft<br />
(Mutualité Européenne, ME). Nach einem (noch<br />
nicht verabschiedeten) Verordnungs-Vorschlag der<br />
Kommission vom 18. 12. 1991 (ABl. C 99/1992) entspricht<br />
die ME einer Versicherung auf Gegenseitigkeit,<br />
die ihre Tätigkeit in mehreren EU-Staaten ausübt.<br />
Sie ist definiert als Personenvereinigung, die ihren<br />
Mitgliedern gegen Beitragszahlung die vollständige<br />
Begleichung der eingegangenen vertraglichen<br />
Verbindlichkeiten garantiert. Zu ihren Tätigkeiten<br />
zählen insbes. soziale Fürsorge, Versicherung, Hilfe<br />
im Gesundheitsbereich und Kredit.<br />
Die Gründung einer ME soll nicht die in einigen Mitgliedstaaten<br />
von Fürsorgeeinrichtungen auf Gegenseitigkeit<br />
verwalteten Basis-Pflichtsysteme der sozialen<br />
Sicherheit berühren. Außerdem sollen die<br />
Mitgliedstaaten frei darüber entscheiden können, ob<br />
und unter welchen Bedingungen sie die Verwaltung<br />
dieser Systeme an ME übertragen.<br />
Die Gegenseitigkeitsgesellschaften sollen nach dem<br />
Recht eines Mitgliedstaats gegründet werden und ihren<br />
satzungsmäßigen Sitz und ihre Hauptverwaltung<br />
in verschiedenen Mitgliedstaaten haben.<br />
Europäische Gemeindepartnerschaften �Gemeindepartnerschaften<br />
Europäische Gemeinschaft(en)<br />
1. Begrifflichkeit. „Europäische Gemeinschaften“<br />
ist die amtliche Sammelbezeichnung für die Europäische<br />
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die �Europäische<br />
Atomgemeinschaft (EAG) und die Europäische<br />
Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS);<br />
der EGKS-Vertrag ist am 23. 7. 2002 ausgelaufen.<br />
Mit dem Inkrafttreten des �Maastrichter Vertrages<br />
über die Europäische Union wurde die EWG in „Europäische<br />
Gemeinschaft“ umbenannt. Sie besitzt<br />
eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die drei bzw. ab<br />
Juli 2002 zwei Gemeinschaften beruhen auf getrennten<br />
Gründungsverträgen, haben seit 1967 gemeinsame<br />
Organe und wirtschaften nach einem gemeinsamen<br />
Haushalt.<br />
Auf der politischen Ebene, auch gegenüber Drittländern<br />
und in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit,<br />
treten die Gemeinschaften zumeist als eine Europäische<br />
Gemeinschaft in Erscheinung. Im Sprachgebrauch<br />
hatte es sich schon seit langem eingebürgert,
dass man mit Europäischer Gemeinschaft im allgemeinem<br />
die EWG bezeichnete, die im Mittelpunkt<br />
aller Integrationsentwicklungen steht. Seit dem InkrafttretenderMaastrichterVerträge(1.11.1993)ist<br />
die einheitliche Bezeichnung „Europäische Union“<br />
(EU).<br />
2.Vertragsgrundlagen.DierechtlicheGrundlagefür<br />
die Europäischen Gemeinschaften bilden die drei<br />
Gründungsverträge, deren Änderung durch die<br />
�Einheitliche Europäische Akte und die Verträge<br />
von Maastricht, Amsterdam und Nizza. Der Vertrag<br />
zur Gründung der EWG wurde durch Artikel G EUV<br />
(in der Maastricht-Fassung vom 7. 2. 1992) in „Vertrag<br />
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“<br />
(EG) geändert. Die Verträge zur Gründung von<br />
EGKS und EURATOM beinhalten im Unterschied<br />
zur EWG/EG eine partielle wirtschaftliche Integration.<br />
Alle Gründungsverträge wurden von den sechs<br />
ursprünglichen Mitgliedstaaten geschlossen. Diese<br />
Rechtsgrundlagen wurden durch den �Beitritt neuer<br />
Mitgliedstaaten erweitert, jedoch nicht in ihrer Substanz<br />
verändert (�Gemeinschaftsrecht).<br />
Gemäß Art. 1 Abs. 3 EUV bilden die zwei Europäischen<br />
Gemeinschaften eine der Grundlagen der Europäischen<br />
Union, die bislang keine eigene Rechtsfähigkeit<br />
besitzt. Diese wird im Europäischen Verfassungsvertrag<br />
2004 vorgeschlagen (Artikel I-7).<br />
Die durch den Vertrag von Maastricht gegründete<br />
und durch die Verträge von Amsterdam und Nizza<br />
reformierte Europäische Union bildet die rechtliche<br />
und politische Klammer für drei verschiedene PolitikbereicheaufeuropäischerEbene,dabeisindinden<br />
beiden Europäischen Gemeinschaften die Politikbereiche<br />
der sog. ersten Unionssäule gebündelt. Daneben<br />
bestehen die Handlungsfelder �Gemeinsame<br />
Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und intergouvernementale<br />
�polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit<br />
in Strafsachen (PJZS). Alle drei<br />
Handlungsfelder sind durch den EUV miteinander<br />
verknüpft (Art. 47 EUV), ohne jedoch eine übergreifende<br />
Rechtspersönlichkeit zu schaffen; d. h. die Europäische<br />
Union ersetzt nicht die beiden Europäischen<br />
Gemeinschaften.<br />
DurchdenVerfassungsvertrag2004sollendiebisherigen<br />
Verträge (EU-Vertrag, EG-Vertrag, Beitrittsverträge,<br />
Änderungsverträge) ersetzt werden (Art.<br />
IV-437VVE).AusgenommenistdavondieEAG,die<br />
zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise modernisiert<br />
wird.<br />
Europäische Gemeinschaften<br />
3. Phasen der Integration. Die Gründung der EGKS<br />
1952 bildete die erste Stufe auf dem Weg zu einer<br />
(Teil-)Integration in Europa mit dem Ziel, einen<br />
�Gemeinsamen Markt zu schaffen. Sie war die erste<br />
supranationale europäische Organisation mit legislativen,<br />
administrativen und judikativen Befugnissen.<br />
Der nächste Schritt erfolgte 1958 mit der EWG<br />
und der EAG, die mit gleichen Befugnissen wie die<br />
EGKS ausgestattet sind. Gründungsmitglieder waren<br />
jeweils Belgien, die Bundesrepublik Deutschland,<br />
Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande.<br />
Der Vertrag zur Gründung der EWG wurde zusammen<br />
mit dem EURATOM-Vertrag (�Römische Verträge)<br />
am 25. 3. 1957 abgeschlossen; beide traten am<br />
1. 1. 1958 in Kraft. Der EWG-Vertrag beinhaltete die<br />
Schaffung einer �Zollunion durch Beseitigung der<br />
Zölle, eine gemeinsame �Außenhandelspolitik gegenüber<br />
�Drittländern, die Beseitigung der Hemmnisse<br />
für den freien Personen-, Dienstleistungs- und<br />
Kapitalverkehr, �Gemeinsame Agrarpolitik und<br />
�Verkehrspolitik, gemeinsame Wettbewerbsregeln,<br />
eine Koordinierung der �Wirtschaftspolitik, die Angleichung<br />
der Rechtsvorschriften, die Gründung einer<br />
�Europäischen Investitionsbank und eines Europäischen<br />
Sozialfonds (�Fonds der EU). Mit der<br />
Gründung von EWG und EURATOM wurden das<br />
�Europäische Parlament (ursprünglich „Versammlung“,Art.137ff.EWGV)undder�EuropäischeGerichtshofalsgemeinschaftlicheOrganeeingerichtet.<br />
Am 1. 7. 1967 trat der �Fusionsvertrag in Kraft. Ein<br />
gemeinsamer Rat und eine gemeinsame Kommission<br />
aller drei Gemeinschaften wurden eingerichtet.<br />
Die Hohe Behörde der EGKS ging in die Kommission<br />
ein. Die Fusion sollte zur Rationalisierung und<br />
Koordinierung der Verwaltung führen, um das politische<br />
Gewicht der Gemeinschaftseinrichtungen zu<br />
stärken.JedochwurdendurchdiesenSchrittnichtdie<br />
drei Gründungsverträge verschmolzen. Unberührt<br />
blieb auch die Aufteilung der Institutionen auf die<br />
Städte Brüssel, Luxemburg und Straßburg.<br />
Die Europäischen Gemeinschaften wurden seit 1973<br />
in fünf Etappen von sechs auf 25 Mitglieder erweitert<br />
(�Beitritt, �Erweiterung). Mit der Vereinigung<br />
Deutschlands am 3. 10. 1990 wurde die ehemalige<br />
DDR in die EG eingegliedert. Den Gründungsverträgen<br />
der drei Gemeinschaften wurde 1986 die �Einheitliche<br />
Europäische Akte (am 1. 7. 1987 in Kraft<br />
getreten)hinzugefügt,inderdieKompetenzendurch<br />
235
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />
neue Tätigkeitsbereiche in Ausrichtung des Integrationsprozesses<br />
auf eine Europäische Union erweitert<br />
wurden.<br />
Der Vertrag zur Gründung der EU (nach der förmlichen<br />
Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten seit<br />
1.11.1993inKraft)schufdierechtlichenundinstitutionellen<br />
Grundlagen für die Verwirklichung einer<br />
�Wirtschafts- und Währungsunion. Er ergänzt die<br />
bestehendenVerträge,vertieftdiepolitischeIntegration<br />
durch den Einstieg in eine �Gemeinsame Außen-<br />
und Sicherheitspolitik und führt neue Formen<br />
der Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik<br />
ein (�Tempelstruktur). Nach Art. 3 EUV verfügt die<br />
EU über einen �einheitlichen institutionellen Rahmen,<br />
der die Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen<br />
zur Erreichung und Ziele sicherstellt.<br />
Auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in<br />
Amsterdam am 16. 6. 1997 wurden die bestehenden<br />
Verträge ergänzt. Der �Amsterdamer Vertrag hat die<br />
gemeinschaftlichen Elemente der EU weiter gestärkt,<br />
insbes. in der Innen- und Rechtspolitik. Auch<br />
nach den Vertragsrevisionen von Amsterdam und<br />
Nizza legitimieren nach wie vor – bis zur Ratifizierung<br />
des Verfassungsvertrages – die Gründungsverträge<br />
der beiden Europäischen Gemeinschaften alle<br />
innerhalbderUnionangesiedeltenKompetenzen.<br />
U. M.<br />
Literatur:<br />
Beutler, B. u. a.: Die Europäische Gemeinschaft.<br />
Rechtsordnung und Politik. Baden-Baden 1987 3<br />
Fischer, Th./Schley, N.: Europa föderal organisieren – Ein<br />
neues Kompetenz- und Vertragsgefüge für die Europäische<br />
Union. Gütersloh 1999<br />
Hrbek, R. (Hg.): Die Reform der Europäischen Union. Positionen<br />
und Perspektiven anlässlich der Regierungskonferenz.<br />
Baden-Baden 1997<br />
Müller-Graff, P.-Chr.: Die Kompetenzen in der Europäischen<br />
Union. In: W. Weidenfeld (Hg.), Europahandbuch, Bd. 1,<br />
S. 141 – 165, Gütersloh 2004 3<br />
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />
(EGKS)<br />
1. Begriff. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle<br />
und Stahl war eine supranationale Organisation<br />
(�Supranationalität), die – im Unterschied zur EWG<br />
– eine partielle wirtschaftliche Integration der Partnerländer<br />
beinhaltete. Die Gemeinschaft wurde auch<br />
Montanunion genannt. Der Vertrag zur Gründung<br />
der EGKS – nach seinem Schöpfer auch als Schuman-Plan<br />
bezeichnet – ist am 23. 7. 2002 ausgelaufen.<br />
236<br />
2.Vorgeschichte.DerdamaligefranzösischeAußenministerRobert�Schumanlegteam9.5.1950aufder<br />
Außenministerkonferenz in Paris einen Plan vor,<br />
dessen geistiger Vater sein Mitarbeiter Jean �Monnet<br />
war:<br />
„Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen<br />
und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung:<br />
Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen,<br />
die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. Die<br />
Vereinigung der europäischen Nationen erfordert,<br />
dass der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen<br />
FrankreichundDeutschlandausgelöschtwird....Die<br />
französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit<br />
der französisch-deutschen Kohle- und StahlproduktionuntereinegemeinsameHoheBehördezustellen,<br />
in einer Organisation, die den anderen europäischen<br />
Ländern zum Beitritt offen steht. Die Zusammenlegung<br />
der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die<br />
Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche<br />
Entwicklung sichern – die erste Etappe<br />
der europäischen Föderation – und die Bestimmung<br />
jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung<br />
von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer<br />
sie gewesen sind.“<br />
Mit dem Schuman-Plan wurde der Bundesrepublik<br />
Deutschland die Möglichkeit eingeräumt, gleichberechtigt<br />
an einem künftigen europäischen Einigungsprozess<br />
mitzuwirken. Aus französischer Sicht<br />
sollte das wirtschaftlich aufstrebende Westdeutschland<br />
an Frankreich und damit an den Westen gebunden<br />
werden. Diese Intentionen deckten sich weitgehend<br />
mit der Politik �Adenauers (Westintegration).<br />
Dieser Plan markiert zugleich den Anfang der Europäischen<br />
Gemeinschaft. Im Unterschied zum Europarat,<br />
der nur Absprachen zwischen weiterhin uneingeschränkt<br />
souveränen Staaten beinhaltet, sollten<br />
nunmehr nationale Befugnisse an eine supranationale<br />
Organisation übertragen werden, deren Entscheidungen<br />
für die Mitgliedstaaten bindende Wirkung<br />
haben. Im Konzept der Montanunion wurden föderalistische<br />
Ideen der Europabewegung aufgegriffen<br />
und mit der funktionalistischen Theorie der Politik<br />
der kleinen Schritte in einem Teilsektor verbunden.<br />
Am 18. 4. 1951 unterzeichneten die Gründerstaaten<br />
Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich,<br />
Italien, Luxemburg und die Niederlande in Paris den<br />
EGKS-Vertrag (Pariser Vertrag), der am 23. 7. 1952<br />
in Kraft trat.<br />
3. Entwicklung. In der Präambel des Vertrags wurde
ausdrücklich festgehalten, dass die Montanunion ein<br />
erster Schritt sei auf dem Weg zur Errichtung einer<br />
wirtschaftlichen Gemeinschaft, „für eine weitere<br />
und vertiefte Gemeinschaft“.<br />
Auf mehreren Konferenzen der Länder der Montanunion<br />
wurden auf Initiative des belgischen Außenministers<br />
Paul Henri �Spaak die Grundlagen zur<br />
Schaffung von EURATOM und EWG gelegt. Die<br />
EGKS blieb neben diesen beiden Europäischen Gemeinschaften<br />
als selbständige Organisation bestehen.<br />
Die Gemeinsame Versammlung und der Gerichtshof<br />
der EGKS gingen in den entsprechenden<br />
gemeinsamen Gremien der drei europäischen Organisationen<br />
auf. 1967 wurden auch die Exekutivorgane<br />
zusammengelegt (�Europäische Gemeinschaften,<br />
�Fusionsvertrag). Jedoch fällten die beiden neuen<br />
Gremien, Kommission und Rat, ihre Entschlüsse<br />
und Entscheidungen weiterhin nach den ursprünglichen<br />
Abkommen; d. h. der EGKS-Vertrag bestand<br />
weiterbiszumvereinbartenAblaufnachfünfzigJahren<br />
am 23. 7. 2002.<br />
4. Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft für<br />
Kohle und Stahl<br />
4.1OrganisatorischeStruktur.MitgliederderEGKS<br />
sind alle Mitgliedstaaten der EG. Vertragsgrundlage<br />
sind der EGKS-Vertrag vom 18. 4. 1951 und die<br />
nachfolgenden Ergänzungen sowie Änderungen infolge<br />
der �Einheitlichen Europäischen Akte und des<br />
�Vertrages über die Europäische Union.<br />
Organe sind die Hohe Behörde (seit 1967 Kommission<br />
der EG), der Besondere Ministerrat (seit 1967 Rat<br />
der EG), die Gemeinsame Versammlung (seit 1958<br />
Versammlung, später Europäisches Parlament), der<br />
Gerichtshof und der Beratende Ausschuss. Der institutionelle<br />
Aufbau der Montanunion war Vorbild für<br />
die später gegründeten Europäischen Gemeinschaften.<br />
Die Hohe Behörde (erster Präsident: Jean Monnet)<br />
ist das eigentliche Exekutivorgan der EGKS. Sie hat<br />
die Aufgabe, „für die Erreichung der in diesem Vertrag<br />
festgelegten Zwecke zu sorgen“.<br />
Die Hohe Behörde ist ein supranationales Organ,<br />
dessen Mitglieder im Einvernehmen der Mitgliedsländer<br />
bzw. durch Hinzuwahl bestimmt werden. Die<br />
Mitglieder der Hohen Behörde üben ihre Tätigkeit<br />
unabhängig im „allgemeinen Interesse der Gemeinschaft“<br />
aus. Die Behörde kann Rechtsakte (Entscheidungen<br />
und Empfehlungen) mit bindender Wirkung<br />
erlassen, und sie kann Stellungnahmen abgeben.<br />
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />
Der Ministerrat vertritt die Mitgliedstaaten und hat<br />
die Aufgabe, die Tätigkeit der Hohen Behörde und<br />
derRegierungenderMitgliedstaatenaufeinanderabzustimmen.<br />
Er kann die Hohe Behörde auffordern,<br />
Vorschläge und Maßnahmen zu prüfen, und er kann<br />
Stellungnahmen für die Hohe Behörde abgeben.<br />
Die Gemeinsame Versammlung (nach Inkrafttreten<br />
der �Römischen Verträge die Versammlung der Europäischen<br />
Gemeinschaften bzw. das Europäische<br />
Parlament) erörtert den Jahresbericht der Hohen<br />
KommissionundkannbeidieserGelegenheitdieBehörde<br />
zur Verantwortung ziehen. Sie richtet Fragen<br />
an die Hohe Behörde und gibt Stellungnahmen für<br />
den Rat ab.<br />
DerGerichtshof–seit1958einegemeinsameInstitution<br />
der Europäischen Gemeinschaften – „sichert die<br />
Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung<br />
dieses Vertrags und der Durchführungsvorschriften“.<br />
Für die Befugnisse, die er auf dem Gebiet<br />
der EGKS ausübt, gelten besondere Vorschriften. So<br />
besitzt er die generelle Zuständigkeit für die Auslegung<br />
des Montanvertrags und hat bei Vertragsrevision<br />
beratende Funktion.<br />
4.2 Inhalte und Ziele des EGKS-Abkommens. Mit der<br />
Montanunion verzichten die Mitgliedsländer im Bereich<br />
von Kohle und Stahl auf Souveränitätsrechte.<br />
Die Kohle- und Stahlproduktion wurde der staatlichen<br />
Kontrolle entzogen und in einen �Gemeinsamen<br />
Markt übergeführt mit dem Ziel, zur Ausweitung<br />
der Wirtschaft, Steigerung der Beschäftigung<br />
und Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten<br />
beizutragen.<br />
Zu diesem Zwecke sollen die Erzeugung auf höchstem<br />
Leistungsstand rationell verteilt und Störungen<br />
im Wirtschaftsleben vermieden werden. Zu den Aufgaben<br />
der EGKS zählen neben der Sicherstellung der<br />
Versorgung auch die Kontrolle der Preisgestaltung<br />
(Festsetzung von Höchst- und Minderpreisen innerhalb<br />
des Gemeinsamen Marktes) und die Förderung<br />
des zwischenstaatlichen Austauschs. Bei einem<br />
Rückgang der Nachfrage kann die Hohe Behörde unter<br />
bestimmten Bedingungen ein System der Erzeugungsquoteneinführenbzw.beiNachfrageüberhang<br />
über Verwendungsprioritäten entscheiden und Produktionsprogramme<br />
aufstellen.<br />
Das �Diskriminierungsverbot untersagt strikt Zölle<br />
und mengenmäßige Beschränkungen, benachteiligende<br />
Preis- und Lieferbedingungen, �Subventionen<br />
der Mitgliedstaaten und andere wettbewerbsver-<br />
237
Europäische Genossenschaft<br />
zerrende Praktiken, um den Wettbewerb im �Gemeinsamen<br />
Markt zu gewährleisten. Die Gemeinschaft<br />
kann ihrerseits Umlagen auf die Erzeugung<br />
von Kohle und Stahl erheben, Anleihen aufnehmen<br />
und Kredite für Investitionen bereitstellen. Die Montanunion<br />
versteht sich als eine partielle Zollunion.<br />
Ein wichtiges sozialpolitisches Ziel ist die Verbesserung<br />
der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten<br />
und die Einführung der Mitbestimmung<br />
der Arbeitnehmer im Montanbereich. Der Vertrag<br />
berührt nicht die Festsetzung von Löhnen und Sozialleistungen.<br />
Beschäftigungsbeschränkungen aufgrund<br />
der Staatsangehörigkeit sind aufgehoben.<br />
Zwischen 1976 und 1989 wurden nicht rückzahlungspflichtige<br />
Anpassungsbeihilfen für 660 000<br />
Arbeiter im Kohle- und Stahlsektor gewährt (Umschulungen,<br />
Vorruhestands- und Überbrückungsgelder,<br />
Förderung der Mobilität, Bau von 200 000<br />
Sozialwohnungen usw.). Die Finanzierung erfolgte<br />
durch Umlagen der Unternehmen.<br />
4.3RollederMontanunion.BeiGründungderEGKS<br />
bestanden Mängel in der Kohleversorgung. Die Diskriminierungsverbote<br />
und die HöchstpreisvorschriftentrugenmaßgeblichzurgleichmäßigenVerteilungindenMitgliedstaatenbei.MitdemAnstiegderKohleförderung,<br />
dem Import von Kohle und dem EinströmenvonHeizölindenEnergiemarktüberstiegab<br />
1958 die Kohleproduktion die Nachfrage, und es<br />
kam zu Absatzschwierigkeiten. Die auf den Kohlesektor<br />
beschränkte Montanunion konnte die selbst<br />
gestellten Ziele nicht mehr verwirklichen.<br />
Der Strukturwandel auf dem Energiesektor (neue<br />
Energieträger) und die Stahlkrisen haben seit den<br />
1970er Jahren dazu geführt, dass die Montanindustrie<br />
an gesamtwirtschaftlicher Bedeutung verloren<br />
hat. Sie hat in den 1970er und 1980er Jahren durch<br />
die rigide Begrenzung der Erzeugerquoten, durch<br />
Beihilfen und Überwachung des Außenhandels vorübergehend<br />
wesentlich zur Eindämmung der Stahlkrise<br />
in der Gemeinschaft beigetragen.<br />
Der Europäische Rat hat am 16. 6. 1997 in seiner<br />
„Entschließung über Wachstum und Beschäftigung“<br />
erklärt, dass nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrages<br />
dessen Finanzmittel in einen Forschungsfonds<br />
zugunstendesMontansektorsfließen. U. M.<br />
Literatur:<br />
Fontaine, P.: Eine neue Ordnung für Europa – Vierzig Jahre<br />
Schuman-Plan. Luxemburg 1990<br />
Kasten, H.: Die europäische Wirtschaftsunion. München 1978<br />
238<br />
Schwabe, K. (Hg.): Die Anfänge des Schuman-Plans.<br />
Baden-Baden 1988<br />
Europäische Genossenschaft – Societas Cooperativa<br />
Europaea (SCE)<br />
Entwicklung und Zweck: Neben den rein wirtschaftlichen<br />
Gesellschaftsformen erkannte man auch im<br />
gemeinwirtschaftlichen Bereich einen Bedarf,<br />
grenzüberschreitend tätig zu sein, was durch rein nationale<br />
Gesellschaftsformen erschwert wird, so dass<br />
eine grenzüberschreitend tätige Gesellschaft in anderen<br />
Ländern Muttergesellschaften nach deren<br />
Rechtsordnung gründen musste.<br />
Für die Genossenschaft, die als eigenständige und<br />
freiwillige Vereinigungen von Personen der Wahrnehmung<br />
gemeinsamer wirtschaftlicher, gesellschaftlicher<br />
und kultureller Interessen und Bedürfnisse<br />
mittels eines in Gemeineigentum befindlichen<br />
unddemokratischgelenktenUnternehmensdefiniert<br />
wird, ist der Rechtsrahmen für die Gründung einer<br />
europaweiteinheitlichenGenossenschaftdurchVerordnung<br />
1435/2003 vom 22. 3. 2003 und durch die<br />
Richtlinie 2003/72 des Rates vom selben Tage erlassen,<br />
die bis Juli 2006 umgesetzt sein soll, so dass ab<br />
dann diese Gesellschaftsform zur Verfügung stehen<br />
wird.<br />
Eine unabdingbare Voraussetzung für die Gründung<br />
einer Europäischen Genossenschaft ist eine grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit im Gegensatz zu<br />
bloßgrenzüberschreitenderTätigkeitwiez.B.Lieferung<br />
in ein anderes Land. Erst wenn die Genossenschaft<br />
bspw. zusammen mit Landwirten oder Genossenschaften<br />
anderer EU-Staaten eine neue Genossenschaft<br />
gründen will, kann sie auf das Statut zurückgreifen<br />
und eine SCE gründen.<br />
DabeiistHauptzweckderSCE,denBedarfihrerMitglieder<br />
zu decken und/oder deren wirtschaftliche<br />
und/oder soziale Tätigkeiten zu fördern; sie tut dies<br />
insbes. durch den Abschluss von Vereinbarungen<br />
mit ihren Mitgliedern über die Lieferung von Waren<br />
oder die Erbringung von Dienstleistungen oder die<br />
Durchführung von Arbeiten im Rahmen der Tätigkeiten,<br />
die die SCE ausübt oder ausüben lässt.<br />
Die SCE kann auf fünf Arten gegründet werden:<br />
durchmindestensfünfnatürlichePersonenodermindesten<br />
fünf Personen und Gesellschaften, oder lediglich<br />
von mehreren Gesellschaften, die ihren WohnsitzoderSitzinmindestenszweiEU-Mitgliedstaaten<br />
haben. Daneben ist eine Gründung der SCE durch
Verschmelzung bestehender Genossenschaften oder<br />
durch Umwandlung einer Genossenschaft möglich,<br />
die seit mindestens zwei Jahren eine Niederlassung<br />
in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat.<br />
Der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Ausgestaltung<br />
des Genossenschaftswesens in den einzelnen<br />
Mitgliedstaaten wurde dadurch Rechnung getragen,<br />
dass das Statut als Rahmengesetz geschaffen wurde,<br />
das im Zweifel auf das nationale Recht verweist.<br />
SomussdasMindestkapitalderSCE 30000Eurobetragen,<br />
wobei nationale Vorschriften, die für Genossenschaften<br />
in bestimmten Geschäftsfeldern (z. B.<br />
Banken) ein höheres Mindestkapital vorschreiben,<br />
auch auf die nach diesem Recht gegründete SCE<br />
übertragen werden kann.<br />
Die SCE muss eine Satzung haben, die die Firmenbezeichnung<br />
mit dem Zusatz „SCE“, Zweck, Sitz, Regeln<br />
über Aufnahme, Ausschluss und Kündigung<br />
von Mitgliedern, deren Rechte und Pflichten sowie<br />
die Organe die SCE enthalten muss.<br />
DerSitzderSCEkannineinenanderenMitgliedstaat<br />
verlegt werden, ohne dass dies zur Auflösung der<br />
SCEoderzurGründungeinerneuenjuristischenPerson<br />
führt. Im Staat, wo sie ihren Sitz hat, ist sie mit<br />
den dortigen Genossenschaften rechtlich gleich zu<br />
behandeln.<br />
Was die Organstruktur der SCE angeht, so kann sie<br />
wählen zwischen Generalversammlung und einem<br />
Leitungs- und einem Aufsichtsorgan (dualistisches<br />
System) oder einem Verwaltungsorgan (monistisches<br />
System). Im dualistischen System führt das<br />
Leitungsorgan die Geschäfte der SCE. Das Mitglied<br />
oder die Mitglieder des Leitungsorgans vertreten die<br />
SCE rechtsverbindlich gegenüber Dritten und vor<br />
Gericht; sie werden vom Aufsichtsorgan bestellt und<br />
abberufen. In einer SCE dürfen die Funktionen eines<br />
Mitglieds des Leitungsorgans und eines Mitglieds<br />
desAufsichtsorgansnichtgleichzeitigausgeübtwerden.ImmonistischenSystemführtdasVerwaltungsorgan<br />
die Geschäfte der SCE. Das oder die Mitglieder<br />
des Verwaltungsorgans sind befugt, die SCE<br />
rechtsverbindlich gegenüber Dritten und vor Gericht<br />
zu vertreten. Das Verwaltungsorgan kann einem<br />
oder mehreren seiner Mitglieder nur die Geschäftsführung<br />
der SCE übertragen.<br />
Wie auch bei der Europäischen �Aktiengesellschaft<br />
(SE)wirddieVerordnungüberdasStatutderSCEergänzt<br />
durch eine Richtlinie über die Beteiligung der<br />
Arbeitnehmer. Vor Gründung der SCE mit minde-<br />
Europäische Idee<br />
stens 50 Arbeitnehmern führen die Unternehmungsleitung(en)<br />
mit einem zu diesem Zweck gegründeten<br />
„besonderen Verhandlungsgremium“ der Arbeitnehmer<br />
Verhandlungen mit dem Ziel, Regeln über<br />
die Beteiligung der Arbeitnehmer, und zwar einerseits<br />
auf Betriebsebene (insbes. über den SCE-<br />
Betriebsrat) und andererseits im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung<br />
zu vereinbaren. Dies soll<br />
innerhalb von sechs bzw (falls einvernehmlich verlängert)<br />
zwölf Monaten geschehen sein. Erst wenn<br />
eine Einigung nicht zustande kommt, treten Auffangregelungen<br />
entsprechend der Richtlinie in Kraft<br />
(�Europäischer Betriebsrat). Bei einer SCE mit wenigeralsfünfzigArbeitnehmernverweistdieRichtlinie<br />
auf die nationalen Mitbestimmungs- und Betriebsverfassungsregelungen<br />
der beteiligten Mitgliedstaaten.<br />
Bewertung: Die vorliegenden Vorschläge versuchen,<br />
den Besonderheiten der nationalen Genossenschaftsrechte<br />
Rechnung zu tragen. Doch ist zu befürchten,<br />
dass durch die verschiedenen Wahlmöglichkeiten<br />
in Bezug auf Führung und Mitbestimmung<br />
der Gesellschaft, die von den Mitgliedstaaten<br />
vorgeschrieben werden können, der Wert der einheitlichen<br />
Gesellschaftsform aufgehoben wird. Es<br />
werden mindestens so viele nationale Besonderheiten<br />
der SCE entstehen, wie es Mitgliedstaaten gibt.<br />
Doch liegen die wirtschaftlichen Vorteile für eine<br />
Gesellschaft klar auf der Hand, die nicht gezwungen<br />
ist, Tochtergesellschaften nach nationalem Recht<br />
anderer Staaten zu gründen und ihren Sitz frei verlegenzukönnen,ohnesichzuvorauflösenzumüssen.<br />
M. K.<br />
Literatur:<br />
Schulze, R. (Hg.): Handbuch der Europäischen Genossenschaft.<br />
Baden-Baden 2004<br />
Europäische GNSS-Aufsichtsbehörde (GNSS =<br />
Globales Satellitennavigationssystem), errichtet<br />
durch Verordnung 1321/2004 (ABl. L 246/2004).<br />
Die Behörde überwacht die Errichtungs- und Betriebsphase<br />
der europäischen Satellitennavigationsprogramme<br />
(�GALILEO), sie verwaltet und kontrolliert<br />
den Einsatz der Gemeinschaftsmittel. Ihr<br />
vorläufiger Sitz ist Brüssel.<br />
Europäische Idee. Die Europäische Idee basiert im<br />
Wesentlichen auf fünf Hauptgedanken, die sich<br />
durch die Geschichte der europäischen Einigung wie<br />
rote Fäden ziehen und sowohl das europäische �Be-<br />
239
Europäische Informationsstellen<br />
wusstsein als auch die �europäische Identität mitbestimmen.<br />
Wichtigster Hauptgedanke ist der Gedanke<br />
der<br />
– Friedenssicherung. Die europäische Einigung soll<br />
zu stabilem Frieden unter den Mitgliedstaaten und<br />
zur gemeinsamen Abwehr nach außen führen. Nach<br />
der 1954 gescheiterten �EVG wird nunmehr seit einigen<br />
Jahren mit der �GASP bzw. der �ESVP insoweit<br />
ein neuer Anlauf unternommen. Eng verbunden<br />
mit dem Gedanken der Friedenssicherung steht die<br />
Überwindung der Nationalstaaterei, der Gedanke<br />
der<br />
– Supranationalität. Ein europäischer Integrationsverbund<br />
mit eigenen Organen und eigener Rechtsetzungskompetenz<br />
soll der uneingeschränkten Souveränität<br />
der Mitgliedstaaten ein Ende bereiten und den<br />
Bürger mit neuen Rechten und Freiheiten ausstatten.<br />
Hieraus folgt der Gedanke der<br />
– Handels- und Verkehrsfreiheit, der zur Steigerung<br />
und Sicherung des allgemeinen Wohlstands beitragensoll.Durchdiehierdurchentstehendewirtschaftliche<br />
und soziale Verflechtung der Mitgliedstaaten<br />
soll die europäische Integration erreicht werden,<br />
aber auch die<br />
– Machterhaltung Europas. Dieser Gedanke der Erhaltung<br />
der geschichtlichen Sonderstellung spielt<br />
eine oft unausgesprochene, aber doch nicht unwesentliche<br />
Rolle beim Ausbau der Europäischen<br />
Union. Er zeigt sich heute bspw. bei der Wirtschaftsund<br />
Währungsunion mit dem Euro, die auch zur<br />
Schaffung einer – gegenüber Dollar und Yen –<br />
schlagkräftigen Währung gegründet wurde. Die geschichtliche<br />
Sonderstellung spielt schließlich eine<br />
Rolle beim Gedanken des Europas als<br />
– Wertegemeinschaft. Die Mitgliedstaaten eint derzeit<br />
die gemeinsame christlich-abendländische Kultur,<br />
die als „Einheit in der Vielfalt“ bezeichnet werdenkann.<br />
J. M. B.<br />
Europäische Informationsstellen �Info-Points<br />
Europäische Investitionsbank (EIB)<br />
1. Aufgaben und Aufbau: Die EIB ist eine Finanzierungsinstitution<br />
der EU. Sie wurde nach Art. 129<br />
EWGV gegründet, nahm 1958 in Brüssel ihre TätigkeitaufundhatihrenSitzseit1968inLuxemburg.<br />
Die EIB besitzt Rechtspersönlichkeit. Sie ist eine<br />
nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete öffentlich-rechtliche<br />
Institution. Die EIB ist finanziell au-<br />
240<br />
tonom und verfügt innerhalb der Gemeinschaften<br />
übereinegetrennteVerwaltungundeigeneEntscheidungsorgane.<br />
Ihre Mitglieder sind die Mitgliedstaaten<br />
der EU. Sie stellen das Eigenkapital der Bank und<br />
beschicken ihre leitenden Organe. Hierzu gehören<br />
insbes. der Rat der Gouverneure, der Verwaltungsrat<br />
und das Direktorium. Rechte und Pflichten der Organe<br />
sowie andere grundlegende Vorschriften über Organisation<br />
und Tätigkeit der EIB (Kapitalausstattung,<br />
Stimmrechte, Zusammenarbeit mit anderen Finanz-<br />
und Bankinstituten) sind in einem Satzungsprotokoll<br />
festgelegt, das den Römischen Verträgen<br />
als Anhang beigegeben ist.<br />
Der Rat der Gouverneure besteht aus den von den<br />
Mitgliedstaaten ernannten Ministern. Er erlässt die<br />
allgemeinen Richtlinien für die Kreditpolitik der<br />
Bank, insbes. hinsichtlich der Ziele, die bei der<br />
schrittweisen Verwirklichung des Gemeinsamen<br />
Marktes jeweils anzustreben sind. Darüber hinaus<br />
entscheidet er über die Erhöhung des gezeichneten<br />
Kapitals, genehmigt den vom Verwaltungsrat ausgearbeiteten<br />
Jahresbericht und die Jahresbilanz sowie<br />
die Ertragsrechnung, ernennt die Mitglieder des Verwaltungsrates<br />
(auf Vorschläge der Mitgliedstaaten)<br />
und des Direktoriums (auf Vorschlag des Verwaltungsrats).ZudemisterfürdieGenehmigungderGeschäftsordnung<br />
der Bank zuständig und befugt, im<br />
Rahmen des EGV und der Satzung, einstimmig alle<br />
Entscheidungen über die Einstellung der Tätigkeit<br />
der Bank und ihre etwaige Liquidation zu treffen.<br />
Der Verwaltungsrat setzt sich aus 26 ordentlichen<br />
und16stellvertretendenMitgliedernzusammen.Die<br />
ordentlichen Mitglieder werden für 5 Jahre vom Rat<br />
der Gouverneure bestellt, wobei die einzelnen Mitgliedstaaten<br />
und die Kommission jeweils ein ordentliches<br />
Mitglied benennen. Der Verwaltungsrat sorgt<br />
für die ordnungsgemäße Verwaltung der Bank und<br />
gewährleistet, dass die Führung der Geschäfte der<br />
Bank mit den Bestimmungen des EGV und der Satzung<br />
sowie mit den allgemeinen Richtlinien des Rates<br />
im Einklang stehen. Er hat die ausschließliche<br />
Entscheidungsbefugnis für die Gewährung von Darlehen<br />
und Bürgschaften (einschl. Zinssätze und Provisionen)<br />
sowie die Aufnahme von Anleihen.<br />
Das Direktorium besteht aus einem Präsidenten und<br />
8 Vizepräsidenten, die vom Rat der Gouverneure auf<br />
Vorschlag des Verwaltungsrates für 6 Jahre bestellt<br />
werden, wobei ihre Wiederbestellung zulässig ist.<br />
Der Präsident ist der Vorgesetzte der Bediensteten
der Bank. Das Direktorium nimmt unter Aufsicht des<br />
Präsidenten und der Kontrolle des Verwaltungsrates<br />
dielaufendenGeschäftederEIBwahr.Esbereitetdie<br />
Entscheidungen des Verwaltungsrates vor, insbes.<br />
hinsichtlich der Aufnahme von Anleihen sowie der<br />
Gewährung von Darlehen und Bürgschaften.<br />
Die Aufgaben der EIB bestehen gem. Art. 267 EGV<br />
darin, zu einer „ausgewogenen und reibungslosen<br />
Entwicklung des Gemeinsamen Marktes“ beizutragen.IndiesemZusammenhanggewährtsieDarlehen<br />
und Bürgschaften<br />
a) zur Erschließung weniger entwickelter Gebiete,<br />
b) zur Modernisierung oder Umstellung von Unternehmen<br />
oder zur Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten,<br />
die sich aus der Errichtung des Gemeinsamen<br />
Marktes ergeben,<br />
c) für Projekte, die von gemeinsamem Interesse für<br />
mehrere Mitgliedstaaten sind, wegen ihrer Art oder<br />
ihres Umfangs aber nicht allein von den betreffenden<br />
Mitgliedstaaten finanziert werden können.<br />
Darüber hinaus erleichtert sie die Finanzierung von<br />
Investitionsprogrammen im Rahmen der Strukturfonds<br />
und anderer Finanzierungsprogramme der Gemeinschaft.<br />
Hierzu zählen auch Projekte außerhalb<br />
der EU (Art. 18 (1) EIB-Statut). Die Rechnungseinheit<br />
der Bank ist der Euro. Das gezeichnete Kapital<br />
beträgt 2005 163,7 Mrd. Euro (vor der Erweiterung<br />
150 Mrd.).<br />
Die EIB besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende<br />
Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen<br />
Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkanntwerden.Siekannbeweglichesundunbewegliches<br />
Vermögen erwerben und veräußern. Auch ist<br />
sie vor Gericht aktiv und passiv legitimiert. Über<br />
Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank einerseits<br />
und ihren Gläubigern, Kreditnehmern und dritten<br />
Personen andererseits entscheiden in der Regel die<br />
zuständigenGerichtedereinzelnenMitgliedstaaten.<br />
2. Tätigkeiten: Im Jahr 2004 vergab die EIB Darlehen<br />
in Höhe von 43,2 Mrd. Euro.<br />
NachRegionengliedertsichderBetragfürdieDarlehensvergabe<br />
wie folgt:<br />
– 35,9 Mrd. Euro in der EU-15<br />
– 3,8 Mrd. Euro in den neuen Mitgliedstaaten<br />
– 119 Mio. Euro in Bulgarien und Rumänien<br />
– 2,2 Mrd. Euro in den Partnerländern des Mittelmeerraums<br />
– 461 Mio. Euro in den westlichen Balkanländern<br />
– 440 Mio. Euro in den Ländern Afrikas, des karibi-<br />
Europäische Investitionsbank<br />
EIB-Darlehen* 2000 – 2004 nach Regionen<br />
Europ. Union 179 039,5<br />
Beitrittsländer** 3 575,7<br />
Mittelmeerländer 8 484,4<br />
AKP-Staaten u.a. 2 132,6<br />
Südafrika 700,0<br />
Balkanländer 1 731,0<br />
Asien / Lateinamerika 1 821,4<br />
GUS 25,0<br />
insgesamt 197 509,6<br />
* in Mio. Euro<br />
** einschl. Vorbeitrittsfazilität nach Art. 18 der<br />
EIB-Satzung<br />
schen Raums und des Pazifischen Ozeans (AKP-<br />
Staaten und ÜLG)<br />
– 100 Mio. Euro in Südafrika<br />
– 233 Mio. Euro in den Ländern Asiens und Lateinamerikas<br />
Die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts<br />
der EU stand dabei auch 2004 im Mittelpunkt<br />
der Bank. 28,5 Mrd. Euro (rd. 72 % der im<br />
Jahr 2004 in der EU vergebenen Einzeldarlehen) waren<br />
für Projekte bestimmt, die ihren Standort in den<br />
Fördergebieten haben und einen Beitrag zur Regionalentwicklung<br />
leisten; rd. 40 % davon betrafen Investitionen<br />
im Bereich �Transnationale Netze. ZugunstenvonumweltbezogenenProjektenhatdieEIB<br />
10,9 Mrd. Euro an Einzeldarlehen unterzeichnet.<br />
Unter spanischer Präsidentschaft wurde im Oktober<br />
2002 eine Mittelmeerfazilität (FEMIP) als KompromisszudervonSpaniengefordertenMittelmeerbank<br />
eingerichtet (Darlehensvolumen von 2003 – 2010:<br />
17,5 Mrd. Euro). Ziel ist die Förderung der Entwicklung<br />
des Privatsektors in den EU-Partnerländern im<br />
Mittelmeerraum, um ein stärkeres wirtschaftliches<br />
Wachstum zu ermöglichen und Arbeitsplätze für die<br />
wachsendeBevölkerungindenLändernzuschaffen.<br />
Im Rahmen der Politik der Europäischen Union für<br />
„Ein größeres Europa – Neue Nachbarschaft“ (�Europäische<br />
Nachbarschaftspolitik ENP) stellt die EIB<br />
außerdem bis Januar 2007 Darlehen an Russland und<br />
die WNUS (Westliche Neue Unabhängige Staaten)<br />
inHöhevon500Mio.Eurobereit.DieseMittelsollen<br />
vor allem für die Bereiche Umwelt, Verkehr, Telekommunikation,<br />
und Energieinfrastruktur eingesetzt<br />
werden.<br />
241
Europäische Jugendzentren<br />
Künftig wird sich die EIB verstärkt an der im Dezember<br />
2003 vom Europäischen Rat beschlossenen europäischenWachstumsinitiativebeteiligen.ZieldieserInitiativeistes,durchhöhereInvestitionenindenBereichen<br />
Transeuropäische Verkehrs-, Telekommunikations-<br />
und Energienetze (TEN), Innovation sowie<br />
Forschung und Entwicklung (FuE) einschl. Umwelttechnologie<br />
das langfristige Wachstumspotenzial<br />
Europas zu stärken. Allein im Rahmen der<br />
TEN-Investitionsfazilität können bis 2010 Darlehen<br />
im Gesamtumfang von 50 Mrd. Euro vergeben werden.<br />
Zur Unterstützung der Klimaschutzpolitik hat die<br />
Bank 2004 eine mit 500 Mio. Euro ausgestattete Klimaschutz-Finanzierungsfazilität<br />
eingerichtet; unterstützt<br />
werden europäische Unternehmen, die an<br />
dem im Januar 2005 angelaufenen Europäischen<br />
�Emissionshandelssystem teilnehmen.<br />
ImVertragvonMaastrichtwurdendieAufgabenund<br />
Anforderungen an die EIB weiter ausgedehnt. So<br />
kann der Rat nach dem neuen Art. 104 Abs. 11 EGV<br />
die EIB ersuchen, ihre Darlehenspolitik gegenüber<br />
einem Mitgliedstaat zu überprüfen, der Empfehlungen<br />
des Rates zum Abbau eines übermäßigen Budgetdefizits<br />
nicht befolgt. Ebenso wurde die Bank in<br />
die Arbeit des �Kohäsionsfonds eingeschaltet. Daneben<br />
ist die EIB seit 1994 Mitgesellschafter des Europäischen<br />
Investitionsfonds zur Finanzierung von<br />
Infrastrukturprojekten in der EU.<br />
Die EIB arbeitet streng nach bankwirtschaftlichen<br />
Grundsätzen. Zwar handelt sie nicht gewinnorientiert,<br />
hat jedoch „auf die wirtschaftlich zweckmäßigste<br />
Verwendung ihrer Mittel im Interesse der Gemeinschaft“<br />
zu achten (Art. 20 Abs. 1 EIB-Statut).<br />
Ihre Zinssätze und Provisionen sollen „den jeweiligen<br />
Bedingungen des Kapitalmarktes angepasst“<br />
und so bemessen sein, dass die Erträge die Verpflichtungen<br />
und Kosten decken und die Anlage eines Reservefonds<br />
erlauben. Eine sorgfältige Darlehenspolitik<br />
und eine sachgerechte, verantwortungsbewusste<br />
Führung aller Tätigkeitsbereiche der Bank ist<br />
wichtig für ihr internationales Kreditstanding, das<br />
über Möglichkeiten und Bedingungen des Zugangs<br />
zu nationalen und internationalen Kapitalmärkten<br />
entscheidet.<br />
3. Inanspruchnahme der Leistungen der EIB: Darlehens-<br />
und Bürgschaftsanträge können der Bank entweder<br />
über die Kommission oder über denjenigen<br />
Mitgliedstaat zugeleitet werden, in dessen Hoheits-<br />
242<br />
gebiet das Vorhaben durchgeführt wird. Sie können<br />
von Unternehmen, aber auch unmittelbar bei der<br />
Bank eingereicht werden. Anträge für DarlehensundBürgschaftsvergabewerdenstetsderKommission<br />
und dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsbereich<br />
sich das Vorhaben befindet, für eine Stellungnahme<br />
zur Kenntnis gegeben. Der Verwaltungsrat beschließt<br />
über die ihm vom Direktorium vorgelegten<br />
Darlehens- und Bürgschaftsanträge (vgl. Art. 20 und<br />
21EIB-Statut). S. F.<br />
Anschrift: 100, Boulevard Konrad Adenauer,<br />
L–2950 Luxembourg<br />
Internet: http://www.eib.org<br />
Europäische Jugendzentren (EJZ) sind Einrichtungen<br />
des �Europarates in Straßburg (1972) und<br />
Budapest (1995). Sie bieten Jugendlichen in Zusammenarbeit<br />
mit europäischen Jugendorganisationen<br />
Bildungskurse und Kurzlehrgänge (mit Unterbringung)<br />
an, u. a. auch zur Verbesserung der Sprachkenntnisse.<br />
�Nichtregierungsorganisationen (NRO/<br />
NGO) und staatliche Organisationen können die Jugendzentren<br />
auf Basis der Selbstfinanzierung für<br />
Aktivitäten nutzen.<br />
Anschriften: Europäisches Jugendzentrum,<br />
30, rue de Pierre Coubertin, F-67000 Strasbourg.<br />
Internet www.coe.int/youth<br />
Europäisches Jugendzentrum, Budapest, Zivatar utca 1–3,<br />
H-1024 Budapest.<br />
Internet www.eycb.coe.int<br />
Europäische Kommission �Kommission der Europäischen<br />
Gemeinschaften<br />
Europäische Korrespondenten sind Beamte in<br />
den Außenministerien der Mitgliedstaaten, die im<br />
Rahmen der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP) die Verbindung zur Europäischen<br />
Kommission und zwischen den Außenministerien<br />
herstellen. Sie sind untereinander und mit der<br />
Kommission durch das Kommunikationsnetz<br />
�COREU verbunden.<br />
Europäische kriminalpolizeiliche Zentralstelle<br />
�Europol<br />
Europäische Krisenreaktionstruppe �ESVP<br />
Europäische Kulturhauptstadt (Kulturstadt Europas).<br />
Auf Initiative der damaligen griechischen<br />
Kulturministerin Melina Mercouri beschloss der Rat
der Kulturminister am 13. 6. 1985, auf Basis der zwischenstaatlichen<br />
Zusammenarbeit jährlich (anfänglich<br />
ohne Wettbewerb) mindestens eine Kulturstadt<br />
Europas auszurufen, um die kulturelle Vielfalt, das<br />
kulturelle Erbe und die Gemeinsamkeiten Europas<br />
einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.<br />
Das Auswahlverfahren wurde durch Ratsbeschluss<br />
vom28.5.1999ineingemeinschaftlichesumgewandelt<br />
und die Kulturstadt Europas in Europäische Kulturhauptstadt<br />
umbenannt. Nach einem Rotationsprinzip<br />
können nun einzelne Mitgliedstaaten für ein<br />
bestimmtes Jahr einen oder mehrere Kandidaten vorschlagen,der(die)auseinemnationalenWettbewerb<br />
hervorgegangen ist (sind). Eine Jury aus zwei Mitgliedern<br />
des Europäischen Parlaments, zwei des Rates,<br />
zwei der Kommission und einem des �Ausschusses<br />
der Regionen gibt eine Empfehlung ab. Die NominierungerfolgtdurchdenRatmindestensvierJahre<br />
vor dem Ereignis. Dieser Beschluss ist 2005 in<br />
Kraft getreten.<br />
Erste Kulturstadt Europas war Athen 1985, es<br />
folgten Florenz 1986, Amsterdam 1987, Berlin<br />
1988, Paris 1989, Glasgow 1990, Dublin 1991, Madrid<br />
1992, Antwerpen 1993, Lissabon 1994, Luxemburg<br />
1995, Kopenhagen 1996, Thessaloniki 1997,<br />
Stockholm 1998, Weimar 1999. Für die Jahrtausendwende<br />
2000 wurden neun Städte benannt: Avignon,<br />
Bergen, Bologna, Brüssel, Helsinki, Krakau, Prag,<br />
Reykjavik, Santiago de Compostela. Es folgten 2001<br />
Porto und Rotterdam, 2002 Brügge und Salamanca,<br />
2003 Graz, 2004 Genua und Lille. Des weiteren Cork<br />
2005,Patras2006,eineStadtinLuxemburg2007,Liverpool<br />
2008.<br />
Ab 2009 werden für zehn Jahre jeweils zwei Städte<br />
benannt, eine in den alten, eine in den neuen Mitgliedstaaten.<br />
2009 sind Österreich und Litauen an der Reihe. Für<br />
2010 gibt Deutschland, neben Ungarn, im 3. Quartal<br />
2005 die Bewerbung zur Wahl der Europäischen<br />
Kulturhauptstadt ab (aus den Bewerbungen der 16<br />
deutschen Bundesländer hat der Deutsche Bundesrat<br />
die Europastadt Görlitz/Zgorzelec neben Essen als<br />
deutsche Bewerber ausgewählt).<br />
2011: Finnland und Estland. 2012: Portugal und Slowenien.<br />
2013: Frankreich und die Slowakei. 2014:<br />
Schweden und Lettland. 2015: Belgien und Tschechien.<br />
2016: Spanien und Polen. 2017: Dänemark<br />
und Zypern. 2018: Niederlande und Malta. 2019: Italien.<br />
Europäische Kulturstiftung<br />
Europäische Kulturkonvention. Am 19. 12. 1954<br />
vom Europarat verabschiedet und im Mai 1955 in<br />
Kraft getreten. Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten<br />
(49 Staaten Europas), ihr kulturelles Erbe zu<br />
schützen und weiter zu entwickeln. Die Konvention<br />
fordert die Staaten auf, Studium und Kenntnis der<br />
Sprachen, der Geschichte und Kultur anderer europäischerStaatenundVölkerzufördern.Siebildetdie<br />
Grundlage für die Zusammenarbeit der Staaten in<br />
den Bereichen Bildung, Kultur, Denkmalpflege,<br />
Sport und Jugend.<br />
Europäische Kulturstiftung (I) (European Cultural<br />
Foundation, ECF), 1954 auf private Initiative von<br />
Denis de �Rougemont und Robert �Schuman (erster<br />
Präsident der Stiftung) gegründete gemeinnützige<br />
Organisation. Sitz zunächst Genf, seit 1960 Amsterdam.<br />
Die Stiftung wird aus Spenden finanziert sowie<br />
aus öffentlichen Mitteln der Niederlande, aus Projektbeiträgen<br />
europäischer Regierungen sowie der<br />
Europäischen Kommission (im Rahmen von Programmen<br />
wie �Tempus, �Erasmus oder �Eurydice).<br />
Sie unterhält Nationalkomitees in 20 Ländern und<br />
hat eigene Institute. .<br />
Ziele: Sie will der wirtschaftlichen Integration eine<br />
kulturelle, „menschlichere“ Dimension verleihen,<br />
u. a. durch Jugendarbeit; sie veranstaltet wissenschaftliche<br />
Diskussionen (Kolloquien, Forschungsarbeiten),fördertVorhaben,dieihrenZielenentsprechen<br />
und arbeitet in Medien mit.<br />
Die ECF hat 1987 zusammen mit dem Europarat den<br />
Fernsehwettbewerb Prix Europa gegründet und organisiert<br />
ihn seit 1990. Inzwischen gehören auch das<br />
Europäische Parlament und die Europäische KommissionzurTrägerschaftdesWettbewerbs.<br />
W. M.<br />
Europäische Kultur Stiftung (II), gemeinnützige<br />
Organisation mit Sitz in Bonn. Ziele: europäische<br />
KunstundKulturalsMittelderVölkerverständigung<br />
zu nutzen. Aufgabe: Förderung zeitgenössischer<br />
Künstler durch Auftragsarbeiten sowie durch Organisation<br />
von Ausstellungen. Finanzierung durch private<br />
Spenden.<br />
Europäische Kulturstiftung (III) Pro Europa,<br />
1993 in Basel gegründet. Aufgabe ist die Förderung<br />
des Kulturaustauschs zwischen europäischen Staaten<br />
und Regionen und Verdeutlichung der kulturellen<br />
Vielfalt Europas. Sie führt kulturelle Veranstal-<br />
243
Europäische Kulturstiftung<br />
tungen durch, vergibt Förderpreise und Stipendien<br />
an junge Künstler, unterstützt innovative Projekte<br />
auf kulturellem Gebiet, ermöglicht Ausstellungen<br />
und Konzertauftritte.<br />
Europäische Kulturstiftung (IV), auch Bezeichnung<br />
der „Europäischen Stiftung“ (für eine europäische<br />
Außenkulturpolitik), deren Gründung (auf Anregung<br />
des �Tindemans-Berichts) scheiterte, u. a.<br />
wegen Ablehnung im EP. Sie sollte in Zusammenarbeit<br />
mit bestehenden Organisationen helfen, die Völkerverständigung<br />
zu fördern und das europäische<br />
Kulturerbe zu bewahren.<br />
Europäische Kulturzentren (ECC). Zielgruppen<br />
sind Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II<br />
aus allen europäischen Ländern. Sie sollen im Kontakt<br />
untereinander (z. B. in 14-tägigen Sessions) die<br />
europäische Identität und Solidarität erleben. Das<br />
erste Europäische Kulturzentrum entstand 1989 in<br />
der ehemaligen Abtei von Saint-Jean-d’Angély in<br />
Südwestfrankreich am Pilgerweg nach Santiago de<br />
Compostela. Erstes ECC in Deutschland ist das 1991<br />
gegründete Europäische Kulturzentrum Baden-<br />
Baden.<br />
Europäische Menschenrechtskonvention<br />
(EMRK). Die Europäische Konvention zum Schutz<br />
der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische<br />
Menschenrechtskonvention, EMRK) ist das<br />
wichtigste Abkommen des �Europarates. Sie wurde<br />
am 4. 11. 1950 in Rom unterzeichnet und trat am 3. 9.<br />
1953 in Kraft. Sie wurde von insgesamt 45 europäischen<br />
Staaten ratifiziert (Stand 2. 6. 2004). Die<br />
EMRKentstandunterdemEinflussderSchrecknisse<br />
des europäischen Faschismus. Sie ist stark von der<br />
�Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der<br />
Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 beeinflusst<br />
worden.<br />
Die Europäische Menschenrechtskonvention hatte<br />
von Anfang an folgende wesentliche Inhalte: Sie<br />
schützt das Recht auf Leben (Art. 2), verbietet Folter<br />
undunmenschliche,erniedrigendeBehandlung(Art.<br />
3), verbietet die Zwangsarbeit (Art. 4), schützt die<br />
Freiheit der Person (habeas corpus; Art. 5), gewährt<br />
in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und in<br />
Strafsachen Verfahrensgarantien (fair trial, Art. 5),<br />
schützt den Grundsatz nulla poena sine lege (keine<br />
Strafe ohne Gesetz, Art. 7), das Privat- und Familien-<br />
244<br />
leben (Art. 8), die Glaubens- (Art. 9) und die Meinungsfreiheit<br />
(Art. 10) sowie die Versammlungsund<br />
Vereinigungsfreiheit (Art. 11), garantiert das<br />
Recht auf Heirat (Art. 12) und gewährt ein Diskriminierungsverbot<br />
im Hinblick auf die Ausübung der<br />
vorstehenden Rechte. Durch weitere Zusatzprotokolle<br />
(ZP) wurde die EMRK später ergänzt: Artikel 1<br />
des 1. ZP schützt das Eigentum, Art. 2 des 1. ZP gewährleistet<br />
das Recht auf Bildung und Art. 3 des 1.<br />
ZP garantiert das Recht aus freie Wahlen (�Matthews).<br />
Artikel 1 des 4. ZP verbietet die Freiheitsentziehung<br />
wegen Schulden, Art. 2 des 4. ZP garantiert<br />
die Freizügigkeit innerhalb eines Staatsgebiets, Art.<br />
3 des 4. ZP verbietet die Ausweisung eigener Staatsangehöriger<br />
und Art. 4 des 4. ZP die Kollektivausweisung<br />
von Ausländern. Durch das 6. ZP wird die<br />
Todesstrafeabgeschafft,fürKriegszeitensiehtArt.2<br />
des 6. ZP Ausnahmen vor. Durch das 7. ZP sollte die<br />
EMRK weiter an den Internationalen Menschenrechtspakt<br />
der Vereinten Nationen vom 16. 12. 1966<br />
angepasst werden. Artikel 1 des 7. ZP enthält verfahrensrechtliche<br />
Schutzvorschriften bezüglich der<br />
Ausweisung von Ausländern, Art. 2 des 7. ZP garantiert<br />
Rechtsmittel in Strafsachen, Art. 3 des 7. ZP gewährleistet<br />
das Recht auf Entschädigung bei Fehlurteilen,<br />
Art. 4 des 7. ZP verbietet die Doppelbestrafung<br />
wegen der derselben Tat und Art. 5 des 7. ZP garantiert<br />
die Gleichberechtigung der Ehegatten. Mit<br />
dem am 4. 11. 2000 unterzeichneten, noch nicht in<br />
Kraft getretenen 12. ZP soll die EMRK um ein allgemeines<br />
Diskriminierungsverbot ergänzt werden<br />
(von Deutschland bislang nicht ratifiziert) und mit<br />
dem 13. ZP vom 3. 5. 2002 um ein allgemeines Verbot<br />
der Todesstrafe ergänzt werden. Die übrigen ZP<br />
enthalten verfahrensrechtliche Änderungen und Ergänzungen<br />
der EMRK (�Europäischer Gerichtshof<br />
für Menschenrechte).<br />
Über die Einhaltung der vorgenannten Menschenrechtsgarantien<br />
der EMRK wachen der �Europäische<br />
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit<br />
Sitz in Straßburg und das Ministerkomitee des Europarates.<br />
Etwaige Verletzungen der Menschenrechtsgarantien<br />
der EMRK können sowohl von den Vertragsstaaten<br />
der EMRK im Wege der Staatenbeschwerde<br />
als auch von Einzelpersonen, die sich im<br />
Hoheitsbereich dieser Staaten aufhalten bzw. im<br />
Zeitpunkt der Verletzung aufgehalten haben, im<br />
Wege der Individualbeschwerde geltend gemacht<br />
werden. Das Recht der Individualbeschwerde ist im
internationalen Menschenrechtsschutz einzigartig<br />
und stellt eine Durchbrechung des völkerrechtlichen<br />
Grundsatzes der Nichteinmischung in die inneren<br />
Angelegenheiten eines Staates dar. Während die<br />
Konventionsstaaten – schon aus diplomatischen<br />
Gründen – von ihrem Beschwerderecht nur höchst<br />
vereinzelt und in Fällen schwerer Menschrechtsverletzungen<br />
Gebrauch machen, weist die Zahl der beim<br />
EGMR erhobenen Individualbeschwerden mit ca.<br />
8 400 registrierten Beschwerden im Jahr 1999 und<br />
ca. 16 000 registrierten Beschwerden im Jahr 2000<br />
exponentielles Wachstum auf. Das 14. ZP zur<br />
EMRKvom13.5.2004siehtdaheru.a.strengereZulässigkeitskriterien<br />
sowie die Möglichkeit, Einzelrichterentscheidungen<br />
zu treffen, vor.<br />
Wichtigste Zulässigkeitsvoraussetzung einer Individualbeschwerde<br />
ist neben der Einhaltung einer<br />
Sechs-Monats-Frist ab Zustellung der endgültigen<br />
innerstaatlichen Entscheidung die Erschöpfung des<br />
innerstaatlichen Rechtswegs. Für Beschwerden gegen<br />
die Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies,<br />
dass zunächst eine Verfassungsbeschwerde beim<br />
Bundesverfassungsgericht(BVerfG)zuerhebenist.<br />
Die meisten europäischen Staaten verfügen jedoch<br />
über kein der deutschen Verfassungsbeschwerde<br />
vergleichbares Rechtsinstitut. Für diese Staaten hat<br />
sich der EGMR in der Praxis quasi zu einem Verfassungsgericht<br />
für Grundrechtsfragen entwickelt.<br />
Die�EuropäischenGemeinschaften(EG,EAG)zählen<br />
nicht zu den Vertragsparteien der EMRK. Deren<br />
Beitritt wird zwar seit Jahrzehnten gefordert, scheiterte<br />
aber stets am politischen Widerstand einiger<br />
Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass nach der Auffassung<br />
des �Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften<br />
(EuGH) eine vorhergehende Ergänzung<br />
des �EGV erforderlich ist. Es sind jedoch alle<br />
EU-Mitgliedstaaten zugleich auch Vertragsparteien<br />
der EMRK; die Ratifizierung der EMRK und ihrer<br />
Zusatzprotokolle zählt seit den 1980er Jahren zu den<br />
zwingenden politischen Voraussetzungen für einen<br />
Beitritt zur Europäischen Union. Nach der Rechtsprechung<br />
des EuGH findet die EMRK lediglich mittelbare<br />
Anwendung als Bestandteil der allgemeinen<br />
Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts. Diese<br />
Rechtsprechung hat Eingang in Art. 6 Abs. 2 EUV<br />
gefunden, nachdem sich die Europäische Union verpflichtet,<br />
die Grundrechte zu achten, wie sie durch<br />
die EMRK gewährleistet werden und wie sie sich aus<br />
den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der<br />
Europäische Nachbarschaftspolitik<br />
Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts<br />
ergeben. Ebenso verweisen auch<br />
Art. II-112 Abs. 3 und Art. II-113 des Verfassungsvertrags<br />
2004 (Europäische �Grundrechtecharta)<br />
auf die EMRK und das durch die EMRK vermittelte<br />
materiellrechtlicheSchutzniveau.MitArt.I-9Abs.2<br />
des Verfassungsvertrags 2004 wird nach dessen Inkrafttreten<br />
der Beitritt der Europäischen Union zur<br />
EMRK angestrebt.<br />
Umgekehrt hat der EGMR bereits begonnen, das abgeleitete<br />
Gemeinschaftsrecht am Maßstab der<br />
EMRK zu überprüfen. Dies bestätigt, dass sich die<br />
EG-Mitgliedstaaten beim Vollzug des Gemeinschaftsrecht<br />
nicht ihren Verpflichtungen aus der<br />
EMRK entziehen können. Die weitergehende Frage<br />
hingegen, ob eine Zuständigkeit des EGMR auch für<br />
Beschwerden gegen Maßnahmen der Organe der Europäischen<br />
Gemeinschaften zulässig ist, hat der<br />
EGMR bislang bewusst offen gehalten, so zuletzt in<br />
seiner Entscheidung �Senator Lines ./. 15 Mitgliedstaaten<br />
vom 10. 3. 2004 (dt. Übersetzung in EuGRZ<br />
2004,279).�Cantoni;�Matthews). S. W.<br />
Literatur:<br />
Frowein, J. A./Peukert, W.: Europäische Menschenrechtskonvention<br />
(Kommentar). Kehl/Straßburg/Arlington 1996 2<br />
Meyer-Ladewig, J.: Handkommentar EMRK.<br />
Baden-Baden 2003<br />
Grabenwarter, Ch.: Europäische Menschenrechtskonvention.<br />
München 2003<br />
Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP).<br />
Grundlagen: Die Erweiterung der EU nach Osten<br />
und ins östliche Mittelmeer hat entscheidende Anstöße<br />
zu einer aktiven und systematischen Politik der<br />
EU gegenüber den neuen und alten Nachbarn gegeben.<br />
2003 legte die EU Kommission die Mitteilung<br />
„Größeres Europa – Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen<br />
für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen<br />
und südlichen Nachbarn“ (KOM 2003/104 endg.)<br />
vor, die sie im Mai 2004 in einem „Strategiepapier<br />
zur Europäischen Nachbarschaftspolitik“ (ENP)<br />
(KOM 2004/373 endg.) fortentwickelte und darüber<br />
hinaus um Vorschläge für die Schaffung eines Finanzinstruments<br />
für die Europäische Nachbarschaftspolitik<br />
(KOM 2004/628 endg. vom 29. 9.<br />
2004) ergänzte. Es soll ab 2007 an die Stelle der Programme<br />
�MEDA und �TACIS (nur für die ENP-<br />
Länder) treten. Besonders förderungswürdig sind<br />
grenzüberschreitende und transnationale Aktivitäten,<br />
die von EU und ENP-Ländern gemeinsam<br />
245
Europäische Nachbarschaftspolitik<br />
durchgeführt werden. Die Kommission schlägt ein<br />
Volumen von 14,929 Mrd. Euro für den Zeitraum<br />
von 2007 bis 2013 vor.<br />
Länder: Unter der Formel ENP werden sehr unterschiedliche<br />
Regionen und Länder zusammengeführt.<br />
Sie reichen von Osteuropa über den südlichen<br />
Kaukasus bis nach Marokko. Die EU ist mit den 16<br />
ENP-Ländern bereits durch Assoziierungsabkommen<br />
bzw. den �Barcelona-Prozess (Algerien, Ägypten,<br />
Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko,<br />
Palästinensische Autonomiebehörde, Syrien, Tunesien)<br />
oder Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />
(Ukraine, Moldau, Armenien, Aserbaidschan,<br />
Belarus, Georgien) verbunden. Russland ist nicht<br />
einbezogen, ebenso nicht die Länder des westlichen<br />
Balkans, die als potentielle Beitrittskandidaten gelten.<br />
Die ENP soll einen gemeinsamen Rahmen für<br />
die Weiterentwicklung der Beziehungen schaffen.<br />
Ziele und Inhalte: Die ENP resultiert aus dem generellen<br />
Interesse der EU an einer Stabilisierung des<br />
Nachbarschaftsraums. Zudem soll sie als eine Alternative<br />
zur Erweiterungspolitik bzw. zum EU-Beitritt<br />
Zugkraft entwickeln, denn die ENP-Länder erhalten<br />
(derzeit) keine Mitgliedschaftsperspektive. Unmittelbar<br />
geht es darum, mögliche negative Effekte für<br />
die Nachbarn der neuen Mitgliedstaaten vor allem in<br />
den Grenzregionen zu kompensieren und neue Trennungslinien<br />
zu vermeiden oder abzumildern.<br />
Der Verfassungsvertrag 2004 sieht einen eigenen Titel<br />
(I-VIII VVE) „Die Union und ihre Nachbarn“ vor,<br />
wonachdieEU„besondereBeziehungenzudenLändern<br />
ihrer Nachbarschaft“ entwickelt, „um einen<br />
Raum des Wohlstands und der guten Nachbarschaft<br />
zu schaffen“ (I-57 Abs. 1 VVE). Er soll „auf den<br />
Werten der Union“ aufbauen und sich durch „enge,<br />
friedliche Beziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit“<br />
auszeichnen. Die EU kann dazu<br />
„spezielle Übereinkünfte“ mit gegenseitigen Rechten<br />
und Pflichten und der Möglichkeit zu gemeinsamem<br />
Vorgehen (I-57 Abs. 2 VVE) mit den Ländern<br />
ihrer Nachbarschaft schließen.<br />
Bislang sind die in Aussicht gestellten Europäischen<br />
Nachbarschaftsabkommen, die an die Stelle der<br />
�Partnerschafts- und �Kooperationsabkommen bzw.<br />
�Assoziierungsabkommen treten können, jedoch inhaltlich<br />
noch nicht präzisiert worden.<br />
Die ENP verfolgt einen bilateralen und länderspezifischen<br />
Ansatz, der mit Anreizen für regionale Kooperation<br />
(Barcelona-Prozess) verbunden wird. Die<br />
246<br />
bereits existierenden, aber häufig nur schleppend<br />
umgesetzten Kooperations- und Assoziierungsverträge<br />
sollen belebt und durch eine Fokussierung auf<br />
prioritäre Aktionsfelder konkrete Fortschritte erzielt<br />
werden. Als Leitfaden für diese funktionale Kooperation<br />
dienen in erster Linie Aktionspläne, die jeweils<br />
zwischen der EU und dem Nachbarschaftsland<br />
ausgehandelt werden. Darin werden Maßnahmen<br />
und Zeitpläne für deren Umsetzung festgelegt. Der<br />
Zeitrahmen beträgt drei bis fünf Jahre. Die Umsetzung<br />
der Aktionspläne wird von den gemeinsamen<br />
Kooperations- und Assoziierungsinstitutionen überwacht.<br />
Sie werden EU-intern vom Rat verabschiedet<br />
und von den gemeinsamen Assoziierungs- bzw. Kooperationsräten<br />
jeweils förmlich angenommen. Im<br />
Dezember 2004 präsentierte die Kommission die<br />
ersten Aktionspläne mit Moldau, der Ukraine, Marokko,<br />
Tunesien, Jordanien, Israel und der Palästinensischen<br />
Behörde.<br />
Themenfelder der ENP und der Aktionspläne sind:<br />
politischer Dialog und Reform; regionale und internationale<br />
Probleme, Kooperation in der Außen- und<br />
Sicherheitspolitik (�GASP), �Nichtverbreitung von<br />
Massenvernichtungswaffen und Abrüstung, Konfliktprävention<br />
und Krisenmanagement; wirtschaftliche<br />
und soziale Reformen und Entwicklung; soziale<br />
Situation, Armutsbekämpfung; Handel und Vorbereitung<br />
auf die schrittweise Teilhabe am Binnenmarkt<br />
(Rechtsharmonisierung); Justiz und Inneres;<br />
Energie, Verkehr, Informationsgesellschaft und<br />
Umwelt; Forschung und Innovation; Sozialpolitik<br />
und Kontakte der Bevölkerung. Die Aktionspläne<br />
messen diesen Feldern je nach Land unterschiedliches<br />
Gewicht bei und unterscheiden sich auch im<br />
Ehrgeiz der gesteckten Ziele. Die Aktionspläne sind<br />
Fahrpläne für Transformation und Modernisierung<br />
in den ENP-Ländern und stellen für diese eine Art<br />
Lastenheft dar. Die Gegenleistungen der EU müsstenbeiderMarktöffnung,derKreditvergabeoderder<br />
Visa- und Einwanderungspolitik liegen. Insgesamt<br />
kommt der Förderung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit,<br />
good governance und ArmutsbekämpfungnebenderKonfliktpräventioneinhoherStellenwertzu.DieENP-Instrumente(z.B.regelmäßigeSupervision<br />
und Evaluation, Richtgrößen, Differenzierung<br />
nach Leistung, Hilfe) sind denen der EU-�Heranführungsstrategie<br />
nachgebildet, sollen aber ohne<br />
den großen Anreiz der Mitgliedschaftsperspektive<br />
funktionieren.
Durch die ENP will die EU ihrerseits erreichen, dass<br />
die Partnerländer wesentliche außen- und sicherheitspolitische<br />
Ziele und Aktivitäten der GASP/<br />
ESVP unterstützen (Konfliktmanagement, Post-<br />
Konflikt-Stabilisierung, global governance, Schutz<br />
gegenüber �softsecurityRisiken).DerpolitischeDialog<br />
ist deshalb ein zentrales Element der ENP. Der<br />
Kernanreiz für die ENP-Länder soll die Teilhabe am<br />
Binnenmarkt darstellen, obwohl dieses Ziel für<br />
einige ENP-Länder derzeit fiktiv ist (etwa Moldau<br />
oder Libyen) und andere dafür keine ENP benötigen<br />
(Israel). Der Ansatz könnte bis hin zu einem EWR II<br />
oder einer Mitgliedschaft im existierenden EWR<br />
führen, auch wenn die EU diese Formel meidet. Die<br />
Mitgliedschaftsperspektive will die EU im GegensatzzueinigenENP-Ländernbewusstausklammern,<br />
alle darunter liegenden Kooperations- und Integrationsformen<br />
jedoch ermöglichen („alles außer Institutionen“).<br />
Im Zuge der ENP könnten sich neue Beteiligungsmöglichkeiten<br />
für Drittstaaten am EU-<br />
Entscheidungsprozess und in den Institutionen entwickeln,dieüberVorformenwiedenpolitischenund<br />
strukturierten Dialog, die gemeinsamen Assoziierungsinstitutionen<br />
oder die Einbeziehung in Gemeinschaftsprogramme<br />
hinausgehen.<br />
Ausblick: Intern hat die Nachbarschaftspolitik den<br />
Zweck, die variierenden geographischen Präferenzen<br />
und unterschiedlich intensiven Interessen und<br />
Verbindungen der EU-Mitgliedstaaten auszubalancierenundeineneinheitlichenRahmenfürdieBeziehungenzudenNachbarländernzubieten.Esstehtaußer<br />
Zweifel, dass die EU auch angesichts einer Erweiterungsmüdigkeit<br />
ein starkes Interesse an der<br />
Stabilisierung ihrer Nachbarschaft durch Politikangebote<br />
unterhalb des Beitritts hat. Fraglich ist, ob das<br />
bislang herangereifte Konzept der ENP eine entsprechende<br />
Attraktivität und Zugkraft entwickeln kann.<br />
Der ENP fehlt es bis dato an einer packenden Vision,<br />
klaren politischen und wirtschaftlichen Anreizen<br />
und einem erkennbaren zusätzlichen Nutzen gegenüber<br />
dem Status quo, so dass die von der EU gewünschten<br />
Fortschritte bei der Demokratisierung,<br />
der Konfliktprävention und Einbindung in einen effektiven<br />
kooperativen Multilateralismus sowie bei<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung der Nachbarn erzieltwerdenkönnen.<br />
B. Li.<br />
Literatur :<br />
Hummer, W.: Die Union und ihre Nachbarn – Nachbarschaftspolitik<br />
vor und nach dem Verfassungsvertrag.<br />
In: integration, 3/05, Juli 2005, S. 233 – 245<br />
Europäische Parteien<br />
Stratenschulte, E. D.: Ade, Ambiguität! Die neue Nachbarschaftspolitik<br />
der EU. In: Osteuropa. Stuttgart 7/2004, S. 65–75<br />
Europäische Parteien. Im Vorfeld der Europawahlen<br />
2004 wurden erste Gründungsversammlungen<br />
europäischer Parteien abgehalten, im Februar<br />
2004 von Delegierten aus 32 grünen Parteien der<br />
EU-Staaten (Grüne Partei), im Mai 2004 von Delegierten<br />
aus 15 sozialistischen und kommunistischen<br />
Parteien (Partei der Europäischen Linken, EL). Nur<br />
dieELnimmtbisherauchMitgliederauf,dienichteinernationalenParteiangehören.AlleanderenParteien<br />
bevorzugen noch die Bildung von Zusammenschlüssen<br />
(�Europäische Parteienföderationen).<br />
Europäische Parteien(föderationen),<br />
europäische Parteienzusammenschlüsse<br />
1. Begriffserklärung: Bisher spricht man eher von<br />
europäischen Parteienzusammenschlüssen als von<br />
eigenständigen Parteien; sie sind z. B. nicht an der<br />
Aufstellung von Kandidaten für das Europäische<br />
Parlament beteiligt (Rekrutierungsfunktion), bündeln<br />
aber europapolitische Positionen und formulieren<br />
Wahlprogramme. Parteienzusammenschlüsse<br />
spielen eine wichtige Rolle bei der Herstellung einer<br />
europapolitischen Öffentlichkeit, die wiederum<br />
VoraussetzungzurSchaffungvonLegitimationist.<br />
2. Von Parteienzusammenschlüssen zu europäischen<br />
Parteien: Nachdem die Entscheidung zur<br />
Durchführung der Direktwahl zum Europäischen<br />
Parlament (EP) gefallen war, gründeten sich die ersten<br />
Parteienzusammenschlüsse: Bund der Sozialdemokratischen<br />
und Sozialistischen Parteien (5. 4.<br />
1974 in Luxemburg), Europäische Volkspartei – FöderationderChristlich-DemokratischenParteiender<br />
Europäischen Gemeinschaft (29. 4. 1976 in Brüssel)<br />
und Föderation liberaler und demokratischer Parteien<br />
der Europäischen Gemeinschaft (27. 3. 1976 in<br />
Stuttgart), die sich 1977 in „Europäische Liberale<br />
Demokraten“ (ELD) umbenannte.<br />
Die Parteienzusammenschlüsse bilden ein Netzwerk,<br />
Informations- und Abstimmungsgremien, die<br />
als Plattform für den Austausch zwischen den nationalen<br />
Parteipolitikern und ihren europäisch agierenden<br />
Kollegen fungieren sowie Bindeglied zu den<br />
Fraktionen im EP sind. Die Parteienzusammenschlüsse<br />
weisen zudem intensive personelle und organisatorische<br />
Verflechtungen mit den Fraktionen<br />
im EP auf.<br />
247
Europäische Politische Gemeinschaft<br />
Seit dem Maastrichter Vertrag über die Europäische<br />
Union sind Regelungen über europäische Parteien in<br />
das Vertragswerk aufgenommen worden. In Art. 191<br />
EGV heißt es: „Politische Parteien auf europäischer<br />
Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der<br />
Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein<br />
herauszubilden und den politischen Willen<br />
der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen“.<br />
Ähnliche Formulierungen finden sich in der Charta<br />
der Grundrechte der Europäischen Union (Art. II-72<br />
Abs.2VVE2004).Dadurchwurdedeneuropäischen<br />
Parteien eine herausgehobene Rolle zugewiesen.<br />
Der Vertrag von Nizza fügt Art. 191 einen weiteren<br />
Absatz hinzu: „Der Rat legt gemäß dem Verfahren<br />
des Artikels 251 die Regelungen für politische Parteien<br />
auf europäischer Ebene und insbes. die Vorschriften<br />
über ihre Finanzierung fest.“ Dieses Europäische<br />
Parteien-Statut ist Anfang Februar 2004 in<br />
Kraft getreten (�Regelungen für die politischen Parteien<br />
auf europäischer Ebene).<br />
1992habensichdieSozialdemokraten/Sozialistenin<br />
Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) umbenannt.<br />
In der Europäischen Volkspartei (EVP) sind<br />
seit 1993 persönliche (beitragspflichtige) Mitgliedschaften<br />
möglich, wobei Voraussetzung ist, dass der<br />
Antragsteller auf nationaler Ebene einer EVP-Mitgliedspartei<br />
angehört.<br />
3. Strukturen: Die Parteienzusammenschlüsse verfügen<br />
über ähnliche Strukturen wie Parteien: Ein<br />
Vorsitzender oder Präsident repräsentiert den Parteienzusammenschluss<br />
nach außen und koordiniert die<br />
Arbeit nach innen. Präsidium, Arbeitsgruppen und<br />
Kommissionen bereiten die Arbeit vor. Im Abstand<br />
von ein oder zwei Jahren werden Kongresse veranstaltet,<br />
auf denen Wahlen stattfinden (können) oder<br />
Grundsatzbeschlüsse zu politischen Fragestellungen<br />
gefasst werden.<br />
Politisch wichtig sind die Treffen der Parteispitzen<br />
und der Regierungschefs der im EP vertretenen Parteien.<br />
Sie bemühen sich im Vorfeld europapolitischer<br />
Entscheidungen um gemeinsame Positionen.<br />
4. Kritische Wertung: Europäische Parteienzusammenschlüsse<br />
sind in Arbeitsweise, Funktionen und<br />
Struktur nicht mit nationalen Parteien gleichzusetzen,siesindaberauchnichtnureineArtDachorganisation<br />
nationaler Parteien. Vielmehr sind sie Abbild<br />
der Zwitterrolle der EU zwischen intergouvernementalundsupranational-föderalistischerStruktur:<br />
Die europäischen Parteien weisen eine im nationalen<br />
248<br />
Kontextnichtübliche,intensivepersonelleundorganisatorische<br />
Verflechtung mit den Fraktionen im Europäischen<br />
Parlament auf. Europäische Parteien sind<br />
auch Sammelbecken für Parteien aus den Beitrittsstaaten;<br />
das Interesse der europäischen Parteien liegt<br />
darin, ihre Macht möglichst weit auszudehnen und<br />
überdieParteizusammensetzungauchdieFraktionszusammensetzung<br />
und damit -größe im Europäischen<br />
Parlament auszubauen. Die Meinungsbildung<br />
in der europäischen Partei wird mit den nationalen<br />
Parteistrukturen rückgekoppelt, denn dort werden<br />
letztlich die Weichen für politische Entscheidungen<br />
gestellt; dies wird besonders dann sehr augenfällig,<br />
wenn es um Entscheidungen über strittige Punkte<br />
geht, die eine Rückwirkung auf die nationale Politik<br />
haben. Die Positionsentwicklung verläuft also eher<br />
hierarchisch von der nationalen Parteiebene zur europäischen<br />
– die nationalen Parteien verfügen über<br />
einen föderalen Aufbau über den die Meinungsbildung<br />
von unten nach oben betrieben wird; die europäischen<br />
Parteien fungieren hier eher als Dachorganisationen,<br />
die dann die Positionen der nationalen<br />
Parteien nur noch bündeln. Natürlich gibt es auch<br />
Einflussnahmen in die andere Richtung; aber Realität<br />
ist, dass zahlenmäßig eher wenige Europaabgeordnete<br />
einer eingespielten, hierarchisch durchstrukturierten<br />
nationalen Parteiorganisation gegenüberstehen.Demstehtnichtentgegen,dasseinzelne,<br />
machtvolle Europapolitiker ein gewichtiges Wort<br />
bei der Formulierung europapolitischer Positionen<br />
aufnationalerParteiebenemitsprechen. M. P.<br />
Anschriften:<br />
Europäische Föderation Grüner Parteien, Rue Belliard 97–113,<br />
B–1047 Bruxelles<br />
Europäische Liberale, Rue Belliard 97, B–1047 Bruxelles<br />
Europäische Union Christlicher Demokraten (EUCD),<br />
Rue d’Arlon 67, B–1040 Bruxelles<br />
Europäische Volkspartei, Rue d’Arlon 67, B–1040 Bruxelles<br />
Sozialdemokratische Partei Europa, Rue Belliard 79,<br />
B–1047 Bruxelles<br />
Literatur:<br />
Buhr, C.-C.: Europäische Parteien. Die rechtliche Regelung<br />
ihrer Stellung und Finanzierung. Berlin 2003<br />
Deinzer, G.: Europäische Parteien. Begriff und Funktion in<br />
einem europäischen Integrationsensemble. Baden-Baden 1999<br />
Papadopoulou, T.: Politische Parteien auf europäischer Ebene.<br />
Auslegung und Ausgestaltung von Art. 191 EGV.<br />
Baden-Baden 1999<br />
Europäische Politische Gemeinschaft (EPG).<br />
Der Vertrag über die Gründung einer �Europäischen<br />
Verteidigungsgemeinschaft (EVG, unterzeichnet
am 27. 2. 1952) sah in Art. 38 die Gründung einer EuropäischenPolitischenGemeinschaft(EPG)vor.Als<br />
sich im Verlauf des Ratifizierungsverfahrens<br />
Schwierigkeiten in der französischen Nationalversammlung<br />
abzeichneten, beschloss der Ministerrat<br />
der �EGKS am 10. 9. 1952, die Gemeinsame Versammlung<br />
der Montanunion damit zu beauftragen,<br />
ein Statut für eine EPG auszuarbeiten, gewissermaßenimVorgriffaufArt.38desnochnichtinKraftgetretenen<br />
EVG-Vertrags.<br />
Die Gemeinsame Versammlung berief einen �Adhoc-Ausschuss<br />
unter Vorsitz ihres Präsidenten, des<br />
ehemaligen belgischen Außenministers Paul-Henri<br />
�Spaak,ein.DerAusschussarbeitetedenEntwurfeines<br />
Vertrags zur Gründung einer EPG aus. Sie sollte<br />
das Ziel haben, die Menschenrechte zu wahren, die<br />
Beschäftigung zu steigern, die Wirtschaft auszuweiten<br />
sowie den Bestand und die Sicherheit der Mitgliedstaaten<br />
zu garantieren. Als Organe waren vorgesehen:<br />
ein Exekutivrat, ein Ministerrat, ein Parlament,<br />
ein Gerichtshof und ein Wirtschafts- und Sozialrat.<br />
Nach dem Scheitern des EVG-Vertrags in der französischen<br />
Nationalversammlung am 8. 8. 1954 wurde<br />
der Vertragsentwurf über die Gründung der EPG<br />
nicht mehr in den Parlamenten der 6 EGKS-Staaten<br />
beraten.<br />
EuropäischePolitischeZusammenarbeit(EPZ)<br />
1. Zum Begriff: Die Mitglieder der E(W)G hatten<br />
sich ab 1970 in der EPZ zusammengeschlossen, um<br />
sich–inderDefinitiondesArt.30der �Einheitlichen<br />
Europäischen Akte (EEA) von 1986 – zu bemühen,<br />
„gemeinsam eine europäische Außenpolitik auszuarbeiten<br />
und zu verwirklichen“. Unter Wahrung ihres<br />
Besitzstandes ging die EPZ mit Inkrafttreten des<br />
Vertrages über die Europäische Union (Vertrag von<br />
Maastricht) am 1. 11. 1993 in die �Gemeinsame Außen-<br />
und Sicherheitspolitik (GASP) in der Ausgestaltung<br />
durch den Vertrag von Amsterdam (unterzeichnet<br />
am 2. 10. 1997) über. Das Ziel der EPZ war,<br />
durch fortlaufende Angleichung der nationalen<br />
Standpunkte und Herausbildung gemeinsamer<br />
Grundauffassungen in der Außenpolitik ein möglichst<br />
geschlossenes Auftreten in den Beziehungen<br />
zu Drittländern, in internationalen Organisationen<br />
und auf internationalen Konferenzen zu erreichen.<br />
DamitsollteEuropaseinerStimmeinderWeltpolitik<br />
angemessenes Gehör verschaffen, in den internatio-<br />
Europäische Politische Zusammenarbeit<br />
nalen Beziehungen seine Interessen wahren und seineZieleverwirklichenkönnen.DadieEPZimUnterschied<br />
zur supranationalen Zusammenarbeit der EG<br />
(�Supranationalität) auf zwischenstaatlicher (intergouvernementaler)<br />
Zusammenarbeit beruhte, galt<br />
das Konsensprinzip: Formale Beschlüsse bedurften<br />
der Einstimmigkeit. Weder die Rechtsaktformen des<br />
Gemeinschaftsrechts (z. B. Verordnung und Richtlinie)<br />
noch das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts<br />
fanden Anwendung. Klagen vor dem<br />
EuGH waren nicht zulässig.<br />
2.Entwicklung:DieZusammenarbeitinderEPZhatte<br />
sich pragmatisch und schrittweise über politische<br />
Absichtserklärungen der beteiligten Mitgliedsregierungen<br />
in den Berichten der Außenminister von Luxemburg<br />
(27. 10. 1970, �Luxemburger Bericht), Kopenhagen<br />
(23. 7. 1973) und London (13. 10. 1981)<br />
entwickelt. Erst Art. 30 EEA brachte 1986/87 eine<br />
völkervertragsrechtliche Festschreibung der Ziele<br />
und Verfahren und eine gewisse Verknüpfung mit<br />
der EG. Die Pflicht zur Konsultation in allen wichtigen<br />
Feldern der Außenpolitik und die Berücksichtigung<br />
der Haltung der Partner bei der Formulierung<br />
und Durchführung der eigenen Außenpolitik wurde<br />
fortlaufend erweitert, die praktische Zusammenarbeit<br />
verdichtet und die Rolle des Vorsitzenden, vor<br />
allem auch im Außenverhältnis, gestärkt. Institutionellwurden1970regelmäßigeTreffenderAußenminister<br />
mindestens alle sechs Monate, die Übereinstimmung<br />
des Vorsitzes im Rat und in der EPZ, die<br />
Einsetzung eines Politischen Komitees (bestehend<br />
aus den Politischen Direktoren der Außenministerien<br />
der Mitgliedstaaten) zur Unterstützung der Außenminister<br />
sowie eine allerdings noch eher rudimentäre<br />
Beteiligung von Kommission und Europäischem<br />
Parlament verabredet.1973 wurde die Zahl<br />
der EPZ-Ministertreffen von zwei auf vier erhöht<br />
und ab 1981 die Behandlung von EPZ-Themen am<br />
Rande der monatlichen Ratstagungen (Allgemeiner<br />
Rat)dieRegel.SeiteinemersteninformellenTreffen<br />
der Außenminister in Gymnich 1974 veranstaltet jeder<br />
Ratsvorsitzende eine solche Begegnung, die der<br />
informellen Diskussion (ohne Beamte) längerfristiger<br />
Probleme und Konzepte dient. Ferner wurden<br />
1973<br />
– die Gruppe der dem Politischen Komitee zuarbeitenden�EuropäischenKorrespondentengeschaffen,<br />
– Arbeitsgruppen aus Vertretern der Arbeitsebene<br />
der Außenministerien der Mitgliedstaaten und der<br />
249
Europäische Politische Zusammenarbeit<br />
KommissionzuregionalenundthematischenFragen<br />
gebildet,<br />
– das Kommunikationssystem �COREU (Correspondance<br />
Européenne) eingerichtet und<br />
– eine engere Zusammenarbeit der �Delegationen in<br />
Drittländern und bei internationalen Organisationen<br />
vereinbart.<br />
1981 wurde der Dialog mit Drittstaaten institutionalisiert<br />
und ein mobiler Arbeitsstab zur Unterstützung<br />
des Vorsitzes aus Vertretern der Außenministerien<br />
der jeweiligen Troika eingesetzt, der 1986 als EPZ-<br />
Sekretariat in Brüssel angesiedelt und von drei auf<br />
sechsBeamteerweitertwurde.Ab1981wurdeferner<br />
die Kommission der EG auf allen Ebenen voll an der<br />
EPZ beteiligt und 1986 gleichberechtigt in die EPZ<br />
(jedoch ohne Vorschlagsmonopol wie in der EG)<br />
einbezogen. Vorsitz und Kommission oblag es seither,<br />
für die Kohärenz der Außenbeziehungen der EG<br />
und im Rahmen der EPZ Sorge zu tragen; deshalb<br />
wurden die Vertreter der Kommission in Drittstaaten<br />
(Delegierte) bei Demarchen (Vorsprachen von Diplomaten)<br />
gegenüber der jeweiligen Gastregierung<br />
in die �Troika einbezogen. Mit der Feierlichen Deklaration<br />
des Europäischen Rats von Stuttgart wurde<br />
1983 die Sicherheitspolitik erstmals Gegenstand der<br />
EPZ, allerdings beschränkt auf ihre politischen und<br />
wirtschaftlichen Aspekte, um die Zusammenarbeit<br />
in NATO und �WEU nicht zu beeinträchtigen (Politische<br />
Union).<br />
3. Gegenstand der EPZ: Die EPZ hatte (ebenso wie<br />
die GASP heute) die internationalen Beziehungen in<br />
ihrer Gesamtheit zum Gegenstand. Dabei standen<br />
naturgemäß krisenhafte Entwicklungen und Konflikte,<br />
welche die Interessen der damals Zwölf bzw.<br />
später Fünfzehn berührten, im Mittelpunkt: z. B.<br />
1991IraksAngriffaufKuwait,derKriegimehemaligen<br />
Jugoslawien, aber auch die Entwicklung in der<br />
Russischen Föderation und der Gemeinschaft Unabhängiger<br />
Staaten (GUS).<br />
Das Engagement für die Beendigung der Apartheid<br />
in Südafrika und den Friedensprozess im Nahen Osten<br />
bildeten über viele Jahre einen deutlichen<br />
Schwerpunkt. Immer größere Bedeutung kam der<br />
Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen, der Organisation<br />
über Sicherheit und Zusammenarbeit in<br />
Europa (OSZE) und anderen internationalen Foren<br />
zu, wobei das Eintreten für die Menschenrechte und<br />
die Demokratisierungsprozesse in aller Welt ebenso<br />
wie die Abrüstung und die Ausgestaltung der sicher-<br />
250<br />
heitspolitischen Zusammenarbeit im Vordergrund<br />
standen.<br />
4. Instrumente, Struktur und Verfahren der EPZ, die<br />
auch für die praktische Zusammenarbeit im Rahmen<br />
der GASP noch von Bedeutung sind<br />
4.1 Instrumente: Zur Umsetzung ihrer Ziele bedienten<br />
sich die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten<br />
verschiedenster Instrumente:<br />
– Formelle Erklärungen verdeutlichten nicht nur den<br />
betroffenen Staaten die Haltung der Gemeinschaft<br />
und ihrer Mitgliedstaaten, sondern bildeten für DrittstaatenzunehmendeineReferenzebenezurOrientierung<br />
für ihr eigenes Vorgehen.<br />
– Demarchen der Troika (deren Zusammensetzung<br />
seit Nizza jedoch nicht mehr aus dem vorherigen, gegenwärtigen<br />
und nachfolgenden Vorsitz besteht) in<br />
einem Drittland dienten der Unterrichtung der Gastregierung<br />
über die Einschätzung einer Situation<br />
durch die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten,<br />
übermittelten häufig Appelle (vor allem, wenn es um<br />
den Schutz von Menschenrechten und die Förderung<br />
von Demokratisierungsprozessen ging), aber auch<br />
Warnungen, die bis zur Androhung von Sanktionen<br />
reichen konnten. Sie erfolgten vertraulich, wenn die<br />
„stille Diplomatie“ erfolgversprechender erschien,<br />
ihre Durchführung und ihr Inhalt konnte aber auch<br />
veröffentlicht werden.<br />
– Entsendung von Missionen zur Beobachtung von<br />
Demokratisierungsprozessen und Wahlen (z. B. die<br />
ECOMSA in Südafrika), aber auch von Waffenstillständen<br />
(ursprüngliche Aufgabe der EG-Monitoren<br />
im ehemaligen Jugoslawien).<br />
– Abstimmung von Erklärungen, aber auch des<br />
Stimmverhaltens und zunehmend auch der Kandidatenaufstellung<br />
bei internationalen Konferenzen und<br />
in internationalen Organisationen.<br />
4.2 Strukturen und Verfahren: Die Erarbeitung und<br />
Verwirklichung einer europäischen Außenpolitik<br />
vollzog sich seit der Endphase der EPZ auf vier Ebenen:<br />
a) Die Arbeitsebene der Mitgliedstaaten und der<br />
Kommission tauschten täglich Informationen, Meinungen<br />
und Analysen aus, die der Bildung eines<br />
�Gemeinsamen Standpunktes dienten, der wiederum<br />
die Referenzebene für das eigene außenpolitische<br />
Handeln bildete. Dazu bediente sich der Vorsitz,<br />
von dem die meisten Initiativen ausgingen, aber<br />
auch die Mitgliedstaaten, die Kommission und das<br />
EPZ-Sekretariat des abgeschirmten COREU-Sys-
tems, das sternförmig direkt und gleichzeitig allen<br />
Teilnehmern verschlüsselte Fernschreiben übermittelte.<br />
Vertreter der Arbeitsebene trafen sich außerdem<br />
ein- bis sechsmal im Halbjahr in mehr als 25 Arbeitsgruppen,<br />
um im unmittelbaren Gespräch die<br />
Meinungsbildung abzurunden und dem Politischen<br />
Komitee (s. u.) Beschlussempfehlungen zu geben.<br />
Neben den sieben Arbeitsgruppen mit regionaler ZuständigkeitwurdeinanderenArbeitsgruppendieZusammenarbeit<br />
in den Vereinten Nationen, der OSZE<br />
und in den verschiedenen Abrüstungsbereichen abgestimmt.<br />
Neben weiteren Gruppen mit Querschnittsaufgaben<br />
standen solche, die sich mit der<br />
praktischen Zusammenarbeit der Auslandsvertretungen<br />
und der Außenministerien in Drittstaaten befassten.<br />
b) Das Politische Komitee, das sich aus den Politischen<br />
Direktoren (Leitern der oder einer der Politischen<br />
Abteilungen) der Außenministerien und der<br />
Kommission zusammensetzte, billigte bei seinen<br />
monatlichen Zusammenkünften die in den Berichten<br />
der Arbeitsgruppen enthaltenen Vorschläge und beschloss<br />
auf deren Grundlage Maßnahmen (z. B. Erklärungen,<br />
Demarchen etc.). Im Vordergrund standen<br />
jedoch zumeist die Behandlung aktueller Krisen<br />
und darauf bezogene Vorschläge für die im (Allgemeinen)<br />
Rat tagenden Außenminister.<br />
c) Die Außenminister hatten sich bei den vier jährlichen<br />
EPZ-Ministertreffen, seit Ende der 1980er Jahre<br />
aber praktisch am Rande jedes monatlichen Treffens<br />
des Rates (für Allgemeine Angelegenheiten)<br />
mit außenpolitischen Fragen befasst, Grundsatzfragen<br />
diskutiert und Entscheidungen getroffen, für die<br />
beim Politischen Komitee kein Konsens erzielt werden<br />
konnte.<br />
d) Obwohl der Europäische Rat formal kein Organ<br />
der EPZ war, hatte er sich seit seiner ersten Sitzung<br />
1974 zunehmend mit besonders wichtigen außenpolitischen<br />
Fragen befasst und entscheidende Impulse<br />
nicht nur für die Außenbeziehungen, sondern auch<br />
für die Weiterentwicklung der EPZ gegeben (zuletzt<br />
durch Einsetzung der Konferenz über die Politische<br />
Union am 15. 12. 1990 in Rom).<br />
e) Die Zusammenarbeit in der EPZ/GASP war nicht<br />
völlig auf sich selbst bezogen, ihr Erfolg und ihr Ansehen<br />
in der Welt waren in hohem Maße auch vom<br />
unmittelbaren Kontakt mit der „Außenwelt“ abhängig.<br />
Der „politische Dialog“, der mit sieben Staatengruppen<br />
und mit Staaten im Rahmen der EPZ/GASP<br />
Europäische Politische Zusammenarbeit<br />
vereinbart wurde, diente nicht nur der gegenseitigen<br />
UnterrichtungunddemMeinungsaustausch.Erführte<br />
zunehmend zu einer Abstimmung von Haltungen<br />
und Maßnahmen in Einzelfällen über den Kreis der<br />
EG/EU-Mitgliedstaaten hinaus, was nicht nur dem<br />
besseren gegenseitigen Verständnis diente, sondern<br />
die Einwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten auf<br />
die internationalen Beziehungen zumeist merklich<br />
erhöhte.<br />
5. Einfluss auf andere Regionalorganisationen: Die<br />
Strukturen der EU wurden von der Afrikanischen<br />
Union (Gründung 2002) und der Gemeinschaft Südamerikanischer<br />
Staaten (Gründung 2004, umschließt<br />
Mercosur und die Andengemeinschaft) im<br />
ersten Fall umfassend, im zweiten Fall in Ansätzen<br />
nachgebildet. Die AU hat sogar einen Friedens- und<br />
Sicherheitsraterrichtet,dervorallemimKonfliktum<br />
die Darfur-Provinz im Sudan aktiv wurde. Die ASE-<br />
AN-Staaten schufen 2004 eine „ASEAN Security<br />
Community“ und vereinbarten eine engere Kooperation<br />
in Sicherheitsfragen. Dennoch ist es bisher – soweit<br />
ersichtlich – nicht zu einer regelmäßigen, strukturierten<br />
Zusammenarbeit der Außenministerien der<br />
jeweiligen Mitgliedsstaaten gekommen, die, dem<br />
Vorbild der EPZ oder der GASP folgend, von unten<br />
Schritt für Schritt und den tatsächlichen Erfordernissen<br />
entsprechend aufgebaut würde und eine kontinuierliche<br />
Abstimmung des außen- und sicherheitspolitischen<br />
Vorgehens zum Ziel hätte.<br />
6. Wertung: Die EPZ hatte sich organisch entwickelt<br />
und dabei eine Dichte der außenpolitischen Zusammenarbeit<br />
erzeugt, die schon beim Übergang von der<br />
EPZ zur GASP 1993 weltweit ihresgleichen suchte.<br />
Da sie als zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf<br />
Konsensfindung angewiesen war, wurde ihr vorgehalten,<br />
dass sich ihre Kraft und Kreativität vielfach<br />
darin erschöpfte, den kleinsten gemeinsamen Nenner<br />
zu finden, so dass Maßnahmen geringe Wirkung<br />
inderSacheerzeugtenundhäufigzuspätkamen.Dabei<br />
wurde jedoch übersehen, dass diese Abstimmung<br />
auf einem immer höheren Niveau gemeinsamer<br />
Überzeugungen erfolgte, was den Abstimmungsprozess<br />
in der großen Mehrzahl der Fälle beschleunigte<br />
und selbst dort zu einem weitgehend übereinstimmendenVerhaltenführte,woeinnachaußensichtbarer<br />
oder formaler Konsens schließlich doch nicht erreichtwerdenkonnte.<br />
H.-W. B.<br />
Literatur: Kaufmann-Bühler, W./Meyer-Landrut, N.: Kommentierung<br />
zu Artikel J. In: Grabitz./Hilf: Kommentar zum EUV<br />
251
Europäische Polizeiakademie<br />
Pijpers, A. u. a.(Hg.): Die EPZ in den 80er Jahren. Eine<br />
gemeinsame Außenpolitik für Westeuropa? Bonn 1989<br />
Regelsberger, E.: Die EPZ. In: Weidenfeld, W./Wessels, W.<br />
(Hg.): Jahrbuch der Europäischen Integration. Bonn 1987 ff.<br />
Europäische Polizeiakademie (EPA, Collège Européen<br />
de Police, CEPOL). Die Polizeiakademie<br />
wurde auf Empfehlung des Europäischen Rats von<br />
Tampere (15./16. 10. 1999) durch Beschluss der Justiz-<br />
und Innenminister vom 22. 12. 2000 (2000/<br />
820/JI, ABl. L 336/2000) gegründet. Die Akademie<br />
ist konstituiert als Netz der nationalen Polizeischulen<br />
für hochrangige Führungskräfte und bietet AusbildungskurseaufgemeinsamenStandardsan.Sieist<br />
Teil der Maßnahmen zur Verwirklichung des<br />
�Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.<br />
Sitz des Sekretariats der EPA ist Bramshill in Großbritannien.<br />
Anschrift: Bramshill House, Hook, Hampshire RG27 OJW,<br />
U.K.<br />
Internet: www.cepol.net<br />
Europäische Rechnungseinheit(ERE;European<br />
Unit of Account). 1960 als „Rechnungseinheit“ (RE)<br />
eingeführte Verrechnungsgröße zum Vergleich und<br />
zur Umrechnung von Geldbeträgen der (seit 1958<br />
konvertiblen) Währungen in den Mitgliedstaaten der<br />
OEEC (heute OECD), die 1955 das �Europäische<br />
Währungsabkommen unterzeichnet hatten (ab 27.<br />
12. 1958 Nachfolger der 1950 geschaffenen �Europäischen<br />
Zahlungsunion EZU). Ursprünglich identisch<br />
mit dem Wert des US-Dollars im Jahre 1960<br />
(0,88671 g Gold), seit 1971 mit dem Wert eines Sonderziehungsrechtes<br />
(SZR) des Internationalen Währungsfonds.<br />
Ab 1975 als „Europäische Rechnungseinheit“<br />
(ERE; Beschluss 75/250/EWG) die Verrechnungswährung<br />
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />
(EWG) und definiert als Korbwährung<br />
aus den Währungen der (damals neun) Mitgliedstaaten.<br />
Nach Errichtung des �Europäischen Währungssystems<br />
(EWS) 1979 wurde die ERE ersetzt durch<br />
die Währungseinheit �ECU (European Currency<br />
Unit), die ihrerseits mit Beginn der Währungsunion<br />
1999 im Verhältnis1:1durch den �Euro ersetzt worden<br />
ist.<br />
Europäische Rechtsakademie Trier (ERA), öffentliche<br />
Stiftung des Privatrechts, gegründet 1992.<br />
Fortbildungs- und Diskussionsstätte für Juristen aus<br />
ganz Europa. Sie gibt eine thematisch geordnete<br />
252<br />
Schriftenreihe sowie die europarechtliche Fachzeitschrift<br />
ERA-Forum heraus.<br />
Anschrift: ERA, Metzer Allee 4, D-54295 Trier.<br />
Internet www.era.int<br />
Europäische Rechtsakademie des Nordens.<br />
Abteilung der Europäischen Akademie Schleswig-<br />
Holstein. Fortbildungsseminare für Rechtsanwälte<br />
und Kanzleimitarbeiter.<br />
Anschrift: 24988 Sankelmark (bei Flensburg)<br />
Europäische Rektorenkonferenz(Confederation<br />
of European Rectors Conferences, CRE). Nach zunächst<br />
bi- und multilateralen Treffen der nationalen<br />
Rektorenkonferenzenwurde1959inDijondieGründung<br />
einer Europäischen Rektorenkonferenz beschlossen<br />
und 1964 in Göttingen vollzogen.<br />
Ziel ist es, die Kommunikation unter den Hochschulen<br />
zu fördern und auf Basis umfassender Zusammenarbeit<br />
nach Lösungen gemeinsamer Probleme<br />
zu suchen.<br />
CRE und die �Konföderation der Rektorenkonferenzen<br />
der EU haben sich im März 2001 in Salamanca<br />
zur �European University Association (EUA) zusammengeschlossen.<br />
Die EUA vertritt die Universitäten<br />
bei der Umsetzung des Bologna-Programms<br />
(�Bologna-Prozess). Ihr gehören 759 der rd. 1000<br />
Universitäten in Europa an (Stand Januar 2005).<br />
W. M.<br />
Europäische Schulen werden gemeinsam von den<br />
Regierungen der EU-Staaten als öffentlich-rechtliche<br />
Einrichtungen gegründet. Grundlage ihrer Arbeit<br />
ist die „Satzung der Europäischen Schulen“, die<br />
am 12. 4. 1957 von den 6 Gründerstaaten der EWG<br />
unterzeichnet worden ist. Die Schulen nehmen im<br />
Kindergarten Kinder ab 4 Jahren auf und führen in 12<br />
Jahren (5 Jahre Primarstufe, 7 Jahre Sekundarstufe)<br />
zum Abitur, das in allen EU-Staaten anerkannt wird.<br />
Der Unterricht wird in verschiedenen �Amtssprachen<br />
der Europäischen Union abgehalten (z. B. in 7<br />
Sprachen in der Primarstufe der Europäischen Schule<br />
in München).<br />
Schülerinnen und Schüler sind vor allem Kinder von<br />
Beamten europäischer Organe und Institutionen.<br />
Gegen Bezahlung können auch Kinder anderer Eltern<br />
aufgenommen werden, sofern Plätze frei sind.<br />
2005 gibt es 13 Schulen mit rd. 16 000 Schülerinnen<br />
und Schülern.
Europäische Sicherheitsstrategie (ESS)<br />
Begriff:Vom �EuropäischenRat(ER)am12./13.12.<br />
2003 beschlossenes außen- und sicherheitspolitisches<br />
Grundsatzkonzept zur längerfristigen Ausrichtung<br />
der �GASP einschl. der �ESVP. Die Strategie,<br />
die in der maßgeblichen Verantwortung des<br />
�Hohen Vertreters (HR) erarbeitet wurde, geht davon<br />
aus, dass eine EU mit 25 Mitgliedstaaten und einer<br />
Bevölkerung von 450 Millionen Menschen, die<br />
mehralseinVierteldesWeltbruttosozialproduktserwirtschaften,<br />
zwangsläufig ein „globaler Akteur“<br />
ist. Erstmals nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />
1989/90 und den terroristischen Anschlägen<br />
gegen die USA im September 2001 definiert die EU<br />
mit der ESS in einem umfassenden Sinne ihre außenund<br />
sicherheitspolitischen Interessen und Ziele und<br />
stellt sie in Zusammenhang mit dem ihr zur Verfügung<br />
stehenden Handlungsinstrumentarium. Die<br />
ESS weist Europa den Weg von der weitgehend auf<br />
die (reaktive) Verteidigung territorialer Interessen<br />
ausgerichteten Außen- und Sicherheitspolitik der<br />
Ära des Kalten Kriegs und der Zeit bis zum Fall der<br />
Berliner Mauer (1989) zur Notwendigkeit einer (aktiven)<br />
Antwort auf die neuen „asymmetrischen“,<br />
nicht mehr allein von Staaten ausgehenden Bedrohungen<br />
und Herausforderungen der neuen „globalen“<br />
Weltordnung, die auf der Suche nach ihrem neuen<br />
Gleichgewicht ist. Nach der unterschiedlichen<br />
Bewertung der Notwendigkeit eines Engagements<br />
im „Irak-Krieg“ (2004) fanden die EU-Mitgliedstaaten<br />
mit der ESS erstmals wieder zu einer einheitlichenStimmeinderGASP.DieESSplädiertfüreine<br />
aktivere �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP). Sie spricht sich für den gezielten Einsatz<br />
desgesamtenderEUzurVerfügungstehendenSpektrums<br />
von diplomatischen über handels- und entwicklungspolitische<br />
Instrumenten bis hin zum militärischen<br />
Einsatz als letztem Mittel aus, um zu mehr<br />
Sicherheit und Stabilität in der Welt beizutragen.<br />
Ausdrücklich bekennt sich die EU in der ESS dazu,<br />
bei Gefahr im Verzug handeln zu müssen. Die ESS<br />
geht dabei von einem umfassenden Sicherheitsbegriffaus,derpolitischeundwirtschaftlicheGesichtspunkte<br />
ebenso umfasst, wie zivile und militärische<br />
Aspekte. Als Hauptbedrohungen macht die ESS den<br />
Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen,<br />
regionale Konflikte, staatliche Instabilität<br />
und Staatsversagen und die organisierte Kriminalität<br />
aus. Ziele der EU sind die Abwehr dieser Be-<br />
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
drohungen, die Stärkung der Sicherheit der EU v. a.<br />
in ihrer Nachbarschaft bis in den Nahen Osten und<br />
den Mittelmeerraum, sowie der Aufbau einer Weltordnung<br />
auf der Grundlage eines „wirksamen Multilateralismus“.<br />
Auf diese Weise führt die ESS unter<br />
dem Titel „Ein sicheres Europa in einer besseren<br />
Welt“ die außen- und sicherheitspolitischen Interessen<br />
der EU mit den gewachsenen politisch-ethischen<br />
Überzeugungen der EU zusammen. Die ESS steht in<br />
erkennbarem Gegensatz zur „Nationalen Sicherheitsstrategie“<br />
der USA vom September 2002, die<br />
den militärischen Ansatz in den Vordergrund stellt<br />
unddasinternationaleVölkerrechtunddieVereinten<br />
Nationen als „Option“ ihres Handlungsinstrumentariums<br />
versteht. Demgegenüber legt die ESS den<br />
Schwerpunkt auf das „präventive Engagement“ und<br />
hebt die Bedeutung der Wahrung und der Weiterentwicklung<br />
des Völkerrechts sowie die Achtung der<br />
ChartaderVereintenNationenhervor. U. S.<br />
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
(ESVP)<br />
1. Begriff und Ziele: Die „Europäische Sicherheitsund<br />
Verteidigungspolitik“ (ESVP) ist integraler Bestandteil<br />
der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP) der EU. Ziele der GASP, die für<br />
die ESVP von hervorgehobener Bedeutung sind,<br />
sind ausweislich der einschlägigen Bestimmungen<br />
des EUV v. a. die „Stärkung der Sicherheit der Union<br />
in all ihren Formen“ und die „Wahrung des Friedens<br />
und die Stärkung der internationalen Sicherheit entsprechenddenGrundsätzenderChartaderVereinten<br />
Nationen ...“. Damit erfasst die ESVP sämtliche<br />
Aspekte, welche die Sicherheit der Union betreffen,<br />
nicht nur diejenigen, die sicherheits- oder verteidigungspolitische<br />
Gesichtspunkte im engeren Sinne<br />
betreffen (vgl. Art. 11 Abs. 1, Art. 17 EUV). Das Einsatzspektrum<br />
der ESVP ist in den sog. �„Petersberg-<br />
Aufgaben“ näher aufgeschlüsselt (vgl. Art. 17 Abs. 2<br />
EUV). Es umfasst humanitäre und Rettungseinsätze,<br />
friedenserhaltende Aufgaben und Kampfeinsätze<br />
bei der Krisenbewältigung einschl. friedensschaffenderMaßnahmen.ImGefolgederTerroranschläge<br />
in den USA am 11. 9. 2001 sind aufgrund der Entscheidung<br />
des Europäischen Rats (ER) in Sevilla<br />
2002 Aufgaben im Bereich der Terrorismusbekämpfung<br />
hinzugekommen. In der „Erklärung zur Stärkung<br />
der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“desERinKöln1999,derdiepolitische<br />
253
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
„Geburtsstunde“ der ESVP markiert, verpflichtet<br />
sich die EU dazu, „entschlossen dafür einzutreten,<br />
dass die EU ihre Rolle auf der internationalen Bühne<br />
uneingeschränkt wahrnimmt“. Hierzu sollen der EU<br />
„die notwendigen Mittel und Fähigkeiten an die<br />
Hand (gegeben werden), damit sie ihrer Verantwortung<br />
im Zusammenhang mit einer europäischen Sicherheits-<br />
und Verteidigungspolitik gerecht werden<br />
kann“. Gemäß dem Vertrag von Nizza (2001) gehört<br />
dazu v. a. die schrittweise Übernahme der Rolle und<br />
Aufgaben der �Westeuropäischen Union (WEU)<br />
(vgl. Art. 17 EUV), die ein bis dahin von der NATO<br />
geprägtes und auf sie ausgerichtetes Bündnis war.<br />
Spätestens mit der Erklärung der vollen operationellenEinsatzfähigkeitderESVPdurchdenERinThessaloniki<br />
2003 sowie der bereits 2001 erfolgten Übernahme<br />
des �Satellitenzentrums (EUSZ) und des �Instituts<br />
für Sicherheitsstudien (EUISS) in die EU ist<br />
dieÜbernahmederoperativenAufgabenderWEUin<br />
die EU im Wesentlichen abgeschlossen. Die in der<br />
WEU verbliebene Beistandsklausel (Art. 5 WEU-<br />
Vertrag) soll mit dem Inkrafttreten des Europäischen<br />
�Verfassungsvertrags und der in ihr enthaltenen<br />
Beistandsklausel (Art. I-41 Abs. 7 VVE 2004) hinfällig<br />
werden. Verbliebene Zuständigkeiten im Rüstungsbereich<br />
werden schrittweise von der �Europäischen<br />
Verteidigungsagentur (EVA) übernommen<br />
werden.<br />
Mit der ESVP beschreibt die EU einen historischen<br />
Wendepunkt in ihrer außen- und sicherheitspolitischen<br />
Entwicklung. Zwar bleibt europäische Sicherheits-<br />
und Verteidigungspolitik auch in der ESVP bis<br />
auf weiteres intergouvernemental organisiert. Die<br />
EinsichtderMitgliedstaatenindieNotwendigkeiteines<br />
eng aufeinander abgestimmten gemeinsamen<br />
Handelns und die Strukturen, die hierfür seit dem ER<br />
inKöln1999inBrüsselgeschaffenwordensind,sind<br />
nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Vertiefung<br />
der europäischen Integration beachtlich. Der<br />
EUV (Nizza) hält ausdrücklich die Perspektive offen,<br />
diese Zusammenarbeit „schrittweise ... (zu) einer<br />
gemeinsamen Verteidigungspolitik“ auszubauen<br />
(Art. 17 Abs. 1).<br />
2. Historische Entwicklung: Der Weg zur ESVP war<br />
„steinig“.DieAngstvoreinemSouveränitätsverlust,<br />
die bereits das Scheitern der �Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />
(EVG) 1954 kennzeichnete,<br />
und die Garantiefunktion der NATO für Stabilität<br />
und Sicherheit in Europa hemmte ungeachtet der<br />
254<br />
rasch voranschreitenden wirtschaftlichen Integration<br />
Europas über Jahrzehnte die Zusammenarbeit in<br />
sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen im<br />
europäischen Rahmen. Erst im Zusammenhang mit<br />
dem Zerfall Jugoslawiens und insbes. mit der Kosovo-Krise<br />
Ende der 1990er Jahre setzte sich unter den<br />
EU-Mitgliedstaaten mit Nachdruck die Erkenntnis<br />
durch,dassdieEUfürStabilitätundSicherheitinund<br />
um Europa selbst die Verantwortung tragen muss.<br />
Damit einher wuchs schrittweise auch die Überzeugung,<br />
dass es hierzu gleichermaßen geeigneter<br />
Strukturen sowie ausreichender Fähigkeiten bedarf.<br />
Damit aber geriet die ESVP unweigerlich in die Auseinandersetzung<br />
über die Zukunft der nach der<br />
Überwindung des Ost- / Westkonflikts ebenfalls unter<br />
Anpassungsdruck stehenden NATO und die längerfristige<br />
Perspektive für das transatlantische Verhältnis,<br />
das im Lichte gewandelter Realitäten seinerseitsneuausgerichtetund-gewichtetwerdenmusste.<br />
Ein entscheidender Meilenstein im Streit zwischen<br />
„Atlantikern“ und „Europäern“ war die Verständigung<br />
zwischen Großbritannien und Frankreich von<br />
St. Malo im Dezember 1998, die eine Annäherung<br />
Frankreichs an die NATO zum Ausdruck brachte,<br />
aber auch die gewachsene Überzeugung Großbritanniens<br />
widerspiegelte, dass zur Übernahme einer größeren<br />
sicherheits- und verteidigungspolitischen<br />
Verantwortung der EU auch (militärische) Fähigkeiten<br />
notwendig waren. Eine weitere Annäherung<br />
brachte der Abschluss der �EU-NATO Dauervereinbarungen<br />
im März 2003 (kurz „Berlin Plus“ gen.),<br />
mitdenendieEUfürvonihrgeführteOperationeneinen<br />
gesicherten Rückgriff auf NATO-Mittel und<br />
-Fähigkeitenerhielt,ohnedassdieNATOfürsichein<br />
Erstentscheidungsrecht für ein Tätigwerden in einer<br />
Krise beanspruchte.<br />
Heute baut die Entwicklung der ESVP nach allgemeinem<br />
Verständnis auf der Überzeugung auf, dass<br />
sich ESVP und NATO in ihrem Streben nach Gewährleistung<br />
oder Herstellung internationaler Sicherheit<br />
ergänzen, was allerdings das „Aufbrechen“<br />
alter Streitlinien nicht ausschließt und weitere Anpassungen<br />
und Abstriche auf beiden Seiten – in der<br />
EU und auch des Atlantiks – erfordern wird, sollen<br />
die gewünschten Synergien zwischen ESVP und<br />
NATO in vollem Umfang erzielt und dauerhaft abgesichert<br />
werden. Mit Blick auf die festgefahrenen<br />
„formalen“ Positionen in der Erweiterungsproblematik<br />
(Türkei /Zypern) sollen in Zukunft vermehrt
auch informelle EU/NATO-Ministertreffen dazu<br />
dienen die Handlungsfähigkeit im „Sicherheitsdreieck“<br />
EU–NATO–USA (CDN) langfristig sicherzustellen.<br />
Ziel der ESVP bleibt bei alledem, die GASP<br />
auch durch die Bereitstellung einer „autonomen“,<br />
d. h. von der NATO losgelösten militärischen Handlungsfähigkeit<br />
zu stärken und die Integration der EU<br />
andernochoffenen„Flanke“derAußen-undSicherheitspolitik<br />
zielstrebig voranzutreiben. Je zielstrebiger<br />
und nachhaltiger der Ausbau der ESVP gelingt,<br />
umso effektiver kann die EU bspw. im Rahmen der<br />
Vereinten Nationen, im Zusammenwirken mit der<br />
OSZE oder bei der Unterstützung regionaler Partner<br />
wie der Afrikanischen Union ihren Beitrag zu internationaler<br />
Sicherheit und Stabilität leisten. Dabei<br />
wird es im Vergleich mit anderen Partnern im internationalen<br />
Krisenmanagement der „komparative<br />
Vorteil“ der EU bleiben, dass sie ungeachtet ihrer<br />
wachsendenmilitärischenFähigkeitenübereinweitreichendes<br />
Instrumentarium vor allem an zivilen<br />
Handlungsinstrumenten, und hier insbes. auch im<br />
Bereich der Konfliktprävention verfügt. Auf die<br />
Spannbreite dieses Instrumentariums angesichts eines<br />
nachhaltig veränderten internationalen Bedrohungspotentials<br />
macht nicht zuletzt die �Europäische<br />
Sicherheitsstrategie (ESS) aufmerksam, mit der<br />
die EU 2003 im Lichte der terroristischen Anschläge<br />
auf das World Trade Center in New York und das<br />
Pentagon erstmals in einem umfassenden Sinne ihre<br />
außen- und sicherheitspolitischen Interessen und<br />
Ziele festgelegt hat.<br />
3. Strukturen: Die Strukturen, die für eine effektive<br />
ESVP notwendig sind, hat die EU nach den entsprechenden<br />
Grundsatzbeschlüssen des ER Köln 1999<br />
zunächst interimistisch eingerichtet, mit deren Bestätigung<br />
durch den ER in Nizza 2000 dann aber zügig<br />
auf eine dauerhafte Grundlage gestellt. Zentrales<br />
politisches Steuerungs- und (in eingeschränktem<br />
Maße) Entscheidungsgremium in der ESVP unterhalb<br />
der Ebene des �Rats ist dabei das �Politische<br />
und Sicherheitspolitische Komitee (PSK). Das PSK<br />
nimmt im Rahmen der ESVP unter der Verantwortung<br />
des Rats die politische Kontrolle und strategische<br />
Leitung von Operationen wahr, und kann vom<br />
Rat in diesem Zusammenhang ermächtigt werden,<br />
im konkreten Fall auch geeignete Beschlüsse zu fassen.<br />
Dem PSK steht als Arbeitsarm auf der militär-politischen<br />
Seite die �Politisch-militärische Arbeitsgruppe<br />
(PMG) und auf der zivilen Seite der sog.<br />
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
�Ausschuss für nichtmilitärische Aspekte des Krisenmanagements<br />
(CivCom) zur Verfügung. Höchstes<br />
militärisches Gremium der EU ist der �Militärausschuss<br />
(EUMA), in dem die Chefs der Stäbe, regelmäßig<br />
vertreten durch ihre Delegierten, in Brüssel<br />
zusammentreten. Auch der EUMA wird durch<br />
eine Arbeitsgruppe unterstützt (EU-Military Committee<br />
Working Group/ EUMCWG). Im Ratssekretariat<br />
sind neben der Generaldirektion Außenbeziehungen<br />
(DGE), die Untergliederungen sowohl für<br />
die zivile (darunter eine sog. „Polizei-Einheit“), als<br />
auch für die militärische ESVP unterhält, v. a. der<br />
�Militärstab der EU (EUMS), einschl. der �zivil-militärischen<br />
Zelle mit Fragen der ESVP befasst.<br />
Die �Strategieplanungs- und Frühwarneinheit (kurz<br />
„Politikeinheit“ gen.) ist aufgrund ihrer horizontalen<br />
Ausrichtung regelmäßig mit übergeordneten Aspekten<br />
der GASP/ESVP betraut, während das �EU-<br />
Lagezentrum im Rahmen der ESVP v. a. als „Rundum-die-Uhr“-Frühwarninstanz<br />
sowie zur Bewertung<br />
krisenhafter Entwicklungen und in konkreten<br />
Kriseneinsätzen zur Geltung kommt. Das �SatellitenzentrumderEU(EUSZ)trägtzurESVPmitInformationen<br />
bei, die im Wesentlichen aus satellitengestützten<br />
Aufnahmen sowie relevanten Zusatzinformationen<br />
gewonnen werden, während das �Institut<br />
für Sicherheitsstudien der EU (EUISS) auch kurzfristig<br />
Analysen mit akademischem Hintergrund anbieten<br />
kann. Mit der 2004 in Vorwegnahme eines<br />
entsprechenden Auftrags des Europäischen Verfassungsvertrags<br />
gegründeten sog. �Europäischen Verteidigungsagentur<br />
(EVA) hat sich die EU eine dauerhafte<br />
Struktur zur Koordinierung und Verbesserung<br />
ihrer Fähigkeiten im militärischen Bereich geschaffen.<br />
Hier kommt den Verteidigungsministern der<br />
Mitgliedstaaten der EU eine herausgehobene Bedeutung<br />
zu, die ansonsten, insbesondere auf der Ebene<br />
desRats,bisherlediglich„Rücken-an-Rücken“bzw.<br />
gemeinsam mit den Außenministern in der Formation<br />
des Rats „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“<br />
tagen. Welche Auswirkungen die<br />
mit dem Inkrafttreten des Europäischen �Verfassungsvertrages<br />
zu vollziehende Schaffung des Amts<br />
des �Europäischen Außenministers (EU-AM), der<br />
zugleich der vermeintliche „Verteidigungsminister“<br />
derEUseinwird,aufdieESVPhabenwird,bleibtabzuwarten.<br />
4. Fähigkeiten: Die Frage der Entwicklung ausreichender<br />
militärischer wie auch ziviler Fähigkeiten<br />
255
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
stand – nicht zuletzt auch mit Blick auf die Glaubwürdigkeit<br />
der GASP insgesamt – von Anfang an im<br />
Mittelpunkt der Entwicklung der ESVP.<br />
a) Maßgeblicher Gesichtspunkt im militärischen Bereichsinddabeiauchwegendernurbegrenztvorhandenen<br />
personellen und sachlichen („one single set of<br />
forces“) sowie finanziellen Ressourcen Abstimmung<br />
und Interoperabilität mit den Streitkräften, die<br />
durch und für die NATO vorgehalten werden. Der<br />
ER Helsinki hatte 1999 ein militärisches „Planziel“<br />
(Helsinki Headline Goal) aufgestellt, das bis 2003<br />
die Schaffung einer �„Schnellen Eingreiftruppe“ für<br />
den Einsatz über die gesamte Bandbreite der „Petersberg<br />
Aufgaben“ vorsah. Hierzu sollten 50 000 bis<br />
60 000 Soldaten innerhalb von 60 Tagen verlegbar<br />
und mindestens für ein Jahr im Einsatz haltbar sein.<br />
Der ER Laeken konnte bereits 2001 eine erste Einsatzfähigkeit<br />
der ESVP feststellen. Der ER in Thessaloniki<br />
2003 stellte die volle operationelle Einsatzfähigkeit<br />
fest, wobei seine Aussage vor allem die<br />
quantitativen Ziele betraf. Neben einzelnen qualitativen<br />
Zielen sind auch die im Helsinki-Planziel ebenfalls<br />
enthaltenen sog. kollektiven Fähigkeitsziele<br />
noch nicht erreicht, die im Wesentlichen die Bereiche<br />
Streitkräfteführung, strategischer Transport und<br />
Aufklärung betreffen. Um die Entwicklung der Fähigkeiten<br />
laufend zu überprüfen und die Schnittstellen<br />
zu den Planungsmechanismen der NATO zu bestimmen<br />
und zu nutzen, wurde ein sog. „Mechanismus“<br />
eingerichtet (Capability Development Mechanism/CDM).DerimNovember2001vondenVerteidigungsministern<br />
der EU aufgestellte Europäische<br />
AktionsplanzudenFähigkeiten(EuropeanCapabilityActionPlan/ECAP)sollausgemachteLückenaufspüren<br />
und zu ihrer weiteren zielstrebigen Beseitigung<br />
beitragen. Ein Beitrag zur Schließung der FähigkeitslückewurdedurchdieEnde2004begonnene<br />
Aufstellung von �Gefechtsfeldverbänden geleistet.<br />
Weitere Abhilfe erhofft man sich durch die Maßnahmen<br />
zur Harmonisierung und Förderung der militärischen<br />
Fähigkeiten der Europäischen Verteidigungsagentur<br />
(EVA), deren Aufbau der Rat im November<br />
2004 beschlossen hat. Mit dem vom ER im Juni 2004<br />
gebilligten „Planziel 2010“ wird der Aufbau der Fähigkeiten<br />
weiter vorangetrieben, wobei die Anforderungen,<br />
die mit der Verabschiedung der Europäischen<br />
Sicherheitsstrategie und jenen des EU-Verfassungsvertrages<br />
hinzu gekommen sind, berücksichtigt<br />
werden.<br />
256<br />
b) Im zivilen Bereich prägten die ER in Feira 2000<br />
und Göteborg 2001 die Ambitionen der EU. In der<br />
Öffentlichkeit häufig weniger prominent wahrgenommen<br />
als militärische Einsätze, haben die bisherigen<br />
Erfahrungen deutlich gemacht, dass gerade die<br />
Leistungsfähigkeit der EU im zivilen Bereich notwendig<br />
und nachgefragt ist. In Feira verständigte<br />
sich die EU auf die Stärkung der zivilen Krisenmanagementfähigkeiten<br />
insbes. im Bereich der Polizei. In<br />
Göteborg wurde das Handlungsspektrum auf die Bereiche<br />
Rechtsstaatlichkeit, Zivilverwaltung und Zivilschutzerweitert.AlskonkreteZielewurdeninden<br />
genannten Bereichen festgelegt, dass bis zum Jahre<br />
2003 5000 Polizisten, 200 Richter, Staatsanwälte<br />
und sonstige Rechtsexperten kurzfristig zu einem<br />
Pool zusammenstellbar und entsendbar sein müssen.<br />
Darüber hinaus sollten sog. Evaluierungsteams, die<br />
innerhalb von drei bis sieben Stunden entsendbar<br />
sein müssen, und kurzfristig einsetzbare Interventionsteams<br />
von bis zu 2000 Personen aufgebaut werden.<br />
Bereits ein Jahr später waren die Ziele durch die<br />
Beitragszusicherungen der Mitgliedstaaten deutlich<br />
übertroffen. 2004 wurden die Schwerpunktbereiche<br />
um die Aspekte Unterstützung für EU-�SonderbeauftragteundÜberwachung(„monitoring“)ergänzt.<br />
5. Operationen: Die EU hat sich im Bereich der<br />
ESVP, nimmt man Überwachungsmissionen wie die<br />
im ehemaligen Jugoslawien (EU Monitoring Mission/EUMM)<br />
und Krisenmanagementübungen aus, in<br />
bisher elf Operationen engagiert, wovon sieben Einsätze<br />
dem „zivilen“ und drei Operationen dem militärischen<br />
Krisenmanagement zuzuordnen sind; eine<br />
Mission ist „gemischter“ Natur. Ausgangspunkt bildete<br />
die 2003 begonnene Polizeimission in Bosnien<br />
und Herzegowina (EU Police Mission/EUPM), mit<br />
der die EU die Internationale Polizeieinsatztruppe<br />
der Vereinten Nationen (International Police Task<br />
Force/IPTF) durch vielseitige Beratungs-, Überwachungs-<br />
und Kontrolltätigkeit mit dem Ziel einer<br />
weiteren Stabilisierung der Lage vor Ort ablöste.<br />
2003 kam – in Nachfolge der NATO-Operation „Allied<br />
Harmony“ – die erste militärische Operation zur<br />
Absicherung des Verfassungsprozesses in Mazedonien<br />
hinzu („Ohrid-Abkommen“).<br />
Diese CONCORDIA genannte Operation erfolgte<br />
unter Rückgriff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten<br />
(�„Berlin Plus“), wodurch die EU gleich zu Beginn<br />
der operativen militärischen ESVP deutlich machte,<br />
dass sie an einer engen Weiterentwicklung der trans-
atlantischen Sicherheitspartnerschaft interessiert<br />
war. 2003 führte die EU zur Überbrückung eines<br />
temporären Defizits bei den VN-Streitkräften im<br />
Nordosten des Kongo (MONUC) eine auf wenige<br />
MonatebeschränkteOperation(gen.ARTEMIS)zur<br />
Stabilisierung des Sicherheitsumfelds und der Verbesserung<br />
der humanitären Lage in der Provinz Ituri/Bunia<br />
durch. Auf die Durchführung dieser Operation<br />
hatte vor allem Frankreich, aber auch Belgien<br />
gedrängt, um möglichst im frühen Stadium der Entwicklung<br />
der ESVP auch die „autonome“, d. h. von<br />
der NATO unabhängige Handlungsfähigkeit der militärischen<br />
ESVP unter Beweis zu stellen. Die Führung<br />
der Operation lag dabei wegen der bis dato nicht<br />
vorhandenen eigenen Kommando- und Führungsstrukturen<br />
der EU in den Händen der „Führungsnation“<br />
Frankreich. 2004 wurde mit Auslaufen der<br />
EU-Militäroperation CONCORDIA eine Polizeimission<br />
(genannt PROXIMA) in Mazedonien installiert,<br />
die sicherstellen sollte, dass der staatliche Konsolidierungsprozess<br />
durch den Abzug der Militärmission<br />
nicht ins Stocken geriet und die verdeutlichte,<br />
wie breit angelegt und eng verzahnt die einzelnen<br />
Handlungsinstrumente der ESVP zum Einsatz gelangen<br />
können. Mit der ebenfalls 2004 begonnenen<br />
und inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Operation<br />
EUJUST THEMIS in Georgien, die im Wesentlichen<br />
aus Experten aus dem Justizbereich besteht,<br />
schuf die EU im Bereich der zivilen ESVP einen neuen<br />
„Typus“ von Mission. Zur „Nachbereitung“ dieser<br />
Mission wurde vorübergehend das Team des<br />
�EU-Sonderbeauftragten für den Südlichen Kaukasus<br />
personell verstärkt, wodurch dieses Vertragsinstrument<br />
der GASP über sein bisher im Kern „politisch“<br />
bestimmtes Mandat operativ erweitert wurde.<br />
Inzwischen sind als weitere reine Beratungsmissionen<br />
im Bereich der nicht-militärischen ESVP die<br />
Justiz- und Polizeimission EUJUST LEX für den<br />
Irak sowie die beiden Missionen für den Bereich Polizei<br />
bzw. den Sicherheitssektor des Kongo, EUPOL<br />
KinshasaundEUSECKongo,installiertworden.Mit<br />
der („gemischten“) Unterstützungsmission zum<br />
Aufbau der AMIS II-Mission der Afrikanischen<br />
Union im Sudan, die sowohl zivile als auch militärische<br />
Komponenten enthält und der Beobachtermission<br />
zur Überwachung des Friedensabkommens<br />
zwischenRebellenundderindonesischenRegierung<br />
inAceh,diebeideMitte2005aufgenommenwurden,<br />
betritt die ESVP jeweils weiteres Neuland. Die bis-<br />
Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />
lang (Stand Mitte 2005) letzte militärische ESVP-<br />
Operation, die zugleich auch die bisher quantitativ<br />
wie qualitativ anspruchsvollste ist, wurde mit der<br />
Nachfolgemission für die NATO-SFOR Mission in<br />
Bosnien und Herzegowina zum Jahresende 2004 begonnen.<br />
Diese ALTHEA genannte Operation findet<br />
erneut unter Zuhilfenahme von NATO-Mittel und<br />
-Fähigkeiten statt. Angesichts der zahlreichen KrisenherdeunddesBedarfsanMaßnahmenimBereich<br />
der Konfliktprävention bspw. im Mittleren und Nahen<br />
Osten (Irak, Nahost-Friedensprozess), aber auch<br />
im Osten Europas (bspw. Ukraine, Moldau, Süd-<br />
Ossetien,Georgien,Berg-Karabach)sowieinAfrika<br />
(bspw. Somalia, Kongo, Elfenbeinküste) wird die<br />
EU auch in der nahen und mittleren Zukunft durch<br />
Einsätze im Bereich der ESVP zivil wie militärisch<br />
gefordert bleiben. Der �Gemeinsame Standpunkt<br />
der EU zur Stärkung afrikanischer Krisenmanagementfähigkeiten<br />
aus dem Jahre 2001, der ausdrücklich<br />
auch den Einsatz operativer Mittel aus dem Bereich<br />
der ESVP im Einzelfall und wo erforderlich in<br />
Aussicht stellt, macht dabei deutlich, dass sich die<br />
EU in diesem Zusammenhang in besonderer Weise<br />
auch der Stärkung der Eigenverantwortung des afrikanischen<br />
Kontinents zuwenden wird.<br />
6. Finanzierung: Der EUV stellt mit Art. 28 eine nur<br />
begrenzt aussagekräftige Berufungsgrundlage für<br />
die Finanzierung der ESVP zur Verfügung. Für das<br />
zivile Krisenmanagement gilt gem. Art. 28 die Regel,<br />
dass die Ausgaben einer Operation grundsätzlich<br />
dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaft<br />
zur Last fallen. Von dieser Regel kann der Rat einstimmig<br />
Ausnahmen treffen (Art. 28 Abs. 3 Unterabs.<br />
1). Für die militärische ESVP sieht der EUV<br />
(Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2) als Regel vor, dass alle<br />
operativenAusgabenvondenMitgliedstaatenzutragen<br />
sind, wobei für die Verteilung der Kosten als Regel<br />
der Bruttosozialprodukt-Schlüssel maßgeblich<br />
ist. Für beide Kostenkategorien hat der Rat Richtlinien<br />
erlassen. Kosten ziviler Krisenmanagementoperationen<br />
werden danach regelmäßig sowohl aus<br />
dem EG-Haushalt (�GASP-Haushalt) als auch – wegen<br />
der begrenzten Ausstattung der GASP-Linie –<br />
von den Mitgliedstaaten getragen. Dabei werden die<br />
Dienstbezüge für Personal, das zu Operationen entsandt<br />
wird, grundsätzlich von den Mitgliedstaaten<br />
getragen werden, während alle anderen Kosten nach<br />
Möglichkeit dem EG-Haushalt belastet werden sollen.<br />
Eine weitergehende Kostentragung durch die<br />
257
Europäische Sozialcharta<br />
Mitgliedstaaten kommt nach der Richtlinie nur in<br />
Betracht, wenn eine Kostentragung durch die EG<br />
(bspw. durch Mittelübertragung oder die Inanspruchnahme<br />
der sog. „Soforthilfereserve“) nicht<br />
möglich ist. Für die operativen Kosten militärischer<br />
Operationen gilt gem. der Richtlinie in Abweichung<br />
vonderRegel,dassdieKostendortzutragensind,wo<br />
sie anfallen („costs-lie-where-they-fall“-Prinzip).<br />
Für die besonders kostenträchtigen Ausgaben wie<br />
bspw. Transport, Unterkunft und Verpflegung der<br />
Truppen muss der Rat im Einzelfall entscheiden, ob<br />
sie von den Mitgliedstaaten gemeinsam oder von<br />
dem gestellenden Mitgliedstaat jeweils allein getragenwerdensollen.Fürdiesog.Gemeinkosten,zudenen<br />
auch die Kosten für Übungen zählen, wurde mit<br />
Beschluss des Rats vom Februar 2004 ein sog. (Verwaltungs-)„Mechanismus“<br />
(gen. ATHENA) eingerichtet.<br />
Der Mechanismus verpflichtet die teilnehmenden<br />
Staaten, bereits in der Anlaufphase einer<br />
Operation Beiträge an den Mechanismus zu leisten<br />
(Vorfinanzierung). Einer dauerhaften Regelung<br />
noch zugeführt werden muss dabei die Zuordnung<br />
von Kosten für Einsätze bzw. Leistungen der EU im<br />
Rahmen der ESVP, die nicht Operationen im „klassischen“<br />
Sinne sind. Hier scheidet eine Finanzierung<br />
aus EG-Mitteln (GASP-Linie) wegen des militärischenBezugsebensoaus,wiemangelsEinordnungsmöglichkeit<br />
als „Operation“ im engeren Sinne eine<br />
Finanzierung aus dem „Mechanismus“.<br />
7. Beziehungen zur NATO: �Strategische Partnerschaft<br />
EU/NATO, �EU/NATO-Dauervereinbarungen.<br />
U. S.<br />
Europäische Sozialcharta (des Europarats)<br />
1. Grundsätzliches. Die Europäische Sozialcharta<br />
schützt 19 grundlegende soziale und wirtschaftliche<br />
Rechte. Soziale Grundrechte im engeren Sinne umfassen<br />
die Rechte, die materielle staatliche Leistungen<br />
an die einzelnen Bürger zur sozialen Sicherung<br />
gegen persönliche Lebensrisiken beinhalten (Recht<br />
auf eine Mindestgarantie von Einkommen, Ausbildung,<br />
medizinischer Versorgung, Wohnen, Mindestsicherung<br />
gegen Altersarmut und häufig auch<br />
Recht auf Arbeit). Diese sozialen Grundrechte unterliegen<br />
der Einschränkung, dass der Staat in der Lage<br />
seinmuss,solcheLeistungenzuerbringen.Esistumstritten,obsieineinenKatalogvonGrundrechtengehören<br />
oder letztlich nur Sozialstaatsziele sein können.<br />
Im weiteren Sinne versteht man unter sozialen<br />
258<br />
Grundrechten diejenigen, bei denen es um den<br />
Schutz des Bürgers gegenüber dem Staat und gegenüber<br />
anderen gesellschaftlichen Akteuren handelt:<br />
Recht auf Schutz vor Diskriminierung, auf Gleichstellung<br />
von Frau und Mann, auf Freizügigkeit, auf<br />
Freiheit der Berufswahl, auf freien Zugang zur Bildung,<br />
auf kollektive Organisation und Verhandlung,<br />
auf Schutz der Individual- und Familiensphäre. SolchesozialenGrundrechtesindnachallgemeinenKriterien<br />
nicht von (staats-)bürgerlichen, politischen,<br />
wirtschaftlichen oder kulturellen Rechten abzugrenzen.<br />
Häufig werden soziale und wirtschaftliche<br />
Rechte zusammengefasst. Ebenso schwierig ist eine<br />
Hierarchisierung der Rechte, d. h. zu bestimmen,<br />
welche internationalen rechtlichen Normen zum<br />
Schutz der Person als „Grundrechte“ oder „Menschenrechte“<br />
zu bezeichnen sind.<br />
Bei Ausarbeitung der �Europäischen Menschenrechtskonvention<br />
(1950) des �Europarats wurden<br />
soziale und wirtschaftliche Rechte weitgehend ausgeklammert.<br />
Nach langwierigen Beratungen unterzeichneten<br />
am 18. 10. 1961 in Turin 13 Mitgliedstaaten<br />
des Europarates die Europäische Sozialcharta,<br />
die am 26. 2. 1965 (nach Ratifizierung durch fünf<br />
Staaten) in Kraft trat und zwischenzeitlich von 26<br />
Mitgliedsländern ratifiziert und weiteren sechs Staaten<br />
unterzeichnet wurde (Stand Januar 2005).<br />
2. Inhalte. Die Sozialcharta nennt 19 „Rechte und<br />
Grundrechte“:<br />
1. Recht auf Arbeit; 2. Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen;<br />
3. Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen;<br />
4. Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt;<br />
5. Vereinigungsrecht; 6. Recht auf Kollektivverhandlungen;<br />
7. Recht der Kinder und Jugendlichen<br />
auf Schutz; 8. Recht der Arbeitnehmerinnen<br />
auf Schutz; 9. Recht auf Berufsberatung; 10.<br />
Recht auf berufliche Ausbildung; 11. Recht auf<br />
Schutz der Gesundheit; 12. Recht auf soziale Sicherheit;<br />
13. Recht auf soziale Fürsorge; 14. Recht auf Inanspruchnahme<br />
sozialer Dienste; 15. Recht der körperlich,<br />
geistig oder seelisch Behinderten auf berufliche<br />
Ausbildung, berufliche und soziale (Wieder-)Eingliederung;<br />
16. Recht der Familie auf sozialen,<br />
gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz; 17.<br />
Recht der Mütter und Kinder auf sozialen und wirtschaftlichen<br />
Schutz; 18. Recht auf Ausübung einer<br />
Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien;<br />
19. Recht der Wanderarbeitnehmer<br />
und ihrer Familien auf Schutz und Beistand.
Die Sozialcharta wurde mit dem am 5. 5. 1989 unterzeichneten<br />
Zusatzprotokoll um vier Artikel erweitert:<br />
Recht auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung<br />
in Beruf und Beschäftigung ohne Diskriminierung<br />
aufgrund des Geschlechts; Recht der Arbeitnehmer<br />
auf Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen;<br />
Recht auf Beteiligung an der Festlegung<br />
und Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der<br />
Arbeitsumwelt; Recht älterer Menschen auf sozialen<br />
Schutz. Die revidierte Fassung der Sozialcharta gewährt<br />
als zusätzliche Garantien die Rechte auf<br />
Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz,<br />
auf unentgeltlichen Primar- und Sekundarschulunterricht<br />
sowie auf Schutz vor Armut und sozialen<br />
Ausschluss. Diese revidierte Sozialcharta ist von 16<br />
Staaten ratifiziert worden (Stand Ende 2004).<br />
Die in Teil I der Sozialcharta aufgelisteten 19 Rechte<br />
werden in Teil II konkretisiert durch 72 staatliche<br />
Verpflichtungen, welche die Gewährleistung der<br />
Rechte ermöglichen sollen. Die aufgeführten Rechte<br />
können nur dann eingeschränkt werden, wenn dieses<br />
zum „Schutze der Rechte und Freiheiten anderer<br />
oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und<br />
Ordnung, der Sicherheit des Staates, der Volksgesundheit<br />
und der Sittlichkeit notwendig“ (Art. 31,1)<br />
ist. Auf der Turiner Konferenz von 1991 wurden erste<br />
Schritte zur Erneuerung der Charta mit einem Protokoll<br />
eingeleitet, das die Kontrollmechanismen verändert<br />
und dem Ministerkomitee dabei größeren<br />
Spielraum einräumt. Seit 1993 spricht das Ministerkomitee<br />
regelmäßig Empfehlungen an die Adresse<br />
von Mitgliedstaaten aus, die Verpflichtungen der<br />
Charta nicht erfüllen.<br />
3. Verpflichtungen der Vertragsparteien und Überwachung<br />
der Einhaltung. Mit Rücksicht auf die verschiedenen<br />
Rechtssysteme, sozialen Traditionen<br />
und den Grad der Industrialisierung können Staaten<br />
auch dann der Charta beitreten, wenn sie mindestens<br />
fünf der sieben Artikel, die den „Kern“ ausmachen<br />
(Art. 1, 5, 6, 12, 13, 16, 19), als bindend anerkennen<br />
und zusätzlich noch so viele Artikel oder Einzelbestimmungen,<br />
dass die Gesamtzahl mindestens zehn<br />
Artikel oder 45 Einzelbestimmungen beträgt. Von<br />
dieser Wahlmöglichkeit haben bis auf Belgien, Italien,<br />
Spanien und die Niederlande alle Vertragsstaaten<br />
(auch Deutschland) Gebrauch gemacht. Bezüglich<br />
des Zusatzprotokolls verpflichten sich die Vertragsparteien,<br />
einen oder mehrere Artikel als für sich<br />
bindend anzusehen.<br />
Europäische Sozialcharta<br />
Die Vertragsstaaten senden alle zwei Jahre einen Bericht<br />
an den Generalsekretär des Europarates bezüglich<br />
der innerstaatlichen Anwendung von BestimmungenderSozialcharta.DieserBerichtwirdvoneinem<br />
siebenköpfigen, unabhängigen Sachverständigenausschuss<br />
geprüft, an dessen Sitzungen ein Vertreter<br />
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)<br />
der Vereinten Nationen beratend teilnimmt. Die Berichte<br />
der Vertragsparteien und die Beratungsergebnisse<br />
des Sachverständigenausschusses werden<br />
dann einem Unterausschuss des Regierungssozialausschusses<br />
des Europarats zur Prüfung vorgelegt,<br />
der seinerseits dem Ministerkomitee die Ergebnisse<br />
vorlegt. Es fehlen aber die Möglichkeit formaler<br />
Staatsklagen und das Recht individueller Beschwerden<br />
bei Verletzung der Sozialcharta.<br />
4. Bedeutung der Sozialcharta. Die Sozialcharta<br />
war,alssie1961unterzeichnetwurde,fürdiedamaligen<br />
Verhältnisse vorbildlich vor allem wegen der<br />
Breite der fixierten Rechte. Von verschiedenen Seiten<br />
wurde immer wieder Kritik am normativen Gehalt<br />
(Minimalkonsens) und an den Kontrollmechanismen<br />
geübt. Trotzdem eignet sich auch heute noch<br />
die Mehrzahl der Normen als Grundlage für die Errichtung<br />
eines sozialen Europas. Der wesentliche<br />
Schwachpunkt der Sozialcharta liegt darin, dass aus<br />
Kontrolle und Prüfung keine verbindliche Rechtsprechung<br />
hervorgeht.<br />
Die EG hat die Charta als eine Grundlage für ihre<br />
�Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der<br />
Arbeitnehmer (1989) bezeichnet. Sie ist eine der<br />
Grundlagen für das �Abkommen über Sozialpolitik<br />
zum Vertrag von Maastricht. Dies ist in der Präambel<br />
des EUV von Amsterdam bestätigt. Die EU ist der<br />
Sozialcharta nicht beigetreten. Jedoch hat der Europäische<br />
�Gerichtshof sie wiederholt bei der Auslegung<br />
des Gemeinschaftsrechts herangezogen.<br />
Die Charta der Grundrechte der EU, die in Nizza als<br />
Deklaration verabschiedet wurde und Bestandteil<br />
des Verfassungsvertrags 2004 ist, enthält im Kap. IV<br />
„Solidarität“ einige dieser sozialen Grundrechte. Artikel<br />
28 der Grundrechtecharta (II-88 VVE) regelt<br />
Tarifautonomie und Streik im Anschluss an Art. 6<br />
Ziffer 4 der Sozialcharta. Es fehlen jedoch u. a. das<br />
Recht auf Arbeit, die betriebliche Mitbestimmung<br />
odereineSozialpflichtigkeitdesEigentums. U. M.<br />
Literatur:<br />
Schmuck, O. (Hg.): Vierzig Jahre Europarat. Bonn 1990<br />
Wiebringhaus, H.: Internationaler Schutz wirtschaftlicher und<br />
sozialer Grundrechte, Arbeitswelt und Sozialstaat. In:<br />
259
Europäische Staatsanwaltschaft<br />
Festschrift für G. Weienberg. Wien/München/Zürich 1983,<br />
S. 229 ff.<br />
Internet: http://conventions.coe.int<br />
Europäische Staatsanwaltschaft. In Ergänzung<br />
der EU-Institutionen �Eurojust, �Europol und<br />
�OLAF sieht der �Verfassungsvertrag 2004 in<br />
Art. III-274 die Einsetzung einer „Europäischen<br />
Staatsanwaltschaft“ vor, die für schwere, mehrere<br />
Mitgliedstaaten betreffende Straftaten sowie für<br />
Straftaten zum Nachteil der finanziellen EU-Interessen<br />
zuständig sein wird; ihre Aufgaben soll sie vor<br />
den nationalen Strafgerichten wahrnehmen. Im Zusammenhang<br />
insbes. mit Europol und Eurojust, das<br />
zukünftig gem. Art. III-273 Abs. 1 lit. a VVE Strafverfolgungsmaßnahmen<br />
auch selbst wird einleiten<br />
können, entsteht so Schritt für Schritt der Ansatz einereffizientenEU-Strafgewalt.<br />
J. M. B.<br />
Europäische Staatsbürger-Akademie (ESTA),<br />
Tagungshotel und Bildungsstätte des Europa-Instituts<br />
Bocholt, gegründet 1961 als gemeinnützige<br />
Einrichtung der politischen Weiterbildung. ESTA<br />
kooperiert mit der �Europa-Union Deutschland und<br />
dem �Institut für Europäische Politik, Berlin. Sie<br />
veranstaltet außerschulische Seminare und Informationsveranstaltungen<br />
mit hauptamtlichen Pädagogen<br />
für jedermann zu Themen der europäischen Integration,<br />
der Europapolitik, des Europarechts. Angeschlossen<br />
ist die Europäische Senioren-Akademie<br />
(ESA). Tagungshotels befinden sich auch in Berlin<br />
und Cursdorf Krs. Neuhaus (Thüringen). Weitere<br />
Europa-Institute in Berlin und Marienheide. Weitere<br />
Staatsbürgerakademien: ESTA Brandenburg (Werbellinsee),<br />
ESTA Sachsen (Höckendorf bei Dresden)<br />
und ESTA Thüringen (Cursdorf Krs. Neuhaus).<br />
Ein weiterer Zweig ist das 1982 gegründete ESTA<br />
Bildungswerk e. V. zur beruflichen Weiterbildung,<br />
Zentrale in Bad Oeynhausen.<br />
Anschrift: Adenauer-Allee 59, 46399 Bocholt<br />
Internet: www.esta-edu.org<br />
Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit (European<br />
Monitoring Centre on Racisme and Xenophobia,<br />
EUMC). Eine �Agentur der EU mit Sitz in Wien, errichtet<br />
durch Verordnung 1035/97 (ABl. L 151/<br />
1997). Sie arbeitet seit 1998. Das EUMC sammelt<br />
Daten über rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische<br />
Erscheinungen auf europäischer Ebene<br />
260<br />
und baut ein europäisches Informationsnetz auf. Das<br />
EUMCuntersuchtdieDaten,analysiertGründe,FolgenundAuswirkungensolcherPhänomeneunderarbeitet<br />
Strategien für ihre Bekämpfung aus.<br />
Anschrift: Rahlgasse 3, A–1060 Wien<br />
Internet: www.eumc.eu.int<br />
Europäische Stiftung für Berufsbildung (European<br />
Training Foundation, ETF) in Turin, eine durch<br />
Ratsverordnung (EWG) Nr. 1360/90 vom 7. 5. 1990<br />
geschaffenerechtlichselbständige�AgenturderEG.<br />
Sie unterstützt in Partnerländern der EU die Anpassung<br />
der beruflichen Bildung an neue Erfordernisse<br />
der Arbeitsmärkte. Das geschieht u. a. im Rahmen<br />
der im Bereich der Außenbeziehungen initiierten<br />
EU-Programme �PHARE (mittel- und osteuropäische<br />
Länder), �TACIS (Gemeinschaft Unabhängiger<br />
Staaten, GUS), �CARDS (Westbalkan, ehemaliges<br />
Jugoslawien) und �MEDA (Mittelmeerländer,<br />
Mittlerer Osten). Die Stiftung arbeitet mit mehr als<br />
40 Ländern in Europa, Nordafrika, dem Nahen Osten<br />
undZentralasienzusammen. W. M.<br />
Adresse: Villa Gualino, Viale Settimio Severo 65, I–10133 Torino<br />
Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens-<br />
u. Arbeitsbedingungen (EUROFOUND),<br />
eine autonome �Agentur der EU, gegründet durch<br />
Ratsverordnung 1365/75 (ABl. L 139/1975), geändert<br />
durch VO 1947/93 (ABl. L 181/1993).<br />
Ziele: Beitrag zur Planung und Durchsetzung einer<br />
besseren Lebensqualität und besserer Arbeitsbedingungen.<br />
Zielgruppe: Sozialpartner. Arbeitsschwerpunkte<br />
(auch mittels international gestreuter Forschungsaufträge):<br />
Beschäftigung, Mensch und Arbeit<br />
(work-life balance), Beziehungen zwischen Industrie<br />
und Partnern, sozialer Zusammenhalt.<br />
Hauptaufgaben: Beobachtung des sozialen und beruflichen<br />
Wandels, Forschung und Erprobung von<br />
Lösungen,AustauschvonIdeenundErfahrungen.<br />
Das achte Vierjahresprogramm der Stiftung (2005 –<br />
2008) hat vor allem die Verwirklichung der Ziele der<br />
�Lissabon-StrategiealsSchwerpunkt. W. M.<br />
Sitz: Wyattville Road, Loughlinstown, Dublin 18<br />
Europäische Symbole �Symbole der EU<br />
Europäische Umweltagentur (EUA)<br />
1. Einrichtung und Aufgaben. Die EUA ist eine für<br />
die Umsetzung der Ziele des Umweltschutzes und
des Naturschutzes bedeutende wissenschaftliche<br />
Einrichtung der EU. Der Beschluss zur Einrichtung<br />
der Europäischen Umweltagentur wurde 1990 verabschiedet<br />
und trat 1993 in Kraft. Die Agentur ist in<br />
Kopenhagen angesiedelt. Die Arbeit wurde 1994<br />
aufgenommen.<br />
Ziel ist es, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern<br />
und zu einer deutlich messbaren Verbesserung der<br />
Umweltsituation in Europa beizutragen. Hierfür<br />
werden sachdienliche und themenspezifische Informationen<br />
für Entscheidungsträger und für die Öffentlichkeit<br />
über die Umweltsituation in der EU und<br />
anderen EUA-Mitgliedsländern aufbereitet und bereitgestellt.<br />
Im weitesten Sinne ist die EUA in<br />
Deutschland mit dem Umweltbundesamt (UBA,<br />
Berlin, Dessau) und dem Bundesamt für Naturschutz<br />
(BfN, Bonn) vergleichbar<br />
2. Organisation. Grundsätzlich ist die EUA auch für<br />
Länder offen, die nicht Mitglied der EU sind. Derzeit<br />
(2005) zählt die EUA 31 Mitgliedstaaten. Der Verwaltungsrat<br />
setzt sich aus jeweils einem Vertreter der<br />
jeweiligenMitgliedstaaten,2VertreternderKommission<br />
und zwei vom EP benannten Wissenschaftlern<br />
zusammen. Der Verwaltungsrat verabschiedet das<br />
Mehrjahresprogramm, die jährlichen Arbeitsprogramme,<br />
die Jahresberichte. Er ernennt den Exekutivdirektor<br />
und die Mitglieder des wissenschaftlichen<br />
Beirats. Der Exekutivdirektor ist gegenüber dem Verwaltungsrat<br />
für die Umsetzung der Arbeitsprogramme<br />
verantwortlich. Der wissenschaftliche Beirat besteht<br />
aus derzeit (2005) 20 Wissenschaftlern, die vom<br />
Verwaltungsrat benannt werden; er berät den VerwaltungsratunddenExekutivdirektor.<br />
C. P. H.<br />
Internet: http://local.de.eea.eu.int<br />
Europäische Union<br />
1. Begriffserklärung: Der Begriff Europäische Union<br />
ist bisher nicht eindeutig definiert; seine Vieldeutigkeit<br />
ist eher von Vorteil: Er kann mehrere Leitbilder<br />
in sich vereinen. Einer der unter dem �Maastrichter<br />
Vertrag (1. 11. 1993) zusammengefassten Verträge<br />
trägt den Titel „Vertrag über die Europäische<br />
Union“; dieser bildet den „Rahmenvertrag“ für die<br />
anderen europäischen Verträge (Vertrag über die<br />
Gründung der Europäischen Gemeinschaft für KohleundStahl,VertragzurGründungderEuropäischen<br />
Atomgemeinschaft, Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />
Gemeinschaft). Die Europäische Union hat<br />
dadurch eine inhaltliche Präzisierung erfahren, die<br />
Europäische Union<br />
mit dem Amsterdamer und dem Nizza-Vertrag weiterausgebautwurde.DiekonkreteAusgestaltungder<br />
europäischen Einigung im Sinne einer endgültigen<br />
Zieldefinition wird damit aber nicht beschrieben.<br />
Im Sprachgebrauch wird seit Inkrafttreten des Maastrichter<br />
Vertrages „Europäische Union“ oft anstelle<br />
des Begriffs „Europäische Gemeinschaft“ verwandt<br />
– obwohl es nach wie vor die Europäische Gemeinschaft<br />
gibt, aber eben als Teil der Europäischen<br />
Union.<br />
2. Historische Entwicklung.: Der Begriff „Europäische<br />
Union“ wurde im Oktober 1972 von den Staatsund<br />
Regierungschefs auf der Pariser Gipfelkonferenz<br />
als Zielvorgabe für den Integrationsprozess eingeführt.<br />
Die Gipfelteilnehmer beschlossen, „die Gesamtheit<br />
der Beziehungen der Mitgliedstaaten in<br />
eine Europäische Union umzuwandeln“ (bis 1980).<br />
Schon vorher gab es eine Reihe von Initiativen, eine<br />
organisatorische und institutionelle Form der politischen<br />
Einheit Westeuropas zu erreichen (1953: �Europäische<br />
Politische Gemeinschaft, 1961/62: Vertrag<br />
über die Gründung einer Union der Europäischen<br />
Völker, �Fouchet-Pläne). 1974 beauftragten<br />
die Staats- und Regierungschefs den damaligen belgischen<br />
Premierminister Leo Tindemans, einen Reformbericht<br />
zur Ausgestaltung der Europäischen<br />
Union auszuarbeiten. Dieser �Tindemans-Bericht<br />
verschwand allerdings in der Schublade. 1981 fand<br />
sich der Begriff „Europäische Union“ in einer gemeinsamen<br />
Initiative des deutschen und des italienischen<br />
Außenministers wieder (�Genscher-Colombo-Plan),<br />
die das Ziel hatte, eine Europäische Union<br />
in einer Europäischen Akte zu fixieren. Aber auf die<br />
in diesem Papier niedergelegten weitgesteckten Ziele<br />
konnten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen und<br />
verabschiedeten am 19. 6. 1983 auf dem Stuttgarter<br />
Gipfel bloß eine rechtlich unverbindliche �Feierliche<br />
Erklärung zur Europäischen Union. Auch das<br />
Europäische Parlament arbeitete fast zeitgleich einen<br />
Vertrag zur Gründung der Europäischen Union<br />
aus. Während alle anderen Initiativen erfolglos geblieben<br />
waren, gingen Elemente dieser beiden Initiativen<br />
in die �Einheitliche Europäische Akte (1986)<br />
ein, und die Europäische Union wurde als Ziel in der<br />
Präambel festgehalten. Eine weitere Ausgestaltung<br />
fand der Begriff durch den Vertrag über die Europäische<br />
Union sowie durch die �Grundrechtecharta der<br />
EuropäischenUnion,welcheaufdemGipfelinNizza<br />
(2000) feierlich angenommen wurde.<br />
261
Europäische Union<br />
Agenturen<br />
der 2. und<br />
3. Säule<br />
262<br />
Harmonisierungsamt<br />
für<br />
den Binnenmarkt<br />
Alicante<br />
Europäische<br />
Verteidigungs-<br />
Agentur<br />
Brüssel<br />
Der institutionelle Aufbau der Europäischen Union<br />
Europäische<br />
Agentur für die<br />
Sicherheit des<br />
Seeverkehrs<br />
Lissabon<br />
Institut der<br />
EU für<br />
Sicherheitsstudien<br />
Paris<br />
Europäische Europäische<br />
Agentur für Agentur für<br />
Flugsicherheit den Wieder-<br />
Köln<br />
aufbau<br />
Thessaloniki<br />
Satellitenzentrum<br />
der EU<br />
Torrejón de<br />
Ardoz<br />
Europäisches<br />
Polizeiamt<br />
(Europol)<br />
Den Haag<br />
Europäische<br />
Stelle zur<br />
Beobachtung<br />
von Rassismus<br />
und Fremdenfeindlichkeit<br />
Wien<br />
Europäisches<br />
Zentrum für<br />
die Prävention<br />
und Kontrolle<br />
von Krankheiten<br />
Solna<br />
Europäisches Europäische<br />
Organ zur Polizeiakademie<br />
Stärkung der Bramshill<br />
justitiellen<br />
Zusammenarbeit<br />
(Eurojust)<br />
Den Haag
3.Gegenstandsbeschreibung:SeitdemMaastrichter<br />
Vertrag erscheint der Begriff „Europäische Union“<br />
erstmals im Gemeinschaftsrecht. Der Vertrag über<br />
die Europäische Union fasst sowohl die bisherigen<br />
Pariser und Römischen Verträge (einschl. Wirtschafts-<br />
und Währungsunion) sowie Regelungen<br />
über eine �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(GASP) und über die �Zusammenarbeit in den<br />
Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) zusammen.<br />
�Subsidiarität, �Föderalismus und �Solidarität werden<br />
als Strukturprinzipien festgeschrieben. Er führt<br />
weitere Politikbereiche im Rahmen der EU ein:<br />
�Kultur, �Gesundheitswesen, �Verbraucherschutz,<br />
Industrie u. a. Das institutionelle Gefüge wird weiterentwickelt<br />
(�Europäische Zentralbank, �Ausschuss<br />
der Regionen, Ausbau der Rechte des �Europäischen<br />
Parlaments etc.), eine �Unionsbürgerschaftwirdverankert.DamitisteinePräzisierungder<br />
Inhalte (Politikbereiche) und Strukturen der Europäischen<br />
Union erfolgt. Der Vertrag über die Europäische<br />
Union bildet eine Art rechtlicher Rahmen für<br />
daseuropäischeVertragswerkundbegründetedieim<br />
Nizza-Vertrag fortentwickelte �Tempelstruktur.<br />
4. Kritische Wertung.: Das Spezifische des europäischen<br />
Integrationsprozesses wurde bis zum Maastrichter<br />
Vertrag mit dem Begriff „Europäische Gemeinschaft(en)“<br />
beschrieben. Nicht nur, dass sich<br />
der Begriff „Gemeinschaft“ ohne VerständnisproblemeinandereSprachenderEUübersetzenließ,die<br />
„Gemeinschaft“ stand auch für die Einzigartigkeit<br />
dereuropäischenEinigung.FürvieleBürgerinEuropa<br />
ist nicht mehr durchschaubar, dass es die Europäische<br />
Gemeinschaft natürlich auch nach dem Maastrichter<br />
Vertrag noch gibt. Sie ist zu einem – wenn<br />
auch dem wichtigsten – Teil der Europäischen Union<br />
geworden. Mit dem �Vertrag von Amsterdam und<br />
dem �Vertrag von Nizza wurde auch der „Vertrag<br />
über die Europäische Union“ weiterentwickelt. Die<br />
nächste angestrebte Stufe der Integration ist die<br />
„Verfassung für Europa“ (�Verfassungsvertrag), in<br />
welcher die Charta der Grundrechte der EuropäischenUnionintegrierterTeilist.<br />
M. P.<br />
Literatur:<br />
Bieber, R.: Die Europäische Union. Baden-Baden 2005<br />
Bruha, T./ Schäfer, W./Graf Wass von Czege, A.: Die<br />
Europäische Union. Baden-Baden 2004<br />
Groeben, H. v. d. (Hg.): Die Europäische Union als Prozess.<br />
Baden-Baden 1980<br />
Herzog, R.: Die Europäische Union auf dem Weg zum<br />
verfassten Staatenverbund. Perspektiven der europäischen<br />
Verfassungsordnung. München 2004<br />
Europäische Verbände<br />
Pfetsch, F. R./Beichelt, T.: Die Europäische Union. Eine Einführung.<br />
Geschichte, Institutionen, Prozesse. Stuttgart 2001<br />
Sander, G. G./ Maryska: Die Europäische Union vor neuen<br />
Herausforderungen. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Wien 2005<br />
Europäische Verbände / Lobbyismus. Europäische<br />
Verbände sind Zusammenschlüsse nationaler<br />
Verbände. Sie unterhalten vielfach eigene Büros in<br />
Brüssel, wo sie Informationen über Vorhaben der<br />
Gemeinschaft sammeln, die sie an die nationalen<br />
Verbände weitergeben; darüber hinaus tauschen sie<br />
Erfahrungen aus und beraten gemeinsam, um ggf.<br />
auf Entscheidungen der EU-Organe Einfluss zu nehmen.<br />
Zu europäischen Verbänden schließen sich insbes.<br />
diejenigen nationalen Verbände zusammen, die von<br />
den Entscheidungen auf EU-Ebene besonders betroffen<br />
sind (z. B. in den Bereichen Landwirtschaft,<br />
Handel, Dienstleistungen; Unternehmer-, Industrieund<br />
Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Kirchen).<br />
Die Einflussmöglichkeiten europäischer Verbände<br />
reichen von informellen Kontakten (traditioneller<br />
Lobbyismus) bis hin zu institutionalisierter Interessenwahrnehmung<br />
in „Beratenden Ausschüssen“<br />
(z. B. im �Wirtschafts- und Sozialausschuss). Hier<br />
nehmen die Verbände aber nicht nur ihre eigenen Interessen<br />
wahr, sondern bringen auch ihr Sachwissen<br />
ein und sind den Entscheidungsträgern kompetente<br />
Berater. Zudem haben sie häufig die Funktion eines<br />
Barometers, das anzeigt, welche Verordnungen,<br />
Richtlinien oder Entscheidungen in der EU<br />
(�Rechtsakte) durchsetzbar sind.<br />
Europäische Kommission: Die Zahl der Verbände,<br />
Unternehmensvertretungen, Länderbüros, Nichtregierungsorganisationen,<br />
Anwaltskanzleien, Beratergremien<br />
u. dgl. in Brüssel wird auf 3 500–4000<br />
(mit 15 000 Beschäftigten) geschätzt. Eine formale<br />
Registrierungspflicht (wie beim Deutschen Bundestag)<br />
besteht nicht. Die Kommission hat einen „Minimal-Verhaltenskodex“<br />
für Interessenvertreter formuliert.<br />
Im Dezember 2002 hat sie „Allgemeine<br />
Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation<br />
betroffener Parteien durch die Kommission“<br />
verabschiedet.<br />
Europäisches Parlament: Im Mai 1997 beschloss<br />
das EP einen 10-Punkte-Verhaltenskodex für Interessenvertreter<br />
(Anhang IX GO des EP). Sie müssen<br />
sich in ein Register eintragen und offen legen, für<br />
wen oder für was sie sich engagieren. Sie erhalten ei-<br />
263
Europäische Verfassung<br />
nen Jahresausweis für den Zutritt zu allen öffentlichenSitzungendesPlenumsundderAusschüsse.Sie<br />
dürfen sich bei ihren Geschäften nicht auf eine formelle<br />
Beziehung zum Parlament berufen und dürfen<br />
sich Informationen nicht erschleichen. Zurzeit sind<br />
ca. 4 000 ständige Zutrittskarten an Lobbyisten ausgegeben.DieListederregistriertenInteressenvertreter<br />
nach Namen und Organisationen ist unter<br />
http.//europarl.eu.intabrufbar. W. M.<br />
Literatur:<br />
Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG (Hg.): Verzeichnis<br />
der Verbände in der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Brüssel 1992<br />
Europäische Verfassung �Verfassungsvertrag<br />
2004<br />
Europäische Verteidigungsagentur (EVA)<br />
1. Rechtsgrundlage: Vom Rat mit �Gemeinsamer<br />
Aktion vom 12. 7. 2004 begründete Einrichtung „zur<br />
Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten der EU<br />
im Bereich der Krisenbewältigung“ und zur „dauerhaften<br />
Unterstützung der �ESVP“. Ihre vollständige<br />
Bezeichnung lautet „Europäische Agentur für die<br />
Entwicklung der militärischen Fähigkeiten, Forschung,<br />
Beschaffung und Rüstung“. Die „Europäische<br />
Verteidigungsagentur“ (EVA) ist in der Rechtsform<br />
einer EU-�Agentur verfasst. Ungeachtet der<br />
damit verbundenen eigenen Rechtspersönlichkeit ist<br />
die EVA eng an den einheitlichen institutionellen<br />
Rahmen der EU angebunden (s. auch �Institut für Sicherheitsstudien<br />
der EU, �Satellitenzentrum der<br />
EU). Mit der Gründung der EVA wurde ein entsprechender<br />
Auftrag des Europäischen �Verfassungsvertrages<br />
2004 und damit der erste konkrete Anwendungsfall<br />
einer gezielten („verstärkten“) Zusammenarbeit<br />
einzelner Mitgliedstaaten im Bereich der<br />
nicht ausschließlichen Zuständigkeiten der EU vorweggenommen<br />
(Art. I-41 Abs. 3 und Art. III-311<br />
VVE 2004).<br />
2. Organe: Die Arbeit der EVA wird von einem Lenkungsausschuss<br />
überwacht, dem unter dem Vorsitz<br />
des �Hohen Vertreters (HR) mit Ausnahme von Dänemark<br />
alle Mitgliedstaaten der EU sowie ein (nicht<br />
stimmberechtigter) Vertreter der Kommission angehören<br />
(Dänemark genießt aufgrund seines besonderen<br />
Status im Bereich der militärischen ESVP eine<br />
Sonderstellung;vgl.hierzuArt.6desProtokollsüber<br />
die Position Dänemarks zum EUV/EGV). Der Lenkungsausschuss<br />
tagt regelmäßig in der Besetzung<br />
264<br />
der Verteidigungsminister, kann aber auch in anderer<br />
Formation zusammentreten (bspw. Rüstungsdirektoren).DiepolitischeAufsichtüberdieEVAwird<br />
vom Rat ausgeübt. Das �Politische und Sicherheitspolitische<br />
Komitee (PSK), ggf. auch andere zuständige<br />
Ratsgremien, nehmen eine beratende Funktion<br />
wahr. Sitz der Europäischen Verteidigungsagentur<br />
ist Brüssel.<br />
3. Arbeitsbereiche: Aufgabenschwerpunkte der<br />
EVA sind die Entwicklung von militärischen Fähigkeiten<br />
im Bereich der Krisenbewältigung, die Förderung<br />
und Verbesserung der Europäischen Rüstungszusammenarbeit,<br />
Maßnahmen zur Schaffung eines<br />
international wettbewerbsfähigen europäischen<br />
Markts für Verteidigungsgüter sowie die Verbesserung<br />
der Effektivität der Europäischen Verteidigungsforschung<br />
und -technologie.<br />
4. Ausblick: Die Agentur wird in der Aufbauphase<br />
v. a. Anlauf- und Koordinierungsstelle für die bestehenden<br />
Formen der europäischen Rüstungszusammenarbeit<br />
sein und den Rat bei der Umsetzung des<br />
Europäischen Aktionsplans zu den militärischen Fähigkeiten<br />
(European Capability Action Plan/ECAP)<br />
unterstützen. In einer zweiten Phase wird es dann um<br />
die Abstimmung der operativen Anforderungen aus<br />
dem Bereich der ESVP an den Erwerb und die Entwicklung<br />
der konkreten Fähigkeiten gehen. In dieser<br />
Phase wird die Agentur die einschlägigen Komponenten<br />
bestehender Vereinbarungen und Formen der<br />
Zusammenarbeit im Rüstungsbereich integrieren<br />
bzw. übernehmen (OCCAR, Letter of Intent-Rahmenabkommen,WEAG/WEAO).<br />
U. S.<br />
Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />
(EVG). Nach dem Aufbau von �Westeuropäischer<br />
Union und �NATO sollte verhindert werden, dass<br />
sich – fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – ein<br />
militärpolitisches Vakuum in Westdeutschland entwickelte.<br />
Das Problem ist im Zusammenhang mit<br />
dem „Kalten Krieg“, der Auseinandersetzung zwischen<br />
den Supermächten UdSSR und USA unterhalb<br />
der Ebene eines „heißen“ Krieges, zu sehen, seit<br />
1950 insbes. als Folge des Korea-Krieges (1950 –<br />
1953). Damals mussten die Amerikaner einen erheblichen<br />
Teil ihrer Kampftruppen aus der besetzten<br />
Bundesrepublik Deutschland abziehen.<br />
Seinerzeit entstand der Gedanke eines westdeutschen<br />
Verteidigungsbeitrags im Rahmen einer europäischen<br />
Armee. Dafür setzte sich Winston �Chur-
chill am 11. 8. 1950 vor dem �Europarat ein, besonders<br />
aber der französische Premierminister René<br />
�Pleven in einer Regierungserklärung über die<br />
Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />
(EVG) vom 24. 10. 1950. Zu einer integrierten<br />
europäischen Armee sollten auch die Deutschen<br />
nationale Militäreinheiten zur Verfügung stellen,<br />
ohne dass man ihnen ein eigenes Verteidigungsministerium,<br />
eine eigene Armee mit Generalstab zubilligen<br />
wollte. Die europäische Armee sollte soweit<br />
wie möglich integriert und einer einheitlichen politischen<br />
und militärischen Autorität unterstellt werden<br />
(�Pleven-Plan). Der deutsche Bundeskanzler Adenauer<br />
antwortete – im Gegensatz zum SPD-Oppositionsführer<br />
Kurt Schumacher – positiv im Hinblick<br />
auf einen deutschen Wehrbeitrag in einer geplanten<br />
Europa-Armee. In der Regierungserklärung vom 8.<br />
11. 1950 stellte er seine Bedingung, u. a.: „Voraussetzung<br />
für die Leistung eines solchen Beitrags ist<br />
die völlige Gleichberechtigung Deutschlands in dieser<br />
Abwehrfront mit den übrigen teilnehmenden<br />
Mächten...“. Der EVG-Vertrag wurde von den sechs<br />
EGKS-Staaten am 27. 5. 1952 in Paris unterzeichnet<br />
und von fünf Staaten ratifiziert, scheiterte jedoch in<br />
der französischen Nationalversammlung am 30. 8.<br />
1954. Die Idee wird heute in der �GASP bzw. der<br />
�ESVP fortgesetzt. In Art. 38 sah der EVG-Vertrag<br />
die Gründung einer �Europäischen Politischen Gemeinschaftvor.<br />
W. M.<br />
Europäische Währungseinheit (ECU)<br />
1. Begriffserklärung: Die Bezeichnung ECU leiteten<br />
dieInitiatorendes �EuropäischenWährungssystems<br />
(EWS) von unterschiedlichen Vorstellungen ab. Für<br />
den damaligen französischen Staatspräsidenten ValéryGiscardd’EstaingsolltemitdemNamenECUan<br />
eine bereits im 13. Jh. von Ludwig d. Hl. eingeführte<br />
und in Europa in Umlauf gebrachte Goldmünze angeknüpft<br />
werden. Die britischen und deutschen Vertreter<br />
leiteten den Namen dagegen von den Initialen<br />
„European Currency Unit“ ab.<br />
2. Gegenstandsbeschreibung: Die ECU war definiert<br />
als eine Korbwährung, die sich aus (vom Rat<br />
einstimmig) festgelegten Anteilen der Währungen<br />
der EWS-Mitgliedstaaten errechnete. Die ECU war<br />
zentraler Bestandteil des EWS. Sie diente dort als<br />
BasisundBezugsgrößefürdieErrechnungderBandbreiten<br />
zwischen den Gemeinschaftswährungen.<br />
Die ECU war darüber hinaus Rechengröße für For-<br />
Europäische Währungseinheit<br />
derungenundVerbindlichkeitenundwurdezumSaldenausgleich<br />
sowie als Währungsreserve der nationalen<br />
Notenbanken verwandt.<br />
Der �Haushalt der EU wurde in ECU erstellt. Alle<br />
Außenzölle und ähnliche Einfuhrabgaben an den<br />
Außengrenzen der EU wurden in ECU erhoben. Gewährte<br />
die EU Zuschüsse oder Darlehen, wurden sie<br />
in ECU ausgedrückt. Die einheitlichen Agrarpreise<br />
im Gemeinsamen Agrarmarkt wurden ebenso in<br />
ECU festgesetzt wie die Leistungen der EU an die<br />
Entwicklungsländer. Die �Europäische Investitionsbank,<br />
aber auch Staaten und Unternehmen legten<br />
öffentliche Anleihen in ECU auf, Zentralbanken<br />
hielten ECU als Devisenreserven. Trotzdem war die<br />
ECU weder gesetzliches Zahlungsmittel, noch gab<br />
es sie in Form von Banknoten und Münzen.<br />
3. Vom ECU zum Euro: Der �Maastrichter Vertrag<br />
knüpft zwar an die bestehende Korb-ECU an (z. B.<br />
ex-Art. 109g EGV, jetzt 118 EGV) und nennt die<br />
neue EU-Währung ebenfalls ECU, aber der Vertrag<br />
sieht auch vor, bei der Gestaltung der künftigen<br />
Banknoten Gepflogenheiten der Länder soweit wie<br />
möglich zu berücksichtigen.<br />
Mit Beginn der Endstufe der WWU zum 1. 1. 1999<br />
wurde der amtliche ECU-Korb abgeschafft. Der EuropäischeRatderStaats-undRegierungschefshatim<br />
Dezember 1995 in Madrid den Namen für die europäische<br />
Währung entschieden. Sie heißt �Euro. Dieser<br />
Name ist den Bürgern in Deutschland vertrauter<br />
als die technische Abkürzung ECU. Erstens kann der<br />
Name Euro in allen Ländern gleich geschrieben und<br />
nahezu gleich ausgesprochen werden. Darüber hinaus<br />
bringt er die europäische Identität zum Ausdruck.<br />
Der Euro wurde am 1. 1. 1999 mit Beginn der 3. Stufe<br />
der WWU eingeführt. Zuvor beschlossen bei ihrer<br />
Tagung vom 1. – 3. Mai 1998 in Brüssel die StaatsundRegierungschefsderEU,dasself<br />
EU-Länderdie<br />
Anforderungen für die Beteiligung am Euro erfüllten.<br />
Die endgültigen Wechselkurse zwischen den<br />
teilnehmenden Währungen wurden fixiert (z. B.<br />
1 Euro = 1,95583 DM, vgl. Tab. S. 202). Der Euro ist<br />
damit eine eigenständige Währung. Am 4. 1. 1999<br />
notierte der erste Wechselkurs des Euro bei 1,18<br />
US-Dollar,imMärz2005bei1,33US-Dollar.<br />
B. H.<br />
Literatur:<br />
Fischer, K. H.: Konvent zur Zukunft Europas. Texte und<br />
Kommentare, einschl. CD-ROM mit Gesamtdokumentation.<br />
Baden-Baden 2003<br />
265
Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />
Läufer, T. (Hg.): Verfassung für Europa. Entwurf des Europäischen<br />
Konvents vom 18. 7. 2003. Lizenzausgabe für die<br />
Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 427,<br />
Bonn 2004<br />
Ders.: Vertrag von Nizza. Die EU der 25. BpB, Bd. 444,<br />
Bonn 2004<br />
Weidenfeld, W./Wessels, W. (Hg.): Jahrbuch der Europäischen<br />
Integration 2002/2003. Bonn 2003<br />
Wessels, W. u.a.: Der Entwurf der Europäischen Verfassung:<br />
Die Ergebnisse des Konvents auf dem Prüfstand (mit Einzelanalysen<br />
zu allen Reformfeldern). Schwerpunkt „integration“<br />
Nr. 4/2003, IEP Bonn 2003<br />
Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />
(EWIV)<br />
1. Zweck: Durch die EWIV, die durch EG-Verordnung<br />
Nr. 2137/85 (EWIV-VO, ABl. L 199/1985) ins<br />
Lebengerufenwurde,sollinsbes.kleinenundmittleren<br />
Unternehmen (�KMU) sowie Freiberuflern die<br />
grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtert<br />
werden. Im Gegensatz zu den bisher bekannten Gesellschaftsformen<br />
kommt der EWIV nur Hilfscharakter<br />
zu. Eigene, unmittelbare unternehmerische<br />
Tätigkeit zu entfalten ist nicht ihr Sinn. Vielmehr soll<br />
dieEWIVdiewirtschaftlicheTätigkeitihrerMitglieder<br />
erleichtern oder entwickeln und die Ergebnisse<br />
dieser Tätigkeit verbessern oder steigern.<br />
Im Normalfall werden also die Mitglieder einer<br />
EWIV dieser einen Teilbereich ihrer Tätigkeit als eigene<br />
Aufgabe übertragen. So können die ZusammenlegungvonForschungs-undEntwicklungstätigkeit,<br />
gemeinsame Vertriebs- oder Beschaffungstätigkeiten,<br />
Markt- und Meinungsforschungsgemeinschaften,<br />
gemeinsame Interessenvertretung, Zusammenarbeit<br />
in Aus- und Fortbildung, gemeinsame<br />
Nutzung von Marken als mögliche Hilfstätigkeiten<br />
angesehen werden.<br />
Denkbar ist aber auch der zeitlich befristete Zusammenschluss<br />
von Unternehmen zur Durchführung eines<br />
gemeinsamen Projekts (Planungs- und Bau-Arbeitsgemeinschaft),<br />
wobei in dieser Zeit das gesamte<br />
Spektrum der Unternehmenstätigkeiten auf die<br />
EWIV verlagert wird.<br />
2. Beschränkungen: Wenngleich diese vorgegebenen<br />
Ziele recht nachgiebig formuliert sind, so dass<br />
eine andere Regelung nicht gleich zur Rechtswidrigkeit<br />
der EWIV führen wird, so gibt es einige ausdrücklicheBeschränkungeninderVerordnung,die–<br />
auf Antrag eines Beteiligten oder der zuständigen<br />
Behörde – zur gerichtlichen Auflösung der EWIV<br />
führen:<br />
266<br />
Die EWIV darf z. B. weder unmittelbar noch mittelbar<br />
Leitungs- oder Kontrollmacht über die eigenen<br />
Tätigkeiten ihrer Mitglieder oder die Tätigkeit anderer<br />
Unternehmen ausüben. Dieses Konzernleitungsverbot<br />
soll verhindern, dass nationale Mitbestimmungsregeln<br />
dadurch ausgehöhlt werden, dass Entscheidungskompetenzen<br />
auf Unternehmen verlagert<br />
werden, die nicht mitbestimmt sind.<br />
Ein ähnliches Ziel verfolgt die Beschränkung der<br />
möglichen Zahl der Arbeitnehmer einer EWIV auf<br />
500. Auch hier spielte die Sorge um die Aushöhlung<br />
insbes. der deutschen Mitbestimmungsregeln die<br />
entscheidende Rolle.<br />
Die EWIV darf weder unmittelbar noch mittelbar<br />
AnteileoderAktienaneinemMitgliedsunternehmen<br />
halten. Zulässig ist jedoch das Halten von Anteilen<br />
an anderen Unternehmen, soweit es notwendig ist,<br />
um das Ziel der EWIV zu erreichen und soweit dies<br />
für Rechnung der Mitglieder geschieht.<br />
Der Kreis der möglichen Mitglieder einer EWIV ist<br />
denkbar weit gezogen: Neben wirtschaftlich tätigen<br />
natürlichen Personen dürfen alle juristischen Personen,<br />
also Gesellschaften, Vereine usw., aber auch juristischeEinheitendesöffentlichenRechts(z.B.universitäre<br />
Forschungsstellen) Mitglied einer EWIV<br />
werden. Um den grenzüberschreitenden Charakter<br />
der EWIV sicherzustellen, schreibt die EWIV-VO<br />
lediglich vor, dass mindestens zwei der Mitglieder<br />
der EWIV ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsländern<br />
der EU haben müssen. Der Gründungsvertrag<br />
ist beim zuständigen Register am Sitz der EWIV zu<br />
hinterlegen. Dort ist die EWIV durch den Geschäftsführeranzumelden.ImGeschäftslebenhatdieEWIV<br />
in allen Angaben den Zusatz „EWIV“ zu führen.<br />
3. Bewertung: Es ist sicherlich als Meilenstein in der<br />
Entwicklung des europäischen �Gesellschaftsrechts<br />
zu werten, dass es gelungen ist, mit der Europäischen<br />
Wirtschaftlichen Interessenvereinigung eine einheitliche<br />
europäische Gesellschaftsform zu schaffen.<br />
Trotzdem ist die Anwendbarkeit dieses Statuts durch<br />
verschiedene Faktoren stark eingeschränkt. Die Beschränkung<br />
u. a. auf Hilfstätigkeiten seiner Mitglieder<br />
macht die EWIV zu einem Instrument, das nicht<br />
den Gesellschaftsverträgen, sondern vielmehr Kooperationsverträgenähnelt.<br />
M. K.<br />
Dokumente:<br />
ABl. L 199/1985; ABl. L 247/1985; ABl. L 124/1990<br />
Zur Teilnahme von EWIVs an öffentlichen Aufträgen und<br />
Gemeinschaftsprogrammen: ABl. C 285/1997
Literatur:<br />
Europäische Kommission: Die EWIV als Instrument der<br />
grenzübergreifenden Kooperation. Praktisches Handbuch für<br />
die KMU. Brüssel 1998 2 (Dok. 23/0331/98-DE)<br />
Zahorka, H.-J.: Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />
(EWIV), die einzige transnationale Unternehmensform<br />
für Kooperationen in Europa. Sindelfingen 2000<br />
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG),<br />
1957 zusammen mit �EURATOM durch die �Römischen<br />
Verträge gegründet. �Europäische Gemeinschaft(en)<br />
Europäische Wissenschaftsstiftung (EWS, European<br />
Science Foundation, ESF). Ein Verband von<br />
78 Mitgliedsorganisationen in 30 europäischen Ländern,diesichderwissenschaftlichenForschungwidmen.<br />
Anschrift: 1, quai Lezay Marnésia, BP 90015,<br />
F–67080 Straßburg<br />
Internet: www.esf.org<br />
Europäische Wissenschafts- und Technologieversammlung<br />
(European Science and Technology<br />
Assembly, ESTA), ein 1994 gegründetes wissenschaftspolitisches<br />
Beratungsgremium der Kommission<br />
im Bereich der �FTE-Politik (ABl. L 98/1994).<br />
Ihm gehören rd. 100 renommierte Wissenschaftler<br />
aus Universitäten und der Industrie an.<br />
Europäische Zahlungsunion (EZU), 1950 von<br />
den �OEEC-Staaten durch Abkommen gegründete<br />
Institution mit Sitz in Paris. Sie diente in der Nachkriegszeit,<br />
in der die meisten Währungen noch nicht<br />
konvertibel waren, der Verrechnung (dem Clearing)<br />
von bilateralen Guthaben und Schulden der Mitgliedsländer<br />
über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich<br />
(BIZ) in Basel. Das Abkommen über<br />
die EZU wurde Ende 1958 abgelöst vom �Europäischen<br />
Währungsabkommen.<br />
Europäische Zentralbank (EZB)<br />
1.Allgemeines:DieEZBistderzentraleKompetenzträger<br />
für die �Geldpolitik in der Europäischen<br />
�Währungsunion. Sie ist eine selbständige Einrichtung<br />
der Europäischen Gemeinschaft und bildet zusammen<br />
mit den Nationalen �Zentralbanken der<br />
Mitgliedstaaten (NZBen) das �Europäische System<br />
der Zentralbanken (ESZB). Als Bestandteil des<br />
ESZB ist sie mit der Erfüllung der grundlegenden<br />
Zentralbankaufgaben betraut und auf das Primat der<br />
Europäische Zentralbank<br />
Preisstabilität verpflichtet. Die Organisationsstruktur<br />
und die Kompetenzen der EZB sowie die Ziele<br />
und Aufgaben des ESZB sind im Vertrag zur Gründung<br />
der Europäischen Gemeinschaft festgelegt<br />
(Art. 4, Art. 8, Art. 105 – Art. 113 EGV) und werden<br />
im primärrechtlichen Protokoll über die Satzung des<br />
Europäischen Systems der Zentralbanken und der<br />
Europäischen Zentralbank (ESZB-Satzung) im Einzelnen<br />
erläutert.<br />
Die Errichtung einer Europäischen Zentralbank ist<br />
nach Art. 8 EGV seit dem Vertrag von Maastricht ein<br />
institutioneller Grundsatz der Europäischen Gemeinschaft,<br />
der mittlerweile erfüllt ist. Unmittelbar<br />
nach der Ernennung des ersten EZB-Direktoriums<br />
zum1.6.1998wurdendasESZBunddieEZBerrichtet<br />
und nahmen ihre Tätigkeit auf. Die EZB löste dabei<br />
das �Europäische Währungsinstitut (EWI) ab,<br />
das liquidiert wurde, und übernahm seine Aufgaben.<br />
Die Kompetenzen in der Geldpolitik gingen schließlich<br />
mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion<br />
– am 1. 1. 1999 – von den Teilnehmerstaaten auf die<br />
Bestandteile des ESZB über. Sitz der EZB ist Frankfurt<br />
a. M.<br />
2. Rechtsform und Finanzverfassung: Die EZB ist<br />
eine juristische Person internationalen Rechts. Sie<br />
hat nach Art. 107 Abs. 2 EG Rechtspersönlichkeit<br />
und besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende<br />
Rechts- und Geschäftsfähigkeit, so dass sie Vermögen<br />
erwerben und vor Gericht klagen und verklagt<br />
werden kann. Die EZB stellt eigene Jahresabschlüsse<br />
auf, die extern geprüft werden. Die NZBen<br />
sinddiealleinigenZeichnerundInhaberdesKapitals<br />
der EZB, das derzeit 5,56 Mrd. Euro beträgt – von<br />
dem 4 Mrd. Euro einbezahlt sind. Die Anteile bemessen<br />
sich jeweils hälftig nach der Größe der Bevölkerung<br />
und des Bruttoinlandsprodukts der Mitgliedstaaten.<br />
Sie dürfen – außer bei einer Kapitalanpassung<br />
– nicht übertragen werden und sind nicht verpfändbar.<br />
Die Finanzmittel der EZB werden nicht in<br />
den Gemeinschaftshaushalt einbezogen. Haftungsmasse<br />
für das Handeln der EZB bildet daher nur ihr<br />
Vermögen. Durch diese Konzeption wird die finanzielle<br />
Unabhängigkeit der EZB gewahrt.<br />
Zugleich können so die monetären Einkünfte des<br />
ESZB über die NZBen den Teilnehmerstaaten der<br />
Währungsunion zugeordnet werden. Einkünfte der<br />
nationalen Zentralbanken aus der Erfüllung der währungspolitischen<br />
Aufgaben des ESZB werden<br />
grundsätzlich nach den Anteilen am gezeichneten<br />
267
Europäische Zentralbank<br />
Kapital unter den NZBen verteilt. Nach dem gleichen<br />
Maßstab werden auch die Nettogewinne der<br />
EZB ausgeschüttet, nachdem ein bestimmter Betrag,<br />
der 20 v. H. des Nettogewinns nicht übersteigen darf,<br />
einem allgemeinen Reservefonds zugeführt wurde.<br />
Der Fonds dient dazu, einen Fehlbetrag auszugleichen,<br />
wenn die EZB einen Verlust erwirtschaften<br />
sollte.<br />
Entsprechend den Anteilen am gezeichneten Kapital<br />
statten die NZBen die EZB außerdem mit Währungsreserven<br />
bis zu einem Gegenwert von 50 Mrd. Euro<br />
aus.<br />
3. Organisationsstruktur: Die Beschlussorgane der<br />
EZB sind der EZB-Rat und das Direktorium der<br />
EZB, die nach dem Kollegialitätsprinzip handeln.<br />
Die Mitglieder der Beschlussorgane tragen eine gemeinsame<br />
Verantwortung. Die Rechenschaftspflicht<br />
trifft das Beschlussorgan, nicht das einzelne<br />
Mitglied.<br />
Dem Direktorium gehören neben dem Präsidenten<br />
und dem Vizepräsidenten der EZB vier weitere Mitglieder<br />
an. Seine Mitglieder werden von den Regierungen<br />
der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staatsund<br />
Regierungschefs aus dem Kreis der in Währungs-<br />
und Bankfragen anerkannten und erfahrenen<br />
Persönlichkeiten ernannt. Ihr Mandat ist auf acht<br />
Jahre begrenzt und – im Sinne persönlicher Unabhängigkeit<br />
– nicht erneuerbar. Jedes persönlich anwesende<br />
Mitglied hat bei Abstimmungen eine Stimme.<br />
Eine einfache Mehrheit genügt grundsätzlich.<br />
Die Mitglieder des Direktoriums haben im Grundsatz<br />
eine gleichrangige Stellung. Insbesondere hat<br />
der EZB-Präsident kein Weisungsrecht gegenüber<br />
den anderen Direktoriumsmitgliedern. In der Praxis<br />
tagt das Gremium mindestens einmal wöchentlich.<br />
Das Direktorium hat weit reichende Exekutivbefugnisse.<br />
Es führt die laufenden Geschäfte der EZB. Es<br />
bereitet die Sitzungen des EZB-Rates vor und führt<br />
die Geldpolitik nach den Richtlinien und EntscheidungendesRatesaus.DasGremiumistindiesemZusammenhang<br />
gegenüber den NZBen weisungsbefugt.<br />
Der EZB-Rat kann ihm darüber hinaus bestimmte<br />
Befugnisse übertragen. Das Direktorium erstellt<br />
den Jahresabschluss der EZB und die konsolidierte<br />
Bilanz des ESZB.<br />
Der EZB-Rat setzt sich aus dem Direktorium sowie<br />
denNZB-PräsidentenderTeilnehmerstaatenzusammen.<br />
Der EZB-Präsident sitzt dem EZB-Rat vor, der<br />
mindestens zehnmal im Jahr zusammentritt. Der<br />
268<br />
EZB-Rat entscheidet in der Regel mit einfacher<br />
Mehrheit. Jedes Mitglied des EZB-Rates hat grundsätzlich<br />
eine Stimme, so dass die NZB-Präsidenten –<br />
jedenfalls von der Stimmenzahl her – das Gremium<br />
dominieren. Gegenwärtig stehen den sechs Direktoriumsmitgliedern<br />
zwölf NZB-Präsidenten gegenüber.<br />
Für Beschlüsse über die Kapitalausstattung<br />
und die Gewinnverwendung werden jedoch die<br />
Stimmen im EZB-Rat entsprechend der Anteile der<br />
NZB am gezeichneten Kapital der EZB gewogen.<br />
Die Stimmen der Direktoriumsmitglieder haben<br />
dannkeinGewicht.DerEZB-Raterlässtalszentrales<br />
Beschlussorgan des ESZB die Leitlinien und Entscheidungen,<br />
die zur Erfüllung der Aufgaben des<br />
ESZB notwendig sind. Insbesondere legt das Gremium<br />
die innere Währungspolitik der Gemeinschaft<br />
fest, indem er über die geldpolitischen Zwischenziele,<br />
die Leitzinsen und die Bereitstellung von Zentralbankgeld<br />
im ESZB entscheidet. Darüber hinaus trifft<br />
der EZB-Rat auch die grundlegenden Organisationsentscheidungen<br />
der EZB, vor allem gibt er der EZB<br />
ihre Geschäftsordnung. Er übt die Beratungs- und<br />
Konsultationsfunktionen der EZB aus und bestimmt<br />
im Zuständigkeitsbereich des ESZB über die Zusammenarbeit<br />
im internationalen Währungswesen. Gegenüber<br />
den NZBen nimmt er Leitungs- und Aufsichtsbefugnisse<br />
wahr. Er entscheidet für die EZB,<br />
den Gerichtshof anzurufen. Der EZB-Rat ist schließlich<br />
für Beschlüsse im Rahmen der Kapitalausstattung<br />
und Gewinnverwendung der EZB und des<br />
ESZB zuständig.<br />
Neben den beiden vorgenannten Gremien hat die<br />
EZB noch ein drittes Beschlussorgan, den Erweiterten<br />
Rat der EZB, dem auch die NZB-Präsidenten der<br />
Nichtteilnehmerstaaten angehören. Es hat lediglich<br />
beratende und koordinierende Funktionen. Der Erweiterte<br />
Rat nimmt Aufgaben im Zusammenhang<br />
mit dem Wechselkursmechanismus II (EWS II)<br />
wahr.DarüberhinausisterbeiderHeranführungvon<br />
Nichtteilnehmerstaaten an die Währungsunion tätig.<br />
Im Übrigen wirkt er bei verschiedenen internen Entscheidungsprozessen<br />
der EZB mit.<br />
Die EZB wird von ihrem Präsidenten – rechtlich als<br />
auch politisch – nach außen vertreten, der sowohl im<br />
EZB-Rat als auch im Direktorium den Vorsitz innehat.<br />
Herrscht in einem der Gremien Stimmengleichheit,<br />
gibt er den Ausschlag. Im Übrigen hat er die<br />
Rechte und Pflichten eines Mitglieds des Direktoriums.
Eine wichtige Rolle spielen in der internen Organisationsstruktur<br />
der EZB außerdem die �Ausschüsse<br />
des ESZB, die vom EZB-Rat eingesetzt werden, um<br />
seine Arbeit vorzubereiten.<br />
4. Aufgaben: Nach der europäischen Währungsordnung<br />
ist grundsätzlich das ESZB und nicht die EZB<br />
unmittelbarer Adressat der gemeinschaftsrechtlichen<br />
Aufgabenzuweisung. Da das ESZB selbst aber<br />
keine Rechtspersönlichkeit hat und ihm keine Kompetenzen<br />
zugewiesen sind, haben seine integralen<br />
Bestandteile die Aufgaben des Systems zu erfüllen.<br />
DerEZBkommendaher–zusammenmitdenNZBen<br />
– die grundlegenden Aufgaben des ESZB zu, die<br />
Geldpolitik der Gemeinschaft im Euro-Währungsgebiet<br />
festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte<br />
im Rahmen der �Wechselkurspolitik durchzuführen,<br />
die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten<br />
zu verwalten, die Zahlungssysteme zu<br />
fördern und bei der Bankenaufsicht mitzuwirken.<br />
Grundsätzlich können sowohl die EZB als auch die<br />
NZBen die Aufgaben des ESZB erfüllen. Der EZB<br />
kommt dabei aber im Verhältnis zu den NZBen nach<br />
Art. 9.2 ESZB-Satzung die Letztverantwortung zu.<br />
Dementsprechend verfügt die EZB, die gegenüber<br />
den NZBen weisungsbefugt ist, über die Organisationskompetenz<br />
für die Aufgabenerfüllung innerhalb<br />
des Zentralbankensystems. Sie besteht aber<br />
nicht uneingeschränkt. Zum einen muss die EZB die<br />
NZBen–demPrinzipderDezentralitätentsprechend<br />
– mit Exekutivaufgaben betrauen, wenn dies zweckmäßigist.ZumanderenkönnenbestimmteAufgaben<br />
nur von der EZB wahrgenommen werden. Insbesondere<br />
besteht eine Organkompetenz des EZB-Rates<br />
fürdieFestlegungderGeldpolitik,diedieAufgabenerfüllung<br />
durch die EZB voraussetzt.<br />
Darüber hinaus nimmt die EZB die Aufgabe der<br />
Geldversorgung wahr. Die EZB hat das ausschließliche<br />
Recht, die Ausgabe von Banknoten und Münzen<br />
zu genehmigen, wobei zur Ausgabe von Banknoten<br />
EZB und NZBen, zur Ausgabe von Münzen die Mitgliedstaaten<br />
berechtigt sind. Schließlich ist die EZB<br />
berichtendtätig,wennneueTeilnehmerstaatenindie<br />
Währungsunion aufgenommen werden sollen.<br />
5. Kompetenzen: Die EZB handelt – wie alle Gemeinschaftsinstitutionen<br />
– nach dem �Prinzip der<br />
begrenzten Einzelermächtigung. Rechtsetzungsakte<br />
von Gemeinschaftsinstitutionen sind nur dann rechtmäßig,<br />
wenn sie auf einer vertraglichen Ermächtigungsgrundlage<br />
beruhen.<br />
Europäische Zentralbank<br />
Die EZB hat innerhalb des ESZB die Kompetenz zur<br />
Außenrechtsetzung inne. Sie kann Verordnungen<br />
und Entscheidungen erlassen, um die Aufgaben des<br />
ESZB zu erfüllen, sowie Empfehlungen und Stellungnahmen<br />
abgeben. Diese Rechtsetzungsbefugnis<br />
ist unabhängig ausgestaltet. Eine Funktionsteilung<br />
findet nur innerhalb der EZB zwischen Direktorium<br />
und EZB-Rat statt. Im Gegensatz zu den allgemeinen<br />
Rechtsetzungsverfahren stehen den Organen gem.<br />
Art. 7 EG keine Beteiligungsrechte zu. Die Rechtsakte<br />
der EZB werden im Übrigen in Amtsblatt L veröffentlicht<br />
und als Akte der Gemeinschaft bezeichnet.<br />
6. Ziele: Die EZB ist als integraler Bestandteil des<br />
�ESZB auf dessen Ziele verpflichtet. Die EZB unterliegt<br />
daher dem Primat der Preisstabilität. Andere<br />
wirtschafts- und währungspolitische Ziele darf das<br />
ESZB nur unterstützen, soweit das Ziel der Preisstabilität<br />
dadurch nicht beeinträchtigt wird.<br />
Demgemäß sieht die europäische Währungsordnung<br />
ein Verbot monetärer Finanzierung vor. Die EZB<br />
darf nicht zur Finanzierung öffentlicher Schulden<br />
herangezogen werden. Überziehungs- oder andere<br />
Kreditfazilitäten bei der EZB oder den NZBen für<br />
Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen,<br />
regionale oder lokale Gebietskörperschaften,sonstigeEinrichtungendesöffentlichen<br />
Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten<br />
sind ebenso verboten wie der unmittelbare<br />
Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB<br />
oder die NZBen.<br />
7. Unabhängigkeit: Dem Ziel stabiler Preise entsprechend<br />
nimmt die EZB – wie auch die NZBen – eine<br />
unabhängige Stellung innerhalb der Europäischen<br />
Gemeinschaft ein. Je nach Ausgestaltung ihrer Organisationsstruktur<br />
kann auf eine Zentralbank auf unterschiedliche<br />
Art und Weise von außen Einfluss genommen<br />
werden. Die Unabhängigkeit der EZB wird<br />
daher institutionell, funktionell, finanziell und persönlich<br />
gewährleistet. Hervorzuheben sind dabei die<br />
Weisungs- und Beeinflussungsverbote nach Art.<br />
108 EGV. Weder die EZB noch ein Mitglied ihrer<br />
Beschlussorgane dürfen Weisungen von Organen<br />
oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen<br />
der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen<br />
oder entgegennehmen. Zugleich sind die Gemeinschaftsinstitutionen<br />
und die Regierungen der Mitgliedstaaten<br />
auf diesen Grundsatz verpflichtet. Sie<br />
dürfen die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB<br />
269
Europäische Zentralbank<br />
oder der nationalen Zentralbanken auch nicht tatsächlich<br />
beeinflussen. Darüber hinaus sichern zahlreiche<br />
weitere Vorkehrungen die Unabhängigkeit<br />
der EZB ab. So hat die EZB als zentraler geldpolitischer<br />
Kompetenzträger eigene Rechtspersönlichkeit.<br />
Sie besitzt als juristische Person eigene Organe,<br />
deren Mitglieder durch die Ausgestaltung des Amtsverhältnisses<br />
persönlich unabhängig sind. Außerdem<br />
genießt sie im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten<br />
die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen<br />
Vorrechte und Befreiungen. Von besonderer Bedeutung<br />
für ihre Unabhängigkeit ist schließlich, dass die<br />
EZB mit eigenen Finanzmitteln – außerhalb des Gemeinschaftshaushalts<br />
– ausgestattet ist.<br />
Nach der �Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />
ist die eingeschränkte demokratische<br />
Legitimation der unabhängigen EZB im Übrigen<br />
nur gerechtfertigt, weil die Geldpolitik dem Primat<br />
der Preisstabilität unterworfen ist.<br />
8. Kontrolle: Dem Begriff der „Unabhängigkeit“<br />
wohnt eine gewisse Unschärfe inne. Auch die unabhängige<br />
Zentralbank löst sich nicht aus der staatlichen<br />
Organisation. Demgemäß sieht die europäische<br />
Währungsordnung nachträgliche Kontrollen der<br />
EZB vor. Die EZB unterliegt daher als zentraler<br />
Kompetenzträger des ESZB Berichts- und Rechenschaftspflichten.<br />
Sie hat mindestens vierteljährlich<br />
Berichte über die Tätigkeit des ESZB und wöchentlich<br />
einen konsolidierten Ausweis des ESZB zu veröffentlichen.<br />
Mit einem Jahresbericht, den sie dem<br />
Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission<br />
und dem Europäischen Rat unterbreiten muss, legt<br />
sie über die Tätigkeit des ESZB und die Geld- und<br />
Währungspolitik des vergangenen und laufenden<br />
Jahres Rechenschaft ab. Den beiden Erstgenannten<br />
legt der EZB-Präsident im Sinne einer demokratischen<br />
Rechenschaftspflicht den Bericht vor, ohne<br />
aber persönlich verantwortlich zu sein. Das EuropäischeParlamentkannaufdieserGrundlageeineallgemeine<br />
Aussprache führen. In der Rechtspraxis bewertet<br />
das Parlament in einer Entschließung die Aufgabenerfüllung<br />
im ESZB. Neben der allgemeinen<br />
Aussprache können die Direktoriumsmitglieder auf<br />
Ersuchen des Parlaments oder auf eigene Initiative<br />
von den zuständigen Ausschüssen des EP angehört<br />
werden. Der EZB-Präsident legt viermal im Jahr Rechenschaft<br />
vor dem Ausschuss für Wirtschaft und<br />
Währung des Europäischen Parlaments ab. Die Protokolle<br />
der Anhörungen werden im Internet auf der<br />
270<br />
Website des Ausschusses veröffentlicht. Darüber<br />
hinaus ist eine wirtschaftliche Kontrolle der EZB-<br />
Verwaltung vorgesehen, die der Rechnungshof<br />
durchführt.<br />
Nicht zuletzt ist das währungspolitische Handeln der<br />
EZB grundsätzlich justiziabel und kann auf Antrag<br />
überprüft werden. Die gerichtliche Kontrolle der<br />
EZB durch den EuGH ist im EGV und der ESZB-<br />
Satzung umfassend geregelt. In diesem Zusammenhang<br />
ist jedoch zu beachten, dass die Geldpolitik auf<br />
das Primat stabiler Preise ausgerichtet ist. Der<br />
Rechtsbegriff der Preisstabilität ist unbestimmt und<br />
der Auslegung zugänglich. Der EZB kommt daher<br />
insofern ein – gewisser, wenn auch nicht unbegrenzter<br />
– Beurteilungsspielraum zu.<br />
9. Wirtschaftspolitische Koordinierung: Die Unabhängigkeit<br />
der EZB ist auch insofern berührt, als eine<br />
erfolgreiche Wirtschafts- und Währungspolitik der<br />
Koordinierung bedarf. Dies gilt gerade in der Europäischen<br />
�Wirtschafts- und Währungsunion, die<br />
eine asymmetrische Struktur aufweist. Das ESZB ist<br />
deshalb in ein Koordinationsgeflecht eingebettet.<br />
Der Präsident des Ecofin-Rates und ein Kommissionsmitglied<br />
können in diesem Sinn an Sitzungen<br />
des EZB-Rates ohne Stimmrecht teilnehmen. Der<br />
Präsident des Ecofin-Rates hat jedoch ein Antragsrecht.<br />
Die EZB entsendet wiederum Mitglieder in<br />
den �Wirtschafts- und Finanzausschuss, in dem die<br />
Vertreter aller bedeutenden wirtschafts- und währungspolitischen<br />
Entscheidungsträger versammelt<br />
sind.AußerdemistdieEZBmiteinemDirektoriumsmitglied<br />
in der informellen �Eurogruppe vertreten.<br />
Zu beachten ist aber, dass die Weisungs- und Beeinflussungsverbote<br />
nach Art. 108 EG auch in diesem<br />
Zusammenhang gelten.<br />
10. Internationale Beziehungen: Die EZB ist ein abgeleitetes,<br />
gekorenes Völkerrechtssubjekt. Die völkerrechtliche<br />
Handlungsfähigkeit der EZB ist vom<br />
Umfangheraberfunktionellaufihrenwährungspolitischen<br />
Kompetenzbereich beschränkt. Ihr steht u. a.<br />
die Befugnis zu, sich an internationalen WährungseinrichtungenzubeteiligensowiemitZentralbanken<br />
von Drittstaaten und internationalen Organisationen<br />
Beziehungen aufzunehmen.<br />
11.EinordnungindieOrganisationsstrukturderGemeinschaft:<br />
Aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit<br />
ist die EZB kein Organ der Gemeinschaft im<br />
Sinne des Art. 7 EGV. Sie ist aber – wie bereits<br />
Art. 8 EGV nahe legt – als Einrichtung der Gemein-
schaft zu qualifizieren, mit deren währungspolitischen<br />
Aufgaben sie betraut ist. Die Rechtspersönlichkeit<br />
der EZB und ihre mitgliedstaatliche Rechtsund<br />
Geschäftsfähigkeit sind gemeinschaftsrechtlich<br />
begründet. Ihre Beschlussorgane und die Entscheidungsverfahren<br />
– mit Teilnahmerechten von Mitgliedern<br />
des Rates und der Kommission – sind primärrechtlichausgestaltet.DieEZBverfolgtdieZiele<br />
der Gemeinschaft, und ihr Handeln unterliegt der<br />
nachträglichen Kontrolle durch Gemeinschaftsorgane.<br />
Auch wenn die EZB selbst eine juristische Person<br />
des internationalen Rechts ist, kann sie deshalb ihre<br />
Zugehörigkeit zur Gemeinschaft nicht verleugnen.<br />
Die Vertragsstaaten von Maastricht haben die<br />
Rechtsperson EZB in die der Gemeinschaft integriert.<br />
Hiervon geht auch der EuGH aus (vgl. EuGH<br />
v. 10. 7. 2003, Rs. C-11/00, Kommission/EZB,<br />
Rdnr. 64). Im Innenverhältnis der Gemeinschaft hat<br />
die Rechtspersönlichkeit der EZB somit keine eigenständige<br />
rechtliche Bedeutung. Die EZB bildet einen<br />
integrierenden Teil des Gemeinschaftsrechtsrahmens.<br />
Sie ist dem Gemeinschaftsrecht – soweit es<br />
sich mit ihrer Unabhängigkeit vereinbaren lässt –<br />
voll unterworfen.<br />
Der Qualifizierung als Einrichtung der Gemeinschaft<br />
steht im Übrigen nicht entgegen, dass die EZB<br />
finanziell den Zentralbanken der Mitgliedstaaten zugeordnet<br />
ist. Diese finanzielle Organisationsstruktur,<br />
mit der sich die EZB privatrechtlichen Organisationsformen<br />
annähert, verläuft parallel neben der hoheitlichen<br />
und beeinträchtigt diese nicht.<br />
Im Unterschied zu den Gemeinschaftsorganen gem.<br />
Art. 7 EGV beschränken sich die Kompetenzen der<br />
EZB auf einen Sachbereich. Um die Unabhängigkeit<br />
der Geldpolitik herzustellen, sind der EZB zusammen<br />
mit den NZBen in diesem Ausschnitt aber sowohl<br />
die entscheidenden Legislativ- als auch die relevanten<br />
Exekutivbefugnisse zugeordnet. Die Organisationsstruktur,<br />
die in der Gemeinschaft grundsätzlich<br />
– im institutionellen Gleichgewicht – zwischen<br />
EP, Rat und Kommission besteht und zu einer<br />
effektiven Machtverteilung führen soll, wird im Bereich<br />
der Währungspolitik durch das ESZB ersetzt.<br />
Allein der EuGH und der Rechnungshof behalten als<br />
nachträglich kontrollierende Gewalten ihre Stellung<br />
inne.DasPrimatderPreisstabilität,dasdieUnabhängigkeit<br />
der Geldpolitik fordert, rechtfertigt diese außerordentliche<br />
Organisationsstruktur auch vor dem<br />
Demokratieprinzip. U. P.<br />
Europäischer Außenminister<br />
Anschrift: Kaiserstraße 29, 60311 Frankfurt am Main;<br />
Postfach 16 03 19, 60066 Frankfurt am Main<br />
Internet: www.ecb.int<br />
Literatur:<br />
Amtenbrink, F.: The Democratic Accountability of Central<br />
Banks. Oxford 1999<br />
Hahn, H. J.: Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche<br />
Übereinkunft und Verfassung. Baden-Baden 1992<br />
Palm, U.: Kommentierung zu Art. 8 EG. In: Grabitz/Hilf<br />
(Hg.), Das Recht der Europäischen Union. 24. ErgL..<br />
München September 2004<br />
ders.: Kommentierung zu Art. 112, Art. 113 EG, in Grabitz/Hilf<br />
(Hg), Das Recht der Europäischen Union, 21. ErgL.,<br />
München April 2003<br />
Seidel, M.: Im Kompetenzkonflikt: ESZB versus EZB,<br />
EuZW 2000, S. 552<br />
Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds<br />
für die Landwirtschaft (EAGFL) �Fonds der EU<br />
Europäischer Außenminister (EU-AM)<br />
1. Rechtsgrundlage: Im�Verfassungsvertrag 2004<br />
vorgesehenes Amt, das die bestehenden Funktionen<br />
des �Hohen Vertreters (HR) und des Kommissars für<br />
Außenbeziehungen unter einem „Doppelhut“ zusammenführen<br />
soll (Art. I-28, III-296 VVE). Damit<br />
soll bei grundsätzlicher Beibehaltung der jeweiligen<br />
Zuständigkeiten und Verfahren von Rat und Kommission<br />
der entscheidende Schritt getan werden, um<br />
die starre „Säulenstruktur“ der EU zu überwinden<br />
und – auch mit Blick auf die Umsetzung der �Europäischen<br />
Sicherheitsstrategie (ESS) – zu einem tatsächlich<br />
gemeinsamen effektiven Außenhandeln der<br />
EU zu gelangen. Erst die institutionelle Praxis wird<br />
dabei zeigen, wie die Zuständigkeiten des EU-AM<br />
sinnvoll von den Aufgaben des Vorsitzenden des Europäischen<br />
Rats abgegrenzt werden können, dem<br />
nach dem Verfassungsvertrag ebenfalls ZuständigkeiteninderEU-Außenvertretungzugeordnetsind.<br />
2. Aufgaben gem. Verfassungsvertrag: Der Europäische<br />
Außenminister (EU-AM) leitet die �Gemeinsame<br />
Außen- und Sicherheitspolitik der Union<br />
(GASP), einschl. der �Europäischen Sicherheitsund<br />
Verteidigungspolitik (ESVP). Er trägt durch seineVorschläge–rechtlicheinentscheidendesNovum<br />
gegenüber dem Vertrag von Nizza – zur Festlegung<br />
dieser Politik bei und führt sie im Auftrag des Rates<br />
durch. Der EU-AM führt den Vorsitz im Rat „Auswärtige<br />
Angelegenheiten“. Er ist einer der Vize-Präsidenten<br />
der Kommission. Er sorgt für die Kohärenz<br />
desauswärtigenHandelnsderUnion.Eristinnerhalb<br />
der Kommission mit deren Zuständigkeiten im Be-<br />
271
Europäischer Auswärtiger Dienst<br />
reich der Außenbeziehungen und mit der Koordinierung<br />
der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns<br />
der Union betraut (Art. I-28 VVE). Der EU-AM vertritt<br />
die EU im Bereich der GASP. Er führt (statt wie<br />
bisher die �Troika) im Namen der Union den Politischen<br />
Dialog mit Drittstaaten und vertritt den Standpunkt<br />
der EU in internationalen Organisationen und<br />
auf internationalen Konferenzen (Art. III-296). Er<br />
trägt für die Koordinierung der Aktionen der Mitgliedstaaten<br />
der Union in den internationalen Gremien<br />
Sorge. Soweit die EU einen Gemeinsamen<br />
Standpunkt zu einem Thema festgelegt hat, das auf<br />
der Tagesordnung des Sicherheitsrats der Vereinten<br />
Nationen steht, trägt der EU-AM diesen Standpunkt<br />
vor (Art. III-305).<br />
3. Ernennungsverfahren: Der EU-AM soll vom �Europäischen<br />
Rat (ER) – mit Zustimmung des PräsidentenderKommission–mitqualifizierterMehrheit<br />
ernannt werden (Art. I-28). Der ER kann das Mandat<br />
des EU-AM nach dem gleichen Verfahren beenden.<br />
Im Falle eines erfolgreichen Misstrauensantrags des<br />
Europäischen Parlaments (EP) muss der EU-AM aus<br />
der Kommission ausscheiden, bleibt aber, in erwarteter<br />
Bildung einer neuen Kommission, Vorsitzender<br />
des Rats (Auswärtige Angelegenheiten).<br />
4.EuropäischerAuswärtigerDienst:GemäßVerfassungsvertrag<br />
stützt sich der EU-AM in der Wahrnehmung<br />
seiner Aufgaben auf einen einheitlichen Europäischen<br />
Auswärtigen Dienst (Art. III-296 VVE). In<br />
diesensollendieDelegationenderEuropäischenGemeinschaft<br />
und des Rats als ein einheitliches Netzwerk<br />
vollständig integriert werden. Der Dienst soll<br />
sich aus Beamten der einschlägigen Dienststellen<br />
des Ratssekretariats, der Kommission sowie abgestellten<br />
Beamten der nationalen diplomatischen<br />
Dienste der Mitgliedstaaten zusammensetzen. Er<br />
soll mit den nationalen auswärtigen Diensten der<br />
Mitgliedstaaten eng zusammenarbeiten. Von der engen<br />
Teilnahme und Teilhabe der Mitgliedstaaten<br />
wird es abhängen, ob der EAD, der über die politischen<br />
Strukturen der GASP kontrolliert werden<br />
wird,denEU-AMerfolgreichwirdunterstützenkönnen.<br />
U. S.<br />
Europäischer Auswärtiger Dienst s. �Europäischer<br />
Außenminister Ziff. 4<br />
Europäischer Betriebsrat (EBR) �Betriebsrat,<br />
Europäischer<br />
272<br />
Europäischer Bürgerbeauftragter �Bürgerbeauftragter,<br />
Europäischer<br />
Europäischer Bürgerberatungsdienst �ECAS<br />
Europäischer Entwicklungsfonds (EEF)<br />
1. Vertragsgrundlage und Aufgaben: Dem EWGV<br />
wurde 1957 ein Durchführungsabkommen beigefügt,<br />
das die Modalitäten während der fünfjährigen<br />
Übergangszeit für die Assoziierungspolitik (�Assoziierung)<br />
der EWG regelte. Zur Verwirklichung der<br />
AssoziierungspolitikwurdedieEinrichtungdesEEF<br />
beschlossen. Er hat seit 1958 seinen Sitz in Luxemburg<br />
und dient der Finanzierung der Maßnahmen zur<br />
Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung<br />
der mit der E(W)G assoziierten �AKP-<br />
Staaten. Die Fonds haben jeweils eine Laufzeit von<br />
fünf Jahren. Ihr Volumen wird in den jeweiligen AbkommenmitAKP-Staaten(�Jaunde,<br />
�Lomé, �Cotonou)<br />
ausgehandelt und vom Rat festgelegt. Die<br />
Fonds-Mittel finden Verwendung als Zuschüsse für<br />
Projekt- und Programmhilfen, u. a. für Strukturanpassungshilfen,<br />
Soforthilfemaßnahmen (�Nahrungsmittelhilfe,<br />
�Katastrophenhilfe), für Zinsvergünstigungen<br />
und für nationale und regionale Programme.<br />
Außerdem werden Zuschüsse zur Stabilisierung<br />
der Ausfuhrerlöse der AKP-Staaten durch<br />
das STABEX-System und das SYSMIN-System<br />
(�Lomé-Abkommen, Ziff. 2) bereitgestellt. Der<br />
Kommission, die den Fonds verwaltet, steht ein Ausschuss<br />
aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten,<br />
der sog. EEF-Ausschuss, zur Seite.<br />
Der EEF wird durch das Interne Finanzierungsabkommen<br />
von den Mitgliedstaaten finanziert. Die<br />
Verwaltung der Mittel obliegt unter Beachtung der<br />
vorgesehenen Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten<br />
der Kommission. Die Aufbringung der<br />
Mittel durch die Mitgliedstaaten erfolgt nach einem<br />
vorher festgelegten Schlüssel. Die Modalitäten der<br />
Mittelvergabe und -verwaltung werden durch das Interne<br />
Finanzierungsabkommen im Rahmen des jeweiligen<br />
AKP-Abkommens geregelt.<br />
2.EntwicklungdesEEF:DerEEFwarvonAnfangan<br />
das wichtigste Finanzierungsmittel der Entwicklungspolitik<br />
der EG. In größerem Umfang wurde er<br />
zum ersten Male im Jaunde-I-Abkommen eingesetzt<br />
(2. EEF: 1964 – 1970), das 1963 mit damals 18 Entwicklungsländern<br />
abgeschlossen wurde und für die<br />
Laufzeit ein Volumen von 730 Mio. Rechnungsein-
heiten (RE; �Europäische Rechnungseinheit) umfasste.<br />
Von 828 Mio. RE des 3. EEF (1970 – 1975)<br />
unter dem Jaunde-II-Abkommen stiegen die Fondsmittelauf13Mrd.ECUdes8.EEF(1995<br />
– 2000)unter<br />
dem Lomé-IV-Abkommen und nunmehr 71 Entwicklungsländern.<br />
Auch der 8. EEF hatte eine fünfjährige<br />
Laufzeit.<br />
Auf die bis dahin üblichen, zu besonders günstigen<br />
KonditionenvergebenenSonderdarlehenwurdevöllig<br />
verzichtet; die entsprechenden Beträge wurden<br />
als Zuschüsse zur Verfügung gestellt. Die Mittel für<br />
STABEX und SYSMIN brauchen nicht mehr an die<br />
Gemeinschaft zurückgezahlt zu werden. Damit stieg<br />
der Anteil der (nicht rückzahlbaren) Zuschüsse am<br />
EEF von rund 75 % (6. EEF) auf 92 % (8. EEF) an.<br />
AuchdieKonditionenfürDarlehenausEigenmitteln<br />
der EIB (�Europäische Investitionsbank) wurden<br />
verbessert.<br />
Im9.EEF(2002–2005/07)sindHaushaltsmittelvon<br />
13,5 Mrd. Euro veranschlagt worden. Hinzu kommen1,7Mrd.EuroinFormvonDarlehen,diedieEIB<br />
aus Eigenmitteln gewährt. Außerdem werden beträchtliche<br />
Restmittel (ca. 9,9 Mrd. Euro) aus früheren<br />
Fonds in den 9. EEF übertragen.<br />
3. Der 9. EEF im Rahmen des Cotonou-Abkommens:<br />
Im Gegensatz zu den Lomé- Abkommen fasst ein<br />
vereinfachtesFinanzierungssystemdes9.EEFnahezu<br />
alle Finanzmittel in einem Titel zusammen. Lediglich<br />
eine auf Wirtschaftsförderung gerichtete,<br />
von der EIB verwaltete Investitions-Fazilität in<br />
Höhe von bis zu 2,2 Mrd. Euro ist als neues Instrument<br />
hinzugekommen. Die gesamte Außenhilfe der<br />
Kommission,alsoauchdieMitteldesEEF,wirdvom<br />
Amt für Zusammenarbeit �EuropeAid verwaltet.<br />
Bis zu 13,8 Mrd. Euro des 9. EEF stammen aus Beiträgen<br />
der EU-Mitgliedstaaten, und zwar (in Mio.<br />
Euro):<br />
Belgien 540,96 Italien 1730,52<br />
Dänemark 295,32 Luxemburg 40,02<br />
Deutschland 3223,68 Niederlande 720,36<br />
Finnland 204,24 Österreich 365,70<br />
Frankreich 3353,40 Portugal 113,86<br />
Großbritann. 1751,22 Schweden 376,74<br />
Griechenland 172,50 Spanien 805,92<br />
Irland 85,56<br />
Davon werden 13,5 Mrd. Euro den AKP-Staaten,<br />
175 Mio. Euro den Überseeischen Gebieten und 125<br />
Mio. Euro der Europäischen Kommission zur Deckung<br />
der mit der Durchführung verbundenen Kosten<br />
Europäischer Entwicklungsfonds<br />
des 9. EEF zugewiesen. Von den den AKP-Ländern<br />
vorbehaltenen Finanzmitteln werden diesen bis zu<br />
10 Mrd. Euro in Form von (nichtrückzahlbaren) Zuschüssen,<br />
bis zu 1,3 Mrd. Euro für die Unterstützung<br />
der regionalen Zusammenarbeit und Integration der<br />
AKP-Staaten und bis zu 2,2 Mrd. Euro für die InanspruchnahmederInvestitionsfazilitätzurVerfügung<br />
gestellt. Von der Gesamtsumme wird jedoch 1 Mrd.<br />
Euro erst nach einer Leistungsüberprüfung durch<br />
den Europäischen Rat zugewiesen.<br />
Kriterien für die Mittelvergabe an die einzelnen<br />
AKP-Staaten und Regionen sind die gemeinsam vereinbarten<br />
Schwerpunktziele Armutsbekämpfung,<br />
Stärkung der Eigenverantwortung (ownership),<br />
Durchführung politischer und institutioneller Reformen<br />
sowie Fortschritte beim Kapazitäten- und Kompetenzaufbau,<br />
die Einbeziehung geschlechtsspezifischer<br />
Fragen, insbes. die Gleichberechtigung von<br />
Mann und Frau in Entwicklungsmaßnahmen und die<br />
Beachtung der Grundsätze nachhaltiger Entwicklung.<br />
Damit tritt an die Stelle automatischer Mittelvergabe<br />
eine die Eigenverantwortung stärkende flexiblere<br />
und effizientere Nutzung der vorhandenen<br />
Mittel. Wo es spürbare Fortschritte in der Armutsbekämpfung,<br />
bei der Förderung der �Zivilgesellschaft<br />
und beim Aufbau demokratischer staatlicher Strukturen<br />
gibt, können entsprechende Leistungen durch<br />
zusätzliche Unterstützung honoriert werden. Wo dagegen<br />
schwere Vertragsverletzungen auftreten,<br />
kann es zu einer Unterbrechung oder gar zum Abbruch<br />
der Zusammenarbeit kommen.<br />
Kriterien für die Freigabe der Restmittel von 1 Mrd.<br />
Euro (2004) sind die Qualität der Entwicklungszusammenarbeit<br />
und der Grad der tatsächlichen InanspruchnahmederFondsmittelzudiesemZeitpunkt.<br />
Vor Ende der Laufzeit des 9. EEF erfolgt eine Prüfung<br />
des Standes der Mittelbindungen und Auszahlungen.<br />
Sie bilden die Grundlage für die Neubewertung<br />
des Gesamtbetrages der Mittel und die Festlegung<br />
neuer Mittel für die weitere Zusammenarbeit<br />
(10. EEF).<br />
Nach dem Willen der EU-Kommission soll der EEF<br />
ab 2006 in den allgemeinen Haushalt der Gemeinschaft<br />
integriert werden. Damit wird die Mittelbereitstellung<br />
und -vergabe unter die parlamentarische<br />
Kontrolle durch das EU-Parlament gestellt. Andererseits<br />
besteht die Gefahr, dass Fondsmittel für andere<br />
außenpolitische Ziele Verwendung finden<br />
könnten. K. E.<br />
273
Europäischer Flüchtlingsfonds<br />
Literatur:<br />
BMZ: Entwicklungspolitik. Materialien Nr. 82. Lomé IV.<br />
Bonn 1991<br />
Dass.: Das Abkommen von Cotonou – Neue Wege in der<br />
AKP-EG-Partnerschaft. Bonn 2002<br />
Kappel, R.: Europas Entwicklungspolitik im Wandel? Gibt es<br />
eine Zukunft für die Kooperation zwischen der Europäischen<br />
Union und den AKP-Staaten? In: Nord-Süd aktuell 2/1996,<br />
S. 268 – 275<br />
Wolf, S.: Begrenzter Erfolg des Lomé-Abkommens.<br />
Frankfurt/M. 1996<br />
Europäischer Flüchtlingsfonds. Im Rahmen der<br />
Europäischen �Asylpolitik werden u. a. gem. Art. 63<br />
EGV Maßnahmen beschlossen, die die Gewährung<br />
von Asyl, die Aufnahme von Flüchtlingen, die Einwanderung<br />
in einen Mitgliedstaat und die Freizügigkeit<br />
der Drittstaatsangehörigen in einen gemeinsamen<br />
Kontext fassen. Hintergrund ist zum einen, dass<br />
auch der eigentlich nur vorübergehend gewährte<br />
Aufenthalt von Schutzsuchenden in der Praxis oft<br />
mehrere Jahre andauert. Zum anderen drängt insbes.<br />
Deutschland im Asyl- und Einwanderungsbereich<br />
auf einheitliche Kriterien und Verfahren, weil es in<br />
der EU nach wie vor eines der Hauptaufnahmeländer<br />
ist.ImRahmendiesesangestrebten„burdensharing“<br />
errichtete die Gemeinschaft – gestützt auf Art. 63 Nr.<br />
2 b EGV – durch Entscheidung 2000/596 (ABl. L<br />
252/2000; ergänzt durch die Durchführungsbestimmungen<br />
2001/275) für den Zeitraum 1. 1. 2000 bis<br />
31. 12. 2004 einen neuen Europäischen Flüchtlingsfonds<br />
und stattete diesen zunächst mit insg. 216 Mio.<br />
Euro aus. Diese Fördermittel wurden insbes. in den<br />
Bereichen „Aufnahmebedingungen und Zugang zu<br />
Asylverfahren, Integration von Flüchtlingen und<br />
Vertriebenen sowie freiwillige Rückkehr“ eingesetzt.<br />
In Deutschland wird der Fonds vom Bundesamt<br />
für Migration und Flüchtlinge betreut. Die Kommission<br />
hat 2004 einen Vorschlag zur Errichtung eines<br />
Europäischen Flüchtlingsfonds 2005 – 2010<br />
(KOM 2004/102 endg.) mit einer schrittweisen AufstockungderMittelab2008vorgelegt.<br />
J. M. B.<br />
Europäischer Fonds für regionale Entwicklung<br />
(EFRE) �Fonds der EU, �Regionalpolitik<br />
Europäischer Fonds für währungspolitische<br />
Zusammenarbeit (EFWZ). Mit Verordnung<br />
907/73 (ABl. L 89/1973) errichteter Fonds mit eigener<br />
Rechtspersönlichkeit. Seine Aufgabe war u. a.<br />
der Saldenausgleich zwischen den Zentralbanken im<br />
274<br />
Rahmen des Interventionsmechanismus des �Europäischen<br />
Währungssystems. Der Fonds führte seine<br />
Konten in ECU.<br />
Europäischer Forschungsbeirat (European Research<br />
Advisory Board, EURAB). Hochrangiges unabhängiges<br />
Komitee aus 45 von der Kommission für<br />
ein Mandat von 3 Jahren berufenen Mitgliedern aus<br />
Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen<br />
aus EU- und anderen Staaten (EURAB 1<br />
2001 – 2004, EURAB 2 2004 – 2007). Gegründet<br />
durch Entscheidung der Kommission vom 27. 6.<br />
2001 (2001/531). Aufgabe ist die Beratung der Kommission<br />
bei der Planung und Verwirklichung der Gemeinschaftspolitik<br />
im Bereich Forschung und technologische<br />
Entwicklung im Hinblick auf die VerwirklichungeinesEuropäischenForschungsraums.<br />
Europäischer Forschungsraum (EFR) �Forschungs-<br />
und Technologiepolitik Ziff. 3.1<br />
Europäischer Führerschein �Führerschein<br />
Europäischer Gerichtshof (EuGH) �Gerichtshof<br />
der Europäischen Gemeinschaften<br />
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />
(EGMR). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte<br />
mit Sitz in Straßburg ist das Rechtsprechungsorgan<br />
der �Europäischen Konvention zum<br />
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />
(Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK),<br />
Art. 19 ff. EMRK. Der EGMR setzt sich aus je einem<br />
Richter je Konventionsstaat zusammen, d. h. bei derzeit<br />
46 Staaten aus 46 Richtern (Stand 1. 4. 2005).<br />
Nicht erforderlich ist, dass der Richter auch die<br />
Staatsangehörigkeit (s)eines Konventionsstaates<br />
hat. Die Richter werden auf Vorschlag der Konventionsstaaten<br />
von der Parlamentarischen Versammlung<br />
des Europarats für die Dauer von sechs Jahren<br />
mit der Möglichkeit der Wiederernennung gewählt.<br />
Hierfür stellen die Konventionsstaaten eine Liste mit<br />
je drei Kandidaten auf, die jeweils „ein hohes sittliches<br />
Ansehen genießen“ und entweder die für ein hohes<br />
innerstaatliches Richteramt erforderlichen Voraussetzungen<br />
erfüllen oder Rechtsgelehrte von anerkanntem<br />
Ruf sind (Art. 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 EMRK).<br />
DerEGMRverkündetseineUrteileinenglischerund<br />
französischer Sprache, den beiden Amtssprachen
des Europarates. Seit Inkrafttreten des 11. Zusatzprotokolls<br />
am 1. 11. 1998 tagt der EGMR als ständiger<br />
Gerichtshof, zugleich wurde das Alter der Richter<br />
auf 70 Jahre begrenzt.<br />
Mit der Verfahrensreform durch das 11. Zusatzprotokoll<br />
(ZP) zur EMRK wurden sowohl der EGMR als<br />
auch die Rechtsstellung der jeweiligen Beschwerdeführer<br />
gestärkt. Die frühere Europäische KommissionfürMenschenrechte(EKMR)istalsVorprüfungsinstanz<br />
ersatzlos weggefallen; die Zuständigkeit des<br />
Ministerkomitees wurde auf die Überwachung der<br />
Durchführung der Urteile des EGMR beschränkt<br />
(Art. 46 Abs. 2 EMRK). Seitdem können sich die Beschwerdeführer<br />
mit ihrer Beschwerde direkt an den<br />
EGMR wenden. Seit der Reform fällt der EGMR seine<br />
Entscheidungen, je nach Bedeutung der Beschwerde,inAusschüssenmitdreiRichtern,inKammern<br />
mit sieben Richtern oder durch die Große Kammer<br />
mit siebzehn Richtern. Dabei wirkt stets derjenige<br />
Richter am Verfahren mit, gegen dessen Staat die<br />
Beschwerde gerichtet ist (Art. 27 Abs. 2 EMRK).<br />
Seine Aufgabe hierbei ist es, gewissermaßen als<br />
Sachverständiger für die Rechtsordnung des beklagtenStaateszurVerfügungzustehenundzudeninnerstaatlichen<br />
Hintergründen wie zu den rechtlichen<br />
Umständen des Beschwerdefalles Auskunft zu geben.<br />
Eine Beschwerde wegen Verletzung der EMRK<br />
beim EGMR ist zulässig, wenn der Beschwerdeführer<br />
alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft hat,<br />
sie innerhalb von sechs Monaten nach der endgültigen<br />
innerstaatlichen Entscheidung eingelegt wird,<br />
nicht anonym ist, nicht mit einer früheren BeschwerdeidentischistundnichtunvereinbarmitderEMRK,<br />
offensichtlich unbegründet oder gar missbräuchlich<br />
ist. Die Zulässigkeitskriterien stellen insbes. klar,<br />
dass der Schutz der EMRK subsidiär ist, d. h. den innerstaatlichen<br />
Rechtsschutz ergänzen, nicht aber ersetzen<br />
soll.<br />
EinebeimEGMRgegeneinenKonventionsstaateingelegte<br />
Beschwerde wird zunächst von der Kanzlei<br />
vorab geprüft. Die Kanzlei weist den Beschwerdeführer<br />
auf etwaige Mängel seiner Beschwerde hin<br />
und fordert diesen ggf. auf, z. B. die notwendigen Belege<br />
für die Erschöpfung des innerstaatlichen<br />
Rechtswegs(vgl.Art.35Abs.1EMRK)vorzulegen.<br />
Anschließend prüft ein Dreier-Ausschuss des<br />
EGMR zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde.<br />
Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Be-<br />
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />
schwerden werden vom Ausschuss durch einstimmigen<br />
Beschluss (decision) zurückgewiesen.<br />
Ergeht keine Unzulässigkeitsentscheidung durch<br />
den Ausschuss oder liegt eine – der seltenen – Staatenbeschwerden<br />
vor, entscheidet die Kammer über<br />
Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde<br />
(Art. 29 EMRK); wirft die Beschwerde schwerwiegende<br />
Auslegungsfragen auf oder möchte die Kammer<br />
von der bestehenden Rechtsprechung abweichen,<br />
so kann sie das Verfahren jederzeit an die Große<br />
Kammer abgeben (Art. 30 EMRK). Daneben ist<br />
die Große Kammer für Beschwerden gegen Urteile<br />
der Kammer zuständig (Art. 31 EMRK).<br />
ImVerfahrenvordemEGMR,gilt–wennauchinabgeschwächter<br />
Form – der Amtsermittlungsgrundsatz,<br />
d. h. der EGMR ermittelt den Sachverhalt von<br />
Amts wegen und ist an den Vortrag und die Beweisanträge<br />
der Beteiligten nicht gebunden. Er stützt sich<br />
dabei auf den Inhalt der vorgelegten Akten und die<br />
Sachverhaltsfeststellungen im staatlichen Urteil; er<br />
weicht i. d. R. von diesen nur aus besonderen, wenn<br />
nicht zwingenden Gründen ab. Eigene Beweisermittlungen<br />
des EGMR, insbes. die Vernehmung von<br />
Zeugen und Sachverständigen oder gar Ortsbesichtigungen,<br />
sind daher ausgesprochen selten.<br />
SoweitsichdieBeteiligtennichtgütlicheinigen(Art.<br />
39EMRK),entscheidetderEGMRdurchUrteil(Art.<br />
42, 43 Abs. 3 EMRK). Im Urteil stellt der EGMR ggf.<br />
die Verletzung (bzw. Nicht-Verletzung) der EMRK<br />
fest und kann dem verletzten Beschwerdeführer ggf.<br />
eine gerechte Entschädigung zusprechen, soweit<br />
dies notwendig ist (Art. 41 EMRK). Sobald das Urteil<br />
endgültig ist (Art. 44 EMRK), wird es zudem veröffentlicht.<br />
Das Urteil bindet die Beteiligten; der beteiligte<br />
Konventionsstaat ist verpflichtet, das endgültige<br />
Urteil zu befolgen (Art. 46 Abs. 1 EMRK);<br />
�Bindungswirkung von EGMR-Entscheidungen.<br />
In materieller Hinsicht hat der EGMR mit seiner<br />
Rechtsprechung immer wieder das innerstaatliche<br />
Recht beeinflusst und die Konventionsstaaten zur<br />
Weiterentwicklung ihrer Rechtsnormen gezwungen.DabeihatsichderSchwerpunktseinerEntscheidungen<br />
deutlich verschoben. In der Anfangszeit lag<br />
ein deutlicher Rechtsprechungsschwerpunkt im Bereich<br />
des Strafrechts bzw. des Strafprozessrechts,<br />
seine Tätigkeit erstreckt sich mittlerweile auf praktisch<br />
alle Bereiche staatlicher Normsetzung, insbes.<br />
auch das Ausländer- oder das Familienrecht, das<br />
Steuer- oder das Umweltrecht. Auch zahlreiche Re-<br />
275
Europäischer Geschichtslehrerverband<br />
gelungen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung<br />
sind zwischenzeitlich auf seinen Prüfstand geraten,<br />
gleich ob es sich um den Schießbefehl an der innerdeutschen<br />
Grenze, Rentenansprüche ehemaliger<br />
Stasi-Mitarbeiter oder Fragen der Bodenreform handelte.<br />
Zugleich ist die Zahl der Verfahren der beim EGMR<br />
anhängigen Beschwerden exponentiell gestiegen.<br />
Bis 1970 lagen gerade einmal zwölf Urteile vor, zu<br />
Beginn der 1980er Jahre verkündete der EGMR ca.<br />
10UrteileimJahr,inden1990erJahrenstiegdieZahl<br />
der Urteile auf ca. 100 pro Jahr. Im Jahr 2004 verkündete<br />
der EGMR 718 Urteile, wobei er in 588 Fällen<br />
eine Verletzung der EMRK feststellte. Ebenfalls<br />
2004erklärtederEGMR20348Beschwerdenfürunzulässig.<br />
Um der drohenden Überlast Rechnung zu<br />
tragen, sieht das 14. ZP zur Europäischen Menschenrechtskonvention<br />
vom 13. 5. 2004 eine weitere StraffungdesVerfahrensunddieMöglichkeitvonEinzelrichterentscheidungenvor.<br />
S. W.<br />
Europäischer Geschichtslehrerverband<br />
EUROCLIO, gegründet 1993. Neben dem Vorstand<br />
gibt es eine Assemblée Generale; Verbandssprachen<br />
sind Englisch und Französisch (wie im Europarat).<br />
Ziele: Stärkung des Geschichtsunterrichts in Europa<br />
unter vermehrter Einbeziehung der �europäischen<br />
Dimension; Verbesserung der Kommunikation unter<br />
den europäischen Geschichtslehrerverbänden;<br />
Gründung neuer Verbände in den dem Europarat angehörenden<br />
Ländern, in denen es noch keine Geschichtslehrerverbändegibt.<br />
W. M.<br />
Anschrift: Stichting Euroclio-VGN,<br />
Juliana van Stolberglaan 41, NL–2595 CA Den Haag.<br />
Internet: www.eurocliohistory.org<br />
Europäischer Gewerkschaftsbund EGB (European<br />
Trade Union Confederation ETUC, Confédération<br />
Européenne des Syndicats CES), gegründet<br />
1973. Dem EGB (Sitz in Brüssel) gehören 76 Gewerkschaftsbünde<br />
aus 34 europäischen Ländern mit<br />
60 Mio. Mitgliedern an (aus Deutschland der DGB)<br />
sowie 11 Zusammenschlüsse von Branchengewerkschaften<br />
(�Europäischer Gewerkschaftsverband für<br />
den Öffentlichen Dienst, �Europäischer Metallgewerkschaftsbund).<br />
Organe: Der Kongress ist das höchste Organ und tritt<br />
alle 4 Jahre zusammen (zuletzt 2003 in Prag). Er<br />
wählt die Mitglieder des Exekutivausschusses, den<br />
Präsidenten, den Generalsekretär und die 2 deputier-<br />
276<br />
ten Generalsekretäre. Der Exekutivausschuss tritt<br />
viermal jährlich zusammen. Ein Lenkungsausschuss,<br />
der aus 21 Mitgliedern des Exekutivausschusses<br />
besteht, führt die Entscheidungen des Exekutivausschusses<br />
aus.<br />
Der EGB führt den �„Sozialen Dialog“ mit den Arbeitgebern<br />
(�UNICE, �CEEP, �UEAPM); die Sozialpartner<br />
können seit Inkrafttreten des Sozialprotokolls<br />
von Maastricht (1. 11. 1993) vertragliche<br />
Vereinbarungen treffen, die auf Antrag der Parteien<br />
zu rechtskräftigen Beschlüssen des Rats führen. Der<br />
EGB nimmt am jährlichen Frühjahrs-Sozialgipfel<br />
(�Tripartiter Sozialgipfel) im Rahmen der �Lissabon-Strategie<br />
teil, er ist beteiligt am Entwurf von<br />
Richtlinien zu Arbeitnehmerrechten (wie zur Teilzeitarbeit<br />
oder zum Elternurlaub).<br />
Der EGB tritt für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen<br />
der Arbeitnehmer ein sowie für grundlegende<br />
Werte wie sozialer Fortschritt, Solidarität, Demokratie<br />
und Frieden.<br />
Ziele: „Der EGB setzt sich insbes. ein:<br />
– für die Ausweitung und Festigung der politischen<br />
Freiheiten;<br />
– für die Einhaltung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte;<br />
– für Abschaffung aller Formen von Diskriminierung<br />
und für Förderung der Chancengleichheit...;<br />
– für die geographisch ausgewogene und umweltverträgliche<br />
Wirtschaftsentwicklung;<br />
– für eine frei gewählte und produktive Beschäftigung<br />
für alle;<br />
– für die Demokratisierung der Wirtschaft;<br />
– für eine ständige Verbesserung der Lebens- und<br />
Arbeitsbedingungen;<br />
– für eine auf Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität<br />
beruhende europäische Gesellschaft.“ (Satzung<br />
EGB 1991, Präambel).<br />
Der EGB nimmt qua Resolutionen, Papieren usw.<br />
Stellung zu allen einschlägigen Politikbereichen der<br />
EU, z. B. zu Beschäftigungs- und Steuerfragen, zu<br />
den sozialen Grundrechten, zur EU-Sozialcharta<br />
(�Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte),<br />
zur Sicherheit am Arbeitsplatz, zu Fragen der Mitbestimmung<br />
(Europäischer �Betriebsrat), zur �Sozialpolitik,<br />
zum (Jugend-)Arbeitsschutz, zu europäischen<br />
Tarifverhandlungen, zur sozialen Dimension<br />
der Berufsausbildung, zu den �Abkommen der EU,<br />
zur �Verbraucherpolitik, zum �Binnenmarkt, zu den<br />
sozialen Rechten der Arbeitnehmer, zur Europäi-
schen Aktiengesellschaft (�Gesellschaftsrecht), zu<br />
Weiß- und Grünbüchern der Kommission usw.<br />
Weitere Einrichtungen des EGB: Europäisches Gewerkschaftsinstitut<br />
(European Trade Union Institute,<br />
�ETUI), Europäische Gewerkschaftsakademie<br />
(European Trade Union College, �ETUCO), Institut<br />
für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz<br />
(�TUTB),seitApril2005zusammengefasstzumEuropäischenGewerkschaftsinstitutfürForschung,Erziehung,<br />
Gesundheit und Sicherheit (European Trade<br />
Union Institute for Research, Education and<br />
HealthandSecurity, ETUI-REHS). W. M.<br />
Anschrift: European Trade Union House,<br />
Boulevard Roi Albert II, 5, B–1210 Brüssel<br />
Internet: www.etuc.org<br />
Literatur:<br />
Mückenberger, U. u. a. (Hrsg.): Die Modernisierung der<br />
Gewerkschaften in Europa. Münster 1996<br />
Europäischer Gewerkschaftsverband für den<br />
Öffentlichen Dienst (EGÖD) Ist ein Verband von<br />
ca.220unabhängigenGewerkschaftsorganisationen<br />
für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in 35 Ländern<br />
Europas. Der EGÖD ist der größte Einzelverband<br />
innerhalb des �Europäischen Gewerkschaftsbundes<br />
(EGB) und verfügt über 2 Sitze im Exekutivausschuss<br />
des EGB.<br />
Anschrift: 45 rue Royale, Box 1, B–1000 Brüssel<br />
Internet: www.epsu.org<br />
Europäischer Haftbefehl. Der Europäische Haftbefehl<br />
ist eine justitielle Entscheidung, die in einem<br />
EU-Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme<br />
und Übergabe einer gesuchten Person durch einen<br />
anderen EU-Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder<br />
zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bezweckt.<br />
Der Europäische Haftbefehl ist eine Maßnahme im<br />
Rahmen der �PJZS und beruht auf dem Rahmenbeschluss<br />
der EU vom 13. 6. 2002. Der Rahmenbeschluss<br />
bedarf der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten<br />
in das jeweilige nationale Recht (Art. 34<br />
Abs. 2 lit. b EUV). Die Bundesrepublik Deutschland<br />
hat den Rahmenbeschluss durch das Europäische<br />
Haftbefehlsgesetz (EuHbG) vom 21. 7. 2004 (s. unten),<br />
die Republik Österreich durch das Bundesgesetz<br />
über die justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen<br />
mit den Mitgliedstaaten der Europäischen<br />
Union vom 16. 4. 2004 (EU-JZG) umgesetzt.<br />
Der Haftbefehl besteht entweder aus einem Dokument,<br />
mit dem der ausstellende Mitgliedstaat den<br />
Europäischer Haftbefehl<br />
vollstreckenden Mitgliedstaat um die Festnahme<br />
und Überstellung einer bestimmten Person ersucht,<br />
oder – in der Praxis die Regel – in der Fahndungsausschreibung<br />
einer Person im �Schengener Informationssystem<br />
(SIS). Der Anwendungsbereich dieses<br />
neuen Strafverfolgungsinstruments ist für Handlungen<br />
eröffnet, die nach den Rechtsvorschriften des<br />
Ausstellungsmitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe<br />
von mindestens 12 Monaten bedroht sind, oder – bei<br />
einer Verurteilung im konkreten Fall – mit mindestens<br />
vier Monaten Freiheitsstrafe bestraft wurden.<br />
Als Grundregel gilt, dass die Mitgliedstaaten jeden<br />
Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der<br />
gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen<br />
des Rahmenbeschlusses vollstrecken müssen;<br />
unter engen Voraussetzungen kann das Ersuchen<br />
abgelehnt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen<br />
wird für eine der 36 Deliktsgruppen die<br />
klassische Regel der beiderseitigen Strafbarkeit,<br />
wonach sich die verfolgte Person sowohl im ausstellenden<br />
als auch im vollstreckenden Mitgliedstaat jeweils<br />
nach dem nationalen Recht strafbar gemacht<br />
haben muss, aufgegeben.<br />
Mit dem Europäischen Haftbefehl soll das zwischen<br />
den Mitgliedstaaten geltende klassische System der<br />
Auslieferung auf der Grundlage völkerrechtlicher<br />
Verträge ersetzt werden. Die Justizbehörden der<br />
MitgliedstaatensollenineinendirektenKontaktmiteinander<br />
treten, um das gegen eine gesuchte Person<br />
eingeleitete Verfahren mit der geringstmöglichen<br />
Zeitverzögerung auf Grund des Auslandsbezugs<br />
durchführen zu können. Dabei wird das Differenzierungskriterium<br />
der Staatsangehörigkeit der verfolgtenPersonweitgehendaufgegebenunddurchdasTatortprinzip<br />
ersetzt, d. h. jede Straftat in der EU soll an<br />
dem Ort strafrechtlich verfolgt und abgeurteilt werden,andemsiebegangenwurde.Folglichwerdendie<br />
Mitgliedstaaten verpflichtet, auch eigene Staatsangehörige<br />
auszuliefern. In Deutschland ist mit Blick<br />
auf den Europäischen Haftbefehl und die völkerrechtliche<br />
Pflicht zur Überstellung von Personen an<br />
internationale Strafgerichtshöfe bereits im Jahr 2000<br />
das Grundgesetz geändert worden (Art. 16 Abs. 2<br />
Satz 2 GG).<br />
Der Europäische Haftbefehl ist ein Baustein in dem<br />
politischen Konzept der EU zur Errichtung eines europäischen<br />
Rechtsraumes (�„Raum der Freiheit, der<br />
Sicherheit und des Rechts“, Art. 29 EUV). Obwohl<br />
das Rechtsinstrument bereits in dem vom Europäi-<br />
277
Europäischer Investitionsfonds<br />
schen Rat in Tampere 1999 beschlossenen Programm<br />
vorgesehen ist, konnte erst nach den veränderten<br />
politischen Rahmenbedingungen in Folge des<br />
Terrorangriffs in den USA am 11. 9. 2001 eine Einigung<br />
unter den Mitgliedstaaten hergestellt werden.<br />
Der zeitliche Zusammenhang mit der Bekämpfung<br />
des Terrorismus darf allerdings nicht darüber täuschen,<br />
dass der Europäische Haftbefehl auch auf<br />
zahlreiche Delikte der mittleren Delinquenz (bspw.<br />
Betrug und Diebstahl) anwendbar ist.<br />
Gegen die Gesamtkonzeption und einzelne Regelungen<br />
des Europäischen Haftbefehls sind erhebliche<br />
rechtsstaatliche Bedenken geäußert worden. Dies<br />
betrifft Rechte der verfolgten Person auf ein faires<br />
Verfahren und eine angemessene Verteidigung sowie<br />
die Geltung des Rückwirkungsverbots und die<br />
teilweise Abkehr vom Schuldprinzip. Das BundesverfassungsgerichthatmitUrteilvom18.7.2005das<br />
EuHbG wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m.<br />
Art. 20 Abs. 3, Art. 16 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG<br />
fürnichtigerklärt. F. Sch.<br />
Dokumente:<br />
Rahmenbeschluss des Rates über den Europäischen Haftbefehl<br />
und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vom<br />
13. 6. 2002 (2002/584/JI, ABl. L 190/2002)<br />
Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische<br />
Parlament vom 2. 6. 2004: Raum der Freiheit, der Sicherheit<br />
und des Rechts: Bilanz des Tampere-Programms und Perspektiven<br />
(KOM (2004) 401 endg.)<br />
Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen<br />
Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den<br />
Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz<br />
– EuHbG) vom 21. 7. 2004, BGBl I S. 1748<br />
Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats vom<br />
24. 11. 2004 – 2 BvR 2236/04, EuGRZ 2004, S. 667<br />
Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten Senats vom<br />
18. 7. 2005 – 2 BvR 2236/04<br />
Literatur:<br />
Heintschel-Heinegg B. von / Rohlff, D.: Der Europäische Haftbefehl.<br />
Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 150 (2003), S. 44<br />
Rinio, C.: Die Auslieferung eigener Staatsangehöriger.<br />
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 108 (1996),<br />
S. 354<br />
Schünemann, B.: Fortschritte und Fehltritte in der Strafrechtspflege<br />
der EU. Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 151<br />
(2004), S. 193<br />
Uhle, A.: Auslieferung und Grundgesetz – Anmerkungen zu<br />
Art. 16 II GG. NJW 2001, S. 1889<br />
Europäischer Investitionsfonds (EIF) mit Sitz in<br />
Luxemburg, 1994 gegründet mit eigener Rechtspersönlichkeit<br />
und Finanzautonomie, ausgestattet mit 2<br />
Mrd. Euro Kapital. 59,15 % des Kapitals hält die<br />
�Europäische Investitionsbank (EIB), 30 % die Eu-<br />
278<br />
ropäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission,<br />
10,85 % sind im Besitz von Banken aus<br />
EU-Staaten. Eine Reform im Jahr 2000 hat den EIF<br />
mit der EIB zur EIB-Gruppe verbunden.<br />
Der Fonds beteiligt sich an Risikokapitalfonds (venture<br />
capital) und vergibt Bürgschaften (Garantien);<br />
er erleichtert damit die Fremdfinanzierung kleiner<br />
und mittlerer Unternehmen (�KMU) insbes. im<br />
Technologiebereich.<br />
Die Organe des EIF sind die jährliche Generalversammlung,<br />
der Aufsichtsrat und der Finanzausschuss,deraus3Mitgliedernbesteht(jeeinervonder<br />
EIB, der Kommission und den Banken) und den<br />
Fonds managt.<br />
Europäischer Konvent zur Zukunft Europas<br />
Änderungen der europäischen Verträge wurden seit<br />
Bestehen der Europäischen Gemeinschaften stets<br />
durch Regierungskonferenzen „hinter verschlossenen<br />
Türen“ vorbereitet. Die Unterzeichnung erfolgte<br />
jeweils durch die Staats- und Regierungschefs auf einem<br />
Europäischen Rat (so in Maastricht, Amsterdam,<br />
Nizza).<br />
Erstmals wurde auf Vorschlag der deutschen Regierung<br />
auf dem Europäischen Rat in Köln im Juni 1999<br />
einanderesVerfahrengewählt,zurErarbeitungeiner<br />
Grundrechtecharta.EswurdeeinKonvent(vonlateinisch<br />
convenire = zusammenkommen) einberufen.<br />
Dieser tagte unter dem Vorsitz des früheren deutschen<br />
Bundespräsidenten Roman Herzog und entwickelte<br />
den Entwurf einer Grundrechtecharta. Diese<br />
wurde zunächst nur feierlich proklamiert, ohne Bindungswirkung<br />
zu erlangen.<br />
Nachdem das Konventsverfahren sich bei der<br />
Grundrechtecharta als erfolgreich erwiesen hatte,<br />
entschied sich der Europäische Rat von Laeken am<br />
14./15. 12. 2001, einen „Europäischen Konvent zur<br />
Zukunft Europas“ einzuberufen mit der Aufgabe,<br />
Änderungen der Verträge, auf denen die Union beruht,<br />
vorzubereiten.<br />
Zum Vorsitzenden wurde der frühere französische<br />
Präsident Valéry Giscard d’Estaing ernannt. Der<br />
Konvent hatte 105 Mitglieder. Neben dem Vorsitzenden<br />
und zwei Vizepräsidenten gehörten ihm je<br />
ein Vertreter der nationalen Regierungen und je zwei<br />
Mitglieder jedes mitgliedstaatlichen Parlaments sowie<br />
16 Vertreter des Europäischen Parlaments und<br />
zwei Vertreter der Kommission an. Die Beitrittsländer<br />
waren in gleicher Weise beteiligt. Für Deutsch-
land waren im Konvent: zunächst Peter Glotz als<br />
Vertreter der Bundesregierung, später Außenminister<br />
Joschka Fischer, Ministerpräsident Erwin Teufel<br />
(Baden-Württemberg) für den Bundesrat, Jürgen<br />
Meyer für den Bundestag.<br />
Der Konvent tagte vom 28. 2. 2002 bis zum 10. 7.<br />
2003. Er beendete seine Arbeit mit dem Entwurf eines<br />
„Vertrages über eine Verfassung für Europa“<br />
(�Verfassungsvertrag).<br />
– Der Konvent hat insbes. eine bessere Aufteilung<br />
der Zuständigkeiten der Union und der Mitgliedstaaten<br />
vorgeschlagen;<br />
– er empfahl, die bisherigen vier Vertragswerke von<br />
Union und Gemeinschaften zusammenzufassen und<br />
dieneueEUmitRechtspersönlichkeitauszustatten;<br />
– er schlug vor, die Grundrechtecharta in das neue<br />
Vertragswerk aufzunehmen;<br />
– er arbeitete verschiedene Handlungsinstrumente<br />
der EU aus;<br />
–erschlugMaßnahmenfürmehrDemokratie,Transparenz<br />
und Effizienz in der EU vor;<br />
– er arbeitete Maßnahmen aus, die zur Verbesserung<br />
der Struktur und zur Stärkung der Rolle aller drei Organe<br />
der Union erforderlich sind.<br />
Das in Art. 48 EUV festgelegte Verfahren zur Änderung<br />
der Verträge sieht die Einberufung einer Konferenz<br />
von Vertretern der Regierungen vor, um die vorzunehmenden<br />
Änderungen zu vereinbaren. Der Entwurf<br />
des Konvents bildete die Basis für die Arbeit<br />
dieser sich anschließenden Regierungskonferenz.<br />
Sie hat die Ergebnisse des Konvents überwiegend<br />
übernommen. Die Verfassung wurde am 29. 10.<br />
2004 feierlich in Rom von den Staats- und Regierungschefs<br />
unterzeichnet. Nun muss sie in allen Mitgliedstaaten<br />
ratifiziert werden. In mehreren Staaten<br />
wirddazueinReferendumdurchgeführt.InDeutschland<br />
wird das Zustimmungsgesetz von Bundestag<br />
und Bundesrat beschlossen. (Über den Stand der Ratifizierung:<br />
�Ratifizierungsverfahren des Verfassungsvertrags)<br />
H. D.-K.<br />
Europäischer Mehrwert<br />
bezeichnet<br />
a) ein übergeordnetes Prinzip der Förderpolitik der<br />
EU mit dem Ziel, bei Teilnehmern zusätzlich zur Erfüllung<br />
des unmittelbaren Zwecks der Förderung<br />
auch das „europäische �Bewusstsein“ zu bilden, die<br />
„europäische Idee“ zu verbreiten;<br />
b) den zusätzlichen Nutzen für die Mitgliedstaaten,<br />
Europäischer Qulaifikationsrahmen<br />
der durch gemeinschaftliche statt einzelstaatlicher<br />
Maßnahmen entsteht, insbes. für kleine und mittlere<br />
Staaten und in Bereichen wie Forschung und Technologie,<br />
Umwelt.<br />
Europäischer Metallgewerkschaftsbund<br />
(EMB, European Metalworkers Federation, EMF)<br />
mit Sitz in Brüssel wurde im Juni 1971 von acht nationalen<br />
Metallarbeitergewerkschaften mit drei Millionen<br />
Mitgliedern gegründet. Ihm gehören heute 65<br />
Gewerkschaften aus 30 Ländern mit zusammen 6,5<br />
Millionen Mitgliedern an. Der Europäische Metallgewerkschaftsbund<br />
ist Mitglied im �Europäischen<br />
Gewerkschaftsbund.<br />
Anschrift: Rue Royale 35, bte 2, B–1000 Brüssel<br />
Internet: www.emf-fem.org<br />
Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR). Der<br />
Europäische Qualifikationsrahmen soll in Folge der<br />
�Lissabonstrategie gem. der Festlegung im Europäischen<br />
Rat vom 23. 3. 2005 eine zunehmende Transparenz<br />
und gegenseitiges Vertrauen im Bereich der<br />
Qualifikationen unterstützen und die Vergleichbarkeit<br />
in Bildung, Berufsbildung und lebenslangem<br />
Lernen ermöglichen. Aufbauend auf einem umfassendenKonsultationsprozesssolldemEuropäischen<br />
Parlament und dem Rat im Frühjahr 2006 eine Empfehlung<br />
zu seiner Einführung vorgelegt werden.<br />
1. Zielrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens:<br />
Der Europäische Qualifikationsrahmen<br />
soll einen gemeinsamen Referenzpunkt für die Lernergebnisse<br />
und Kompetenzniveaus festlegen. Außerdem<br />
wird er allgemeine Referenzniveaus und<br />
Deskriptoren feststellen, um die Vielfalt der auf nationaler<br />
und sektoraler Ebene bestehenden Qualifikationen<br />
abzudecken und eine Unterscheidung nach<br />
verschiedenen Niveaus zu ermöglichen. Er soll ein<br />
Übersetzungssystem sein, welches die PositionierungunddenVergleichverschiedenerLernergebnisse<br />
auf europäischer, aber auch auf nationaler, regionaler<br />
und sektoraler Ebene erlaubt. So soll er es dem<br />
einzelnen Bürger ermöglichen, innerhalb der unterschiedlichen<br />
Bildungssysteme in Europa seine eigenen<br />
Lernergebnisse einzuschätzen und ein direktes<br />
Unterstützungsangebot für Bildungs- und Ausbildungsbehörden<br />
sowie -einrichtungen und andere<br />
Anbieter darstellen, damit diese ihre Lernangebote<br />
anHandeinerinEuropaallgemeinen,verständlichen<br />
Referenz vergleichen können. Er soll jedoch keine<br />
279
Europäischer Rat<br />
detaillierten Beschreibungen bestimmter Qualifikationen,<br />
Ausbildungswege oder Zugangsbedingungen<br />
umfassen und auch kein Verfahren zur Definition<br />
neuer Qualifikationen darstellen. Er hat nicht die<br />
Aufgabe, Äquivalenzen von Qualifikationen im Einzelnen<br />
zu definieren. Er erfüllt keine gesetzgeberischen,<br />
rechtlichen, lohnpolitischen oder Qualität sichernden<br />
Aufgaben. Er entscheidet nicht über die<br />
endgültige Anerkennung von Abschlüssen.<br />
2. Inhalt des Europäischen Qualifikationsrahmens:<br />
GrundlagedesEuropäischenQualifikationsrahmens<br />
istseineFreiwilligkeit;erenthältkeinerleirechtliche<br />
Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten. Sein Kernstück<br />
bilden acht Referenzniveaus, die auf der<br />
Grundlage von Lernergebnissen festgelegt werden.<br />
Diese Lernergebnisse beruhen auf dem sog. informellen<br />
und nichtformalen Lernen sowie formalen<br />
Bildungsabschlüssen. Die Beschreibungen für jedes<br />
der acht Niveaus geben Kompetenzen in den Bereichen<br />
Kenntnisse, Fähigkeiten und persönliches und<br />
berufsbezogenes Können wieder. Dabei werden die<br />
Beschreibungen, welche für die drei Zyklen der<br />
Hochschulbildung entwickelt wurden (vgl. hierzu<br />
auch den �Bologna-Prozess), mit neuen Deskriptoren<br />
für die Berufsbildung verbunden.<br />
Diese Referenzniveaus werden von einer Reihe gemeinsamer<br />
Grundsätze und Verfahren unterstützt<br />
undergänzt,welchedieRolledesEuropäischenQualifikationsrahmens<br />
für die Zusammenarbeit steuern<br />
sollen. Jeder Mitgliedstaat soll einen nationalen<br />
Qualifikationsrahmen erstellen und einen Prozess in<br />
Gang setzen, in dem die bestehenden Qualifikationsstrukturen<br />
und -systeme mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen<br />
verbunden werden. Für den Bürger<br />
stehen ergänzende Instrumente zur Verfügung,<br />
wie der Europass sowie Datenbanken für Lernangebote.<br />
Außerdem soll ein integriertes europäisches<br />
Anrechnungs- und Akkumulierungssystem für lebenslanges<br />
Lernen mit Hilfe von Kreditpunkten entwickelt<br />
werden.<br />
3. Bewertung: Grundsätzlich ist die Initiative für<br />
mehr Transparenz und Mobilität im Bereich der Abschlüsse<br />
im Europa zu begrüßen. Allerdings besteht<br />
zu befürchten, dass mit der Einführung des Europäischen<br />
Qualifikationsrahmen auch eine Reform der<br />
nationalen Bildungssysteme angestrebt wird, welche<br />
sich an den Vorgaben des Europäischen Qualifikationsrahmens<br />
ausrichten soll. Eine besondere<br />
Schwierigkeit wird die Validierung des informellen<br />
280<br />
Lernens darstellen. Die Verbindung zur europäischen<br />
Richtlinie zur Anerkennung der gegenseitigen<br />
Diplome und Berufsqualifikationen in den reglementierten<br />
Berufen ist noch unklar. Auch muss die<br />
Entwicklung mit dem Bologna-Prozess stärker verzahnt<br />
werden. Inwieweit die Unterschiedlichkeit der<br />
Bildungssysteme in der Europäischen Union ein derartiges<br />
einheitliches Qualifikationsgebäude zulässt,<br />
bleibtabzuwarten. I. B.-M.<br />
Europäischer Rat<br />
1. Begriff: Europäischer Rat (ER) ist die Bezeichnung<br />
für das oberste Entscheidungsgremium der EU.<br />
Er tagt in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs<br />
der Mitgliedstaaten und des Präsidenten<br />
der Europäischen Kommission. Unterstützt wird<br />
er von den Außenministern der Mitgliedstaaten sowie<br />
einem weiteren Mitglied der Kommission. Der<br />
ER ist aus den �Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschef<br />
hervorgegangen und ist, obwohl in dieser<br />
Form in den Gründungsverträgen ursprünglich nicht<br />
vorgesehen, zu einem festen Bestandteil des institutionellen<br />
Gefüges der Gemeinschaft geworden.<br />
Nach dem Vertrag von Nizza (Art. 4 EUV) gibt der<br />
ER der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen<br />
Impulse und legt die allgemeinen politischen<br />
Zielvorstellungen dafür fest. Dies gilt auch für die<br />
Festlegung der Grundsätze und allgemeinen Leitlinien<br />
der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
(Art. 13 EUV) und zwar auch bei Fragen mit verteidigungspolitischen<br />
Bezügen. Dem ER kommt somit<br />
eine Richtlinienkompetenz in wichtigen europapolitischen<br />
Fragen zu. Um diese auszufüllen, tritt er<br />
mindestens zweimal im Jahr unter dem Vorsitz des<br />
Mitgliedstaates zusammen, der zu diesem Zeitpunkt<br />
die �Präsidentschaft im Rat innehat. Der �Verfassungsvertrag<br />
2004 sieht eine Reihe von Neuerungen<br />
vor (Art. I-21, Art. I-22 VVE). Danach sollen an den<br />
Sitzungen des Europäischen Rates neben den Staatsund<br />
Regierungschefs der Mitgliedstaaten, den �Präsidenten<br />
des Europäischen Rates und der Kommission<br />
auch der �Außenminister der Union teilnehmen.<br />
Bei Bedarf kann dieser Kreis auf die Außenminister<br />
der Mitgliedstaaten sowie ein weiteres Kommissionsmitglied<br />
erweitert werden.<br />
Der ER tritt „mindestens zweimal jährlich“ (Art. 4<br />
EUV) zusammen, in der Regel aber viermal. Vierteljährliche<br />
Treffen sieht auch der Verfassungsvertrag<br />
vor (Art. I-21, Abs. 3 VVE). Der ER trifft Entschei-
dungen gewöhnlich im Konsens; das sieht auch der<br />
Verfassungsvertrag vor (Art. I-21, Abs. 4), soweit in<br />
der Verfassung nichts anderes festgelegt ist. Den<br />
Vorsitz führt das Land, das in der EU die Präsidentschaft<br />
für ein halbes Jahr innehat. Die Verfassung<br />
sieht vor, dass der ER mit qualifizierter Mehrheit einen<br />
ständigen Präsidenten für eine Amtszeit von<br />
zweieinhalb Jahren wählt. Dieser Präsident führt<br />
dann den Vorsitz bei den Arbeiten des Europäischen<br />
Rats, sorgt für die Zusammenarbeit mit der Kommission<br />
und nimmt unbeschadet der Befugnisse des Außenminister<br />
die Außenvertretung der Union in Fragen<br />
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />
wahr.<br />
2. Entstehungsgeschichte: Die Einrichtung des ER<br />
ging auf eine Initiative des französischen Staatspräsidenten<br />
Giscard d’Estaing zurück. Auf der Pariser<br />
�Gipfelkonferenz am 9./10. 12. 1974 wurde beschlossen,<br />
die seit 1969 in unregelmäßigen Abständen<br />
stattfindenden Treffen der Staats- und Regierungschefs<br />
der Gemeinschaft als ER zu institutionalisieren<br />
(erstmals am 10./11. 03.1975 in Dublin). Damit<br />
sollte ein Rahmen für regelmäßige Orientierungsdebatten<br />
über die Leitlinien europäischer Politik<br />
geschaffen und der Gemeinschaft zugleich politische<br />
Impulse verliehen werden. Anfänglich bestanden<br />
Befürchtungen, dass der ER ein Eigenleben außerhalb<br />
der Gemeinschaftsinstitutionen führen, intergouvernementale<br />
Tendenzen verstärken und damit<br />
insbes. die Rolle der Europäischen Kommission<br />
als Initiativorgan schwächen würde. Bestärkt wurden<br />
diese Befürchtungen zusätzlich dadurch, das der<br />
ER durch Ansätze zur Koordinierung der außenpolitischen<br />
Zusammenarbeit im Rahmen der �Europäischen<br />
Politischen Zusammenarbeit (EPZ) Felder besetzte,dienichtdurchdieGemeinschaftsverträgeabgedeckt<br />
waren und für die somit keine formalisierten<br />
Verfahren bestanden. Erst mit der �Einheitlichen<br />
EuropäischenAkte(EEA,1986)wurdedieseunklare<br />
Rechtsstellung bereinigt und der ER in das Institutionengefüge<br />
integriert. Der Maastrichter Vertrag über<br />
die Europäische Union (1992) hat die Aufgabenstellung<br />
des ER als politisches Lenkungsorgan bekräftigt<br />
und gleichzeitig die institutionelle Verklammerung<br />
mit den übrigen Organen der EU unterstrichen.<br />
Neben der Kommission, die in die Tagungen unmittelbar<br />
einbezogen ist, statuiert der Vertrag regelmäßigeBerichtspflichtengegenüberdemEuropäischen<br />
Parlament (EP) im Anschluss an jede Tagung und<br />
Europäischer Rat<br />
Gipfeltreffen (Staats- und Regierungschefs)<br />
Dezember 1969 Den Haag; Oktober 1972 Paris;<br />
Dezember 1973 Kopenhagen; Dezember 1974 Paris<br />
Treffen der Staats- und Regierungschefs als<br />
Europäischer Rat<br />
1975: März Dublin (1. Treffen als ER); Dezember Rom<br />
1976: April Luxemburg; Juli Brüssel;<br />
November Den Haag<br />
1977: März Rom; Juni London; Dezember Brüssel<br />
1978: April Kopenhagen; Juli Bremen;<br />
Dezember Brüssel<br />
1979: März Paris; Juni Straßburg, November Dublin<br />
1980: April Luxemburg; Juni Venedig;<br />
Dezember Luxemburg<br />
1981: März Maastricht; Juni Luxemburg;<br />
November London<br />
1982: März Brüssel; Juni Brüssel;<br />
Dezember Kopenhagen<br />
1983: März Brüssel; Juni Stuttgart; Dezember Athen<br />
1984: März Brüssel; Juni Fontainebleau;<br />
Dezember Dublin<br />
1985: März Brüssel; Juni Mailand;<br />
Dezember Luxemburg<br />
1986: Juni Den Haag; Dezember London<br />
1987: Juni Brüssel; Dezember Kopenhagen<br />
1988: Februar Brüssel; Juni Hannover;<br />
Dezember Rhodos<br />
1989: Juni Madrid; Dezember Straßburg<br />
1990: April Dublin; Juni Dublin; Oktober Rom (Sondertagung);<br />
Dezember Rom<br />
1991: April Luxemburg (informell); Juni Luxemburg;<br />
Dezember Maastricht<br />
1992: Juni Lissabon; Oktober Birmingham;<br />
Dezember Edinburgh<br />
1993: Juni Kopenhagen; Oktober Brüssel;<br />
Dezember Brüssel<br />
1994: Juni Korfu; Dezember Essen<br />
1995: Juni Cannes; Dezember Madrid<br />
1996: März Turin; Juni Florenz; Oktober Dublin<br />
(Sondertagung); Dezember Dublin<br />
1997: Juni Amsterdam; November Luxemburg (Sondertagung<br />
Beschäftigung); Dezember Luxemburg<br />
1998: Juni Cardiff; Dezember Wien<br />
1999: März Berlin; Juni Köln; Oktober Tampere;<br />
Dezember Helsinki<br />
2000: März Lissabon; Juni Santa Maria da Feira;<br />
Oktober Biarritz; Dezember Nizza<br />
2001: März Stockholm; Juni Göteborg; September<br />
Brüssel; Oktober Gent (Informell); Dezember Laeken<br />
2002: März Barcelona; Juni Sevilla; Oktober Brüssel;<br />
Dezember Kopenhagen<br />
2003: Februar Brüssel (außerordentlich); März Brüssel;<br />
April Athen (informell); Juni Thessaloniki;<br />
Oktober Brüssel; Dezember Brüssel<br />
ab 2004 nur noch in Brüssel<br />
281
Europäischer Rechnungshof<br />
sieht alljährlich einen schriftlichen Bericht über die<br />
Fortschritte der Union vor.<br />
3. Arbeitsweise: Die zumeist zweitägigen Treffen<br />
der Staats- und Regierungschefs verlaufen nach einem<br />
festen Ritual. Während die Arbeitssitzung in<br />
Anwesenheit der Außenminister und deren FachbeamtensowiederKommissionstattfindet,beginntder<br />
informelle Teil des ER mit einem gemeinsamen Arbeitsessen.<br />
Der Teilnehmerkreis ist auf die StaatsundRegierungschefsbeschränkt,diezum„zwanglosen“<br />
Meinungsaustausch zusammentreffen. Damit<br />
soll eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen<br />
und die Lösung schwieriger Fragen erleichtert werden.<br />
Der ER endet üblicherweise mit einem Schlusskommuniqué,<br />
das von den Delegationen erarbeitet<br />
wird. Es fasst die „Schlussfolgerungen des Vorsitzes“<br />
zusammen, enthält Leitlinien für zukünftige<br />
Aktivitäten und oftmals konkrete Arbeitsaufträge an<br />
die Europäische Kommission. Aufgrund ihres Rahmencharakters<br />
kommt den Schlussfolgerungen des<br />
Ratsvorsitzes große Bedeutung zu. Sie sind der Referenzrahmen,<br />
auf den sich nicht nur die weiteren Aktivitäten<br />
der Gemeinschaft stützen, sondern der auch<br />
zur Legitimation einzelstaatlicher Forderungen herangezogenwird.AusdiesemGrundwirdderRedaktion<br />
dieses Dokuments große Bedeutung beigemessen.<br />
Es muss von allen Teilnehmer genehmigt werden.<br />
Am Ende eines jeden ER steht eine Pressekonferenz,<br />
auf der das Vorsitzland gemeinsam mit dem<br />
Präsidenten der Europäischen Kommission die Ergebnisse<br />
des Treffens erläutert. Die übrigen Staatsund<br />
Regierungschefs unterrichten die nationalen<br />
Pressevertreter in jeweils getrennten Pressekonferenzen.<br />
Gängige Praxis ist, dass sich der Europäische<br />
Rat vor jeder Tagung mit dem Präsidenten des<br />
Parlaments bespricht.<br />
4. Bewertung. Die anfänglichen Befürchtungen, der<br />
Europäische Rat könnte weitere Integrationsfortschritte<br />
der Gemeinschaft hemmen, haben sich in der<br />
Praxisnichtbestätigt.ImGegenteil.Zwaristmitdem<br />
ER ein „Superorgan“ geschaffen worden, das gegenüber<br />
den Fachministerräten eine herausgehobene<br />
Position besitzt, dies hat sich bei der Lösung schwieriger<br />
Gemeinschaftsprobleme jedoch häufig als hilfreich<br />
erwiesen. Durch Themenbündelung und politische<br />
Kompromissfindung ist dem ER oftmals ein<br />
Durchbruch gelungen, wenn auf der Ebene des Fachministerräte<br />
in bestimmten Sachfragen keine Einigung<br />
erzielt werden konnte. Vom ER sind für die Ge-<br />
282<br />
meinschaftsentwicklung entscheidende Impulse<br />
ausgegangen. Bei allen politisch bedeutsamen Vorhaben<br />
der EU gingen die Anstöße vom Europäischen<br />
Rat aus: von der ersten Direktwahl des EP, dem �Europäischen<br />
Währungssystem, der �GASP bis hin zu<br />
den EU-Erweiterungsrunden. Auch bei der EU-Finanzausstattung<br />
nimmt der ER eine dominante Rolle<br />
ein. Durch seine Medienwirksamkeit hat er es sehr<br />
viel stärker als etwa die Fachministerräte vermocht,<br />
das Interesse der europäischen Öffentlichkeit auf<br />
sich zu ziehen. Dadurch ist zugleich der öffentliche<br />
Erwartungsdruck gestiegen. Auch wenn die politischen<br />
Lösungen nicht immer befriedigen konnten,<br />
überwiegen dennoch die positiven Impulse, die vom<br />
Europäischen Rat ausgehen, bei weitem. Bisher hat<br />
es der Europäische Rat immer vermocht, bei politisch<br />
kontroversen Fragen eine Lösung zu finden und<br />
der Gemeinschaftspolitik neue Anregungen zu verleihen.<br />
Im Zuge der EU-Erweiterungen dürfte das<br />
Gewicht des Europäischen Rates tendenziell weiter<br />
steigen. Ch. H.<br />
Europäischer Rechnungshof �Rechnungshof<br />
der Europäischen Gemeinschaften<br />
Europäischer Schülerwettbewerb. Wettbewerb<br />
(in Form von Aufsätzen und künstlerischen Arbeiten)<br />
an Schulen in zur Zeit 27 europäischen Ländern<br />
mit dem Ziel der Förderung eines europäischen �Bewusstseins<br />
bei Schülerinnen und Schülern. Die Maßnahme<br />
geht zurück auf die französische Initiative<br />
„CampagnedelaJeunesseeuropéenne“ausdemJahre<br />
1953; sie wurde 1954 unter die Schirmherrschaft<br />
des�Europaratsgestellt.HeutestehtderWettbewerb<br />
untergemeinsamerSchirmherrschaftvonEuroparat,<br />
Europäischem Parlament, Kommission und �Europäischer<br />
Kulturstiftung (Amsterdam). Anfangs wurde<br />
der Wettbewerb einmal im Jahr am 5. Mai (Europatag)<br />
abgehalten; heute erstreckt er sich über das<br />
ganze Jahr (2005: 52. Wettbewerb).<br />
Die Themen des Wettbewerbs, an dem jährlich zwischen<br />
500 000 und 700 000 Schüler/innen teilnehmen,<br />
richten sich nach den jeweils aktuellen Entwicklungen<br />
in Europa (2005: Europa im Wandel –<br />
und wir mittendrin). Den Gewinnern winken neben<br />
Sachpreisen Einladungen zu den jährlichen Siegertreffen<br />
in einem europäischen Land. Finanziert werden<br />
die Wettbewerbe zum größten Teil von nationalen<br />
Komitees sowie über Zuwendungen des Europa-
ats, der Kommission und der Europäischen Kulturstiftung.<br />
Koordiniert werden die Wettbewerbe vom<br />
�Zentrum für europäische Bildung als deutscher Organisationvon�EuropainderSchule.<br />
W. M.<br />
Europäischer Sozialfonds �Fonds der EU<br />
Europäischer Sozialraum. �Sozialpolitik ist nach<br />
wie vor grundsätzlich Angelegenheit der Mitgliedstaaten.<br />
Der Binnenmarkt andererseits wird weitgehend<br />
von gemeinschaftlichen Regelungen geprägt<br />
und eröffnet mit seinen �vier Freiheiten Möglichkeiten,<br />
Wettbewerbsvorteile auszunutzen, die sich aufgrund<br />
unterschiedlicher nationaler Normen im Bereich<br />
der Sozialpolitik ergeben können. Damit Wettbewerb<br />
im Binnenmarkt nicht dazu führt, dass soziale<br />
Errungenschaften einem Land Nachteile gegenüber<br />
anderen Staaten mit geringerem Sozialstandard<br />
bringen, hat der Europäische Rat in Hannover 1988<br />
erklärt, der Binnenmarkt brauche begleitende Maßnahmen<br />
im Bereich der Sozialpolitik; das Ziel sei ein<br />
„europäischer Sozialraum“ mit möglichst geringen<br />
sozialen Unterschieden. Dabei soll ein möglichst hohes<br />
gemeinsames Schutzniveau für Arbeitnehmer in<br />
allen Mitgliedstaaten gewährleistet sein.<br />
1. Sozialvorschriften des EG-Vertrages: Zu den „traditionellen“<br />
Sozialvorschriften des EG-Vertrages<br />
gehören in erster Linie:<br />
– die Verwirklichung der �Freizügigkeit der Arbeitnehmer<br />
bei Sicherung erworbener sozialer Rechte<br />
(Art. 39, 40, 42);<br />
– dieFörderungdesAustauschsjungerArbeitskräfte<br />
(Art. 41);<br />
– die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />
der Arbeitskräfte (Art. 136);<br />
– die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in sozialen<br />
Fragen (Art. 136, 140);<br />
– die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Arbeitsentgelts<br />
für Männer und Frauen (Art. 141);<br />
– dieEinrichtungeinesSozialfonds(Art.146–148);<br />
– die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für eine<br />
gemeinsame Berufsausbildungspolitik (Art. 150);<br />
– die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit<br />
der Arbeitnehmer (Art. 137);<br />
– der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf europäischer<br />
Ebene (Art. 139).<br />
2. Soziale Grundrechte: Eine zunehmend existentielle<br />
Rolle für die europäischen Arbeitnehmer spielte<br />
im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnen-<br />
Europäischer Sozialraum<br />
marktes die Erhaltung und Erweiterung sozialer<br />
Grundrechte. Die Forderung nach ihrer europäischen<br />
Verankerung wurde von den Gewerkschaften<br />
nachdrücklich erhoben. Sie befürchten, dass international<br />
operierende Unternehmen sich dort etablieren<br />
könnten, wo die sozialen Rechte der Arbeitnehmer<br />
geringer sind als z. B. in der darin fortschrittlichen<br />
Bundesrepublik Deutschland.<br />
Deshalb hat der Europäische Rat auf Drängen des<br />
�Europäischen Gewerkschaftsbundes und des EuropäischenParlamentsam9.12.1989inStraßburgeine<br />
(nur deklaratorische) �Gemeinschaftscharta der sozialen<br />
Grundrechte – ohne Zustimmung der Briten<br />
(1997 von der neuen Labour-Regierung nachgeholt)<br />
– verabschiedet. Darin werden eine Harmonisierung<br />
der sozial- und arbeitsrechtlichen Regelungen (die<br />
Verbesserung der sozialen Leistungssysteme) sowie<br />
berufliche Aus- und �Weiterbildung, ferner das<br />
Recht auf Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, die<br />
Garantie angemessener Arbeitsbedingungen, bezahlter<br />
Mindesturlaub, Kündigungs-, Mutter-, Jugend-<br />
und Schwerbehindertenschutz, Mitnahme sozialerVersicherungsrechteusw.verlangt.Alsinhaltlicher<br />
Vorläufer kann die �Europäische Sozialcharta<br />
des �Europarats (1961) betrachtet werden. Des Weiteren<br />
gelten in vielen Ländern die Vorschriften der<br />
InternationalenArbeitsorganisation(ILO)inGenf.<br />
In Maastricht haben elf EG-Staaten (Ausnahme:<br />
Großbritannien, 1997 nachgeholt) im Dezember<br />
1991einAbkommenüberdie�Sozialpolitik(in:Protokoll<br />
über die Sozialpolitik) verabschiedet.<br />
Für die zukünftige europäische Gesellschaft ergibt<br />
sich das Leitbild einer in sozialen Chancen und in sozialer<br />
Verantwortung angenäherten Gemeinschaft.<br />
Daher sind folgende Forderungen aufzustellen:<br />
– Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte,<br />
– VerbesserungdesBildungssystemsundSchaffung<br />
von Voraussetzungen für Fort- und Weiterbildung,<br />
– gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung,<br />
– Ausgleich regionaler Ungleichgewichte,<br />
– Demokratisierung des Arbeitslebens im Sinne von<br />
Mitbestimmung der Arbeitnehmer,<br />
– Schaffung einer europäischen Tarifpolitik,<br />
– wirksamer Umwelt- und Gesundheitsschutz.<br />
Eine Sozialunion (gleiche Bedingungen in allen Mitgliedstaaten)<br />
ist (noch) nicht durchsetzbar. Sie würde<br />
zu (Sozial-)Migrantenströmen in jene Länder mit<br />
den höchsten sozialen Standards führen.<br />
283
Europäischer Wirtschaftsraum<br />
3. Arbeitnehmervertretung: Eine Vertretung der Arbeitnehmer<br />
in Unternehmensorganen ist in 18 von 25<br />
EU-Staaten in irgend einer Form vorgeschrieben.<br />
Doch sind die Mitbestimmungs- und Vertretungsrechte<br />
unterschiedlich geregelt. Verbindliche europäische<br />
Standards für die Mitwirkungen von Arbeitnehmern<br />
gibt es nicht.<br />
Welches Mitbestimmungsmodell soll bei multinationalen<br />
Zusammenschlüssen gelten: das Modell der<br />
deutschen Mitbestimmung (Euro-Betriebsräte in<br />
multinationalen Unternehmen wie VW, Bayer, Unilever,<br />
Allianz-Versicherung) oder eine verbesserte<br />
Version des französischen oder italienischen Modells<br />
mit erweiterten Befugnissen für die Betriebsräte,<br />
oder das schwedische Modell, d. h. Tarifverhandlungen<br />
auf Branchenebene usw.?<br />
4. Arbeitslosigkeit: Vordringlichstes arbeitsmarktpolitisches<br />
Problem in der Europäischen Union ist<br />
die Arbeitslosigkeit (2004: ca. 20 Mio. Menschen).<br />
Der Europäische Rat billigte auf seinem Brüsseler<br />
Treffen im Dezember 1993 das von der Kommission<br />
vorgelegte �Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Beschäftigung mit einem Aktionsplan.<br />
Er diente dem Verhalten der Mitgliedstaaten<br />
wie dem der Tarifparteien. Mit Hilfe dieses „Aktionsplans“<br />
sollte kurzfristig eine Trendwende eingeleitetundbis2000dieZahlderArbeitslosenerheblich<br />
verringert werden.<br />
Voraussetzung für ein beschäftigungsintensives<br />
Wachstum sind danach eine stabile Wirtschafts- und<br />
Währungspolitik, offene Märkte sowie eine „solidarische<br />
Wirtschaft“. Dazu zählen die Staaten vor allem<br />
die Lohnmäßigung mit dem Ziel, einen Teil des<br />
Produktivitätszuwachses vorrangig neuen Arbeitsplätzen<br />
und Investitionen vorzubehalten. Die Mitgliedstaaten<br />
wurden aufgerufen, folgende Maßnahmen<br />
in Betracht zu ziehen: verbesserte Aus- und<br />
Weiterbildung,flexiblereArbeitsorganisation,niedrigere<br />
Lohnnebenkosten und Senkung der Abgabenlast<br />
für die Unternehmen.<br />
Das Ziel, die Arbeitslosigkeit wenigstens einzudämmen,<br />
wurde bis zum Jahrhundertende nicht erreicht.<br />
Auf seinem Gipfel in Lissabon im März 2000 hat der<br />
Europäische Rat eine neue Strategie des Wachstums<br />
und der Verringerung der Arbeitslosigkeit mit einer<br />
Zielsetzung bis 2010 ins Leben gerufen: die �Lissabon-Strategie.<br />
Eine Bewertung zur Halbzeit im Jahr<br />
2005fielernüchterndaus. W. M.<br />
�Beschäftigungspolitik<br />
284<br />
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)<br />
1. Errichtung von Freihandelszonen. Nachdem die<br />
Freihandelsabkommen zwischen EG- und �EFTA-<br />
Staaten von 1972 und 1973 ihre volle Wirkung entfaltet<br />
hatten und in Europa die größte Freihandelszone<br />
der Welt entstanden war, bekräftigten EG und<br />
EFTA die Absicht, ihre Zusammenarbeit auszubauen.<br />
Diese Bemühungen fanden ihren Niederschlag in<br />
dergemeinsamenErklärungvonLuxemburg(vom9.<br />
4. 1984), in der die Minister der EG-Staaten und der<br />
EFTA-Länder sowie die Kommission der EG erstmals<br />
auf die Notwendigkeit hinwiesen, einen die EG<br />
und die EFTA umfassenden EWR zu errichten. Mit<br />
der Realisierung des Gemeinsamen Marktes (Binnenmarktes)<br />
der EG nach der �Einheitlichen Europäischen<br />
Akte von 1986 erhielten die Beziehungen<br />
mit der EFTA neue Akzente.<br />
Um an der EG-Binnenmarktentwicklung teilzuhaben,<br />
strebten die EFTA-Länder eine noch stärkere<br />
Bindung an die EG an. Umgekehrt war auch die EG<br />
aneinerIntensivierungderBeziehungeninteressiert,<br />
zumal damals 22 % aller Warenexporte der EG in die<br />
EFTA flossen und 20 % der Einfuhren aus der EFTA<br />
kamen. 1989 lud der Präsident der EG-Kommission,<br />
Jacques Delors, die EFTA-Staaten zur Aufnahme<br />
von Verhandlungen über die Errichtung des EWR<br />
ein; sie wurden im Juni 1990 aufgenommen und im<br />
Februar 1992 erfolgreich abgeschlossen.<br />
Am 2. 5. 1992 wurde in Porto zwischen den damaligenMitgliedstaatenderEuropäischenGemeinschaft<br />
(EG) und den Mitgliedstaaten der �Europäischen<br />
Freihandelsassoziation (European Free Trade Association,<br />
EFTA) das Abkommen über den Europäischen<br />
Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) geschlossen.<br />
Da die Schweiz (aufgrund eines Votums<br />
ihrer Bürger am 6. 12. 1992) das Abkommen nicht<br />
ratifiziert hatte, musste es angepasst werden, so dass<br />
es erst am 1. 1. 1994 (für Liechtenstein am 1. 5. 1995)<br />
in Kraft treten konnte. Es stellt eine konsequente<br />
Weiterentwicklung der bestehenden Freihandelsabkommen<br />
zwischen EG- und den EFTA-Ländern dar.<br />
Beschränkten sich diese im Wesentlichen auf die Beseitigung<br />
der Zollschranken und der mengenmäßigen<br />
Beschränkungen im Handel mit gewerblichen<br />
Waren,sobegannmitderRealisierungdesEWReine<br />
neue Ära in den Beziehungen zwischen den damals<br />
zwölf Staaten der EU und sechs Staaten der EFTA.<br />
Der EWR bildete mit seinen 18 Staaten und über 375<br />
Mio. Verbrauchern nicht nur den größten integrier-
ten Markt der Welt, er gewährte auch den EFTA-<br />
StaatenÖsterreich,Schweden,Finnland,Norwegen,<br />
Island und Liechtenstein die �„vier Freiheiten“ des<br />
EU-Binnenmarktes: freier Waren-, Dienstleistungs-,<br />
Personen- und Kapitalverkehr und eine engere<br />
Zusammenarbeit in anderen Bereichen (z. B.<br />
Wissenschaft, Bildung, Umwelt, Sozialpolitik).<br />
2. Ziele und Inhalte des EWR-Abkommens. Das Abkommen<br />
schafft einen einheitlichen und dynamischen<br />
Wirtschaftsraum, in dem gemeinsame Regeln<br />
und gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten. Gemeinsame<br />
Anstrengungen zielen auf Förderung und<br />
Konsolidierung der Wirtschaftsdynamik, auf Senkung<br />
der hohen Arbeitslosenrate und auf den Abbau<br />
des wirtschaftlichen und sozialen Gefälles zwischen<br />
den Regionen. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen,<br />
wurden über die bestehenden Freihandelsregelungen<br />
hinaus die �Freizügigkeit (freier Personenverkehr)<br />
sowie der freie Waren-, Dienstleistungs-<br />
und Kapitalverkehr (Binnenmarkt) nach dem<br />
bestehenden Recht der EU vereinbart; in einigen Bereichen<br />
sind Ausnahmen und Übergangsperioden<br />
vorgesehen. Um eine reibungslose Umsetzung der<br />
„vier Freiheiten“ zu gewährleisten, sieht das Abkommen<br />
eine umfassende Zusammenarbeit in verschiedenen<br />
Politikbereichen vor.<br />
Freizügigkeit bedeutet, dass sich die Bürger der<br />
EWR-Länder überall im neuen Wirtschaftsraum frei<br />
bewegen (freier Personenverkehr) und eine Beschäftigung<br />
ausüben können. Diskriminierungen aufgrund<br />
der Staatsangehörigkeit sind in Bezug auf Beschäftigung,<br />
Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen<br />
untersagt (�Diskriminierungsverbot). Das<br />
freie Niederlassungsrecht wird im Abkommen ausdrücklich<br />
anerkannt. Die Koordinierung der verschiedenen<br />
Systeme der sozialen Sicherheit gewährleisten<br />
aufgrund gemeinsamer Regeln für alle Arbeitnehmer,<br />
unabhängig von ihrem Herkunftsland,<br />
ununterbrochenen sozialen Schutz. Diplome und andere<br />
berufliche Befähigungsnachweise werden<br />
wechselseitig anerkannt.<br />
Der freie Warenverkehr im EWR, der aufgrund der<br />
Freihandelsabkommen mit den EFTA-Ländern von<br />
1972 und 1973 im Bereich der Zölle bereits verwirklicht<br />
ist, erfordert die Beseitigung fast aller noch bestehenden<br />
nichttarifären Hindernisse im Warenverkehr.<br />
Verboten sind insbes. alle mengenmäßigen Beschränkungen<br />
und Maßnahmen mit gleicher Wirkung.<br />
Zwecks Beseitigung technischer Handels-<br />
Europäischer Wirtschaftsraum<br />
hemmnisse (�Protektionismus) gelten die Rechtsvorschriften<br />
der EG/EU über �Normen und Standards<br />
mit wenigen Ausnahmen im gesamten EWR.<br />
Darüber hinaus verpflichten sich die EFTA-Staaten,<br />
jede Form der Diskriminierung durch Monopole abzuschaffen<br />
und öffentliche Aufträge auf der Grundlage<br />
des EG/EU-Rechts zu vergeben (�Gemeinschaftsrecht).<br />
Da der EWR keine Zollunion wie die EG/EU ist, gilt<br />
der freie Warenverkehr nur für Waren mit Ursprung<br />
im EWR, nicht aber für aus Drittländern eingeführte<br />
Erzeugnisse. Daher können auch die Kontrollen an<br />
den Grenzen zwischen EU- und EFTA-Staaten nicht<br />
aufgehoben werden; aber sie wurden wesentlich vereinfacht.<br />
Für den Handel mit sensiblen Gütern wie<br />
Agrar- und Fischereierzeugnissen wurden Sonderregelungen<br />
getroffen.<br />
Der freie Dienstleistungsverkehr wird dadurch ermöglicht,<br />
dass die Signatarstaaten allen Angehörigen<br />
der EWR-Staaten die Inländerbehandlung und<br />
damit die Dienstleistungsfreiheit garantieren. Für<br />
Kreditinstitute und Versicherungen (z. B. Lebensversicherungen<br />
und Kfz-Haftpflichtversicherungen)<br />
gilt im ganzen EWR der Grundsatz der einmaligen<br />
Zulassung und der Beaufsichtigung durch das<br />
Ursprungsland. Ferner regelt der EWR-Vertrag auch<br />
die Telekommunikations- und Informationsdienstleistungen<br />
sowie den Alpentransitverkehr zwischen<br />
dem Norden und dem Süden des Wirtschaftsraums<br />
über die Schweiz und Österreich. Für den freien Kapitalverkehr<br />
schafft das Abkommen diskriminierungsfreie<br />
Rahmenbedingungen sowohl für Kapitaltransfers<br />
als auch für grenzüberschreitende Investitionen,<br />
Darlehen usw. Devisenkontrollen und alle<br />
sonstigen indirekten Hindernisse für den Kapitalverkehr<br />
werden abgeschafft.<br />
Die Erreichung des Hauptziels des Abkommens, die<br />
Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen,<br />
wird durch die Übernahme von etwa 80 % der in der<br />
EU geltenden Vorschriften und die Schaffung von<br />
Kontroll- und Überwachungsorganen ähnlich denen<br />
der EU auch in der EFTA gewährleistet.<br />
Die politische Zusammenarbeit zwischen EU und<br />
EFTA-Vertragsparteien soll die Gewährleistung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die<br />
Verwirklichung der „vier Freiheiten“ unterstützen.<br />
Sie erstreckt sich auf die sog. horizontalen Politiken<br />
(�Sozialpolitik, �Umweltpolitik, �Verbraucherpolitik,<br />
�Gesellschaftsrecht usw.) und die flankieren-<br />
285
Europäischer Wirtschaftsraum<br />
den Gemeinschaftspolitiken, z. B. in Form einer Beteiligung<br />
der EFTA-Staaten an Programmen und<br />
Vorhaben der EU in Bereichen wie Forschung, technologische<br />
Entwicklung (Forschungspolitik), berufliche<br />
Bildung und Jugend (Bildungspolitik), Katastrophenschutz<br />
usw. Zum Abbau des wirtschaftlichen<br />
und sozialen Gefälles zwischen den Regionen<br />
trägt die EFTA durch bilaterale Abkommen zur Förderung<br />
des Handels mit bestimmten Erzeugnissen<br />
(z. B. Käse, Wein/Spirituosen, Fleisch, Gartenbauprodukte)<br />
sowie über den Absatz verschiedener Erzeugnisse<br />
aus den weniger entwickelten Regionen<br />
der EU auf den Märkten der EFTA bei. Im EWR-Abkommen<br />
erklärten die EFTA-Staaten sich auch bereit,<br />
einen Finanzierungsmechanismus zu schaffen,<br />
der mit jeweils fünfjähriger Laufzeit finanzielle Hilfen<br />
(Darlehen, Direktzuschüsse) für strukturschwache<br />
Gebiete in Portugal, Spanien, Griechenland, Irland<br />
und Nordirland bereitstellt (entsprechend den<br />
Bedingungen des 1993 geschaffenen �Kohäsionsfonds<br />
der EU). Nach dem Beitritt weiterer Staaten<br />
zur EU 2004 wurde die Anzahl der begünstigten<br />
Staatenauf13erhöht(Griechenland,Spanien,Portugal<br />
und alle zehn Beitrittsländer). Für den Zeitraum<br />
vom 1. 5. 2004 bis 30. 4. 2009 stellt der EWR-Finanzierungsmechanismus<br />
600 Mio. Euro an Zuschüssen<br />
in jährlichen Raten von 120 Mio. Euro zur Verfügung,<br />
zusätzlich der Norwegische Finanzierungsmechanismus<br />
567 Mio. Euro in jährlichen Raten von<br />
113,4Mio.Euro,dienurdenzehnBeitrittsstaatenzur<br />
Verfügung stehen.<br />
3. Organe des EWR.. Das Abkommen hat folgende<br />
Organe geschaffen:<br />
– Den EWR-Rat. Er besteht heute aus den Außenministern<br />
der EWR-EFTA-Staaten Liechtenstein, Island,<br />
Norwegen, den Außenministern der amtierenden<br />
und der folgenden EU-Ratspräsidentschaft, dem<br />
EU-Kommissar für Außenbeziehungen sowie dem<br />
Hohen Vertreter für die GASP. Dieses höchste Gremium<br />
tagt mindestens zweimal jährlich. Seine Aufgabe<br />
ist es, politische Impulse für die Durchführung<br />
des Abkommens zu geben und Leitlinien für den Gemischten<br />
EWR-Ausschuss festzulegen. Er kann<br />
auch Vertragsänderungen beschließen.<br />
– Den Gemeinsamen EWR-Ausschuss. Ihm gehören<br />
Botschafter der drei EWR-EFTA-Staaten sowie<br />
Vertreter der Europäischen Kommission und der<br />
EU-Mitgliedstaaten an; er wacht über die wirksame<br />
Durchführung des Abkommens und trifft Entschei-<br />
286<br />
dungen über die Ausdehnung neuer EU-Vorschriften<br />
auf den EWR; sie sind einvernehmlich zwischen<br />
der EU und den EFTA-Vertragsparteien zu treffen<br />
(jeder der drei EWR-EFTA-Staaten hat ein Vetorecht).<br />
Die Gesamtzahl der in das EWR-Abkommen<br />
übernommenen EU-Rechtsakte belief sich Ende<br />
2003 auf 3 786.<br />
– Den Gemischten Parlamentarischen EWR-Ausschuss.<br />
Er besteht aus 12 Mitgliedern des EuropäischenParlamentsund12MitgliedernderParlamente<br />
der EWR-EFTA-Länder; er kann seine Kontrollfunktion<br />
in Form von Berichten und Entschließungen<br />
ausüben und gibt eine Stellungnahme zum JahresberichtdesGemeinsamenEWR-Ausschussesab.<br />
– Ein Beratender EWR-Ausschuss besteht aus je 9<br />
Mitgliedern des Wirtschafts- und Sozialausschusses<br />
derEUunddesBeratendenAusschussesderEFTA.<br />
4. Probleme und Perspektiven. Schwierigkeiten bei<br />
den Verhandlungen zur Errichtung des EWR ergaben<br />
sich vor allem bei der Klärung institutioneller<br />
Fragen, insbes. hinsichtlich Fragen der Mitbestimmung<br />
der EFTA-Länder bei der Verabschiedung von<br />
EU-Richtlinien und Verordnungen (Rechtsakte), da<br />
die EU auf ihre Gesetzgebungsautonomie nicht verzichten<br />
wollte. Der Zwang zur Übernahme aller von<br />
EU-Organen entschiedenen Rechtsakte durch die<br />
EFTA-Staaten veranlasste diese, sich durch zahlreicheAusnahmeregelungenmancherVerpflichtungen<br />
zu entledigen. Im Dezember 1991 entschied der<br />
EuGH, dass die Errichtung eines eigenen EFTA-<br />
Gerichthofs mit dem EWG-Vertrag nicht vereinbar<br />
sei, weil die Rechtsordnung der Gemeinschaft dadurch<br />
gefährdet werde. Folglich einigten sich die<br />
Vertragsparteien darauf, dass die EFTA-Staaten das<br />
EG-/EU-Rechtvorbehaltlosübernehmenunddessen<br />
Auslegung durch den EuGH anerkennen. Die Kompetenzen<br />
des EFTA-Gerichtshofs bleiben auf ausschließlich<br />
die EFTA-Staaten berührende Wettbewerbsangelegenheiten<br />
beschränkt. Die inhaltlich am<br />
meisten problembeladenen Vertragsgegenstände<br />
Landwirtschaft, Fischerei, Alpentransitverkehr<br />
durch Österreich und die Schweiz sowie die Zusammenarbeit<br />
in einigen flankierenden Politikbereichen<br />
(Sozialpolitik,Strukturfonds,Subsidiarität)konnten<br />
z. T. in bilateralen Verhandlungen (Alpentransitverkehr,<br />
Verkehrspolitik) gelöst werden. Relativ unproblematisch<br />
war dagegen die Übernahme der vertragsrelevanten<br />
Rechtsakte des EG-/EU-Rechts<br />
durch die EFTA-Staaten in den Bereichen Waren-
verkehr, Umweltschutz und Wettbewerbsordnung.<br />
Derzeit zählen die 25 Mitgliedstaaten der EU und 3<br />
EFTA-Staaten (Liechtenstein, Island und Norwegen)zumEWR.<br />
K. H. O.<br />
Literatur:<br />
Kommission der EG: Der Europäische Wirtschaftsraum<br />
(Reihe Europa in Bewegung). Brüssel/Luxemburg 1992<br />
Senti, R.: EG, EFTA, Binnenmarkt. Funktionsweise,<br />
Perspektiven. Zürich 1992<br />
Adresse: EFTA-Sekretariat (Hauptquartier),<br />
9–11, rue de Varembé, CH–1211 Genf 20;<br />
Sekretariat in Brüssel : Rue Joseph II, 12–16, B–1000 Brüssel<br />
Internet: http://secretariat.efta.int<br />
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />
�Wirtschafts-undSozialausschuss(WSA)<br />
Europäisches Beschäftigungsobservatorium<br />
(EBO). Eine erste noch informelle Zusammenarbeit<br />
der Kommission und der Mitgliedstaaten im Bereich<br />
der Beschäftigungspolitik führte 1982 zur Einrichtung<br />
eines Informationsnetzwerks zum Austausch<br />
von Informationen der Arbeitsmarktverwaltungen<br />
(�MISEP, Mutual Information System on Employment<br />
Policies in Europe). Ab 1994 war MISEP auch<br />
für die Beobachtung und den Vergleich der Maßnahmen<br />
der Europäischen Beschäftigungsstrategie zuständig.<br />
Als zweites Netzwerk im Bereich der Beschäftigungspolitik<br />
wurde 1989 das Dokumentationssystem<br />
�SYSDEM geschaffen (Community System of<br />
Documentation on Employment), das analysierende<br />
und beratende Aufgaben im Zusammenhang mit der<br />
Europäischen Beschäftigungsstrategie übernommen<br />
hat.<br />
Der Amsterdamer Vertrag von 1997, der das Beschäftigungskapitel<br />
in den EGV einführte, und der<br />
Luxemburger Beschäftigungsgipfel vom Dezember<br />
1997 führten zur Einrichtung des dritten Netzwerks<br />
mit Forschungs- und Beratungsaufgaben: �RES-<br />
NET (Research-Network). Alle drei Netze wurden<br />
einem einzigen Sekretariat unterstellt, dem 1989 gegründeten<br />
Europäischen Beschäftigungsobservatorium.<br />
Anschrift: EBO Secretariat, 30 St Paul’s Square,<br />
Birmingham B3 1QZ<br />
Internet: www.eu-employment-observatory.net<br />
Europäisches Gesetz sollen nach dem �Verfassungsvertrag<br />
2004 (Art. I-33) jene �Rechtsakte der<br />
EU heißen, die im EG-Vertrag (Art. 249) als Verord-<br />
Europäisches Hochschulinstitut<br />
nungen bezeichnet sind. Dabei wird erstmals unterschieden<br />
zwischen Verordnungen mit Gesetzescharakter<br />
(nur sie werden Europäische Gesetze genannt)<br />
und Verordnungen ohne Gesetzescharakter wie<br />
Durchführungsverordnungen. Während die Gemeinschafts-Verträge<br />
von Anfang an zwischen beiden<br />
nicht terminologisch unterschieden haben, kann<br />
dieVerfassungKlarheitschaffen.Verordnungen zur<br />
Bestimmung der Durchführung von Gesetzen werden<br />
dann „Europäische Verordnungen“ heißen.<br />
Europäisches Hochschulinstitut EHI (European<br />
University Institute, EUI) in Florenz, wurde auf der<br />
�Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs<br />
der EG-Staaten im Dezember 1969 in Den Haag beschlossen;<br />
der Gründungsvertrag wurde 1972 unterzeichnet<br />
und ist 1975 in Kraft getreten; das EHI wurde<br />
1976 in Florenz etabliert. Es ist ein postuniversitäres<br />
Forschungsinstitut der EU-Staaten mit Promotionsrecht.<br />
Veranstaltungen finden in sechs EU-<br />
Sprachen statt. Die Mitglieder (Professoren und Forschungsassistenten)<br />
beteiligen sich an Forschungsprojekten<br />
im Rahmen der vier Abteilungen (Departments):<br />
Geschichte und Zivilisation, Wirtschaft,<br />
Recht, Politische und Sozialwissenschaften.<br />
Das postgraduale Studium endet nach ein bis zwei<br />
Jahren mit dem Magistergrad in vergleichendem europäischenundinternationalemRecht(LL.M.),nach<br />
drei Jahren mit einem international anerkannten<br />
Doktorat. Postdoktorale interdisziplinäre Forschungsprojekte<br />
bietet das dem EHI angeschlossene<br />
Robert-Schuman-Zentrum für fortgeschrittene Studien<br />
(Robert Schuman Centre for advanced studies,<br />
RSCAS).<br />
DieHauptorganedesEHIsindderObersteRat(oberstes<br />
Kontrollgremium aus je zwei Regierungsvertretern<br />
der Vertragsstaaten und Vertreter der Europäischen<br />
Kommission: tagt zweimal jährlich und bestimmt<br />
die Grundlinien des Instituts), der AkademischeRat(entscheidetüberAngelegenheitenderLehre<br />
und Forschung; Vorsitz führt der Präsident, Mitglieder<br />
sind der Generalsekretär, alle Lehrkräfte,<br />
Vertreter der Studenten und der Bibliotheksleiter).<br />
Ein Forschungsbeirat (Mitglieder vorwiegend aus<br />
Vertretern auswärtiger akademischer Institutionen)<br />
entscheidet über Mittelvergabe für Projekte und begutachtet<br />
deren Fortschritte und Resultate.<br />
Seit 1986 verwaltet das EHI die durch EG-Ratsverordnung<br />
354/83 (ABl. L 43/1983) der Öffentlich-<br />
287
Europäisches Institut für öffentliche Verwaltung<br />
keitzugänglichenHistorischenArchivederEuropäischenUnion.<br />
W. M.<br />
Anschrift: European University Institute, Badia Fiesolana, Via<br />
die Roccettini 9, I–500 16 San Domenico di Fiesole (Florenz).<br />
Kontakt: Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD),<br />
Kennedyallee 50, 53175 Bonn<br />
Europäisches Institut für öffentliche Verwaltung<br />
(European Institute of Public Administration,<br />
EIPA). 1981 gegründetes unabhängiges Institut, das<br />
öffentliche Verwaltungen und EU-Organe bei<br />
Durchführung ihrer Aufgaben im Bereich der europäischen<br />
Integration durch Fortbildungsseminare<br />
und Konferenzen, Beratung, angewandte Forschung<br />
und Publikationen unterstützt. Es wird z. T. aus dem<br />
EU-Haushalt finanziert. Das Institut verleiht alle<br />
zweiJahredenAlexis-de-Tocqueville-Preis. W. M.<br />
Adresse: O. L. Vrouweplein 22, P.O. Box 1229,<br />
NL-6201 BE Maastricht.<br />
Internet: www.eipa.nl<br />
Europäisches Jahr. Die Europäische Kommission<br />
kann bis zum 30. Juni eines Jahres einen Vorschlag<br />
unterbreiten für einen Beschluss des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates, der das folgende Jahr zu<br />
einem „Europäischen Jahr“ erklärt mit Bezug auf ein<br />
Thema, das besondere Beachtung finden soll. Das<br />
EuropäischeJahrwirdvonAktionenzurInformation<br />
undzurSensibilisierungderÖffentlichkeitbegleitet,<br />
die entweder von der EU voll finanziert oder auf nationaler<br />
Ebene bzw. regionaler Ebene von der EU<br />
mitfinanziert werden. Die Kommission wird mit der<br />
Durchführung beauftragt und verwaltet das dafür bewilligte<br />
Budget.<br />
Auch der Europarat veranstaltet „Europajahre“, derenThemenmitdenendesEuropäischenJahresidentisch<br />
sein können.<br />
1983: Europäisches Jahr für kleine und mittlere Unternehmen<br />
und das Handwerk<br />
1985: Europäisches Musikjahr<br />
1986: Europäisches Jahr der Straßenverkehrssicherheit<br />
1987: Europäisches Umweltjahr<br />
1988: Europäisches Film- und Fernsehjahr<br />
1989: Europäisches Informationsjahr über Krebs<br />
1990: Europäisches Jahr des Tourismus<br />
1992: Europäisches Jahr für Sicherheit, Arbeitshygiene,<br />
Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz<br />
1993: Europäisches Jahr der älteren Menschen<br />
1996: Europäisches Jahr des lebenslangen Lernens<br />
1997: Europäisches Jahr gegen Rassismus<br />
288<br />
2001: Europäisches Jahr der Sprachen<br />
2003: Europäisches Jahr der Menschen mit Behinderungen<br />
2004:EuropäischesJahrderErziehungdurchSport<br />
1984, 1991, 1994, 1995, 1998, 1999, 2000, 2002 und<br />
2005wurdenkeineEuropäischenJahreausgerufen.<br />
Europäisches Jugendforum. 1996 gegründet und<br />
seit 1. 1. 1997 tätig, fasst es den Europäischen Jugendrat<br />
(CENYC), das Europäische KoordinierungsbüroderinternationalenJugendorganisationen<br />
(ECB) und das �Jugendforum der EU (YFEU) zusammen.<br />
Das Europäische Jugendforum nimmt<br />
durch Zusammenarbeit mit der Europäischen Union,<br />
dem Europarat und UN-Organisationen die Interessen<br />
der europäischen Jugendlichen wahr und macht<br />
auf deren Standpunkte aufmerksam. Es setzt sich für<br />
eine stärkere Beteiligung der Jugend an der Entwicklung<br />
und Gestaltung Europas ein. Mitglied sind 35<br />
nationale Jugendräte (zwei davon mit Beobachterstatus)<br />
und 58 internationale nichtstaatliche Jugendorganisationen<br />
(8 mit Beobachterstatus).<br />
Anschrift: Europäisches Jugendforum, 120, rue Joseph II, B–<br />
1000 Brüssel.<br />
Internet www.youthforum.org<br />
Europäisches Jugendparlament EJP (European<br />
Youth Parliament / Parlement Européen des Jeunes),<br />
1987 auf private französische Initiative in Fontainebleau<br />
gegründet. Jährliche mehrtägige Sitzung in einem<br />
EU-Land, an der sprachkundige 16- bis 18-jährige<br />
(Ober-)Schüler/innen aus jedem EU-Mitgliedstaat<br />
als „Abgeordnete“ teilnehmen. In mehreren<br />
Fachausschüssen werden Stellungnahmen der jungen<br />
Generation zu aktuellen Fragen der europäischen<br />
Einigungspolitik erarbeitet, formuliert und an<br />
die EU weitergegeben. Der äußere Sitzungsrahmen<br />
orientiert sich am Europäischen Parlament und ermöglicht<br />
dadurch eine praktische Einführung in parlamentarische<br />
Verfahren. Der (gemeinnützige) Verein<br />
zur Förderung des Europäischen JugendparlamentsinDeutschlandunterstütztdieVerbreitungder<br />
Idee des Jugendparlaments und finanziert das nationaleAuswahlverfahren.<br />
W. M.<br />
Anschrift des EJP in Deutschland: Sophienstraße 28–29,<br />
10178 Berlin<br />
Europäisches Jugendwerk (European Youth<br />
Foundation / Fonds Européen pour la Jeunesse).
1972 vom �Europarat gegründet zur Förderung der<br />
internationalen Zusammenarbeit von Jugendorganisationen<br />
aus den Mitgliedstaaten. Das Jugendwerk<br />
(Jahresetat 3 Mio. Euro) bietet finanzielle Unterstützung<br />
für Jugendaktivitäten, die den Zielen des Europarates<br />
entsprechen.<br />
Anschrift: Europäisches Jugendwerk,<br />
30, rue de Pierre Coubertin, F-67000 Strasbourg<br />
Europäisches Justitielles Netz für Strafsachen<br />
�PJZS<br />
Europäisches Kartellrecht �Kartellrecht<br />
Europäisches Markenamt �Harmonisierungsamt<br />
für den Binnenmarkt<br />
Europäisches Netz für Ernährungssicherheit<br />
(Réseau Européen de Sécurité Alimentaire, RE-<br />
SAL),vonderKommissionunterstütztesProgramm,<br />
das bis zum Jahr 2000 für die Verwaltung und Durchführung<br />
der �Nahrungsmittelhilfe zuständig war.<br />
Seit 2000 werden die Aufgaben von �EuropeAid und<br />
von dezentralen Strukturen in den Empfängerländern<br />
wahrgenommen.<br />
Europäisches Netz für Kriminalprävention (European<br />
Crime Prevention Network, EUCPN) �Kriminalitätsprävention<br />
Europäisches Parlament (EP) ist seit der EinheitlichenEuropäischenAkte(EEA,1986)dieoffizielle,<br />
vertraglich festgelegte Bezeichnung für das Parlament<br />
der Europäischen Gemeinschaften bzw. der<br />
Europäischen Union. Das EP ist das einzige direkt<br />
gewählte und somit unmittelbar legitimierte Organ<br />
der Europäischen Union. Es hält von Anfang an seine<br />
Plenarsitzungen in Straßburg ab (seit Ende 1993<br />
auch in Brüssel; dort tagen die Ausschüsse und die<br />
Fraktionen). Nach einer Entscheidung des Europäischen<br />
Rates vom Dezember 1992 ist Straßburg offizieller<br />
Sitz des EP.<br />
1. Entwicklung des Europäischen Parlaments<br />
1.1 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl.<br />
Vorläufer des Europäischen Parlaments war die Gemeinsame<br />
Versammlung der EGKS, die am 10. 9.<br />
1952 erstmals zusammentrat. Diese Versammlung<br />
setztesichaus79vondenMitgliedstaatenentsandten<br />
Parlamentariern zusammen und hatte überwiegend<br />
Europäisches Parlament<br />
beratende Funktionen. Sie konnte jedoch durch<br />
Misstrauensvotum die Hohe Behörde stürzen. Bereits<br />
der EGKS-Vertrag sah die Möglichkeit einer<br />
unmittelbaren Legitimation des Parlaments durch<br />
den Wähler vor: „Die Versammlung besteht aus Abgeordneten,<br />
die einmal jährlich nach dem von jedem<br />
Hohen Vertragschließenden Teil bestimmten Verfahren<br />
von den Parlamenten aus deren Mitte zu ernennenoderinallgemeinendirektenWahlenzuwählen<br />
sind“ (Art. 21). Von der Möglichkeit der Direktwahl<br />
wurde aber kein Gebrauch gemacht.<br />
1.2 Römische Verträge. Mit dem Inkrafttreten des<br />
EWG-Vertrags 1958 wurde zugleich die (parlamentarische)<br />
Versammlung als ein gemeinsames Organ<br />
der drei Europäischen Gemeinschaften (EGKS,<br />
EWG, EAG) geschaffen (Abkommen über gemeinsame<br />
Organe für die Europäischen Gemeinschaften<br />
vom 25. 3. 1957). Die Versammlung bezeichnete<br />
sich selbst lange vor der offiziellen Einführung des<br />
Namens als „Europäisches Parlament“, um damit ihr<br />
über den im EWG-Vertrag festgelegten Status hinausgehendes<br />
Selbstverständnis zum Ausdruck zu<br />
bringen. Die Römischen Verträge übertrugen der<br />
Versammlung die Initiative zur Vorbereitung von<br />
�Direktwahlen (Art. 138 EWGV). Ein erster Entwurf<br />
wurde 1960 vorgelegt, scheiterte aber an der<br />
mangelnden Einstimmigkeit im Rat.<br />
In den 1960er Jahren war der Einfluss des EP auf Rat<br />
und Kommission gering. Seine Mitwirkungsrechte<br />
bestanden zunächst vor allem in der Abgabe von<br />
Stellungnahmen, an die der Rat aber nicht gebunden<br />
war.<br />
1.3. Direktwahl des Parlaments. In seiner Stellungnahme<br />
zur Europäischen Union von 1975 formulierte<br />
das Parlament die Vorüberlegungen seiner künftigen<br />
Rolle. Diese sahen ein Parlament vor, „das Haushalts-<br />
und Kontrollbefugnisse besitzt und zumindest<br />
gleichberechtigt an der Rechtsetzung teilnimmt, wie<br />
es ihm als Vertretung der Völker zukommt“. Zur<br />
Verbesserung des Entscheidungsverfahrens sollte<br />
der Rat auf das Prinzip der Einstimmigkeit verzichten.<br />
Das Parlament konnte zunächst jedoch durch die<br />
Einführung der Direktwahl 1979 seinen Status im Institutionengefüge<br />
der Gemeinschaft verbessern.<br />
Seitdem ist es das einzige Organ, das durch den Bürger<br />
unmittelbar legitimiert ist. An den ersten Wahlen<br />
vom 7. – 10. 6. 1979 beteiligten sich in den damals<br />
neun Mitgliedstaaten rund 62% der Wahlberechtigten.<br />
289
Europäisches Parlament<br />
1.4 Einheitliche Europäische Akte. In der EEA, die<br />
am 1. 7. 1987 in Kraft trat, wurde die Bezeichnung<br />
„Versammlung“ durch „Europäisches Parlament“<br />
ersetzt. Die Funktionen und Kompetenzen des Parlaments<br />
wurden erweitert. Mit der EEA wurde in Art.<br />
251 EGV in bestimmten Politikbereichen das Verfahren<br />
der Zusammenarbeit mit dem Rat eingeführt.<br />
Das EP erhielt Mitentscheidungskompetenzen in<br />
FragenderBeitrittsabschlüsseundAssoziierungsabkommen,<br />
die seither nicht mehr ohne Zustimmung<br />
des Parlaments erfolgen können. Die Fälle obligatorischer<br />
Konsultationen im legislativen Bereich wurden<br />
zwar erweitert, aber das Parlament erhielt noch<br />
keine echte Mitentscheidung.<br />
1.5 Europäische Union. Das EP wirkt seit dem<br />
Maastrichter Vertrag erkennbar an der Gesetzgebung<br />
mit und hat seine Kontrollfunktionen ausweiten<br />
können. Der Vertrag von Amsterdam sieht in Art.<br />
190 Abs. 4 EGV vor, dass das EP einen Entwurf für<br />
allgemeine unmittelbare Wahlen nach gemeinsamen<br />
Grundsätzen ausarbeitet, die im Einklang mit den allen<br />
Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stehen.AußerdemerhältdasEPdieBefugnis,einAbgeordneten-Statutfestzulegen(�StatutderAbgeordneten),<br />
das die einzelstaatlichen Regelungen ablösen<br />
soll.<br />
In den Bereichen �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />
und �polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit<br />
bleiben die Kompetenzen des Parlaments<br />
auf Anhörung und Unterrichtung beschränkt. Der<br />
Amsterdamer Vertrag verbesserte insofern die Mitwirkung<br />
des EP, als das Parlament nach Art. 39 EUV<br />
ein formelles Anhörungsrecht im Bereich der polizeilichenundjustitiellenZusammenarbeiterhält,bevor<br />
der Rat die geplante Maßnahme beschließt.<br />
2.ZusammensetzungdesEP.DasEPumfasstseitden<br />
Europawahlen 2004 732 Abgeordnete (entsprechend<br />
der im Nizza-Vertrag festgelegten Obergrenze<br />
für eine EU mit 27 Mitgliedstaaten). Falls Bulgarien<br />
und Rumänien während der laufenden Legislaturperiode<br />
beitreten, steigt die Zahl der Sitze vorübergehend<br />
auf 786 an (18 für Bulgarien und 36 für<br />
Rumänien). Im �Verfassungsvertrag ist vorgesehen,<br />
dass höchstens 736 Sitze degressiv proportional entlang<br />
den Bevölkerungszahlen in den Mitgliedstaaten<br />
verteilt werden müssen.<br />
Die Abgeordneten werden allgemein und unmittelbar<br />
von den Bürgern der Mitgliedstaaten der EU auf<br />
fünf Jahre gewählt, bis 2004 nach unterschiedlichen<br />
290<br />
Wahlsystemen (�Europawahlen). Seither finden die<br />
angepassten nationalen Wahlsysteme für die Europawahlen<br />
Anwendung; sie folgen einem Verhältniswahlsystem.<br />
Mitte der 1970er Jahre, vor der ersten Direktwahl des<br />
EP, haben sich die großen politischen Strömungen –<br />
Sozialisten/Sozialdemokraten, Christdemokraten<br />
und Liberale – zu Föderationen (�Europäische Parteienföderationen)<br />
zusammengeschlossen. Sie bilden<br />
den Überbau für die Fraktionen im EP, deren Bildung<br />
eine wichtige Voraussetzung für die Ausübung<br />
parlamentarischer Rechte ist vor allem hinsichtlich<br />
der Verteilung von Redezeiten, Vertretern in den<br />
Ausschüssen und Berichterstattern. In der Legislaturperiode<br />
1999 – 2004 ist die Möglichkeit der Bildung<br />
einer Fraktion aus einem Mitgliedstaat abgeschafft<br />
worden.<br />
a) Sozialdemokratische Partei Europas (SPE). Diese<br />
Partei hat sich im November 1992 aus dem Bund<br />
der Sozialdemokratischen und Sozialistischen ParteienderEG(1974)konstituiert.Ihrgehörenauchdie<br />
italienischen Eurokommunisten an. Im Vorfeld der<br />
Wahlen zum EP 1994 einigte sich die SPE erstmals<br />
aufeingemeinsamesWahlprogramm,indemsoziale<br />
und umweltpolitische Fragen im Vordergrund standen.<br />
b) Europäische Volkspartei (EVP). Die EVP ist ein<br />
Zusammenschluss christdemokratischer Parteien<br />
(1976). Auf Beschluss der EVP-Fraktion des EP<br />
(1992) können die Mitglieder der „Europäischen Demokraten“(vorallembritischeKonservative)individuell<br />
beitreten. Die EVP ist inhaltlich und organisatorisch<br />
eng mit der Europäischen Union Christlicher<br />
Demokraten verflochten, die auch den Kontakt zu<br />
Schwesterparteien aus Nicht-EU-Staaten aufrecht<br />
erhält. Programmatisch tritt sie für den Aufbau einer<br />
demokratischen EU mit sicherheitspolitischer Komponente<br />
ein. Der EVP schlossen sich die konservativen<br />
Parteien Griechenlands, Spaniens und der skandinavischen<br />
Länder, die ehemals liberale Partei Portugals<br />
und die französischen Liberalen und Gaullisten<br />
an.<br />
c) Föderation liberaler und demokratischer Parteien<br />
der Europäischen Gemeinschaft (ELDR). Die Föderation<br />
der Europäischen Liberalen und Demokraten<br />
wurde 1976 gegründet. Sie hat die Aufgabe, „die<br />
liberalen Parteien der Länder der Gemeinschaft zusammenzuführen,<br />
die auf der Grundlage der liberalen<br />
Ideale zur Schaffung einer Europäischen Union
eitragen wollen“. Im Dezember 1993 wurde sie zur<br />
Europäischen Liberalen und Demokratischen Reform-Partei.<br />
Reformer und Radikale im EP suchten<br />
Anschluss an die ELDR.<br />
d) Die Europäische Föderation Grüner Parteien hat<br />
sich im Sommer 1993 in Helsinki als ein Koordinationsgremium<br />
gebildet. Im Februar 2004 haben die<br />
GrüneninRomalsersteParteieineeinheitlicheeuropäischePartei,dieEuropäischeGrünePartei(EGP),<br />
gebildet.<br />
Neben diesen vier Fraktionen, denen sich in den<br />
Wahlperioden wechselnde Partner aus verschiedenen<br />
nationalen Parteien angeschlossen haben, haben<br />
sich weitere lose Parteienbündnisse zu Fraktionen<br />
unter wechselndem Namen zusammengefunden.<br />
Das EP setzt sich nach den Wahlen 2004 aus sieben<br />
Fraktionen und 29 Fraktionslosen (Stand: Sept.<br />
2005) zusammen, von denen 267 der EVP, 201 der<br />
SPEund89derELDR(AllianzderLiberalenundDemokratenfürEuropa)angehören(s.Tab.S.294).Angesichts<br />
dieser Verteilung sind, wie auch in den vorangegangen<br />
Legislaturperioden i. d. R. die beiden<br />
großen Fraktionen zur Zusammenarbeit gezwungen,<br />
um im Mitentscheidungsverfahren ein Gegenwicht<br />
zum Rat bei der Rechtsetzung bilden zu können.<br />
3. Arbeitsweise. Das Parlament tagt pro Jahr in 13 bis<br />
14 Plenarsitzungen, deren Arbeit in 20 ständigen<br />
�Ausschüssen (Angaben für 2005) vorbereitet wird.<br />
Außerdem kann das Parlament nichtständige Ausschüsse<br />
und Untersuchungsausschüsse einsetzen.<br />
ZweiWochensindfürSitzungenderAusschüsseund<br />
eine Woche für Sitzungen der Fraktionen in Brüssel<br />
reserviert; in dieser Zeit können in Brüssel weitere<br />
Plenarsitzungen stattfinden.<br />
Das Parlament wählt aus seiner Mitte den Präsidenten<br />
sowie die übrigen Mitglieder des Präsidiums (14<br />
Vizepräsidenten und fünf Quästoren für Verwaltungs-<br />
und Finanzaufgaben mit beratender Stimme).<br />
Der Präsident leitet die Sitzungen des Parlaments<br />
und seiner Gremien, übt wichtige Funktionen bei<br />
Aufstellung und Festsetzung des Haushalts aus und<br />
vertritt das Parlament gegenüber anderen Organen<br />
der Gemeinschaft und international. Das Präsidium<br />
ist das administrative Leitungsorgan und zuständig<br />
für den Haushalt des EP sowie für Personal- und Organisationsfragen.<br />
Das politische Leitungsorgan ist<br />
die Konferenz der Präsidenten – Präsident des EP<br />
und die Fraktionsvorsitzenden. Sie legt u. a. die Zuständigkeiten<br />
und die Zahl der Mitglieder der parla-<br />
Europäisches Parlament<br />
mentarischen Ausschüsse fest. Außerdem ist sie für<br />
Tagesordnung der Plenarsitzungen zuständig und<br />
prüft die Empfehlungen der Konferenz der Ausschussvorsitzenden<br />
zu den Arbeiten der Ausschüsse<br />
und zur Tagesordnung der Tagungen. Unter der Leitung<br />
eines Generalsekretärs sind rund 4 000 Beamtinnen<br />
und Beamte im Generalsekretariat der EP beschäftigt.<br />
Sie werden nach Auswahlverfahren in allen<br />
Mitgliedstaaten der Union eingestellt.<br />
Die Ausschüsse sind wichtig für die effektive Arbeit<br />
des Parlaments; denn sie beraten und bereiten vor die<br />
Stellungnahme des Parlaments zu Gesetzgebungsvorhaben.<br />
Die Ausschüsse entwickeln aber auch eigene<br />
Initiativen, mit denen sie auf den Prozess der<br />
Politikgestaltung einwirken.<br />
4. Kompetenzen. Die Funktionen des EP unterscheiden<br />
sich erheblich von denjenigen der Parlamente in<br />
Ständige Ausschüsse des EP<br />
in der 6. Legislaturperiode<br />
Interne Politikbereiche<br />
BUDG Haushalt<br />
CONT Haushaltskontrolle<br />
ECON Wirtschaft und Währung<br />
EMPL Beschäftigung und soziale Angelegenheiten<br />
ENVI Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit<br />
ITRE Industrie, Forschung und Energie<br />
IMCO Binnenmarkt und Verbraucherschutz<br />
TRAN Verkehr und Fremdenverkehr<br />
REGI Regionale Entwicklung<br />
AGRI Landwirtschaft und ländliche Entwicklung<br />
PECH Fischerei<br />
CULT Kultur und Bildung<br />
JURI Recht<br />
LIEBE Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres<br />
AFCO Konstitutionelle Fragen<br />
FEMM Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter<br />
PETI Petitionen<br />
Externe Politikbereiche<br />
AFET Auswärtige Angelegenheiten<br />
DROI Unterausschuss Menschenrechte<br />
SEDE Unterausschuss für Sicherheit und<br />
Verteidigung<br />
DEVE Entwicklung<br />
INTA Internationaler Handel<br />
Nichtständiger Ausschuss<br />
FINP Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel<br />
der erweiterten Union 2007– 2013<br />
291
Europäisches Parlament<br />
den Mitgliedstaaten. So gibt es keine europäische<br />
Regierung, die das Parlament einsetzen und kontrollieren<br />
könnte. Ebenso wenig gibt es Regierungsoder<br />
Oppositionsfraktionen. Die Sitzverteilung ist<br />
nicht proportional zur Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten,dadiekleinenStaatenüberrepräsentiert<br />
sind; insofern ist das Parlament auch nur bedingt ein<br />
repräsentatives Organ. Es fehlen ihm aber vor allem<br />
bislang weitgehend die gesetzgeberischen und politischen<br />
Möglichkeiten, um dem eigenen Anspruch<br />
gerecht zu werden, die Interessen der Bürger zu vertreten<br />
und die Politik der EU maßgeblich zu gestalten.<br />
Die Kompetenzen des Parlaments sind im VerlaufdesIntegrationsprozessesangewachsen.Grundsätzlich<br />
kann es über jede Frage der Gemeinschaft<br />
beraten und mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen<br />
Entschließungen fassen und diese den anderen<br />
292<br />
Gemeinschaftsorganen vorlegen. Die Palette der Befugnisse<br />
ist weitgefächert: allgemeine Beratungsund<br />
Kontrollbefugnisse, Mitwirkung bei der Gesetzgebung,<br />
Entscheidungsrechte in Haushaltsfragen,<br />
Fragerechte, Zustimmung bei Beitritts- und Assoziierungsabkommen,<br />
Misstrauensvotum gegenüber<br />
der Kommission, Wahl eines Bürgerbeauftragten<br />
und Beteiligungsformen außerhalb des EGV (Information<br />
über Handels- und Assoziierungsverträge,<br />
Fragerecht gegenüber GASP).<br />
4.1 Gesetzgebung. Die Befugnisse des Parlaments<br />
reichen von der �Anhörung über die �Zusammenarbeit(Art.252EGV)unddieobligatorischeKonsultation<br />
bis zur �Mitentscheidung im Gesetzgebungsverfahren<br />
(Art. 251 EGV). Das EP kann zwar von der<br />
Kommission die Einleitung von Gesetzgebungsverfahren<br />
verlangen (Art. 190 EGV), aber es hat nicht
das Recht zur förmlichen Gesetzgebungsinitiative.<br />
Beim Verfahren der Zusammenarbeit kann das EP –<br />
im Unterschied zur bloßen Anhörung – Gesetzesvorlagen<br />
abändern.<br />
Das Recht der Zusammenarbeit wurde durch die<br />
EU-Verträge weitgehend durch das Mitentscheidungsrecht<br />
(Art. 251 EGV) abgelöst. Die Mitentscheidung<br />
wurde auf Fälle erweitert, welche die<br />
�Freizügigkeit der Arbeitnehmer, freien Dienstleistungs-<br />
und freien Kapitalverkehr (�Binnenmarkt),<br />
den Erlass von Maßnahmen in Bereichen des Verkehrs,<br />
die Angleichung von Rechtsvorschriften, die<br />
Politikbereiche allgemeine Bildung, Gesundheitswesen,<br />
Verbraucherschutz, Beschlussverfahren zur<br />
Forschungspolitik und allgemeine Aktionsprogrammen<br />
im Umweltschutz betreffen. Mit dem Vertrag<br />
von Amsterdam wurde das Verfahren der Zusammenarbeit<br />
zwischen Kommission, Rat und Parlament<br />
bis auf den Bereich der �Wirtschafts- und Währungsunion<br />
in das Mitentscheidungsverfahren überführt;<br />
diese Mitentscheidungsrechte wurden im<br />
Amsterdamer Vertrag um 25 Fälle erweitert. Der<br />
Vertrag von Nizza sieht zusätzliche neun Fälle des<br />
Mitentscheidungsrechts vor, die teilweise erst zu einem<br />
späteren Zeitpunkt oder nach einem einstimmigenBeschlussdesRatinKrafttreten.ImUnterschied<br />
zum Verfahren der Zusammenarbeit, in dem der Rat<br />
die Meinung des Parlaments zur Kenntnis nimmt,<br />
aber letztlich allein entscheidet, ist beim Verfahren<br />
der Mitentscheidung das EP gleichberechtigter Partner<br />
des Rates. Es kann – gestützt auf eine Empfehlung<br />
des zuständigen Ausschusses – mit der absoluten<br />
Mehrheit seiner Mitglieder einen geplanten<br />
Rechtsakt ablehnen. Lehnt der Rat seinerseits Abän-<br />
Europäisches Parlament<br />
derungsanträge des EP ab, tritt ein �Vermittlungsausschuss<br />
zusammen, dem Mitglieder des Rates und<br />
des EP angehören, um zu einer Einigung in Form einesgemeinsamenEntwurfszugelangen.Dieserparitätisch<br />
besetzte Vermittlungsausschuss, an dessen<br />
Arbeiten die Kommission teilnimmt, befasst sich<br />
ausdrücklich „mit dem gemeinsamen Standpunkt<br />
auf der Grundlage der vom Europäischen Parlament<br />
vorgeschlagenen Abänderungen“ (Art. 251 Abs. 4<br />
EGV). Vor dem Amsterdamer Vertrag konnte sich<br />
der Rat darüber hinwegsetzen, wenn er schon vor der<br />
Eröffnung des Vermittlungsverfahrens mit qualifizierter<br />
Mehrheit den gemeinsamen Standpunkt bestätigte<br />
(ex-Art. 189 b EGV). Mit dem Amsterdamer<br />
Vertrag ist das Mitentscheidungsverfahren insofern<br />
gestrafft worden, als die dritte Lesung wegfällt bzw.<br />
im Falle der Einigung von Rat und EP zu Beginn des<br />
Rechtsetzungsprozesses das Verfahren abgekürzt<br />
wird.<br />
4.2 Kontrollfunktionen. Das Parlament übt mit den<br />
EU-Verträgen im weiten Sinne eine Kontrolle über<br />
die Tätigkeit aller Organe der EU einschl. des Europäischen<br />
Rates aus. Das EP spielt eine maßgebliche<br />
Rolle bei der Einsetzung der Kommission. Es billigt<br />
die Ernennung des Kommissionspräsidenten, führt<br />
Anhörungen der designierten Kommissionsmitglieder<br />
durch und entscheidet darüber, ob es der Kommission<br />
insgesamt sein Vertrauen ausspricht. Nach<br />
Art. 201 EGV besitzt das EP das Recht, durch Misstrauensantrag<br />
mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Kommission<br />
zum Rücktritt zu zwingen. In der Praxis hat<br />
das Parlament bisher davon keinen Gebrauch gemacht,<br />
zumal dieser Schritt in seinen Konsequenzen<br />
nichtvergleichbarmitdemRücktritteinerRegierung<br />
293
Europäisches Parlament<br />
auf nationaler Ebene wäre; denn die Kommission der<br />
EU besitzt nur begrenzte Exekutivgewalt, und der eigentliche„Gegenspieler“desParlaments,derRat,ist<br />
hierdurch rechtlich nicht zu treffen.<br />
KontrollrechtegegenüberdemRathatdasParlament<br />
im �Haushaltsverfahren. Die Kontrollfunktion des<br />
EP wurde im Amsterdamer Vertrag auf die Zuverlässigkeitserklärung<br />
des Rechnungshofes ausgedehnt<br />
(Art. 276 Abs. 1 EGV).<br />
DasParlamentrichtetAnfragenandenRatundandie<br />
Kommission;dieOrganesindzurBeantwortungverpflichtet.<br />
Seit dem Amsterdamer Vertrag kann das<br />
Fraktionen im EP – 6. Wahlperiode (Stand: September 2005)<br />
294<br />
27<br />
267<br />
15<br />
201<br />
89<br />
EP auch den �Ausschuss der Regionen (Art. 265<br />
EGV), die �EZB und den �Wirtschafts- und Sozialausschuss(Art.262EGV)anhören.AufAntrageines<br />
Viertels seiner Mitglieder kann es einen Untersuchungsausschuss<br />
einsetzen, der Verstöße anderer<br />
Organe und Institutionen gegen das Gemeinschaftsrecht<br />
oder Missstände bei der Anwendung desselben<br />
prüft (Art. 193 EGV). Eine indirekte Kontrolle übt<br />
das EP durch Beauftragung des Europäischen<br />
�Rechnungshofes zur Abgabe von Stellungnahmen<br />
(Art. 248 EGV) aus. Das EP besitzt weiterhin Klagerechtvordem<br />
Europäischen�Gerichtshof.NachArt.<br />
1<br />
2<br />
10 4<br />
10<br />
36<br />
Quelle: Europäisches Parlament;<br />
www.europarl.eu.int/members/expert/groupAndCountry.do<br />
4<br />
5
194 EGV kann jeder Bürger eine Petition an das Europäische<br />
Parlament richten.<br />
4.3 Haushaltsrechte. Das Parlament ist an der Aufstellung,<br />
Beratung und Verabschiedung des Haushalts<br />
beteiligt. Es bildet zusammen mit dem Rat die<br />
Haushaltsbehörde. Nach Art. 272 EGV kann das Parlament<br />
aus wichtigen Gründen den von der Kommission<br />
vorgelegten Entwurf des Haushaltsplans ablehnen<br />
und die Vorlage eines neuen Entwurfs verlangen.<br />
Diese Kompetenz wird in der Praxis dadurch<br />
eingeengt, dass die Gemeinschaft bis zur Verabschiedung<br />
eines neuen Haushalts mit einem provisorischen<br />
Haushalt (Art. 273 EGV) wirtschaften kann.<br />
Das Parlament hat das Haushaltsbewilligungsrecht<br />
(Änderungsrecht) für nicht zwingend gesetzlich vorgeschriebene<br />
Ausgaben und kann bei �obligatorischen<br />
Ausgaben Änderungen vorschlagen. Nach<br />
Art. 276 Abs. 2 EGV kann das Parlament „vor der<br />
Entlastung der Kommission sowie auch zu anderen<br />
Zwecken im Zusammenhang mit der Ausübung seiner<br />
Haushaltsbefugnisse die Kommission auffordern,<br />
Auskunft über die Vornahme der Ausgaben<br />
oder die Arbeitsweise der Finanzkontrollsysteme zu<br />
erteilen“. Über seinen Haushaltskontrollausschuss<br />
prüft das EP, gestützt auf die Berichte des Europäischen<br />
Rechnungshofs, die Verwendung der Haushaltsmittel.<br />
Gegenwärtig befassen sich EP und Rat in zwei Lesungen<br />
mit dem Haushalt. Nach dem Inkrafttreten<br />
des Verfassungsvertrags wird es nur noch eine Lesung<br />
geben. Außerdem wird die zur Zeit geltende<br />
Unterscheidung zwischen Ausgaben, bei denen des<br />
EP das letzte Wort hat, und solchen, bei denen dies<br />
dem Rat zukommt, abgeschafft. Wie im Gesetzge-<br />
Europäisches Parlament<br />
bungsverfahren ist bei unterschiedlichen Positionen<br />
von Parlament und Rat ein Vermittlungsausschuss<br />
vorgesehen. Die Verabschiedung des Haushalts bedarf<br />
der Zustimmung durch das EP.<br />
4.5 Entscheidungsbefugnisse. Das EP ist nach dem<br />
Amsterdamer Vertrag in Entscheidungsprozesse der<br />
Gemeinschaft durch Anhörung, Mitentscheidung<br />
und Zustimmung eingebunden. Es ist beteiligt an der<br />
Ausarbeitung der Richtlinien, Verordnungen und<br />
Beschlüsse der Gemeinschaft. Nach Art. 251 EGV<br />
kann das Parlament letztlich die Verabschiedung eines<br />
�Rechtsaktes verhindern.<br />
Die Zustimmung des Parlaments ist erforderlich bei<br />
�Erweiterung der Gemeinschaft und bei Abkommen<br />
mit Drittländern, ferner bei Ernennung der Kommission,<br />
bei Rechtsakten zur Freizügigkeit der Unionsbürger<br />
(Art. 18 EGV), zur Aufsicht über Kreditinstitute<br />
(Art. 105 EGV), zur Änderung der Aufgaben der<br />
Strukturfonds (Art. 161 EGV) und für ein einheitliches<br />
Wahlverfahren (Art. 190 EGV). Mit dem AmsterdamerVertragistauchdieZustimmungdesEPbei<br />
der Ernennung des Kommissionspräsidenten (Art.<br />
214 Abs. 2 EGV) und im Falle von Sanktionen bei<br />
Verletzung von Grundrechten durch ein Mitgliedsland<br />
(Art. 7 EUV) erforderlich.<br />
An der Weiterentwicklung der Gemeinschaft ist das<br />
Parlament außerdem über Art. 192 EGV insofern beteiligt,<br />
als es die Kommission auffordern kann, „geeignete<br />
Vorschläge zu Fragen zu unterbreiten, die<br />
nach seiner Auffassung die Ausarbeitung eines Gemeinschaftsakts<br />
zur Durchführung dieses Vertrags<br />
erfordern“.<br />
5. Modelle für die Entwicklung des EP. Die Trans-<br />
European Policy Studies Association (TEPSA), der<br />
Fraktionen im EP 1979–1984 Fraktionen im EP 1984–1989<br />
(Stand: März 1984) (Stand: März 1989)<br />
Sozialistische Fraktion<br />
Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />
(Christlich-demokratische Fraktion)<br />
Fraktion der Europäischen Demokraten<br />
Fraktion der Kommunisten<br />
Liberale und Demokratische Fraktion<br />
Fraktion der Europäischen Demokraten<br />
für den Forschritt<br />
Fraktion für die technische Koordinierung<br />
der unabhängigen Gruppen und<br />
Abgeordneten<br />
Fraktionslos<br />
Insgesamt<br />
124<br />
117<br />
63<br />
48<br />
38<br />
22<br />
12<br />
10<br />
434<br />
Sozialistische Fraktion<br />
Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />
(Christlich-demokratische Fraktion)<br />
Fraktion der Europäischen Demokraten<br />
Fraktion der Kommunisten<br />
Liberale und Demokratische Fraktion<br />
Fraktion der Sammlungsbewegung der<br />
Europäischen Demokraten<br />
Regenbogenfraktion (Grüne)<br />
Fraktion der Europäischen Rechten<br />
Fraktionslos<br />
Insgesamt<br />
166<br />
113<br />
66<br />
48<br />
46<br />
29<br />
20<br />
16<br />
14<br />
518<br />
295
Europäisches Parlament<br />
Forschungsinstitute aus fast allen Mitgliedstaaten<br />
angehören, stellte 1988 vier Modelle vor. Die Studie<br />
orientiertsichandendreiAufgabenbereichen,dieals<br />
Funktion des EP definiert werden können:<br />
– Gestaltung der Politiken der Gemeinschaft durch<br />
Initiativen, Entscheidung und Kontrolle,<br />
– Weiterentwicklung der Gemeinschaft durch Systemgestaltungsfunktionen,<br />
die auf Entscheidungsverfahren<br />
und Neuordnung der Zuständigkeiten abzielen,<br />
um die Gemeinschaft effizienter und demokratischer<br />
zu gestalten,<br />
– Interaktion mit den Wählern durch Artikulation<br />
von Wählerinteressen, Bündelung von Interessen<br />
undMobilisierungderBürgerfürwichtigeAnliegen.<br />
Es bieten sich folgende Modelle an:<br />
a) „Forum“: ein Gesprächsforum, in dem Interessen<br />
artikuliert, Initiativen entwickelt und Lösungsvorschläge<br />
gesucht werden, die dann von anderen Institutionen<br />
umgesetzt werden. Modell eines solchen repräsentativen<br />
Beratungsgremiums ist die Parlamentarische<br />
Versammlung des �Europarats.<br />
b) Beim Modell „Legislative“ ist das Parlament die<br />
gesetzgebende Gewalt in einem gewaltenteiligen<br />
System. Ein Beispiel hierfür liefert der amerikanische<br />
Kongress.<br />
c) Beim Modell „Gubernative“ wählt das Parlament<br />
die Regierung mit Kompetenzen, wie sie der Deutsche<br />
Bundestag besitzt; d. h. Parlamentsmehrheit<br />
und Regierung bilden eine Handlungseinheit bei der<br />
Verfolgung politischer Ziele.<br />
d) Beim Modell „Mitgestalter“ ist das Parlament an<br />
der Entscheidung beteiligt und verfügt insgesamt<br />
übersovieleMachtmittel,dassdieanderenEntscheidungsträgerseineAnliegennichtignorierenkönnen.<br />
296<br />
Die Rolle des EP hat sich seit der EEA in Richtung<br />
auf „Mitgestalter“ entwickelt. Nach dem Inkrafttreten<br />
des Vertrages über die EU und dem Ingangsetzen<br />
der Umstrukturierung in Richtung auf die Wirtschafts-<br />
und Währungsunion sowie dem Kompetenzzuwachs<br />
der Gemeinschaft in vielen Politikbereichen<br />
bedarf die EU zusätzlicher demokratischer<br />
Legitimation. Der Verlust an Kompetenzen und damit<br />
an Demokratie auf nationaler Ebene muss durch<br />
einen Gewinn an Demokratie auf Gemeinschaftsebene<br />
aufgehoben werden. Dies kann vor allem<br />
durch Stärkung des EP gegenüber der Exekutive geschehen.<br />
In der geänderten Fassung des EGV ist dies<br />
nur teilweise geschehen, vor allem durch die Ausweitung<br />
des Mitbestimmungsverfahrens. Jedoch<br />
wurden die Entscheidungsbefugnisse des EP noch<br />
nicht in dem Maße erweitert, dass das aus Parlamentssicht<br />
wichtigste Reformziel der Demokratisierung<br />
der Gemeinschaft bereits verwirklicht werden<br />
konnte. Erste Ansätze in dieser Richtung beinhalten<br />
die �interinstitutionellen Vereinbarungen vom 25.<br />
10.1993,diejedochaufderAmsterdamerKonferenz<br />
noch nicht weiter entwickelt wurden. Einen Impuls<br />
für die Entwicklung von EP und Kommission in<br />
Richtung auf die staatsrechtliche Stellung von Parlament<br />
und Regierung, wie sie in den einzelnen Mitgliedstaaten<br />
gehandhabt wird, stellt die Zustimmung<br />
des EP bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten<br />
dar, dessen politische Legitimation dadurch<br />
gestärkt wird, während zugleich die KontrollbefugnissedesEPgegenüberderKommissionaufgewertet<br />
werden.<br />
6. Perspektive. Vorschläge, die in der Vorbereitung<br />
der Regierungskonferenz 1996 formuliert wurden<br />
Fraktionen im EP 1989 – 1994 Fraktionen im EP 1994 – 1999<br />
(Stand: März 1994) (Stand: 16. Juli 1998)<br />
Fraktion der Sozialdemokratischen<br />
Partei Europas<br />
Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />
(Christlich-demokratische Fraktion)<br />
Liberale und Demokratische Fraktion<br />
Fraktion Die Grünen im EP<br />
Fraktion der Sammlungsbewegung der<br />
Europäischen Demokraten<br />
Rogenbogen-Fraktion<br />
Koalition der Linken<br />
Technische Fraktion der Europäischen<br />
Rechten<br />
Fraktionslos<br />
Insgesamt<br />
197<br />
162<br />
44<br />
28<br />
20<br />
16<br />
13<br />
12<br />
16<br />
518<br />
Fraktion der Sozialdemokratischen<br />
Partei Europas<br />
Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />
(Christlich-demokratische Fraktion)<br />
Fraktion Union für Europa<br />
Liberale und Demokratische Fraktion<br />
Konföderale Fraktion der Vereinigten<br />
Linken/Nordische Grüne Linke<br />
Fraktion DIE GRÜNEN im EP<br />
Fraktion der Radikalen Europäischen<br />
Allianz<br />
Fraktion der Unabhängigen für das<br />
Europa der Nationen<br />
Fraktionslos<br />
Insgesamt<br />
214<br />
200<br />
36<br />
41<br />
34<br />
27<br />
20<br />
18<br />
36<br />
626
und die auf eine weitergehende Demokratisierung<br />
und institutionelle Reform der Gemeinschaft abzielten,<br />
fanden im Amsterdamer Vertrag keinen Niederschlag.<br />
So konnte man sich nicht darüber einigen,<br />
dem EP Zustimmungsrechte für die vorläufige Anwendung<br />
oder Aussetzung von internationalen<br />
Übereinkommen (hier wird das EP nach Art. 300<br />
EGV nachträglich informiert) und bei der Reform<br />
des Vertragswerks (Art. 48 EUV) zu gewähren.<br />
AuchderVertragvonNizzabrachtekeineFortschritte.DerheutenochgültigeinstitutionelleAufbauderGemeinschaft<br />
wurde für die ursprünglich sechs Gründerstaaten<br />
und für wesentlich geringere Aufgabenbereiche<br />
entworfen. Er ist zwischenzeitlich durch<br />
mehrere Ergänzungsverträge immer undurchschaubarer<br />
geworden. Um einer drohenden Funktionsunfähigkeit<br />
bei Rat und Kommission angesichts der Erweiterung<br />
der Gemeinschaft auf 25 und künftig 27<br />
oder 28 Mitgliedsländer entgegenzuwirken, hat das<br />
EP erstmals bereits am 17. 11. 1993 gefordert, umfassende<br />
Reformen in Angriff zu nehmen. Der Institutionelle<br />
Ausschuss des Parlaments unter dem Vorsitz<br />
des Belgiers Fernand Herman legte den Entwurf<br />
über eine Verfassung der Europäischen Union vor,<br />
den das EP am 10. 2. 1994 als Diskussionsgrundlage<br />
verabschiedete. Dieses ausgesprochen bürgerfreundliche,<br />
wenn auch noch in vielen Bestimmungen<br />
unvollständige und unklar formulierte Dokument<br />
enthält in 47 Artikeln die Grundsätze und Zuständigkeiten,<br />
den institutionellen Rahmen, die Auf-<br />
gabenundEntscheidungsmechanismenderGemeinschaft<br />
sowie einen Menschenrechtskatalog.<br />
EinegroßeBedeutungkommtdemParlamentbereits<br />
heute für ein �Europa der Bürger zu. Indem die Parteien<br />
im EP klarere politische Profile entwickeln und<br />
die direkt gewählten Parlamentarier dem Bürger das<br />
Gefühl vermitteln, stärker als bisher an Entscheidungsprozessen<br />
beteiligt zu sein, können vom Parlament<br />
wichtige Impulse ausgehen. In diese Richtung<br />
zielen Verfassungsentwürfe und Reformvorschläge<br />
aus den Reihen des Parlaments, die bereits in der Entschließung<br />
vom 14. 3. 1990 aufgelistet sind: Mitentscheidungs-undInitiativrechtbeiderGesetzgebung,<br />
Wahlrecht für den Präsidenten der Kommission, Zustimmungsrecht<br />
zur Ernennung anderer Institutionen<br />
(Kommission, Europäischer Gerichtshof, Europäischer<br />
Rechnungshof), umfassendes Untersuchungsrecht,<br />
Mitentscheidung bei allen wesentlichen<br />
außenpolitischen Verträgen und bei HandelsabkommensowiedasRechtaufRatifizierungkonstitutioneller<br />
Rechtsakte. Diese Vorschläge konnten<br />
bislang nur teilweise umgesetzt werden.<br />
Der �Verfassungsvertrag 2004 für Europa bringt<br />
nach Inkrafttreten insofern Fortschritte bei der Behebung<br />
des häufig beklagten �Demokratiedefizits, als<br />
alle Beratungen des Ministerrates, die Gesetzgebungsfragen<br />
betreffen, wie bereits gegenwärtig die<br />
Sitzungen des Parlaments öffentlich sein werden.<br />
Die gleichberechtigte Mitentscheidung von Parlament<br />
und Ministerrat wird zur Regel im Gesetzgebungsverfahren<br />
(Art. I-33 Abs. 2 und Art. I-34 VVE,<br />
Fraktionen im EP 1999 – 2004* Fraktionen im EP seit 2004<br />
(Stand: 21. Sept. 1999)<br />
*ab 1. 5. 2004: 785 Abgeordnete<br />
(Stand: September 2005)<br />
Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />
Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />
(Christdemokraten) und euro-<br />
(Christdemokraten) und europäischer<br />
Demokraten<br />
233<br />
päischer Demokraten<br />
Fraktion der Sozialdemokratischen<br />
Sozialdemokratische Fraktion im<br />
Partei Europas<br />
180<br />
Europäischen Parlament<br />
Fraktion der Liberalen und Demokra-<br />
Fraktion der Allianz der Liberalen und<br />
tischen Partei Europas<br />
50<br />
Demokraten für Europa<br />
Fraktion der Grünen / Freie Europäische<br />
Allianz<br />
48<br />
Fraktion der Grünen / Freie Europäische<br />
Allianz<br />
Konföderale Fraktion der Vereinigten<br />
Konföderale Fraktion der Vereinigten<br />
Europäischen Linken / Nordische<br />
Linken / Nordische Grüne Linke<br />
Grüne Linke<br />
42 Fraktion Unabhängigkeit / Demokratie<br />
Fraktion Union für das Europa der<br />
Fraktion Union für das Europa der<br />
Nationen<br />
30<br />
Nationen<br />
Fraktion für das Europa der Demokra-<br />
Fraktionslos<br />
tien und der Unterschiede<br />
16<br />
Fraktionslos<br />
27<br />
Insgesamt<br />
626 Insgesamt<br />
Europäisches Parlament<br />
267<br />
201<br />
89<br />
42<br />
41<br />
36<br />
27<br />
29<br />
732<br />
297
Europäisches Parlament<br />
„ordentliches Gesetzgebungsverfahren“). Zur Stärkung<br />
von Demokratie und Bürgernähe trägt auch bei,<br />
dass künftig der Kommissionspräsident auf Vorschlag<br />
des Europäischen Rates „unter Berücksichtigung<br />
der Wahlen zum Europäischen Parlament“ und<br />
„im Anschluss an entsprechende Konsultationen“<br />
vom EP mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt<br />
wird (Art. I- 27 Abs. 1 VVE).<br />
Vergleicht man jedoch die Entwicklung der Entscheidungsverfahren<br />
in den Verträgen der EU seit<br />
Maastricht mit dem Verfassungsvertrag 2004 unter<br />
dem Aspekt der Beteiligungsformen des EP, so zeigt<br />
sich, dass die Einflussmöglichkeiten quantitativ<br />
kaum zunehmen: In 68 Einzelbestimmungen des<br />
Verfassungsvertrags fassen Rat und Europäischer<br />
Rat ihre Beschlüsse einstimmig; in 32 dieser Fälle ist<br />
das EP nicht beteiligt, in 24 wird es konsultiert. Bei<br />
Beschlüssen mit �qualifizierter Mehrheit in insgesamt<br />
173 Einzelbestimmungen ist das EP in 78 dieser<br />
Fälle über das Mitentscheidungs- bzw. Gesetzgebungsverfahren<br />
beteiligt, in 10 Fällen muss es zustimmen,<br />
in 19 Fällen wird es angehört und in 51 Fällen<br />
nicht beteiligt. In 90 Fällen kann der Rat Maßnah-<br />
298<br />
Europäisches Parlament vor der Direktwahl:<br />
1958–1960 Robert Schuman<br />
1960–1962 Hans Furler<br />
1962–1964 Gaetano Martino<br />
1964–1965 Jean Duvieusart<br />
1965–1966 Victor Leemans<br />
1966–1969 Alain Poher<br />
1969–1971 Mario Scelba<br />
1971–1973 Walter Behrendt<br />
1973–1975 Cornelis Berkhouwer<br />
1975–1977 Georges Spénale<br />
1977–1979 Emilio Colombo<br />
Europäisches Parlament seit der Direktwahl:<br />
1979–1982 Simone Veil<br />
1982–1984 Pieter Dankert<br />
1984–1987 Pierre Pflimlin<br />
1987–1989 Lord Henry Plumb<br />
1989–1992 Enrique Barón Crespo<br />
1992–1994 Egon Klepsch<br />
1994–1997 Klaus Hänsch<br />
1997– 1999<br />
José María Gil-Robles<br />
1999–2002<br />
Nicole Fontaine<br />
2002–2004 Pat Cox<br />
seit 2004 Josep Borrell Fontelles<br />
men beschließen, ohne das Parlament in irgendeiner<br />
Form zu beteiligen.<br />
Trotz vielfältiger Bemühungen hat das EP weiterhin<br />
Probleme, seine Stellung im institutionellen Gefüge<br />
der EU, seine Funktion, Aufgaben und Arbeitsweise<br />
dem Bürger zu vermitteln, der sich vielmehr einem<br />
immer komplizierteren Vertragswerk gegenübergestellt<br />
sieht. Es ist noch viel zu wenig in das Bewusstsein<br />
des Bürgers gedrungen, dass das EP durchaus<br />
bereitsFunktionendes„Mitgestalters“wahrnimmt.<br />
U. M.<br />
Anschriften:<br />
Allée du Printemps, B.P. 1024/F, F–67070 Strasbourg Cedex;<br />
Rue Wirtz, B–1047 Bruxelles; Plateau du Kirchberg,<br />
B.P. 1601, L–2929 Luxemburg<br />
Internet: http://www.europarl.eu.int<br />
Literatur:<br />
Corbett, R./ Jacobs, F./ Shackleton, M.: The European<br />
Parliament. London 2000 4<br />
Maurer, A./Wessels, W.: Das Europäische Parlament nach<br />
Amsterdam und Nizza. Akteur, Arena und Alibi.<br />
Baden-Baden 2002<br />
Schmuck, O.: Das Europäische Parlament: Vom Gesprächsforum<br />
zum Mitgestalter europäischer Politik. Bonn 1989<br />
Wessels, W.: Das politische System der EU. In: W. Weidenfeld<br />
(Hg.), Europahandbuch, Bd. 1, Gütersloh 2004, S. 83 – 108<br />
Präsidenten des Europäischen Parlaments<br />
Gemeinsame Versammlung der EGKS:<br />
1952–1954 Paul-Henri Spaak<br />
Belgien<br />
1954 Alcide de Gasperi<br />
Italien<br />
1954–1956 Giuseppe Pella<br />
Italien<br />
1956–1958 Hans Furler<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Frankreich<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Italien<br />
Belgien<br />
Belgien<br />
Frankreich<br />
Italien<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Niederlande<br />
Frankreich<br />
Italien<br />
Frankreich<br />
Niederlande<br />
Frankreich<br />
Großbritannien<br />
Spanien<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Bundesrepublik Deutschland<br />
Spanien<br />
Frankreich<br />
Irland<br />
Spanien
Europäisches Parteienstatut �Regelungen für<br />
die politischen Parteien auf europäischer Ebene<br />
EuropäischesPatentamt(EPA)<br />
1. Begriffserklärung und Entstehung<br />
1.1 Beschreibung: Das EPA ist das Exekutivorgan<br />
der Europäischen Patentorganisation, deren Mitglieder<br />
die Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens<br />
sind. Seine Hauptaufgabe besteht<br />
in der Erteilung europäischer Patente in einem einheitlichen,<br />
zentralisierten Verfahren. Die europäischen<br />
Patente sollen in jedem der Vertragsstaaten,<br />
für die sie erteilt werden, dieselbe Wirkung haben<br />
und denselben Bedingungen unterliegen wie ein in<br />
dem entsprechenden Staat erteiltes nationales Patent.<br />
Das europäische Patent hat eine Laufzeit von 20<br />
Jahren. Bis zur Erteilung eines Patents vergehen im<br />
Durchschnitt knapp vier Jahre. Das Verfahren<br />
schreibt die Einhaltung bestimmter Fristen vor, die<br />
der Verständigung zwischen Anmelder und Amt dienen.<br />
1.2 Entstehung: Rechtsgrundlage für das Europäische<br />
Patentamt bildet das am 5. 10. 1973 in München<br />
unterzeichnete Europäische Patentübereinkommen.<br />
Es ist mit dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit<br />
auf dem Gebiet des Patentwesens<br />
(PCT) verknüpft, der in über 100 Ländern ein einheitliches,<br />
vereinfachtes Patentanmeldeverfahren<br />
bietet. Im November 2000 fand in München eine<br />
Konferenz der Vertragsstaaten zur Revision des Europäischen<br />
Patentübereinkommens (EPÜ) statt. Die<br />
Revision soll die Handlungsfähigkeit auch nach der<br />
�Osterweiterung der EU sicherstellen, aber auch der<br />
Entwicklung von Recht und Technik in den letzten<br />
30 Jahren Rechnung tragen. Die Ratifikation ist noch<br />
nicht abgeschlossen (April 2005). Das EPÜ tritt voraussichtlich<br />
2006/7 in Kraft.<br />
1.3 Patentierung: Patentierung bedeutet Erfindungsschutz.<br />
Das Patent ist ein Rechtstitel, der dem<br />
PatentinhaberdasausschließlicheRechtverleiht,die<br />
patentierte Erfindung auf einem bestimmten räumlichen<br />
Gebiet für eine befristete Zeit zu nutzen, indem<br />
er andere u. a. von der Herstellung, dem Verkauf und<br />
dem Gebrauch dieser Erfindung ohne seine Zustimmung<br />
ausschließen kann. Voraussetzungen für eine<br />
PatentierbarkeitnachdemEuropäischenPatentübereinkommen<br />
sind:<br />
a)Neuheit(eineErfindunggiltalsneu,wennsienicht<br />
zum Stand der Technik gehört),<br />
Europäisches Patentamt<br />
b) erfinderische Tätigkeit (eine Erfindung gilt als auf<br />
einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie<br />
sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise<br />
aus dem Stand der Technik ergibt),<br />
c) gewerbliche Anwendbarkeit.<br />
Aus einer Patentierung erwächst auch die Pflicht der<br />
vollständigen, öffentlich einsehbaren Dokumentation<br />
des Patentgegenstands. Etwa 80 % alles weltweit<br />
vorhandenen technischen Wissens kann in Patentdokumenten<br />
gefunden werden. Die Kosten für ein<br />
durchschnittliches Europäisches Patent (z. B. gültig<br />
in acht Staaten, Wirkung nach vier Jahren) betragen<br />
ca. 5 000 Euro.<br />
2. Gegenstandsbeschreibung<br />
2.1 Strukturdaten: Das EPA hat seinen Sitz in MünchensowieeineZweigstelleinDenHaagundDienststellen<br />
in Berlin und Wien. Seit 2003 unterhält es ein<br />
Verbindungsbüro zu den EU-Institutionen in Brüssel.<br />
Gegenwärtig sind der Europäischen Patentorganisation<br />
31 Staaten angeschlossen. Zu den Mitgliedstaaten<br />
gehören: Belgien, Deutschland, Dänemark,<br />
Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien,<br />
Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, die Niederlande,<br />
Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, die<br />
Schweiz, das Vereinigte Königreich und Zypern.<br />
Der Mitgliederbestand erweiterte sich 2002/3 um<br />
Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Litauen,<br />
Ungarn, Polen, Rumänien, Slowenien, die<br />
Slowakei und Island. Die Türkei wurde 2000 Mitglied,<br />
ebenso Lettland. Mit Malta und Norwegen<br />
wurden Beitrittsverfahren aufgenommen. Das Übereinkommen<br />
steht allen europäischen Staaten zur Ratifizierung<br />
und zum Beitritt offen. Bilateral abgeschlossene<br />
Abkommen ermöglichen es dem Antragsteller,<br />
den Geltungsbereich von Patenten auch auf<br />
Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien,<br />
Lettland, Mazedonien, Serbien und Montenegro zu<br />
erweitern.<br />
Der Gesamtpersonalbestand (2005) des Patentamts<br />
beträgt etwa 5 920; davon arbeiten ca. 3 100 in München,<br />
2 700 in Den Haag, 270 in Berlin und die übrigen<br />
– etwa 100 – in Wien. Was die nationale Zusammensetzung<br />
der Mitarbeiter betrifft, so nimmt<br />
Deutschland mit etwa einem Viertel eine führende<br />
Stellung ein, gefolgt von Frankreich (17 %), den Niederlanden<br />
(11 %) und dem Vereinigten Königreich<br />
(ca. 9 %). Das EPA ist finanziell autonom – im Wesentlichen<br />
durch Einnahmen aus Gebühren der Anmelder<br />
und Patentinhaber, Jahres-, Beschwerdege-<br />
299
Europäisches Patentamt<br />
bühren–undträgtdiebeiderErfüllungseinerAufgaben<br />
anfallenden Ausgaben selbst.<br />
Im Jahr 2003 wurden etwa 160 000 Patentanmeldungen<br />
eingereicht. Es ist ein enormer Anstieg an Anmeldungen<br />
seit 1995 zu verzeichnen. 2003 wurden<br />
knapp 60 000 europäische Patente erteilt (+27 % gegenüber<br />
2002). Medizin- und elektrische Nachrichtentechnik<br />
stellen mit jeweils ca. 10 % die anmeldestärksten<br />
Bereiche dar. Der Haushalt des EPA für<br />
2004 hatte ein Volumen von gut 1,1 Mrd. Euro.<br />
2.2 Aufbau: Dem EPA steht ein Präsident vor. Der<br />
Verwaltungsrat ist das Legislativorgan der Europäischen<br />
Patentorganisation. Er setzt sich aus Vertretern<br />
der Vertragsstaaten zusammen und überwacht<br />
die Durchführung der dem EPA obliegenden Aufgaben.<br />
Der Verwaltungsrat tritt in der Regel zweimal<br />
jährlich zu einer Plenartagung zusammen. Daneben<br />
hat er mehrere Arbeitsgremien, darunter einen Haushalts-<br />
und Finanzausschuss, eine Arbeitsgruppe Statistik<br />
und eine Arbeitsgruppe Technische Information.<br />
Der Verwaltungsrat ist zur Änderung bestimmter<br />
Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens<br />
befugt und legt die Politik der Europäischen<br />
Patentorganisation fest. Er entscheidet über ihren<br />
Haushalt und kann den Präsidenten des Amts ermächtigen,<br />
mit anderen internationalen Organisationen<br />
oder Staaten Abkommen auszuhandeln und zu<br />
schließen. Das EPA gliedert sich in fünf Generaldirektionen:<br />
Recherche und Dokumentation; Prüfung<br />
und Einspruch; Beschwerden; Verwaltung; Recht<br />
und internationale Angelegenheiten.<br />
Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit Japan<br />
und den Vereinigten Staaten, zumal das EPA, das japanische<br />
Patentamt und das Patent- und Markenamt<br />
derVereinigtenStaatenüber90%derweltweitangemeldeten<br />
und angewandten Patentrechte verwalten.<br />
Seit1983unterhaltendiedreiPatentämtereineregelmäßige<br />
Zusammenarbeit, die auch Automatisierungs-<br />
und gemeinsame Datenbank-Projekte mit<br />
einschließt. Die Kooperation des EPA erstreckt sich<br />
darüber hinaus auf fast alle Regionen der Welt:<br />
Asien,Lateinamerika,Afrika,GUS,MOE-Staaten.<br />
Mit der Einführung des europäischen Patentsystems<br />
sind immer mehr Unternehmen dazu übergegangen,<br />
Innovationsschutz durch Patente als Wettbewerbsfaktor<br />
in ihre Firmenstrategie einzubeziehen. Besonders<br />
mit der Einführung des Europäischen �Binnenmarktes<br />
gewinnen die wirtschaftlichen Argumente<br />
für den Patentschutz an Bedeutung. Zu den offen-<br />
300<br />
sichtlichen Vorteilen für Patentanmelder gehören<br />
ein reduzierter Zeit- und Kostenaufwand, die Einheitlichkeit<br />
der Patentfassung für eine Vielzahl von<br />
Vertragsdaten, die Erleichterung der Durchsetzung<br />
der Patentrechte sowie die allgemeine internationale<br />
Anerkennung des europäischen Patents. Auch die<br />
Vertragsstaaten haben deutliche Vorteile, indem<br />
Doppelarbeit vermieden und über eine intensive Zusammenarbeit<br />
auf dem Gebiet der PatentdokumentationeineguteAllgemeinübersichtgeschaffenwird.<br />
Betrachtet man die Anzahl der erteilten Patente nach<br />
Ursprungsländern (2003), so fällt auf, dass mit<br />
22,38 % ein überproportional hoher Anteil an<br />
Deutschland ging, gefolgt von Frankreich (8,01 %),<br />
dem Vereinigten Königreich (4,47 %), der Schweiz<br />
(3,99 %), Italien (3,69 %) und den Niederlanden<br />
(2,89 %). Unter den Nicht-Mitgliedstaaten liegt die<br />
USA mit 25,15 % erteilter europäischer Patente an<br />
der Spitze, gefolgt von Japan mit 17,15 %.<br />
3. Bewertung: Die Integrationsleistung des europäischen<br />
Patentsystems ist unbestritten. Dies gilt sowohl<br />
im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines<br />
gemeinsamen Binnen- und Technologiemarktes in<br />
Europa als auch für die Schaffung von attraktiven<br />
und kostengünstigen Marktpositionen. Mit der zunehmenden<br />
Hinwendung zu neuen ausländischen<br />
Absatzmärkten wird das europäische Patent sowohl<br />
bei der Wahl der Marktstrategie als auch als Schutzinstrument<br />
gegen unerlaubte Imitation als bedeutender<br />
Wettbewerbsfaktor geschätzt. Mit dem europäischen<br />
Patentsystem wurde der europäischen WirtschafteinwirkungsvollesInstrumentandieHandgegeben.<br />
Angesichts der mit der Vollendung des Binnenmarktes<br />
verbundenen Wettbewerbsverstärkung<br />
wird dieses Instrument, durch das �Gemeinschaftspatent<br />
bereichert, noch an Bedeutung zunehmen.<br />
GleichzeitigwerdeninZukunftneueAnforderungen<br />
andiesesSystemundseineBenutzergestelltwerden.<br />
Den Patentämtern wird verstärkt die Aufgabe zufallen,<br />
den europäischen Unternehmen informierend<br />
und beratend zur Seite zu stehen. Die Bereiche Gentechnik<br />
und die aktuelle Debatte um europäische<br />
Softwarepatente zeigen, dass das EPA auch Themen<br />
mit weitreichenden normativen Implikationen und<br />
enormer gesellschaftlicher und politischer Sprengkraftbehandelt.<br />
Ch. R.<br />
Literatur:<br />
Europäisches Patentamt (Hg.): European Patents.<br />
München 2004
Dass. (Hg.): Das europäische Patentamt. München 2004<br />
Dass. (Hg.): Jahresbericht 2003. München 2004<br />
Dass. (Hg.): Fakten und Zahlen. München 2004<br />
Dass. (Hg.): Patente und Wirtschaft. München 1991<br />
Europäische Patentorganisation. In: Jahrbuch der Europäischen<br />
Gemeinschaften, 12. Ausgabe 1992 (Edition DELTA)<br />
Internet: http://www.european-patent-office.org<br />
Europäisches Polizeiamt �Europol<br />
Europäisches Privatrecht �Privatrecht<br />
Europäisches Rahmengesetz sollen nach dem<br />
�Verfassungsvertrag 2004 (Art. I-33) jene �Rechtsakte<br />
der EU heißen, die im EG-Vertrag (Art. 249) als<br />
Richtlinien bezeichnet sind. Europäische Gesetze<br />
und Rahmengesetze bilden danach das ordentliche<br />
Gesetzgebungsverfahren gem. Art. III-396 VVE,<br />
das weitgehend dem Gesetzgebungsverfahren gem.<br />
Art. 251 EGV entspricht.<br />
Europäisches Raumentwicklungskonzept<br />
(EUREK). Auf dem informellen Treffen der für<br />
Raumordnung zuständigen Ministerinnen und Minister<br />
der Mitgliedstaaten gemeinsam mit dem für<br />
Regionalpolitik zuständigen Mitglied der Kommission<br />
am 10./11. 5. 1999 in Potsdam verabschiedetes<br />
Konzept. Es soll den verschiedenen Politikbereichen<br />
der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten einschl.<br />
ihrer Regionen und lokalen Gebietskörperschaften<br />
einen Orientierungsrahmen bieten für Entscheidungen<br />
mit räumlichen Auswirkungen. Dabei sollen<br />
grundlegende Ziele der Gemeinschaftspolitik, nämlich–StärkungdeswirtschaftlichenundsozialenZusammenhalts,<br />
– Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen im<br />
Binnenmarkt,<br />
– nachhaltige Entwicklung zur Erhaltung der natürlichen<br />
Lebensgrundlagen und<br />
– Erhaltung des kulturellen Erbes<br />
miteinander in Einklang gebracht werden. Mit dem<br />
Raumentwicklungskonzept werden keine neuen<br />
Kompetenzen auf EU-Ebene begründet, vielmehr<br />
soll die Zusammenarbeit aller Beteiligten über die<br />
Grenzen hinweg und unter Wahrung des �Subsidiaritätsprinzips<br />
gefördert und unterstützt werden.<br />
Raumentwicklung wird als Prozess verstanden, in<br />
dem bei Entscheidungen für öffentliche und private<br />
Investitionen bereits in frühem Stadium alle räumli-<br />
Europäisches System der Zentralbanken<br />
chen Gegebenheiten und möglichen Auswirkungen<br />
berücksichtigt werden müssen.<br />
Am 3. Juni 2003 hat die Kommission ein ForschungsnetzwerkzurBeobachtungdereuropäischen<br />
Raumentwicklung (ESPON, European Spatial Planning<br />
Observation Network) eingesetzt, zunächst bis<br />
2006 befristet. �Strukturpolitik Ziff. 4<br />
Europäisches System der Zentralbanken<br />
(ESZB)<br />
1. Allgemeines: Das ESZB ist ein zweistufiges Zentralbankensystem,<br />
das den institutionellen Rahmen<br />
für weite Bereiche der Währungspolitik der Europäischen<br />
Gemeinschaft – insbes. der Geldpolitik der<br />
einheitlichen Währung – bildet. Es besteht aus der<br />
�Europäischen Zentralbank (EZB) und den Nationalen<br />
�Zentralbanken der Mitgliedstaaten (NZBen).<br />
Das ESZB selbst hat im Gegensatz zu seinen Bestandteilen<br />
keine Rechtspersönlichkeit. Es ist dennoch<br />
Adressat der gemeinschaftsrechtlichen Zielverpflichtungen<br />
und Aufgabenzuweisungen nach<br />
der europäischen Währungsordnung. Struktur, Ziele<br />
und Aufgaben des sowie die Kompetenzverteilung<br />
im ESZB sind im Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />
Gemeinschaft festgelegt (Art. 4, Art. 8,<br />
Art. 105 – 113 EGV) und werden im Protokoll über<br />
die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken<br />
und der Europäischen Zentralbank (ESZB-<br />
Satzung) konkretisiert.<br />
Die Schaffung eines Europäischen Systems der Zentralbanken<br />
(ESZB) – sowie einer Europäischen Zentralbank<br />
(EZB) – gehört aus der Perspektive des<br />
Maastrichter Vertrags nach Art. 8 EGV zu den institutionellen<br />
Grundsätzen der Europäischen Gemeinschaft.<br />
Unmittelbar nach der Ernennung des ersten<br />
EZB-Direktoriums zum 1. 6. 1998 wurden das ESZB<br />
und die EZB errichtet. Die Zuständigkeiten in der<br />
Geldpolitik und in der Wechselkurspolitik sind<br />
grundsätzlich mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion<br />
– dem 1. 1. 1999 – von den Teilnehmerstaaten<br />
auf die Bestandteile des ESZB übergegangen.<br />
2. Struktur: EZB und NZBen bilden zusammen das<br />
ESZB (Art. 107 Abs. 1 EGV, Art. 1.2 S. 1 ESZB-<br />
Satzung). Die NZBen sind zwar „integrale BestandteiledesESZB“(Art.14.3S.1ESZB-Satzung),wahren<br />
aber ihre Eigenständigkeit. Vor allem besitzen<br />
die NZBen – neben der EZB – nach innerstaatlichem<br />
Recht Rechtspersönlichkeit (vgl. § 2 S. 1 BBankG).<br />
301
Europäisches System der Zentralbanken<br />
Das ESZB kann daher grundsätzlich selbst nicht<br />
rechtsfähig sein. Es ist – wie sein Name zum Ausdruck<br />
bringt – ein „System der Zentralbanken“, nicht<br />
das System einer Zentralbank. Die besondere Struktur<br />
des ESZB liegt darin begründet, dass einerseits<br />
eine einheitliche Währung eine zentrale geldpolitische<br />
Institution erforderlich macht, andererseits die<br />
VertragsstaatenvonMaastrichtdieEigenständigkeit<br />
ihrernationalenZentralbankengewahrtwissenwollten.<br />
Hierin besteht auch ein grundlegender Unterschied<br />
zur Deutschen Bundesbank vor der Währungsunion,<br />
die aber in ihrer Unabhängigkeit und<br />
Stabilitätsverpflichtung das maßgebliche Vorbild<br />
für die europäische Währungsordnung war.<br />
Das ESZB wird von den Beschlussorganen der EZB<br />
– dem EZB-Rat und dem Direktorium der EZB – geleitet<br />
(Art. 107 Abs. 3 EGV; Art. 8 ESZB-Satzung).<br />
Die Entscheidungsgewalt des Systems ist demnach<br />
zentralisiert. Eine nicht unerhebliche Rolle in der internen<br />
Organisationsstruktur der EZB spielen im<br />
Übrigen die ESZB-Ausschüsse (�Ausschüsse des<br />
ESZB), die sich regelmäßig aus weisungsgebundenen<br />
Vertretern der EZB und der teilnehmenden<br />
NZBen zusammensetzen.<br />
3. Aufgaben: Dem ESZB kommt die grundlegende<br />
Aufgabe zu, die Geldpolitik der Gemeinschaft im<br />
Euro-Währungsgebiet festzulegen und auszuführen.<br />
Weitere gemeinschaftsrechtlich zugewiesene Aufgaben<br />
betreffen die Durchführung von Devisengeschäften<br />
im Rahmen der Wechselkurspolitik, die<br />
Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der<br />
Mitgliedstaaten und die Förderung der Zahlungssysteme<br />
(Art. 105 Abs. 2 EGV, Art. 3.1 ESZB-Satzung).<br />
Des Weiteren trägt das ESZB zur Bankenaufsicht bei<br />
(Art. 105 Abs. 5 EGV, Art. 3.3 ESZB-Satzung). Die<br />
währungspolitischen Aufgaben sind dem ESZB aber<br />
nicht abschließend zugewiesen. Im Rahmen der<br />
�Wechselkurspolitik nimmt der Rat nach Art.<br />
111 EGV wichtige Aufgaben wahr. Darüber hinaus<br />
gibt es herkömmliche Zentralbankaufgaben, mit denen<br />
weder das ESZB noch eine andere Gemeinschaftsinstitution<br />
betraut sind. Die NZBen können<br />
daher grundsätzlich neben den satzungsmäßigen<br />
Aufgaben noch weitere – außerhalb des ESZB –<br />
wahrnehmen. Der EZB-Rat kann jedoch mit Zweidrittelmehrheit<br />
solchen Tätigkeiten widersprechen,<br />
wennsieZieleundAufgabendesESZBgefährden.<br />
Im Übrigen gewährleisten EZB und NZBen auch die<br />
Versorgung mit Geldzeichen im Euro-Währungs-<br />
302<br />
gebiet, wobei ausschließlich die EZB die Ausgabe<br />
von Banknoten genehmigt.<br />
4. Kompetenzen: Ohne eigene Rechtspersönlichkeit<br />
kann das ESZB keine Kompetenzen innehaben.<br />
Kompetenzträger im System sind daher die rechtsfähigen<br />
Zentralbanken, die allein die Aufgaben des<br />
Systems erfüllen können. Die Letztverantwortung<br />
für die Aufgabenerfüllung trifft nach Art. 9.2 ESZB-<br />
Satzung die EZB. Mit dieser Verpflichtung korrespondiert<br />
die Kompetenz der EZB, Innenrecht gegenüber<br />
den NZBen zu setzen. Die gemeinschaftliche<br />
EZB ist gegenüber den NZBen als mitgliedstaatlichen<br />
Institutionen weisungsbefugt. Die EZB hat es<br />
demnach in der Hand, die NZBen innerhalb des Systems<br />
zu lenken und ihr Handeln zu koordinieren. Das<br />
Weisungsrecht der EZB besteht aber nicht uneingeschränkt.<br />
Zum einen besteht es nur für die systeminternen<br />
Aufgaben. Zum anderen ist die EZB verpflichtet,<br />
die NZBen mit Exekutivaufgaben zu betrauen,<br />
wenn dies zweckmäßig ist. Es besteht aber<br />
auch ein Kernbereich an Aufgaben – wie die Festlegung<br />
der Geldpolitik –, der allein der EZB zugewiesen<br />
ist. Ebenso hat die EZB die Kompetenz zur Außenrechtsetzung<br />
inne. Die EZB ist demnach der zentrale<br />
Kompetenzträger, um die systeminternen Aufgaben<br />
zu erfüllen, wie es auch der leitenden Stellung<br />
ihrer Beschlussorgane entspricht. Die NZBen nehmen<br />
insofern eine weisungsabhängige Kompetenzstellung<br />
ein. Das Kompetenzverhältnis zwischen<br />
EZB und den NZBen wird jedoch durch die Ausgestaltung<br />
der Kompetenzen und Besetzung der<br />
EZB-Organe relativiert. Die NZB-Präsidenten dominieren<br />
zahlenmäßig den EZB-Rat, der als Rechtsetzungsorgan<br />
der EZB das zentrale Beschlussorgan<br />
der Währungsunion bildet. Die NZBen nehmen somitüberihrePräsidentensowieüberihreMitarbeitin<br />
den ESZB-Ausschüssen wiederum Einfluss auf die<br />
weisungsbefugte EZB. An der Entscheidungsfindung<br />
der notwendig einheitlichen Geldpolitik, die in<br />
der zentralen Einrichtung stattfindet, wirken föderative<br />
Kräfte mit. In diesem Sinn kann das ESZB auch<br />
als zweistufiges Zentralbankensystem bezeichnet<br />
werden.<br />
5. Ziele: Nach dem Grundsatz des Art. 4 Abs. 2 EGV<br />
unterliegt die Geld- und Wechselkurspolitik dem<br />
Primat der Preisstabilität (vgl. auch Art. 4<br />
Abs. 3 EGV). Dementsprechend ist das ESZB ausdrücklich<br />
auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität<br />
verpflichtet, um die Kaufkraft des Euro zu gewähr-
leisten. Andere wirtschafts- und währungspolitische<br />
ZieledarfdasESZBnurunterstützen,soweitdasZiel<br />
der Preisstabilität dadurch nicht beeinträchtigt wird.<br />
Erst nachrangig soll das ESZB die allgemeine WirtschaftspolitikinderGemeinschaftunterstützen(vgl.Art.105Abs.1EGV,Art.2ESZB-Satzung).DasPrimatderPreisstabilitätwirddadurchebensowenigrelativiert<br />
wie durch den Grundsatz einer offenen<br />
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, dem das<br />
ESZB ausdrücklich unterliegt. Das Ziel stabilen Geldes<br />
ist damit der bestimmende Auslegungs- und<br />
Handlungsmaßstab in der europäischen Währungsordnung.<br />
Die Vertragsstaaten von Maastricht haben<br />
der wirtschaftspolitischen Überzeugung rechtlichen<br />
Gehalt verliehen, dass stabile Preise Grundvoraussetzung<br />
eines dauerhaften Wirtschaftswachstums<br />
sind. Darüber hinaus wird der Bürger den �Euro als<br />
handgreiflichemSymbolEuropasnurdannakzeptieren,<br />
wenn die einheitliche Währung stabil ist. Die<br />
Verpflichtung der Geldpolitik auf das Primat der<br />
Preisstabilität ist damit auch ein Gebot der europäischen<br />
Integration.<br />
Beim Terminus der Preisstabilität handelt es sich um<br />
einen absoluten Rechtsbegriff. Er ist zwar unbestimmt<br />
und damit selbst der Auslegung zugänglich.<br />
Er unterliegt aber nicht der Definitionsmacht des<br />
ESZB oder seiner Bestandteile. Preisstabilität ist gegeben,<br />
wenn die Volkswirtschaft – der Euro-Währungsraum<br />
– frei von negativen Inflations- und Deflationswirkungenist.DiegegenwärtigeZielsetzung<br />
der EZB, die Inflationsrate unter 2 v. H. zu halten,<br />
entspricht diesen rechtlichen Vorgaben.<br />
Der eindeutige Stabilitätsauftrag an das ESZB begründet<br />
eine außerordentliche Verantwortung seiner<br />
Bestandteile für die innere Stabilität der einheitlichen<br />
Währung. Er kann aber nur erfüllt werden,<br />
wenndieGeldpolitikdurcheinestabilitätsorientierte<br />
Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten unterstützt<br />
wird, die nach der Konzeption der Europäischen<br />
�Wirtschafts-undWährungsunion(EWWU)insbes.<br />
mittels des Haushaltüberwachungsverfahrens nach<br />
Art. 104 EGV in der Ausgestaltung des �Stabilitätsund<br />
Wachstumspakts sichergestellt werden soll.<br />
6. Unabhängigkeit: Die Zielsetzung stabiler Preise<br />
istmitdemOrganisationsprinzipderZentralbankunabhängigkeit<br />
eng verknüpft. Eine Zentralbank kann<br />
das Ziel der Preisstabilität am besten erfüllen, wenn<br />
sie von einer möglichen politischen Einflussnahme<br />
abgeschirmt ist, die auf eine Manipulation der Wäh-<br />
Europäisches System der Zentralbanken<br />
rung zielen könnte. Zugleich ist die eingeschränkte<br />
demokratische Legitimation der unabhängigen Zentralbank<br />
nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Geldpolitik<br />
dem Primat der Preisstabilität unterwirft.<br />
Dementsprechend ist die – institutionelle, funktionelle,<br />
finanzielle und personelle – Unabhängigkeit<br />
des ESZB in der europäischen Währungsordnung<br />
durch zahlreiche Einzelvorschriften abgesichert, die<br />
der asymmetrischen Grundstruktur der EWWU<br />
Rechnungtragen.IhrenspezifischstenAusdruckfindet<br />
sie in Art. 108 EGV. Die Bestimmung enthält<br />
zwei zu differenzierende Weisungs- und Beeinflussungsverbote<br />
gegenüber den Zentralbanken der<br />
Währungsunion und den Mitgliedern ihrer Beschlussorgane<br />
einerseits sowie gegenüber den Gemeinschaftseinrichtungen<br />
und den Regierungen der<br />
Mitgliedstaaten andererseits.<br />
Besondere Bedeutung für die Unabhängigkeit des<br />
ESZB hat darüber hinaus, dass die EZB Rechtspersönlichkeit<br />
besitzt, als juristische Person eigene Organe<br />
hat, finanziell eigenständig ist, über die erforderlichen<br />
währungspolitischen Kompetenzen verfügt<br />
und die Mitglieder ihrer Beschlussorgane in ihrer<br />
persönlichen Stellung abgesichert sind. Desgleichen<br />
müssen auch die NZBen aufgrund einer ausdrücklichen<br />
Verpflichtung der Mitgliedstaaten den<br />
Anforderungen an eine unabhängige Zentralbank<br />
entsprechen (Art. 109 EGV, Art. 14 ESZB-Satzung).<br />
Diese Unabhängigkeit des ESZB ist primärrechtlich<br />
garantiert und kann daher nur im Rahmen einer Vertragsänderung<br />
nach Art. 48 EUV modifiziert werden.<br />
Das Primat der Preisstabilität und die Zentralbankunabhängigkeit<br />
gehörten zu den unabdingbaren Positionen<br />
Deutschlands in den Verhandlungen zum<br />
Vertrag von Maastricht. Beide Elemente sind nach<br />
Art.88S.2GGverfassungsrechtlicheVoraussetzungen<br />
für die gemeinschaftliche Wahrnehmung der<br />
währungspolitischen Kompetenzen, wie das Bundesverfassungsgericht<br />
in seiner Maastricht-Entscheidung<br />
(�Maastricht-Urteil) feststellt.<br />
7. Kontrolle: Die Demokratie als Staats- und RegierungsformunddieZentralbankunabhängigkeitberuhen<br />
auf gegenläufigen Organisationsprinzipien. Die<br />
Entscheidung für ein unabhängiges Zentralbankensystem<br />
schränkt daher die demokratische Legitimation<br />
der Geldpolitik ein. Die Modifikationen des Demokratieprinzips<br />
werden aber durch nachträgliche<br />
Kontrollen der Währungspolitik abgemildert. So ist<br />
303
Europäisches Umweltzeichen<br />
die EZB dem Europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig(Art.113Abs.3EGV).Ihrwährungspolitisches<br />
Handeln ist außerdem grundsätzlich<br />
justiziabel und kann durch den EuGH überprüft<br />
werden. Schließlich kontrolliert der Rechnungshof<br />
die Effizienz der EZB-Verwaltung. Darüber hinaus<br />
ist das ESZB in ein wirtschaftspolitisches Koordinationsgeflecht<br />
eingebettet. Der Ratspräsident und ein<br />
Mitglied der Kommission können an Sitzungen des<br />
EZB-Rates ohne Stimmrecht teilnehmen (Art. 113<br />
Abs. 1 EGV). Die EZB entsendet wiederum Mitglieder<br />
in den �Wirtschafts- und Finanzausschuss<br />
(Art. 114 Abs. 2 EGV).<br />
8. Zentralbanken der Nichtteilnehmerstaaten: Die<br />
Zentralbanken der Nichtteilnehmerstaaten gehören<br />
zwar formal zum ESZB. Diese Mitgliedstaaten haben<br />
aber ihre währungspolitischen Kompetenzen<br />
nicht zur gemeinschaftlichen Wahrnehmung im<br />
ESZB übertragen. Für die Nichtteilnehmerstaaten<br />
und ihre Zentralbanken bestehen daher nach<br />
Art.122EGV,Art.43ESZB-Satzunggrundsätzliche<br />
Ausnahmeregelungen, die sowohl die hoheitliche<br />
Organisationsstruktur des ESZB als auch die Kapitalstruktur<br />
der EZB betreffen. Die Zentralbanken<br />
sind insbes. nicht von der EZB weisungsabhängig<br />
und keine integralen Bestandteile des Systems im<br />
Sinne des Art. 14.3 ESZB-Satzung. Die Präsidenten<br />
dieser Zentralbanken gehören nicht dem EZB-Rat,<br />
sondern nur dem erweiterten Rat der EZB gem.<br />
Art. 45 ESZB-Satzung an, der lediglich beratende<br />
und koordinierende Funktionen hat. Die währungspolitische<br />
Organisationsstruktur ist demnach im<br />
Grunde nicht auf das ESZB, sondern auf seine integralen<br />
Bestandteile ausgerichtet, ohne dass dies in<br />
der Terminologie der europäischen Währungsordnung<br />
seinen Niederschlag gefunden hätte. Die gewählte<br />
Konstruktion soll das Modell verschiedener<br />
Geschwindigkeiten verdecken, das der EWWU zugrunde<br />
liegt, und bringt das Ziel einer einheitlichen<br />
Integration zum Ausdruck. Den Bedürfnissen der<br />
Rechtspraxisentsprichtsieindesnicht.DerEZB-Rat<br />
hat daher den Begriff des �„Eurosystems“ eingeführt,<br />
um die integralen Bestandteile des ESZB zu<br />
bezeichnen. U. P.<br />
Literatur:<br />
Häde, U.: Die Deutsche Bundesbank in der Europäischen<br />
Währungsunion. In: Hahn (Hg.), Die Europäische Währung.<br />
Baden-Baden 1999, S. 103<br />
Hahn, H. J.: Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche<br />
Übereinkunft und Verfassung. Baden-Baden 1992<br />
304<br />
Palm, U.: Preisstabilität in der Europäischen Wirtschafts- und<br />
Währungsunion. 2000<br />
Ders.: Kommentierung zu Art. 8 EGV. In: Grabitz/Hilf (Hg.),<br />
Das Recht der Europäischen Union. 24. ErgL..<br />
München September 2004<br />
Seiler, Chr.: Das Europäische System der Zentralbanken<br />
(ESZB) als Verantwortungsverbund: systemgebundene Aufgabenerfüllung<br />
durch eigenständige Kompetenzträger.<br />
EuR 2004, S. 52<br />
Smits, R.: The European Central Bank. Den Hague 1997<br />
Stadler, R.: Der rechtliche Handlungsspielraum des Europäischen<br />
Systems der Zentralbanken. Baden-Baden 1996<br />
Weber, M.: Die Kompetenzverteilung im Europäischen System<br />
der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der<br />
Geldpolitik. München 1995<br />
Zilioli, Ch. / Selmayr, M.: The Law of the European Central<br />
Bank. Oxford 2001<br />
Internet: http://www.ecb.int<br />
http://www.bundesbank.de<br />
Europäisches Umweltzeichen (Eco-Label). Signet<br />
in Form einer Blume mit einem grünen „E“ in der<br />
Mitte einer aus blauem Sternenkranz gebildeten Blüte<br />
(„Gänseblümchen“). Das gemeinschaftliche System<br />
zur Vergabe eines Umweltzeichens wurde 1992<br />
eingeführt und 2000 revidiert (Verordnung 1980/<br />
2000, ABl. L 237/2000). Das Umweltzeichen soll es<br />
Verbrauchern im Binnenmarkt erleichtern, umweltfreundliche<br />
Produkte (außer Lebensmitteln, Getränken,<br />
Arzneimitteln und Medizinprodukten) und<br />
Dienstleistungen auszuwählen. Derzeit gibt es über<br />
20 verschiedene Produktgruppen (z. B. aus den Bereichen<br />
Heimwerkerbedarf, Haushaltsgeräte, Reinigungsmittel,<br />
Büromaterial) und zwei Dienstleistungsbereiche<br />
(Beherbergungsbetriebe, Campingplätze),<br />
für die Lizenzen erteilt werden können.<br />
Lizenzen können Produkte erhalten, die bestimmte,<br />
vonderKommissionfestgesetzteKriterienüberUmweltfreundlichkeit<br />
(bei der Herstellung, dem Gebrauch<br />
und der Entsorgung) und Gebrauchstauglichkeit<br />
erfüllen. Das Zeichen wird vom Ausschuss für<br />
das Umweltzeichen der Europäischen Union (European<br />
Eco-labelling board, EUEB) verwaltet, dem<br />
Vertreter aus Industrie (UNICE), Handwerk (UE-<br />
APME), Umweltschutzvereinigungen (EUB), Gewerkschaften<br />
(EGB), Handel (EUROCOM-<br />
MERCE) und Verbraucherverbänden (COFACE)<br />
angehören. Der Ausschuss wurde durch Entscheidung<br />
der Kommission vom 10. 11. 2000 eingesetzt<br />
(ABl. L 293/2000).<br />
Europäisches Vergaberecht �Vergaberecht, E.
Europäisches Vertragsrecht �Vertragsrecht, E.<br />
Europäisches Währungsabkommen (EWA)<br />
vom 5. 8. 1955, löste am 27. 12. 1958 das Abkommen<br />
über die �Europäische Zahlungsunion ab. Das Abkommen<br />
wurde von den Mitgliedstaaten der OEEC<br />
(jetzt OECD) unterzeichnet und schuf den institutionellen<br />
Rahmen für die monetäre Zusammenarbeit<br />
der Staaten, deren Währungen voll konvertibel gewordenwaren.SeineAufgaben,denWaren-,Dienstleistungs-<br />
und Kapitalverkehr zu liberalisieren, hat<br />
das EWA nur ungenügend erfüllt. Es trat Ende 1978<br />
außer Kraft und wurde durch den Währungs- und Devisenausschuss<br />
der OECD ersetzt.<br />
Europäisches Währungsinstitut (EWI), zu Beginn<br />
der 2. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion<br />
am 1. 1. 1994 gem. Art. 109 f. des �Maastrichter<br />
Vertrags (117 EGV) geschaffene Institution zur<br />
Vorbereitung auf die 3. Stufe. Das EWI mit Sitz in<br />
Frankfurt a. M. hat den Aufbau der �Europäischen<br />
Zentralbank (EZB) und des �Europäischen Systems<br />
der Zentralbanken (ESZB) technisch und organisatorisch<br />
vorbereitet. Das EWI hat u. a. die Zusammenarbeit<br />
der nationalen Zentralbanken verstärkt, die<br />
Koordination der Geldpolitiken der Mitgliedstaaten<br />
gefördert, das �Europäische Währungssystem<br />
(EWS) überwacht, den �Zahlungsverkehr erleichtert,<br />
die Ausgabe des �Euro vorbereitet. Es hat die<br />
Aufgaben des Europäischen Fonds für währungspolitische<br />
Zusammenarbeit übernommen und fortgeführt,<br />
der mit Gründung des EWI aufgelöst wurde.<br />
Das EWI bestand bis zur Gründung der EZB am 1. 6.<br />
1998.<br />
Europäisches Währungssystem (EWS)<br />
1. Begriffserklärung: Das EWS war das wichtigste<br />
Instrument der währungspolitischen Zusammenarbeit<br />
in der EU und spielte eine bedeutende Rolle bei<br />
der Weiterentwicklung der EU zu einer �Wirtschafts-<br />
und Währungsunion (WWU). Das EWS<br />
sollte im Gemeinsamen Markt eine Zone der StabilitätmitmöglichstgeringenInflationsratenundrelativ<br />
stabilenWechselkursenschaffen.Fernersollteesdie<br />
ökonomische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten<br />
verbessern und die Auswirkungen von außen kommender<br />
(externer) Krisen, wie die immer wieder auftretenden<br />
übermäßigen Schwankungen z. B. des<br />
Dollarkurses, für die einzelnen Mitgliedsländer ab-<br />
Europäisches Währungssytem<br />
mildern. Kern des EWS war die Verpflichtung seiner<br />
Mitgliedstaaten, die Wechselkurse ihrer Währungen<br />
innerhalb begrenzter Schwankungsmargen zu halten.<br />
2. Entwicklung: Bereits in den �Römischen Verträgen,<br />
den Gründungsabkommen über die EWG und<br />
Euratom, hatten sich die Mitgliedstaaten 1957 dazu<br />
verpflichtet, ihre Wirtschaftspolitik einander anzunähern<br />
(Prinzip der �Konvergenz). Dazu legten sie<br />
als gemeinsame Ziele fest: harmonische Entwicklung<br />
des Wirtschaftslebens innerhalb der EWG, ausgewogenes<br />
Wirtschaftswachstum, möglichst hoher<br />
Beschäftigungsstand und stabile Preise.<br />
1970 wurde der erste Stufenplan für eine WWU ausgearbeitet<br />
(�Werner-Plan). Schon damals waren<br />
auch ein europäisches Notenbanksystem und eine<br />
einheitliche Währung vorgesehen. Am 10. 4. 1972<br />
schlossen die �Zentralbanken der EG-Staaten das<br />
Baseler Abkommen über einen Europäischen Währungsverbund<br />
(Europäischer Wechselkursverbund).<br />
Die Mitgliedstaaten verpflichteten sich, ihre WährungsschwankungeninengenBandbreitenzuhalten.<br />
Gemäß dieser Regelung durften die Wechselkurse<br />
zwischen den EG-Währungen nur noch um höchstens2,25Prozentnachobenodernachuntenvoneinander<br />
abweichen. Die Kurse bewegten sich innerhalb<br />
dieser Bandbreiten im Zeitverlauf gewissermaßen<br />
wie eine Schlange, und so wurde der Begriff von<br />
der „Europäischen Währungsschlange“ geboren.<br />
Das feste Wechselkursverhältnis galt für einige Mitgliedstaaten<br />
auch weiter, als ab März 1973 im Zuge<br />
der Dollarkrise die Kurse aller Mitgliedswährungen<br />
gegenüber dem US-Dollar freigegeben wurden, also<br />
„floaten“ konnten. Neue Impulse in den Bemühungen<br />
um eine engere wirtschafts- und währungspolitische<br />
Zusammenarbeit brachte die Gründung des<br />
EWS im Jahre 1979, deren politische Initiatoren der<br />
französische Staatspräsident Giscard d’Estaing und<br />
der deutsche Bundeskanzler Schmidt waren.<br />
3. Gegenstandsbeschreibung: Hauptelemente des<br />
EWS waren:<br />
a) der Wechselkurs- und Interventionsmechanismus,<br />
b) der Kreditmechanismus und<br />
c) die ECU.<br />
Das EWS war ein System fester, aber anpassungsfähiger<br />
Leitkurse der Währungen der Teilnehmerländer<br />
untereinander sowie zur Europäischen Währungseinheit<br />
(European Currency Unit, ECU). Die<br />
305
Europäisches Währungssytem<br />
Mitgliedsländerwarenverpflichtet,dieWechselkurse<br />
ihrer Währungen innerhalb einer Schwankungsbreite<br />
von 2,25 Prozent nach oben und unten zu halten.<br />
Nur für einige ökonomisch bzw. strukturell<br />
schwächere Länder galten vorübergehend Bandbreiten<br />
von 6 Prozent. Verantwortlich für die Einhaltung<br />
der Schwankungsgrenzen waren die nationalen Zentralbanken,<br />
die an den Devisenmärkten schwache<br />
Währungen kauften und starke Währungen verkauften<br />
(Interventionsmechanismus).<br />
Im Mittelpunkt des Systems stand die ECU. Sie war<br />
definiert als ein Korb, in dem alle EG-Währungen<br />
entsprechenddemwirtschaftlichenGewichtderMitgliedsländerenthaltensind.FürjedeWährungwurde<br />
ein ECU-Leitkurs festgelegt. Hieraus konnten dann<br />
die Leitkurse zwischen allen nationalen Währungen<br />
errechnetwerden.AusdiesenbilateralenLeitkursen,<br />
etwa zwischen der Deutschen Mark und dem Französischen<br />
Franc, konnte man jetzt exakt die erlaubte<br />
Abweichung zwischen bilateralem Leitkurs und<br />
Marktkurs von 2,25 Prozent nach beiden Seiten berechnen.<br />
Sobald zwischen zwei Währungen die obere oder untere<br />
Grenze (Interventionspunkt) erreicht war, mussten<br />
die beiden beteiligten nationalen Notenbanken<br />
das Überschreiten der Margen durch Interventionen<br />
am Devisenmarkt verhindern. Dabei verkaufte die<br />
Bank mit der starken Währung ihre eigene Währung<br />
gegen die schwache Partnerwährung, und die Bank<br />
der schwachen Währung nahm diese durch Abgabe<br />
der starken Partnerwährung aus dem Markt.<br />
Für die benötigten Interventionen räumten sich die<br />
beteiligten Notenbanken in unbegrenzter Höhe Kredite<br />
ein, die jedoch nach 45 Tagen, mit einer möglichen<br />
Verlängerung um drei Monate, abgerechnet<br />
werden mussten (Kreditmechanismus). Bilanziert<br />
und abgerechnet wurde über den Europäischen<br />
Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit<br />
(EFWZ), der die Konten in ECU führte.<br />
Jede nationale Zentralbank konnte für den Ausgleich<br />
ihrerVerbindlichkeitenu.a.ihreECU-Beständeverwenden,<br />
die ihr beim EFWZ gegen Hinterlegung von<br />
20 Prozent ihrer Gold- und Dollarreserven gutgeschrieben<br />
wurden.<br />
Das EWS verfügte über weitere flexible Instrumente,<br />
um die Währungen stabil zu halten. So konnten<br />
den Mitgliedstaaten im Bedarfsfall innerhalb bestimmter<br />
Quoten kurzfristige Kredite und – außerhalbdesEWS–einmitwirtschaftspolitischenAufla<br />
306<br />
gen versehener mittelfristiger Beistand zur Verfügung<br />
gestellt werden.<br />
Ein Warnsystem sollte außerdem frühzeitiges Handeln<br />
garantieren. Schon wenn eine Währung 75 Prozent<br />
der erlaubten Kursabweichung gegenüber dem<br />
Durchschnitt aller anderen Währungen erreichte<br />
(Abweichungsindikator), wurde erwartet, dass das<br />
betreffende Land konkrete wirtschaftspolitische<br />
Maßnahmen ergreift. Auch konnten im gegenseitigen<br />
Einvernehmen Wechselkurse neu festgelegt<br />
werden (Paritätsänderungen).<br />
Auf dem Weg der EG-Staaten zu einer WWU spielte<br />
das EWS eine wichtige Rolle. In der Endstufe der<br />
WWU wurden die Wechselkurse der Währungen der<br />
Mitgliedsländer unwiderruflich festgelegt. Danach<br />
hat die europäische Einheitswährung �Euro die nationalen<br />
Währungen ersetzt. Das EWS hatte dann<br />
seine Funktion als Übergangslösung erfüllt. Bis dahin<br />
diente das System dazu, die Schwankungen der<br />
Wechselkurse schrittweise immer mehr zu verringern,<br />
die Angleichung der Wirtschaftspolitiken zu<br />
verstärken und möglichst alle Mitgliedstaaten an den<br />
Wechselkursverbund und dessen Disziplin zu gewöhnen.<br />
4. Das EWS als vorbereitender Schritt zu einer gemeinsamen<br />
Währungspolitik<br />
4.1 Währungspolitische Phasen des EWS:<br />
In der Genese des EWS lassen sich vier Hauptphasen<br />
unterscheiden:<br />
1979 – 1983: Die häufigen Wechselkursanpassungen<br />
(Neufestsetzungen) entwickelten sich von passiven<br />
Reaktionen auf Inflationsunterschiede zu Instrumenten<br />
der Inflationsbekämpfung.<br />
1984 – 1987: Inflation und Inflationsgefälle gingen<br />
stetig zurück; der währungspolitische Konsens kam<br />
zunehmend in konvergierenden wirtschaftlichen Ergebnissen<br />
zum Ausdruck. Die bessere Konvergenz<br />
und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs führten<br />
1987 zum Übereinkommen von Basel/Nyborg, in<br />
dem eine ausgewogenere Erfüllung der Wechselkursverpflichtung<br />
durch alle EWS-Teilnehmer vereinbart<br />
wurde. Die Änderungen zielten darauf ab, die<br />
Koordinierung der Wirtschaftspolitik durch ÜberwachungverschiedenerwirtschaftlicherIndikatoren<br />
weiter zu fördern.<br />
1987 – 1992: Diese Phase ist zunächst dadurch gekennzeichnet,dassbeikaumverändertemInflationsgefälle<br />
das Zinsgefälle im kurzfristigen Bereich<br />
stark schrumpft, was für ein größeres Vertrauen der
Märkte in die Stabilität des Europäischen Währungssystems<br />
spricht.<br />
1992/1993: Mit der sich abzeichnenden Rezession<br />
zu Beginn der 1990er Jahre geriet das EWS in die<br />
Krise. Nach Turbulenzen im Sept. 1992 (Ausstieg<br />
Großbritanniens und Italiens) und im August 1993<br />
befindet sich das EWS in einer kritischen Phase.<br />
4.2 EWS-Krise 1992/93 und das schwierige Verhältnis<br />
europäischer und deutscher Währungspolitik:<br />
Deutschland vollzog seit Bestehen des EWS (1979)<br />
eine solide Finanzpolitik und begrenzte die Inflation<br />
erfolgreich. Die DM entwickelte sich zur Leit- und<br />
Ankerwährung innerhalb des EWS. Sie hatte sich im<br />
EWS als Interventionswährung, Transaktionswährung<br />
und Reservewährung etabliert. Die Anpassung<br />
der schwächeren Währungen erfolgte im Regelfalle<br />
über einen Abwertungsmechanismus gegenüber der<br />
DM. Die Folge war eine Abhängigkeit der europäischen<br />
Währungspolitik von der Politik der Deutschen<br />
Bundesbank. Kern des EWS war der Wechselkursverbund:<br />
Zwischen den Währungen wurden<br />
Leitkurse festgelegt; der tägliche Devisenkurs durfte<br />
seit 2. 8. 1993 innerhalb einer Bandbreite von ±15%<br />
(ehemals ±2,25 %) abweichen. Zwischen Deutschland<br />
und den Niederlanden galt die Bandbreite von<br />
±2,25 %. Italien und Großbritannien nahmen nicht<br />
am Wechselkursmechanismus des EWS teil.<br />
4.3 Auswirkungen auf die DM: Offen blieb nach der<br />
Krise von 1993 die währungspolitische Option, die<br />
Bandbreite wieder enger zu fassen und die Leitkurse<br />
einer neuen Entwicklung anzupassen. Die Vorkommnisse<br />
von 1993 zeigten, dass trotz hoher Inflationsrate<br />
in Deutschland die DM bei (ausländischen)<br />
Kapitalanlegern attraktiv bleibt. Die DM blieb „aufwertungsverdächtig“<br />
und war trotz der ökonomischen<br />
Vereinigungsfolgen (Kernproblem war die<br />
deutsche Staatsverschuldung) wertbeständig, da die<br />
Bundesbank eine national ausgerichtete, stabilitätsorientierte<br />
Politik mit dem Ziel verfolgte, eine willkürliche<br />
Ausdehnung der Geldmenge zu verhindern,<br />
um die Inflation zu begrenzen (Stabilität und Wertbeständigkeit<br />
der DM als oberstes Ziel). Im Rahmen<br />
des EWS führte dies zu einem Anpassungsdruck mit<br />
zwei Alternativen: entweder Anpassung an die deutsche<br />
Hochzinspolitik oder Abwertung der Währungen<br />
gegenüber der DM. Der Verzicht der Bundesbank<br />
auf eine Aufwertung der DM und die Rücknahme<br />
der Hochzinspolitik führte 1992/93 angesichts<br />
von Rezession und Arbeitslosigkeit zur Abwertung<br />
Europäisches Währungssytem<br />
der EWS-Währungen (mit Ausnahme des Guldens)<br />
bzw. zum Ausstieg aus dem EWS (Italien und Großbritannien<br />
im September 1992).<br />
5. Fazit und aktuelle Entwicklung: Die Effizienz des<br />
EWS bei der Förderung von Stabilität und Konvergenz<br />
lässt sich konkret nachweisen. Trotz einiger<br />
Spannungen im Wechselkursgefüge gelang es selbst<br />
in der Anfangsphase des EWS, die beteiligten Währungen<br />
zueinander relativ stabil zu halten. So waren<br />
die Kursschwankungen der EWS-Währungen deutlich<br />
geringer als die anderer Weltleitkurse wie z. B.<br />
des US-Dollars oder des japanischen Yen. Die Inflationsraten<br />
der am EWS beteiligten Staaten gingen<br />
insgesamt deutlich zurück, die Unterschiede zwischen<br />
den einzelnen EG-Ländern verringerten sich.<br />
Die Zahl der Neufestsetzungen der Leitkurse, von<br />
denen die erlaubten Schwankungen abgeleitet werden,<br />
wurde immer geringer. So gab es zwischen 1984<br />
und 1987 nur noch zwei Anpassungen (Realignments).<br />
Das Regelwerk des EWS wurde zweimal,<br />
1985 und 1987, verbessert. Das EWS war außerdem<br />
die Keimzelle für die ECU. Sie wurde zusammen mit<br />
dem EWS geschaffen, in dem sie die zentrale Rolle<br />
spielte. Diese Funktion hat dazu beigetragen, dass<br />
die Nutzung der ECU auch auf den privaten Geldund<br />
Kapitalmärkten immer bedeutender wurde.<br />
Trotz aller Unwägbarkeiten und Turbulenzen hat<br />
sich das EWS als Erfolgsmodell erwiesen, zumal es<br />
unter Experten unbestritten ist, dass es kein absolut<br />
sicheres Währungssystem gibt.<br />
Abgesehen von den Turbulenzen im Frühjahr 1995<br />
ist die Wechselkursentwicklung im EWS weitgehend<br />
spannungsfrei verlaufen. Zwar kam es im Sommer<br />
1997 zu einem Anstieg des Dollar-Kurses gegenüber<br />
den europäischen Währungen. Doch führte<br />
dies nicht zu neuerlichen Spannungen im EWS. Mit<br />
Ausnahme des irischen Pfundes, das die Aufwertung<br />
des britischen Pfundes teilweise mit vollzog, blieben<br />
die EWS-Währungen stabil. Abwertungen blieben<br />
aus.<br />
Mit dem Eintritt der Finnmark im Oktober 1996 und<br />
der griechischen Drachme im März 1998 sowie der<br />
Rückkehr der italienischen Lira im November 1996<br />
indenWechselkursmechanismusnahmenbisaufdas<br />
britische Pfund und die schwedische Krone jetzt alle<br />
EU-Währungen am Wechselkursverbund teil. Um<br />
das EWS flexibler zu gestalten und um Überdruck<br />
ausdemSystemzunehmen,wurdenam2.8.1993die<br />
Bandbreiten von 2,5 Prozent auf 15 Prozent in beide<br />
307
Europäisches Wirtschaftsrecht<br />
Richtungen für alle Währungen erweitert. Im Übrigen<br />
blieb das EWS jedoch unverändert. Das zeigt,<br />
dassWechselkursstabilitätauchohnedasKorsettder<br />
engen Bandbreiten möglich ist. Entscheidend für die<br />
Wechselkursstabilität sind weniger die engen Kursstützungen,<br />
als vielmehr die konsequente BereitschaftallerTeilnehmer,ihreGeld-undFinanzpolitik<br />
am Stabilitätsziel auszurichten. Jeder Mitgliedstaat<br />
hatte die Solidität seiner Währung und seiner Finanzen<br />
allein in der Hand.<br />
Mit Beginn der 3. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion<br />
(WWU) am 1. 1. 1999 ging das EWS in<br />
der WWU auf und der Euro löste den ECU ab. Der<br />
Euro ersetzt nunmehr als eigenständige Währung die<br />
bisherigen nationalen Währungen der Mitgliedstaaten<br />
(Art. 121 Abs. 4 EVG). Ab diesem Zeitpunkt ist<br />
der Euro offizielles Zahlungsmittel in 11 Mitgliedstaaten:<br />
Belgien, Deutschland, Frankreich, Finnland,<br />
Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich,<br />
Portugal und Spanien. Griechenland, das<br />
zunächst die Maastricht-Kriterien nicht erfüllen<br />
konnte, folgte im Jahr 2001.<br />
Als EWS II bezeichnet man einen Wechselkursmechanismus,<br />
dem EU-Länder, die noch nicht Mitglied<br />
der WWU sind, ihre nationale Währung an den Euro<br />
als Leitwährung binden können (�Wechselkursmechanismus<br />
II). Dänemark, Schweden und das Vereinigte<br />
Königreich entschieden sich zunächst dafür,<br />
dem Euro fernzubleiben. Sollten sie sich später für<br />
den Euro entscheiden, müssen sie wie die neuen Mitgliedstaaten<br />
die Maastricht-Kriterien erfüllen.<br />
Fazit: Das EWS kann wirtschafts- und währungspolitisch<br />
als gelungenes Übergangsinstrument in die<br />
Wirtschafts- und Währungsunion bezeichnet werden.<br />
B. H.<br />
Literatur: s. Europäische Währungseinheit<br />
Europäisches Wirtschaftsrecht �Wirtschaftsrecht,<br />
europäisches<br />
Europäisches Zentrum für die Förderung der<br />
Berufsbildung �CEDEFOP<br />
Europakammer (des Deutschen Bundesrates),<br />
nach Gründung der Europäischen Union 1993 als<br />
Nachfolgerin der EG-Kammer gegründet und im<br />
Grundgesetz verankert (Art. 52 Abs. 3 a GG). Jedes<br />
Bundesland entsendet ein Mitglied oder ein stellvertretendes<br />
Mitglied.<br />
308<br />
Die Europakammer kann kurzfristig (binnen einer<br />
Woche oder kürzer) einberufen werden, wenn zu Europäischen<br />
Rechtsetzungsvorhaben eine schnelle<br />
Reaktion des Bundesrates erforderlich ist. Beschlüsse<br />
der Kammer gelten als Beschlüsse des Plenums.<br />
Die Stimmrechte der Länder entsprechen denen der<br />
Plenarsitzungen. Die Europakammer verhandelt öffentlich,<br />
sofern nicht Vertraulichkeit (nach § 45 der<br />
Geschäftsordnung) vereinbart ist. An den Sitzungen<br />
können auch Beauftragte der Bundesregierung oder<br />
der Länder teilnehmen.<br />
Europa-Kolleg (Collège d’Europe / College of Europe)<br />
in Brügge (Belgien), Zweigstelle in Warschau<br />
(seit 1992); ältestes Institut für postuniversitäre europäische<br />
Studien, 1949 auf Initiative der �Europäischen<br />
Bewegung (Salvador de Madariaga, Haager<br />
Kongress 1948) als ein „Etablissement d’utilité publique“<br />
unter belgischem Recht gegründet. Erster<br />
Rektor (1950–1972) war Hendrik Brugmans, Gründungsmitglied<br />
der Europäischen Bewegung, Präsident<br />
des Europäischen Föderalistenverbandes<br />
(UEF) und Karlspreisträger des Jahres 1951.<br />
Der internationale Kurs des rechts-, wirtschafts-,<br />
verwaltungs-undpolitikwissenschaftlichenFachbereichs<br />
dauert ein Jahr (von September bis Ende Juni);<br />
die Finanzierung von Studium und Aufenthalt (16<br />
000 Euro) erfolgt überwiegend (85 % der Studierenden)<br />
durch öffentliche oder private Stipendien (das<br />
Europa-Kolleg vergibt keine Stipendien), die Auswahl<br />
der aus ca. 40 Ländern kommenden Teilnehmer<br />
mit Hochschulabschluss durch nationale Komitees<br />
(rund 275 Studenten in Brügge, 120 in Warschau);<br />
Beherrschung der englischen und französischen<br />
Sprache ist Voraussetzung; Abschlussdiplom<br />
(„Master of Arts in European Studies“), das für eine<br />
Verwendung im Rahmen der europäischen Politik<br />
qualifiziert(„Diplomatenschmiede“). W. M.<br />
Anschrift: Dijver 11, B–8000 Brügge;<br />
ul. Nowoursynowska 84, PL–02/797 Warszawa 78<br />
Auskunft: Europäische Bewegung Deutschland e.V.,<br />
Jean-Monnet-Haus, Bundesallee 22, 10717 Berlin<br />
Eigenpublikation: Collège d’Europe. Institut d’études<br />
européennes postuniversitaires. Bruges, Belgique / College of<br />
Europe. Institute of Postgraduate European Studies.<br />
Bruges, Belgium<br />
Europakompetenz, -fähigkeit. Im Bereich der<br />
Verwaltung und der Wirtschaft bezeichnet Europakompetenz<br />
die Kenntnis des europäischen Rechts<br />
und der europäischen Institutionen, insbes. der euro-
päischen Programme, der Verfahren zur Beantragung<br />
und das Management von EU-Fördermitteln.<br />
Im Bereich des Arbeitslebens bezeichnet Europakompetenz<br />
die Qualifizierung für den europäischen<br />
Arbeitsmarkt, insbes. die Fähigkeit, sich in Sprachen<br />
anderer EU-Staaten verständigen zu können.<br />
Im privaten Bereich kann damit die Fähigkeit bezeichnet<br />
werden, sich in Europa kulturell, politisch,<br />
ökonomisch, historisch usw. zurechtzufinden, d. h.<br />
in den genannten und in anderen Bereichen die erforderlichen<br />
Kompetenzen zu besitzen, um Informationen<br />
zu problemorientierten Einsichten verknüpfen<br />
bzw. zu vernunftgesteuertem Handeln einsetzen zu<br />
können. Dazu gehört u. a. die Fähigkeit zu grenzüberschreitendem,<br />
vernetztem Denken, zum Perspektivenwechsel<br />
als Problemsicht aus dem Blickwinkel<br />
anderer Völker und Nationen.<br />
Europakonferenz. Der Europäische Rat von Luxemburg<br />
hat im Dezember 1997 die Aufnahme von<br />
Beitrittsverhandlungen mit 10 mittel- und osteuropäischen<br />
Staaten sowie mit Zypern beschlossen. Zugleich<br />
wurde, auf Vorschlag Frankreichs, eine Europakonferenz<br />
der Staats- und Regierungschefs aller<br />
EU-Staaten sowie der beitrittswilligen Staaten einberufen.<br />
Die Türkei, der vom Europäischen Rat noch<br />
keine konkrete Beitrittsperspektive angeboten worden<br />
war, lehnte eine Teilnahme an der Konferenz ab,<br />
nahm aber ab 2000 an den Treffen teil.<br />
Die erste Europakonferenz der Staats- und Regierungschefs<br />
fand am 12. 3. 1998 in London statt, die<br />
erste Außenministerkonferenz am 6. 10. 1998 in Luxemburg.<br />
Auf der Konferenz im März wurden die<br />
Beitrittspartnerschaften verabschiedet sowie die<br />
Beitrittsverhandlungen mit sechs Staaten begonnen<br />
(Estland, Polen, Slowenien, Tschechische Republik,<br />
Ungarn, Zypern). Auf den Konferenzen sollten Themen<br />
von gemeinsamem Interesse aus den Bereichen<br />
�Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Justiz<br />
und Inneres, regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit,<br />
aber keine beitrittsbezogenen Fragen erörtert<br />
werden. Die letzte Europakonferenz, an der nahezu<br />
alle europäischen Staaten teilnahmen, fand am 17. 4.<br />
2003 in Athen anlässlich der Unterzeichnung der<br />
Beitrittsverträge mit 10 Staaten statt. �Osterweiterung<br />
Ziff. 6.1<br />
Europaministerkonferenz (EMK) der deutschen<br />
Länder. In zeitlichem Zusammenhang mit den Ver-<br />
Europapass<br />
handlungen zum Vertrag über die Europäische<br />
Union (�Maastrichter Vertrag) hatten die deutschen<br />
Länder eigene Europaministerien oder Europaabteilungen<br />
in ihren Staatskanzleien eingerichtet. Am 1.<br />
10. 1992 haben sich die Europaminister und -senatoren<br />
in einer Europaministerkonferenz zusammengeschlossen.<br />
In der EMK werden ergänzend zur Meinungsbildung<br />
der Länder gem. Art. 23 und 50 GG (�Zusammenarbeitsgesetz)<br />
die Haltungen der Länder zu generellen<br />
europapolitischen Themen abgestimmt. Im Unterschied<br />
zur Bundesratsbefassung fasst die EMK ihre<br />
Beschlüsse einstimmig. Der Vorsitz wechselt jährlich,<br />
bislang in alphabetischer Reihenfolge (2005/<br />
2006 bei Sachsen). Auf Arbeitsebene wird die EMK<br />
von einer Ständigen Arbeitsgruppe aus den leitenden<br />
Bediensteten der Länder für europapolitische<br />
Grundsatzfragen (StAG EMK) unterstützt. Darunter<br />
gab es bis Ende 2004 noch einzelne Unterarbeitsgruppen<br />
(bspw. zur europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit<br />
oder zum Verfassungsprozess).<br />
Europäische Themen haben in den letzten Jahren für<br />
die Länder zunehmend an Bedeutung gewonnen.<br />
Teilweise berühren sie die Richtlinien der Politik.<br />
Daher befasst sich mit den wesentlichen Themen<br />
vielfach auch die Ministerpräsidentenkonferenz<br />
(MPK). Die EMK bereitet vielfach Beschlüsse der<br />
MPKfachlichvor. H. D.-K.<br />
Europa mit variabler Geometrie �Europa à la<br />
carte<br />
Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten<br />
�Europa à la carte<br />
Europapass wird der seit 1988 in allen EU-Staaten<br />
in prinzipiell gleicher Form, Farbe (weinrot) und<br />
Ausstattung, jedoch in der jeweils nationalen Amtssprache<br />
ausgestellte Reisepass genannt. Der<br />
32-seitige Pass enthält eine eingeheftete Plastikkarte<br />
(Reisepasskarte) mit den persönlichen Daten des Inhabers.<br />
Die in die Passkarte eingetragene Seriennummer<br />
muss seit Januar 2004 maschinenlesbar<br />
sein. Vielreisende können einen Pass mit 48 Seiten<br />
beantragen.<br />
Der maschinenlesbare Teil des Europapasses wird<br />
künftig auch zwei biometrische Daten in digitalisierter<br />
Form enthalten: eine Gesichtsfelderkennung und<br />
(als Chip im Passdeckel eingearbeitet) eine Finger-<br />
309
Europarat<br />
abdruckprobe. Darauf hat sich der Rat der Innenminister<br />
am 26. 10. 2004 im Grundsatz geeinigt. Die<br />
Gesichtsfelderkennung wird spätestens 18 Monate<br />
nach Festlegung der technischen Einzelheiten eingeführt,<br />
der Fingerabdruck nach 36 Monaten (Einführung<br />
in Deutschland: ab November 2005). Eine zentrale<br />
Speicherung der digitalisierten Erkennungsdaten<br />
ist nicht vorgesehen.<br />
Die Regelung gilt zunächst nur für neu ausgestellte<br />
Reisepässe; ab 2007 sollen in Deutschland auch Personalausweise<br />
mit biometrischen Daten versehen<br />
werden.<br />
Die Einführung biometrischer Daten soll Pässe fälschungssicherer<br />
machen. Außerdem entspricht die<br />
EU damit einer Anordnung der USA, wonach ab Oktober2005alleStaatsbürgerausLändern,fürdiekein<br />
Visumzwang herrscht, einen Pass mit mindestens einem<br />
biometrischen Merkmal für die Einreise in die<br />
USA benötigen.<br />
Europarat<br />
1. Begriff und Aufgaben: Der Europarat wurde am<br />
5. 5. 1949 als Folge der Züricher Rede Churchills und<br />
der Initiativen des Haager Kongresses der �Europa-Union<br />
(Mai 1949) gegründet. Er verfolgt das Ziel<br />
einer dauerhaften politischen, wirtschaftlichen und<br />
kulturellen Zusammenarbeit seiner Mitglieder.<br />
In seiner Satzung setzt er sich zur Aufgabe, „eine engere<br />
Verbindung zwischen seinen Mitgliedern zum<br />
Schutze und zur Förderung der Ideale und Grundsätze,<br />
die ihr gemeinsames Erbe bilden, herzustellen<br />
und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt<br />
zu fördern“. Voraussetzung für die Mitgliedschaft<br />
im Europarat ist die Wahrung des Demokratie- und<br />
Rechtsstaatsprinzips sowie die Anerkennung der<br />
�Grund- und Menschenrechte. Der Kreis der Mitglieder<br />
hat sich von ursprünglich zehn auf nunmehr<br />
46 europäische Staaten (2005) erhöht. Sitz des Europarates<br />
ist Straßburg. Arbeitssprachen sind Englisch<br />
und Französisch.<br />
Vom Europarat gingen und gehen wichtige Impulse<br />
aufdenGebietendesMenschenrechtsschutzessowie<br />
der sozialen Schutzrechte, der kulturellen und bildungspolitischen<br />
Zusammenarbeit aus. Unter den<br />
196 Konventionen des Europarates nehmen die Konvention<br />
zum Schutze der Menschenrechte und<br />
Grundfreiheiten (4. 11. 1959) und die Europäische<br />
Sozialcharta (18. 10. 1961) eine herausgehobene<br />
Stellung ein. Daneben hat der Europarat auf aktuelle<br />
310<br />
Entwicklungen mit entsprechenden Konventionen<br />
reagiert, etwa zur Bekämpfung des Menschenhandels,<br />
zu Menschenrechten und Biomedizin, zur Bekämpfung<br />
des Terrorismus und der Datennetzkriminalität.<br />
2. Struktur/Arbeitsweise. Der Europarat umfasst<br />
mehrere Organe:<br />
Das Ministerkomitee ist das Entscheidungsorgan. Es<br />
setzt sich aus den Außenministern (bzw. deren Stellvertretern)<br />
der Mitgliedstaaten zusammen und tagt<br />
mindestens zweimal jährlich. Es kann alle die Mitglieder<br />
interessierenden politischen Fragen – mit<br />
Ausnahme von Verteidigungsfragen – beraten. Unterstützt<br />
wird das Ministerkomitee von den Ständigen<br />
Vertretern der Mitgliedstaaten, die zur Sicherung<br />
der Arbeitskontinuität regelmäßig zusammentreffen<br />
und weitreichende Entscheidungsbefugnisse<br />
haben. Jeweils für ein halbes Jahr hat ein Mitglied<br />
den Vorsitz im Ministerkomitee inne.<br />
Die Parlamentarische Versammlung ist das zweite<br />
Organ des Europarates. Sie setzt sich aus den Delegierten<br />
der nationalen Parlamente entsprechend einem<br />
festgelegten Länderschlüssel (630 Mitglieder)<br />
zusammen.DieParlamentarischeVersammlungtritt<br />
dreimal jährlich zu einer jeweils einwöchigen Sitzungsperiode<br />
zusammen. Sie hat ausschließlich beratende<br />
Funktion, kann ihre Beschlüsse jedoch als<br />
Empfehlungen an das Ministerkomitee richten. Das<br />
Ministerkomitee kann auf dieser Grundlage Beschlüsse<br />
fassen, die die Form einer Empfehlung an<br />
die Regierungen annehmen können. Zur BeschlussfassungisteineZweidrittelmehrheiterforderlich,bei<br />
wichtigen Fragen Einstimmigkeit. Beschlüsse sind<br />
für die Mitglieder erst rechtswirksam, wenn sie gemäß<br />
den innerstaatlichen Verfahren ratifiziert worden<br />
sind. Eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch<br />
nicht.<br />
Sowohl Ministerkomitee als auch Parlamentarische<br />
Versammlung haben eine Reihe von Fachkommissionen<br />
eingerichtet, die spezifische Fragen beraten<br />
und Stellungnahmen vorbereiten, insbes. für die immer<br />
zahlreicheren Fachministerkonferenzen – etwa<br />
der Bildungs-, Gesundheits- oder Justizminister, zu<br />
denen der Europarat regelmäßig einlädt.<br />
Kongress der Gemeinden und Regionen. Der Kongress<br />
hat beratende Funktion für Ministerkomitee<br />
und Parlamentarische Versammlung. Er hat sich auf<br />
Beschluss des Wiener Gipfeltreffens der Staats- und<br />
Regierungschefs 1993 konstituiert und löste die seit
1957 bestehende �Ständige Konferenz der Gemeinden<br />
und Regionen Europas ab. Seit 1994 tritt er einmal<br />
jährlich zusammen und besteht aus zwei Kammern:<br />
einer lokalen und einer regionalen Kammer,<br />
diezahlenmäßiggleichstarksind(313Mitgliedersowie<br />
die gleiche Zahl an Stellvertretern).<br />
Generalsekretariat.MinisterkomiteeundParlamentarische<br />
Versammlung werden bei ihrer Arbeit vom<br />
Generalsekretariat des Europarates unterstützt. An<br />
seiner Spitze steht der für eine fünfjährige Amtszeit<br />
ernannte Generalsekretär. Seit 2004 ist dies der Brite<br />
Terry Davis. Der Personalapparat des Europarates<br />
umfasst ca. 1 800 europäische Beamte. Das Budget<br />
lag 2004 bei ca. 180 Mio. Euro. Finanziert wird es<br />
durch Beiträge der Mitgliedstaaten, als Berechnungsgrundlage<br />
wird ein Bevölkerungsschlüssel herangezogen.<br />
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />
(EGMR). Zur Einhaltung der �Menschenrechtskonvention<br />
von 1950, einem der wichtigsten Beiträge<br />
des Europarates zur Erarbeitung eines europäischen<br />
Grundrechtskatalogs, wurde 1954 die �Europäische<br />
Menschenrechtskommission und 1959 der �Europäische<br />
Gerichtshof für Menschenrechte, beide mit<br />
Sitz in Straßburg, eingerichtet. Die von Weisungen<br />
unabhängigen Mitglieder werden – auf Vorschlag<br />
der Parlamentarischen Versammlung – durch das<br />
Ministerkomitee für jeweils sechs bzw. neun Jahre<br />
ernannt. Die Fusion beider Einrichtungen zum ständigen<br />
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte<br />
wurde 1993 auf Wiener Gipfeltreffen getroffen.<br />
Zugelassen sind seither sowohl Individual- als auch<br />
Staatenbeschwerden.<br />
3. Bewertung. Der Europarat war nach dem Zweiten<br />
WeltkriegdieerstepolitischeOrganisationimdemokratischen<br />
Teil Europas, in dem die Mitgliedstaaten<br />
auf der Grundlage von Rechtsstaatlichkeit und der<br />
Wahrung der Menschen- und Grundrechte zusammenarbeiteten.<br />
Der Rolle eines Motors für die europäische<br />
Einigung, die dem Europarat ursprünglich<br />
insbes. von der �Europäischen Bewegung zugedacht<br />
war, konnte er in der Praxis jedoch nicht gerecht werden.<br />
Mangels Entscheidungs- und Umsetzungskompetenzen<br />
blieb die Wirkung der Europaratsbeschlüsse<br />
gering. Mit der Gründung der �Europäischen<br />
Wirtschaftsgemeinschaft erwuchs dem Europarat<br />
zudem eine starke Konkurrenz. Die EWG entwickelte<br />
sich zum Motor des europäischen Integrationsprozesses<br />
und ist dies mit der Gründung der Europäi-<br />
Europa-Schulen<br />
schen Union bis heute geblieben. Der Europarat hat<br />
sich insbes. Bedeutung als „moralische“ Instanz für<br />
die Achtung von Demokratie und Menschenrechte<br />
erworben. Mit dem Ende des Ost-Westkonflikts hat<br />
auch der Europarat sich als politischer Anker für die<br />
im Transformationsprozess befindlichen Länder<br />
Mittel- und Osteuropas neu positioniert.<br />
Seit 1997 hat er seine Aktivitäten in vier Bereiche gebündelt:<br />
Demokratie und Menschenrechte, sozialer<br />
Zusammenhalt, Sicherheit für den Bürger, demokratische<br />
Werte und kulturelle Vielfalt. Bedeutung hat<br />
der Europarat auch als Vorbereitungsstation für einen<br />
späteren EU-Beitritt erlangt: alle späteren mittel-undosteuropäischenEU-Mitgliederwarenzuvor<br />
Europaratsmitglieder. Auch heute dient der Europarat<br />
als institutionelle Klammer zwischen der EU und<br />
den Europaratsmitgliedern, die keine EU-Beitrittsperspektivehaben.<br />
Ch. H.<br />
Europa-Schulen. Eine Sonderstellung im Rahmen<br />
des Erziehungswesens in Europa nehmen die Europa-Schulen<br />
in Brüssel (3), Luxemburg, Varese/Ispra<br />
(Italien), Mol/Geel (Belgien), Bergen/Letten (Niederlande),Karlsruhe,MünchenundCulham(beiOxford)<br />
ein. Sie sind vorwiegend für die (rd. 21 000)<br />
Kinder der bei den europäischen Einrichtungen tätigen<br />
�Bediensteten konzipiert.<br />
AlsHauptanliegenderEuropa-SchulenhatdasEuropäische<br />
Parlament (EP) in seiner „Entschließung zu<br />
den Europäischen Schulen“ vom 7. 7. 1983 (ABl. C<br />
242/1983) zusammengefasst:<br />
Das EP „hält es für richtig, dass Geschichte wie auch<br />
Geographie und Humanwissenschaften (= Wirtschafts-<br />
und Sozialwissenschaften, W. M.) in der<br />
zweiten Unterrichtssprache unterrichtet werden, ist<br />
aber auch der Ansicht, dass dabei vermieden werden<br />
muss, dass an die Stelle einer mit der Muttersprache<br />
und der Kultur des Herkunftslandes verbundenen nationalen<br />
Auffassung eine nationale Auffassung desjenigen<br />
Staates tritt, in dessen Sprache diese Fächer<br />
unterrichtet werden, oder dass über die tatsächlichen<br />
Ereignisse hinaus zu abstrakt eine ideale Geschichte<br />
Europas gesucht wird“ (L 7).<br />
Insgesamt äußert das EP sich zu den Lehrplänen wie<br />
folgt: „Die Lehrpläne zielen darauf ab, eine Kulturvorstellung<br />
zu überwinden, die sich auf die Idee der<br />
Nation stützt, wobei diese als alleiniger Mittelpunkt<br />
der politischen und kulturellen Geschichte und – in<br />
einem breiteren Rahmen – der historischen Entwick-<br />
311
Europaschulen<br />
lung und der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen<br />
nationalen Zivilisationen verstanden<br />
wird: mit diesen Lehrplänen wird das Ziel verfolgt,<br />
andereFaktoreneinzubringen,dieindenverschiedenen<br />
Lehrplänen der höheren Schulen, wie sie bisher<br />
in Europa konzipiert wurden, oft keine Beachtung<br />
fanden.“ So sollen bspw. Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />
gelehrt werden.<br />
DieLehrplänesollenalsonichtdurchmultikulturelle<br />
Zusätze ergänzt werden, sondern die MultikulturalitätzumdurchgängigenPrinziperheben.<br />
W. M.<br />
Literatur:<br />
Vorsmann, N./Wittenbruch, W.: Schulen auf Europa-Kurs.<br />
Bad Heilbrunn/Obb. 1997<br />
Europaschulen, Europa-Schulen. Namenszusatz<br />
für Schulen aller Schularten in Deutschland, der<br />
ihnen auf Antrag von Kultusministerien der Länder<br />
(u. a. Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Niedersachsen, Nordrhein-<br />
Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-<br />
Holstein, Thüringen) für die Dauer von drei Jahren<br />
verliehen wird. Nach der dritten Verleihung in Folge<br />
darf die Schule den Zusatz unbefristet führen, solange<br />
sie die in den Grundsätzen für die Verleihung genannten<br />
Voraussetzungen erfüllt. Die Aktion dient<br />
der Umsetzung der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz<br />
zur „Interkulturellen Bildung und Erziehung<br />
in der Schule“ und zu �„Europa im Unterricht“.<br />
Europa-Schulen fördern den Europagedanken durch<br />
IntegrationeuropäischerThemeninalleUnterrichtsfächer,<br />
erziehen zu Toleranz, beteiligen sich an europäischen<br />
Bildungsprogrammen, Projekten, Wettbewerben<br />
und außerschulischen Fortbildungsmaßnahmen,<br />
führen mit Schulen in anderen Staaten einen europäischen/interkulturellen<br />
Dialog, vermitteln<br />
Mehrsprachigkeit (z. B. in bilingualem Unterricht),<br />
nutzen moderne Medien.<br />
Europass heißt der seit 1. 1. 2005 in allen EU- und<br />
EWR-Staaten einheitliche Bildungsausweis. Er enthält<br />
einen Lebenslauf sowie Auflistungen von Auslandsaufenthalten,<br />
Studienabschlüssen, Sprachkenntnissen<br />
und Ausbildungsinhalten. Bei Bewerbungen<br />
im In- und Ausland können mit dem Europass<br />
Qualifikationen und Fähigkeiten nachgewiesen<br />
werden.<br />
Europatag. Zur Erinnerung an den 9. Mai 1950, an<br />
dem der französische Außenminister Robert Schu-<br />
312<br />
man in Paris den Plan seiner Regierung zur Gründung<br />
einer deutsch-französischen Gemeinschaft für<br />
Kohle und Stahl (�Schumanplan) verkündete, wird<br />
der 9. Mai als Europatag gefeiert. Der �Verfassungsvertrag<br />
2004 für Europa erhebt den 9. Mai als Europatag<br />
zu einem der Symbole der Union (Art. I-8<br />
VVE).<br />
Von der �Europäischen Bewegung wird zur Erinnerung<br />
an die Gründung des Europarats am 5. Mai 1949<br />
der 5. Mai als Europatag begangen.<br />
Europa-Union Deutschland<br />
1.Begriffserklärung:<br />
„Die EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND ist der<br />
deutsche Zweig der Union Europäischer Föderalisten<br />
(UEF) und arbeitet im Rahmen der Europäischen<br />
Bewegung mit anderen Verbänden zusammen, die<br />
eine föderative und demokratisch-rechtsstaatliche<br />
Vereinigung der europäischen Völker anstreben.<br />
Unter voller Wahrung seiner geistigen, politischen<br />
undorganisatorischenUnabhängigkeitistderVerein<br />
tätig,dieöffentlicheMeinung,diepolitischenParteien,<br />
die Parlamente und die Regierungen für die föderative<br />
und demokratisch-rechtsstaatliche Vereinigung<br />
der europäischen Völker zu gewinnen. Der<br />
Verein bekennt sich zum ,Hertensteiner Programm’<br />
vom 21. 9. 1946.“ (Hauptsatzung, § 2 [1])<br />
„Der Verein ist eine überparteiliche und überkonfessionelleOrganisation.EristkeinePartei“(§2[2]).Er<br />
wirbt für europäische Parteien.<br />
2. Historische Entwicklung: Die Mitglieder der<br />
EUROPA-<strong>UNION</strong> wollten nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
aus der Sackgasse, in die die nationale Politik<br />
geraten war, heraus mit der Idee einer engen europäischen<br />
Zusammenarbeit. Man wollte einen anderen<br />
(wirkungsvolleren) Weg gehen als der Völkerbund<br />
(1920 – 1946). Ihre Forderung lautete: Neuordnung<br />
der demokratischen Machtverhältnisse in Europa,<br />
die eines Tages in einer europäischen Föderation<br />
münden sollte.<br />
Vom14.bis21.9.1946trafensichrundzwanzig„Föderalisten“<br />
aus der Schweiz, den Niederlanden,<br />
Frankreich, Italien und Großbritannien im Schweizer<br />
Städtchen Hertenstein auf einer Landzunge im<br />
Vierwaldstätter See, unter ihnen mancher Widerstandskämpfer.<br />
Ihre zwölf Thesen (Hertensteiner<br />
Programm) wurden zur Grundlage der europäischen<br />
Arbeit der Nachkriegsjahre wie auch zum grundlegenden<br />
Programm der EUROPA-<strong>UNION</strong>. Das Her-
tensteiner Programm bekennt sich zu föderalistischenGrundsätzen,dieesder„europäischenVölkergemeinschaft“<br />
(Punkt 2) ermöglichen sollen, sich<br />
von unten nach oben aufzubauen und ihre Streitigkeiten<br />
selbst zu schlichten (Punkt 2). Die „Europäische<br />
Union fügt sich in die Organisation der Vereinten<br />
Nationen ein“ (Punkt 3), sie erklärt die Europäischen<br />
Bürgerrechte (Punkt 6) und sorgt sich um den<br />
Wiederaufbau, um die wirtschaftliche, soziale und<br />
kulturelle Zusammenarbeit und fordert, „dass der<br />
technischeFortschrittnurimDienstederMenschheit<br />
verwendet wird“ (Punkt 8).<br />
Die Europäische Union ist offen für alle „Völker europäischer<br />
Wesensarten“ (Punkt 5), die Mitglieder<br />
„übertragen einen Teil ihrer wirtschaftlichen, politischen<br />
und militärischen Souveränitätsrechte an die<br />
von ihnen gebildete Föderation“ (Punkt 4).<br />
Eine Herausforderung an die Staatsmänner Europas<br />
sowie an die Bürgerinnen und Bürger Europas sollte<br />
die 12. These des Hertensteiner Programms sein:<br />
„Durch den Beweis, dass es seine Schicksalsfragen<br />
im Geiste des Föderalismus selbst lösen kann, soll<br />
Europa seinen Beitrag zum Wiederaufbau und zu einem<br />
Weltbund der Völker leisten.“<br />
Noch während der Hertensteiner Konferenz forderte<br />
Winston Churchill in seiner berühmten Züricher<br />
Rede (19. 9. 1946) die „Schaffung der Vereinigten<br />
Staaten von Europa“. „Der erste Schritt hierzu ist die<br />
Bildung eines Europarats.“ Später erkennt man erst,<br />
dass Churchill die Staaten des Britischen Commonwealth<br />
zwar als „Freunde und Förderer“ Europas<br />
sah, aber nicht als dessen Mitglieder.<br />
Der Europarat, ein freiwilliger Zusammenschluss<br />
der Staaten, wahrte die nationale Souveränität. Im<br />
Nachkriegs-Europa konnten sich also nicht die „Föderalisten“<br />
durchsetzen, die gewisse nationalstaatliche<br />
Rechte abtreten wollten, sondern die „Funktionalisten“:<br />
nur Kooperation in einzelnen Funktionsbereichen<br />
– wobei die Nationalstaaten ihre volle<br />
Kompetenz behalten.<br />
Der früheste Aufruf der Föderalisten zur Schaffung<br />
einer „Union Europas“ (vom Münchener Verleger<br />
Carl Schmitt) ist vom 19. 2. 1946 aktenkundig. Am<br />
9. 12. 1946 wird in Syke bei Bremen die erste EURO-<br />
PA-<strong>UNION</strong> gegründet und vom europäischen Dachverband<br />
UEF (Union Europäischer Föderalisten, am<br />
17. 12. 1946 in Paris gegründet) als gleichberechtigt<br />
anerkannt. Am 22. 6. 1947 findet der Deutsche Europa-Kongress<br />
der EUROPA-<strong>UNION</strong> in Eutin statt.<br />
EUROPA-<strong>UNION</strong><br />
Motto: „Europäer aller Länder vereinigt euch!“ Im<br />
August 1947 findet der erste Kongress der UEF, dem<br />
die EUROPA-<strong>UNION</strong> als deutsche Sektion angehört,<br />
in der Schweiz statt. Man will die beginnende<br />
politische Spaltung Europas in zwei Blöcke nicht<br />
hinnehmen. Am 8. bis 10. 5. 1948 fand in Den Haag<br />
unter dem Vorsitz Winston Churchills ein Kongress<br />
der europäischen Verbände statt, der zur Gründung<br />
der �Europäischen Bewegung führte. Diese konstituiertesicham25.10.1948offiziellalsDachverband<br />
der wichtigsten Europa-Verbände.<br />
Der Deutsche Rat der Europäischen Bewegung wurde<br />
am 13. 6. 1949 in Wiesbaden konstituiert. Der erste<br />
ordentliche Kongress der EUROPA-<strong>UNION</strong> (mit<br />
dem zukunftsweisenden Motto: „Geeintes Deutschland<br />
im geeinten Europa“) fand vom 19. bis 22. 5.<br />
1949 in Hamburg statt. Eugen Kogon wurde der erste<br />
Präsident.<br />
3. Organisatorische Gliederung und Beschreibung:<br />
Dem Präsidium gehören namhafte Politiker, Professoren<br />
und Publizisten an. Der Bundesausschuss ist<br />
zwischen den Kongressen das oberste Organ der<br />
EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND (EUD). Ihr<br />
gehören 15 Landesverbände an.<br />
Die EUROPA-<strong>UNION</strong> setzt sich – nach fünfzig Jahren<br />
– dafür ein, dass der Integrationsprozess weiter<br />
voranschreitet und eine überzeugende politische Gestalt<br />
annimmt. Sie arbeitet deshalb:<br />
– für ein �Europa der Bürger: die EUD will ein bürgernahes<br />
Europa;<br />
– für Europas Einheit in Vielfalt: das Bewusstsein<br />
für das gemeinsame kulturelle Erbe und die Zukunft<br />
in kultureller Vielfalt;<br />
– für ein starkes Europäisches Parlament, das gleichberechtigt<br />
an der Gesetzgebung teilnimmt;<br />
– für eine föderale Verfassung: Menschenrechte,<br />
Grundfreiheiten, Minderheitenrechte;<br />
– für eine innere Reform der Europäischen Union,<br />
um innen- und außenpolitisch handlungsfähig zu<br />
sein;<br />
– für eine wirkliche Politische Union Europas mit einer<br />
voll ausgestalteten Unionsbürgerschaft;<br />
– für die Herausbildung einer europäischen Identität<br />
unter den Bürgern.<br />
Die EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND will Bürgernähe,Transparenz,Solidarität,Föderalismus;die<br />
Bürgerinnen und Bürger Europas sollen am weiteren<br />
Auf- und Ausbau Europas beteiligt werden.<br />
Zu den Mitgliedern zählen Politiker aller Parteien<br />
313
Europa-Universität<br />
und Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen. An<br />
den Bundeskongressen der EUD nehmen neben den<br />
Delegierten zahlreiche Abgeordnete, Minister usw.<br />
teil. Ca. 20 000 Einzelmitglieder sind in den 15 Landesverbänden<br />
(Ausnahme Sachsen) und in ca. 300<br />
Bezirks-, Kreis-, Orts- und Stadtverbänden organisiert.<br />
Jüngere Europäer wirken am europäischen Ziel mit<br />
durch ihre Arbeit in den Landesverbänden der Jungen<br />
Europäischen Föderalisten (JEF) sowie der Jungen<br />
Europäer (JE). Um möglichst viele Jugendliche<br />
für den Europagedanken zu gewinnen, unterstützt<br />
die EUD den jährlich stattfindenden �Europäischen<br />
Schülerwettbewerb. Der Höhepunkt der Öffentlichkeitsarbeit<br />
der EUD ist der Europatag, der 5. Mai.<br />
Die EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND arbeitet<br />
eng zusammen mit den Europa-Häusern und Europäischen<br />
Akademien, die die außerschulische europapolitische<br />
Bildung fördern.<br />
Seit dem Bundeskongress 1999 ist Präsident der<br />
EUD der MdEP Elmar Brok, Vorsitzender des Ausschusses<br />
für auswärtige Angelegenheiten im EuropäischenParlament.<br />
J. Sch.-R.<br />
Anschrift:<br />
EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND, Bachstraße 32,<br />
53115 Bonn<br />
Internet: http://www.europa-union.de<br />
(ebenso: JEF, Junge Europäische Föderalisten,<br />
im Internet: http://www.jef.de)<br />
Literatur:<br />
Koppe, K.-H.: Das grüne E setzt sich durch. 20 Jahre Europa-<br />
Union Deutschland 1946–1966. Köln 1967<br />
Loth, W. (Hg.): Die Anfänge der europäischen Integration<br />
1945–1950. Bonn 1990<br />
Mayne, R. u. a.: Federal Union: The Pioneers. History of<br />
Federal Union. Hound Millo, Macmillian 1990<br />
Europa-Union (Hg.): Charta der Europäischen Identität.<br />
Beschlossen in Lübeck am 28. 10. 1995 vom 41. Ordentlichen<br />
Kongress der Europa-Union Deutschland<br />
Dies.: 50 Jahre Europa-Union Deutschland. Beiträge zur<br />
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der<br />
Europäischen Union 1946–1996. Bonn 1998<br />
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder,<br />
vom Bundesland Brandenburg 1991 gegründet mit<br />
dem Auftrag, eine Brückenfunktion zwischen Westund<br />
Osteuropa einzunehmen. Die deutsch-polnische<br />
Kooperation bildet den Kern dieser Universität; ein<br />
Drittel sind polnische Studenten. Der Name erinnert<br />
andievon1506bis1811inFrankfurtansässigeAlma<br />
mater Viadrina (lat. „die an der Oder gelegene“). Fa-<br />
314<br />
kultäten: Juristische, Kulturwissenschaftliche und<br />
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät.<br />
Europawahlen.1979wurdendieAbgeordnetendes<br />
Europäischen Parlaments erstmals direkt gewählt<br />
(�Direktwahl zum Europäischen Parlament). Der<br />
fünfjährigen Legislaturperiode entsprechend haben<br />
sich die Europawahlen 1984, 1989, 1994, 1999 und<br />
2004 (zur sechsten Legislaturperiode) wiederholt.<br />
Einheitliches Wahlverfahren für Europawahlen.<br />
Nach Art. 190 Abs. 4 EGV muss das EP einen Entwurf<br />
für allgemeine, unmittelbare Wahlen nach einheitlichem<br />
Verfahren in allen Mitgliedstaaten ausarbeiten.<br />
Die entsprechenden Bestimmungen werden<br />
nach Zustimmung des EP vom Rat einstimmig erlassen<br />
und müssen von den Mitgliedstaaten ratifiziert<br />
werden. Der Akt zu Einführung der direkten Wahlen<br />
zum EP vom 20. 9. 1976 (76/787) sah lediglich einheitliche<br />
Termine für die Wahlen vor und bestimmte<br />
in Art. 7 Abs. 2, dass bis zum Erlass einheitlicher Bestimmungen<br />
in jedem Mitgliedstaat die innerstaatlichen<br />
Vorschriften für Wahlen zum EP gelten.<br />
DiezunächstvomEPvorgelegtenEntwürfescheiterten<br />
lange Zeit an der fehlenden Einstimmigkeit im<br />
Rat.SogaltenbiszurWahlimJahr1999nachwievor<br />
die innerstaatlichen Wahlverfahren, die in Großbritannien<br />
(ohne Nordirland) das Mehrheitswahlrecht,<br />
in allen anderen EU-Staaten das Verhältniswahlrecht<br />
vorsahen.<br />
Nachdem der �Vertrag von Amsterdam für den Entwurf<br />
für Wahlen nicht mehr, wie der Maastrichter<br />
Vertrag, ein einheitliches Verfahren verlangte, sondern<br />
auch ein Verfahren ermöglichte, das „im Einklang<br />
mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen<br />
Grundsätzen“ steht (Art. 190 EGV), hat das EP am<br />
15. 7. 1998 einen neuen Vorschlag verabschiedet.<br />
Auf dieser Basis beschloss der Rat am 25. 6. und 23.<br />
9. 2002 eine Änderung des Direktwahlaktes von<br />
1976(ABl.L283/2002).DienationalenGesetzgeber<br />
(auch in den zehn Beitrittsländern) setzten die Vorgaben<br />
in ihre jeweiligen Wahlgesetze um, wobei sie<br />
einen gewissen Spielraum ausnutzen konnten. Damit<br />
galt für die Europawahl 2004 erstmals ein Verfahren<br />
nach gemeinsamen Grundsätzen: Einheitlich<br />
sind, neben dem Termin, das Verhältniswahlrecht<br />
auf der Grundlage von Listen (Ausnahme: Nordirland<br />
und Irland, wo das Verhältniswahlrecht mit<br />
übertragbaren Einzelstimmen gilt), die Bestimmungen<br />
über die Unvereinbarkeit eines EP-Mandats mit
einem nationalen Mandat (mit einer AusnahmeregelungfürGroßbritannienundIrlandbis2009).Andere<br />
Bestimmungen, z. B. über das Wahlalter, die Wahlpflicht,<br />
die Sperrklauseln (bis zu 5 %) oder die VergabevonVorzugsstimmenkönnenvonStaatzuStaat<br />
variieren. Regionalen Besonderheiten (z. B. der<br />
Existenz sprachlicher Minderheiten) kann durch<br />
Sonderbestimmung Rechnung getragen werden, soweit<br />
diese den Grundsatz der Verhältniswahl nicht in<br />
Frage stellen. Nicht verwirklicht wurde bisher der im<br />
Entwurf des EP enthaltene Vorschlag, dass „ein bestimmter<br />
Prozentsatz der Sitze nach dem Verhältniswahlsystem<br />
im Rahmen eines einzigen, aus dem Gebiet<br />
der Mitgliedstaaten gebildeten Wahlkreises verteilt<br />
werden könnte“. Das EP hat vorgeschlagen, für<br />
die Wahlen 2009 zehn Prozent der Sitze auf diese<br />
Weise zu vergeben.<br />
EuropeAid ist ein am 1. 1. 2001 auf Beschluss der<br />
Kommission geschaffenes Amt für Zusammenarbeit<br />
im Bereich der Außenbeziehungen der EU. Das Amt<br />
verwaltet die aus dem Haushalt der EU und dem �EuropäischenEntwicklungsfonds(EEF)fürdieAußenhilfe<br />
bereitgestellten Finanzmittel und ist für alle<br />
Stufen der einzelnen Programme und Projekte verantwortlich,<br />
von der Auswahl und Prüfung bis zur<br />
Evaluierung. Zuständig sind die GD Außenbeziehungen,<br />
Handel, Entwicklung und Erweiterung der<br />
Kommission. Für Maßnahmen der Soforthilfe bei<br />
Katastrophen und in bewaffneten Konflikten ist<br />
�ECHO zuständig, das Amt für humanitäre Hilfe.<br />
European Banking Industry Committee (EBIC),<br />
im Januar 2004 in Brüssel gegründeter Ausschuss,<br />
der die Interessen der europäischen Kreditwirtschaft<br />
gegenüber EU-Institutionen vertreten will.<br />
European Business Information Centres<br />
(EBIC), von Delegationen der Kommission oder<br />
Handelskammern der EU-Staaten in Asien eingerichtete<br />
Informationszentren für die Wirtschaft.<br />
European Credit Transfer System (ECTS). Europäisches<br />
System zur Anrechnung, Übertragung und<br />
Akkumulierung von Studienleistungen im Rahmen<br />
des �Sokrates-Programms (ursprünglich des Erasmus-Programms).1989eingeführtzurAnerkennung<br />
von Studienaufenthalten an Hochschulen in allen<br />
EU-Staaten. Inzwischen weiter entwickelt zu einem<br />
System der Akkumulierung von Studienleistungen<br />
der Vollzeitstudenten auf Basis eines für Studiengänge<br />
entwickelten, in Zeiteinheiten aufgeteilten<br />
Arbeitspensums(Vorlesungen,Seminare,Selbststudium,<br />
Prüfungen) mit festgelegten Lernergebnissen<br />
und zu erwerbenden Kompetenzen. Für StudienleistungenwerdenKreditpunktevergeben(inderRegel<br />
30 für ein Semester), die von allen am ECTS teilnehmenden<br />
Hochschulen anerkannt werden. �Bologna-Prozess<br />
European Governance �Governance<br />
European Society<br />
European Policy Center (EPC) ist ein unabhängiges,<br />
gemeinnütziges Forschungsinstitut (Think<br />
Tank) für europäische und globale Politik und arbeitet<br />
seit 2002 mit der König-Baudouin-Stiftung<br />
(KBS) zusammen. Allgemeine Ziele der Arbeit sind<br />
das Erreichen demokratischerer und effizienterer<br />
Formen von Governance in der EU, die Entwicklung<br />
einereuropäischenIdentitätunterUnionsbürgernsowie<br />
engere Zusammenarbeit zwischen Entscheidungsträgern<br />
und der �Zivilgesellschaft. Das EPC<br />
und die KBS veranstalten Seminare und Konferenzen,<br />
analysieren und forschen auf dem Gebiet der Politik<br />
und geben Publikationen heraus.<br />
Anschrift: 155 Rue de la Loi, B-1040 Brüssel<br />
Internet: www.theepc.be; König-Baudouin-Stiftung:<br />
www.kbs-frb.be<br />
European Schoolheads Association (ESHA),<br />
Europäische Schulleitervereinigung, 1988 gegründet<br />
mit Unterstützung der EU. Die Mitglieder verfolgen<br />
das Ziel, den Begriff der �Europäischen Dimension<br />
und der �Unionsbürgerschaft in ihren Schulen<br />
zu verwirklichen. Zusammen mit dem European<br />
Schoolnet und der Europäischen Kommission verfolgt<br />
ESHA seit 2000 das Kooperationsprojekt<br />
School Managers Centre, die europäische Plattform<br />
für Schulleiter, im Rahmen des �Sokrates-Programms.<br />
Internet: www.eun.org/sites/esha.org<br />
European Society for Research on the Education<br />
of Adults (ESREA, Europäische Gesellschaft<br />
zur Forschung in der Erwachsenenbildung). Die Gesellschaft<br />
fördert theoretische und empirische Studien<br />
zur Erwachsenenbildung und verbreitet deren<br />
Ergebnisse.<br />
Anschrift: Wassenaarseweg 52, NL–2333 AK Leiden<br />
315
European Space Agency<br />
European Space Agency (ESA/Europäische<br />
Weltraumorganisation)<br />
1. Ziel: Die Organisation will laut Gründungsübereinkommen<br />
die Zusammenarbeit europäischer Staaten<br />
für ausschließlich friedliche Zwecke in der Weltraumforschung,<br />
der Weltraumtechnik und ihren<br />
weltraumtechnischen Anwendungen im Hinblick<br />
auf deren Nutzung für die Wissenschaft und für operationelle<br />
Anwendungssysteme sicherstellen und<br />
entwickeln.<br />
2. Historische Entwicklung<br />
2.1 ESRO (European Space Research Organization):<br />
1964 gründeten zehn europäische Staaten (Belgien,<br />
die Bundesrepublik Deutschland, Dänemark,<br />
Frankreich, Italien, die Niederlande, die Schweiz,<br />
Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich)<br />
die ESRO (Europäische Organisation für Weltraumforschung).<br />
Die ESRO entwickelte erfolgreich zahlreiche Forschungssatelliten.<br />
1971 wurden die Aufgaben der<br />
Organisation erweitert durch die Aufnahme von Anwendungsprogrammen<br />
im Bereich der Meteorologie,<br />
der Telekommunikation und der Aeronautik.<br />
Zwei Jahre später führte ein zweiter �„package deal“<br />
die Entwicklung einer vollkommen neuen Trägerrakete,<br />
der Ariane, eines bemannten Weltraumlabors,<br />
das unter deutscher Federführung entwickelte Spacelab,<br />
sowie des experimentellen Seefunk-Satelliten<br />
MAROTS unter das Dach der ESRO.<br />
2.2 ELDO (European Launcher Development Organization):<br />
Etwa zur gleichen Zeit wie die ESRO<br />
wurde auf Initiative Großbritanniens eine zweite Organisation,dieELDO(EuropäischeOrganisationfür<br />
die Entwicklung und den Bau von Raumfahrzeugträgern)<br />
gegründet, die ihre Tätigkeit im Frühjahr 1964<br />
aufnahm. Ziel der ELDO war die gemeinsame Entwicklung<br />
und der Bau einer europäischen Trägerrakete.<br />
An dieser Organisation beteiligten sich Belgien,<br />
Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland,<br />
Großbritannien, Italien, die Niederlande sowie Australien.<br />
Nach mehreren erfolglosen Startversuchen mit der<br />
Europa-Trägerrakete verloren die an diesem Projekt<br />
beteiligten Regierungen das Vertrauen in das glücklose<br />
Unternehmen. Nach der Liquidation der ELDO-<br />
Programme wurde die Organisation am 31. 5. 1975<br />
mit der ESRO zur heutigen ESA fusioniert.<br />
3. Struktur und Aufgaben der ESA: Der ESA gehören<br />
heute 17 Mitgliedstaaten an: Belgien, Dänemark,<br />
316<br />
Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland,<br />
Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen,<br />
Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien,<br />
Vereinigtes Königreich; mit Kanada besteht ein Kooperationsvertrag,<br />
der eine begrenzte Mitwirkung an<br />
den Programmen und in den Organen der ESA ermöglicht.<br />
Zu diesen Organen zählt der Rat, der aus Vertretern<br />
der Mitgliedstaaten besteht und die Politik der Organisation<br />
bestimmt. Die deutschen Raumfahrtinteressen<br />
werden darin vom Deutschen Zentrum für Luftund<br />
Raumfahrt (DLR) wahrgenommen. Der Rat ernennt<br />
für eine bestimmte Amtszeit einen Generaldirektor;<br />
diesem stehen in der Durchführung seiner<br />
Aufgaben fünf Programmdirektoren in den Bereichen<br />
Wissenschaftsprogramm, Erdbeobachtungsprogramme,<br />
EU- und Industrieprogramme, Raumfahrzeugträgerprogramme,<br />
Programme für bemannte<br />
Raumfahrt, Schwerelosigkeitsforschung und Exploration<br />
sowie vier Unterstützungsdirektoren für<br />
Technisches und Qualitätsmanagement, Ressourcenmanagement,<br />
Betrieb und Infrastruktur sowie<br />
Außenbeziehungen zur Seite.<br />
Der Rat hat zur Formulierung und Kontrolle der Programme<br />
mehrere Programmräte eingerichtet, in die<br />
jedes am betreffenden Programm beteiligte Mitgliedsland<br />
fachkundige Vertreter entsendet. Zur Beratung<br />
programmübergreifender Verwaltungsfragen<br />
hat der Rat zudem einen Verwaltungs- und Finanzausschuss<br />
eingerichtet.<br />
Ein weiterer Ausschuss beschäftigt sich mit industriepolitischen<br />
Fragen.<br />
Die ESA hat ihren Sitz in Paris mit etwa 320 ständigen<br />
Mitarbeitern, die überwiegend Verwaltungsund<br />
Stabsfunktionen wahrnehmen. Daneben hat die<br />
Organisation mehrere Niederlassungen in den Mitgliedsländern.<br />
Das technische Zentrum ESTEC (European<br />
Space Research and Technology Centre) mit<br />
ca. 1100 ständigen Mitarbeitern ist in Noordwijk<br />
(Niederlande) angesiedelt. Hier steuern und überwachen<br />
Wissenschaftler und Ingenieure die Entwicklung<br />
der Projekte in der Industrie, überprüfen die Satelliten<br />
in eigenen großen Testanlagen auf ihre Funktionsfähigkeit<br />
und betreiben Wissenschaft und Forschung.<br />
Das Satellitenkontrollzentrum ESOC (European<br />
Space Operations Centre) hat seinen Sitz in Darmstadt.<br />
Von dort aus werden Bodenstationen auf der<br />
ganzen Welt gesteuert sowie die von den Satelliten
übermittelten Daten gesammelt und an die Benutzer<br />
weitergegeben. ESOC hat bisher 51 Satelliten für die<br />
ESA und später für �Eutelsat, �Eumetsat und �Inmarsat<br />
betrieben. Zur Erfüllung dieser Aufgaben<br />
sind in Darmstadt 235 ständige Mitarbeiter tätig.<br />
Das Informationszentrum ESRIN (European Space<br />
Research Institute) in Frascati bei Rom sammelt, archiviert,<br />
katalogisiert und verteilt die von Erderkundungs-<br />
und Forschungssatelliten aufgenommenen<br />
Daten. Außerdem ist dort das Projektmanagement<br />
fürdieVega-Raketeangesiedelt.InESRINsindetwa<br />
150 ständige Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Schließlich unterstützt die ESA die von Frankreich<br />
betriebene Startbasis für Trägerraketen in Kourou<br />
(Französisch-Guayana). Als jüngste Einrichtung<br />
wurde 1990 in Köln-Porz das Europäische Astronautenzentrum<br />
EAC (European Astronaut Centre) errichtet.<br />
Die Aktivitäten der ESA werden größtenteils durch<br />
Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert. Das Budget<br />
(2004) lag bei ca. 2,7 Mrd. Euro. Frankreich zahlt mit<br />
29,7 % am meisten in den ESA-Haushalt. Der Beitrag<br />
Deutschlands beläuft sich mit 22,4 % auf 510<br />
Mio. Euro. An dritter Stelle tragen die Italiener<br />
11,8 % bei. Von den 2,7 Mrd. Euro gehen 85 bis 90 %<br />
als Aufträge für Projekte und technische Entwicklungen<br />
direkt an die europäische Industrie und – in<br />
kleinerem Umfang – auch an nationale Weltraumorganisationen,<br />
Universitäten und Forschungsinstitute.<br />
4. Programme: Es gibt Pflicht- und Wahlprogramme<br />
der ESA. Am Pflichtprogramm, zu dem der allgemeine<br />
Haushalt sowie das Wissenschaftsprogramm<br />
gehören, muss sich jeder Mitgliedstaat mit einem<br />
nach seinem Bruttosozialprodukt bemessenen Beitrag<br />
beteiligen.<br />
Der Anteil des wissenschaftlichen Programms am<br />
Gesamtbudget der ESA liegt bei 14 %. Der Finanzierungsmodus<br />
der fakultativen Programme, zu denen<br />
die Programme im Bereich der Erdbeobachtung, Telekommunikation,<br />
Navigation, Mikrogravitation,<br />
Bemannte Raumfahrt und Trägersysteme gehören,<br />
sieht dagegen vor, dass die Beteiligung der Mitgliedstaaten<br />
gemäß ihren Interessen in beliebiger Höhe –<br />
was auch die Nichtbeteiligung an bestimmten Programmen<br />
einschließt – erfolgen kann.<br />
Im Rahmen der ESA wurden bisher eine Reihe von<br />
wissenschaftlichen Missionen durchgeführt und<br />
mehrere Satelliten für Telekommunikation, Meteo-<br />
Europol<br />
rologie und Fernerkundung erfolgreich gestartet.<br />
Außerdem entwickelte die ESA die europäische Trägerrakete<br />
Ariane (die bei insgesamt 163 Starts 221<br />
Nutzlasten im Orbit platziert hat, Stand: November<br />
2004), das unter deutscher Federführung gebaute<br />
Spacelab sowie die wiederverwendbare Plattform<br />
Eureca(Weltraumpolitik). H. O.<br />
Anschrift: 8–10 rue Mario Nikis, 75738 Paris Cedex 15<br />
Internet: www.esa.int<br />
Europe Direct. EU-weit eingerichtetes Informationsnetz<br />
mit 400 Informationszentren in allen<br />
EU-Staaten. Träger sind in der Regel Handelskammern<br />
oder kommunale Behörden. Europe Direct ersetzt<br />
seit Mai 2005 die bisherigen Informationsstellen<br />
�Info-Points (für städtische Gebiete) und Carrefours<br />
(für den ländlichen Raum). Anfragen werden<br />
mündlich oder schriftlich beantwortet. Gebührenfrei<br />
(vom Festnetz) ist das „Europe Direct Kontaktzentrum“<br />
unter 0800/67891011 aus allen 25 Staaten von<br />
9 bis 18.30 MEZ zu erreichen.<br />
Internet: http://europa.eu.int/europedirect<br />
Europol, Europäisches Polizeiamt. Europol unterstützt<br />
als Datensammlungszentrale die polizeiliche<br />
Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung<br />
schwerwiegender internationaler Kriminalität,<br />
um Europa als �Raum der Freiheit, der Sicherheit<br />
und des Rechts zu verwirklichen (Art. 29<br />
Abs. 2, 1. Spiegelstrich EUV). Von Europol unabhängig<br />
ist das Schengener Informationssystem<br />
(SIS), das im Rahmen der Schengener Verträge entwickelt<br />
wurde.<br />
1. Entwicklung. Im Maastrichter Vertrag wurde die<br />
Einrichtung eines europäischen Polizeiamtes zum<br />
europaweiten Austausch von Daten auf Basis zwischenstaatlicher<br />
Zusammenarbeit beschlossen. Vorläufer<br />
von Europol war die Europäische Antidrogen-Stelle<br />
(EDS), die schon Anfang 1994 ihre Tätigkeit<br />
im Bereich Drogenbekämpfung aufnahm. Die<br />
Mitgliedstaaten richteten mit dem Europol-Übereinkommen<br />
vom 26. 7. 1995 (ABl. C 316/ 1995)<br />
schließlich das Europäische Polizeiamt mit Sitz im<br />
Haag ein, welches am 1. 7. 1999 seine Tätigkeit aufnahm<br />
und die EDS ablöste. Seitdem wurde der Aufgabenbereich<br />
von Europol zunehmend erweitert.<br />
2. Organisation. Europol ist kein Organ der EU, sondern<br />
ein eigenständiges Instrument intergouvernementaler<br />
Zusammenarbeit mit eigener Rechtsper-<br />
317
Europol<br />
sönlichkeit. Jeder Mitgliedstaat errichtet oder ernennt<br />
eine „nationale Stelle“, welche die einzige<br />
Verbindungsstelle zwischen Europol und den zuständigen<br />
nationalen Behörden bei der Europol-Zusammenarbeit<br />
ist (Art. 4 des Übereinkommens).<br />
Die Aufgaben der nationalen Stelle werden in<br />
Deutschland vom Bundeskriminalamt wahrgenommen.<br />
Die Mitgliedstaaten entsenden Verbindungsbeamte<br />
zu Europol, welche für den reibungslosen Informationsaustausch<br />
zwischen der nationalen Kontaktstelle<br />
und Europol sorgen.<br />
3. Aufgaben gem. Art. 30 Abs. 2 EUV und Art. 3 des<br />
Europol-Übereinkommens. Europol ist für den Informationsaustausch<br />
in bestimmten Gebieten der internationalen<br />
Kriminalität zuständig – neben illegalem<br />
Drogenhandel, illegalem Handel mit nuklearen<br />
und radioaktiven Substanzen, Schleuserkriminalität,<br />
Kraftfahrzeugkriminalität, Menschenhandel<br />
einschl. Kinderpornographie, Terrorismus, Geldfälschung<br />
und Geldwäsche auch alle im Anhang zum<br />
Europol-Übereinkommen aufgezählten Formen<br />
schwerer Kriminalität. Europol soll zu diesem<br />
Zweck Informationen sammeln, zusammenstellen<br />
und analysieren, die nationalen Stellen über Straftaten<br />
unterrichten und die Ermittlungen der nationalen<br />
Polizeibehörden unterstützen.<br />
Darüber hinaus unterhält Europol Datenbanken mit<br />
Informationen über Personen, die einer Straftat verdächtig<br />
sind, wegen einer solchen Tat verurteilt sind<br />
oder bei denen die Gefahr der Begehung einer Straftat<br />
besteht (Art. 8 des Übereinkommens). Die Informationen<br />
können sowohl von den Mitgliedstaaten<br />
als auch von Europol in die Datenbank eingespeist<br />
werden.<br />
Über den reinen Informationsaustausch hinaus hat<br />
Europol noch keine operativen Befugnisse. Die Aufgaben<br />
des Europäischen Polizeiamtes werden aber<br />
zunehmend ausgeweitet: Zum einen entwickelt Europol<br />
spezifisches Fachwissen, mit welchem die<br />
Mitgliedstaaten bei Ermittlungen gegen organisierte<br />
Kriminalität unterstützt werden können. Darüber<br />
hinaus ist vorgesehen, dass Europol die Polizeiarbeit<br />
gemeinsamer Ermittlungsgruppen mehrerer Mitgliedstaaten<br />
koordinieren und ggf. sogar durch Teilnahme<br />
eigener Bediensteten unterstützen kann.<br />
4. Würdigung.<br />
a) Datenschutzproblematik. Sowohl die Mitgliedstaaten<br />
als auch Europol sind dem Datenschutz verpflichtet,<br />
welcher in Art 13 ff. des Übereinkommens<br />
318<br />
eine eingehende Regelung erfährt. Wichtig ist, dass<br />
PrivatpersonennachArt.19und20desÜbereinkommens<br />
Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsansprüche<br />
hinsichtlich der sie betreffenden, bei Europol<br />
gespeicherten Daten geltend machen können.<br />
Die Tätigkeit der nationalen Stellen wird von Nationalen<br />
Kontrollstellen überwacht (Art. 23 des Übereinkommens).<br />
Diese Aufgabe nimmt in Deutschland<br />
der Bundesbeauftragte für Datenschutz wahr (Art. 2<br />
§ 6 EuropolG). Gegen seine Entscheidungen steht<br />
der Rechtsweg offen.<br />
Problematisch ist indes die Rechtsaufsicht über die<br />
Tätigkeit von Europol selbst, die von einer aus Vertretern<br />
der nationalen Kontrollinstanzen gebildeten<br />
Gemeinsamen Kontrollinstanz ausgeübt wird (Art.<br />
24 des Übereinkommens). Ihre Entscheidungen über<br />
Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsansprüche<br />
sind gem. Art. 24 Abs. 7 rechtskräftig, also ist dagegen<br />
kein Rechtsweg gegeben. Da die Gemeinsame<br />
Kontrollinstanz aber kein Gericht ist, wurde in diesem<br />
Zusammenhang diskutiert, ob den grundgesetzlichen<br />
Vorgaben aus Art. 23, 79 GG an einen gleichwertigen<br />
Grundrechtsschutz gegen die Tätigkeit von<br />
Europol entsprochen wird.<br />
b) Demokratiedefizit. Die Bediensteten von Europol<br />
genießen Immunität gem. Art. 41 des Übereinkommens<br />
und nach Maßgabe des Immunitätenprotokolls<br />
(ABl. C 316/1997). Hinzu kommt, dass sie nach Art.<br />
30 des Übereinkommens keinen Weisungen im Verhältnis<br />
zu den Organen der Union oder den mitgliedstaatlichen<br />
Regierungen unterliegen. Je einschneidendere<br />
Befugnisse Europol aber erhält, desto notwendigerwirdeineAnbindunganeinedemokratisch<br />
legitimierte Kontrollinstanz. Schon gegenwärtig ist<br />
– durchaus berechtigt – gefragt worden, ob die Rückkoppelung<br />
von Europol an die mitgliedstaatlichen<br />
Parlamente ausreichend ist.<br />
5. Ausblick. Das Europäische Polizeiamt könnte in<br />
Zukunft über eine bloße Datensammlungszentrale<br />
hinaus zu einer europäischen Staatsanwaltschaft<br />
ausgebaut werden. Eine bessere justitielle Einbindung<br />
von Europol ist wünschenswert – und wird mit<br />
zunehmender Erweiterung der Befugnisse im operativen<br />
Bereich zu einer rechtsstaatlichen Notwendigkeit.<br />
J. I.<br />
Literatur:<br />
Frowein, J. A./Krisch, N.: Der Rechtsschutz gegen Europol.<br />
In: JZ 1998, 598<br />
Ostendorf, H.: Europol – ohne Rechtskontrolle?<br />
In: NJW 1997, 3418
Zieschang, F.: Der Austausch personenbezogener Daten<br />
mittels Europol. In: ZRP 1996, 427<br />
Euroregionen �Euregio<br />
Eurostat nennt sich das Statistische Amt der EuropäischenGemeinschaftenmitSitzinLuxemburg,ursprünglich<br />
durch Beschluss der Hohen Behörde der<br />
Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />
vom 1. 10. 1952 gegründet. Das Amt sammelt und<br />
analysiert Daten der europäischen statistischen Ämter,<br />
stellt sie in vergleichbarer und harmonisierter<br />
Form zusammen und veröffentlicht sie unter verschiedenen<br />
thematischen Bereichen und Reihen.<br />
Seit 1. 10. 2004 ist der Zugang zu allen Datenbanken<br />
und elektronischen Publikationen von eurostat kostenlos.<br />
Anschrift: Bâtiment Jean Monnet, Rue Alcide de Gasperi,<br />
L–2929 Luxemburg<br />
Internet: http://epp.eurostat.cec.eu.int<br />
Eurosystem. Der Begriff des Eurosystems bezeichnet<br />
den Verbund aus der �Europäischen Zentralbank<br />
(EZB) und den nationalen �Zentralbanken<br />
(NZBen) der Mitgliedstaaten der Europäischen<br />
Union, die den Euro bereits eingeführt haben. Im<br />
�Europäischen System der Zentralbanken (ESZB)<br />
erfüllt das Eurosystem seine grundlegenden Aufgaben,<br />
insbes. die Festlegung und Ausführung der einheitlichen<br />
Geldpolitik im Eurowährungsgebiet. Das<br />
Eurosystem bildet somit den zentralen Teil des<br />
ESZB. Es wird von den Beschlussorganen der EZB,<br />
dem �EZB-Rat und dem Direktorium der EZB geleitet.<br />
Der EZB-Rat führte den Begriff des Eurosystems<br />
ein, um damit die komplexe Struktur des europäischen<br />
Zentralbankwesens in der Öffentlichkeit<br />
leichter verständlich zu machen. Die UnterscheidungzwischenESZBundEurosystemistnotwendig,<br />
solange der Euro nicht in allen EU-Mitgliedstaaten<br />
eingeführtist. J. St./I W.-Sch.<br />
EUROTRA (Programme Européen de Traduction<br />
automatique de conception avancée), von 1982 bis<br />
1994 von der EU gefördertes Forschungsvorhaben<br />
zur Weiterentwicklung von Systemen (wie �Systran)<br />
zur maschinellen Übersetzung natürlicher<br />
Sprachen.<br />
Eurovision. Europäische Rundfunk- und Fernsehanstalten<br />
haben sich im Februar 1950 im Kooperationsverbund<br />
EBU (European Broadcasting Union,<br />
EURYDICE<br />
Union der Europäischen Rundfunkorganisationen)<br />
zwecks Programmaustausch und Veranstaltung von<br />
Gemeinschaftssendungen zusammengeschlossen<br />
(�Medienpolitik). Ziel des Zusammenschlusses ist<br />
die Nutzenmaximierung, d. h. die angeschlossenen<br />
Anstalten haben kostengünstigen Zugang zu Programm-Material,<br />
das in Eigenregie der einzelnen<br />
Sender gar nicht oder nur mit erheblichem Aufwand<br />
zu realisieren wäre. Die Programmkoordination hat<br />
ihren Sitz in Genf, die technische Koordination in<br />
Brüssel, die deutsche Zentrale sitzt in Köln.<br />
Das Eurovisions-Netzwerk der EBU wurde 1954<br />
eingerichtet. Die Erkennungsmelodie stammt aus<br />
dem „Te Deum“ von Marc-Antoine Charpentier. Die<br />
erste Eurovisionssendung wurde am 6. 6. 1954 ausgestrahlt<br />
mit einer Live-Übertragung des Narzissenfestes<br />
in Montreux. Die erste große Gemeinschaftssendung<br />
war im Juni/Juli 1954 die Übertragung der<br />
Fußballweltmeisterschaft aus der Schweiz. Seit<br />
1961 Programmaustausch mit der Intervision, dem<br />
Netzwerk der Internationalen Rundfunk- und Fernsehorganisationen<br />
des damaligen Ostblocks, seit<br />
1993 mit ihr fusioniert. Heute hat die EBU als aktive<br />
Mitglieder 72 Sender in 52 Ländern Europas, Nordafrikas<br />
und des Mittleren Ostens, außerdem 50 assoziierte<br />
Mitglieder in 30 weiter entfernten Ländern.<br />
Die Eurovision überträgt über Eutelsat-Satellit und<br />
mehr als 50 digitale Kanäle permanent Nachrichten<br />
und Live-Programme aus Sport, Kultur und Unterhaltung.<br />
Seit 1956 veranstaltet Eurovision jährlich<br />
den „Grandprix d’Eurovision de la Chanson“, heute<br />
„Eurovision Song Contest“ genannt.<br />
Anschrift: European Broadcasting Union,<br />
17A Ancienne Route, CH-1218 Grand-Saconnex<br />
Internet: www.eurovision.net; www.ebu.ch<br />
Eurozone bezeichnet die Gesamtheit der Mitgliedstaaten<br />
der EU, die an der 3. Stufe der Währungsunion<br />
teilnehmen und den Euro als alleiniges gesetzliches<br />
Zahlungsmittel eingeführt haben. Das sind<br />
Mitte 2005: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich,<br />
Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die<br />
Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien.<br />
EURYDICE ist das Informationsnetz zum Bildungswesen<br />
in Europa. Es besteht seit 1980 und ist seit<br />
1995 Bestandteil des �Sokrates-Programms. Zentrale<br />
ist die Europäische Informationsstelle in Brüssel,<br />
die alle Daten und Informationen koordiniert, die<br />
von nationalen Informationsstellen (Bildungsminis-<br />
319
Eutelsat<br />
terien) aller Staaten gesammelt und analysiert werden,<br />
die am Sokrates-Programm teilnehmen.<br />
AufgabeistderInformationsaustauschüberSysteme<br />
und Maßnahmen im Bildungsbereich, besonders auf<br />
zwei Gebieten: Information zur Bildungspolitik der<br />
Mitgliedstaaten und über den Aufbau der Bildungssysteme<br />
von der Vorschulerziehung bis zur Hochschulbildung<br />
(insbes. der Lehrerbildung) mit vergleichenden<br />
Analysen; Information über die Gemeinschaftspolitik<br />
in den Bereichen allgemeine und<br />
berufliche Bildung. Statistische Daten werden über<br />
die Datenbank Eurybase zur Verfügung gestellt.<br />
Eurydice arbeitet zusammen mit �Cedefop und mit<br />
der�EuropäischenStiftungfürBerufsbildung.Eurydice<br />
unterstützt die Kommission bei der ZusammenarbeitmitOECDundUnesco.<br />
W. M.<br />
Internet: www.eurydice.org<br />
Eutelsat ist ein kommerzielles Unternehmen zur<br />
Übertragung von TV-Programmen über Satelliten.<br />
Eutelsat betreibt eine Flotte von 19 Satelliten in eigener<br />
Regie. �European Space Agency (ESA).<br />
Evolutivklausel. Die Evolutivklausel ist ein vertragliches<br />
Instrumentarium, eine rechtliche Offenheit<br />
für künftige Entwicklungen zu erzielen. Auf die-<br />
320<br />
se Weise soll vermieden werden, dass ein Vertragswerk<br />
mit der Zeit zu einem starren System wird und<br />
mithin „versteinert“. Mit der Evolutivklausel einigen<br />
sich die Vertragsparteien bereits bei Vertragsschluss,<br />
ihren Vertrag ggf. später an bestimmte Entwicklungen<br />
anzupassen. Auch im Europarecht wird<br />
sich immer wieder solcher Klauseln bedient. Beispielsweise<br />
Art. 42 EUV eröffnet im Bereich der Polizeilichen<br />
und Justitiellen Zusammenarbeit die<br />
Möglichkeit einer vereinfachten und schnellen Vertragsänderung,<br />
um einzelne Materien aus der dritten<br />
Unions-Säule in den Bereich der gemeinschaftsrechtlichen<br />
ersten Säule zu überführen, weshalb diese<br />
Norm auch ein Beispiel für eine �„Passerelle“ ist.<br />
J. M. B.<br />
EWG-Klausel. Bevor die Außenhandelspolitik am<br />
1. 1. 1973 zur Gemeinschaftskompetenz geworden<br />
war, konnten Mitgliedstaaten der EWG noch nationale<br />
Handelsabkommen mit Drittstaaten schließen.<br />
Die Abkommen mussten jedoch eine Klausel enthalten,<br />
die eine Änderung des Abkommens zur Folge<br />
hatte, wenn die Gemeinsame Handelspolitik der<br />
EWG dies erfordern sollte. Die Klausel verhinderte<br />
somit ein Abweichen von der Gemeinsamen Handelspolitik.<br />
�Außenhandelspolitik