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HANDLEXIKON DER EUROPÄISCHEN UNION - Omnia

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<strong>HANDLEXIKON</strong><br />

<strong>DER</strong><br />

<strong>EUROPÄISCHEN</strong> <strong>UNION</strong>


<strong>HANDLEXIKON</strong><br />

<strong>DER</strong><br />

<strong>EUROPÄISCHEN</strong><br />

<strong>UNION</strong><br />

Herausgegeben von<br />

Wolfgang W. Mickel<br />

und<br />

Jan Bergmann<br />

3. überarbeitete und<br />

erweiterte Auflage<br />

Redaktion: Claus D. Grupp<br />

OMNIA Verlag


Die Deutsche Bibliothek – CIP Einheitsaufnahme<br />

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.<br />

ISBN 3-89344-065-8<br />

Das Handlexikon der Europäischen Union erscheint inhaltsgleich als Lizenzausgabe in der<br />

Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, unter der ISBN 3-8329-1683-0<br />

© 2005 OMNIA Verlag GmbH<br />

Breitscheidstraße 31<br />

70176 Stuttgart<br />

Redaktion: Claus D. Grupp, Stuttgart<br />

Satz und Grafik: OMNIA Verlag GmbH, Stuttgart<br />

Titel: Prof. Horst Bergmann, Biberach an der Riß<br />

Tabellen: Peter Eggstein, Waiblingen<br />

Druck: Nomos Druckhaus, Sinzheim<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Nachdruck, Kopie, Digitalisierung oder Übertragung auf Datenträger, auch auszugsweise, sowie<br />

Übersetzung nur mit Genehmigung des Verlages


Inhaltsübersicht<br />

Inhalt<br />

Vorwort 7<br />

Mitarbeiterverzeichnis 9<br />

Abkürzungsverzeichnis 12<br />

Mitgliedstaaten der EU (Tabellarische Übersicht) 14<br />

Karte der Europäischen Union 16<br />

STICHWÖRTERA–Z 17–839<br />

Welche Zukunft für die Europäische Union? 840<br />

Zur Geschichte der europäischen Einigung 846<br />

Zeittafel der europäischen Einigung 880<br />

Register 906<br />

5


Vorwort zur 3. Auflage<br />

Vorwort<br />

Die europäische Integration in Gestalt der Europäischen Union bestimmt auch im 21. Jh.<br />

unsere Zukunft. Sie stellt ein kontinentales Einigungswerk von nie dagewesenem,<br />

weltgeschichtlichem Ausmaß dar. Europäische Staaten mit gemeinsamen Traditionen, aber<br />

unterschiedlichen Entwicklungen und mit einer teilweise anderen geschichtlichen Herkunft<br />

entscheiden in wesentlichen Politikfeldern gemeinschaftlich. So soll sich in<br />

Europa ein Menschheitstraum von Freiheit, dauerhaftem Frieden und sozialer Gerechtigkeit<br />

erfüllen. Zwar ist das Ende des im Zeitalter der Globalisierung teilweise obsoleten<br />

Nationalstaates noch nicht vorauszusehen, jedoch löst sich allmählich die gesamteuropäische<br />

Epoche mehr und mehr von unzeitgemäßen national-separatistischen Strukturen<br />

durch die Übertragung von Souveränitätsrechten auf – in ihrer praktischen Ausgestaltung<br />

noch offene – supranationale Entscheidungsträger.<br />

Dieser Vorgang kann nur als ein langsamer, von Politik bestimmter Prozess verstanden<br />

werden. Er ist insoweit akzeptiert, wie er Verbesserungen für das Leben und Zusammenleben<br />

der Menschen bewirkt. Sie müssen sich wiedererkennen können in ihrer Region und<br />

darüber hinaus in einem größeren, einheitlichen Europa, dessen Vielfalt in der Einheit<br />

nicht aufgegeben werden darf. Der Begriff der (politischen) Union steht für die Gemeinsamkeit.<br />

Er muss auf dem Wege einer speziellen europäischen Bewusstseinsbildung<br />

vermittelt werden. Die Europäische Union ist eine komplizierte rechtliche Konstruktion<br />

ohne Vorbild. Sie kann in der Bevölkerung nur dann an Ansehen und Akzeptanz gewinnen,<br />

wenn sie über gelegentliche persönliche Erfahrungen hinaus in ihren Zusammenhängen<br />

verstehbar gemacht und begriffen wird.<br />

Auch die vorliegende 3. Auflage des Handlexikons ist auf die Europäische Union gerichtet<br />

und beachtet andere wichtige Institutionen (z. B. Europarat, NATO usw.) und Bereiche nur<br />

am Rande und soweit sie zum Verständnis der Europäischen Union erforderlich sind. Alle<br />

Beiträge sind überarbeitet und nach dem Stand Mitte 2005 aktualisiert worden (z. B. unter<br />

Berücksichtigung der Referenda über den Verfassungsvertrag). Darüber hinaus sind u. a.<br />

(Schlüssel-)Begriffe aufgenommen worden, die es bisher in einem sytem in progress oft<br />

nicht gegeben hat.<br />

Im Vergleich zur Vorauflage wurde neben dem bewährten politologischen Ansatz der<br />

juristische Aspekt erweitert und vertieft. Ziel ist es, in der Vielzahl von Stichwörtern,<br />

bearbeitet von mehr als 80 sachkundigen und ausgewiesenen Autorinnen und Autoren aus<br />

7


Vorwort<br />

Wissenschaft und Praxis, die Vorstellungen und Intentionen der politischen Akteure ebenso<br />

zu verdeutlichen wie die praktischen und rechtlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen.<br />

Die Auswahl der Stichwörter folgt dem Häufigkeitsprinzip. Die (übertriebene)<br />

Tendenz der europäischen Behörden nach Bildung von Kürzeln und Akronymen wird<br />

berücksichtigt. Ein Blick in die Zukunft der Europäischen Union sowie eine historische<br />

Darstellung der europäischen Einigung am Schluss des Buches bemühen sich um Einordnung<br />

in die politischen und geschichtlichen Zusammenhänge.<br />

Die mit Initialen versehenen Texte unterliegen der Verantwortung der Autorinnen und<br />

Autoren; sie geben deren Meinung wieder und sind keine amtlichen Veröffentlichungen<br />

von Institutionen. Nicht gezeichnete Beiträge werden von der Redaktion verantwortet.<br />

Allen Autorinnen und Autoren wird herzlich gedankt. Der Dank der Herausgeber gilt auch<br />

dem seit mehr als 25 Jahren in Europafragen engagierten Verleger.<br />

Die Ausweitung des Umfangs des Handlexikons hat eine Kooperation mit dem Nomos-<br />

Verlag, Baden-Baden, für sinnvoll erscheinen lassen. Mit der vorliegenden Auflage<br />

beginnt der gemeinsame Vertrieb durch die beiden Verlage. Der Übergang künftiger<br />

Auflagen in den Nomos-Verlag ist vereinbart.<br />

Die Herausgeber<br />

Bad Homburg v. d. H. und Stuttgart, im August 2005<br />

8


Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (und ihre Kürzel)<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

S. A. Dr. Susanne Ast; Innenministerium Baden-Württemberg, Lehrbeauftragte an der Fachhochschule<br />

für Öffentliche Verwaltung und Finanzen, Ludwigsburg, Fach Europarecht<br />

H.-J. A Prof. Dr. Heinz-Jürgen Axt; Institut für Politikwissenschaft, Universität Duisburg-Essen<br />

O. B. Prof. Dr. Otto Bardong (�); Worms, ehem. Mitglied des Präsidiums des Europäischen<br />

Parlaments, Vizepräsident der Europa-Union<br />

U. B. Dr. Ute Behning; z. Zt. Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen<br />

I. B.-M. Dr. Ingeborg Berggreen-Merkel; Ministerialdirigentin, Bayerisches Staatsministerium für<br />

Unterricht und Kultus, München<br />

J. M. B. Prof. Dr. Jan Michael Bergmann, LL.M.eur. (Herausgeber); Verwaltungsrichter,<br />

Honorarprofessor für Recht und Politik der Europäischen Union sowie Öffentliches Recht an<br />

der Universität Stuttgart<br />

D. B. Dagmar Boving; Rechtsanwältin, Köln<br />

H.-W. B. Hans-Werner Bussmann; VLR I, Beauftragter für den Internationalen Strafgerichtshof,<br />

Auswärtiges Amt, Berlin<br />

H. D.-K. Dr. Hilaria Elisabeth Dette-Koch; Ministerialrätin, Staatsministerium Baden-Württemberg,<br />

Stuttgart<br />

W. D. Wolfgang Dix; Botschafter, Auswärtiges Amt, z. Zt. Berater im rumänischen Außenministerium<br />

K. E. Prof. em. Dr. Karl Engelhard; Lehrstuhl für Geographie und ihre Didaktik, Universität Münster<br />

P. A. E. Dr. Paul A. Engstfeld; Staatssekretär a. D., Trier, ehemals Generalsekretariat des<br />

Europäischen Parlaments, GD Wissenschaft<br />

S. F. Stefan Faiß; Regierungsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />

H. F. Dr. Horst Feldmann; Privatdozent für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen<br />

T. F. Tilo Friedmann; Leiter des EU-Büros des deutschen Sports, Brüssel<br />

G. Ch. G. Gertrud Charlotte Gandenberger, M.A.; Internationales Forum Burg Liebenzell<br />

J. G. Prof. Dr. Jo Groebel; Generaldirektor Europäisches Medieninstitut, Düsseldorf / Paris<br />

A. H. Prof. Dr. Arne Heise; Centrum für Internationale Studien, Universität Hamburg<br />

U. H. Ulrike Helwerth; Presse- und Öffentlichkeitsreferentin des Deutschen Frauenrates, Berlin<br />

B. H. Prof. Dr. Bernd Henning; Abteilungsleiter Politikwissenschaft / Gemeinschaftskunde,<br />

Institut für Gesellschaftswissenschaften, Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd<br />

I. H. Dr. Ingo Hochbaum; Berater der Kultusministerkonferenz, ehemals Beauftragter des<br />

Bundesrates im Bildungsausschuss des Rates der EU, Bonn<br />

B. Ho Bärbel Hofmann; Bundesbankoberrätin, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main<br />

Ch. H. Christine Holeschovsky; Dienststellenleiterin der Vertretung des Freistaats Thüringen bei der<br />

Europäischen Kommission, Brüssel<br />

K. H. Dr. Karsten Hoppenstedt, Burgwedel; Mitglied des Europäischen Parlaments<br />

R. H. Prof. Dr. Rudolf Hrbek; Institut für Politikwissenschaft, Universität Tübingen<br />

C.-P. H. Claus-Peter Hutter; Präsident der internationalen Stiftung Europäisches Naturerbe<br />

(EURONATUR), Stuttgart<br />

J. I. Johanna Iftimoaie; Heidelberg<br />

A. J. Prof. Dr. Annette Jünemann; Professur für Politikwissenschaft, insbesondere internationale<br />

Politik, Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr, Hamburg<br />

F. K. Dr. Friedemann Kainer; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und<br />

europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />

D. K. Dennis Kampschulte; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Erziehungswissenschaft,<br />

Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr, Hamburg<br />

9


Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

M. K. Martin Kersting; Rechtsanwalt in Lünen, Mitglied des Referentendienstes „Team Europa“ der<br />

Europäischen Kommission<br />

R. K. Roland Klages, LL.M.; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und<br />

europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />

H.-G. K. Hans-Georg Kluge; Staatssekretär a. D. im Ministerium der Justiz und für<br />

Europaangelegenheiten, Brandenburg<br />

J. H. K. Prof. em. Dr. Dr. h. c. Joachim H. Knoll; Ruhr-Universität Bochum<br />

A. K. Andrea Maria Kullack; Rechtsanwältin, Frankfurt am Main<br />

A. L. Andreas Lendle; Europaabteilung, Auswärtiges Amt, Berlin<br />

B. L. Dr. Barbara Lichtenthäler; Ministerialrätin, Leiterin des Bereichs Religionsangelegenheiten /<br />

Staatskirchenrecht, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden-Württemberg<br />

J. L.-B. Jutta Lieneke-Berns; ehem. Europäische Kommission, Vertretung in der Bundesrepublik<br />

Deutschland, Berlin<br />

B. Li. Dr. Barbara Lippert; Stellvertretende Direktorin des Instituts für Europäische Politik, IEP,<br />

Berlin<br />

E. v. L. Dr. Eisenhart von Loeper; Rechtsanwalt in Nagold, Vorsitzender des Bundesverbandes<br />

Menschen für Tierrechte<br />

G. M. Prof. Gerhart Maier; Fachleiter für Geschichte und Wissenschaftliche Politik a. D.,<br />

Staatliches Seminar für Schulpädagogik (Gymnasien), Esslingen<br />

U. M. Prof. Dr. Udo Margedant; Meckenheim, apl. Professor an der Bergischen Universität,<br />

Wuppertal<br />

A. M.-W. Dr. Annette Matthias-Werner, MCL; Europäische Kommission, Brüssel<br />

W. M. Prof. em. Dr. Wolfgang W. Mickel (Herausgeber); Lehrstuhl für Wissenschaftliche Politik,<br />

Institut für Sozialwissenschaften und Europäische Studien, Fakultät II, Pädagogische<br />

Hochschule (Universität) Karlsruhe<br />

P.-Ch. M.-G. Prof. Dr. Dr. h.c. Peter-Christian Müller-Graff; Direktor des Instituts für deutsches und<br />

europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />

W. Mu. Dr. Wolfgang Muno; Institut für Politikwissenschaft, Universität Mainz<br />

C. N. Caroline Neuenfeld; Bonn, ehem. wissenschaftliche Mitarbeiterin im Europäischen<br />

Parlament<br />

U. N. Ulrike Nuscheler; Brüssel<br />

H. O. Hans Oberlechner; Kabinett des Generaldirektors der European Space Agency (ESA),<br />

Paris<br />

K. H. O. Klaus H. Offermann; ehemals Generalsekretariat des Europäischen Parlaments, GD<br />

Wissenschaft, Lehrbeauftragter Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer<br />

Th. O. Thomas Ossowski; Vortragender Legationsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />

K.-H. O. Prof. Dr. Karl-Heinz Otto; Fakultät für Geowissenschaften, Geographisches Institut,<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

P. P. Dr. Peter Palinkas; Europäisches Parlament, GD Internal Policies, Luxemburg<br />

U. P. Dr. Ulrich Palm; Lehrstuhl für Finanz- und Steuerrecht, Universität Heidelberg<br />

A. P. Andreas Peschke; Legationsrat I. Klasse, Auswärtiges Amt, Berlin<br />

N. P. Dr. Nora Pester; Wien<br />

U. Py Dr. Uwe Petry; Vortragender Legationsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />

M. P. Dr. Melanie Piepenschneider; Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin<br />

St. U. P. Dr. Stefan Ulrich Pieper; Privatdozent an der Universität Potsdam, Regierungsdirektor im<br />

Bundespräsidialamt, Berlin<br />

Ch. R. Christian Rapp, M. A. (Essex); Erlangen<br />

10


G. R. Günter Renner; Dipl. phil., Lehrbeauftragter für Politische Wissenschaften an der<br />

Fachhochschule für Verwaltung, Berlin<br />

L. R. R. Prof. Dr. Lutz R. Reuter; Fachbereich Pädagogik, Helmut-Schmidt-Universität, Universität der<br />

Bundeswehr, Hamburg, Vizepräsident<br />

W. R. Willi Rothley; Rechtsanwalt, MdEP a. D., ehemals Vizepräsident des EP-Ausschusses für<br />

Recht und Binnenmarkt, Ausschuss für konstitutionelle Fragen, Rockenhausen<br />

U. S. Dr. Ulrich Sante; Vortragender Legationsrat, Auswärtiges Amt, Berlin<br />

B. Sa. Dr. Bernhard Santel; Landeszentrum für Zuwanderung Nordrhein-Westfalen, Solingen<br />

P. Sch. Prof. Dr. Peter Schäfer, LL.M.; Fachhochschule Hof<br />

J. Sch. Jörg Scherer; Geschäftsführer der European Research and Project Office (EURICE) GmbH,<br />

Saarbrücken<br />

J. Sch.-R. Dr. Jutta Schmitz-Rixen; Studiendirektorin, RP Karlsruhe, Vorortstelle des Kultusministeriums<br />

Baden-Württemberg, Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe<br />

F. Sch. Dr. Frank Schorkopf; Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe (2002– 2005), seit Juni 2005<br />

Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für öffentliches Recht<br />

U. Sch. Ulrich Schröder, ehem. Leiter des Referats „Wirtschafts-, Banken- und Europapolitik“,<br />

Deutsche Bank AG, DB Research, Frankfurt a. M.<br />

K. P. Sch. Klaus Peter Schulz; Dipl.-Ing., Berater in Normungsfragen, Berlin<br />

E. Sch. Erik Schweickert; Diplom-Oenologe, Universität Gießen<br />

H. Sch. Hannes Schwinn, Licencié en Droit; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches<br />

und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, Universität Heidelberg<br />

B. S. Dr. Bernhard Seidel; Forschungsleiter der Abteilung „Information und Organisation“ am<br />

Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin<br />

R. S. Prof. Dr. Reimund Seidelmann; Institut für Politikwissenschaft, Universität Gießen,<br />

Professor am Institut d’Etudes Européennes der Université Libre de Bruxelles<br />

Ch. S. Christoph Sennekamp; Richter am Verwaltungsgericht, z. Zt. Bundesverfassungsgericht,<br />

Karlsruhe<br />

F. v. St. Dr. Friedrich von Stackelberg; Institut für Verkehrswissenschaft, Universität Münster<br />

J. St. Prof. Dr. Jürgen Stark; Vizepräsident der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main<br />

B. K. S. Dr. Burkard Steppacher; Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin,<br />

Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft Universität Köln<br />

B. St. Dr. Barbara Stiegler; Wirtschafts- und Sozialpolitisches Forschungs- und Beratungszentrum,<br />

Abteilung Arbeit und Sozialpolitik, Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn<br />

I. T. Ilka Tröger, MBA; Agentur für Public Affairs, Public Relations und integrierte<br />

Kommunikation, Berlin<br />

L. U. Prof. Dr. Lothar Ungerer; Bürgermeister, Stadt Meerane, Lehrbeauftragter an der<br />

Westsächsischen Hochschule Zwickau, FB Wirtschaftswissenschaften<br />

Th. W. Dr. Thomas Wiedmann; Europäische Kommission, Brüssel<br />

S. W. Dr. Sebastian Winkler; Europäische Kommission, GD Forschung, Brüssel<br />

U. W. Ursula Wirtz, RA, lic.iur., LL.M.eur; Juristische Sekretärin der Gesundheitsdirektion des<br />

Kantons Zürich, Zürich<br />

K. W. Prof. Dr. Karlheinz Wöhler; Fachbereich Kulturwissenschaften, Universität Lüneburg<br />

J. W. Dr. Jörg Wojahn; Europäische Kommission, Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), Brüssel<br />

I. W.-Sch. Inge Wollscheid-Schneider; Bundesbankoberrätin, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main<br />

W. Z. Dr. Wolfgang Zellner; Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität<br />

Hamburg<br />

Nicht gezeichnete Artikel werden von der Redaktion verantwortet<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

11


Abkürzungen<br />

Häufig verwendete Abkürzungen<br />

ABl. Amtsblatt (der EU)<br />

Abs. Absatz<br />

Art. Artikel<br />

AStV Ausschuß der Ständigen Vertreter<br />

BGBl. Bundesgesetzblatt<br />

BIP Bruttoinlandsprodukt<br />

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

BNE Bruttonationaleinkommen<br />

BR.Drs. Bundesrats-Drucksache<br />

BSP Bruttosozialprodukt<br />

BVerfG Bundesverfassungsgericht<br />

EAG Europäische Atomgemeinschaft<br />

EAGFL Euopäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft<br />

EAGV Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft<br />

ECU European Currency Unit = Europäische Währungseinheit<br />

EEA Einheitliche Europäische Akte<br />

EFRE Europäischer Fonds für regionale Entwicklung<br />

EFTA European Free Trade Association = Europäische Freihandelszone<br />

EG Europäische Gemeinschaft(en)<br />

EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />

EGKSV Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />

EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft<br />

EIB Europäische Investitionsbank<br />

EP Europäisches Parlament<br />

EPZ Europäische Politische Zusammenarbeit<br />

ER Europäischer Rat<br />

ERE Europäische Rechnungseinheit<br />

ESF Europäischer Sozialfonds<br />

ESZB Europäisches System der Zentralbanken<br />

EU Europäische Union<br />

EuGH Europäischer Gerichtshof, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften<br />

EUR Euro<br />

EURATOM Europäische Atomgemeinschaft<br />

EUV Vertrag über die Europäische Union<br />

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />

EWI Europäisches Währungsinstitut<br />

EWR Europäischer Wirtschaftsraum<br />

EWS Europäisches Währungssystem<br />

EZB Europäische Zentralbank<br />

GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

GATT General Agreement on Tariffs and Trade = Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen<br />

GG Grundgesetz<br />

12


GUS Gemeinschaft Unabhängiger Staaten<br />

HRK Hochschulrektorenkonferenz<br />

KMK Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland<br />

KMU Kleinere und mittlere Unternehmen<br />

KOM Kommission der Europäischen Gemeinschaften<br />

KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa<br />

MOEL Mittel- und osteuropäische Länder<br />

MPK Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder in der Bundesrepublik Deutschland<br />

NGO Nongovernmental Organization<br />

NRO Nichtregierungsorganisation<br />

OECD Organization for Economic Cooperation and Development<br />

= Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa<br />

RE Rechnungseinheit<br />

RH Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften<br />

UN(O) United Nations (Organization) = Vereinte Nationen<br />

VVE Vertrag über eine Verfassung für Europa<br />

WEU Westeuropäische Union<br />

WSA Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />

WTO World Trade Organization = Welthandelsorganisation<br />

WU Währungsunion<br />

WWU Wirtschafts- und Währungsunion<br />

Abkürzungen<br />

13


Die EU in Zahlen<br />

Die Europäische Union in Zahlen<br />

14<br />

lik<br />

lik<br />

1 265,5<br />

79,0<br />

117,4<br />

Quellen: eurostat; Stat. Bundesamt, Stat. Jahrbuch für das Ausland


Die EU in Zahlen<br />

Die Europäische Union in Zahlen<br />

Quellen: eurostat; Stat. Bundesamt, Stat. Jahrbuch für das Ausland<br />

lik<br />

lik<br />

15


Die EU heute<br />

Zur Europäischen Union gehören auch folgende<br />

Gebiete außerhalb Europas (Art. 299 EGV):<br />

Die französischen Überseedepartements Guadeloupe,<br />

Guayana (Französ.-G.) Martinique und<br />

Réunion, die portugiesischen Inselgruppen Azoren<br />

und Madeira sowie die spanischen Kanarischen<br />

Inseln.<br />

Die autonomen spanischen Städte Ceuta und<br />

Melilla in Nordafrika sind Gebiet der EU.<br />

Der EG-Vertrag wird in vollem Umfang angewendet<br />

auf die autonomen Ålandinseln, ebenso auf<br />

alle europäischen Hoheitsgebiete, deren auswärtige<br />

Beziehungen ein EU-Staat wahrnimmt (wie<br />

16<br />

Die EU heute<br />

Portugal<br />

6 Gründerstaaten 1957<br />

3 Beitritte 1973<br />

Süderweiterung 1981/1986<br />

3 Beitritte 1995<br />

10 Beitritte 2004<br />

* = Beitrittsländer 2007/08<br />

** = Beitrittskandidaten<br />

Irland<br />

Gibraltar<br />

Spanien<br />

Andorra<br />

Großbritannien<br />

Frankreich<br />

Dänemark<br />

NL<br />

B Deutschland<br />

Luxemburg<br />

Liecht.<br />

Schweiz<br />

Monaco<br />

Italien<br />

NorwegenSchweden<br />

San<br />

Marino<br />

Bosnien<br />

Herzegow.<br />

Polen<br />

Tschech.<br />

Republik<br />

Slowak.<br />

Rep.<br />

Österreich<br />

Ungarn<br />

Slow.<br />

Kroat.**<br />

Malta<br />

zu Russl.<br />

Serbien<br />

und<br />

Montenegro<br />

Finnland<br />

AlMazebadoniennienGriechen Estland<br />

Lettland<br />

Litauen<br />

Weißrussland<br />

Rumänien*<br />

land<br />

Bulgarien*<br />

Ukraine<br />

Moldawien<br />

Russland<br />

Türkei **<br />

Zypern<br />

Andorra, Monaco, San Marino sowie Gibraltar).<br />

Der EG-Vertrag findet auf die Kanalinseln und<br />

die Insel Man nur eingeschränkt Anwendung.<br />

Er findet keine Anwendung auf die Färöer und<br />

auf die britischen Hoheitszonen auf Zypern.<br />

Für die übrigen 20 von EU-Staaten abhängigen<br />

Gebiete in Übersee (wie Falklandinseln, St. Helena,<br />

Französisch-Polynesien, Niederländisch-<br />

Antillen, Saint Pierre et Miquelon) gelten die für<br />

assoziierte Länder und Gebiete festgelegten<br />

Bestimmungen (entsprechend Art. 187 EGV).<br />

Das gilt auch mit Einschränkung für Grönland.


AASM. Assoziierte Afrikanische Staaten und Madagaskar;<br />

17 durch das �Jaunde-Abkommen von 1963<br />

mit der EWG assoziierte Staaten.<br />

ABEL (Amtsblatt elektronisch). Datenbank des<br />

�Amtes für amtliche Veröffentlichungen der EU.<br />

Seit Mitte 2004 sind die Online-Ausgaben des Amtsblatts<br />

L und C in den kostenlos zugänglichen Datenbanken<br />

�EUR-Lex und �CELEX zusammengefasst.<br />

Die Reihe S (Ausschreibungen) ist in der Datenbank<br />

�TED enthalten.<br />

Internet: http://europa.eu.int/eur-lex/lex<br />

Abfallpolitik, europäische<br />

1. Begriff, Entwicklung: Im Rahmen der Umweltpolitik<br />

der Europäischen Gemeinschaft mussten auch<br />

Regelungen über die Behandlung von Abfällen getroffen<br />

werden, belaufen sich diese doch auf ca. 2,5<br />

Mrd. Tonnen pro Jahr. Davon werden etwa 40 Mio. t<br />

alsgefährlicheingestuft.DabeimüssenAbfällenicht<br />

allein Verschmutzungsquelle, sie können auch eine<br />

wertvolle Quelle für Sekundärrohstoffe sein. Etwa<br />

80 % der Abfälle können weiterverwertet werden.<br />

Die ersten Richtlinien zu diesem Thema reichen bis<br />

in die 1970er Jahre zurück, also in die Zeit der Anfänge<br />

der europäischen Umweltpolitik. Richtlinien über<br />

Abfälle (75/422, ABl. L 194/1975) und über gefährliche<br />

Abfälle (91/689, ABl. L 377/1991) aus den Jahren<br />

1975 und 1991 hatten eher allgemeine Regelungen<br />

(z. B. Kennzeichnung, Entsorgung möglichst<br />

nahe am Ort der Entstehung) zum Thema. Eine<br />

Richtlinie von 1985 über Verpackungen von flüssigen<br />

Nahrungsmitteln erwies sich als unwirksam. Im<br />

Jahre 1989 erschien mit der Mitteilung der Kommission<br />

über eine „Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft“<br />

erstmals ein umfassenderes Konzept,<br />

in dem fünf Prioritäten zur Behandlung von Abfällen,<br />

nämlich Verhütung, Verwertung, Beseitigung,<br />

Transport und Sanierung verseuchter Flächen festgelegt<br />

wurden. Sie wurde im Jahre 1996 neu und<br />

schärfer formuliert (KOM 1996/399).<br />

Den Einstieg in ein Abfallwirtschaftssystem machte<br />

die EU erst im Jahre 1994. Für die Abfallbewirtschaftungsstrategie<br />

für das Jahr 2000 hat die Kom-<br />

A<br />

Abfallpolitik<br />

mission folgende Ziele als besonders vordringlich<br />

eingestuft:<br />

– Vermeidung von gefährlichen Abfällen,<br />

– Trennung des gefährlichen Abfalls von anderen<br />

Abfallprodukten und<br />

– Recycling des Abfalls für die Wiederverwertung<br />

als Rohstoff oder Energie.<br />

NebendenRichtlinienüberdieBehandlunggefährlicher<br />

Abfälle wurde im Jahre 1975 eine Rahmenrichtlinie<br />

über Abfall verabschiedet (75/422), die 1991<br />

verschärft wurde (91/156, ABl. L 78/1991). Diese<br />

Richtliniestelltdaraufab,einintegriertesundumfassendes<br />

Netzwerk von Abfallentsorgungsanlagen zu<br />

schaffen. Die EG sollte dadurch in der Abfallentsorgungautarkwerden.DiedurchdenTransportvongefährlichem<br />

Abfall entstehenden Gefahren sollen<br />

durch den Grundsatz, dass Abfälle möglichst nahe<br />

am Entstehungsort entsorgt werden müssen, begrenzt<br />

werden.<br />

Mit der Verbrennung von Abfällen beschäftigt sich<br />

eine Richtlinie aus 2000 (2000/76, ABl. L 332/<br />

2000), deren Ziele es sind, die Verschmutzung von<br />

Luft, Wasser und Boden infolge der Verbrennung<br />

und Mitverbrennung von Abfällen zu vermeiden<br />

oderaufeinMindestmaßzubeschränken.Sielegtdie<br />

genauen Modalitäten der Abfallverbrennung einschließlich<br />

der zur Verbrennung zugelassenen Abfallstoffe<br />

und Zusatzbrennstoffe, der Brenn-Temperatur<br />

und die Grenzwerte von Schadstoffemissionen<br />

fest. Bereits seit 1994 besteht eine ähnliche Richtlinie<br />

über die Verbrennung gefährlicher Stoffe (94/67,<br />

ABl. L 365/1994).<br />

1994 konnte mit der „Richtlinie über Verpackungen<br />

und Verpackungsabfälle“ (94/62, ABl. L 365/1994)<br />

erstmals ein umfassendes Abfallwirtschaftssystem<br />

für eine bestimmte Abfallart eingeführt werden.<br />

Die Bestimmungen setzen nicht erst bei der Behandlung<br />

von gebrauchten Verpackungen (Verpackungsmüll)<br />

an, sondern regeln bereits die Produktion mit<br />

derRückführungbestimmterSchwermetalleundmit<br />

einer Pflicht zur Kennzeichnung mit harmonisierten<br />

Kennzeichen je nach Art der Wiederverwendbarkeit<br />

bzw. -verwertbarkeit.<br />

Vor allem legt die Richtlinie in einem Zeitplan fest,<br />

17


Abgeordnetenstatut<br />

dass innerhalb von fünf Jahren 60 % des Verpackungsmülls<br />

verwertet werden müssen (also recycelt,<br />

kompostiert oder verbrannt) und nach zehn Jahren<br />

90 %, davon 60 % stofflich (also entweder recycelt<br />

oder kompostiert). Hierzu haben die Mitgliedstaaten<br />

Systeme der Rücknahme und Verwertung<br />

einzurichten.<br />

Andere Richtlinien und Verordnungen regeln die<br />

Entsorgung und Wiederverwertung anderer Abfallströme.<br />

Beispielhaft seien hier Altöl, Altbatterien<br />

und -akkumulatoren, Altfahrzeuge und Alt-Elektrogeräte<br />

genannt. Hinzu kommen Regeln über bspw.<br />

Klärschlamm, PVC und Titanoxid.<br />

Der Transport von Abfällen in Länder außerhalb der<br />

EU ist Gegenstand einer Verordnung von 1993<br />

(259/93, ABl. L 30/1993), die das europäische Recht<br />

an das „Basler Abkommen“ anglich (Basler Abkommen<br />

vom 22. 3. 1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden<br />

Verbringung gefährlicher Abfälle<br />

und ihrer Entsorgung).<br />

Eine Richtlinie von 1999 über Abfalldeponien<br />

(1999/31, ABl. L 182/1999, berichtigt ABl. L 282/<br />

1999) sieht detaillierte Vorschriften vor, mit denen<br />

die negativen Auswirkungen von Abfalldeponien<br />

auf die Umwelt, insbes. die Verschmutzung von<br />

Oberflächen- und Grundwasser, des Bodens und der<br />

Luft während der gesamten Nutzungsdauer vermieden<br />

oder vermindert werden soll. Dazu sollen die Deponien<br />

in drei Klassen nach der Gefährlichkeit der<br />

Abfälle eingestuft werden; daraus ergeben sich Umfang<br />

und Anforderungen an Kontrollen und Überwachung.<br />

Bestimmte Abfallarten sollen für die Deponierung<br />

überhaupt nicht zugelassen werden wie z. B.<br />

Flüssigabfälle, explosive und infektiöse Abfälle.<br />

Außerdem ist eine mengenbezogene Verringerung<br />

der Deponierung von biologisch abbaubaren, festen<br />

Siedlungsabfälleneingeführtworden,diestufenweiseaufbiszu35%der1995erzeugtenMengeimJahre<br />

2016 verringert werden sollen.<br />

2. Gegenwärtige Lage und Vorschläge: In ihrer Mitteilung<br />

vom 27. 5. 2003: „Eine thematische Strategie<br />

für Abfallvermeidung und -recycling“ (KOM 2003/<br />

301endg.)kommtdieKommission zudemErgebnis,<br />

dass die Gemeinschaftspolitik im Bereich der Abfallwirtschaft<br />

verschiedene Mängel aufweist, so hinsichtlich<br />

der Umsetzung von Rechtsvorschriften, bei<br />

derAbfallvermeidung(VerringerungderMengeund<br />

der Gefährlichkeit) oder aufgrund eines fehlenden<br />

umfassenden und harmonisierten Ansatzes beim Re-<br />

18<br />

cycling. Sie hat mit dieser Mitteilung eine breit angelegte<br />

Konsultation aller Interessengruppen begonnen.<br />

Im Mittelpunkt der Konsultation stehen die<br />

Maßnahmen und die erforderlichen Instrumente zur<br />

Förderung der Abfallvermeidung und des Recyclings.<br />

Im Rahmen dieser Konsultationen wurden<br />

Ideen und Erfahrungen zur Abfallvermeidung in Unternehmen<br />

und Branchen angesprochen, aber auch<br />

Gedanken angeregt, ob es nützlich sein könnte, handelbare<br />

Umweltzertifikate zur Erhöhung der Recycling-Quote<br />

einzuführen oder ob sich Recyclingvorschriften<br />

vielleicht eher auf bestimmte Stoffe statt<br />

auf Produkte beziehen sollten. Die Kommission<br />

sieht diese Strategie für Abfallvermeidung und Recycling<br />

als eine von sieben thematischen Strategien<br />

im sechsten Umweltprogramm und damit als wesentlichen<br />

Teil der Initiative der EU an, dem für die<br />

Ressourcen-, Produkt- und Abfallwirtschaft erforderlichenGleichgewichtnäherzukommen.<br />

M. K.<br />

Abgeordnetenstatut �Statut der Abgeordneten<br />

des EP<br />

Abgestufte Integration<br />

1. Begriff: Die Begriffe „abgestufte“ oder „differenzierteIntegration“bzw.ein„Europaderunterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten“ umschreiben ein flexibleres<br />

Konzept des europäischen Integrationsprozesses<br />

(�Europa à la carte). Statt den gemeinschaftlichen<br />

Rechtsbestand (�acquis communautaire) in allen<br />

Mitgliedstaaten gleichmäßig zu übernehmen und<br />

anzuwenden, zielen diese Überlegungen darauf ab,<br />

AbstufungjenachIntegrationsfähigkeitundIntegrationswillen<br />

unter den Mitgliedstaaten zuzulassen<br />

und rechtlich zu sanktionieren. EU-Mitglieder, die<br />

aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen an bestimmten<br />

EU-Vorhaben nicht teilnehmen können<br />

oder wollen, können durch rechtliche Ausnahmevereinbarungen<br />

von diesen Verpflichtungen freigestellt<br />

werden. Offen bleibt dabei, ob dieses Fernbleiben<br />

dauerhaft oder zeitlich begrenzt ist. Praktiziert werdensolcheVerfahrenetwabeider3.Stufeder�Währungsunion,<br />

beim sog. �Schengen-Besitzstand und<br />

bei der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.<br />

Auch schon zuvor bestand grundsätzlich die<br />

Möglichkeit, zeitlich befristete Ausnahmeregelungen<br />

zuzulassen (�opt-out-Klauseln), wenn auf<br />

Grund bestimmter politischer, wirtschaftlicher oder<br />

kultureller Besonderheiten einzelne Mitglieder sol-


che Ausnahmen beantragten. Dabei stand aber immer<br />

außer Frage, dass diese Regelungen nur für befristete<br />

Zeit gelten sollten, und oberstes Ziel blieb, so<br />

rasch wie möglich wieder an das GemeinschaftsniveauunddenAcquiscommunautaireanzuschließen.<br />

2. Entstehungsgeschichte: Flexible Integrationsmodelle<br />

haben immer dann eine gewisse Bedeutung erlangt,<br />

wenn sich unter den Mitgliedstaaten Meinungsunterschiede<br />

über Richtung und Intensität des<br />

europäischen Integrationsprozesses abzeichnen,<br />

sich Krisenerscheinungen häufen und die Handlungsfähigkeit<br />

zu lähmen drohen. Sie gewinnen unter<br />

diesen politischen Konstellationen auch deshalb<br />

Bedeutung, weil eine Flexibilisierung es erlaubt, den<br />

europäischen Integrationsprozess besser den unterschiedlichenBedürfnissenanzupassenunddamitzugleich<br />

das Integrationstempo nicht ausschließlich<br />

vomlangsamstenMitgliedbestimmenzulassen.Das<br />

Schäuble-Lamers-Papier (1994) mit seinen Thesen<br />

zum �Kerneuropa und die Rede des deutschen Außenministers<br />

Fischer an der Berliner Humboldt-Universität<br />

(2000) zu einer europäischen �Avantgarde,<br />

dieeineuropäischesGravitationszentrumbildensolle,<br />

haben diesem Thema zeitweise hohe publizistische<br />

Aufmerksamkeit verschafft. Der Wert eines flexiblen<br />

Instrumentariums liegt darin, ungleiche Fortschritte<br />

zu ermöglichen, ohne zugleich den Zusammenhalt<br />

der Gemeinschaft insgesamt zu gefährden.<br />

Das �Europäische Währungssystem (EWS) war ein<br />

Paradebeispiel für das Verfahren der abgestuften Integration.<br />

Es sah bereits bei seiner Gründung Ausnahmeregelungen<br />

für Großbritannien (Nichtteilnahme<br />

am �Wechselkursmechanismus) sowie Italien<br />

(erweiterte �Bandbreiten) vor. Mit dem Maastricht-<br />

Vertrag über die Europäische Union wurde dieser<br />

Ansatz weitergeführt. So hatte Großbritannien durch<br />

Protokollerklärung seinen Nichtbeitritt zur Sozialcharta<br />

von 1989 (�Gemeinschaftscharta der sozialen<br />

Grundrechte) vertraglich bekräftigt (inzwischen von<br />

GB aufgehoben). Auch für die 3. Stufe der �Wirtschafts-<br />

und Währungsunion (WWU) haben Großbritannien<br />

und Dänemark Sonderregelungen vertraglich<br />

verankert. Der �Vertrag von Amsterdam<br />

enthält erstmals ein „positiv“ formuliertes Flexibilitätsprinzip.<br />

Demnach könnten Mitgliedstaaten, die<br />

ein höheres Maß an Integration auf bestimmten Feldern<br />

anstreben, unter bestimmten Voraussetzungen<br />

voranschreiten. Diese Flexibilisierungsklausel sollte<br />

nicht nur für den Bereich der �Gemeinsamen Au-<br />

Abgestufte Integration<br />

ßen- und Sicherheitspolitik sowie der Zusammenarbeit<br />

im Bereich �Justiz und Inneres gelten, sondern<br />

im Prinzip auch für den Kernbereich der europäischen<br />

Gründungsverträge, den Vertrag zur Gründung<br />

der Europäischen Gemeinschaft. Sie ist jedoch<br />

an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, bspw.<br />

muss sichergestellt sein, dass Gemeinschaftsprogramme<br />

dadurch nicht beeinträchtigt werden und<br />

Diskriminierungen, Handels- und Wettbewerbsbeschränkungen<br />

ausgeschlossen sind. Auch müssen<br />

alle EU-Mitglieder einem solchen Voranschreiten<br />

durch einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit<br />

zustimmen. Die Verweigerung einer solchen Ermächtigungwurdeallerdingserstmalsbegründungspflichtig.<br />

Wichtig ist zudem, dass die „integrationswilligeren“<br />

EU-Mitglieder die bestehenden Organe<br />

und Verfahren für die beabsichtigte Zusammenarbeit<br />

nutzen und damit die einheitliche institutionelle<br />

Form der EU gewahrt bleiben sollte.<br />

Der Nizza-Vertrag hat diese Bestimmungen weiter<br />

modifiziert (für GASP Art. 27a bis 27e EUV, für polizeiliche<br />

und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen<br />

Art. 40 bis 40b EUV sowie für den Binnenmarkt<br />

Art. 43 bis 46 EUV). Im Wesentlichen ist dabei das<br />

Quorum auf eine Mindestzahl von Mitgliedstaaten<br />

statt bisher der Mehrheit der Mitgliedstaaten abgesenkt<br />

und das Vetorecht gegenüber einer verstärkten<br />

Zusammenarbeit sowohl im Bereich der ersten Säule<br />

(Europäische Gemeinschaft; �Tempelstruktur) sowie<br />

der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit<br />

in Strafsachen (dritte Säule, �PJZS) gestrichen<br />

worden. Stattdessen kann ein Mitgliedstaat den Europäischen<br />

Rat anrufen, der dann mit �qualifizierter<br />

Mehrheit einen Beschluss über jedes Projekt �verstärkter<br />

Zusammenarbeit fassen kann. Die Zustimmung<br />

des Europäischen Parlaments ist zudem erforderlich,<br />

wenn die verstärkte Zusammenarbeit einen<br />

Bereich betrifft, für den das Mitentscheidungsverfahren<br />

gilt. Zugleich eröffnet der Nizza-Vertrag die<br />

Möglichkeit, die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich<br />

der GASP für die Umsetzung einer gemeinsamen<br />

Aktion oder eines gemeinsamen Standpunktes<br />

anzuwenden. Militärische oder verteidigungspolitische<br />

Bezüge werden jedoch ausgeschlossen. Die Ermächtigung<br />

wird vom Rat nach Stellungnahme der<br />

Kommission mit qualifizierter Mehrheit erteilt. Jedoch<br />

kann jeder Mitgliedstaat verlangen, dass der<br />

Europäische Rat einen einstimmigen Beschluss in<br />

dieser Angelegenheit fasst. Damit besteht faktisch<br />

19


Abkommen der EG<br />

doch ein Vetorecht. Wie auch schon der Amsterdamer<br />

Vertrag stellt der Nizza-Vertrag fest, dass die<br />

verstärkte Zusammenarbeit nur als „letztes Mittel“<br />

aufgenommen(Art.43aEUV)werdensoll.Auchder<br />

Verfassungsvertrag bewegt sich auf dieser Linie<br />

(Art. I-44 sowie Art. III-416 ff. VVE 2004). Wie<br />

schonderAmsterdamerVertragsiehtdieVerfassung<br />

vor,dassalleMitgliederdesRatesandenBeratungen<br />

teilnehmen können, aber nur die Mitglieder des Rates,<br />

die die an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten<br />

Mitgliedstaaten vertreten, nehmen an der Abstimmung<br />

teil. Damit wird eine Regelung übernommen,<br />

die analog beim Ecofin-Rat Anwendung zwischen<br />

den Mitgliedstaaten findet, die an der 3. Stufe<br />

der WWU teilnehmen. Weiterhin sind bestimmte<br />

Abstimmungsquoren für die qualifizierte Mehrheit,<br />

Sperrminoritäten etc. festgelegt.<br />

3. Bewertung: Seit Inkrafttreten des Amsterdamer<br />

Vertrages und damit der faktischen Möglichkeit,<br />

eine verstärkte Zusammenarbeit zu begründen, ist<br />

von diesem Instrument in der Praxis kein Gebrauch<br />

gemacht worden. Dies bedeutet zwar nicht, dass diese<br />

Option nicht in Zukunft doch an Bedeutung gewinnen<br />

könnte, zeigt aber vielmehr, dass sich der Bedarf,<br />

auf bestimmten Feldern rascher voranzuschreiten,<br />

offenbar in Grenzen hält. Von der Opt-out Möglichkeit<br />

im Währungsbereich, beim Schengen-Besitzstand<br />

und der GASP wird dagegen von einigen<br />

Mitgliedstaaten weiterhin Gebrauch gemacht. Der<br />

Wert des Instruments, den die verstärkte Zusammenarbeit<br />

bietet, ist v. a. darin zu sehen, dass es für den<br />

„Fall der Fälle“ eine rechtliche Option bietet, rascher<br />

voranzuschreiten. Bei den Verhandlungen des Nizza-Vertrages<br />

und im Vorfeld der EU-Erweiterung ist<br />

das politische Bedürfnis gewachsen, diese Option zu<br />

erhalten und durch eine Absenkung des Mindestteilnahmequorums<br />

auf acht Mitgliedstaaten deren Inanspruchnahme<br />

sogar zu vereinfachen. Psychologisch<br />

istdamiteinDruckmittelgegeben,aufdieMitglieder<br />

einzuwirken, die sich Integrationsfortschritten verweigern.<br />

Bisher haben die Vertragsbestimmungen<br />

zur stärkeren Flexibilisierung allerdings noch keine<br />

praktische Bedeutungerlangt. Ch. H.<br />

Abkommen der EG. Abkommen im Sinne von Art.<br />

300 Abs. 1 EGV sind nach einem Gutachten des<br />

EuGH (1/75) alle von der EG als Völkerrechtssubjekt<br />

eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen<br />

ungeachtet ihrer formalen Bezeichnung.<br />

20<br />

Abkommen der Mitgliedstaaten (Altverträge).<br />

Völkerrechtliche Vereinbarungen der Mitgliedstaaten<br />

sind gemeinschaftsrechtlich nur noch in Bereichen<br />

zulässig, in denen die Gemeinschaft nicht ausschließlich<br />

oder gemeinsam mit den Mitgliedstaaten<br />

(�gemischte Abkommen, z. B. �WTO-Vertrag) zuständig<br />

ist. Soweit eine Kompetenz der Gemeinschaft<br />

nicht besteht, bleibt es bei der �Vertragsschlusskompetenz<br />

der Mitgliedstaaten. Damit ist ein<br />

Kompetenzkonflikt zwischen Gemeinschaft und<br />

Mitgliedstaaten für den Anwendungsbereich der<br />

Altverträge im Grundsatz ausgeschlossen. Gleichwohl<br />

kann es im Zuständigkeitsbereich des Gemeinschaftsrechts<br />

zu Kollisionen mit bestehenden Verträgen,<br />

d. h. solchen aus der Zeit vor Gründung der<br />

Gemeinschaften, zwischen den Mitglieds- und Drittländern<br />

kommen. Der völkerrechtliche Grundsatz<br />

des „pacta sunt servanda“ (vgl. Art. 26, Art. 30 Abs. 4<br />

lit. b �Wiener Vertragsrechtskonvention) gilt auch<br />

hier, wie von Art. 307 Abs. 1 EGV ausdrücklich bestätigtwird.BeiUnvereinbarkeitsolcherAltverträge<br />

mit Gemeinschaftsrecht sind die Mitgliedstaaten<br />

gem. Art. 307 Abs. 2 EGV zu Anpassungen verpflichtet.<br />

Die Bestimmung soll allerdings nur die beteiligten<br />

Drittstaaten schützen. Im Verhältnis der an<br />

einem solchen Abkommen beteiligten Mitgliedstaaten<br />

untereinander gehen die gemeinschaftsrechtlichen<br />

Verpflichtungen denen aus dem Abkommen<br />

vor (vgl. Art. 30 Abs. 4 lit. a Wiener Vertragsrechtskonvention;<br />

für Altverträge, an denen ausschließlich<br />

Mitgliedstaaten beteiligt sind, vgl. Art. 30 Abs. 3<br />

Wiener Vertragsrechtskonvention). Der Verfassungsvertrag<br />

2004 übernimmt in Art. III-435 die bestehendenRegelungen.<br />

St. U. P.<br />

Abkommen über die Sozialpolitik �Sozialpolitik;<br />

�Sozialprotokoll<br />

Abkommen von Cotonou �Cotonou-Abkommen<br />

Abkommen von Lomé �Lomé-Abkommen<br />

Abrüstungspolitik �Nichtverbreitungs- und<br />

Abrüstungspolitik der EU<br />

Abschöpfungen. Instrument der �Marktordnungen<br />

der �Gemeinsamen Agrarpolitik, um Preise für<br />

Agrarimporte an das (höhere) Gemeinschaftspreisniveau<br />

anzupassen (Entsprechung im Export: Aus-


fuhrerstattungen). Bei Agrarprodukten, die unterhalb<br />

des von der EU festgesetzten Schwellenpreises<br />

in die EU eingeführt werden, muss der Importeur einenBetrag(Abschöpfunggenannt)andieEUzahlen,<br />

der etwa der Differenz zwischen Schwellenpreis und<br />

(niedrigerem)Weltmarktpreisentspricht.ImGegensatz<br />

zu Zöllen, die einem festgesetzten Prozentanteil<br />

des Preises entsprechen, sind Abschöpfungen variabel<br />

und schwanken je nach Preissituation auf dem<br />

Weltmarkt. Abschöpfungen werden als Eigeneinnahmen<br />

dem Haushalt der EU zugeführt.<br />

Bei Inkrafttreten des neuen Abkommens im Rahmen<br />

der �WTO am 1. 1. 1995 zum Abschluss der Uruguay-Runde<br />

mussten die variablen Abschöpfungen<br />

der EU durch feste Abschöpfungen (Zölle) ersetzt<br />

werden. Die EU verpflichtete sich gleichzeitig, diese<br />

Zölle bis zum Jahr 2001 um durchschnittlich 36 %<br />

abzubauen. Außerdem räumte die EU Drittländern<br />

bessere Einfuhrmöglichkeiten zu ermäßigten Zollsätzen<br />

(Zollkontingente) ein.<br />

Im Rahmen der laufenden WTO-Runde („Doha-<br />

Runde“) soll versucht werden, sämtliche Abgaben<br />

auf Agrarein- und -ausfuhren abzuschaffen.<br />

Abstimmungsverfahren sind durch die Verträge<br />

(EUV, EGV, EAGV) vorgegeben oder durch Geschäftsordnungen<br />

bzw. Verfahrensordnungen der<br />

OrganeundInstitutionenderGemeinschaftgeregelt.<br />

Für das Europäische Parlament sehen die Verträge je<br />

nach Sachbereich der zur Abstimmung anstehenden<br />

Vorlagen unterschiedliche Stimmenanteile vor: Absolute<br />

Mehrheit der abgegebenen Stimmen in allen<br />

Fällen, in denen der EGV nichts anderes bestimmt,<br />

absolute Mehrheit der Mitglieder in der Gesetzgebung<br />

(Art. 251 und 252 EGV), bei Wahrnehmung<br />

des indirekten Initiativrechtes (Art. 192 EGV), zur<br />

Einberufung einer außerordentlichen Sitzungsperiode<br />

(Art. 196 EGV) oder bei der Zustimmung zu Beitrittsverträgen<br />

und über das einheitliche Wahlverfahren,<br />

zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und<br />

Mehrheit der Mitglieder für ein Misstrauensvotum<br />

gegen die Kommission (Art. 201 EGV), ein Viertel<br />

der Mitglieder zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen<br />

(Art. 193 EGV), Mehrheit von zwei<br />

Dritteln der abgegebenen Stimmen und Mehrheit der<br />

Mitglieder bei Beschlüssen nach Art. 7 EUV, wenn<br />

für einen Mitgliedstaat wegen Verletzung von Art. 6<br />

EUV bestimmte Rechte ausgesetzt werden (�„Notstandsverfahren“).<br />

Acquis communautaire<br />

Der Europäische Rat fasst seine (meist rechtlich<br />

nicht bindenden) Beschlüsse in der Regel im Konsens.<br />

Für Beschlüsse des (Minister-)Rates sind nach<br />

den Verträgen Einstimmigkeit, einfache Mehrheit<br />

oder �qualifizierte Mehrheit erforderlich. Abstimmungsverfahren<br />

des Rates sind u. a. vorgegeben<br />

durch Art. 205 und 250 EGV, Art 24 EUV für die<br />

�GASP, Art. 34 EUV für die �PJZS.<br />

Die Beschlussfassung der Europäischen Kommission<br />

ist durch Art. 219 EGV bestimmt, ihre Beschlussfähigkeit<br />

durch die Geschäftsordnung geregelt, die<br />

sie sich selbst nach Art. 218 EGV gegeben hat<br />

(Selbstorganisationsrecht).<br />

Der �Rechnungshof nimmt seine jährlichen Berichte,<br />

Sonderberichte oder Stellungnahmen nach Art.<br />

248 EGV mit der Mehrheit seiner Mitglieder an.<br />

DerVerfassungsvertrag2004wird,sofernerinKraft<br />

treten kann, folgende Änderungen bringen: Der Europäische<br />

Rat entscheidet im Konsens, soweit die<br />

Verfassung nichts anderes festgelegt hat (Art. I-21<br />

Abs. 4 VVE 2004). Er wählt seinen Präsidenten (Art.<br />

I-22 Abs. 1 VVE 2004) sowie den Außenminister der<br />

Union (Art. I-28 Abs. 1 VVE 2004) mit qualifizierter<br />

Mehrheit und schlägt den Kandidaten für das Amt<br />

des Präsidenten der Kommission mit qualifizierter<br />

Mehrheitvor,dendasEuropäischeParlamentmitder<br />

Mehrheit seiner Mitglieder wählt (Art. I-27 VVE).<br />

S. auch: �Europäisches Parlament, Europäische<br />

�Kommission, �Rat der Europäischen Union, �Gerichtshof,<br />

�Rechnungshof.<br />

Academic Cooperation Association (ACA). Unabhängige<br />

europäische Mitglieder-Organisation mit<br />

der Aufgabe, als Netzwerk die Zusammenarbeit in<br />

Europa und zwischen Europa und anderen Teilen der<br />

Welt auf dem Gebiet der Erziehung und Ausbildung<br />

zu organisieren, zu analysieren und zu verbessern,<br />

vor allem im Hochschulbereich. Gegründet 1993 mit<br />

SitzinBrüssel.Mitgliedersindhochrangigenationale<br />

Organisationen (2004: 20 europäische, 3 assoziierte<br />

außereuropäische), in Deutschland der Deutsche<br />

Akademische Austauschdienst (DAAD).<br />

Internet: www.aca-secretariat.be<br />

Acquis communautaire. Begriff für den gemeinschaftlichen<br />

Besitzstand des Rechts der Europäischen<br />

Gemeinschaft, wie es sich aus den Rechtsquellen<br />

des �supranationalen �Gemeinschaftsrechts,<br />

insbes. dem Primär- und Sekundärrecht (�Gemein-<br />

21


ADAPT<br />

schaftsrecht) sowie den völkerrechtlichen Verträgen<br />

und der Rechtsprechung des Europäischen �Gerichtshofs<br />

zum gegenwärtigen Zeitpunkt ergibt.<br />

Mit dem Begriff wird ein Leitprinzip der europäischen<br />

Integration benannt, das die politische Dynamik<br />

der stetig fortschreitenden Einheitsbildung im<br />

System des Rechts abbildet. Die bewusste Unschärfe<br />

des Begriffs erlaubt es, den acquis communautaire –<br />

wie teilweise vertreten – um die politische Idee der<br />

Integration und die jeweiligen politischen Programme<br />

zu erweitern. Insoweit bezeichnet dann der acquis<br />

communautaire den Integrationsstand aus einer<br />

Gesamtperspektive heraus.<br />

Als Rechtsbegriff erfüllt der acquis communautaire<br />

die Funktion einer Garantie des quantitativen Entwicklungsstandes<br />

der europäischen Integration. So<br />

ist die „volle Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes<br />

und seine Weiterentwicklung“ eines der<br />

Ziele der EU (Art. 2 Abs. 1, 5. Spiegelstr. EUV), wodurch<br />

die Ausdehnung der �intergouvernementalen<br />

Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in den Bereichen<br />

�GASP und ZBJI (�Justiz und Inneres) auf das<br />

supranationale Gemeinschaftsrecht prinzipiell verhindert<br />

werden soll. Zugleich belegt diese Vorschrift<br />

den abstrakten Willen der Mitgliedstaaten, die Politikbereiche<br />

des Unionsrechts in �Supranationalität<br />

zu überführen, ohne dass den Mitgliedstaaten allerdingseinegegenteiligeEntscheidungzumkonkreten<br />

Zeitpunkt verwehrt wird.<br />

Im institutionellen Recht ist der acquis communautaire<br />

insbes. für den Beitritt zur EU von Bedeutung.<br />

Nach Art. 49 Abs. 1 EUV kann jeder europäische demokratische<br />

Verfassungsstaat die Mitgliedschaft in<br />

der EU beantragen. Zu den Aufnahmebedingungen<br />

gehört u. a., dass der Beitrittskandidat den acquis<br />

communautaire vollständig akzeptiert und in seinem<br />

Hoheitsgebiet in Kraft setzt. Soweit Art. 49 Abs. 2<br />

EUV von „erforderlich werdenden Anpassungen der<br />

Verträge“ spricht, bezieht sich diese Aussage nicht<br />

aufsubstantielleunddauerhafteAbweichungenvom<br />

Besitzstand.Abweichungenvomacquiscommunautaire<br />

können nach der Logik der europäischen Integration<br />

grundsätzlich nur befristet und bezogen auf<br />

einzelne Probleme eingeräumt werden.<br />

Der acquis communautaire wird durch das Institut<br />

der �verstärkten Zusammenarbeit, durch das acht<br />

oder mehr Mitgliedstaaten untereinander qualitativ<br />

weiter reichende Integrationsschritte machen können,eingeschränkt.SolcheRechtsaktegehörennicht<br />

22<br />

zu dem Besitzstand, der von neuen Mitgliedstaaten<br />

zum Zeitpunkt des Beitritts übernommen werden<br />

muss (Art. 44 Abs. 1 EUV). Der Verfassungsvertrag<br />

2004 streicht den Begriff acquis communautaire aus<br />

demEU-Recht. F. Sch.<br />

ADAPT war eine Gemeinschaftsinitiative im Anschluss<br />

an die Neufassung von Ziel 4 im Rahmen der<br />

Strukturfondsreform 1993 (�Strukturpolitik, �Regionalpolitik).<br />

Aufgabe der Initiative war die „Anpassung<br />

der Arbeitnehmer an den industriellen Wandel“.<br />

Ziele waren der Erhalt von Arbeitsplätzen bei<br />

Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Industrie,<br />

Handel und Dienstleistungsgewerbe, das frühzeitige<br />

Erkennen künftiger Marktchancen und Berufsanforderungen<br />

sowie die Förderung neuer Arbeitsplätze<br />

unter Nutzung des Potentials der �KMU. Zeitrahmen:<br />

1994 bis 1999.<br />

Adenauer, Konrad (1876–1967), erster Bundeskanzler<br />

der Bundesrepublik Deutschland (1949 –<br />

1963). Wegbereiter der Westintegration Deutschlands;<br />

strebte die Wiederherstellung der vollen<br />

�Souveränität der Bundesrepublik an. Setzte sich für<br />

eine deutsch-französische Verständigung als Kern<br />

einerpolitischenEinigungEuropasein.Zählteneben<br />

�Schuman und �de Gasperi zu den stärksten Befürwortern<br />

einer politischen �Integration Westeuropas<br />

nach dem 2. Weltkrieg.<br />

Ad-hoc-Ausschuss (lat.: zu diesem [Zweck]). Ein<br />

eigens zu einem bestimmten Zweck (Behandlung eines<br />

Problems, Ausarbeitung von Vorschlägen usw.)<br />

eingesetzter Ausschuss. Er wird häufig nach seinem<br />

Auftrag (z. B. Ad-hoc-Ausschuss für das � „Europa<br />

der Bürger“) oder seinem Vorsitzenden (z. B.<br />

�Adonnino-Ausschuss) benannt. Die Ergebnisse<br />

legt der Ausschuss gewöhnlich in einem Bericht vor.<br />

Nach Beendigung der ihm übertragenen Aufgabe<br />

löst der Ad-hoc-Ausschuss sich auf.<br />

Adonnino, Pietro (geb. 1927), italienischer Politiker.<br />

1979 – 1984 Mitglied des Europäischen Parlaments.<br />

Wurde im Juni 1984 vom Europäischen Rat<br />

zumVorsitzendeneinesAusschussesfürein�„Europa<br />

der Bürger“ ernannt (�Adonnino-Ausschuss),<br />

dessen Forderungen („Bericht zur Verankerung der<br />

EG im Bewusstsein der Bürger“) später zum großen<br />

Teil umgesetzt wurden.


Adonnino-Ausschuss. Vom Europäischen Rat in<br />

Fontainebleau (Juni 1984) als �Ad-hoc-Ausschuss<br />

für das �„Europa der Bürger“ eingesetzt; den Vorsitz<br />

hatte der italienische EP-Abgeordnete Pietro Adonnino.<br />

Sein Auftrag: Verbesserung der Gemeinschaftsarbeit<br />

und der außenpolitischen Zusammenarbeit<br />

sowie Empfehlung von Maßnahmen, damit<br />

alle Polizei- und Zollformalitäten an den innergemeinschaftlichen<br />

Grenzen entfallen können. Der<br />

Ausschuss legte dem Europäischen Rat in Mailand<br />

am 20. 6. 1985 seinen Schlussbericht vor („Adonnino-Bericht“).<br />

Darin wurden Vorschläge gemacht,<br />

wie ein europäisches Bewusstsein bei den Bürgern in<br />

Europa entstehen kann, u. a. durch Erteilung besonderer<br />

Bürgerrechte, Verwirklichung der Freizügigkeit<br />

der Bürgerinnen und Bürger, Förderung von<br />

Kultur und Kommunikation, Verbesserung der Information,<br />

Aktivierung der Jugend durch Bildungsund<br />

Sportprogramme, Austausch (Städtepartnerschaften),<br />

Anerkennung von Diplomen, Einführung<br />

identitätsstiftender Symbole wie einer �Europa-<br />

Flagge. Der Bericht übernahm auch Vorschläge des<br />

EP (�Spinelli-Bericht). Ein großer Teil der Empfehlungen<br />

wurde von der ab 9. 9. 1985 tagenden �Regierungskonferenz<br />

zur Reform der Institutionen übernommen<br />

und ist in die �Einheitliche Europäische<br />

Akte eingegangen.<br />

Adonnino-Bericht �Adonnino-Ausschuss<br />

AdR �Ausschuss der Regionen<br />

AFTA Asean Free Trade Area �ASEAN<br />

Agency for the Control of Armaments (ACA),<br />

mit Protokoll No. IV der �WEU vom 23. 10. 1954 geschaffene<br />

Agentur zur Kontrolle der den Mitgliedstaaten<br />

durch Protokoll No. III auferlegten Beschränkungen<br />

bei der Produktion von konventionellen,<br />

atomaren, biologischen und chemischen Waffen.<br />

Die ACA arbeitete bis 1984.<br />

Agenda 2000<br />

1. Begriff und Struktur: Die Vorschläge, die unter<br />

dem Namen „Agenda 2000“ bekannt sind, hatten<br />

zum Ziel, die wesentlichsten Gemeinschaftspolitiken<br />

grundsätzlich zu ändern und die Europäische<br />

Union innerhalb eines festgesetzten Finanzrahmens<br />

für die Erweiterung zu rüsten.<br />

Agenda 2000<br />

Der Europäische Rat von Madrid hatte im Dezember<br />

1995 die Kommission aufgefordert, die im Hinblick<br />

auf die Erweiterung notwendigen Änderungen der<br />

Gemeinschaftspolitiken vorzuschlagen und eine<br />

Mitteilung über den künftigen Finanzrahmen auszuarbeiten.<br />

Erste Orientierungen wurden von der Europäischen<br />

Kommission am 16. 7. 1997 als „Agenda<br />

2000: Eine stärkere und erweiterte Union“ vorgestellt.<br />

Am 18. 3. 1998 hat die Kommission Legislativvorschläge<br />

für die Umsetzung der Agenda vorgelegt.<br />

Der Europäische Rat in Berlin hat sich am 24. 3.<br />

1999 über die Vorschläge geeinigt. Die EU hat daraufhin<br />

rund 20 Gesetzesmaßnahmen verabschiedet<br />

und damit das Projekt „Agenda 2000“ abgeschlossen.<br />

Im Zuge des Fortgangs der Erweiterungsverhandlungen<br />

mussten die Orientierungen vom 16. 7. 1997<br />

den neuen Situationen angepasst werden. Die Europäische<br />

Kommission hat hierzu in einer Mitteilung<br />

vom 30. 1. 2002 erste Vorschläge gemacht. Sie betrafendengemeinsamenFinanzrahmen2004–2006für<br />

die Kapitel Landwirtschaft und Strukturpolitik. Die<br />

von den Kandidatenländern zunächst im Bereich der<br />

Direktzahlungen geforderte Gleichbehandlung sollte<br />

nicht vollständig gewährt werden, vielmehr wurde<br />

eine zweistufige Übergangsregelung empfohlen. Im<br />

Bereich der Politik zur Entwicklung des ländlichen<br />

Raumes sollte in dem Zeitraum 2004 – 2006 mehr<br />

auf die individuellen Bedürfnisse der neuen Mitgliedstaaten<br />

eingegangen werden. Im Bereich der<br />

Strukturfonds (�Fonds der EU) wurde im Interesse<br />

einer besseren Absorption der Strukturmittel vorgeschlagen,<br />

den Anteil der Kohäsionsfondsausgaben<br />

auf ein Drittel der gesamten Mittelausstattung zu erhöhen.<br />

Diese Vorschläge hielten sich im Rahmen der vom<br />

Europäischen Rat in Berlin mit der Agenda 2000 verabschiedeten<br />

�Finanziellen Vorausschau und insbes.<br />

im Rahmen der damals festgelegten Obergrenze<br />

des Gemeinschaftshaushaltes.<br />

Die Anpassung des Szenarios von 1999 sah vor:<br />

– Änderungen im Bereich der �Gemeinsamen<br />

Agrarpolitik (GAP),<br />

– GeänderteStrukturmaßnahmen(�FondsderEU),<br />

– Instrumente für die �Heranführungshilfe.<br />

Gleichzeitig hat die Kommission Vorschläge über<br />

denFinanzrahmen2004–2006,denZeitraumunmittelbar<br />

nach der Erweiterung der EU um 10 Mitglieder,<br />

vorgelegt.<br />

23


Agenda 2000<br />

2. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GASP): In den<br />

Sektoren Getreide, Milch und Rindfleisch wird eine<br />

weitere Verlagerung von der Preisstützung hin zur<br />

Direktzahlung die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen<br />

Landwirtschaft auf dem Binnenmarkt und<br />

auf dem Weltmarkt verbessern. Die Garantiepreise<br />

werden herabgesetzt, um die Gefahr des erneuten<br />

Anwachsens von Überschüssen zu verhindern. Den<br />

Senkungen der institutionellen Preise stehen nach<br />

der Agenda 2000 höhere Direktzahlungen gegenüber.<br />

Ein Teil davon wird den Mitgliedstaaten in<br />

Form eines Finanzrahmens zur Verfügung gestellt,<br />

über den sie auf Basis bestimmter Kriterien, z. B.<br />

durch Betonung umweltorientierter Maßnahmen<br />

und entsprechend ihren eigenen Prioritäten, verfügen<br />

können. Die niedrigeren institutionellen Preise<br />

werden den Verbrauchern zugute kommen und mehr<br />

Spielraum für eine Differenzierung zu Gunsten der<br />

Qualitätserzeugung bieten.<br />

DiestärkereAusrichtungamMarkthateinerseitsden<br />

Weg für die Integration neuer Mitgliedstaaten geebnet<br />

und die Stellung der Union in der laufenden<br />

�WTO-Runde (Doha-Runde) gestärkt. Außerdem<br />

wird in der neuen GAP mehr Nachdruck auf die LebensmittelsicherheitunddieUmweltbelangegelegt.<br />

Hinsichtlich der Anwendung der �Direktzahlungen<br />

auf die neuen Mitgliedstaaten schlug die Kommission<br />

vor, den Landwirten dort Direktzahlungen in<br />

Höhe von 25 % , 30 % und 35 % für die Jahre 2004 –<br />

2006 anzubieten. Diese können von den neuen Mitgliedstaaten<br />

durch Einführung einer vereinfachten<br />

Hektarbeihilfe ergänzt werden. Ab 2013 sollen die<br />

Landwirte in den neuen Mitgliedsländern in den vollen<br />

Genuss des dann geltenden Unterstützungsniveaus<br />

kommen.<br />

Der zweite wichtige Pfeiler der Gemeinsamen<br />

AgrarpolitikistseitderAgenda2000einewesentlich<br />

verbesserte Politik zur Entwicklung des ländlichen<br />

Raumes. Die Maßnahmen beziehen sich insbes. auf<br />

die Strukturanpassungen des Agrarsektors (Investitionen<br />

in landwirtschaftlichen Betrieben, Niederlassung<br />

von Junglandwirten, Aus- und Weiterbildung,<br />

Vorruhestand), die Unterstützung der Landwirtschaft<br />

in benachteiligten Gebieten, die Unterstützung<br />

von Umweltagrarmaßnahmen, Beihilfen zu Investitionen<br />

in Verarbeitungs- und Vermarktungsbetrieben,<br />

die Förderung der Forstwirtschaft sowie<br />

Maßnahmen zur Strukturanpassung der ländlichen<br />

Gebiete, sofern diese im Zusammenhang mit der<br />

24<br />

landwirtschaftlichen Tätigkeit und deren Umstellung<br />

stehen.<br />

Damit werden erstmals alle aus dem EAGFL<br />

(�Fonds der EU) geförderten Maßnahmen zur Entwicklung<br />

des ländlichen Raumes in einer Politik gebündelt,<br />

welche die vorgeschlagenen Reformen im<br />

Bereich der Markt- und Preispolitik flankieren und<br />

ergänzen wird. Die neue Politik bedeutet eine deutliche<br />

Vereinfachung und bietet ein sehr viel höheres<br />

Maß an Flexibilität und �Subsidiarität.<br />

Geänderte Regeln für die benachteiligten Gebiete<br />

sollen die Umweltschutzaspekte stärker in die Politik<br />

zur Entwicklung des ländlichen Raumes einbeziehen.<br />

Daher wird die Stützungsregelung schrittweise<br />

in ein Instrument zur Erhaltung und Förderung<br />

extensiver Bewirtschaftungsformen umgewandelt.<br />

Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden,<br />

dass die sog. benachteiligten Gebiete sich im Regelfall<br />

mit den besonders schützenswerten Gebieten im<br />

Sinne des Naturschutzes decken.<br />

Horizontale Maßnahmen: In diesem Bereich haben<br />

die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, im Rahmen der<br />

einzelnen Marktstützungsregelungen geeignete Umweltmaßnahmen<br />

durchzuführen.<br />

Berücksichtigung der Arbeitsmarktauswirkungen:<br />

Das landwirtschaftliche Einkommen einschl. der Direktzahlungen<br />

hat in ländlichen Gebieten einen sehr<br />

starken Einfluss auf die Beschäftigungslage. Die<br />

Mitgliedstaaten sollten deshalb die Direktzahlungen<br />

pro Betrieb innerhalb bestimmter Grenzen und abhängig<br />

von der Zahl der Arbeitskräfte differenzieren<br />

können (zur Verwirklichung der Agrarreform im<br />

Einzelnen: �Gemeinsame Agrarpolitik, Verordnungen<br />

zur Agrarreform 2003).<br />

3. Strukturfonds und Kohäsionsfonds: Die Vorschläge<br />

der Europäischen Kommission zur Reform der<br />

�Strukturfonds und des �Kohäsionsfonds folgten<br />

den in der Agenda 2000 genannten Zielen der Konzentration,<br />

der Transparenz und der Vereinfachung.<br />

Um dem Ziel der Vereinfachung zu entsprechen,<br />

schlug die Kommission eine einheitliche allgemeine<br />

Verordnung (�Rechtsakte der EU) vor mit Bestimmungen,<br />

die für alle Fonds gelten. Diese sollte die<br />

zwei bestehenden Verordnungen des Rates ersetzen.<br />

Für jeden der vier Fonds (�EFRE, �ESF, �FIAF und<br />

�EAGFL) schlug die Kommission eine neue „vertikale“<br />

Verordnung mit nur für diesen jeweiligen<br />

Fonds geltenden Bestimmungen vor. Für den<br />

EAGFL gilt die Verordnung über die Entwicklung


des ländlichen Raumes. Darüber hinaus soll es eine<br />

neue Verordnung für den Kohäsionsfonds geben.<br />

Die ärmsten Regionen der EU genießen absolute<br />

Priorität, das heißt, es werden alle Anstrengungen<br />

unternommen, die Infrastruktur sowie die Berufsbildung<br />

und Fachkenntnisse der Arbeitskräfte in diesen<br />

Regionen zu verbessern. In einem neuen Ansatz befassensichdieStrukturfondsaußerdemmitStrukturproblemen,<br />

unabhängig davon, ob es sich um Industrieregionen,<br />

den ländlichen Raum, Stadtgebiete<br />

oder Küstengebiete mit spezifischen Fischereiproblemen<br />

handelt.<br />

DieTransparenzunddieRechenschaftspflichtsollen<br />

über eine bessere und klarere Aufteilung der Zuständigkeiten<br />

zwischen Kommission und Mitgliedstaaten<br />

verbessert werden.<br />

DieZielewurdennachdenVorschlägenderEuropäischen<br />

Kommission auf drei verringert. Die Definition<br />

für Ziel 1 bleibt bestehen. Im Rahmen des neuen<br />

Ziels 2 fördert die EU die wirtschaftliche und soziale<br />

Umstellung von Gebieten mit Strukturproblemen,<br />

einschl. solcher in den wohlhabenderen Mitgliedstaaten.<br />

Für die Gebiete, die nicht mehr nach Ziel 1<br />

oder Ziel 2 gefördert werden können, sind Übergangsfristen<br />

von sechs bzw. vier Jahren vorgesehen.<br />

Die Tätigkeit des ESF soll dem neuen Ziel 3 zugeordnet<br />

werden, das insbes. der Entwicklung der HumanressourcenundderFörderungderGleichbehandlung<br />

von Mann und Frau am Arbeitsplatz dienen soll.<br />

HierfürwurdenimeinzelnenfünfTätigkeitsbereiche<br />

vorgeschlagen:<br />

Aktive Arbeitsmarktpolitik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit,<br />

Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung,lebenslangesLernenundFortbildungssysteme<br />

zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, Antizipation<br />

und Erleichterung des wirtschaftlichen<br />

und sozialen Wandels, Verbesserung der Einbeziehung<br />

von Frauen in den Arbeitsmarkt.<br />

Die �Gemeinschaftsinitiativen (GI) wurden ebenfallsradikalvereinfachtundrationalisiert.Diefrüher<br />

bestehenden 13 GI wurden auf vier reduziert, nämlich<br />

�INTERREG, �LEA<strong>DER</strong>, �EQUAL und<br />

�URBAN. Wesentlich bei der Durchführung wird<br />

sein, dass die Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum<br />

haben werden, um die Programme nach ihren<br />

besonderen Bedürfnissen umzusetzen. Die Europäische<br />

Kommission wird sich auf strategische Aspekte<br />

der Programmplanung wie die Festlegung der Ziele<br />

und der Interventionsprioritäten sowie die Entschei-<br />

Agenturen<br />

dung über die Mittelzuweisungen konzentrieren.<br />

Dem größeren Spielraum der Mitgliedstaaten steht<br />

eine verstärkte Rechenschaftspflicht gegenüber,<br />

ebensodieVerschärfungderBestimmungenüberdie<br />

systematische jährliche Berichterstattung, über<br />

Ex-ante-, Zwischen- und Ex-post-Bewertungen sowieüberdieFinanzkontrolle,dievorallemSacheder<br />

Mitgliedstaaten ist.<br />

Ein gleichzeitig vereinfachtes Finanzmanagement<br />

durch Vergabe von Globaldarlehen, Vorschüssen in<br />

Höhe von 10 % zum Zeitpunkt der Genehmigung des<br />

Programms und eine Mid-term-review mit der MöglichkeitderBelohnungdereffizientestenProgrammdurchführung<br />

gehören ebenso zum neuen Konzept<br />

der Strukturfonds wie eine stärkere Beteiligung der<br />

Mitgliedstaaten und ihrer regionalen, kommunalen<br />

und sonstigen Behörden, der Sozialpartner und der<br />

Nichtregierungsorganisationen, einschl. derer, die<br />

sich dem Umweltschutz oder der Chancengleichheit<br />

verschrieben haben. Die Ziele des Kohäsionsfonds<br />

bliebenimWesentlichenunverändert. A. M.-W.<br />

AGEG (Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen),<br />

1971 von Vertretern mehrerer Grenzregionen<br />

(�CIMAB, �Euregio, Regio Basiliensis, Regio<br />

Rhein-Waal) als ständige Konferenz gegründet. Ziele<br />

sind die Zusammenarbeit, der Informationsaustausch<br />

und die Entwicklung von Lösungen grenzüberschreitender<br />

Probleme. Aufgaben sind die<br />

Durchführung von Programmen und Projekten mit<br />

Förderung aus den Strukturfonds der EU, Mitwirkung<br />

bei der Lösung grenzüberschreitender Probleme<br />

und Aufbau eines Netzwerkes aller grenzüberschreitenden<br />

Regionen in Europa. Von den ca. 115<br />

Grenzregionen im Binnenmarkt sind 90 Mitglied in<br />

der AGEG.<br />

Internet: www.aebr.net<br />

Agenturen der Europäischen Gemeinschaft sind<br />

Einrichtungen des europäischen öffentlichen Rechts<br />

mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie werden durch<br />

einen Rechtsakt des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts<br />

geschaffen, der die technischen, wissenschaftlichen<br />

und administrativen Aufgaben der jeweiligen<br />

Agentur regelt. Agenturen erfüllen fachbezogene,<br />

wissenschaftliche oder administrative Aufgaben<br />

innerhalb der Politikbereiche der Europäischen<br />

Gemeinschaft. Im EGV sind sie nicht vorgesehen.<br />

Sie sind keinem Organ der EG zugeordnet.<br />

25


AGIS<br />

Derzeit gibt es 20 Einrichtungen, die den Status einer<br />

Gemeinschaftsagentur besitzen sowie 6 für Politikbereiche<br />

der EU (2. und 3. Säule; �Tempelstruktur).<br />

Einige tragen jedoch andere Bezeichnungen wie<br />

Zentrum, Stiftung, Amt oder Beobachtungsstelle.<br />

Außerdem gibt es 3 Exekutivagenturen, die mit der<br />

Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen beauftragt<br />

sind und nach Beendigung der Programme aufgelöst<br />

werden.<br />

Agenturen der 1. Säule (EG):<br />

– Europäische Agentur für den Wiederaufbau, Thessaloniki<br />

(EAR)<br />

– EuropäischeAgenturfürdieoperativeZusammenarbeit<br />

an den Außengrenzen, Warschau<br />

– Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs,<br />

Lissabon (EMSA)<br />

– Europäische Agentur für Flugsicherheit, Köln<br />

(EASA)<br />

– Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit,<br />

Heraklion, Kreta (ENISA)<br />

– Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />

am Arbeitsplatz, Bilbao (EU-OSHA)<br />

– Europäische Arzneimittelagentur, London<br />

(EMEA)<br />

– Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit,<br />

Parma (EFSA)<br />

– Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und<br />

Drogensucht, Lissabon (OEDT)<br />

– Europäische Eisenbahnagentur, Lille-Valenciennes<br />

(ERA)<br />

– Europäische GNSS-Aufsichtsbehörde (GNSS =<br />

Globales Satellitennavigationssystem), deren Sitz<br />

noch festgelegt werden muss<br />

– Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit, Wien (EUMC)<br />

– Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens-<br />

und Arbeitsbedingungen, Dublin<br />

(EUROFOUND)<br />

– Europäische Stiftung für Berufsbildung, Turin<br />

(ETF)<br />

– EuropäischeUmweltagentur,Kopenhagen(AEE)<br />

– Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung,<br />

Thessaloniki (CEDEFOP)<br />

– EuropäischesZentrumfürdiePräventionundKontrolle<br />

von Krankheiten, Solna, Schweden (ECDC)<br />

– Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken,<br />

Muster und Modelle), Alicante (HABM)<br />

– GemeinschaftlichesSortenamt,Angers(OCVV)<br />

– Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der<br />

26<br />

Europäischen Union, Luxemburg (CdT)<br />

Agenturen der 2. Säule (�GASP)<br />

– Europäische Verteidigungsagentur, Brüssel<br />

– Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien,<br />

Paris<br />

– Satellitenzentrum der Europäischen Union, Torrejón<br />

de Ardoz<br />

Agenturen der 3. Säule (�PJZS)<br />

– Eurojust, Den Haag<br />

– Europäische Polizeiakademie, Bramshill (Großbritannien)<br />

– Europäisches Polizeiamt (Europol), Den Haag<br />

Exekutivagenturen<br />

– Exekutivagentur für Bildung, Audiovisuelles und<br />

Kultur, Brüssel<br />

– Exekutivagentur für das Gesundheitsprogramm,<br />

Luxemburg<br />

– ExekutivagenturfürintelligenteEnergie,Brüssel<br />

Agenturen in Planung (Stand Mai 2005)<br />

– Europäische Agentur für Grundrechte (entsteht<br />

aus der Erweiterung der Aufgaben der bestehenden<br />

Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit, Wien)<br />

– Europäische Fischereiaufsichtsbehörde, Vigo<br />

– EuropäischesAmtfürchemischeStoffe,Helsinki<br />

AGIS ist ein EU-Finanzierungsprogramm im Rahmen<br />

der �PJZS und bietet Finanzhilfe bei der Ausund<br />

Fortbildung von Richtern, Staatsanwälten,<br />

Rechtsanwälten, Justizbeamten, Gerichtsvollziehern,<br />

Gerichtsdolmetschern und sonstigen an der<br />

RechtspflegebeteiligtenPersonen,beimAufbauvon<br />

Netzwerken, für Studien- und Forschungsarbeiten,<br />

für Konferenzen und Seminare. Laufzeit 2003 –<br />

2007. AGIS ersetzt die früheren Programme Grotius<br />

II, Oisin II, Stop II, Falcone und Hippokrates.<br />

Agrarleitlinie. Instrument zur Begrenzung der<br />

Agrarausgaben der EU. In der Entscheidung des Rates<br />

88/377 heißt es: „Die Steigerungsrate der ... Ausgaben<br />

des EAGFL, Abt. Garantie, zwischen 1988<br />

und einem gegebenen Jahr darf 74 % der Steigerungsrate<br />

des Bruttoinlandsprodukts der Gemeinschaft<br />

in demselben Zeitraum nicht überschreiten.“<br />

Mit Entscheidung 94/729 (ABl. L 293/1994) hat der<br />

Rat ein Frühwarnsystem eingeführt, um die Einhaltung<br />

der Agrarleitlinie sicherzustellen. Die Agrarleitlinie,<br />

die zunächst bis 1999 festgeschrieben war,<br />

wurde durch die �Agenda 2000 nicht geändert.


Agrarmarkt �Gemeinsame Agrarpolitik<br />

Agrarpolitik �Gemeinsame Agrarpolitik<br />

AHB �Ausschuss Hoher Beamter<br />

AIR (Agro-Industrial Research), EU-Programm im<br />

3. Forschungsrahmenprogramm (FRP, 1990 – 1994)<br />

für Forschung und technologische Entwicklung im<br />

Bereich Landwirtschaft und Fischerei. Zusammenfassung<br />

und Erweiterung der 1992/93 beendeten<br />

Programme ECLAIR (European Collaborative Linkage<br />

of Agriculture and Industry through Research),<br />

FAR (Fisheries and Aquaculture Research) und<br />

FLAIR (Food-Linked Agro-Industrial Research<br />

Programme). AIR wurde abgelöst durch das Programm<br />

�FAIR (1994 – 1998) im 4. FRP.<br />

AKP-Staaten. 79 Staaten Afrikas, der Karibik und<br />

des Pazifiks. 39 davon zählen zu den 49 am wenigsten<br />

entwickelten Ländern der Erde (LDC = least developed<br />

countries, nach Definition der Weltbank).<br />

15 AKP-Staaten sind Binnenstaaten (ohne Zugang<br />

zum Meer), 27 sind Inselstaaten. Mit 77 der AKP-<br />

Staaten hat die EU im Juni 2000 in Cotonou (Benin)<br />

ein Partnerschaftsabkommen für die Dauer von 20<br />

Jahren geschlossen, das seit 1. 4. 2003 in Kraft ist und<br />

diepolitischenundwirtschaftlichenBeziehungenregelt<br />

(�Cotonou-Abkommen). Südafrika zählt seit<br />

1998 zu den AKP-Staaten, ist aber den Handels- und<br />

Finanzvereinbarungen des �Lomé- bzw. Cotonou-<br />

Abkommens nicht beigetreten. Kuba ist seit Dezember<br />

2000 als 79. Staat der AKP-Gruppe beigetreten,<br />

nimmt aber nicht an Partnerschaftsabkommen teil.<br />

Bei Gründung der EWG 1957 erhielten afrikanische<br />

Kolonien von Mitgliedstaaten der EWG den Status<br />

von assoziierten Gebieten und wurden aus Mitteln<br />

des 1959 eingerichteten �Europäischen Entwicklungsfondsgefördert.NachErlangenihrerUnabhängigkeitbehieltensieihreSonderrechte.17neueStaaten<br />

Afrikas wurden 1964 durch das Abkommen von<br />

�Jaunde (Kamerun) der EWG �assoziiert. Nach dem<br />

BeitrittGroßbritannienswurdedasAbkommen1975<br />

durch das Partnerschaftsabkommen von Lomé<br />

(Togo) mit 46 Staaten abgelöst (Lomé-Abkommen),<br />

das 1979 mit 58, 1984 mit 66, 1989 mit 69 Staaten erneuert<br />

wurde und 2000 nach 25-jähriger Laufzeit<br />

vom Abkommen von Cotonou abgelöst wurde.<br />

�Entwicklungspolitik<br />

Aktionsplan<br />

Akronyme. Wörter oder Kunstwörter, die aus Anfangsbuchstaben<br />

der (vor allem im Englischen und<br />

Französischen) aus mehreren Wörtern bestehenden<br />

Bezeichnungen von Einrichtungen oder Aktivitäten<br />

der EU gebildet werden und (anders als bei Abkürzungen)<br />

eine zusammenhängend aussprechbare Folge<br />

von Buchstaben enthalten. Beispiele: CORDIS<br />

(aus: Community Research and Development Information<br />

System), Erasmus (aus: European Community<br />

Action Scheme for the Mobility of University Students),<br />

PHARE (aus: Poland and Hungarian Action<br />

forRestructuringoftheEconomy).NachdenInterinstitutionellenRegelnzurVereinheitlichungvonVeröffentlichungen<br />

der EU werden Akronyme mit mehr<br />

als fünf Buchstaben nach dem Initial klein geschrieben.<br />

Aktiengesellschaft, Europäische – Societas Europaea<br />

(SE) �Europäische Aktiengesellschaft<br />

Aktion Jean Monnet „Die Europäische Integration<br />

im Lehrangebot der Universitäten“ wird von der Europäischen<br />

Kommission in Zusammenarbeit mit<br />

Hochschulen durchgeführt und bietet insbes. finanzielle<br />

Starthilfen zur Einführung neuer Lehrveranstaltungen<br />

im Bereich „Europäische Integration“.<br />

Die Aktion gewährt Universitäten für eine Anlaufzeit<br />

von drei Jahren eine Mitfinanzierung, wenn sie<br />

sich verpflichten, die Lehrveranstaltungen mindestens<br />

sieben Jahre anzubieten. Gefördert werden<br />

Jean-Monnet-Lehrstühle, Grundkurse als Pflicht-<br />

Lehrveranstaltungen sowie kürzere Lehrveranstaltungen<br />

in Form von Europa-Modulen und die Einrichtung<br />

von Jean-Monnet-Forschungszentren.<br />

Aktion Robert Schuman, ein Aktionsprogramm<br />

der EU im Bereich �Justiz und Inneres, realisiert<br />

durch Beschluss 1496/98 (ABl. L 196/1998). Es sollte<br />

zu einer Verbesserung des Wissensstands von<br />

Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten über<br />

das Gemeinschaftsrecht führen. Finanziell gefördert<br />

wurden in erster Linie Aktionen von Justizministerien,<br />

Hochschulen, Berufsorganisationen oder Anwaltskammern<br />

mit Bezug auf die Praxis. Die<br />

dreijährige Aktion endete am 31. 12. 2001.<br />

Aktionsplan zu den militärischen Fähigkeiten<br />

(European Capability Action Plan, ECAP) �Europäische<br />

Verteidigungsagentur (EVA)<br />

27


Aktionsplan<br />

Aktionsplan zur Bekämpfung der organisierten<br />

Kriminalität �Kriminalitätsbekämpfung<br />

ALA-Programm (Asia and Latinamerica). Seit<br />

1976 bestehendes EU-Programm zur finanziellen,<br />

technischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />

der EU mit Staaten des asiatischen und lateinamerikanischen<br />

Raums. Beschließendes Organ ist der<br />

ALA-Verwaltungsausschuss. Die Mongolei wird<br />

seit1.1.2004ebenfallsüberdasALA-Programmgefördert<br />

(zuvor durch das �TACIS-Programm).<br />

�AL-Invest, �ASIA-Invest<br />

ALFA III (América Latina – Formación Académica).<br />

Programm der GD Außenbeziehungen der Europäischen<br />

Kommission; es fördert die Zusammenarbeit<br />

zwischen Hochschulnetzwerken aus 18 lateinamerikanischen<br />

Ländern und allen EU-Staaten. Ziel ist der<br />

Aufbau dauerhafter Partnerschaften, um die Mobilität<br />

der Graduierten und Studierenden zwischen beidenKontinentenzufördern.Laufzeit2000–2005.<br />

ALICE (America Latina Interconectada Con Europa).<br />

Ein 2003 gestartetes und bis Mai 2006 terminiertes<br />

Projekt mit dem Ziel, die Infrastruktur für ein<br />

IP-Netzwerk für Forschungseinrichtungen in Lateinamerika<br />

zu entwickeln und die Kooperation mit<br />

Fachkollegen aus Europa zu ermöglichen. Das Projekt<br />

wird zu 80 % von der EU finanziert. Im September<br />

2004 wurde das Netzwerk RedCLARA eingeweiht,<br />

das 6 Knotenpunkte in Argentinien, Brasilien,<br />

Chile, Mexiko und Panama mit einer Übertragungsgeschwindigkeit<br />

von 155Mbps verbindet. Venezuela<br />

und weitere 6 Staaten sollen angeschlossen werden.<br />

Das Netzwerk ist verbunden mit �GÉANT.<br />

ALICE wird von �DANTE gemanagt.<br />

AL-Invest III. Programm der Europäischen Kommission<br />

zur Unterstützung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit<br />

zwischen der EU und Lateinamerika.<br />

Die 3. Projektphase läuft von 2004 bis 2007 und hat<br />

ein Budget von 50 Mio. Euro. Schwerpunkt ist die<br />

Förderung von Kooperationstreffen zwischen europäischen<br />

und lateinamerikanischen �KMU.<br />

Internet:<br />

http://195.207.138/index.php; www.al-invest3.org<br />

Allgemeiner Rat, Rat für allgemeine Angelegenheiten<br />

und Außenbeziehungen. Eine von neun For-<br />

28<br />

mationen des Rats der Europäischen Union, gebildet<br />

von den Außenministern. �Rat der EU<br />

Allgemeines Präferenzsystem (APS) im Zollbereich.<br />

Das APS ist zugleich Instrument der Handelspolitik<br />

und der Entwicklungspolitik der EU. Der<br />

�Allgemeine Rat der EU erlässt die Bestimmungen<br />

in Verordnungen zum Allgemeinen Präferenzsystem<br />

der EU (zuletzt: VO 2501/2001, ABl. L 346/<br />

2001 für den Zeitraum 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2004,<br />

durch Ratsverordnung vom Dezember 2003 verlängert<br />

bis 31. 12. 2005).<br />

Funktionsweise: Waren, die als „nicht empfindlich“<br />

eingestuft werden, sind von Einfuhrzöllen befreit,<br />

für Waren des Textil- und Bekleidungssektors werden<br />

die Zollsätze des Gemeinsamen Zolltarifs um<br />

20 % gesenkt, für als „empfindlich“ eingestufte Waren<br />

um 3,5 Prozentpunkte. Diese Zollpräferenzen<br />

gelten für Waren mit Ursprung in einem begünstigten<br />

Entwicklungsland. Ausgeschlossen vom APS<br />

sind Entwicklungsländer, die von der Weltbank als<br />

„Land mit hohem Einkommen“ eingestuft werden<br />

und drei Jahre lang ein bestimmtes Niveau an industrieller<br />

Entwicklung erreicht haben.<br />

Durch Sonderregelungen können begünstigte EntwicklungsländerfüralsempfindlicheingestufteWaren<br />

eine zusätzliche Senkung um weitere 5 Prozentpunkte<br />

(insgesamt 8,5 Punkte) und für Textilien um<br />

40 % erreichen, wenn sie bestimmte soziale Auflagen<br />

(in Bezug auf Zwangsarbeit, Kinderarbeit und<br />

Menschenrechte) oder Umweltauflagen erfüllen.<br />

Die gewährten Zollpräferenzen können für ein Land<br />

vorübergehend ausgesetzt werden, wenn es gegen<br />

soziale Grundrechte und die Grundsätze des Arbeitsrechts<br />

verstößt.<br />

Für die 49 von der Weltbank als Least Developed<br />

Countries (LDC, am wenigsten entwickelte Länder)<br />

eingestuften Länder gilt darüber hinaus eine vollständige<br />

Zollfreiheit für alle Waren außer Waffen<br />

und Munition („all but weapons“). Für Bananen,<br />

Reis und Zucker wird die Zollfreiheit für unbeschränkte<br />

Mengen stufenweise bis 2009 eingeführt;<br />

bisdahinwerdenKontingentefürzollfreieEinfuhren<br />

festgelegt. Zur Bekämpfung des Drogenhandels<br />

sieht eine Sonderregelung die Zollfreiheit für Einfuhren<br />

von gewerblichen und landwirtschaftlichen<br />

Waren mit Ursprung in Pakistan, den Staaten des Andenpakts<br />

sowie Zentralamerikas vor.<br />

Für ein neues APS-System, das am 1. 1. 2006 in Kraft


treten soll, hat die Kommission im Oktober 2004 ihren<br />

Vorschlag dem Europäischen Parlament, dem<br />

Rat und dem �Wirtschafts- und Sozialausschuss vorgelegt.<br />

Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen<br />

�GATT, �WTO<br />

Allzuständigkeit beschreibt den im deutschen<br />

Kommunalrecht nach Art. 28 Abs. 2 GG geltenden<br />

Grundsatz, dass Gemeinden alle Angelegenheiten<br />

der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Verfassung<br />

oder Gesetze höheren Ebenen zugewiesen sind,<br />

in eigener Verantwortung regeln können. Dieses<br />

Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden ist auch in<br />

der EU durch das in Art. 2 Abs. 2 EUV und Art. 5<br />

Abs. 2 EGV verankerte �Subsidiaritätsprinzip gewährleistet.<br />

Alpenkonvention. Die Alpenkonvention (AK)<br />

vom 7. 11. 1991 ist ein völkerrechtliches Rahmenabkommen<br />

der acht Alpenstaaten Deutschland, Frankreich,<br />

Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich,<br />

Schweiz, Slowenien sowie der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Ziel der AK ist der Schutz des Alpenraums<br />

und seine nachhaltige Entwicklung unter Berücksichtigung<br />

der wirtschaftlichen und kulturellen<br />

Interessen der Alpenbewohner. Die Vertragsparteien<br />

der AK haben sich verpflichtet, hierzu Forschungsarbeiten<br />

und gemeinsame oder ergänzende<br />

Programme zur systematischen Beobachtung des<br />

Alpenraumesdurchzuführenbzw.zuentwickeln,sowie<br />

die dazugehörige Datenerfassung zu harmonisieren.<br />

Weiterhin informieren sich die VertragsparteiengrenzüberschreitendüberMaßnahmen,vondenen<br />

besondere Auswirkungen auf den Alpenraum<br />

oder Teile desselben zu erwarten sind und tauschen<br />

hierzu Informationen aus, die für die Ziele der AK erheblich<br />

sind. Hierbei stellen Fragen der Verkehrserschließung<br />

(Alpentransit) und des Tourismus in den<br />

Alpen einen besonderen Schwerpunkt dar.<br />

Die AK wird ergänzt durch derzeit zehn Protokolle<br />

zu den Themen Naturschutz und Landschaftspflege,<br />

Berglandwirtschaft, Raumplanung und nachhaltige<br />

Entwicklung, Monaco-Protokoll, Bergwald, Tourismus,<br />

Energie, Bodenschutz, Verkehr und Streitbeilegung;<br />

diese sind jedoch noch nicht von allen Vertragsstaaten<br />

ratifiziert. Die Protokolle definieren<br />

raumplanerische und politische Ziele, enthalten<br />

Amt für Veröffentlichungen<br />

i. d. R. jedoch keine völkerrechtlich verbindlichen<br />

Verbote. Weitere Protokolle zu den Themen BevölkerungundKultur,Wasserhaushalt,Luftreinhaltung<br />

und Abfallwirtschaft sollen erarbeitet werden.<br />

Um die Durchsetzung der Ziele der AK zu verbessern,wurdedieEinrichtungeinesStändigenSekretariats<br />

der AK mit Sitz in Innsbruck beschlossen, das<br />

sichseit2003imAufbaubefindet. S. W.<br />

Internet: www.alpenkonvention.info<br />

ALTENER �Intelligente Energie in Europa<br />

ALTHEA (griech. die Heilende). EU-geführte bewaffnete<br />

Friedensmission in Bosnien und Herzegowina.<br />

ALTHEA hat 2004 die NATO-Operation<br />

SFORabgelöst.�EU-NATO-Dauervereinbarungen<br />

ALU-II-Programm der Europäischen Kommission<br />

zur Förderung der Zusammenarbeit in der Energiewirtschaft<br />

zwischen der EU und Lateinamerika. Gefördert<br />

wurden (bis maximal 50 % der Kosten) Projekte<br />

von Arbeitsgemeinschaften aus mindestens<br />

zwei Unternehmen des Energiesektors und aus mindestens<br />

zwei Mitgliedstaaten der EU. Ziel war die<br />

optimale und umweltfreundliche Nutzung der Energieressourcen<br />

in Lateinamerika mit Unterstützung<br />

europäischerFirmen.Laufzeit1998–2002.DasProgramm<br />

ALU I (1996 – 1997) hat 13 Projekte mit<br />

7 Mio. Euro gefördert. Für ALU II standen 25 Mio.<br />

Euro zur Verfügung. ALU wurde 2003 nicht fortgeführt.<br />

Amsterdamer Vertrag �Vertrag von Amsterdam<br />

Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen<br />

Gemeinschaften (Office for Official Publications<br />

of the European Communities, EUR-OP),<br />

kurz: Amt für Veröffentlichungen. Der Verlag der<br />

Organe und sonstigen Einrichtungen der EU stellt<br />

alle Veröffentlichungen der EU her und vertreibt sie.<br />

Rechtliche Grundlage ist die Entscheidung 2000/<br />

459/EG, EGKS, EURATOM (ABl. L 183/ 2000).<br />

Das Amt wird von einem Direktorium verwaltet, in<br />

dem jedes Organ durch seinen Generalsekretär vertreten<br />

ist. Anzahl der Mitarbeiter 2004: 536 Beamte.<br />

Haushaltsmittel 2004: 77,8 Mio. Euro.<br />

DasAmtbestehtseit1969.VorgängerwarderVeröffentlichungsdienst<br />

der EGKS, der seit 1952 das<br />

Amtsblatt der EGKS herausgegeben hat.<br />

29


Amt für Betrugsbekämpfung<br />

Nach Art. 254 EGV ist die Veröffentlichung bestimmter�Rechtsakte,nachArt.212EGVdieVeröffentlichung<br />

eines �Gesamtberichts über die Tätigkeit<br />

der Gemeinschaften obligatorisch. Rechtsakte<br />

werden im �Amtsblatt der Europäischen Union (vor<br />

1. 2. 2003: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften),<br />

Reihe L veröffentlicht.<br />

Das Amt vertreibt Veröffentlichungen in gedruckter<br />

Form und auf CD-ROM über Vertriebsstellen in allen<br />

Mitgliedstaaten. Veröffentlichungen in digitalisierterFormsindauchimInternetingroßemUmfang<br />

kostenfrei zugänglich.<br />

Anschrift: 2, rue Mercier, L-2985 Luxembourg.<br />

Internet: http://publications.eu.int; http://europa.eu.int/eur-lex<br />

Amt für Betrugsbekämpfung, Europäisches Amt<br />

für Betrugsbekämpfung �OLAF<br />

Amt für Humanitäre Hilfe �ECHO<br />

Amtliche Veröffentlichungen der EU sind insbes.<br />

das �Amtsblatt der EU und der �Gesamtbericht über<br />

die Tätigkeit der Europäischen Union. Sie werden<br />

auf den Datenträgern Papier, Video, Mikrofiche,<br />

CD-ROM und Diskette sowie im Internet zur Verfügung<br />

gestellt. Veröffentlichungen, die über Vertriebsbüros<br />

in den Mitgliedstaaten bezogen werden,<br />

sind kostenpflichtig. Der Vereinheitlichung dienen<br />

Interinstitutionelle Regeln für Veröffentlichungen.<br />

Veröffentlichungen im Internet: �CORDIS (Forschung),<br />

�Eur-Lex (EU-Recht), �IDEA (Verzeichnis<br />

der Institutionen), �SIMAP (öffentl. Auftragsvergabe),<br />

�TED (Ausschreibungen)<br />

Amtsblatt der Europäischen Union (amtl. Abkürzung<br />

ABl. EU). Periodikum des �Amtes für Veröffentlichungen<br />

(EUR-OP), erscheint an allen<br />

Werktagen in den 20 �Amtssprachen der EU. Es besteht<br />

aus den Reihen L (Législation, Rechtsvorschriften)<br />

und C (Communications et informations,<br />

Mitteilungen und Bekanntmachungen) sowie einem<br />

Supplement (Reihe S „Bekanntmachungen öffentlicher<br />

Aufträge“). Die Reihe C wird ergänzt durch einen<br />

elektronischen Teil, das ABl. C E.<br />

In der Reihe L werden alle verbindlichen �Rechtsakte<br />

der Gemeinschaften, d. h. Verordnungen, Richtlinien<br />

und Entscheidungen, aber auch Beschlüsse,<br />

Empfehlungen sowie Stellungnahmen veröffentlicht,<br />

außerdem der halbjährlich erscheinende Fund-<br />

30<br />

stellennachweis des geltenden �Gemeinschaftsrechts.<br />

Die Reihe C enthält Zusammenfassungen der Urteile<br />

des �Gerichtshofs (EuGH), Sitzungsprotokolle des<br />

Parlaments, Berichte des Rechnungshofs, parlamentarische<br />

Anfragen und die Antworten von Rat und<br />

Kommission, Stellungnahmen des �WSA und des<br />

�AdR, öffentliche Aufträge für �Nahrungsmittelhilfe<br />

u. a.<br />

Die Reihe C E enthält vorläufig u. a. vorbereitende<br />

Rechtsakte und ist nur über EUR-Lex oder im Abonnement<br />

als CD-ROM verfügbar.<br />

In der Reihe S sind Ausschreibungen öffentlicher<br />

Aufträge aus allen Mitgliedstaaten der EU und des<br />

�EWR (�öffentliches Auftragswesen) sowie den OrganenundEinrichtungenderEUenthalten,fernerfür<br />

Aufträge des �EEF sowie für Projekte, die von der<br />

�EIB, der �EZB und der Europäischen �Bank für<br />

Wiederaufbau und Entwicklung finanziert werden,<br />

für Aufträge im Rahmen von �PHARE und �TACIS,<br />

für öffentliche Aufträge für Flugdienste; außerdem<br />

werdendieGründungenvon�EWIVveröffentlicht.<br />

Amtsenthebung eines Mitglieds der Kommission<br />

ist nach Art. 216 EGV möglich, wenn es die VoraussetzungenfürdieAusübungseinesAmtesnichtmehr<br />

erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen hat.<br />

Die Amtsenthebung erfolgt durch den �EuGH auf<br />

Antrag des Rates oder der Kommission.<br />

Amts- und Arbeitssprachen der EU<br />

1. Begriff: Amtssprache ist die offizielle Sprache eines<br />

Staates für Gesetzgebung, Verwaltung, Gerichte,<br />

Schulen. Mitunter sind auch Nationalsprachen<br />

von Minderheiten gesetzlich als Amtssprachen garantiert.<br />

Als Amtssprachen der Union werden die Sprachen<br />

der Mitgliedstaaten bezeichnet, in denen sich ihre<br />

Organe nach außen, insbes. also gegenüber den<br />

Unionsbürgern, äußern.<br />

Als Arbeitssprachen bezeichnet man die Sprachen,<br />

die die Organe im Verkehr untereinander und im internen<br />

Gebrauch verwenden. Die Sprachen, in denen<br />

das Primärrecht verbindlich ist, werden als authentischeSprachen(oderVertragssprachen)bezeichnet.<br />

2. Rechtliche Grundlagen: Gemäß Art. 290 EGV<br />

wird „die Regelung der Sprachenfrage für die Organe<br />

der Gemeinschaft ... vom Rat einstimmig getroffen“.<br />

In Ausführung dieser Bestimmung hat der Rat


der EWG am 15. 4. 1958 die Verordnung Nr. 1 zur<br />

Regelung der Sprachenfrage für die Europäische<br />

Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 17/1958) erlassen.<br />

DarinwurdendievierAmtssprachendersechsGründungsmitglieder<br />

der Gemeinschaft – Deutsch, Französisch,<br />

Italienisch und Niederländisch – zu Amtsund<br />

Arbeitssprachen der Gemeinschaft bestimmt. In<br />

den Beitrittsverträgen wurde diese Regelung jeweils<br />

durch Hinzufügung der Amtssprachen der beitretenden<br />

Staaten ergänzt. In der Fassung des Anhangs II,<br />

Ziff. 22 der Akte über die Bedingungen des Beitritts<br />

der 10 Staaten am 1. 5. 2004 bestimmt die Verordnung<br />

Nr. 1 heute u. a. Folgendes:<br />

„Art. 1: Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen<br />

derOrganederGemeinschaftsindDänisch,Deutsch,<br />

Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch,<br />

Italienisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch,<br />

Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Schwedisch,<br />

Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch<br />

und Ungarisch.<br />

Art. 2: Schriftstücke, die ein Mitgliedstaat oder eine<br />

der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende<br />

Person an Organe der Gemeinschaft richtet,<br />

können nach Wahl des Absenders in einer der Amtssprachen<br />

abgefasst werden. Die Antwort ist in derselben<br />

Sprache zu erteilen.<br />

Art.3:Schriftstücke,dieeinOrganderGemeinschaft<br />

an einen Mitgliedstaat oder an eine der Hoheitsgewalt<br />

eines Mitgliedstaates unterstehende Person<br />

richtet, sind in der Sprache dieses Staates abzufassen.<br />

Art. 4: Verordnungen und andere Schriftstücke von<br />

allgemeiner Geltung werden in den zwanzig Amtssprachen<br />

abgefasst.<br />

Art. 5: Das Amtsblatt der Gemeinschaft erscheint in<br />

den zwanzig Amtssprachen.“<br />

Im Ergebnis sind damit alle in der Verordnung Nr. 1<br />

genannten Sprachen gleichberechtigte Amts- und<br />

Arbeitssprachen der EU. Für die �GASP gilt allerdings<br />

bis auf weiteres die Erklärung Nr. 29 zum<br />

Vertrag von Maastricht über die Europäische Union<br />

(die bisher auf Englisch/Französisch beschränkte<br />

Praxis im �COREU-Verkehr dient „einstweilen als<br />

Anhaltspunkt“).<br />

Im Vertrag von Amsterdam (Art. 21 Abs. 3 EGV)<br />

wird die Unionsbürgerschaft dahingehend erweitert,<br />

dass jeder Unionsbürger sich schriftlich in einer der<br />

21 „authentischen“ Vertragssprachen (20 Gemeinschaftssprachen<br />

und Irisch/Gälisch) an jedes Organ<br />

Amts- und Arbeitssprachen<br />

und jede Einrichtung der EU wenden kann und eine<br />

Antwort in derselben Sprache erhält. Irisch/Gälisch<br />

ist durch Entscheidung des Außenministerrats vom<br />

14. 6. 2005 zur Amtssprache erklärt worden; die Zahl<br />

derAmtssprachenerhöhtsichdamitab2007auf21.<br />

Mitgliedstaaten, in deren Territorien Sprachen von<br />

Minderheiten offiziell anerkannt sind, können auf eigene<br />

Kosten Fassungen von Rechtsakten in diesen<br />

Sprachen herstellen lassen, die jedoch nicht rechtsverbindlich<br />

sind.<br />

2.1 Europäisches Parlament: Gemäß Art. 138 der<br />

Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments<br />

(EP) sind alle Schriftstücke des Parlaments in den<br />

Amtssprachen abzufassen. Redebeiträge in einer der<br />

Amtssprachen werden simultan in alle anderen<br />

Amtssprachen übersetzt.<br />

2.2 Europäischer Gerichtshof und Gericht erster<br />

Instanz: Nach Art. 29 – 31 der Verfahrensordnung<br />

des EuGH (inhaltlich im Wesentlichen gleich: Art.<br />

35 – 37 der Verfahrensordnung des EuG) können alle<br />

Amtssprachen der EU und außerdem Irisch (= Gälisch)<br />

Verfahrenssprachen sein. Grundsätzlich wählt<br />

der Kläger die Verfahrenssprache; bei Vorabentscheidungsersuchen<br />

ist Verfahrenssprache die Sprache<br />

des vorlegenden Gerichts. Sie ist insbesondere<br />

bei den mündlichen Ausführungen in den Schriftsätzen<br />

der Parteien, einschl. aller Anlagen, sowie in den<br />

Entscheidungen und Protokollen des Gerichtshofs<br />

anzuwenden. Urteile sind in alle Amtssprachen zu<br />

übersetzen.<br />

3. Bedeutung und Praxis der Mehrsprachigkeit: Die<br />

MehrsprachigkeitisteinbesonderesCharaktermerkmal<br />

der Europäischen Union. Die EU ist – anders als<br />

z. B. UNO, NATO oder vergleichbare Organisationen<br />

– keine klassische internationale Organisation,<br />

sondern ein Staatenverbund, der für jeden Mitgliedstaat<br />

und für jeden Unionsbürger unmittelbar bindendes<br />

Recht setzen kann. Zu den Grundlagen und<br />

Aufgaben der Union gehört nach Art. 1 EUV auch,<br />

dass Entscheidungen möglichst bürgernah getroffen<br />

werden; Art. 6 EUV schreibt vor, dass die Union die<br />

nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten achtet.<br />

Für jeden Unionsbürger ist Voraussetzung der AusübungseinerdemokratischenGrundrechte,dasserin<br />

seiner Muttersprache an der öffentlichen Diskussion<br />

im Vorfeld von Entscheidungen der EU-Organe<br />

gleichberechtigt mitwirken und die Entscheidungen<br />

der Organe in seiner Muttersprache verstehen kann.<br />

Die Entscheidungsverfahren der Hoheitsgewalt aus-<br />

31


Amts- und Arbeitssprachen<br />

übenden Organe und die jeweils verfolgten politischen<br />

Zielvorstellungen müssen allgemein sichtbar<br />

und verstehbar sein (BVerfGE 89, 155). Nur dieses<br />

grundlegende Recht gestattet es, eine immer engere<br />

UnionderVölkerEuropaszuschaffenundgleichzeitigihresprachlichenundkulturellenUnterschiedezu<br />

respektieren.<br />

Innerhalb der Union wird Deutsch von ca. 90 Mio.<br />

Bürgern als Muttersprache gesprochen; Englisch,<br />

Französisch und Italienisch von jeweils ca. 60 Mio.<br />

Bürgern; Spanisch wird von weniger als 40 Mio., die<br />

restlichen Amtssprachen werden von noch weniger<br />

Bürgern als Muttersprache gesprochen.<br />

4. Arbeitssprachen: Für die Arbeitspraxis innerhalb<br />

der Organe der Union, die aus Kosten- und Effizienzgründen<br />

ohne Dolmetschung/Übersetzung auskommen<br />

muss, können nur die Sprachen Verwendung<br />

finden, die von allen Mitarbeitern gesprochen und<br />

verstanden werden. Bis zum britischen Beitritt im<br />

Jahre 1972 dominierte als organinterne Arbeitssprache<br />

das Französische. Seither hat sich Englisch zur<br />

wichtigsten Arbeitssprache entwickelt. Deutsch<br />

wird in der internen Praxis der Organe der Gemeinschaft<br />

weit weniger verwendet. Bundesregierung<br />

und Bundesländer haben deshalb ihre Bemühungen<br />

um Deutschunterricht für die Bediensteten der europäischen<br />

Organisationen sowie für hohe Beamte in<br />

den Mitgliedstaaten erheblich verstärkt.<br />

5. Übersicht über die Praxis der Verwendung der<br />

Unionssprachen<br />

5.1 Europäischer Rat: In den Sitzungen des ER wird<br />

in alle und aus allen Unionssprachen gedolmetscht.<br />

DokumentewerdendemERinallenUnionssprachen<br />

vorgelegt.<br />

5.2 Rat der Europäischen Union: In den Sitzungen<br />

des Rates wird in alle und aus allen Unionssprachen<br />

gedolmetscht. Nach Art. 10 der Geschäftsordnung<br />

des Rates berät und beschließt der Rat grundsätzlich<br />

nur auf der Grundlage von Schriftstücken und Entwürfen,dieinallenUnionssprachenvorliegen.Diese<br />

Dokumente müssen grundsätzlich wenigstens 14<br />

Tage vor der Sitzung in allen Amtssprachen vorliegen.<br />

Da diese Dokumente im Original zumeist in<br />

Englisch und/oder Französisch verfasst werden, liegen<br />

diese Sprachfassungen regelmäßig früher vor als<br />

die übersetzten Sprachfassungen.<br />

In ausgewählten Ratsarbeitsgruppen (Beamtenebene)<br />

gilt seit Mai 2004 im Zuge des Anwachsens der<br />

Zahl der Amtssprachen auf 20 das sog. Marktmodell.<br />

32<br />

Es erlaubt den Mitgliedstaaten, sich für die Dolmetschung<br />

ihrer eigenen Amtssprache zu entscheiden<br />

oder im Einzelfall darauf zu verzichten. Deutschland<br />

hat sich in allen betreffenden Arbeitsgruppen für die<br />

Volldolmetschung des Deutschen entschieden. Obwohl<br />

sich die Mitgliedstaaten an den Kosten dieser<br />

Regelung beteiligen, führt dies im Vergleich zur Alternative<br />

einer gemeinschaftlich finanzierten Volldolmetschung<br />

aller 20 bzw. 21 Amtssprachen zu erheblichen<br />

Einsparungen.<br />

5.3 Ausschuss Ständiger Vertreter: Im AStV, der die<br />

Entscheidungen des Rates vorbereitet, wird in die<br />

drei Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch<br />

sowie aus diesen drei Sprachen gedolmetscht. Die<br />

SituationbeidenDokumentenistähnlichwieimRat.<br />

5.4 Europäische Kommission: In den Sitzungen der<br />

Kommission (2005: 25 Kommissare) wird in die und<br />

ausdendreiSprachenDeutsch,EnglischundFranzösisch<br />

gedolmetscht. Dokumente für den internen Gebrauch<br />

der Kommission werden ebenfalls in diesen<br />

drei Sprachen vorgelegt. Auf Arbeitsebene dominieren<br />

dagegen Französisch und Englisch. Nach Beschlussfassung<br />

der Kommission – über den in den<br />

drei Sprachen vorliegenden Text – erfolgt die Übersetzung<br />

in alle Amtssprachen der Union.<br />

5.5 Europäisches Parlament: Im EP wird im Plenum<br />

und in den Ausschüssen in alle und aus allen Unionssprachen<br />

gedolmetscht. Ausnahmen sind nach dem<br />

Beitritt von 10 Staaten am 1. 5. 2004 bis 31. 12. 2006<br />

erlaubt (Art. 139 GO/EP). Dokumente werden in allen<br />

Sprachen der Union vorgelegt. Der offizielle<br />

VerkehrdesEPmitdenMitgliedstaatenerfolgtinder<br />

jeweiligen Amtssprache des Mitgliedstaates.<br />

5.6 Europäischer Gerichtshof und Gericht erster<br />

Instanz: Die Urteile von EuGH und EuG werden in<br />

alle Amtssprachen übersetzt. Interne Arbeitssprache<br />

beider Gerichte sind neben dem vorherrschenden<br />

FranzösischzunehmendauchEnglischundteilweise<br />

Deutsch. Die Richter beraten untereinander überwiegend<br />

in Französisch; Sitzungsberichte und Urteilsentwürfe<br />

werden in der jeweiligen Verfahrenssprache<br />

und in Französisch erstellt.<br />

5.7 Ausschreibungen: Ausschreibungen der Kommission<br />

erscheinen im Amtsblatt der EG gleichzeitig<br />

in allen Amtssprachen.<br />

6. Kosten der Mehrsprachigkeit: Der für die Mehrsprachigkeit<br />

innerhalb der Union erforderliche personelle<br />

und finanzielle Aufwand ist erheblich (ca. 70<br />

Euro pro übersetzte Seite und Zielsprache). Allein


derÜbersetzungsdienstderKommissionistmiteiner<br />

Personalstärke von ca. 1 300 Übersetzern und Terminologen<br />

und nahezu 600 Verwaltungsbeamten und<br />

weiteren Bediensteten und einer jährlichen Übersetzungsleistung<br />

von mittlerweile ca. 2 Mio. Seiten der<br />

größte der Welt. Der Übersetzungs- und Dolmetscherdienst<br />

der Kommission ist für alle Organe und<br />

Institutionen der EU zuständig mit Ausnahme von<br />

Parlament und Gerichtshof, die je einen eigenen<br />

Dienst haben.<br />

Das Anwachsen der Amtssprachen von 11 auf 20<br />

zum 1. 5. 2004 (bzw. 21 ab 2007) belastet die Sprachendienste<br />

der EU vorübergehend bis über die Kapazitätsgrenze<br />

hinaus. Für Einzelne der neuen Amtssprachen<br />

finden sich gegenwärtig noch nicht genügend<br />

Übersetzer und Dolmetscher. Innerhalb des<br />

Übersetzungsdienstes stellt die Zahl der Übersetzer<br />

für Deutsch die größte Gruppe. Rund 15 % aller Bediensteten<br />

der Europäischen Kommission gehören<br />

zum Sprachendienst, sind also entweder Übersetzer,<br />

Dolmetscher oder Verwaltungs- bzw. Hilfskräfte.<br />

Diese Aufwendungen sind jedoch unumgänglich,<br />

wenn man den Erfordernissen einer Union, die als<br />

Rechtsgemeinschaft auch die kulturelle Eigenständigkeit<br />

der Mitgliedstaaten achtet, gerecht werden<br />

will. W.D./U. P.<br />

Literatur:<br />

Ammon, U.: Die internationale Stellung der deutschen<br />

Sprache. Berlin/New York 1991<br />

Stark, F.: Faszination Deutsch. Wiederentdeckung einer<br />

Sprache für Europa. München 1993<br />

Kraus, P.A.: Europäische Öffentlichkeit und Sprachpolitik.<br />

Frankfurt a. M., New York 2004<br />

Amtszeit. Im EGV wird die Amtszeit für Mitglieder<br />

der Kommission (5 Jahre, Art. 214 Abs. 1), für Richter<br />

und Generalanwälte des EuGH (sechs Jahre, Art.<br />

223), für den Präsidenten des EuGH (3 Jahre, Art.<br />

223), für Richter des EuG (6 Jahre, Art. 224), für den<br />

Präsidenten des EuG (3 Jahre, Art. 224), für Mitglieder<br />

des Rechnungshofes (sechs Jahre, Art. 247 Abs.<br />

3) und für seinen Präsidenten (3 Jahre, Art. 247 Abs.<br />

3) bestimmt.<br />

Artikel 190 Abs. 3 bestimmt die Dauer einer Legislaturperiode<br />

des EP auf fünf Jahre, für die gleiche Zeitdauer<br />

wird der Bürgerbeauftragte ernannt (Art. 195<br />

Abs.2).DieAmtszeitdesPräsidentendesEP,derVizepräsidenten<br />

und der Quästoren wird durch die GeschäftsordnungdesEP(Kap.2Art.16)aufeinehalbe<br />

Legislaturperiode (2 ½ Jahre) festgelegt.<br />

Die Amtszeit für Mitglieder der EZB und des ESZB<br />

Anhörungsverfahren<br />

wird durch das Protokoll Nr. 9 über die Satzung des<br />

ESZBundderEZB(AnhangzumVertragvonNizza)<br />

bestimmt. Nach Art. 11.2 der Satzung dauert die<br />

Amtszeit des Direktoriums der EZB acht Jahre.<br />

ANEC (European Association for the Coordination<br />

of Consumer Representation in Standardization, Europäische<br />

Vertretung der Verbraucher in der Normung),<br />

von der Europäischen Kommission und der<br />

�EFTA finanzierte gemeinnützige Organisation unter<br />

belgischem Recht, 1995 gegründet. ANEC vertritt<br />

die Interessen der Verbraucherorganisationen<br />

derEU-undEFTA-LänderimBereichderNormung.<br />

Sitz in Brüssel. �CEN<br />

Internet: www.anec.org<br />

Anfragen. Bürgeranfragen können in jeder �Amtssprache<br />

der EU an das Europäische Parlament gerichtet<br />

werden (schriftlich an: Europäisches Parlament,Abt.Bürgeranfragen,L–2929Luxemburg;mit<br />

E-Mail über den elektronischen „Briefkasten“ des<br />

Parlaments, erreichbar über die Website www.europarl.eu.int).<br />

Die Anfragen müssen die Tätigkeitsbereiche<br />

der EU betreffen. Während es sich bei Bürgeranfragen<br />

hauptsächlich um Informationsanfragen<br />

(BitteumAuskünfte)handelt,werdenBeschwerden,<br />

Anliegen von allgemeinem Interesse oder Aufforderungen<br />

an das Parlament, zu einem Thema von öffentlichem<br />

Interesse Stellung zu nehmen, in Form<br />

der �Petition an das Parlament übermittelt.<br />

Parlamentarische Anfragen: Jedes Mitglied des Europäischen<br />

Parlaments kann zu seiner Information<br />

und zur Kontrolle der Tätigkeiten der Europäischen<br />

Kommission, des Rates (auch im Rahmen von<br />

�GASP, �ESVP, �PJZS) und der �Europäischen<br />

Zentralbank Anfragen an Mitglieder dieser Organe<br />

richten, entweder mündlich (in Fragestunden) oder<br />

schriftlich (mit den Antworten veröffentlicht im<br />

Amtsblatt der EU). Die Befragten sind zur Auskunft<br />

verpflichtet. Anfragen zur mündlichen Beantwortung<br />

mit anschließender Aussprache („große Fragestunde“)<br />

können nach Art. 108 der Geschäftsordnung<br />

des Europäischen Parlaments von einem Ausschuss,<br />

einer Fraktion oder mindestens 37 Mitgliedern<br />

eingereicht werden.<br />

Anhörungsverfahren (Konsultation). Eine Form<br />

der Mitwirkung von �Europäischem Parlament,<br />

�Europäischer Zentralbank, �Wirtschafts- und So-<br />

33


Anordnung<br />

zialausschuss, �Ausschuss der Regionen an<br />

�Rechtsetzungsakten der EU. Vorschläge („Gesetzentwürfe“)<br />

der Europäischen Kommission (i. d. R.<br />

werden der zuständige Ausschuss des EP und der<br />

�Ausschuss der Ständigen Vertreter vorher unterrichtet)<br />

gehen – wenn der EG-Vertrag das Anhörungsverfahren<br />

vorsieht – gleichzeitig an den Rat<br />

und an das EP, in besonderen Fällen (Bildung, Gesundheitsschutz,<br />

Aktionen zur Stärkung des wirtschaftlichen<br />

und sozialen Zusammenhalts) auch an<br />

den Wirtschafts- und Sozialausschuss und an den<br />

Ausschuss der Regionen zur Anhörung. Die Organe<br />

bzw. Institutionen geben eine Stellungnahme ab.<br />

NachderAnhörungkanndieKommissionihrenVorschlag<br />

ändern, anschließend entscheidet der Rat, für<br />

den die Stellungnahmen aus der Anhörung nicht bindend<br />

sind. Anhörungsrecht hat das EP u. a. vor Entscheidungen<br />

des Rates über<br />

– das aktive und passive Wahlrecht von Unionsbürgern<br />

am Ort ihres Wohnsitzes (Art. 19 EGV),<br />

– Rechtsakte in Bezug auf die Gemeinsame Agrarpolitik<br />

(Art. 37 Abs. 2 EGV),<br />

– Bestimmungen hinsichtlich Visa, Asyl, Einwanderung<br />

und anderen Maßnahmen des freien Personenverkehrs(Art.67Abs.1,Abs.2,Abs.3EGV),<br />

– Rechtsakte zu Wettbewerbsregeln (Art. 83 Abs. 1<br />

EGV, Art. 89 EGV, Art. 93 EGV),<br />

– spezifische Programme zur Durchführung von<br />

Rahmenprogrammen im Bereich der Forschung und<br />

technologischen Entwicklung (Art. 166 Abs. 4<br />

EGV),<br />

– bestimmteMaßnahmenimBereichderUmweltpolitik<br />

(Art. 175 Abs. 2 EGV),<br />

– bei Kompetenzerweiterung der Gemeinschaft<br />

(Art. 308 EGV),<br />

– bestimmte Abkommen mit Drittstaaten (Art. 300<br />

Abs. 3 EGV),<br />

– sowie bei Ernennung des Direktoriums der EZB<br />

(Art. 11.2 der Satzung des ESZB und der EZB).<br />

Das Anhörungsrecht des Europäischen Parlaments<br />

bezieht sich auch auf die �Gemeinsame Außen- und<br />

Sicherheitspolitik (Art. 21 EUV) sowie auf die polizeiliche<br />

und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen<br />

(Art. 40 Abs. 1 EUV).<br />

Anordnung, einstweilige �EuGH �Vorläufiger<br />

Rechtsschutz<br />

Anti-Dumping-Verfahren �Außenhandelspolitik<br />

34<br />

A-Punkt-Verfahren �Ausschuss der Ständigen<br />

Vertreter<br />

Arbeitsgruppen werden von EU-Organen zeitlich<br />

befristet eingesetzt, um Detailfragen bestimmter<br />

Themen- oder Aufgabengebiete innerhalb verabschiedeter<br />

gemeinsamer Arbeitsprogramme oder in<br />

Bezug auf Rechtsakte im Entwurfstadium fachlich<br />

zu klären. Unbefristet werden Arbeitsgruppen in<br />

EU-Organen oder EU-Institutionen gebildet, um<br />

Teilaufgaben innerhalb komplexer Aufgabenbereiche<br />

zu übernehmen.<br />

Arbeitslosigkeit �Beschäftigungspolitik<br />

Arbeitsrecht, Europäisches<br />

1. Begriff und Entwicklung: Europäisches Arbeitsrecht<br />

bezeichnet alle Rechtsvorschriften, die sich auf<br />

dasArbeitsverhältnisunddieLagederArbeitnehmer<br />

beziehen. Es kann unterteilt werden in individuelles<br />

Arbeitsrecht, das das einzelne Arbeitsverhältnis regelt,<br />

und kollektives Arbeitsrecht, das die Beziehungen<br />

der Sozialpartner sowie betriebliche und unternehmensbezogene<br />

Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer<br />

regelt.<br />

Ursprünglich enthielt der EWG-Vertrag keine ausdrücklichen<br />

Bestimmungen zum Arbeitsrecht, sieht<br />

man von den Art. 39 ff. EGV über die �Freizügigkeit<br />

der Arbeitnehmer, der auch ein �Diskriminierungsverbot<br />

aus Gründen der Staatsangehörigkeit einschließt,<br />

und vom Grundsatz des gleichen Entgelts<br />

für Männer und Frauen in Art. 141 EGV ab. Dieser<br />

Grundsatz wurde 1976 durch eine weitere Richtlinie<br />

auf alle Aspekte des Zugangs zur Beschäftigung, zur<br />

Ausbildung, zum beruflichen Aufstieg und auf die<br />

Arbeitsbedingungen sowie 1986 auf die betriebliche<br />

Altersversorgung ausgedehnt.<br />

Die Rechtsprechung des Europäischen �Gerichtshofs<br />

(EuGH) gibt auch Männern einen Gleichbehandlungsanspruch<br />

nach Art. 141, z. B. wenn es um<br />

das Lebensalter geht, ab dem ein Anspruch auf betriebliche<br />

Altersversorgung besteht.<br />

Des Weiteren hat der EuGH in einer Entscheidung<br />

aus dem Jahre 1998 klargestellt, dass auch eine Bevorzugung<br />

von Frauen bei gleicher Qualifikation<br />

durch sog. Frauenförderprogramme mit dem Grundsatz<br />

der Gleichbehandlung vereinbar ist, wenn diese<br />

Programme eine Härtefallklausel zu Gunsten der<br />

Männer vorsehen.


Zahlreiche Richtlinien setzen seit den 1970er Jahren<br />

den Grundsatz in den verschiedenen Bereichen in die<br />

Praxis um. Auch die Rechtsprechung des EuGH, vor<br />

allem zu Fragen der „mittelbaren“ Diskriminierung,<br />

hat den Anwendungsbereich ebenfalls erweitert.<br />

Diskriminierungsschutz strebt die EU allerdings<br />

auch für andere Gruppen von Arbeitnehmern an.<br />

Zwei Richtlinien aus dem Jahre 2000 setzen den<br />

Gleichbehandlungsgrundsatz ohne Unterschied der<br />

Rasse oder der ethnischen Herkunft und der Religion,<br />

der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters<br />

oder der sexuellen Ausrichtung um, indem sie<br />

unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen untersagt,<br />

unter denen auch „unerwünschte Verhaltensweisen“<br />

zu sehen sind, die zu Einschüchterungen,<br />

Entwürdigungen, Anfeindungen und Erniedrigungen<br />

führen. Die Bundesrepublik hat diese Richtlinie<br />

bislang nicht umgesetzt. Der Gesetzentwurf,<br />

der u. a. über die Richtlinie hinausgehende Sanktionen<br />

für Verletzungen festlegen wollte, wird von den<br />

politischen Lagern heftig umkämpft.<br />

Die praktische Bedeutung der europäischen arbeitsrechtlichen<br />

Vorschriften hat durch die Rechtsprechung<br />

des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von<br />

Richtlinien (�Rechtsakte der EU) sowie zur Staatshaftung<br />

wegen nicht fristgemäßer Umsetzung von<br />

Richtlinien erheblich zugenommen. Diese Rechtsprechung<br />

setzte ein durch ein Urteil, in dem Italien<br />

verurteilt wurde, an Arbeitnehmer Schadenersatz zu<br />

zahlen, weil es kein System zur Sicherung der Lohnansprüche<br />

bei Konkurs oder Zahlungsunfähigkeit<br />

des Arbeitgebers geschaffen hatte (EuGH, Urt. v. 19.<br />

11. 1991 – Rs. C-6, 9/90 – Frankovich). Im Jahre<br />

1986 wurde durch die �Einheitliche Europäische<br />

Akte Art. 140 eingefügt, der verlangt, dass sich die<br />

Mitgliedstaaten bemühen, „die Verbesserung insbes.<br />

der Arbeitsumwelt zu fördern“. Doch auch ohne<br />

diese ausdrückliche Ermächtigung war die EG bereitsaktivgeworden:ImRahmenderFreizügigkeitsregeln<br />

wurde auch die Schutzwürdigkeit gewerkschaftlicher<br />

Betätigung festgeschrieben und damit<br />

die Koalitionsfreiheit im EWG-Recht verankert.<br />

Die erste rein arbeitsrechtliche Richtlinie von1975<br />

(75/129, Abl. L 48/1975) regelt Mindestrechte der<br />

Arbeitnehmer bei Massenentlassungen. Nach dieser<br />

Vorschrift sind Massenentlassungen betriebsbedingte<br />

Entlassungen einer bestimmten Mindestanzahl<br />

von Arbeitnehmern, die nach Wahl der Mitgliedstaaten<br />

entweder nach der Größe des Betriebs<br />

Arbeitsrecht<br />

gestaffelt ist (10 Arbeitnehmer in Betrieben mit 20<br />

bis 100 Mitarbeitern, 10 % der Arbeitnehmer in Betrieben<br />

zwischen 100 und 300 Mitarbeitern, 30 Arbeitnehmer<br />

in Betrieben mit mehr als 300 Mitarbeitern)<br />

oder grundsätzlich bei Entlassung von 20 Arbeitnehmern<br />

innerhalb von 90 Tagen angenommen<br />

wird. Wirksam kann die Massenentlassung frühestens30TagenachAnzeigebeiderBehördewerden.<br />

Eine andere Richtlinie von 2001 (2001/23, Abl. L<br />

82/2001),dieeineältereRegelungvon1977abgelöst<br />

hat, regelt den Grundsatz, dass der Übergang eines<br />

Betriebes oder Unternehmens auf einen neuen Inhaber<br />

nichts an Inhalt und Bestand der Arbeitsverhältnisse<br />

ändert. Die in der bisher angewendeten Kollektivvereinbarung<br />

(Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung)<br />

enthaltenen Bestimmungen gelten mindestens<br />

ein Jahr weiter. Der Betriebsübergang darf auch<br />

nicht zum Anlass einer Kündigung durch den Arbeitgeber<br />

gemacht werden. Auch Rechtsstellung und<br />

Funktion der Arbeitnehmervertretung dürfen durch<br />

den Übergang nicht beeinträchtigt werden. Dies gilt<br />

ausdrücklich auch für den Schutz von etwa bestehenden<br />

betrieblichen Mitarbeitervertretungen. Diese<br />

Rechte der Arbeitnehmer sind nach der Rechtsprechung<br />

des EuGH unverzichtbar. Stark kritisiert wird<br />

die Rechtsprechung des EuGH, der bereits in der<br />

Übertragung einzelner Tätigkeitsbereiche, die bisher<br />

von eigenen Arbeitnehmern ausgeführt wurden,<br />

auf eine Fremdfirma (z. B. Gebäudereinigung) einen<br />

Betriebsübergang im Sinne der Richtlinie sieht mit<br />

der Folge, dass die bisherigen Arbeitnehmer übernommen<br />

werden müssen. Die neue Richtlinie sorgt<br />

deshalb auch für einige Klarstellungen zur Definition<br />

des Betriebsübergangs.<br />

Den Schutz der Arbeitnehmer bei ZahlungsunfähigkeitoderKonkursdesArbeitgebersregelteineweitere<br />

Richtlinie von 1980 (80/987, Abl. L 283/1980, geändert<br />

durch 2002/74, Abl. L 270/2002). Hier werden<br />

die Mitgliedstaaten verpflichtet, Ansprüche der<br />

Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt für die letzten 30<br />

Tage, einschl. der Anwartschaften auf betriebliche<br />

oderüberbetrieblicheAltersversorgung,zusichern.<br />

Auf Grund der �„Gemeinschaftscharta der sozialen<br />

Grundrechte der Arbeitnehmer“ (1989) formulierte<br />

die Kommission ein Aktionsprogramm für ihre Gesetzgebungsvorhaben<br />

im Bereich des Arbeitsrechts.<br />

Doch erst während des Maastrichter Gipfels im Dezember<br />

1991 schlossen elf EU-Mitglieder (außer<br />

Großbritannien) ein „Abkommen über die Sozialpo-<br />

35


Arbeitsrecht<br />

litik“, das im Rahmen eines Protokolls dem EU-Vertrag<br />

beigefügt wurde. Darin verpflichteten sich die<br />

elf EU-Länder, von ihnen beschlossene Richtlinien<br />

anzuerkennen und umzusetzen, auch wenn sich<br />

Großbritannien nicht beteiligen sollte. So wurde der<br />

Weg frei gemacht für eine umfangreiche Gesetzgebung<br />

im arbeits- und sozialrechtlichen Bereich.<br />

Nach dem Beitritt Großbritanniens anlässlich des<br />

Amsterdamer Gipfels im Juni 1997 gilt diese Sozialgesetzgebung<br />

nun gemeinschaftsweit.<br />

Besondere Bedeutung bei der Rechtsetzung haben<br />

auch die im Rahmen des dort ebenfalls festgeschriebenen<br />

�„Sozialen Dialogs“ beschlossenen Vereinbarungen<br />

der Sozialpartner gem. Art. 139 EGV. Bevor<br />

die Kommission eine Richtlinie vorschlägt, hat<br />

sie die Sozialpartner anzuhören, die nicht nur eine<br />

Stellungnahme abgeben können, sondern auch innerhalb<br />

von 9 Monaten auf dem beabsichtigten<br />

Rechtsgebiet eine Vereinbarung schließen können,<br />

die dann Grundlage für die Rechtsetzung wird. Ein<br />

Beispiel hierfür ist die Vereinbarung über Teilzeitarbeitsverhältnisse.<br />

Gelingt es nicht, so erhält wiederum<br />

die EU das Recht, eine Regelung zu erlassen, wie<br />

dies bei der Richtlinie über die Europäischen �Betriebsräte<br />

(97/74, Abl. L 10/1998) der Fall war.<br />

2. Gegenwärtiger Stand: Es lassen sich folgende Regelungsschwerpunkte<br />

im europäischen Arbeitsrecht<br />

herausschälen:<br />

2.1 Arbeitsschutz: Auf dem Gebiet des „technischen<br />

Arbeitsschutzes“ (�Arbeitsschutz) ist die �Harmonisierung<br />

des Arbeitsrechts am weitesten fortgeschritten.<br />

Dabei enthalten oft �Normen über die Herstellung<br />

bestimmter Produkte und Maschinen (z. B.<br />

die RL 89/336 über elektromagnetische Verträglichkeit,<br />

Abl. L 139/989, oder die Maschinen-Richtlinie<br />

98/37, Abl. L 207/1998) auch Schutzvorschriften für<br />

die Arbeitnehmer.<br />

2.2 Individualarbeitsrecht: Zahlreiche Richtlinien<br />

und Vorschläge betreffen die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses<br />

direkt. So stellt die Richtlinie<br />

91/533 (Abl. L 288/1991) die Verpflichtung für den<br />

Arbeitgeber auf, den Arbeitnehmer durch schriftliche<br />

Urkunde über den Inhalt des Arbeitsvertrags zu<br />

informieren. Die Arbeitszeitgestaltung ist Inhalt einer<br />

weiteren Richtlinie (2000/34, Abl. L 195/2000),<br />

die die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 48<br />

Stunden festlegt und als tägliche Höchstgrenze 13<br />

Stunden bestimmt. Ferner schreibt sie mindestens 4<br />

Wochen Jahresurlaub vor.<br />

36<br />

Ein Urteil des EuGH vom 3. 10. 2000 (Rs. C-303/98<br />

„Simap“), der die Bereitschaftszeit von Ärzten als<br />

Arbeitszeit ansieht, die in die Berechnung der wöchentlichen<br />

Arbeits- und Ruhezeiten einzubeziehen<br />

und natürlich auch zu vergüten ist, sorgte dafür, dass<br />

die EU-Kommission einen Änderungsentwurf vorlegte,<br />

der in den Gremien heftig umstritten ist; darin<br />

ist ausdrücklich die Bereitschaftszeit geregelt, und<br />

hier soll nur die tatsächlich mit Tätigkeiten verbrachte<br />

Zeit als „Arbeitszeit“ angerechnet werden.<br />

Eine Vereinbarung der Sozialpartner zu Teilzeitarbeitsverhältnissen<br />

will diese in ihren Rechten den<br />

normalen Vollzeitarbeitsverhältnissen angleichen.<br />

Breiten Raum nehmen die Bestimmungen zum Jugendarbeitsschutz<br />

ein. Kinderarbeit soll grundsätzlich<br />

(mit Ausnahmemöglichkeiten z. B. im kulturellen<br />

Bereich) verboten sein, die Arbeit Jugendlicher<br />

einheitlich streng geregelt werden (Zeiten, Pausen,<br />

Urlaub, Arbeitsbedingungen, Art der zu leistenden<br />

Arbeit). Ebenfalls europäisch harmonisiert wurde<br />

der Mutterschutz. Hierdurch soll eine wirtschaftliche<br />

Absicherung der Arbeitsplätze von Schwangeren<br />

und Müttern verwirklicht werden.<br />

Dagegen gibt es bezüglich des Schutzes Behinderter<br />

zwar Erklärungen des Rates sowie Empfehlungen,<br />

aberbisherkeineverabschiedeteRichtlinie.EinVorschlag<br />

beschäftigt sich lediglich mit der Mobilität<br />

und sicheren Beförderung von Behinderten auf dem<br />

Weg zum Arbeitsplatz.<br />

Die „Entsenderichtlinie“ des Rates von 1996 (96/71,<br />

Abl. L 18/1997) stellt den Grundsatz auf, dass Arbeitnehmer,<br />

die für mehr als einen Monat in ein anderes<br />

Land entsandt werden, den dortigen Arbeitsbedingungen<br />

unterliegen sollen, es sei denn, dass im<br />

Aufenthaltsstaat des Arbeitnehmers günstigere Bedingungen<br />

herrschen.<br />

Diese Richtlinien und Vorschläge sollen nicht nationale<br />

– günstigere – Regelungen ersetzen, sondern lediglich<br />

Mindestvorschriften darstellen.<br />

2.3 Kollektives Arbeitsrecht: Im Bereich des kollektiven<br />

Arbeitsrechts steckt die europäische Gesetzgebung<br />

noch in den Kinderschuhen. Zwar gesteht die<br />

„Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte“<br />

den Sozialpartnern zu, sich in Gewerkschaften und<br />

Verbänden zu organisieren und garantiert das Streikrecht,<br />

doch außer diesen grundsätzlichen Willensbekundungen<br />

haben kollektivrechtliche Bestimmungen<br />

noch keinen Eingang in das europäische Recht<br />

gefunden.


1985 haben Vertreter der wichtigsten Sozialpartner<br />

in Val Duchesse den „Sozialen Dialog“ begonnen.<br />

Inzwischen konnten im Rahmen der Statuten europäischer<br />

Gesellschaftsformen, wie �Europäische<br />

Aktiengesellschaft (SE) und �Europäische Genossenschaft<br />

die Aufnahme von Arbeitnehmer-Mitbestimmung<br />

erreicht werden (�Mitbestimmungsmodelle).<br />

Auch konnte eine Richtlinie über die Einsetzung<br />

�Europäischer Betriebsräte oder die Vereinbarung<br />

von Unterrichtungs- und Anhörungsverfahren<br />

in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen<br />

verabschiedet werden (94/45, ABl. L 254/1994).<br />

Diese Richtlinie gibt den Sozialpartnern die Möglichkeit,<br />

in Verhandlungen eigene Modelle der Arbeitnehmermitwirkung<br />

zu schaffen. Sie wird deshalb<br />

als erfolgreich angesehen.<br />

DanebensiehtdasSozialprotokollauchdieMöglichkeit<br />

für die Sozialpartner vor, durch eigene Vereinbarungen<br />

Regelungen auf europäischer Ebene zu<br />

treffen oder die Ausgestaltung bestehender europäischer<br />

Richtlinien zu verwirklichen. In diesem Rahmen<br />

ist es ihnen möglich, einen Ratsbeschluss zur<br />

Durchführung der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen<br />

herbeizuführen und somit aktiv am sozialpolitischen<br />

Gesetzgebungsprozess teilzunehmen.<br />

3. Bewertung: Das Arbeitsrecht hat sich durch zahlreiche<br />

Richtlinien die Vereinbarungen der Sozialpartner,<br />

aber auch durch eine reichhaltige Rechtsprechung<br />

des EuGH zu einem der praktisch wichtigsten<br />

RechtsgebietedesEuroparechtsentwickelt. M. K.<br />

Literatur:<br />

Henssler, M./Braun, A.: Arbeitsrecht in Europa. Köln 2003<br />

Runggaldier, U.: Grundzüge des Europäischen Arbeitsrechts<br />

und des Europäischen Sozialrechts. Wien 2004<br />

Schiek, D.: Europäisches Arbeitsrecht. Baden-Baden 2005 2<br />

Arbeitsschutz. Auf dem Gebiet des „technischen<br />

Arbeitsschutzes“ ist die �Harmonisierung des �Arbeitsrechts<br />

am weitesten fortgeschritten. So bestehen<br />

Rahmenrichtlinien, die das Verhalten von Arbeitnehmern<br />

zum Schutz vor bestimmten Gefährdungen<br />

regeln. Als erste erging die „Richtlinie zum<br />

Schutz vor der Gefährdung durch chemische, physikalische<br />

und biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit“von1980(80/1107,Abl.L327/1980),diedurch<br />

Einzelrichtlinien, z. B. zum Schutz gegen die Gefährdung<br />

durch metallisches Blei, Asbest, Lärm<br />

usw., ergänzt wurde. Eine zweite Rahmenrichtlinie<br />

von 1989 befasst sich mit Maßnahmen zur Verbesse-<br />

Arbeitsschutz<br />

rung der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz am<br />

Arbeitsplatz generell (89/391, Abl. L 183/1989). Sie<br />

stellt allgemeine Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />

am Arbeitsplatz auf und bildet die<br />

Grundlage für zahlreiche Einzelrichtlinien, die sich<br />

auf verschiedene Sektoren beziehen, die als besondersrisikoreichangesehenwerden(z.B.inderMineralgewinnung,<br />

in Bergwerken, auf Fischereifahrzeugen,<br />

im Verkehrsgewerbe, beim Tragen schwerer<br />

Lasten, an Bildschirmgeräten). Allgemein wird hier<br />

u.a.gefordert,dassderArbeitgeberselbstdieberufsbedingten<br />

Gefahren am Arbeitsplatz beurteilen und<br />

ihnen durch geeignete Maßnahmen entgegenwirken<br />

muss. Er muss geeignete Schutzausrüstungen bereitstellen<br />

und die Arbeitnehmer entsprechend einweisen.<br />

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Schutzausrüstungen<br />

ordnungsgemäß zu benutzen, Gefahren zu<br />

melden und selbst darauf hinzuwirken, dass die Auflagen<br />

eingehalten werden. Es gibt eine Informationspflicht<br />

über Arbeitsunfälle.<br />

Daneben enthalten oft Normen über die Herstellung<br />

bestimmter Produkte und Maschinen (z. B. die „Maschinenschutz-Richtlinie“<br />

von 1989, 89/655, Abl. L<br />

393/1989) auch Schutzvorschriften für die Arbeitnehmer.<br />

Richtlinien aus den Jahren 2002 und 2003<br />

regeln den Schutz der Arbeitnehmer vor Schäden<br />

durchVibrationen(2002/44,Abl.L177/2002)sowie<br />

Lärm (2003/10, Abl. L 42/2003). Derzeit wird über<br />

eine Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor optischen<br />

Strahlen beraten.<br />

Alle Regeln sind bestrebt, sich nicht in Einzelheiten<br />

zu verlieren, sondern Grundsätze aufzustellen, die<br />

die Verpflichtung der Arbeitgeber vorsehen, Maßnahmen<br />

zum Schutz vor Schäden zu ergreifen, die<br />

Arbeitnehmer zu unterrichten und zu unterweisen<br />

sowie eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur<br />

Überwachung der von ihnen erlassenen nationalen<br />

Durchführungsvorschriften.<br />

Zur Vorbereitung und Durchführung der Maßnahmen<br />

der EU auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes hat<br />

die Kommission einen „Beratenden Ausschuss für<br />

Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz<br />

am Arbeitsplatz“ eingerichtet, der aus 90 Vertretern<br />

von Regierungen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern<br />

besteht. Daneben hat der Rat 1995 eine Europäische<br />

�Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am<br />

Arbeitsplatz (EU-OSHA) ins Leben gerufen, die beobachtende<br />

und untersuchende Aufgaben hat.<br />

M. K.<br />

37


Arbeitsvermittlung<br />

Literatur:<br />

Bücker, A./Feldhoff, K./Kohte, W.: Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt.<br />

Neuwied/Rh. 1994<br />

Runggaldier, U.: Grundzüge des europäischen Arbeitsrechts<br />

und des europäischen Sozialrechts. Wien 2004<br />

Arbeitsvermittlung, europäische. Das Recht auf<br />

�FreizügigkeitderArbeitnehmer,dasinArt.39EGV<br />

in Verbindung mit dem �Diskriminierungsverbot in<br />

Art. 12 EGV festgelegt ist, bietet jedem Unionsbürger<br />

gleiche Voraussetzungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt<br />

in einem anderen Mitgliedstaat wie den<br />

inländischen Arbeitnehmern.<br />

Dies gilt nicht allein für konkrete Bewerbungen bei<br />

Arbeitgebern, sondern auch bei der Inanspruchnahme<br />

von Diensten der Arbeitsverwaltung, von der er<br />

in gleicher Weise wie Inländer bei der Vermittlung<br />

von Arbeitsplätzen im Aufenthaltsstaat berücksichtigt<br />

werden muss. Über das Assoziationsabkommen<br />

mit der Türkei gilt dies auch für die in der EU lebenden<br />

Türken.<br />

Um darüber hinaus die Mobilität der eigenen Staatsangehörigen<br />

zu fördern, wurde im November 1994<br />

das Programm �EURES (European Employment<br />

Services) ins Leben gerufen. Es handelt sich um ein<br />

Netzwerk von 400 Beratern in den jeweiligen Arbeitsverwaltungen,<br />

die die Öffentlichkeit und die<br />

Unternehmen beraten sollen. Arbeit Suchende informierensieüberdieLebens-undArbeitsbedingungen<br />

in anderen EU-Mitgliedstaaten und machen auf freie<br />

Arbeitsplätze aufmerksam. Dieses Netz wurde im<br />

Rahmen des mittelfristigen �Sozialpolitischen Aktionsprogramms<br />

ausgebaut, um einen wirksamen<br />

Mechanismus für einen Informationsaustausch über<br />

Stellenangebote und Arbeitsgesuche sowie damit<br />

verbundene Fragen zu schaffen. Besonderes Augenmerk<br />

wird auf die Zusammenarbeit der ArbeitsverwaltungenindenGrenzregionengelegt.<br />

M. K.<br />

Architektur der EU �Tempelstruktur<br />

ARGE Alp, Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, gegründet<br />

am 12. 10. 1972. In ihr arbeiten der Freistaat<br />

Bayern, die italienische Region Lombardei und die<br />

Autonomen Provinzen Bozen-Südtirol und Trient,<br />

die Schweizer Kantone Graubünden, Tessin und St.<br />

Gallen sowie die österreichischen Bundesländer<br />

Salzburg, Tirol und Vorarlberg zusammen. Die<br />

grenzüberschreitende Zusammenarbeit soll gemeinsame<br />

Probleme und Anliegen effizienter und einver-<br />

38<br />

nehmlich lösen, besonders auf ökologischem, kulturellem,<br />

sozialem und wirtschaftlichem Gebiet. Als<br />

wichtige Gemeinschaftsaufgabe stellt sich die Lösung<br />

der Verkehrsprobleme: der Nord-Süd-Reiseverkehr<br />

sowie der transalpine Waren- und Güterumschlag,<br />

ferner die damit verbundenen ökonomischen<br />

und ökologischen Folgen. Weitere Aufgaben betreffen<br />

Fremdenverkehr, die regionale Wirtschaftsförderung<br />

und die zur Erhaltung der Alpenlandschaft<br />

wichtigeFörderungderBergbauern. W. M.<br />

ARGO heißt ein Förderprogramm der EU zur Verbesserung<br />

der Zusammenarbeit von Verwaltungen<br />

undJustizbehördenderMitgliedstaatenindenBereichen<br />

Außengrenzen, Visa, Asyl und Einwanderung<br />

(Art. 62 und 63 EGV). Rechtsgrundlage ist Art. 66<br />

EGV sowie die Verordnung 2002/463/EG (ABl. L<br />

161/2002). Laufzeit des Programms: 1. 1. 2002 bis<br />

31. 12. 2006. Budget 25 Mio. Euro. ARGO hat das<br />

Programm Odysseus abgelöst.<br />

Ariane (französische Form von Ariadne), Name der<br />

europäischen Trägerrakete (Ariane-1 bis Ariane-5).<br />

�EuropeanSpaceAgency(ESA),�Weltraumpolitik<br />

Arianespace. 1980 gegründetes kommerzielles<br />

Unternehmen zur Produktion, zum Betrieb und zur<br />

VermarktungderAriane-Trägerraketen.Kapital317<br />

Mio. Euro. Anteilseigner sind 44 Körperschaften aus<br />

den 10 Staaten, die am Ariane-Programm beteiligt<br />

sind.<br />

Anschrift: Boulevard de l’Europe, BP 177 91006<br />

Evry-Courcouronnes CEDEX, France<br />

Internet: www.arianespace.com<br />

ARION. Eine Aktion der EG mit Studienbesuchen<br />

von Fachleuten und Entscheidungsträgern im Bildungsbereich.<br />

Die Aktion begann 1978 und erhielt<br />

1987 ihren Namen (nach einer Gestalt aus der griech.<br />

Mythologie, zugleich �Akronym aus der niederländischen<br />

Aktionsbezeichnung Actieprogramma Reizen<br />

met een Instructiefkaracter voor Onderwijsspecialisten).Seite1995TeildesProgramms<br />

�Sokrates.<br />

�Bildungsprogramme Ziff. 2.1.6<br />

ASEAN (Association of Southeast Asian Nations).<br />

Gegründet 8. 8. 1967 in Bangkok. Mitglieder: Brunei,<br />

Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur,<br />

Thailand, Vietnam (1995), Laos (1997), Myanmar


(1997), Kambodscha (1999) mit zusammen 530<br />

Mio. Einwohnern (2004); seit 1984 hat Papua-Neuguinea<br />

Beobachterstatus. Generalsekretariat in Jakarta.<br />

Seit 1976 Gipfelkonferenzen der Staats- und<br />

Regierungschefs (seit 1995 jährlich), jährliches<br />

Treffen der Außenminister, regelmäßige Treffen anderer<br />

Fachminister.<br />

Ziel ist seit 1992 die Schaffung einer Freihandelszone<br />

(Asian Free Trade Area, AFTA). Ursprünglicher<br />

Zeitrahmen: 2008. Auf einem Gipfeltreffen der<br />

Staats-undRegierungschefsinBangkok1995wurde<br />

die vorzeitige Verwirklichung bis 2003 vereinbart.<br />

Für sechs wirtschaftlich fortgeschrittene Staaten<br />

(ASEAN–6:Brunei,Indonesien,Malaysia,Philippinen,<br />

Singapur, Thailand) trat das AFTA-Abkommen<br />

bereits am 1. 1. 2002 in Kraft. Die Freihandelszone<br />

wird nun schrittweise auf Vietnam (2006), Laos und<br />

Myanmar (2008) sowie Kambodscha (2010) ausgedehnt.<br />

Weitere Zusammenarbeit erfolgt in den Bereichen<br />

Wissenschaft, Technologie, Finanzen, Verkehr,<br />

Umwelt, Kultur, Sozialpolitik und Drogenpolitik.<br />

Für den Dialog in sicherheitspolitischen Fragen wurde<br />

1994 das ASEAN Regional Forum (ARF) gegründet,<br />

dem neben den 10 ASEAN-Staaten 12 Dialogpartner<br />

angehören, darunter die EU mit einem Kooperationsvertrag<br />

seit 1980. Sie nimmt an den jährlichen<br />

Außenministertreffen mit ihrer �Troika teil.<br />

Die ASEAN-Staaten bilden seit 1971 eine Zone für<br />

Frieden, Freiheit und Neutralität (Zone of Peace,<br />

Freedom and Neutrality, ZOPFAN), seit 1997 eine<br />

atomwaffenfreie Zone (Southeast Asia Nuclear<br />

Weapon Free Zone, SEANWFZ).<br />

Auf dem 10. Gipfel in Vientiane am 29. 11. 2004 haben<br />

die Staats- und Regierungschefs der ASE-<br />

AN-Staaten sowie von China, Japan und Südkorea<br />

(ASEAN+3) ihren Willen bekräftigt, bis 2020 eine<br />

EastAsiaCommunitymitgemeinsamemMarktnach<br />

dem Vorbild der EG zu entwickeln.<br />

Internet: www.aseansec.org<br />

ASEAN+3. �ASEAN-Staaten sowie China, Japan,<br />

Südkorea. �ASEAN<br />

ASEM (Asia-Europe-Meeting). Ein informelles Forum<br />

für den Dialog und die Zusammenarbeit der<br />

EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission<br />

mit den �ASEAN-Staaten sowie China, Südkorea<br />

und Japan (ASEAN+3) seit 1996. Die Treffen der<br />

Staats- und Regierungschefs finden alle zwei Jahre<br />

abwechselnd in Asien und Europa statt. Daneben finden<br />

jährlich Treffen von Fachministern statt (Außen-,<br />

Wirtschafts-, Finanz-, Innen-, Kulturminister).<br />

1999 trafen sich auch die Wissenschafts- und Technologieminister.<br />

Der erste Gipfel fand im März 1996<br />

in Bangkok statt, der zweite 1998 in London, der dritte<br />

2000 in Seoul, der vierte 2002 in Kopenhagen. An<br />

dem fünften Treffen 2004 in Hanoi nahmen 39 Staaten<br />

teil, darunter die zehn neuen EU-Staaten sowie<br />

drei neue ASEAN-Staaten (Kambodscha, Laos und<br />

Myanmar). Myanmar durfte aufgrund seiner problematischen<br />

Menschenrechtslage nur mit Vertretern<br />

unterhalbderEbenederStaats-undRegierungschefs<br />

teilnehmen. Das sechste Treffen soll 2006 in Finnland<br />

stattfinden.<br />

Die Asien-Europa-Treffen haben drei thematische<br />

Schwerpunkte: den politischen Dialog, den Austausch<br />

über handels-, wirtschafts- und finanzpolitische<br />

Themen sowie den kulturellen, bildungspolitischen<br />

und sozialpolitischen Dialog.<br />

ASIA-Invest II. Programm der EU zur Unterstützung<br />

der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen<br />

der EU und 19 asiatischen Ländern. Die 2. Projektphase<br />

läuft von 2003 bis 2007 und hat ein Budget<br />

von 35 Mio. Euro. Schwerpunkt ist die Förderung<br />

von Kooperationen zwischen europäischen und asiatischen<br />

�KMU. �AL-Invest<br />

Asienpolitik der EU �Ostasienpolitik<br />

Association<br />

Assises. Bezeichnung für die auf Anregung des damaligen<br />

Ratspräsidenten Mitterand einberufene EuropakonferenzvonMitgliederndernationalenParlamente<br />

der EG-Staaten und des Europäischen Parlaments<br />

im November 1990 in Rom zum Meinungsaustausch<br />

über die Vorbereitung des Maastrichter<br />

Vertrags. In der Erklärung Nr. 14 zum Maastrichter<br />

Vertrag (1992) werden das EP und die einzelstaatlichen<br />

Parlamente ersucht, erforderlichenfalls als<br />

Konferenz der Parlamente (oder Assises) zusammenzutreten.<br />

Eine weitere Einberufung ist seit November<br />

1990 jedoch nicht erfolgt.<br />

�Konferenz der Parlamente; �Konferenz der Europaausschüsse<br />

(COSAC)<br />

Association Européenne des Enseignants<br />

(AEDE/European Association of Teachers EAT/Eu-<br />

39


Assoziationsrat<br />

ropäischer Bund für Bildung und Wissenschaft<br />

EBB). 1956 in Paris als ein internationaler Zusammenschluss<br />

von Lehrern und Erziehern aller Schularten<br />

von der Vorschule bis zur Hochschule gegründet,<br />

überparteilich und überkonfessionell; 19 nationale<br />

Sektionen in West- und Ost(mittel)europa.<br />

Die AEDE ist Mitglied des „Permanent Liaison<br />

Committee of European Associations in Education“<br />

(PLEASE, gegründet 1990; Ziel: gemeinsame Vertretung<br />

bei der EU, internationale Zusammenarbeit<br />

auf dem Feld der Erziehung, Beratung der EU in Erziehungsfragen).<br />

Die AEDE arbeitet als �Nichtregierungsorganisation<br />

(NRO) mit der EU, dem �Europarat,<br />

der Unesco und der �Europäischen Bewegung<br />

zusammen; sie veranstaltet internationale Seminare<br />

und Studientagungen, Studienfahrten, nationale<br />

und internationale Kongresse, Lehrerfortbildungstagungen<br />

usw. und bringt eigene Publikationen<br />

heraus. Ziel: „... die Förderung des europäischen<br />

Gedankens und der europäischen Dimension in allen<br />

Bereichen des Erziehungswesens“ und „zur Verwirklichung<br />

der Vereinigten Staaten von Europa auf<br />

demokratischer und föderalistischer Grundlage beizutragen“<br />

(Satzung, Deutsche Sektion EBB, § 2; vgl.<br />

KMK-Beschluss„EuropaimUnterricht“,1978/79).<br />

Ferner will die AEDE Verständnis für die Probleme<br />

der europäischen Integration wecken und durch Vorträge,<br />

Besuchsreisen, internationale Kontakte (u. a.<br />

Schulpartnerschaften, Lehrer- und Schüleraustausch),<br />

Ausarbeitung von Unterrichtsmodellen,<br />

Teilnahme am Europäischen �Schülerwettbewerb,<br />

Erarbeitung erziehungswissenschaftlicher und eurodidaktischerFragen(z.B.Umwelt,Frieden,europäische<br />

Gesellschaft, gemeinsame Kultur, interkulturelles<br />

Lernen, schulstufenbezogene fachliche und<br />

überfachliche Fragen zur �„europäischen Dimension<br />

im Unterricht“, Menschenrechte) einen Unterricht<br />

und eine Erziehung (�Bewusstseinsbildung)<br />

zum Bürger in Europa ermöglichen.<br />

Strukturelle Schwerpunkte der Verbandsarbeit sind<br />

u. a. die Förderung der europäischen Dimension besonders<br />

an Berufsschulen, Erstellung von Programmen<br />

für den Primar- und Sekundarbereich, neue<br />

Technologien im Unterricht über Europa, die Analyse<br />

von Lehrplänen und Lehrwerken auf ihre RepräsentanzdereuropäischenEinigungsthematik.<br />

W. M.<br />

Anschrift: EBB, Weinstraße 8b, 60435 Frankfurt/M. oder<br />

Europäisches Generalsekretariat: AEDE, Jean-Claude Gonon,<br />

rue du Faubourg-National, F–67000 Strasbourg<br />

40<br />

Internet: www.aede.org<br />

Literatur:<br />

Archer, E. G./Peck, B. T.: The Teaching Profession in Europe.<br />

Glasgow 1992 (Jordanhill College of Education)<br />

Mickel, W.: Europa durch Europas Schulen. 40 Jahre EBB/<br />

AEDE. Geschichte des Europäischen Erzieherbundes (EEB) /<br />

Europäischen Bundes für Bildung und Wissenschaft (EBB/<br />

AEDE) von 1956 bis 1996. Festschrift zum 70. Geburtstag des<br />

Verfassers. Frankfurt am Main 2000.<br />

Grundsatzdokument: Europäische Charta der Erziehung.<br />

Brüssel 1968<br />

Assoziationsrat ist das beschlussfassende Organ<br />

aus Vertretern der Europäischen Gemeinschaft und<br />

Drittstaaten, die mit der EG Assoziierungsabkommen<br />

(�Assoziierung) geschlossen haben. Zusammensetzung,AufgabenundRechtesindimAssoziierungsabkommen<br />

festgelegt. In der Regel besteht der<br />

Assoziationsrat aus dem Europäischen Rat bzw. dem<br />

Ministerrat und je einem Regierungsmitglied des<br />

Drittstaates. Den Vorsitz führt der Präsident der Europäischen<br />

Kommission. Der Assoziationsrat beschließt<br />

einstimmig. Er kann Ausschüsse einsetzen,<br />

dieihnbeiErfüllungseinerAufgabenunterstützen.<br />

Assoziierung<br />

1. Begriff, Ziele und rechtliche Grundlagen, Verfahren:<br />

Die EG (derzeit nicht die EU) kann mit Drittländern<br />

oder mit internationalen Organisationen eine<br />

Assoziierung mit gegenseitigen Rechten und Pflichten,<br />

gemeinsamem Vorgehen und besonderem Verfahren<br />

herstellen und dazu Abkommen schließen<br />

(Art. 310 EGV). Mit der Assoziierung übernimmt<br />

das Drittland jedoch nicht die Rechte (z. B. Stimmrecht)<br />

und Pflichten (z. B. Übernahme des �acquis<br />

communautaire) der Vollmitgliedschaft der Gemeinschaft.<br />

Der EG-Vertrag und der Vertrag über<br />

die Europäische Atomgemeinschaft sehen die Assoziierung<br />

als eine besondere Form vertraglicher Beziehungen<br />

zu Drittländern vor, die über reine Handelsbeziehungen<br />

auf der Grundlage von Art. 133<br />

EGV hinausgehen.<br />

Als zentraler Bestandteil der Außenbeziehungen der<br />

Europäischen Union zielt die Assoziierungspolitik<br />

vielmehr auf eine umfassende, über verschiedene<br />

Politikbereiche hinweggreifende entwicklungsfördernde<br />

Zusammenarbeit mit verschiedenen Staaten,<br />

Organisationen und Regionen der Welt. Neben der<br />

Herstellung bevorzugter Wirtschaftsbeziehungen<br />

für die Vertragspartner stehen politische, gesellschaftliche<br />

und wirtschaftliche Transformations-


und Entwicklungsprozesse im Mittelpunkt der Unterstützungsmaßnahmen.<br />

Seit Gründung der EG ist<br />

so ein weltweites Netz der Zusammenarbeit mit den<br />

unterschiedlichen Vertragspartnern entstanden.<br />

Die Assoziierungsabkommen haben, historisch gesehen,verschiedeneWurzelnundunterscheidensich<br />

deshalb auch in ihren Zielen, ihrer inhaltlichen Ausgestaltung<br />

und in ihrer vertraglichen Qualität:<br />

– Die sog. „konstitutionelle Assoziierung“ entwickelte<br />

sich aus den besonderen Beziehungen einiger<br />

EWG-Mitgliedstaaten (zunächst Belgien, Frankreich,<br />

Italien, Niederlande, später Großbritannien<br />

und Dänemark) zu ihren damaligen bzw. ehemaligen<br />

Kolonien. Sie wurden, um ihre Entwicklung zu fördern,<br />

bis auf wenige Einschränkungen in die damalige<br />

Freihandelszone der EWG mit einbezogen. Als<br />

diese „außereuropäischen Länder und Hoheitsgebiete“<br />

(Art. 131 EWGV, jetzt Art. 182 EGV) unabhängig<br />

wurden, entstand daraus ein besonderes vertragliches<br />

Verhältnis durch die �Jaunde-Abkommen.<br />

Diese Assoziierungsabkommen gründeten sich auf<br />

Art. 131 – 136 EWGV (jetzt Art. 182 – 187 EGV)<br />

und dehnten das besondere Verhältnis dieser Länder<br />

und Hoheitsgebiete zu jeweils einem dieser Mitgliedstaaten<br />

nach Maßgabe der Abkommen auf alle<br />

EWG-Staaten aus.<br />

– Die Assoziierung als Vorstufe zur Vollmitgliedschaft<br />

der EG, die sog. „Beitrittsassoziierung“ zielt<br />

darauf, beitrittswillige europäische Länder (außereuropäische<br />

Länder sind vom Beitritt ausgeschlossen)<br />

schrittweise auf die Vollmitgliedschaft vorzubereiten.<br />

Die mit Polen, Ungarn, der Tschechischen<br />

und der Slowakischen Republik, mit Rumänien, Bulgarien<br />

und Slowenien sowie mit Estland, Lettland<br />

und Litauen abgeschlossenen Kooperationsabkommen,<br />

als Europa-Abkommen bezeichnet, öffneten<br />

die Perspektive auf den späteren EU-Beitritt. Sie habenGriechenland1981unddieosteuropäischenLänder<br />

2004 zum Beitritt in die EU geführt. Bulgarien<br />

und Rumänien werden 2007 oder 2008 folgen. Auch<br />

mit den südosteuropäischen Staaten Mazedonien<br />

und Kroatien wurden 2001 Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen<br />

mit dem Ziel eines späteren<br />

EU-Beitritts abgeschlossen. Dem Vertragsinhalt<br />

nach handelt es sich neben der Gewährung des Freihandelsstatus(Freihandelsassoziierung)umdieVereinbarung<br />

von Transformations-Maßnahmen, die<br />

diese Länder schrittweise an das Beitrittsniveau heranführen<br />

sollen.<br />

Assoziierung<br />

– Die sog. „Entwicklungsassoziierung“ stellt eine<br />

weitere Form der Assoziierung dar. Sie wurde durch<br />

den Beitritt Großbritanniens (1973) zur EG auf den<br />

Weg gebracht, da dieses darauf pochte, dass den<br />

meisten seiner ehemaligen Kolonien ähnliche Vergünstigungen<br />

gewährt werden wie den anderen „außereuropäischen<br />

Ländern und Hoheitsgebieten“ mit<br />

besonderen Beziehungen zu Mitgliedstaaten. So<br />

kam 1975 das �Lomé-Abkommen zustande, das mit<br />

damals 46 Ländern Subsahara-Afrikas, der Karibik<br />

und des Pazifiks abgeschlossen wurde (�AKP-Staaten,<br />

�Entwicklungspolitik). Neben der Beitrittsassoziierung<br />

stellen die Lomé-Abkommen die klassische<br />

Form der Assoziierung dar. Wenn in den Vertragstexten<br />

auch nicht als Assoziierungs-, sondern als Kooperationsabkommen<br />

bezeichnet, kann man die Abkommen<br />

der EG mit den Maghreb- und Maschrik-Staaten<br />

(�Mittelmeerpolitik) als Entwicklungsassoziierung<br />

auffassen. Sie entsprechen zumindest<br />

in der Zielsetzung den Lomé-Abkommen, gehen<br />

aber eine zunehmend stärkere Anbindung an die<br />

EG/EU ein.<br />

– Eine Sonderform der Assoziierung stellt das Abkommen<br />

zwischen der EG und der EFTA über die<br />

Bildung des �Europäischen Wirtschaftsraumes<br />

(EWR) dar, weil hier zwei Staatengemeinschaften ein<br />

Assoziierungsverhältnis eingehen, das über die Bildung<br />

einer Freihandelszone hinausgeht. In Anbetracht<br />

der vollzogenen Beitritte Österreichs, Schwedens<br />

und Finnlands (1995) kann das EWR-Abkommen<br />

als Vorstufe zur EU-Vollmitgliedschaft und<br />

damit als Beitrittsassoziierung eingestuft werden.<br />

Auch die Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />

mit Russland (1997), der Ukraine (1989) und<br />

weiteren Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR<br />

stellen eine Sonderform der Assoziierung dar wie<br />

auch die Assoziierungsabkommen mit den meisten<br />

Mittelmeerländern, die seit Ende der 1990er Jahre in<br />

Krafttraten(Tunesien1998,Marokko2000,diePLO<br />

für die Palästinensische Autonomiebehörde 1997,<br />

Israel 2000, Ägypten 2001, Jordanien 1997). Sie zielen<br />

auf die Entwicklung einer �„Europäischen Nachbarschaftspolitik“<br />

gegenüber den Ländern an den<br />

Land-undSeeaußengrenzendererweitertenEU:Neben<br />

der Intensivierung der handelspolitischen Beziehungen<br />

liegt der Schwerpunkt auf einer verstärkten<br />

politischen Annäherung.<br />

In jüngster Zeit, so bei den ost-/südostasiatischen<br />

Staaten Südkorea, Laos, Kambodscha und Vietnam,<br />

41


Assoziierungsabkommen<br />

enthalten die Verträge Demokratie- und Menschenrechtsklauseln<br />

(Wahrung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit<br />

und Achtung der Menschenrechte).<br />

Diese erweisen sich sowohl mit Blick auf mögliche<br />

neue Partner (VR China, Myanmar) als auch auf bereits<br />

bestehende Partnerschaften (z. B. Simbabwe,<br />

Sudan) als problematisch.<br />

Die rechtliche Grundlage für den Abschluss von Assoziierungsabkommen<br />

bilden außer Art. 182 – 187<br />

EGV (konstitutionelle Assoziierung) die Art. 24<br />

EUV, 300 und 310 EGV. Sie regeln die Vertragsmodalitäten.<br />

Die Assoziierungsabkommen haben völkerrechtsverbindliche<br />

Wirkung, beruhen auf einem<br />

System wechselseitiger Rechte und Pflichten und sehen<br />

gemeinsame paritätisch besetzte Ausführungsorgane<br />

vor. Beim Aushandeln von AssoziierungsabkommenwirkenRat,KommissionundEuropäisches<br />

Parlament nach Art. 300 EGV zusammen. Aufgrund<br />

ihrer Initiativfunktion unterbreitet die Kommission<br />

dem Rat entsprechende Vorschläge. Der Rat wiederum<br />

ermächtigt die Kommission zur Aufnahme von<br />

Verhandlungen mit dem Partner. Außer bei Verträgen,<br />

die EU-interne Vorschriften tangieren, und bei<br />

Assoziierungsabkommen, die der Einstimmigkeit<br />

sowie der Zustimmung des Europäischen Parlaments<br />

bedürfen, beschließt der Rat mit qualifizierter<br />

Mehrheit. Organe der Assoziierungsabkommen sind<br />

�Assoziationsräte, -ausschüsse und Parlamentarische<br />

Assoziationsausschüsse.<br />

2. Bilanz und Perspektiven: Die Assoziierungsabkommen<br />

haben nicht nur einen wesentlichen Beitrag<br />

zur Liberalisierung und Förderung des Welthandels,<br />

sondern auch zur Wahrung des Weltfriedens geleistet.Vorallemdiesog.Beitrittsassoziierungenstellen<br />

einen besonders hoch zu bewertenden Beitrag zur<br />

dauerhaften Sicherung des Friedens in Europa und<br />

zur europäischen Integration dar. Zu lösen bleibt die<br />

wichtige Aufgabe, der Osterweiterung der EU die<br />

wirtschaftliche und soziale Harmonisierung durch<br />

den Ausgleich regionaler und sozialer Ungleichgewichte<br />

folgen zu lassen und auch die südosteuropäischen<br />

Beitritts- bzw. beitrittswilligen Länder (Bulgarien,<br />

Rumänien, Kroatien, Mazedonien) in die EU<br />

zu integrieren sowie ggf. die übrigen Staaten (Serbien<br />

und Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Albanien)<br />

darauf vorzubereiten. Ob die im Dezember<br />

2004 beschlossene Aufnahme von Beitrittsverhandlungen<br />

mit der Türkei zu einem erfolgreichen Abschluss<br />

führen wird, bleibt abzuwarten.<br />

42<br />

Wichtige Beiträge zur Handelsliberalisierung und<br />

zur Friedenssicherung erfolgten durch die Entwicklungsassoziierung<br />

sowohl im Rahmen des Loméund<br />

Cotonou-Abkommens als auch der Mittelmeerabkommen<br />

sowie der Kooperationsabkommen mit<br />

den ost-/südostasiatischen Staaten. Um die in vielen<br />

Vertragsstaaten wachsenden wirtschaftlichen und<br />

sozialen Probleme bewältigen zu können, bedarf es<br />

weiterergemeinsamerAnstrengungen. K. E.<br />

Literatur: Vgl. �Entwicklungspolitik<br />

Assoziierungsabkommen �Assoziierung, �Außenbeziehungen<br />

Ziff. 4.2.1<br />

Asylpolitik der EU<br />

1. Genese: Mit dem Programm zur Vollendung des<br />

Binnenmarktes, dem �Schengener Übereinkommen<br />

und dem damit verbundenen Wegfall der Grenzkontrollen<br />

innerhalb der Gemeinschaft begann Mitte der<br />

1980er Jahre die Debatte über eine europäische Harmonisierung<br />

des Asylrechts.<br />

Bis zum Inkrafttreten des �Vertrages von Amsterdam<br />

(1. 5. 1999) war es Aufgabe der EU, die Zuwanderung<br />

zu koordinieren und zu kontrollieren. Europäische<br />

Asylpolitik beschränkte sich eher auf technische<br />

und juristische Fragen, hatte daher reaktiven<br />

Charakter und klammerte prinzipielle Erörterungen<br />

aus. Wesentliche Fragen der Asylpolitik wurden außerhalb<br />

des EU-Rahmens in intergouvernementalen<br />

Gremien behandelt, so dass die Regelungsbefugnisse<br />

der EU begrenzt sind. Auf Grund des im EU-Recht<br />

geltenden �Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung<br />

ist für den Erlass rechtlicher Vorschriften<br />

grundsätzlich eine Ermächtigung für ein EU-Organ<br />

im Primärrecht notwendig. Die Folge sind völkerrechtliche<br />

Übereinkommen, die es bei den national<br />

unterschiedlichen materiellen Regelungen belassen<br />

und die �Harmonisierung der formellen Asylverfahren<br />

anstreben.<br />

2. Dubliner Abkommen und Schengen II: Diese Zielsetzungen<br />

sind konkretisiert im Dubliner Abkommen<br />

(25. 6. 1990; in Kraft 1997) sowie im Übereinkommen<br />

zur Durchführung des Schengener Abkommens<br />

(Schengen II, 19. 6. 1990). Beide Abkommen<br />

beschränken sich darauf, einheitliche Zuständigkeitskriterien<br />

festzulegen. Kernpunkt der Dubliner<br />

Konvention ist, dass nur noch ein EU-Staat für die<br />

Prüfung eines Asylantrages zuständig ist. Ferner haben<br />

sich die EU-Länder verpflichtet, alle Asylanträ-


ge, die Angehörige von Drittländern an der Grenze<br />

oder auf dem Gebiet der EU stellen, zu prüfen und<br />

alle personengebundenen Daten auf Antrag untereinander<br />

auszutauschen. Gleichwohl wird mit diesem<br />

Übereinkommen kein echter Status als politischer<br />

Flüchtling innerhalb der EU geschaffen, weil<br />

die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften für Asylbewerber<br />

bestehen bleiben. Ähnlich angelegt ist<br />

Schengen II. Es baut auf dem Schengener Abkommen<br />

vom 14. 6. 1985 auf. Um die mit dem Abbau der<br />

Grenzkontrollen verbundenen „Sicherheitsdefizite“<br />

auszuschließen, sieht das Übereinkommen Ausgleichmaßnahmen<br />

vor. Dazu gehören u. a.<br />

– Regelungen darüber, welche Mitgliedstaaten für<br />

welche Asylanträge zuständig sind. Grundlegend ist<br />

dabei das Prinzip der Erstbefassung in dem EU-<br />

Staat, der als erster mit dem Asylbewerber zu tun hatte;<br />

– die gegenseitige Anerkennung der Gültigkeit von<br />

Asylentscheidungen.<br />

3. Vertrag von Amsterdam: Dublin und Schengen II<br />

waren kein Beitrag, um die Problematik des Asylrechts<br />

in Europa zu lösen. Ansätze dazu enthält der<br />

durch den Vertrag von Amsterdam in den<br />

EG-VertrageingefügteTitelIVzuAsylundEinwan-<br />

, UNHCR<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

2004<br />

–<br />

–<br />

–<br />

–<br />

Asylpolitik<br />

derung. Artikel 63 EGV sieht vor, dass der Rat innerhalb<br />

von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags<br />

von Amsterdam (einstimmig) folgende Entscheidungen<br />

in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention<br />

(1951) und dem Protokoll über die<br />

RechtsstellungderFlüchtlinge(1967)zutreffenhat:<br />

– Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates,<br />

der für die Prüfung eines Asylantrages<br />

zuständig ist;<br />

– Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern,<br />

für die Anerkennung von Staatsangehörigen<br />

dritter Länder als Flüchtlinge und für die Verfahren<br />

in den Mitgliedstaaten zur An- oder Aberkennung<br />

der Flüchtlingseigenschaft. (�Einwanderungspolitik<br />

der EU)<br />

4. Sondergipfel in Tampere, Finnland (Oktober<br />

1999): Dort setzte sich der Europäische Rat ein langfristiges<br />

Ziel: Die EU-Regelungen sollen zu einem<br />

gemeinsamen Asylverfahren und zu einem einheitlichen,<br />

in der ganzen EU geltenden Status für diejenigen<br />

führen, denen Asyl gewährt wurde. Dazu zählt<br />

auch die Zuständigkeitsregel, wonach ein AsylbewerberindemLandseinenAntragstellt,daserzuerst<br />

betreten hat.<br />

5. Verfassungsvertrag 2004: Der Verfassungsver-<br />

9,6<br />

32,4<br />

2004<br />

15,4<br />

3,2<br />

35,6<br />

3,7<br />

61,6<br />

4,5<br />

40,2<br />

4,8<br />

10,0<br />

9,8<br />

24,7<br />

8,1<br />

0,1<br />

23,2<br />

5,4<br />

11,4<br />

1,2<br />

5,5<br />

1,6<br />

9,9<br />

43


Asylverfahrensrichtlinie<br />

trag 2004 schreibt die Asylpolitik fort. Wenn er in<br />

Kraft tritt, entwickelt die Union eine gemeinsame<br />

Politik im Bereich Asyl. Durch Europäische Gesetze<br />

oder Rahmengesetze werden für eine gemeinsame<br />

AsylregelungMaßnahmenfestgelegt.Sieumfassen<br />

– einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen<br />

Asylstatus für Drittstaatsangehörige;<br />

– gemeinsame Verfahren für die Gewährung und den<br />

Entzug des einheitlichen Asylstatus;<br />

– Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats,<br />

der für die Prüfung eines Antrages auf<br />

Asyl zuständig ist;<br />

– Normen für die Aufnahmebedingungen von Personen,<br />

die Asyl beantragen;<br />

– Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Drittstaaten<br />

zur Steuerung der Zuwanderungsströme von Personen,<br />

die Asyl beantragen.<br />

Gleichlautende Regelungen sollen auch für jeden<br />

Drittstaatsangehörigen entwickelt werden, der vorübergehend<br />

Schutz benötigt, um den Grundsatz der<br />

Nicht-Zurückweisung zu gewährleisten. Diese Politik<br />

muss mit der Genfer Flüchtlingskonvention<br />

(1951) und mit dem Protokoll über die RechtsstellungvonFlüchtlingen(1967)inEinklangstehen.<br />

6. Fazit: Die Zahl der Asylanträge in der EU hat sich<br />

gegenüber Mitte der 1990er Jahre halbiert. Der verbesserte<br />

Schutz der Außengrenzen und die Abschiebung<br />

der Migranten über Rücknahmeabkommen mit<br />

sog. sicheren Drittstaaten sind dafür ursächlich. Eine<br />

einheitliche Liste dieser Staaten hat die EU noch<br />

nicht erstellt.<br />

Hinzu kommen technische Unterstützungssysteme<br />

wie die Datenbank �Eurodac. Mit Hilfe von Eurodac<br />

– bei jedem Asylantrag werden Fingerabdrücke digitalisiert<br />

und in einem Zentralrechner nach Luxemburg<br />

geschickt – machten die Behörden allein 2003<br />

über 17 000 Mehrfachanträge fest.<br />

Zukünftig gilt, dass sich neue Migrationstypen entwickeln<br />

(Armuts-, Elends, Umweltflüchtlinge), die<br />

das bisherige Flüchtlingsspektrum erweitern. Die<br />

Probleme der Migration können nicht allein in den<br />

EU-Aufnahmeregionen gelöst werden. Dabei gibt es<br />

auch unpopuläre Maßnahmen, wie die Vereinbarung<br />

Italiens mit Libyen (2003), dort ein Lager für afrikanische<br />

Asylbewerber einzurichten, die nach Europa<br />

flüchten wollen. Italien erhofft sich dadurch eine<br />

Entlastung, da Asylsuchende immer wieder an Italiens<br />

Küsten landen. Ähnliches gilt für Spanien mit<br />

seiner Enklave Ceuta in Marokko.<br />

44<br />

Eine aktive Asylpolitik sollte darauf gerichtet sein,<br />

die Ursachen für die Flucht von Menschen abzuschwächen.<br />

Die EU-Asylpolitik sollte nach allgemeiner<br />

Auffassung drei Elemente umfassen:<br />

– eine Politik der �Integration und sozialen SicherungfürAsylanten/Migranten,dieinderEUleben;<br />

– eine passive Asylpolitik mit Bestimmungen zur<br />

Regelung des Asylverfahrens, zur Erfassung und<br />

Kontrolle der Asylbewerber und zur Unterbindung<br />

illegaler Migranten;<br />

– eine aktive Migrationspolitik als Abschwächung<br />

des Wanderungspotenzials durch Maßnahmen technischer,finanzieller,sozialerundpolitischerZusammenarbeit<br />

mit den Herkunftsländern.<br />

Die Kommission plädiert für eine passive und aktive<br />

Asylpolitik mit dem Ziel, die Zuwanderung zu erfassen<br />

und zu kontrollieren. Dazu gehören<br />

– humane Zuwanderungskriterien für politische<br />

Flüchtlinge und Asylbewerber;<br />

– soziale Zuwanderungskriterien für Angehörige<br />

vonMigranten,dieinderEUleben. L. U.<br />

�Einwanderungspolitik der EU<br />

Literatur:<br />

Baumann, K. u. a.: Asyl in Deutschland und Europa.<br />

Universität Mainz 1993<br />

Bielmeier, J./Stein, G.: Stichwort: Asyl in Deutschland und<br />

Europa. München 1992<br />

Fliegauf, H.: Die EU als Ziel von Migrationsbewegungen.<br />

In: Politische Studien 347/1996, S. 39 – 50<br />

Hailbronner, K.: Asyl- und Einwanderungsrecht in der<br />

Europäischen Gemeinschaft. Universität Saarbrücken 1992<br />

Heckmann, Fr. (Hg.): Freizügigkeit in Europa. Bamberg 1996<br />

Münch, U.: Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland:<br />

Entwicklung und Alternativen. Opladen 1993<br />

Asylverfahrensrichtlinie �Außengrenzen, �Einwanderungspolitik<br />

Ziff. 2<br />

ATEE (Association for Teacher Education in Europe,<br />

Vereinigung für Lehrerbildung in Europa). Europäische<br />

Fachgesellschaft für Lehrerbildung mit institutionellerundindividuellerMitgliedschaft.Führt<br />

zu Fragen der Lehrerbildung Jahrestagungen, Frühlingsuniversitäten<br />

und Fachtagungen durch, insbes.<br />

zur Nord-Süd-Themen im europäischem Kontext.<br />

Anschrift: Rue de la Concorde 60, B–1050 Brüssel.<br />

Audiovisueller Bereich �Medienpolitik<br />

Audit (engl.) ist die (auch unangekündigte) Prüfung<br />

(Rechnungsprüfung, Wirtschaftsprüfung) oder Bü-


cherrevision. Im Bereich der EU bezeichnet Audit<br />

verschiedene Prüfverfahren bzw. die nach Prüfung<br />

erteilten Sichtvermerke.<br />

– Finanzkontrolle: Verbindlich vorgeschrieben ist<br />

die Prüfung aller vorgeschlagenen Finanztransaktionen<br />

und ihre Genehmigung durch Erteilung des<br />

Sichtvermerks. Seit 1998 können nach Änderung der<br />

Haushaltsordnung (VO 2548/1998, ABl. L 320/<br />

1998) Anträge auf Mittelbindung stichprobenartig<br />

kontrolliert werden.<br />

– Interner Auditdienst: Jedes Organ muss nach der<br />

gültigen Haushaltsordnung (VO 1605/2002, ABl. L<br />

248/2002) das Amt eines unabhängigen Internen<br />

Prüfers einrichten. Der Interne Audit überprüft und<br />

beurteilt das ordnungsgemäße Funktionieren der<br />

Kontrollsysteme und der Haushaltsvollzugsverfahren.<br />

Er berät das Organ in Fragen der Risikokontrolle.<br />

Er erstellt jährlich einen Prüfungsbericht über die<br />

durchgeführtenPrüfungen,seineEmpfehlungenund<br />

die daraufhin getroffenen Maßnahmen.<br />

– Audit Zertifikate: Vertragspartner der EG, die Fördermittel<br />

aus dem Forschungsrahmenprogramm erhalten,<br />

müssen die entstandenen Kosten in einer<br />

Prüfbescheinigung, dem Audit Zertifikat, nachweisen.<br />

Nach einer Sonderregelung der Kommission<br />

vom April 2005 sind Empfänger von weniger als<br />

150 000 Euro pro Berichtszeitraum von der Zertifizierung<br />

befreit. Das Zertifikat kann z. B. von einem<br />

externen Wirtschaftsprüfer erstellt werden.<br />

– Öko-Audit: Ein Umweltsiegel, das für überprüfbares<br />

und kontinuierlich verbessertes „besonders umweltschonendes<br />

Wirtschaften“ vergeben wird. Nach<br />

Formulierung eigener Zielvorstellungen (Umweltleitlinien)<br />

und Analyse des Ist-Zustandes legt das<br />

Unternehmen konkrete Maßnahmen mit Fristen fest<br />

und baut ein verantwortliches Umweltmanagementsystem<br />

auf. Unabhängige Umweltgutachter führen<br />

regelmäßige Überprüfungen durch und beurkunden<br />

das Umweltsiegel, das für drei Jahre gilt. Das Unternehmen<br />

kann mit dem Öko-Audit werben.<br />

– Datenschutz-Audit: Die EU fördert Projekte von<br />

Staaten oder Regionen, die sicherstellen, dass die<br />

von Behörden eingesetzten Produkte im IT-Bereich<br />

den Vorschriften der Datenschutzgesetze entsprechen.<br />

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen<br />

können die Kosten für die Prüfung zu einem Teil<br />

ersetzt bekommen.<br />

– Energie-Audit: Im Auftrag der Kommission erstellte<br />

Untersuchung in 25 EU-Staaten sowie 2 Bei-<br />

Aufenthaltsrecht<br />

trittsländern über Programme der öffentlichen Hand<br />

zur Steigerung der Energieeffizienz.<br />

Aufenthaltsrecht. Das Aufenthaltsrecht ist Bestandteil<br />

des Rechts auf �Freizügigkeit der Personen<br />

im Bereich der Europäischen Union. So setzt die<br />

Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der<br />

�Niederlassungsfreiheit selbständiger und der<br />

�Dienstleistungsfreiheit die rechtlich abgesicherte<br />

Möglichkeit der Einreise und des Aufenthalts der begünstigten<br />

Angehörigen eines Mitgliedstaats der EU<br />

voraus.InsofernergibtsichaufGrunddieserFreiheiten<br />

ein Einreise- und Aufenthaltsrecht mit unmittelbarer<br />

Wirkung. Die demgemäß zur Verwirklichung<br />

der wirtschaftlichen Grundfreiheiten erlassenen<br />

Richtlinien aus den 1960er und 1970er Jahren sehen<br />

ein unbefristetes Aufenthaltsrecht für EG-Bürger<br />

vor. Die Mitgliedstaaten haben hierzu eine Bescheinigung,<br />

die sog. „Aufenthaltserlaubnis“ für Angehörige<br />

eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft<br />

zu erteilen, die aber nicht, wie ansonsten<br />

die ausländerrechtliche Aufenthaltserlaubnis, konstitutive<br />

Wirkung, sondern lediglich deklaratorische<br />

Wirkung hat, da das Aufenthaltsrecht dem EG-Bürger<br />

durch Europäisches Recht verliehen ist und nicht<br />

durch nationales Recht (EuGH, Urt. v. 8. 4. 1976 –<br />

Rs. C-48/75 – Royer).<br />

Personen, die nach den Bestimmungen des �Gemeinschaftsrechts<br />

ein solches Aufenthaltsrecht haben,könnendemgemäßwederausgewiesennochmit<br />

Strafsanktionen oder anderen Zwangsmaßnahmen<br />

belegt werden, wenn sie es unterlassen haben, sich<br />

die besondere Aufenthaltserlaubnis zu beschaffen<br />

oder diese zu verlängern. Ehegatten ohne Rücksicht<br />

auf die Staatsangehörigkeit sowie Kinder unter 21<br />

Jahren und weitere Verwandte, denen die Begünstigten<br />

Unterhalt gewähren, sind diesen gleichgestellt.<br />

Im Bereich der Dienstleistungsfreiheit wird den<br />

Dienstleistungserbringern und Empfängern ein Aufenthaltsrecht<br />

gewährt, das auf die Dauer der Dienstleistung<br />

befristet ist.<br />

Nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, SicherheitundGesundheitkönnenMitgliedstaatenvondiesen<br />

Vorschriften abweichen. Da dies naturgemäß<br />

rechtunbestimmtist,hatdieEURichtlinienerlassen,<br />

die die Rechts- und Verwaltungsvorschriften hierzu<br />

harmonisieren. So schreibt die Richtlinie 73/148<br />

(ABl. L 172/1973) vor, dass bei Maßnahmen der öffentlichen<br />

Ordnung oder Sicherheit ausschließlich<br />

45


Ausfuhrbeihilfen<br />

auf das persönliche Verhalten des Betroffenen abzustellen<br />

ist. Generalpräventive Maßnahmen sind also<br />

unzulässig. Strafrechtliche Verurteilungen allein begründen<br />

keine Ausweisung eines EG-Bürgers, auch<br />

nicht der Ablauf der Gültigkeit des Einreisedokuments<br />

und Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit<br />

und Gesundheit dürfen auch nicht für wirtschaftlicheZweckegeltendgemachtwerden.Krankheiten,<br />

die das Verbot einer Einreise und Aufenthalts begründen,<br />

sind in der Richtlinie abschließend aufgeführt.<br />

Im Zuge eines Berichts über das �„Europa der Bürger“<br />

im Zusammenhang mit dem Programm zur<br />

Vollendung des Europäischen Binnenmarktes und<br />

der �Einheitlichen Europäischen Akte erließ die EU<br />

im Jahre 1990 drei Richtlinien, die ein allgemeines<br />

Aufenthaltsrecht für bestimmte Personengruppen<br />

vorsahen, unabhängig von den vorerwähnten wirtschaftlichen<br />

Grundfreiheiten. So wurde ehemaligen<br />

Arbeitnehmern, die eine Rente beziehen, ein allgemeines<br />

Aufenthaltsrecht zugestanden, wenn sie ihren<br />

Lebensunterhalt durch die Rente decken konnten.<br />

Studierenden wird für die Zeit ihrer Ausbildung und<br />

unter der Voraussetzung, dass sie ihren Lebensunterhalt<br />

decken können, ein Aufenthaltsrecht zugestanden.<br />

Schließlich sieht die Richtlinie 90/364 ein Aufenthaltsrecht<br />

für jedermann vor, auch wenn er unter<br />

keine der speziellen Rechtsvorschriften fällt, aber<br />

seinen eigenen Lebensunterhalt sicherstellen kann.<br />

Dieses allgemeine Aufenthaltsrecht wurde durch die<br />

Einführung des Art. 8 a in den EG-Vertrag durch den<br />

Vertrag von Maastricht (jetzt Art. 18 EGV) formell<br />

bekräftigt. Nun steht jedem Bürger das persönliche<br />

Grundrecht zu, sich auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten<br />

frei zu bewegen und niederzulassen.<br />

In einem Bericht der Kommission vom 18. 3. 1999<br />

weistdiesedaraufhin,dassdieUmsetzungdervorerwähnten<br />

Richtlinien über die Erweiterung des Aufenthaltsrechts<br />

zur Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen fast alle Mitgliedstaaten geführt<br />

hat. Lediglich drei Staaten hatten die Richtlinien<br />

fristgerecht umgesetzt. Sie stellte ferner fest,<br />

dass die konkrete Durchführung der Rechtsvorschriften<br />

in den Mitgliedstaaten offenbar größte<br />

Schwierigkeiten machte. Beschwerden und Petitionen<br />

an das Europäische Parlament, Befragungen und<br />

andere Erhebungen zeigten, dass die Bürger, die das<br />

allgemeine Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen<br />

46<br />

wollten, mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. So<br />

wurden insbes. langwierige und komplizierte BehördengängebiszurAusstellungderAufenthaltserlaubnis<br />

festgestellt. Die Behörden stellen sehr hohe Anforderungen<br />

an den Nachweis von Krankenversicherungen<br />

und Existenzmitteln. Infolge davon gab es<br />

eine erste Änderung der Richtlinie 90/364 im Jahre<br />

2004 (2004/38, ABl. L 158/2004), die einige dieser<br />

Probleme abstellen soll.<br />

Selbst die „Unionsbürgerschaft“ und das Wahlrecht<br />

der Unionsbürger konnten bisher anscheinend nicht<br />

dazu beitragen, in diesem etwas anderes als „Ausländer“zusehen.<br />

M. K.<br />

Ausfuhrbeihilfen �Gemeinsame Agrarpolitik<br />

Ausfuhrerstattungen. Instrument der landwirtschaftlichen<br />

Marktordnungen zur Anpassung der<br />

Preise von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und<br />

landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten, die<br />

aus der EU exportiert werden, an die (niedrigeren)<br />

Weltmarktpreise (Entsprechung im Import: �Abschöpfungen).<br />

Exporteure von Agrarprodukten erhalten<br />

die Differenz zwischen dem hohen Einkaufspreis<br />

in der EU und dem (meist) niedrigeren Verkaufspreis<br />

auf dem Weltmarkt erstattet. Die Höhe<br />

der Erstattungen wird von der Kommission festgesetzt.<br />

Die Erstattungen werden dem �EAGFL entnommen<br />

und von nationalen Zollbehörden ausgezahlt.<br />

Sie sind Subventionen im Rahmen der Gemeinsamen<br />

Agrarpolitik. Aktuelle Rechtsgrundlage<br />

istu.a.dieVerordnung800/1999,Abl.L102/1999.<br />

Die EU hatte sich im Rahmen des neuen WTO-<br />

Abkommens (�WTO) vom 1. 1. 1995 verpflichtet,<br />

die Ausfuhr von Agrarprodukten unter Gewährung<br />

von Ausfuhrerstattungen bis zum Jahr 2001 gegenüber<br />

dem Zeitraum 1986–1990 mengenmäßig um<br />

21 % und dem Betrag nach um 36 % zu verringern.<br />

Der Anspruch auf Erstattung ist seither zwingend an<br />

die Vorlage einer Ausfuhrlizenz gebunden. �Gemeinsame<br />

Agrarpolitik<br />

Ausgleichsabgaben sind nach Art. 38 EGV (bzw.<br />

Art. III-128 VVE 2004) erlaubte zollähnliche Abgaben,<br />

die bei der Ein- oder Ausfuhr von Agrarprodukten<br />

innerhalb der EU erhoben werden dürfen, um<br />

Wettbewerbsnachteileauszugleichen,dieentstehen,<br />

wenn in einem Mitgliedstaat ein Erzeugnis aufgrund<br />

innerstaatlicher Marktordnung oder einer Regelung


ähnlicher Wirkung günstiger angeboten werden<br />

kann. Die Höhe der Abgabe setzt die Kommission<br />

fest. �Grenzausgleich<br />

Ausgleichsfonds. (1) In der Entwicklungspolitik<br />

der EU der Fonds zur Stabilisierung von Erlösen aus<br />

dem Export agrarischer Rohstoffe (�STABEX). (2)<br />

Im Bereich der �Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarkts<br />

ein Fonds, zu dessen Finanzierung die Mitgliedstaaten<br />

alle Postdienstleister heranziehen können.<br />

Der Ausgleichsfonds soll sicherstellen, dass bei<br />

weiterer Öffnung der Postmärkte ein flächendeckender<br />

Universaldienst möglich ist. Aus dem Fonds sollen<br />

Dienstleister gefördert werden, die sich verpflichten,<br />

den Postdienst dort aufrechtzuerhalten,<br />

wo er für kommerzielle Unternehmen nicht kostendeckend<br />

möglich ist.<br />

Ausgleichsmechanismus für das Vereinigte Königreich.<br />

Von 1974 bis 1984 beherrschte das Haushaltsungleichgewicht<br />

Großbritanniens – die größte<br />

�„Nettozahlerposition“ gegenüber dem �Haushalt<br />

der Gemeinschaft – die Diskussion um die Finanzierung<br />

der EG. Dieses Ungleichgewicht war vor allem<br />

entstanden wegen der – im Vergleich zum europäischen<br />

Kontinent – anderen Strukturen der britischen<br />

Landwirtschaft und dem sich daraus ergebenden höheren<br />

Bedarf an Einfuhren von Agrarprodukten.<br />

Großbritannien erhielt deshalb weniger Mittel aus<br />

dem �EAGFL als andere Mitgliedstaaten mit vergleichbarem<br />

Bruttosozialprodukt. Der Anteil der<br />

Agrarausgaben am Gesamthaushalt der Gemeinschaft<br />

lag zu jener Zeit allerdings über 70 %.<br />

Der Streit um den Haushalt der Gemeinschaft blockierte<br />

jahrelang Fortschritte in anderen wichtigen<br />

Bereichen der E(W)G. Der �Europäische Rat von<br />

Fontainebleau am 25./26. 6. 1984 fand eine Lösung<br />

in Form eines Ausgleichsmechanismus („Britenrabatt“)<br />

zugunsten der britischen Zahlungen. In den<br />

Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von<br />

Fontainebleau heißt es dazu: „1. [...] Grundlage der<br />

Korrektur ist die Differenz zwischen dem Anteil der<br />

Mehrwertsteuer-Zahlungen und dem Anteil an den<br />

nach den derzeitigen Kriterien aufgeteilten Lasten.<br />

2. Für das Vereinigte Königreich wird folgende Regelung<br />

angenommen: Für das Jahr 1984 wird ein<br />

Pauschbetrag von 1000 Mill. ECU festgesetzt. Ab<br />

1985 wird die Differenz nach Nummer 1 [...] jährlich<br />

in Höhe von 66 % berichtigt. 3. [...] Die Lasten, die<br />

Ausgleichsmechanismus<br />

sich daraus für die anderen Mitgliedstaaten ergeben,<br />

werden nach deren regulären MwSt-Anteil aufgeteilt,<br />

der so angepasst wird, dass sich der Anteil der<br />

Bundesrepublik Deutschland auf zwei Drittel ihres<br />

MwSt-Anteils beläuft.“ Durch den Ausgleich wurde<br />

der britische Anteil am EU-Haushalt seither jährlich<br />

verringert, 2005 um 5,12 Mrd. Euro (s. Tabelle).<br />

Da nach 1984 in mehreren anderen Mitgliedstaaten<br />

das Haushaltsungleichgewicht bei der Finanzierung<br />

der Gemeinschaft erheblich angewachsen ist (u. a. in<br />

Deutschland, den Niederlanden, Österreich und<br />

Schweden), ist die Diskussion um Korrekturen der<br />

Ungleichgewichte seither nicht verstummt. Der<br />

Ausgleichsmechanismus für Großbritannien ist jedoch<br />

Bestandteil des Eigenmittelsystems der EU,<br />

das (nach Art. 269 EGV) nur einstimmig geändert<br />

werden kann. Für den zurzeit geltenden �Eigenmittelbeschluss<br />

von 2000 bis 2006 hat der Europäische<br />

Rat von Berlin 1999 beschlossen, den Ausgleichsmechanismus<br />

mit geringen Änderungen weiterzuführen<br />

und die dadurch entstehenden Lasten für die<br />

Korrektur zugunsten Großbritanniens im<br />

Haushaltsjahr 2005 (insg. 5 115,2 Mio. Euro)<br />

davon entfallen auf<br />

Land Betrag<br />

Belgien 248,9<br />

Dänemark 170,5<br />

Deutschland 327,2<br />

Estland 7,2<br />

Finnland 129,6<br />

Frankreich 1 417,0<br />

Griechenland 148,8<br />

Irland 106,5<br />

Italien 1 174,0<br />

Lettland 9,0<br />

Litauen 15,8<br />

Luxemburg 19,8<br />

Malta 3,9<br />

Niederlande 69,0<br />

Österreich 34,9<br />

Polen 163,6<br />

Portugal 116,5<br />

Schweden 42,1<br />

Slowakei 29,3<br />

Slowenien 23,0<br />

Spanien 707,2<br />

Tschechisch. Rep. 70,1<br />

Ungarn 70,5<br />

Zypern 10,9<br />

insgesamt 5 115,2<br />

47


Auslegung<br />

größten Nettozahler Deutschland, die Niederlande,<br />

Österreich und Schweden auf 25 % ihres normalen<br />

Anteils zu verringern.<br />

Für den für die Zeit nach 2006 anstehenden Eigenmittelbeschluss<br />

der EU (�Finanzielle Vorausschau)<br />

sollen geänderte Regelungen gefunden werden. Ein<br />

erster Versuch zur Änderung des „Britenrabatts“<br />

scheiterte beim Finanzgipfel des Europäischen Rats<br />

am 16./17. 3. 2005 in Brüssel.<br />

Auslegung von Gemeinschaftsrecht. Letztinstanzlich<br />

obliegt dem EuGH die Auslegung des Gemeinschaftsrechts.<br />

Er bedient sich hierzu der grammatikalischen,dersystematischenundinsbes.derteleologischen<br />

Methode: Grundsätzlich wird vom<br />

Wortlaut der Norm ausgegangen. Hierbei kann allerdings<br />

das Problem auftauchen, dass sich die verschiedenen,<br />

gleich verbindlichen Amtssprachen widersprechen<br />

können. In diesem Fall gilt die Fassung,<br />

die den Bürger am wenigsten belastet, wenn dadurch<br />

das Regelungsziel nicht gefährdet wird. Des Weiteren<br />

orientiert sich die Auslegung des EuGH an der<br />

systematischen Geschlossenheit und Widerspruchsfreiheit<br />

der europäischen Rechtsordnung. Praktisch<br />

am relevantesten jedoch ist die teleologische Auslegung,<br />

die nach dem Sinn und Zweck der Norm fragt<br />

und sich zudem EU-spezifisch bemüht, nach dem<br />

Grundsatz des �„effet utile“ alle denkbaren Gemeinschaftsbefugnisse<br />

voll auszuschöpfen. Diese integrationsfreudige<br />

und dynamische Methodik führt<br />

bisweilen zur Rechtsfortbildung und kann hierbei<br />

mit dem �Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung<br />

in Konflikt geraten. Insgesamt legt der EuGH<br />

die europarechtlichen Begriffe unabhängig von der<br />

InterpretationderMitgliedstaatenaus,umsoeineeuropaweit<br />

einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechtsherbeizuführen.<br />

J. M. B.<br />

Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft<br />

(EAGFL) �Fonds der EU<br />

Ausschluss aus der EU �Austritt/Ausschluss aus<br />

der EU<br />

Ausschuss der Präsidenten der Zentralbanken<br />

der Mitgliedstaaten der EWG. Der Ausschuss wurde<br />

1964 durch Beschluss des Rates eingesetzt. Mitglieder:<br />

die Präsidenten der Zentralbanken aller Mitgliedstaaten;<br />

sie bestimmten aus ihrer Mitte einen<br />

48<br />

Präsidenten des Ausschusses. Unterstützt wurde der<br />

Ausschuss durch Arbeitsgruppen. Er erfüllte vor allem<br />

Aufgaben im Rahmen des �Europäischen Währungssystems<br />

und bei der Vorbereitung des �EuropäischenSystemsderZentralbanken.DerAusschuss<br />

istam1.1.1994im �EuropäischenWährungsinstitut<br />

(EWI) aufgegangen, dem Vorläufer der Europäischen<br />

Zentralbank.<br />

Ausschuss der Regionen (AdR). Die Regelungen<br />

über den AdR finden sich im EG-Vertrag in den Artikeln<br />

263 bis 265. Der Ausschuss wurde durch den<br />

�Maastrichter Vertrag 1992/93 ins Leben gerufen.<br />

Er ist dem �Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />

(WSA) nachgebildet und umfasst maximal 350 Mitglieder<br />

(seit der Osterweiterung 2004 hat der AdR<br />

317 Mitglieder), die vom Rat auf Vorschlag der jeweiligen<br />

Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit<br />

auf vier Jahre ernannt werden (anders als beim WSA<br />

zuzüglich einer gleichen Anzahl von Stellvertretern).<br />

Wiederernennung ist zulässig. Eine gleichzeitige<br />

Mitgliedschaft im Europäischen Parlament ist<br />

ausgeschlossen. Die AdR-Mitglieder sind an keine<br />

Weisungen gebunden und sollen ihre Tätigkeit in<br />

voller Unabhängigkeit zum Wohle der Gemeinschaft<br />

ausüben.<br />

In der Regierungskonferenz zum Vertrag von Nizza<br />

wurde folgende Sitzverteilung im AdR der um 10<br />

Staaten erweiterten EU vorgesehen: Deutschland,<br />

VereinigtesKönigreich,FrankreichundItalienje24,<br />

SpanienundPolenje21,Niederlande,Griechenland,<br />

Tschechische Republik, Belgien, Ungarn, Portugal,<br />

Schweden, Österreich je 12, Slowakei, Dänemark,<br />

Finnland, Irland und Litauen je 9, Lettland, Slowenien<br />

und Estland je 7, Zypern und Luxemburg je 6,<br />

Malta 5; insgesamt mithin 317 Mitglieder. Für die<br />

Beitrittskandidaten Rumänien sind 15, für Bulgarien<br />

12 Sitze vorgesehen.<br />

Vondendeutschen24AdR-Sitzensindderzeit16auf<br />

die Bundesländer vergeben, 5 Sitze werden von den<br />

Bundesländern im Rotationsverfahren wahrgenommen,<br />

3 sind an die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände<br />

verteilt. Seit dem Vertrag von Nizza<br />

2001/03 können nur noch Vertreter regionaler oder<br />

lokaler Gebietskörperschaften Mitglied werden, die<br />

entwedereinaufWahlenberuhendesMandatineiner<br />

regionalenoderlokalenGebietskörperschaftinnehaben<br />

oder gegenüber einer gewählten Versammlung<br />

politisch verantwortlich sind. Mit dem Ende dieses


nationalen Mandates endet automatisch auch die<br />

AdR-Mitgliedschaft; für die verbleibende Amtszeit<br />

wirddannaufgleicheWeiseeinNachfolgerernannt.<br />

Der AdR wird als beratendes Gremium von Rat,<br />

Kommission oder auch vom Europäischen Parlament<br />

in der Regel dann angehört, wenn regionale,<br />

insbes.auchgrenzüberschreitendeInteressenbetroffen<br />

sind. Ziel des AdR ist es gewissermaßen, die europäischen<br />

Organe und die EU-Regionen durch einen<br />

„direkten Draht“ zu verbinden. Erfahrungen und<br />

InteressenderRegionensollenunmittelbarindeneuropäischen<br />

Entscheidungsprozess einfließen. Insoweit<br />

ist der AdR Teil des �Subsidiaritätsprinzips,<br />

durchdieBeteiligungderregionalenundlokalenGebietskörperschaften<br />

soll die EU weiter zum �„Europa<br />

der Bürger“ ausgebaut werden. Inwieweit dies<br />

dem AdR gelingt bzw. inwieweit er möglicherweise<br />

„Feigenblatt“-Funktion hat, kann unterschiedlich<br />

beurteilt werden. Die vertragliche Einstufung als<br />

bloßes „Neben-Organ“ ohne Klagebefugnis vor dem<br />

EuGH sprach bislang eher für Letzteres. Allerdings<br />

kann das Ausmaß des Einflusses im europäischen Institutionengefüge<br />

nur schwer abstrakt beurteilt werden.<br />

Zur politischen Stärkung des AdR sieht der EU-<br />

Verfassungsvertrag 2004 (vgl. Art. I-11 Abs. 3 und<br />

Art. I-32) jedenfalls vor, dass der Ausschuss zukünftig<br />

�Subsidiaritätsklage gem. dem NichtigkeitsverfahrendesArt.III-365VVE<br />

erhebenkann. J. M. B.<br />

Anschrift: Rue Belliard, 101 B–1040 Brüssel<br />

Internet: www.cor.eu.int<br />

Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV),<br />

COREPER<br />

1. Begriffserklärung: Der AStV, häufig nach seiner<br />

französischen Abkürzung auch COREPER (Comité<br />

des Représentants Permanents) genannt, ist die<br />

wichtige mittlere Funktionsebene des Rates der EU<br />

und gehört zu den einflussreichsten Gremien der<br />

Union.EristdasNadelöhr(„filtreunique“)zwischen<br />

der technischen Vorbereitungsphase der Rechtsetzung<br />

und Beschlussfassung des Rates der EU auf<br />

Gruppenebene einerseits und der politischen Entscheidungsebene<br />

des Ministerrates andererseits.<br />

DemAStVarbeitenca.200Arbeitsgruppenzu;erbereitet<br />

unmittelbar die Arbeit der neun Fachministerräte<br />

vor.<br />

Der AStV hat zwei gleichberechtigte Teile: den<br />

AStV II, dem die Ständigen Vertreter der 25 Mitgliedstaaten<br />

im Rang von Botschaftern angehören,<br />

Ausschuss der Ständigen Vertreter<br />

und den AStV I mit den Vertretern der Botschafter.<br />

Im Falle von Deutschland ist der Botschafter stets ein<br />

Angehöriger des Auswärtigen Amts, sein Vertreter<br />

traditionell ein Ministerialdirigent aus dem Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und Arbeit. Anders als<br />

beiderArbeitineinigendervorangeschaltetenGruppen<br />

und der sich an die AStV-Beratung anschließenden<br />

Befassung der Ministerräte reisen zu den<br />

AStV-Sitzungen keine Vertreter aus den nationalen<br />

Hauptstädten an.<br />

Der AStV II befasst sich überwiegend mit außenoder<br />

außenhandelspolitischen Problemen, haushalts-<br />

und währungspolitischen Fragen, Themen aus<br />

dem Bereich Innen- und Justizpolitik sowie institutionellen<br />

Fragen (Vorbereitung der Ratsformationen<br />

„Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“,<br />

„Wirtschaft und Finanzen“, „Justiz und Inneres“).<br />

Teil I widmet sich mehr Fragen des Binnenmarkts<br />

und stärker technischen und wirtschaftlichen<br />

Themen (Vorbereitung der übrigen Ratsformationen).<br />

Die Zuständigkeitsregelung kann jederzeit bei<br />

wechselnder Arbeitsbelastung geändert werden.<br />

2. Historische Entwicklung und Rechtsgrundlage:<br />

Schon die �EGKS hatte seit 1953 einen Koordinierungsausschuss,deringewisserWeiseVorläuferdes<br />

AStV gewesen ist. Mit Ratsbeschluss vom 25. 1.<br />

1958 wurde der AStV als ratsinterne Instanz eingesetzt.<br />

Einen Tag später nahm er seine Arbeit auf. Die<br />

fortlaufendeZählungderordentlichenTagungendes<br />

AStV liegt inzwischen bei über 2000.<br />

Bereits kurze Zeit nach Einrichtung des AStV wurde<br />

deutlich, dass das Gremium die gestellten Aufgaben<br />

wegen Überlastung nicht zügig erfüllen konnte. Seit<br />

1960 bereitet ein �Sonderausschuss Landwirtschaft<br />

(SAL) mit hochrangigen Experten aus den Hauptstädten<br />

die Beschlüsse des Rates auf dem Gebiet der<br />

Landwirtschaft vor (im AStV verblieben die Fischereipolitik<br />

sowie Agrarfragen mit finanziellen, institutionellen<br />

oder die Beziehungen zu Drittländern berührenden<br />

Auswirkungen). Anfang 1962 wurde der<br />

AStV I gegründet. Rechtliche Grundlage des AStV<br />

ist Art. 207 EGV, seine Aufgaben definieren Art. 19<br />

und 20 der Geschäftsordnung des Rats. Im Rahmen<br />

der Organgewalt des Rates entstanden, verfügt er<br />

nicht über eine eigene Geschäftsordnung. In der Praxis<br />

werden jedoch zahlreiche Vorschriften der Geschäftsordnung<br />

des Rates analog angewendet. Die<br />

Bestimmungen über Fristen, Aufstellung der Tagesordnung<br />

und Sprachenregime sind allerdings nur un-<br />

49


Ausschuss der Ständigen Vertreter<br />

ter Berücksichtigung der Besonderheiten der Arbeit<br />

des AStV anwendbar. Andere Bestimmungen, wie<br />

die Übertragung des Stimmrechts (Art. 11 Abs. 3<br />

GO), sind überhaupt nicht anwendbar.<br />

3. Tätigkeit: Die Ständigen Vertreter haben als Repräsentanten<br />

der Mitgliedstaaten deren Interessen<br />

wahrzunehmen. Sie sind an die Weisungen ihrer Regierungen<br />

gebunden. Dennoch ist der AStV kein<br />

Gremium, wo ausschließlich nationalstaatliche Interessengegensätze<br />

ohne Rücksicht auf Gemeinschaftsbelange<br />

ausgetragen werden. Die kontinuierliche<br />

und enge Zusammenarbeit der Ständigen Vertreter<br />

im AStV, der gemeinsame Wohnsitz in Brüssel<br />

mit engen außerdienstlichen Kontakten, ihre langjährige<br />

Beschäftigung mit Fragen der Gemeinschaft<br />

geben dem AStV einen einzigartigen Charakter. Er<br />

verfügt über einen ausgeprägten Corpsgeist und<br />

zeigt eigene Identität gegenüber den Hauptstädten.<br />

SelbstsolcheStändigenVertreter,dieaneinerrelativ<br />

straffen „Weisungsleine“ ihrer Regierung geführt<br />

werden, können sich dem gruppendynamischen<br />

Zwang zum Kompromiss und Aufeinanderzugehen<br />

– für den AStV kennzeichnend – nicht völlig entziehen.<br />

Insofern hat der AStV neben seinem Charakter<br />

als Gremium partikularer Interessen der Mitgliedstaaten<br />

auch starke unitarische Elemente.<br />

BeideTeiledesAStVtageninderRegeleinmalinder<br />

Woche, zunehmend auch öfter. Zu speziellen Themen<br />

oder vor Ratstagungen werden auch Sondertagungen<br />

des AStV angesetzt. Vorsitzender ist in halbjährlicher<br />

Rotation der Botschafter (im AStV I sein<br />

Vertreter) des Landes, das die Präsidentschaft im Rat<br />

innehat. Die Kommission beteiligt sich an den Beratungen<br />

des AStV analog Artikel 5 Abs. 2 GO-Rat.<br />

Die Verhandlungen werden auf Grund langjähriger<br />

Praxis in den Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch<br />

geführt, wobei in der Regel zwischen diesen<br />

dreiSprachengedolmetschtwird.InFällen,dieinder<br />

Geschäftsordnung des Rates festgelegt sind, kann<br />

der AStV Verfahrensbeschlüsse fassen. Ansonsten<br />

haterselbstkeineförmlicheEntscheidungsbefugnis,<br />

sondern bereitet materiell die Beschlüsse des Rates<br />

vor. Er bearbeitet die Vorschläge der Arbeitsgruppen.<br />

Strittige Punkte versucht er möglichst zu lösen<br />

oder zumindest soweit zu vermindern, dass sich die<br />

Minister auf wenige Probleme mit politischer Dimension<br />

konzentrieren können. Sind die Vorarbeiten<br />

der Gruppe unzureichend, verweist er die Vorlage<br />

an die Gruppe zurück.<br />

50<br />

Informell vorbereitet wird der AStV II durch enge<br />

Mitarbeiter der Botschafter (sog. Antici-Gruppe).<br />

Entsprechendes gibt es seit einigen Jahren auch für<br />

den AStV I (Mertens-Gruppe).<br />

Die Bedeutung des AStV für die Rechtsetzung der<br />

Gemeinschaft wird besonders am sog. „A-Punkt-<br />

Verfahren“ deutlich. Etwa 80 % aller Entscheidungen,<br />

die der Rat formell beschließen muss, sind bereits<br />

im AStV materiell vorentschieden worden. Der<br />

Rat sanktioniert diese Vorentscheidungen im Vertrauen<br />

auf die Vorbereitung durch den AStV, ohne<br />

sich in der Sache noch mit dem „A-Punkt“ zu beschäftigen.<br />

Die Tendenz, dass der AStV zunehmend<br />

zur eigentlichen Problemlösungsinstanz des Rates<br />

wird,verstärktsichmitkontinuierlicherErweiterung<br />

der Europäischen Union. Wichtigster Grund ist, dass<br />

bei nunmehr 25 Mitgliedstaaten eine echte Problemdiskussion<br />

auf der darüber liegenden Ministerebene<br />

immer schwieriger wird.<br />

4. Kritische Bewertung und künftige Rolle: Mit zunehmender<br />

Aktivität der EU ist auch die Arbeitslast<br />

des AStV über die Jahre gewachsen. Das hat zu immer<br />

längerer Sitzungsdauer bei gleichzeitig abnehmender<br />

Intensität der Beratung geführt.<br />

Am 11. 5. 1992 beschlossen die Außenminister, dass<br />

alledemRatvorgelegtenFragenzunächstaufderTagesordnung<br />

des AStV stehen müssen. Der AStV „hat<br />

alle Aspekte eines Dossiers zu bewerten sowie mögliche<br />

Optionen aufzuzeigen“. Dazu gehören auch die<br />

Fragen der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

und die europäische Zusammenarbeit in den<br />

Bereichen Justiz und Inneres (�ZBJI). In diesen Bereichen<br />

stehen neben dem AStV das �Politische und<br />

Sicherheitskomitee (Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik,<br />

Art. 25 EUV) und der Ausschuss Hoher<br />

Beamter nach Art. 36 EUV (Fragen der Innen- und<br />

Justizpolitik). Beide legen dem Rat formal SchriftstückejedochauchüberdenAStVvor.(Einegewisse<br />

Ausnahme gilt nur für den �Währungsausschuss und<br />

den �Sonderausschuss Landwirtschaft, SAL, der<br />

dem Agrarrat direkt zuarbeitet.)<br />

Angesichts der großen Aufgabenfülle ist immer wieder<br />

von einer erneuten Umorganisation des AStV<br />

und der Gründung eines „AStV III“ die Rede gewesen,<br />

z.B. im Zusammenhang mit der Integration der<br />

�Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in<br />

den einheitlichen institutionellen Rahmen des Vertrags<br />

über die Europäische Union oder im Bereich<br />

Justiz-und Innenpolitik. Diese Pläne sind aber vor al-


lem wegen praktischer Schwierigkeiten bisher nicht<br />

verwirklichtworden. A. P.<br />

Ausschüsse des EP �Europäisches Parlament<br />

Ausschüsse des ESZB<br />

1. Einordnung in das institutionelle Gefüge des<br />

�ESZB: Über ihre Mitwirkung in den ESZB-Ausschüssen<br />

gestalten die nationalen �Zentralbanken<br />

(NZBen) die Tätigkeiten des �Eurosystems und des<br />

Europäischen Systems der Zentralbanken (�ESZB)<br />

aktiv mit. Derzeit gibt es 13 ständige ESZB-Ausschüsse:<br />

die Ausschüsse für Bankenaufsicht, Banknoten,<br />

Geldpolitik, Haushaltsausschuss, Informationstechnologie,<br />

internationale Beziehungen, interne<br />

Revision, Marktoperationen, Öffentlichkeitsarbeit,<br />

Rechnungswesen und monetäre Einkünfte,<br />

Rechtsfragen, Statistik und Zahlungsverkehrssysteme.<br />

Die ESZB-Ausschüsse haben aufgrund ihrer Zusammensetzung<br />

(s. u. 2.) sowie der Vielfalt der dort<br />

behandelten Fragen (s. u. 4.) eine wichtige Rolle bei<br />

der Gestaltung und Ausführung der Aufgaben des<br />

Eurosystems und des ESZB und sind ein lebendiger<br />

Ausdruck des dezentralen Aufbaus des Eurosystems/ESZB.<br />

Eine aktuelle Übersicht der ESZB-Ausschüsse<br />

und deren Vorsitzende findet sich im Jahresbericht<br />

der EZB (www.ecb.int/pub/annual).<br />

2. Rechtsgrundlage und Zusammensetzung: Allgemeine<br />

Rechtsgrundlage für die ESZB-Ausschüsse<br />

ist Art. 9 der EZB-Geschäftsordnung. Danach werden<br />

Ausschüsse eingesetzt, um die Arbeiten des<br />

ESZBzuunterstützen.DieAusschüsseerhaltenhierzu<br />

ein Mandat vom EZB-Rat. Der Haushaltsausschuss<br />

gründet demgegenüber auf Art. 15.2 der EZB-<br />

Geschäftsordnung. Neben den ständigen ESZB-Ausschüssen<br />

kann der EZB-Rat vorübergehend projektbezogene<br />

Arbeitsgruppen nach Bedarf einrichten.<br />

Die Ausschüsse setzen sich in der Regel aus Vertretern<br />

der EZB und der NZBen des Eurosystems (teilnehmende<br />

Mitgliedstaaten) zusammen, die jeweils<br />

hochrangige Experten aus ihren Reihen (i. d. R. ein<br />

Vertreter und eine Begleitperson) in die Ausschüsse<br />

entsenden. NZBen von nicht teilnehmenden Mitgliedsländern<br />

können ebenfalls einen Vertreter benennen,<br />

der an den Ausschusssitzungen teilnehmen<br />

kann, wenn Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich<br />

des �Erweiterten Rats der EZB behandelt<br />

werden. Sie können darüber hinaus zu Sitzungen<br />

eingeladenwerden,wennderVorsitzendeeinesAus-<br />

Ausschüsse des EP<br />

schusses und das Direktorium dies für angebracht<br />

halten. Auch Vertreter aus den Dienststellen der Europäischen<br />

Kommission und anderer Gemeinschaftsinstitutionen<br />

sowie Dritte können bei bestimmten<br />

Angelegenheiten zur Teilnahme an den<br />

Ausschusssitzungen eingeladen werden. Eine Sonderrolle<br />

nimmt der Ausschuss für Bankenaufsicht<br />

ein, dem auch Vertreter der nationalen Aufsichtsbehörden<br />

als permanente Mitglieder angehören. EbenfallseineSonderrollehinsichtlichderZusammensetzung<br />

hat der Haushaltsausschuss, dem ausschließlich<br />

Vertreter der Zentralbanken des Eurosystems<br />

angehören.<br />

Die Vorsitzenden der ESZB-Ausschüsse werden<br />

vom EZB-Rat ernannt. Ihre Aufgabe ist es, in Abstimmung<br />

mit den Ausschussmitgliedern die Tagesordnungen<br />

festzulegen, die Sitzungen zu leiten und<br />

für eine ordnungsgemäße Protokollierung ihrer Ergebnisse<br />

zu sorgen.<br />

3. Generelle Aufgaben und Berichtsweg: Die ESZB-<br />

AusschüssekönnenvomEZB-RatundvomEZB-DirektoriummitderBearbeitungbestimmterFragenim<br />

Rahmen ihres Aufgabenbereichs beauftragt werden.<br />

Da das Hauptziel der Ausschussarbeit darin besteht,<br />

zur Entscheidungsfindung im EZB-Rat – dem obersten<br />

Beschlussorgan des Eurosystems – beizutragen,<br />

berichten die ESZB-Ausschüsse an den EZB-Rat.<br />

Die Berichterstattung erfolgt – mit Ausnahme des<br />

Haushaltsausschusses, der dem EZB-Rat direkt berichtet<br />

– über das EZB-Direktorium, dem die Vorbereitung<br />

der EZB-Ratssitzungen obliegt. Das EZB-<br />

Direktorium kann dem EZB-Rat zu den Ausschusspapieren<br />

eigene Einschätzungen oder Kommentare<br />

vorlegen. Dies gilt nicht notwendigerweise für Vorlagen<br />

des Ausschusses für Bankenaufsicht, wenn er<br />

als Forum für Konsultationen zu Fragen dient, die<br />

nicht mit den im EG-Vertrag und in der ESZB-<br />

SatzungfestgelegtenAufsichtsfunktionendesESZB<br />

zusammenhängen.<br />

Die ESZB-Ausschüsse können eigenständig Arbeits-<br />

oder Projektgruppen mit bedarfsgerechter<br />

Laufzeit einrichten, wenn sie dies für ihre Arbeit als<br />

erforderlich ansehen. Die Arbeits- und Projektgruppen<br />

berichten jeweils direkt an den übergeordneten<br />

Ausschuss. Die Sekretariatsaufgaben der Ausschüsse<br />

übernimmt die EZB.<br />

4. Kernaufgaben der derzeit eingerichteten ESZB-<br />

Ausschüsse: Im Folgenden werden die Aufgaben,<br />

mit denen sich die 13 ständigen ESZB-Ausschüsse<br />

51


Ausschuss für Angelegenheiten der EU<br />

jeweils in erster Linie befassen, kurz beschrieben:<br />

Der Ausschuss für Bankenaufsicht unterstützt das<br />

ESZB bei der gesetzlichen Aufgabe, zur reibungslosen<br />

Durchführung der von den zuständigen Behörden<br />

auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute<br />

und der Stabilität der Finanzsysteme ergriffenen<br />

Maßnahmen beizutragen. Darüber hinaus dient er als<br />

ein wichtiges Konsultationsgremium im Bereich der<br />

internationalen Bankenaufsicht.<br />

DerBanknotenausschussbeschäftigtsichmitFragen<br />

im Zusammenhang mit der Gestaltung, Produktion<br />

und der Ausgabe der Euro-Banknoten in den Mitgliedstaaten<br />

des Euro-Währungsgebiets.<br />

Der Geldpolitische Ausschuss ist verantwortlich für<br />

die regelmäßigen Einschätzungen des Eurosystems<br />

zur gesamtwirtschaftlichen Lage im Eurogebiet. Darüber<br />

hinaus berät er den EZB-Rat in allen strategischen<br />

Fragen im Zusammenhang mit der Festlegung<br />

der einheitlichen Geldpolitik sowie den Aufgaben<br />

der EZB im Rahmen der Wechselkurspolitik der Gemeinschaft.<br />

Der Haushaltsausschuss ist hauptsächlich dafür verantwortlich,<br />

den Jahreshaushaltsplan, den Jahresabschluss<br />

sowie die regelmäßigen Berichte zur Ausgabenentwicklung<br />

zu prüfen und dem EZB-Rat hierzu<br />

eine Stellungnahme abzugeben.<br />

Der Ausschuss für Informationstechnologie widmet<br />

sich Fragen des Einsatzes der Informationstechnologie<br />

innerhalb des Eurosystems/ESZB und im Kontakt<br />

zu externen Institutionen.<br />

DerAusschussfürinternationaleBeziehungenistein<br />

mit hochrangigen Vertretern (in Deutschland Vizepräsident<br />

der Deutschen Bundesbank) besetzter<br />

Ausschuss, der die EZB und das ESZB bei der Wahrnehmung<br />

seiner Aufgaben auf internationalem Gebiet<br />

unterstützt. Hierzu gehören die Zuständigkeiten<br />

der EZB im Bereich der Wechselkurspolitik der Gemeinschaft<br />

und der Außenvertretung des Eurosystems,<br />

die Abstimmung der NZBen bei der Mitarbeit<br />

in internationalen Organisationen und Gremien sowie<br />

Fragen des Europäischen �Wechselkursmechanismus<br />

und weitere in der Satzung bestimmte AufgabenimZusammenhangmitderVerwaltungderWährungsreserven.<br />

Der Ausschuss für interne Revision koordiniert die<br />

Revisionstätigkeiten im ESZB und entwickelt gemeinsame<br />

Revisionsstandards für das Eurosystem/<br />

ESZB.<br />

Der Ausschuss für Marktoperationen unterstützt das<br />

52<br />

Eurosystem bei der Umsetzung der einheitlichen<br />

Geldpolitik, der Ausführung der Wechselkurspolitik,<br />

der Verwaltung der Währungsreserven sowie der<br />

Überwachung des Europäischen Wechselkursmechanismus.<br />

Der Ausschuss für Presse, Information und Öffentlichkeitsarbeit<br />

unterstützt den EZB-Rat bei der Ausgestaltung<br />

der Öffentlichkeitsarbeit der EZB.<br />

Der Ausschuss für Rechnungswesen und monetäre<br />

Einkünfte befasst sich mit dem Rechnungswesen innerhalb<br />

des Eurosystems/ESZB und berät den EZB-<br />

Rat in Fragen der Entstehung und Verteilung der monetären<br />

Einkünfte innerhalb des ESZB.<br />

Der Rechtsausschuss berät den EZB-Rat in allen<br />

Rechtsangelegenheiten entsprechend den im Statut<br />

festgelegten Aufgaben. Hierzu zählen insb. die Konsultation<br />

der EZB zu Vorschlägen für Rechtsakte der<br />

Gemeinschaft und zu Entwürfen für Rechtsvorschriften<br />

von nationalen Behörden im Zuständigkeitsbereich<br />

der EZB.<br />

Der Ausschuss für Statistik unternimmt wichtige<br />

Vorarbeiten bei der Auswahl und Erhebung von statistischen<br />

Daten, die für die Erfüllung der ESZB-<br />

Aufgaben erforderlich sind.<br />

Der Ausschuss für Zahlungs- und Verrechnungssysteme<br />

berät den EZB-Rat bei der Aufsicht über die<br />

Zahlungsverkehrs- und Verrechnungssysteme des<br />

ESZBundunterstütztihnbeiseinerAufgabederFörderung<br />

eines reibungslosen Funktionierens der Zahlungssystemeallgemein.<br />

J. St./I. W.-Sch.<br />

Internet: www.ecb.int./ecb<br />

Literatur:<br />

Europäische Zentralbank: Jahresbericht. Diverse Ausgaben,<br />

Frankfurt a. M.<br />

Dies.: Monatsbericht. Diverse Ausgaben, Frankfurt a. M.<br />

Dies.: Geschäftsordnung der EZB (ABl. EG L 80/2004)<br />

Ausschuss (des Bundestages) für Angelegenheiten<br />

der EU. Die Mitwirkung des Bundestages in<br />

Angelegenheiten der Europäischen Union ist in Art.<br />

23 Abs. 3 GG und im Gesetz über die �Zusammenarbeit<br />

von Bundesregierung und Deutschem Bundestag<br />

in Angelegenheiten der Europäischen Union<br />

(EUZBBG vom 12. 3 1993, BGBl. 1993 I S. 311) geregelt.<br />

Die Bundesregierung gibt vor ihrer Zustimmung zu<br />

europäischen Rechtsetzungsakten dem Bundestag<br />

GelegenheitzurStellungnahme.DieFristwirdsobemessen,<br />

dass dieser ausreichend Gelegenheit hat,<br />

sich mit der Vorlage zu befassen.


NachArt.23Abs.3GGgibteskeineDifferenzierung<br />

der Berücksichtigung wie bei der Stellungnahme des<br />

Bundesrates(Art.23Abs.5GG).DieStellungnahme<br />

des Bundestages ist (lediglich) „zu berücksichtigen“.<br />

Eine „maßgebliche Berücksichtigung“ ist<br />

nichtvorgesehen,aberauchnichterforderlich,dader<br />

Bundestag gegenüber der Bundesregierung keine<br />

abweichenden Zuständigkeiten besitzt.<br />

Der Bundestag hat einen Ausschuss für Angelegenheiten<br />

der Europäischen Union bestellt. Das<br />

EUZBBG sieht vor, dass der Bundestag seinen EU-<br />

Ausschuss ermächtigt, für ihn Stellungnahmen abzugeben.DieskommtinderPraxissehrseltenvor.<br />

Der Bundestag wird ebenso wie der Bundesrat durch<br />

die Bundesregierung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“<br />

über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen<br />

Union, die für die Bundesrepublik Deutschland<br />

von Interesse sein können, informiert. Sie unterrichtet<br />

den Bundestag auch über den wesentlichen<br />

Inhalt und die Zielsetzung, das Verfahren und den<br />

Zeitpunkt der Befassung des Rates. Des Weiteren informiert<br />

sie den EU-Ausschuss über ihre Willensbildung,<br />

den Beratungsverlauf auf der europäischen<br />

Ebene und die Stellungnahmen der anderen MitgliedstaatensowieübergetroffeneEntscheidungen.<br />

In der Praxis kam es in den letzten Jahren immer wiedervor,dassderEU-AusschussdesBundestageserstnachderBefassungdesMinisterratesmiteinemVorhaben<br />

lediglich noch Kenntnis von den Vorgängen<br />

genommen hat. Insoweit übt der Bundestag de facto<br />

nur eine rückwirkende Kontrolle aus.<br />

Bei Inkrafttreten des Verfassungsvertrags 2004<br />

könnte die Bedeutung der Bundestagsstellungnahmen<br />

zunehmen. Denn danach kommt den nationalen<br />

Parlamenten eine bedeutende Rolle bei der Prüfung<br />

der Frage zu, ob die Europäische Union einen Rechtsetzungsvorschlag<br />

im Rahmen ihrer Zuständigkeiten<br />

erlassen hat, oder ob das �Subsidiaritätsprinzip<br />

möglicherweise verletzt ist. Ihnen stünde dann eine<br />

Subsidiaritätsbeschwerde oder Subsidiaritätsklage<br />

zumEuGHzu. H. D.-K.<br />

�Zusammenarbeitsgesetz zwischen Bund und Ländern<br />

(Ausblick); �Konferenz der Europaausschüsse<br />

(COSAC)<br />

Ausschuss (des Deutschen Bundesrates) für<br />

Fragen der Europäischen Union. Vorgänger waren<br />

der Sonderausschuss „Gemeinsamer Markt und<br />

Freihandelszone“ (seit Dez. 1957) bzw. der „Ständi-<br />

Ausschuss für die Sicherheit<br />

ge Ausschuss für Fragen der Europäischen Gemeinschaften“<br />

(seit 1965). Seine heutige Bezeichnung<br />

trägt er seit Gründung der Europäischen Union<br />

(1. 11. 1993). Der Ausschuss berät federführend<br />

Vorschläge der Europäischen Kommission für Verordnungen<br />

und Richtlinien, die Angelegenheiten der<br />

Länder berühren, insbes. in Politikbereichen wie<br />

Landwirtschaft, Dienstleistungen, Kapital- und Zahlungsverkehr,<br />

Visa, Asyl und Einwanderung, Verkehr,<br />

Wettbewerbsregeln. Der Ausschuss prüft Gesetzesvorhaben<br />

der EU auch im Hinblick darauf, ob<br />

die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit<br />

eingehalten werden, sowie darauf, ob eine<br />

Stellungnahme des Bundesrates von der Bundesregierung<br />

gem. Art. 23 Abs. 5 GG „maßgeblich“ zu berücksichtigen<br />

ist.<br />

Ausschuss für Beschäftigung und Arbeitsmarkt<br />

�Beschäftigungsausschuss<br />

Ausschuss für nichtmilitärische Aspekte des<br />

Krisenmanagements (CivCom). Im Rahmen der<br />

institutionellen Ausgestaltung der �ESVP durch Beschluss<br />

des Rats vom 22. 5. 2000 eingerichtete Arbeitsgruppe<br />

des Rats. Der „Ausschuss“, der gewöhnlich<br />

kurz „CivCom“ (Civil Committee) genannt<br />

wird, verdankt seine besondere Bezeichnung der<br />

hervorgehobenen Bedeutung der nichtmilitärischen<br />

(„zivilen“) Krisenbewältigung für die EU, deren Instrumente<br />

sich über die gesamte Bandbreite der Außenbeziehungen<br />

der EU erstrecken. Die Aufgabe des<br />

Ausschusses besteht v. a. darin, das �Politische und<br />

Sicherheitspolitische Komitee (PSK) durch Informationen<br />

und Empfehlungen in allen nichtmilitärischen<br />

Aspekte des Krisenmanagements einschl.<br />

Operationen zu beraten. Eine besondere Bedeutung<br />

kommt dem Ausschuss bei der Erarbeitung und Umsetzung<br />

der zivilen Fähigkeitsziele der Union zu<br />

(�ESVP). Durch den Austausch von Informationen<br />

und entsprechende Abstimmungsverfahren trägt das<br />

CivCom maßgeblich dazu bei, dass zwischen den<br />

Maßnahmen der Union und denen der Europäischen<br />

Gemeinschaft sowie der Mitgliedstaaten ein möglichst<br />

hohes Maß an �Kohärenz bei der nichtmilitärischenKrisenbewältigungderEUerzieltwird.<br />

U. S.<br />

Ausschuss für die Sicherheit im Seeverkehr<br />

und die Vermeidung von Umweltverschmutzung<br />

durch Schiffe (Committee on Safe Seas and<br />

53


Ausschuss für Sicherheit<br />

the Prevention of Pollution from Ships, COSS),<br />

durch Verordnung 2099/2002 (ABl. L 324/2002)<br />

eingesetzt zur Unterstützung der Europäischen<br />

Kommission.<br />

Ausschuss für Sicherheit, Arbeitshygiene und<br />

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz �Arbeitsschutz<br />

Ausschuss für Sozialschutz (Social Protection<br />

Committee, SPC)<br />

1. Rechtliche Grundlagen: Am 17. 12. 1999 hat der<br />

Rat für Beschäftigung und Sozialpolitik die Einrichtung<br />

einer Expertengruppen „Sozialschutz“ beschlossen,<br />

um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten<br />

und der Kommission zu unterstützen. Diese<br />

Interimsgruppe wurde am 29. 6. 2000 durch Beschluss<br />

des Rates (2000/436/EG) in den „Ausschuss<br />

für Sozialschutz“ (Social Protection Committee –<br />

SPC)übergeführt,derseitdemseineAufgabenwahrnimmt.MitInkrafttretendesVertragesvonNizzaam<br />

1. 2. 2003 wurde dieser Ausschuss in Art. 144 EGV<br />

rechtlich verankert und wird nach einer Vorlage der<br />

Kommission für einen Beschluss des Rates (KOM<br />

2003/305 endg.) verfahrensrechtlich angepasst. Wie<br />

alle anderen Bestimmungen des EGV zur Sozialpolitik<br />

ist Art. 144 unter terminologischer Anpassung<br />

unverändert in den Verfassungsvertrag 2004 übernommen<br />

worden (Art. III-217 VVE).<br />

2. Zusammensetzung und Aufgabe: Der Ausschuss<br />

setzt sich aus jeweils zwei Vertretern pro Mitgliedstaat<br />

auf Beamtenebene und zwei Vertretern der<br />

Kommission zusammen. Nach Vorschlag der Kommission<br />

sollen die Mitgliedstaaten die Geschlechterparität<br />

bei der Zusammensetzung ihrer Vertreter sicherstellen.<br />

Das Ernennungsverfahren ist nicht ausdrücklich<br />

festgelegt. Der Rat setzt nach Anhörung<br />

des Parlaments den Ausschuss ein und entscheidet<br />

dabei entsprechend dem Verfahren nach Art. 205<br />

Abs. 1 EGV mit der Mehrheit seiner Stimmen.<br />

Der Ausschuss wählt einen Vorsitzenden für eine<br />

nicht verlängerbare Amtszeit von zwei Jahren. Der<br />

Vorsitzende wird bei seiner Arbeit vom einem Büro<br />

unterstützt. Die Sekretariatsgeschäfte des Ausschusses<br />

nimmt die Kommission wahr. Der Ausschuss<br />

kann für die Untersuchung spezifischer Fragen Arbeitsgruppen<br />

einsetzen, die ihrerseits zu ihrer Unterstützung<br />

Sachverständige hinzuziehen. Der Ausschuss<br />

hat eine Untergruppe „Indikatoren“ einge-<br />

54<br />

setzt, die mit der Entwicklung von Indikatoren und<br />

Statistiken beauftragt ist, mit deren Hilfe die Fortschritte<br />

der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung<br />

der vereinbarten Ziele gemessen werden<br />

können.<br />

Das SPC hat nach Art. 144 EGV die beratende Aufgabe,<br />

die „Zusammenarbeit im Bereich des sozialen<br />

Schutzes zwischen den Mitgliedstaaten und mit der<br />

Kommission zu fördern.“ Hierzu verfolgt der Ausschuss<br />

die soziale Lage und die Entwicklung der Politiken<br />

im Bereich des sozialen Schutzes in den Mitgliedstaaten<br />

und in der Gemeinschaft, fördert den<br />

Austausch von Informationen, Erfahrungen und bewährten<br />

Verfahren, arbeitet auf Ersuchen des Rates<br />

oderderKommissionodervonsichausinseinemZuständigkeitsbereich<br />

Berichte aus, gibt Stellungnahmen<br />

ab oder wird auf andere Weise tätig und stellt geeignete<br />

Kontakte zu den Sozialpartnern her. Gemäß<br />

seinem Mandat verfolgt der Ausschuss die Ziele, dafür<br />

zu sorgen, „dass Arbeit sich lohnt und das Einkommen<br />

gesichert ist“, „dass die Renten sicher und<br />

dieRentensystemelangfristigfinanzierbarsind“,die<br />

„soziale Eingliederung“ gefördert und eine „qualitativ<br />

hochwertige und langfristig finanzierbare Gesundheitsversorgung“<br />

gesichert werden.<br />

Die grundlegenden sozialpolitischen Leitlinien und<br />

Indikatoren werden von der Kommission formuliert<br />

und dem Rat für Arbeit und Sozialfragen zur Beschlussfassung<br />

vorgelegt, nachdem diese Kommissionsvorschläge<br />

zuvor zwei parallele Beratungsverfahren<br />

durchlaufen haben. Im Ausschuss für Sozialschutz<br />

werden die Vorschläge der Kommission und<br />

die Standpunkte der nationalen Regierungen inhaltlich<br />

beraten. Parallel hierzu durchlaufen die Vorschläge<br />

das formelle reguläre Ratsverfahren, d. h. sie<br />

werden über die Gruppe Sozialfragen des Rates an<br />

die Gruppe der Ständigen Vertreter zur Stellungnahme<br />

weitergeleitet und von dort dem Ministerrat zur<br />

Beschlussfassung vorgelegt. An den Beratungen des<br />

Ausschusses sind Vertreter der nationalen Sozialministerien<br />

beteiligt, die darüber entscheiden, ob und<br />

inwieweit andere Akteure in die nationalen Abstimmungsprozesse<br />

eingebunden werden. Der Ausschuss<br />

legt einen jährlichen Bericht vor und gibt regelmäßig<br />

Stellungnahmen zu Instrumenten der EU-<br />

Politik und ihren Auswirkungen im Bereich Sozialschutz<br />

ab.<br />

3. Inhaltliche Arbeit des Ausschusses: Die Arbeit des<br />

Ausschusses ist im Wesentlichen auf das vom Euro-


päische Rat von Lissabon 2000 vorgegebene strategische<br />

Ziel ausgerichtet, „die Union zum wettbewerbsfähigsten<br />

und dynamischsten wissensbasierten<br />

Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“. Seitdem<br />

wird den Arbeiten in den Bereichen „Bekämpfung<br />

von Armut und sozialer Ausgrenzung“ sowie<br />

„Gewährleistung angemessener und nachhaltiger<br />

Renten“ höchste Priorität eingeräumt.<br />

Der Ausschuss ist zusammen mit den Ausschüssen<br />

für Wirtschaftspolitik und für Beschäftigungspolitik<br />

einer der Akteure der �Offenen Koordinierungsmethode<br />

in der Sozialpolitik. Im Rahmen dieser Methode<br />

haben die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne<br />

zur Förderung der sozialen Eingliederung und nationale<br />

Rentenstrategieberichte vorzulegen, auf deren<br />

GrundlageKommissionundRateinengemeinsamen<br />

Bericht erstellen. Wesentliche Elemente der offenen<br />

Koordinierungsmethode im Bereich „soziale Eingliederung“<br />

sind die auf der Tagung des Rates in Nizza<br />

2000 verkündeten Ziele bei der Bekämpfung der<br />

Armut und der sozialen Ausgrenzung, die entsprechenden<br />

nationalen Aktionsprogramme, die regelmäßige<br />

Evaluation, die gemeinsamen Indikatoren<br />

als Überwachungsinstrumente der Fortschritte und<br />

zum Vergleich bewährter Verfahren sowie das Aktionsprogramm<br />

der Gemeinschaft zur Förderung der<br />

Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. Maßnahmen<br />

zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und zur<br />

Modernisierung des sozialen Schutzes kann der Rat<br />

mit qualifizierter Mehrheit annehmen, soweit es sich<br />

nicht um die klassischen Bereiche der SozialversicherungunddessozialenSchutzesderArbeitnehmer<br />

handelt.<br />

Das SPC hat im Oktober 2001 einen Bericht über Indikatoren<br />

im Bereich Armut und soziale Ausgrenzung<br />

vorgelegt. Ende 2001 hat die Gemeinschaft ein<br />

Aktionsprogramm (Laufzeit 2002 – 2006) zur Zusammenarbeit<br />

der Mitgliedstaaten bei der BekämpfungdersozialenAusgrenzungvorgelegt(Beschluss<br />

1411/2001).<br />

ImBereichder„Renten“hatderEuropäischeRatvon<br />

Lissabon eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten<br />

gefordert zwecks „Entwicklung des Sozialschutzes<br />

in Langzeitperspektive“. In Zusammenarbeit<br />

mit dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik<br />

befasst sich das SPC mit der Tragfähigkeit der Altersversorgungssysteme<br />

auf der Grundlage der 2001<br />

vorgelegten nationalen Strategieberichte und des gemeinsamen<br />

Berichts von Rat und Kommission. Der<br />

Ausschuss für Wirtschaftspolitik<br />

Europäische Rat in Göteborg 2001 hat vor dem Hintergrund,<br />

wie den Herausforderungen einer alternden<br />

Gesellschaft begegnet werden kann, gefordert,<br />

politische Leitlinien im Bereich des Gesundheitswesens<br />

und der Altenpflege auf EU-Ebene festzulegen.<br />

Den Mitgliedstaaten wurde ein Fragebogen übermittelt,<br />

um die Fragen der Zugänglichkeit, der Qualität<br />

und der finanziellen Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme<br />

zu prüfen. Auf dessen Grundlage hat der<br />

Ausschuss einen Zwischenbericht über Qualität und<br />

Tragfähigkeit der Altersversorgungssysteme vorgelegt,<br />

der im Frühjahr 2004 vom Europäischen Rat in<br />

Brüssel gebilligt wurde. Danach sind gem. dem Subsidiaritätsprinzip<br />

weiterhin die Mitgliedstaaten für<br />

die Gestaltung und Verwaltung der Altersversorgungssysteme<br />

verantwortlich, während die EU eine<br />

Rolle im Hinblick auf die Förderung der Zusammenarbeit<br />

spielt.<br />

Im Bereich „Arbeit lohnend machen“ hat der Ausschuss<br />

für Sozialschutz Ende 2002 ein Strategiepapier<br />

vorgelegt, das sich mit der Frage befasst, wie die<br />

politischen Herausforderungen bewältigt werden<br />

können, die sich im Zusammenhang mit der Forderung<br />

stellen, Arbeit lohnend zu machen und für sichere<br />

Einkommen zu sorgen. Hierbei geht es um die<br />

Zusammenhänge zwischen Sozialschutz und Beschäftigung.<br />

In dem Arbeitsschwerpunkt arbeitet der<br />

Ausschuss eng mit dem Beschäftigungsausschuss<br />

und dem Ausschuss für Wirtschaftspolitik zusammen.<br />

U. M.<br />

Internet: http://europa.eu.int/comm/employment_social/social_protection_commitee/index_de.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Stärkung der sozialen Dimension<br />

der Lissabonner Strategie: Straffung der offenen Koordinierung<br />

im Bereich Sozialschutz. Mitteilung KOM (2003) 261<br />

vom 27. 5. 2003<br />

Brusis, M.: Die soziale Dimension im Verfassungsvertrag.<br />

CAP/Bertelsmann Stiftung, November 2004<br />

Busse, R.: Anwendung der „offenen Methode der Koordinierung“<br />

auf die europäischen Gesundheitswesen. In: G+G<br />

Wissenschaft 2/2002, 2. Jg., S. 7–14<br />

Ausschuss für Wirtschaftspolitik (Wirtschaftspolitischer<br />

Ausschuss, WPA)<br />

1.Allgemeines:DerinArt.272EGAbs.9vorgesehene<br />

Ausschuss für Wirtschaftspolitik (WPA) ist ein<br />

Gremium, das neben dem Wirtschafts- und Finanzausschuss<br />

(WFA) die Arbeit des �Ecofin-Rates vorbereitet.<br />

Der WPA wurde vom Rat mit Entscheidung<br />

vom 18. 2. 1974 errichtet (74/122). Er übernahm<br />

55


Ausschuss für Wirtschaftspolitik<br />

sämtliche Aufgaben, die bis dahin vom Ausschuss<br />

für mittelfristige Konjunkturpolitik, vom Ausschuss<br />

für Haushaltspolitik und vom Ausschuss für mittelfristige<br />

Wirtschaftspolitik wahrgenommen wurden.<br />

Mit dem Eintritt in die dritte Stufe der �Wirtschaftsund<br />

Währungsunion (WWU) – dem 1. 1. 1999 – war<br />

aufgrund des veränderten Kompetenzgefüges eine<br />

institutionelle Anpassung des WPA notwendig geworden.<br />

Der Rat gab dem WPA daher eine neue Satzung<br />

(2000/604, Abl. L 257/2000), die anlässlich der<br />

EU-Osterweiterung geändert wurde (2003/475, Abl.<br />

L 158/2003).<br />

2. Zusammensetzung und Organisation: Jeder Mitgliedstaat,<br />

die Kommission und die Europäische<br />

Zentralbank entsenden jeweils zwei Mitglieder in<br />

den WPA, die aus dem Kreis hoher Beamter auszuwählen<br />

sind und eine herausragende Sachkompetenz<br />

in der Wirtschafts- und Strukturpolitik aufweisen<br />

müssen. In der Rechtspraxis gehören die Vertreter<br />

der Mitgliedstaaten den nationalen Wirtschafts- und<br />

Finanzministerien oder den nationalen �Zentralbanken<br />

an. Die Mitglieder des Ausschusses sind auf die<br />

allgemeinen Interessen der Gemeinschaft verpflichtet.<br />

Der Ausschuss wählt aus dem Kreis seiner Mitglieder<br />

einen Präsidenten und bis zu drei Vizepräsidenten<br />

für eine Amtszeit von zwei Jahren. Der PräsidentvertrittdenAusschussgrundsätzlichnachaußen<br />

und unterhält die Beziehungen zum Europäischen<br />

Parlament.<br />

Jedes Mitglied hat im Ausschuss eine Stimme. Bei<br />

Fragen aber, die in eine Maßnahme des Rates münden<br />

können, dürfen die Mitglieder aus den Zentralbanken<br />

und der Kommission nur an der Beratung,<br />

nicht an der Abstimmung teilnehmen, damit das institutionelle<br />

Gleichgewicht gewahrt bleibt.<br />

Der Ausschuss hat sein Sekretariat bei der Kommission,<br />

die den Sekretär nach Anhörung des Ausschusses<br />

ernennt. Der Sekretär unterliegt für diesen Zuständigkeitsbereich<br />

den Weisungen des WPA. In der<br />

Rechtspraxis ist der Sekretär des WPA zugleich Sekretär<br />

des WFA. Wie der WFA kann auch der WPA<br />

Unterausschüsse oder Arbeitsgruppen einsetzen sowie<br />

Sachverständige zur Unterstützung heranziehen.<br />

Die Beratungen im Ausschuss sind grundsätzlich<br />

vertraulich; Berichte und Stellungnahmen des Gremiums<br />

werden hingegen in der Regel der Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht, nachdem sie dem Empfänger<br />

übermittelt wurden.<br />

56<br />

3. Aufgaben: Dem WPA kommt die Aufgabe zu, die<br />

Arbeit des Rates zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik<br />

der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft<br />

(mit-)vorzubereiten.ErberätinsofernauchdieKommission.<br />

Dieser Aufgabenbereich überschneidet<br />

sich funktionell mit dem des �AStV (COREPER)<br />

und insbes. dem des WFA. Nach seiner Satzung<br />

wirktderWPAdurchwirtschaftlicheAnalysen,StellungnahmenzudenMethodenundAusarbeitungvon<br />

Entwürfen für wirtschaftspolitische Empfehlungen<br />

an der Vorbereitung der Arbeit des Rates mit. Der<br />

Schwerpunkt der Arbeit des WPA liegt dabei auf der<br />

�Strukturpolitik. Er soll strukturelle Maßnahmen<br />

vorschlagen, um das Wachstumspotential und die<br />

Beschäftigung in der Gemeinschaft zu steigern. Der<br />

WPA konzentriert sich dabei auf das Funktionieren<br />

des Güter-, Kapital-, Dienstleistungs- und Arbeitsmarktes,<br />

auf die Rolle und Leistungsstärke des öffentlichen<br />

Sektors und langfristige Stabilität der öffentlichen<br />

Finanzen sowie auf die Auswirkung spezifischer<br />

Maßnahmen auf die Wirtschaft insgesamt.<br />

Auf diesen Gebieten wirkt der WPA beim Verfahren<br />

der multilateralen Überwachung nach Art. 99<br />

Abs. 3 EG mit und unterstützt den Rat bei der Festlegung<br />

der Grundzüge der Wirtschaftspolitik. In diesem<br />

Zusammenhang beobachtet er die Wirtschaftspolitik<br />

der einzelnen Mitgliedstaaten, vor allem im<br />

Hinblick auf Strukturreformen in den Mitgliedstaaten.<br />

In der Praxis veröffentlicht der WPA hierzu Jahresberichte.NichtzuletztwirdderAusschussvonder<br />

Kommission zu dem maximalen Steigerungssatz bei<br />

den nichtobligatorischen Ausgaben im Gesamthaushaltsplan<br />

der Europäischen Union angehört, wie<br />

nach Art. 272 EG vorgesehen.<br />

DerWPAunterstütztauchdenWFA,derdemRatnäher<br />

steht, bei seiner Arbeit. Der WPA soll für den<br />

WFA insbes. die kurz- und mittelfristigen makroökonomischen<br />

Entwicklungen in den Mitgliedstaaten<br />

und in der Gemeinschaft analysieren. Er nimmt<br />

dabei zur Wechselwirkung zwischen Strukturpolitik<br />

und makroökonomischer Politik sowie der Lohnentwicklung<br />

in den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft<br />

Stellung. Darüber hinaus wirkt der WPA im<br />

Rahmen des Beschäftigungstitels des EGV an der<br />

Arbeit des Rates mit. Insofern überschneidet sich<br />

sein Zuständigkeitsbereich auch mit dem des �AusschussesfürSozialschutz.Außerdemkoordiniertder<br />

WPA den �makroökonomischen Dialog, der auf<br />

fachlicher Ebene zwischen den Vertretern des Aus-


schusses, des WFA, des Beschäftigungsausschusses,<br />

der Kommission und der Sozialpartner stattfindet.<br />

4. WPA und Organisationsstruktur der EU: Der<br />

WPA steht mit seinen vielfältigen institutionellen<br />

Beziehungen beispielhaft für die Komplexität der<br />

Organisationsstruktur der Europäischen Union. Sie<br />

hat einen so hohen Grad erreicht, dass es für den außenstehenden<br />

Betrachter bei vielen Rechtsakten<br />

nicht mehr oder kaum noch nachvollziehbar ist, wo<br />

die tatsächliche Sachentscheidung fällt. Auch wenn<br />

der Rat formal beschließt, sind derartige Entscheidungsstrukturen<br />

mit den Anforderungen des Rechtsstaats-<br />

und Demokratieprinzips an ein transparentes<br />

Verfahren nur schwer vereinbar. Aus diesem Befund<br />

folgt der Auftrag, die demokratische Rückbindung<br />

an die Völker Europas durch entsprechende Anpassungen<br />

der Organisationsstruktur der Europäischen<br />

Unionstetigzustärken. U. P.<br />

Literatur:<br />

Hägele, S./Wessels, W.: Die Eurogruppe und der Wirtschaftsund<br />

Finanzausschuss. Jahrbuch der Europäischen Integration<br />

2000/2001, S. 109<br />

Internet: http://europa.eu.int/comm/economy_finance/epc/<br />

epc_en.htm<br />

Ausschuss für wissenschaftliche und technologische<br />

Forschung (Comité de la Recherche<br />

Scientifique et Technique, CREST ) berät in der EU<br />

denForschungsratunddieEuropäischeKommission<br />

im Bereich Forschung, Technologie und Entwicklung<br />

(FTE). Jeder Mitgliedstaat sowie die EWR-<br />

EFTA-Staaten entsenden je zwei Mitglieder in den<br />

Ausschuss, in der Regel aus den Ministerien, die für<br />

Wissenschaft, Forschung und Technologie zuständig<br />

sind. Es finden sechs bis acht Sitzungen pro Jahr<br />

statt, der Vorsitz und die Festlegung der Themen obliegt<br />

der Kommission. CREST ist beteiligt an der<br />

Festlegung von Leitlinien im FTE-Bereich, an der<br />

Abstimmung der Aktivitäten zwischen Gemeinschaft<br />

und Mitgliedstaaten, an der Evaluierung der<br />

Gemeinschaftsaktivitäten und an der Formulierung<br />

der �Forschungsrahmenprogramme der EU.<br />

Ausschuss Hoher Beamter. Er ist eingesetzt gem.<br />

Art. 36 EUV Abs. 1 zur Koordinierung der Zusammenarbeit<br />

der für die �PJZS zuständigen nationalen<br />

Behörden. Er gibt darüber hinaus von sich aus oder<br />

auf Ersuchen des Rates Stellungnahmen ab und bereitetimBereichderPJZSdieArbeitdesRatesvor.<br />

Ausschuss nach Art. 133<br />

Ausschuss nach Art. 133 EGV (Art. 113 EGV in<br />

der Fassung vom 7. 2. 1992, daher: Hundertdreizehner-Ausschuss).<br />

Die Regelung der Ein- und Ausfuhr<br />

von Waren, Dienstleistungen und Kapital fällt weitestgehend<br />

in die ausschließliche Zuständigkeit der<br />

EG. Diese Gemeinsame Handelspolitik ist nach<br />

einheitlichen Grundsätzen zu gestalten. Der maßgebliche<br />

Art. 133 Abs. 1 EGV nennt in diesem Zusammenhang<br />

ausdrücklich die Änderung von Zollsätzen,<br />

den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen,<br />

die Vereinheitlichung von Liberalisierungsmaßnahmen,<br />

die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischenSchutzmaßnahmenwieetwaAntidumpingzölle.DieVerfahrensvorschriftensehenvor,dassdie<br />

Gemeinsame Handelspolitik von der Kommission<br />

durchgeführt wird. Die dafür notwendigen Entscheidungen<br />

trifft – auf Vorschlag der Kommission – der<br />

Rat mit qualifizierter Mehrheit. Die Zoll- und Handelsabkommen<br />

mit anderen Staaten oder internationalen<br />

Organisationen werden von der Kommission<br />

im Benehmen mit dem Rat ausgehandelt.<br />

Um seine Befugnisse im Rahmen der Gemeinsamen<br />

Handelspolitik wahrzunehmen, hat der Rat einen besonderen<br />

Ausschuss bestellt, der nach der handelspolitischenRechtsgrundlage„133er-Ausschuss“genannt<br />

wird. In dem Ausschuss sitzen Beamte aus den<br />

jeweiligen federführenden mitgliedstaatlichen Ministerien.<br />

Er tritt wöchentlich in Brüssel zusammen<br />

und tagt in der Regel auf der Ebene der stellvertretenden<br />

Mitglieder, d. h. mit den Beamten der Fachebene;<br />

einmal monatlich tritt der Ausschuss mit seinen<br />

Vollmitgliedern, d. h. den für die Handelspolitik verantwortlichen<br />

General- oder Ministerialdirektoren<br />

zusammen. Der Vertreter des Mitgliedstaats, der den<br />

Vorsitz im Rat inne hat, führt auch den Vorsitz im<br />

Ausschuss. Die Kommission ist auf den Sitzungen<br />

durch Beamte der Generaldirektion für Handel und<br />

desJuristischenDienstesvertreten.DieKommission<br />

nimmt an allen Arbeiten des Ausschusses teil und<br />

kann jederzeit seine Einberufung beantragen. Der<br />

Ausschuss hat für einzelne Themen – etwa den Textilhandel<br />

oder handelspolitische Schutzmaßnahmen<br />

– Arbeitsgruppen eingerichtet.<br />

Der 133er-Ausschuss ist das zentrale Lenkungsgremium<br />

für die Gemeinsame Handelspolitik. Neben<br />

den genannten Aufgaben dienen die Sitzungen von<br />

Kommission und Rat dem Informationsaustausch<br />

und der inhaltlichen Abstimmung von Mandaten an<br />

die Kommission für Verhandlungen über Zoll- und<br />

57


Außenbeziehungen<br />

Handelsabkommen mit anderen Staaten und internationalen<br />

Organisationen (zur Erteilung von Verhandlungsrichtlinien<br />

vgl. Art. 8 der Entscheidung<br />

69/494, ABl. L 326/1969).<br />

Eine herausgehobene Bedeutung im institutionellen<br />

Gefüge der EG hat der 133er-Ausschuss auch als Koordinierungsgremium<br />

für das gemeinsame Handeln<br />

in der Welthandelsorganisation (�WTO). Auf Grund<br />

der Mitgliedschaft sowohl der EG als auch der 25<br />

Mitgliedstaaten in der WTO besteht ein erheblicher<br />

Bedarf für die Abstimmung der gemeinsamen Positionen,<br />

die auf WTO-Ebene alleine von der Kommissionvertretenwerden.<br />

F. Sch.<br />

Außenbeziehungen der EU. Schon allein die Größe<br />

der Union in wirtschaftlicher, handelsbezogener<br />

und finanzieller Hinsicht verleiht ihr weltweit eine<br />

großeBedeutung.DieUnionverfügtübereinGefüge<br />

bilateraler und multilateraler Abkommen, das sich<br />

global erstreckt.<br />

1. Bedeutung: Die EU repräsentiert im internationalen<br />

System eine Organisation, die eine die nationalen<br />

Grenzen überschreitende, zwischenstaatliche Politik<br />

praktiziert. Sie ist im internationalen Staatengeflecht<br />

vielfältig wirtschaftlich und politisch vertreten.<br />

Über Zoll-, Handels-, Kooperations- und Assoziierungsabkommen<br />

hat die EU ein dichtes Netz internationalerVerflechtungengeschaffen,diedieAußenbeziehungen<br />

der EU kennzeichnen.<br />

Daneben existiert als zweiter Bereich europäischer<br />

Außenpolitik seit 1970 die �Europäische Politische<br />

Zusammenarbeit (EPZ), die im EU-Vertrag zur �Gemeinsamen<br />

Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)<br />

fortentwickelt wurde (Art.11–28 EUV).<br />

2. Verfahren: Das Außenbeziehungsverfahren (Art.<br />

300 EGV) ist so geregelt, dass die Kommission, ermächtigt<br />

vom Rat, Abkommen aushandelt. Der Rat<br />

beschließt auf Vorschlag der Kommission die Abkommen<br />

mit qualifizierter Mehrheit oder einstimmig(jenachRegelungsbereich).DieBeteiligungdes<br />

Europäischen Parlaments (EP) im Entscheidungsverfahrenistdifferenziert.EineZustimmungspflicht<br />

besteht bei Assoziierungsabkommen, bei Beitritten<br />

in die EU und bei Kooperationsabkommen, die einen<br />

spezifischen institutionellen Rahmen schaffen, finanzielle<br />

Folgen für die EU haben oder die eine Änderung<br />

eines nach dem Verfahren des Art. 251 EGV<br />

angenommenen Rechtsaktes zur Folge haben.<br />

3. Ziele und Formen: Artikel 3 EGV ist die Grundla-<br />

58<br />

ge für das Tätigwerden der EU im Bereich der Außenbeziehungen.<br />

Ziele sind<br />

– eine gemeinsame Handelspolitik gegenüber Drittländern<br />

(einschl. der Errichtung eines gemeinsamen<br />

Außenzollsystems);<br />

– eine Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit;<br />

– die Wahrung gemeinsamer außenwirtschaftlicher<br />

Interessen (Art.131 EGV) und<br />

– die Assoziierung der überseeischen Länder und<br />

Hoheitsgebiete.<br />

Daraus lassen sich folgende Politikbereiche der Außenbeziehungen<br />

ableiten: Außenhandel, Außenhilfe,<br />

Außenpolitik (Entwicklungspolitik und Erweiterung),<br />

Europäische Nachbarschaftshilfe und Humanitäre<br />

Hilfe. Inhaltlich lassen sich die Formen der<br />

Außenbeziehungen der EU kategorisieren nach<br />

Zoll-, Handels-, Kooperations-, Assoziierungsabkommen,<br />

Abkommen über die Erweiterung der EU,<br />

Abkommen im Rahmen der �Entwicklungspolitik<br />

und Abkommen in Politikfeldern der Gemeinschaft,<br />

die eine Außenwirkung haben (z. B. �Umweltpolitik,<br />

�Fischereipolitik).<br />

Die Natur der Außenbeziehungen weist die EU in<br />

erster Linie als wirtschaftlichen Zusammenschluss<br />

aus. Durch das bloße Gewicht ihrer Wirtschaft und<br />

ihrer Befähigung, mit einer Stimme zu sprechen,<br />

wurde sie im Bereich des Welthandels automatisch<br />

in eine Führungsrolle gedrängt.<br />

Die Außenbeziehungen werden von dem fundamentalenGrundsatzdeswohlverstandenenEigeninteresses<br />

bestimmt. Die eigene Wirtschaft der EU kann<br />

sich nur in einer liberalen und multilateral angelegten<br />

Weltwirtschaftsordnung entwickeln. Die EU hat<br />

seit ihrer Gründung ein weit verzweigtes Netz multilateraler,<br />

regionaler und bilateraler Handelsbeziehungen<br />

aufgebaut.<br />

Die Assoziierungspolitik hat sich dabei als zentrales<br />

außenpolitisches Instrument der EU entwickelt.<br />

�AssoziierungenbegründeneinbesonderesVerhältnis<br />

– in Form einer engen Bindung mit Rechten und<br />

Pflichten – unterhalb der Mitgliedschaft zwischen<br />

EU und Drittländern. Der gegenseitige Abbau von<br />

Handelshemmnissen sowie Präferenzen im gegenseitigen<br />

Warenaustausch bilden den Kern der Abkommen.<br />

Sie dienen in Europa ferner dazu, Staaten<br />

an die EU heranzuführen, für die ein EU-Beitritt aus<br />

ökonomischen oder politischen Gründen noch nicht<br />

aktuell ist.


4.DimensionenderAußenbeziehungenderEuropäischen<br />

Union<br />

4.1 Multilaterale Beziehungen der EU mit OECD,<br />

WTO, UN und EFTA<br />

4.1.1 Die EU besitzt in der Organisation für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung<br />

(�OECD) einen Sonderstatus. Sie ist nicht Mitglied<br />

der Organisation, doch die Kommission gibt regelmäßig<br />

im Namen der EU Stellungnahmen zu Themen<br />

ab, die in die Zuständigkeit der Union fallen<br />

oder zu denen die Mitgliedstaaten zuvor einen �Gemeinsamen<br />

Standpunkt festgelegt haben.<br />

4.1.2 Innerhalb der Welthandelsorganisation<br />

(�WTO), vormals �GATT (bis 1995), nimmt die EU<br />

eine Sonderstellung ein. Vertragsparteien der GATT/<br />

WTO-Abkommen sind die Mitgliedstaaten und<br />

nicht die EU als solche. Dennoch hat die Union eine<br />

Reihe von internationalen Übereinkommen unterzeichnet,<br />

die unter der Schirmherrschaft des GATT/<br />

WTO ausgehandelt wurden. Da der Gemeinschaft<br />

mit dem EG-Vertrag die ausschließliche Befugnis<br />

übertragen wurde, in Außenhandelsfragen die Mitgliedstaaten<br />

zu vertreten (Handelspolitik als Gemeinschaftspolitik),<br />

ist sie de facto zu einer Vertragspartei<br />

avanciert mit der Folge, dass die Kommission<br />

allein verhandelt und als Einzige für die Gemeinschaft<br />

und ihre Mitgliedstaaten spricht. Die<br />

Kommission wird dazu vom Rat ermächtigt, der die<br />

Verhandlungsrichtlinien festlegt. Das Europäische<br />

Parlament hat in diesem Fall keine Mitwirkungsrechte<br />

(Art. 133 und Art. 300 Abs. 3 EGV).<br />

Die EU unterhält eine Vielzahl von bilateralen Abkommen<br />

(mit Ländern und Ländergruppen). Nach<br />

dem GATT/WTO-Abkommen müssen Handelsvorteile,<br />

die einem Handelspartner gewährt werden, automatisch<br />

auch allen anderen WTO-Mitgliedern eingeräumt<br />

werden (Prinzip der Meistbegünstigung).<br />

Ausnahmen werden zugelassen, wenn die Handelsvereinbarungen<br />

eine Zollunion (wie EU), eine Freihandelszone<br />

(wie EWR, EFTA) oder Handelspräferenzen<br />

für Entwicklungsländer zum Gegenstand haben.<br />

Im WTO-Prozess ist für die Union die im Jahre 2001<br />

ins Leben gerufene sog. Doha-Runde von großer Bedeutung.<br />

Die in ihrem Rahmen geführten internationalen<br />

Handelsgespräche rücken allgemeine soziale<br />

und politische Ziele bei der Handelsliberalisierung<br />

in den Vordergrund. Nach dem Abbruch der Gespräche<br />

2003 in Cancún sollen die Vorschläge für die<br />

Außenbeziehungen<br />

Entwicklungsziele in den Bereichen Handel, Unterstützung,<br />

Marktzugang und Landwirtschaft Ende<br />

2005 durch eine WTO-Ministerkonferenz (Hongkong)<br />

beschlossen werden.<br />

4.1.3 Bei den Vereinten Nationen hat die EU seit<br />

1974 einen Beobachterstatus. Sie ist in der Vollversammlung<br />

der UN beratend vertreten. Gleiches gilt<br />

für den Wirtschafts- und Sozialrat der UN (Ecosoc),<br />

dem Ausschuss für dauerhafte Entwicklung (CDD),<br />

der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN-<br />

ECE), dem Internationalen Währungsfonds (IWF)<br />

und der Weltbank (IBRD). Im Rahmen der Welthandelskonferenz<br />

der UN (UNCTAD) vereinbarte die<br />

EU Zollpräferenzen für den Import gewerblicher<br />

Waren aus Entwicklungsländern. Die EU-Delegation<br />

ist nach dem Grundsatz des Dualismus besetzt:<br />

Neben den Kommissionsvertretern sitzen Vertreter<br />

des jeweiligen Mitgliedstaates, der die EU-Präsidentschaft<br />

innehat. Ein Großteil der Arbeit der UN<br />

fällt in einen Zwischenbereich, in dem sich die Zuständigkeit<br />

der EU und ihrer Mitgliedstaaten überschneiden.<br />

Durch das Dualismusprinzip wird die Behandlung<br />

von Fragen erleichtert, die an der Grenze<br />

zwischen internationaler Wirtschaftspolitik und Außenpolitik<br />

liegen. Trotz Beobachterstatus hat die EU<br />

mittlerweile als einziger „Nicht-Staat“ über 50 internationale<br />

Übereinkommen mit unterzeichnet (z. B.<br />

1997 das UN-Seerechts-Übereinkommen).<br />

4.1.4 Die Beziehungen zur EFTA bilden eine wesentliche<br />

Säule der EU-Außenbeziehungen. Die EG<br />

schlossindenJahren1972/73mitjedemEFTA-Staat<br />

ein Freihandelsabkommen. 1984 verabschiedeten<br />

EG und EFTA die sog. Luxemburger Erklärung, in<br />

der sie übereinkamen, die Kooperation innerhalb der<br />

Freihandelsabkommen zu intensivieren und einen<br />

�Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu schaffen.<br />

EG und EFTA verhandelten 1990/91 erfolgreich<br />

über das Konzept eines EWR. Der EWR ist seit 1994<br />

wirksam; eingebunden sind die EFTA-Länder Norwegen,<br />

Island und Liechtenstein (jedoch nicht die<br />

Schweiz). Das EWR-Abkommen ist ein Freihandelsabkommen,<br />

das nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit<br />

geschlossen wurde; der Marktzugang wurde<br />

liberalisiert.<br />

4.2 Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen<br />

Ländern<br />

4.2.1 Mitteleuropa. Mit den Umwälzungen in Ostund<br />

Mitteleuropa seit 1989 entwickelte sich für die<br />

EU ein enormer Handlungsbedarf. Da eine Mitglied-<br />

59


Außenbeziehungen<br />

schaft der Staaten in der EU kurzfristig nicht möglich<br />

war, konzentrierten sich die Unterstützungsanstrengungen<br />

der EU auf den Aufbau pluralistischer Demokratien<br />

und marktwirtschaftlich orientierter<br />

Volkswirtschaften; Assoziierungsvereinbarungen<br />

bilden dabei das Kernstück. Inhaltspunkte der Vereinbarungen<br />

mit den jeweiligen Ländern sind:<br />

– die stufenweise Einführung des Freihandels;<br />

– die industrielle, technische und wissenschaftliche<br />

Zusammenarbeit;<br />

– diefinanzielleHilfeüberKreditgewährungenund<br />

– die Institutionalisierung des politischen Dialogs.<br />

Bilaterale Abkommen (�Assoziierungen) wurden<br />

zunächst 1990/91 mit Ungarn, Polen und der damaligen<br />

Tschechoslowakei ausgehandelt. Es folgten<br />

1993 �Europa-Abkommen mit Bulgarien, Rumänien,derTschechischenundSlowakischenRepublik<br />

(als Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei). 1995<br />

folgten Lettland, Estland und Litauen, 1996 Slowenien.<br />

Diese besondere Form der Assoziierungsabkommen<br />

sollte den östlichen Reformstaaten eine<br />

enge und umfassende Zusammenarbeit mit der EU<br />

ermöglichen, und zwar mit dem kurzfristigen Ziel<br />

der Errichtung einer Freihandelszone. Neben der<br />

wirtschaftlichen Anbindung an den Binnenmarkt ist<br />

auch ein ständiger politischer Dialog sowie eine kulturelle<br />

Kooperation vorgesehen.<br />

Die Abkommen beinhalteten eine zehnjährige Übergangszeit<br />

für die Schaffung von Freihandelszonen<br />

und eröffneten den Reformländern ausdrücklich die<br />

Möglichkeit des (2004 vollzogenen) Beitritts<br />

(EU-Mitgliedschaft als Endziel).<br />

Seit 1994 wurde zwischen der EU und den mitteleuropäischen<br />

Staaten im Zuge der �Heranführungsstrategie<br />

ein �strukturierter Dialog auf Ministerebene<br />

geführt. Themenbereiche waren Außenpolitik,<br />

Landwirtschaft, Wirtschafts- und Finanzfragen, Bildung,<br />

Kultur, Umwelt, audiovisuelle Medien, Binnenmarkt,<br />

Forschung, Verkehr, Justiz und Inneres,<br />

Energiewirtschaft und Sozialpolitik.<br />

Mit der Erweiterung (zum 1. 5. 2004) der Union um<br />

Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien,<br />

Tschechien, Ungarn, (Malta und Zypern) und<br />

derBeitrittsperspektivefürRumänienundBulgarien<br />

(2007) war die Strategie erfolgreich.<br />

4.2.2 Osteuropa und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion.<br />

Mit den meisten Ländern der Gemeinschaft<br />

Unabhängiger Staaten (�GUS) wurden Partnerschafts-<br />

und Kooperationsabkommen unter-<br />

60<br />

zeichnet: Ukraine (1994), Russische Föderation<br />

(1994), Moldawien (1994), Kasachstan (1995), Kirgisistan<br />

(1995), Belarus (1995), Armenien (1996),<br />

Aserbaidschan (1996) und Georgien (1996). Die Abkommen<br />

regeln die politischen, wirtschaftlichen und<br />

handelspolitischen Beziehungen zwischen den Vertragspartnern<br />

und schaffen die Grundlage für eine<br />

Zusammenarbeit im sozialen, menschlichen, wissenschaftlichen,<br />

technologischen und kulturellen<br />

Bereich. 1997 vereinbarte der Rat in Anbetracht der<br />

Lage in Belarus, weder das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />

noch das Interimsabkommen<br />

über Handel und Handelsfragen zum Abschluss zu<br />

bringen. Interimsabkommen über Handel und Handelsfragen<br />

wurden 1997 mit Armenien, Georgien,<br />

Kirgisistan und Aserbaidschan unterzeichnet. Mit<br />

den Interimsabkommen werden die handelspolitischen<br />

Teile der Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />

vor deren Ratifizierung in Kraft gesetzt.<br />

Im Rahmen der technischen Hilfe an die GUS-Staatenwurde1991das�TACIS-Programmgeschaffen.<br />

4.3 EU und Entwicklungsländer. Die Beziehungen<br />

zwischen Europa und dem Afrika südlich der Sahara<br />

haben eine lange Tradition. Mit dem Vertrag von<br />

Rom (1957) wurden die Kolonien und überseeischen<br />

Gebiete einiger EWG-Mitgliedstaaten mit der Gemeinschaft<br />

assoziiert. Mit der Entkolonialisierung,<br />

die Anfang der 1960er Jahre begann, wurde diese<br />

Verbindung zu einer Assoziierung zwischen souveränen<br />

Staaten. Die EU verfügt seit 1973 in Form von<br />

Abkommen über ein engmaschiges Netz mit vielen<br />

Entwicklungsländern (�Entwicklungspolitik).<br />

4.3.1 1975 wurde das erste �Lomé-Abkommen mit<br />

46 �AKP-Staaten unterzeichnet. Südafrika ist 1997<br />

„bedingt“ als 71. Staat dem Abkommen beigetreten.<br />

Kernpunkte waren fünf globale Themen: AufwertungderPartnerschaftundStärkungihrerpolitischen<br />

Dimension, Neuausrichtung der Zusammenarbeit<br />

auf ein integriertes Konzept für die Armutsbekämpfung,<br />

Ausbau der Zusammenarbeit in Richtung wirtschaftlicher<br />

Partnerschaft, strengere und selektivere<br />

HandhabungderKooperationsinstrumenteundWeiterentwicklung<br />

der geografischen Differenzierung<br />

unter Wahrung der Geschlossenheit der AKP-Gruppe.<br />

Die EU beteiligte sich ferner an der Initiative des<br />

IWF und der Weltbank zu Gunsten der armen und am<br />

höchsten verschuldeten Länder mit einer außerordentlichen<br />

Hilfe für die hoch verschuldeten AKP-<br />

Staaten.


4.3.2 Das im Juni 2000 in der Hauptstadt Benins unterzeichnete<br />

�Cotonou-Abkommen kennzeichnet<br />

eine neue Phase in der Entwicklungspolitik der EU.<br />

Das Abkommen zwischen der Europäischen Union<br />

und den AKP-Ländern hat als Hauptanliegen die<br />

Förderung und Beschleunigung der wirtschaftlichen,<br />

kulturellen und sozialen Entwicklung der<br />

AKP-Staaten und den Ausbau und die weitere Differenzierung<br />

der Beziehungen zur Union und ihren<br />

Mitgliedstaaten im Geiste der Solidarität und im beiderseitigen<br />

Interesse.<br />

Schwerpunkte der Lomé-Abkommen waren die<br />

Handelsbeziehungen und der Marktzugang: das Cotonou-Abkommen<br />

zielt weiter und führt z. B. neue<br />

Verfahren für den Umgang mit Menschenrechtsverletzungen<br />

ein. Die Union hat den am wenigsten entwickelten<br />

Ländern, von denen 39 das Abkommen<br />

unterzeichnet haben, besondere Handelserleichterungen<br />

gewährt. Seit 2005 können sie nahezu alle Erzeugnisse<br />

zollfrei in die Union einführen.<br />

Afrika hat für die Union oberste Priorität. Das ist das<br />

Fazit des Berichts der Afrika-Kommission 2005.<br />

Die Afrika-Kommission wurde 2004 vom Vereinigten<br />

Königreich ins Leben gerufen. Die Europäische<br />

Kommission und die Kommission für Afrika kommen<br />

zu der gleichen Schlussfolgerung: In und für<br />

Afrika müsste mehr getan werden. Konkret bedeutet<br />

das, dass die Entwicklungshilfe mit einer stärkeren<br />

Mitwirkung der begünstigten Länder selbst einhergehen<br />

sollte. Darüber hinaus wird die Kommission<br />

die europäische Entwicklungspolitik in Zukunft insbes.<br />

auf Afrika ausrichten.<br />

4.3.3 Mit einer Reihe von Ländern Asiens und Lateinamerikas<br />

vereinbarte die EG Mitte der 1970er<br />

Jahre Kooperationsabkommen, in denen insbes. der<br />

Handelsaustausch und Kooperationen in den Bereichen<br />

Industrie und Landwirtschaft festgelegt wurden.<br />

Für die Exporte dieser Länder wurde u. a. das<br />

�Allgemeine Präferenzsystem (APS) geschaffen,<br />

wonach die Exportmöglichkeiten verbessert wurden.ImLaufederJahrewurdedasAPSstrukturellreformiert.<br />

Die EU hat unter Anwendung des Differenzierungsprinzips<br />

den Präferenzzugang abgestuft, da<br />

die konkurrenzfähigeren unter den Lieferländern daran<br />

gehindert werden sollen, ihre schwächeren Rivalen<br />

vom Gemeinschaftsmarkt zu verdrängen.<br />

1997 beschloss z. B. der Rat, die am weitesten fortgeschrittenen<br />

Länder unter den APS-Begünstigten<br />

(Republik Korea, Hongkong/VR China, Singapur)<br />

Außenbeziehungen<br />

von den Ursprungsregeln auszuschließen. Weniger<br />

fortgeschrittene Länder (Bangladesch, Kambodscha,<br />

Laos, Nepal) erhielten andererseits weitere<br />

Vergünstigungen.<br />

4.3.4 Die EU unterhält Beziehungen zu folgenden<br />

regionalen Zusammenschlüssen:<br />

– �ASEAN: politischer Dialog seit 1978; wirtschaftliches<br />

Kooperationsabkommen seit 1980;<br />

– �Golf-Kooperationsrat: Kooperationsabkommen<br />

seit 1988;<br />

– �Andenpakt: Kooperationsabkommen seit 1983;<br />

– Gruppe zentralamerikanischer Staaten (Costa<br />

Rica,ElSalvador,Guatemala,Honduras,Nicaragua,<br />

Panama): Kooperationsabkommen seit 1985;<br />

– �MERCOSUR: Freihandels- und Kooperationsabkommen<br />

seit 1995.<br />

Nicht beteiligt ist die EU an der Nordamerikanischen<br />

Freihandelszone (NAFTA, gegr. 1994: USA, Kanada,<br />

Mexiko) und an der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation<br />

(APEC, gegr.1989: ASEAN und<br />

NAFTA-Staaten, Australien, Chile, Japan, Republik<br />

Korea, Neuseeland, Papua-Neuguinea, China, Taiwan).<br />

Die EU versucht ihrerseits die Beziehungen zu<br />

den Wachstumsregionen Ostasien und Lateinamerika<br />

(insbes. mit dem MERCOSUR) zu festigen. Die<br />

Wirtschaftsbeziehungen mit Ostasien werden über<br />

die Asien-Europa-Treffen (�ASEM) gestärkt. Die<br />

erste Runde erfolgte 1996; sie sollen auf der Ebene<br />

der Staats- und Regierungschefs mindestens alle<br />

zwei Jahre und regelmäßig auf der Ebene der Außenund<br />

Wirtschaftsminister sowie des Asien-Europa-<br />

Wirtschaftsforums fortgeführt werden. Eingebunden<br />

in ASEM sind die EU, die 15 EU-Staaten, die<br />

ASEAN-Mitgliedstaaten und als Einzelstaaten China,<br />

Japan und die Republik Korea.<br />

4.4 Humanitäre Hilfe: Grundlage der �humanitären<br />

Hilfe der EU bildet die seit 1996 wirksame Verordnung<br />

zur Regelung der humanitären Hilfsaktionen<br />

(Verordnung 1257/96, Abl. L 163/1996).<br />

DieEUwirddabeiüberdasAmtfürhumanitäreHilfe<br />

der Europäischen Gemeinschaft (�ECHO) tätig. Mit<br />

der humanitären Hilfe sollen nicht nur die Grundbedürfnisse<br />

der betroffenen Menschen gedeckt, sondern<br />

auch die Spannungen zwischen den Konfliktparteien<br />

abgebaut werden, um eine Zuspitzung der<br />

Krisen zu vermeiden und den baldigen Wiederaufbau<br />

zu ermöglichen.<br />

4.5 Beziehungen zu den Mittelmeerländern und den<br />

Ländern des Nahen Ostens: 1972 legte die Europäi-<br />

61


Außenbeziehungen<br />

sche Kommission erstmals einen Vorschlag für eine<br />

globale Mittelmeerkonzeption (�Mittelmeerpolitik)<br />

vor. Kernstück bildet heute die Europa-Mittelmeer-<br />

Partnerschaft, die seit 1995 existiert. Eingebunden<br />

sind neben den EU-Staaten Algerien, Ägypten, Israel,<br />

Jordanien, Libanon, Malta, Marokko, Palästina,<br />

Syrien, Tunesien, Türkei und Zypern. Die drei Bereiche<br />

der Partnerschaft sind Politik und Sicherheit;<br />

Wirtschaft und Finanzen; soziale, kulturelle und<br />

menschliche Fragen. Zielschwerpunkte sind:<br />

– StärkungdesFriedensprozessesimNahenOsten;<br />

– Zusammenarbeit in sozialen und kulturellen Fragen,wirtschaftlicheKooperation,politischerDialog;<br />

– Schaffung einer Europa-Mittelmeer-Freihandelszone<br />

bis zum Jahr 2010.<br />

Ergänzt wird die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft<br />

durch dezentrale Zusammenarbeit (Abkommen zwischen<br />

der EU und einzelnen Ländern) und sektorbezogene<br />

Europa-Mittelmeer-Konferenzen (z. B. Umweltschutz).<br />

�Europ. Nachbarschaftspolitik (ENP)<br />

Im Rahmen des �MEDA-Programms gewährt die<br />

UniondenMittelmeerländerneinefinanzielleUnterstützung<br />

in Höhe von 5,3 Mrd. Euro (Jahre 2000 –<br />

2006). Ein weiterer Schwerpunkt bildet der Nahostkonflikt,<br />

in dem die Parlamentarische Versammlung<br />

Europa-Mittelmeer (PVEM) vermittelt. Eingebunden<br />

sind EP-Abgeordnete und die Vertreter der zehn<br />

Partnerländer (Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien,<br />

Libanon, Marokko, Palästinenserbehörde, Syrien,<br />

Tunesien und Türkei).<br />

4.6 Beziehungen zu den USA, Japan und anderen Industrieländern:<br />

Die EU ist über die OECD hinaus<br />

durch enge politische und wirtschaftliche Beziehungen<br />

mit den Industrieländern verbunden. Dazu zählen<br />

auch die Treffen (Weltwirtschaftsgipfel) der siebengrößtenIndustrieländer(�G7),beidenendieEuropäische<br />

Union durch den Kommissionspräsidenten<br />

und den jeweiligen amtierenden Ratspräsidenten<br />

vertreten ist. 1997 war die Russische Föderation an<br />

allen Beratungen der G 7 erstmals beteiligt und ist<br />

seit 1998 Mitglied (�G 8).<br />

Die Ziele des Maastrichter Vertrages und deren Realisierung<br />

(insbes. Wirtschafts- und Währungsunion)<br />

verändern die Gewichte in der Kooperation zwischen<br />

den USA und der EU. Dies führte 1990 zur Unterzeichnung<br />

der �Transatlantischen Erklärung zwischen<br />

den USA und der EG. Sie bekräftigt die Grundsätze<br />

der Partnerschaft und führt institutionelle Konsultationen<br />

ein. Mitte der 1990er Jahre begann der<br />

62<br />

Dialog über eine transatlantische Freihandelszone<br />

zwischen USA und EU, deren Realisierung jedoch<br />

die 1995 geschaffene Welthandelsorganisation<br />

WTO schwächen würde. Daraufhin wurde 1995 die<br />

�„Neue Transatlantische Agenda“ zwischen den<br />

USA und der EU unterzeichnet. Zentrale Ziele der<br />

Agenda sind u. a. die Bewältigung globaler Herausforderungen;<br />

die Fortentwicklung der WTO-Regeln<br />

zur Expansion des Welthandels; die Stärkung der<br />

Verbindungen auf privatwirtschaftlicher Ebene sowie<br />

auf dem Gebiet von Forschung und Technologie<br />

und die Förderung von engen Kontakten zwischen<br />

den Menschen über Austauschprogramme. Eingeführt<br />

wurde z. B. das transatlantische Marktprogramm<br />

(New Transatlantic Marketplace), das Handels-<br />

und Investitionshindernisse beseitigen soll, die<br />

in den unterschiedlichen Rechtssystemen der USA<br />

und EU gründen. Analog zum Binnenmarkt soll das<br />

Prinzip der gegenseitigen Anerkennung in ausgewählten<br />

Bereichen realisiert werden.<br />

Mit Japan vereinbarte die EU 1991 jährliche Gipfeltreffen.<br />

Durch dieses Instrument ist es gelungen, die<br />

Zusammenarbeit auf zahlreiche Gebiete auszudehnen,<br />

so z. B. in den Bereichen Umweltschutz, soziale<br />

Fragen, Telekommunikation, industrieller Dialog,<br />

Wissenschaft und Technik. Im Blickpunkt stehen<br />

mittelfristig seit 1997 die Intensivierung des politischen<br />

Dialogs (einschl. der ASEM-Ebene), ökonomische<br />

Fragen der Deregulierung und Vertriebssysteme<br />

sowie ein Abkommen zur gegenseitigen (Produkt-)Anerkennung.<br />

4.7 Diplomatische Beziehungen: Die EU war 2004 in<br />

122Staatenundbei5internationalenOrganisationen<br />

mit �Delegationen diplomatisch vertreten. Im Gegenzug<br />

waren 165 Staaten durch �Missionen bei der<br />

EU akkreditiert. Die EU wirkt als Organisation bei<br />

mehr als 1 200 internationalen Abkommen (bilateral<br />

wiemultilateral)mit. L. U.<br />

Literatur:<br />

Arnim, J.: Aktuelle Entwicklung der Außenbeziehungen der<br />

EG. Universität Saarbrücken 1993<br />

Ash, T. L.: Freie Welt. Europa, Amerika und die Chance der<br />

Krise. Bonn 2004<br />

Europäische Kommission (Hg.): Die EG als Welthandelspartner<br />

(Außenhandelsbericht). Brüssel 1993<br />

Dies. (Hg.): Europäische Nachbarschaftspolitik. KOM (2004)<br />

373<br />

Fröhlich, St.: Möglichkeiten europäisch-amerikanischer<br />

Kooperation. Sankt Augustin 1997<br />

Weidenfeld, W./Wessels, W. (Hg.): Jahrbuch der Europäischen<br />

Integration. Bonn 1981 ff. (Außenbeziehungen)


Außengrenzen der EU. Seit der Vollendung des<br />

Binnenmarkts mit seinen vier wirtschaftlichen<br />

Grundfreiheiten (Personenverkehr, Warenverkehr,<br />

Dienstleistungsverkehr, Kapitalverkehr), der Verabschiedung<br />

und Umsetzung des �Schengener Abkommens<br />

von 1985 und 1990 zur Abschaffung der<br />

Personenkontrollen an den Binnengrenzen sowie<br />

den Verordnungen zum Abbau von Grenzkontrollen<br />

im Straßen- und Binnenschiffsverkehr von Fahrzeugen<br />

aus einem Mitgliedstaat oder einem Drittland<br />

spielen die Binnengrenzen innerhalb der EU eine immer<br />

geringere Rolle bei der Überprüfung von Sicherheits-<br />

und Rechtsbestimmungen und der Erhebung<br />

von Zöllen und Personenkontrollen. Um so wichtiger<br />

wird die Rolle der Außengrenzen, an die diese<br />

Funktionen verlagert wurden und werden.<br />

Im Bereich des Warenverkehrs werden im Rahmen<br />

der Europäischen Zollunion die im Gemeinsamen<br />

Zolltarif festgelegten Einfuhrzölle für Waren aus<br />

Drittländern an der Stelle erhoben, wo sie in das Gebiet<br />

der EU eingeführt werden. Zölle sind unmittelbar<br />

der EU zustehende Abgaben, die von den nationalen<br />

Zollbehörden erhoben werden. Ebenso findet<br />

hier an den Außengrenzen die Überprüfung der eingeführten<br />

Güter auf ihre rechtliche und tatsächliche<br />

Übereinstimmung mit den Rechtsnormen der EU<br />

bzw. internationalen Vereinbarungen statt (technische<br />

Bestimmungen, Urheberrechtsschutz, Markenschutz,<br />

Artenschutz etc.)<br />

Im Bereich der Personenkontrollen wurde in den<br />

Amsterdamer Vertrag ein Titel „Visa, Asyl, Einwanderung<br />

und andere Politiken betreffend den freien<br />

Personenverkehr“ (Art. 61 – 69 EGV) eingeführt.<br />

Artikel 62 EGV stellt sicher, dass die Personenkontrollen<br />

nur an den Außengrenzen stattfinden. Artikel<br />

62 und 63 Abs. 3 und 4 EGV schaffen die Grundlage<br />

für eine einheitliche Festlegung der Aufenthaltsvoraussetzung<br />

für Nicht-EU-Bürger bei kurz- und längerfristigen<br />

Aufenthalten, für eine Vereinheitlichung<br />

der Außenkontrollen, für die Bekämpfung illegaler<br />

Einwanderung und die Festlegung einheitlicher<br />

Maßstäbe zur Visa-Erteilung. Während die entsprechende<br />

Verordnung 539/2001 (ABl. L 81/2001)<br />

für die gesamte EU einheitlich festlegt, welche<br />

Staatsangehörige ein Visum benötigen, liegt die Einzelfallentscheidung<br />

weiterhin bei den Botschaften<br />

und Behörden der Mitgliedstaaten. Mit Ausnahme<br />

des „Schengen-Visums“, das zu Einreise und Aufenthalt<br />

für bis zu 90 Tagen berechtigt und für dessen<br />

Außengrenzen<br />

Inhaber Freizügigkeit im gesamten Schengen-Gebiet<br />

gilt, beziehen sich die übrigen Visa nur auf das<br />

Gebiet des ausstellenden Staats. Durch die Entscheidung<br />

2001/420 (ABl. L 150/2001) gilt allerdings<br />

auch ein von einem Mitgliedstaat ausgestelltes Visum<br />

für den längerfristigen Aufenthalt als kurzfristiges<br />

Visum im Schengen-Gebiet.<br />

Dieses Schengen-Gebiet ist derzeit nicht mit dem<br />

EU-Gebiet gleichzusetzen. Großbritannien und Irland<br />

sind dem Schengen-Abkommen (noch) nicht<br />

beigetreten, ebenso wenig wie bisher die Beitrittsländervon2004.AndererseitssindNorwegenundIsland<br />

als Mitglieder der Nordischen Union sowie<br />

2005 die �Schweiz, also Staaten, die der EU nicht angehören,<br />

dem Schengener Abkommen beigetreten.<br />

In einer Mitteilung aus dem Jahre 2001 spricht sich<br />

dieEU-KommissionfürdieEinführungder�offenen<br />

Koordinierungsmethode für die Einwanderungspolitikaus.NebenMaßnahmeninDrittländernsiehtder<br />

Vorschlag auch eine Verstärkung der Personenkontrollen<br />

an den Außengrenzen vor.<br />

Besondere Bestimmungen gelten für Asylbewerber,<br />

Flüchtlinge und Vertriebene: Im „Dubliner Übereinkommen“<br />

vom 16. 9. 1990 haben sich die EU-Mitgliedstaaten<br />

darauf geeinigt, dass grundsätzlich nur<br />

einStaatfürdasAsylverfahrenzuständigist,undhier<br />

wurden die Regeln für die Bestimmung des zuständigen<br />

Staates festgelegt. Eine Richtlinie über MindestnormenfürAsylverfahrenindenMitgliedstaatenaus<br />

dem Jahre 2004 (Asylverfahrensrichtlinie 2004/83,<br />

Abl. L 304/2004) definiert einige zentrale Begriffe<br />

wie Genfer Konvention, Asylantrag, Familienangehöriger,<br />

Flüchtling u. a. Sie regelt verschiedene Garantien,<br />

die die Mitgliedstaaten den Asylbewerbern<br />

in Bezug auf die Aufnahme gewähren müssen, stellt<br />

es ihnen aber frei, günstigere Aufnahmebedingungen<br />

zu gewähren. Außerdem enthält sie Regeln zur<br />

Zusammenarbeit und zum Erfahrungsaustausch.<br />

Im Dezember 1992 wurde ein „Informations-, Reflexions-<br />

und Austauschzentrum für Fragen im Zusammenhang<br />

mit dem Überschreiten der Außengrenzen<br />

und der Einwanderung“ (�CIREFI, Centre for Information,<br />

Discussion and Exchange on the Crossing of<br />

Frontiers and Immigration) errichtet, das u.a. die<br />

Aufgabe hat, Informationen über legale und illegale<br />

Zuwanderung, insbes. die Einschleusung von Ausländern<br />

sowie Maßnahmen der Grenzbehörden zu<br />

sammeln und zu analysieren. Das CIREFI tritt monatlich<br />

zusammen. Es besteht aus fachkundigen Ver-<br />

63


Außenhandelspolitik<br />

tretern der Mitgliedstaaten und erstattet dem Rat<br />

jährlich Bericht. Im Mai 1999 wurde im Rahmen des<br />

CIREFI ein Frühwarnsystem zur Übermittlung von<br />

Informationen über die illegale Zuwanderung und<br />

die Schleuserkriminalität geschaffen. Bei ersten Anzeichen<br />

für illegale Zuwanderung bzw. Schleuserkriminalität<br />

und neuen Tendenzen in diesen Bereichen<br />

hat es sofort die nötigen Informationen zu übermitteln.<br />

Durch Verordnung 2007/2004 (ABl. L 349/2004) errichtete<br />

die EU eine „Europäische Agentur für die<br />

operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen“,<br />

deren wesentliche Aufgabe darin besteht, die operativeZusammenarbeitderMitgliedstaatenimBereich<br />

des Schutzes der Außengrenzen zu koordinieren, die<br />

Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten<br />

zu unterstützen, Risikoanalysen vorzunehmen,dieeinschlägigeForschungzuverfolgen,<br />

die Mitgliedstaaten in Notsituationen zu unterstützen.<br />

Sitz der Agentur ist Warschau. Die Agentur, die<br />

am 1. 5 . 2005 ihre Arbeit aufnahm, soll den nationalen<br />

Grenzschutz jedoch nicht ersetzen. Der Grenzschutz<br />

bleibt (noch) eine Aufgabe der einzelnen<br />

EU-Mitgliedstaaten, doch soll durch die Agentur ein<br />

einheitliches Schutzniveau an den Außengrenzen<br />

der Europäischen Union gewährleistet werden.<br />

Ein „Plan für den Grenzschutz an den Außengrenzen<br />

der Mitgliedstaaten der EU“ sieht eine Reihe von<br />

Maßnahmen zur kurzfristigen Verbesserung der<br />

praktischen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten<br />

beim Schutz der Außengrenzen und im Kampf<br />

gegen illegale Migration vor. Zu seiner Umsetzung<br />

wurde auf europäischer Ebene ein Leitungsgremium<br />

(CommonUnit)gebildet.IndiesemGremiumtreffen<br />

sich regelmäßig die Leiter der GrenzschutzorganisationenderMitgliedstaaten,umgemeinsameProjekte<br />

zu entwickeln und zu koordinieren. Die „Common<br />

Unit“ baut seitdem ein dezentrales Netzwerk von<br />

„Zentren“ auf, die sich verschiedenen Aufgaben der<br />

Grenzpolizei widmen. In diesem Rahmen gibt es seit<br />

Oktober 2002 das „Zentrum Landgrenzen“. Seine<br />

Aufgabe ist es, gemeinsame Einsätze an den Landesaußengrenzen<br />

der EU vorzubereiten, durchzuführen<br />

und ihren Erfolg zu bewerten. Bisher fanden einige<br />

gemeinsame Einsätze an den deutschen, österreichischen<br />

und italienischen Außengrenzen statt. Weiterhin<br />

wurden sechs Dienststellen entlang der EU-<br />

Außengrenzen eingerichtet, in denen Grenzpolizisten<br />

verschiedener Mitgliedstaaten ihren alltäglichen<br />

64<br />

Dienst im Bereich der Grenzkontrolle und Grenzüberwachung<br />

verrichten sollen.<br />

Alle diese Maßnahmen dienen dem Zweck, den<br />

Schutz, den bisher die Staatsgrenzen auch innerhalb<br />

des EU-Gebiets gewährt haben, sicher und effizient<br />

andieAußengrenzenzuverlagern. M. K.<br />

Außenhandelspolitik (Gemeins. Handelspolitik)<br />

1. Außenhandelsstrukturen und -beziehungen: Wegen<br />

der großen Bedeutung des Außenhandels für die<br />

Staaten der EU ist die Außenhandelspolitik ein zentraler<br />

Bestandteil der �Außenbeziehungen der Gemeinschaft.<br />

Voraussetzung für handelspolitische<br />

Fortschritte war, dass ihre Mitgliedstaaten nicht nur<br />

eine Freihandelszone, sondern eine Zollunion bildeten.<br />

Sie haben nach einer Übergangszeit von 12 Jahren<br />

nicht nur die Binnenzölle abgeschafft (für gewerbliche<br />

Waren am 1. 7. 1968, für landwirtschaftliche<br />

Produkte am 1. 1. 1970), sondern auch gemeinsame<br />

�Außenzölle eingeführt.<br />

Die EU ist die bedeutendste Handelsmacht der Erde<br />

(die folgenden Daten für 2003 beziehen sich auf die<br />

EU mit 15 Mitgliedstaaten). Am Weltexport (4 828,3<br />

Mrd. Euro, ohne Intrahandel der EU) hatte sie einen<br />

Anteil von 20,2 %; ihr Importanteil (Weltimport: 5<br />

124,0 Mrd. Euro, ohne Intrahandel der EU) belief<br />

sich auf 19,3 %.<br />

Mit 15,2 % der EU-Importe und 22,5 % der Exporte<br />

sind die USA der bedeutendste Handelspartner der<br />

EU. Nach wie vor hat also der Außenhandel erstrangige<br />

wirtschaftliche Bedeutung für die Gemeinschaft.IhreWirtschaftgründetsichzueinemerheblichen<br />

Teil auf die Nutzung und Verarbeitung von eingeführten<br />

Rohstoffen zu Fertigerzeugnissen mit hoher<br />

Wertschöpfung sowohl für den Binnenmarkt als<br />

auch für den Weltmarkt.<br />

Knapp ein Drittel der EU-Ein- und -Ausfuhren (ohne<br />

Intra-EU-Handel) werden mit den Entwicklungsländern<br />

getätigt. Schon aus diesem Grunde muss die EU<br />

einvitalesInteresseanderEntwicklungeinesweltoffenen<br />

Handelssystems haben. Zum einen sind wichtige<br />

Wirtschaftsbereiche der EU zu sensibel, als dass<br />

auf weltweite Handelsbeziehungen verzichtet werden<br />

könnte; zum anderen erleichtern der Wegfall<br />

noch bestehender nationaler Importhemmnisse und<br />

die Vereinheitlichung/Harmonisierung der Normen<br />

und Außenhandelsformalitäten durch die Vollendung<br />

des Binnenmarktes (1993) den Entwicklungsländern<br />

den Zugang zum EU-Markt.


1.1 EU – USA. Die Handelsbeziehungen der EU zu<br />

den verschiedenen Handelspartnern sind jedoch<br />

nicht einheitlich. Mit den beiden großen außereuropäischen<br />

Handelspartnern, den USA und Japan, bestehen<br />

keine umfassenden Außenhandelsverträge.<br />

MitbeidenHandelspartnern,denschärfstenKonkurrenten<br />

auf dem Weltmarkt, kommt es immer wieder<br />

zu Konflikten. Streit mit den USA gab es vor allem<br />

um die für die USA wie die EU gleichermaßen wichtigen<br />

Agrarexporte. Beide Seiten beschuldigten sich<br />

bei den Verhandlungen des �GATT / der �WTO<br />

(�Uruguay-Runde) protektionistischer Maßnahmen<br />

(�Protektionismus) in Form von Subventionen bei<br />

den Agrarausfuhren und Handelshemmnissen bei<br />

den Agrareinfuhren. In der Tat entstanden und entstehen<br />

dadurch immer noch nicht nur beiden Partnern<br />

Nachteile, am schwersten werden von diesem<br />

„Wettlauf der Subventionen“ die Agrarprodukte exportierenden<br />

Entwicklungsländer getroffen. Zwar<br />

sind auch in der 2001 in Doha/Katar eingeleiteten<br />

9. Welthandelsrunde bisher keine Fortschritte im internationalen<br />

Agrarhandel erzielt worden, doch haben<br />

sich nach dem Scheitern der Ministerkonferenz<br />

inCancún(2003)die PositionenderEUundderUSA<br />

weitgehend angenähert. Mit dem Abschluss mehrerer<br />

bilateraler Abkommen haben sich die handelspolitischen<br />

Beziehungen zwischen den beiden mächtigen<br />

Partnern wieder normalisiert.<br />

Die im Dezember 1995 in Madrid auf Gipfelebene<br />

abgeschlossene �„Neue Transatlantische Agenda“,<br />

dienebeneinerengerenpolitischenZusammenarbeit<br />

auch neue Kooperationsformen in den Bereichen<br />

Handel und Unternehmenskooperation bis hin zur<br />

Errichtung einer teilweisen Freihandelszone vorsieht,<br />

konnte nicht verhindern, dass die handelspolitischen<br />

Beziehungen zwischen der EU und den USA<br />

durch inzwischen weitgehend bereinigte Streitpunkte<br />

belastet wurden (z. B. Blockierung eines Liberalisierungsabkommens<br />

im Telekommunikationsbereich,<br />

Streit über das Verbot der Einfuhr von hormonbehandeltem<br />

Rindfleisch und genbehandeltem<br />

Mais sowie um das Streitbeilegungsverfahren der<br />

WTO (�Bananenmarktordnung der EU von 1993).<br />

Trotzdem haben sich beide Seiten bemüht, im Zusammenhang<br />

mit der Durchführung der Transatlantischen<br />

Agenda die gemeinsame Rolle bei der Förderung<br />

von Stabilität und Entwicklung in einem ungeteilten<br />

demokratischen Europa und in der Welt zu<br />

stärken.<br />

Außenhandelspolitik<br />

1.2 EU – Japan. Die Handelsbeziehungen zwischen<br />

der EU und Japan, das inzwischen durch die Volksrepublik<br />

China von seinem Platz als zweitgrößter Handelspartner<br />

der EU verdrängt worden ist, werden<br />

durch das Missverhältnis zwischen Importen und<br />

Exporten belastet: Japan führt trotz vorsichtiger Öffnung<br />

seines Marktes fast doppelt so viel Waren in die<br />

EUaus,alsesselbstausderEUeinführt.Japandrängt<br />

mit hochwertigen Industrieprodukten (z. B. Kraftfahrzeugen,<br />

elektronischen Anlagen, ComputerausrüstungenundProduktenderoptischenIndustrie)offensiv<br />

auf den EU-Markt und andere Märkte, schottet<br />

sich aber nach wie vor selbst durch immer noch<br />

hohe Handelsmauern gegen entsprechende Einfuhren<br />

ab. Die EU fordert deshalb einen freien Zugang<br />

zum japanischen Markt durch Abbau der Handelshemmnisse<br />

sowie durch Liberalisierungsmaßnahmen<br />

im Bereich der Finanzdienstleistungen.<br />

1.3 EU – China. Mit einem Gesamthandelsvolumen<br />

von 136,2 Mrd. Euro hat sich die VR China 2003 vor<br />

Japan zum zweitgrößten Handelspartner der EU entwickelt<br />

(Export 40,4 Mrd. Euro, Import 95,8 Mrd.<br />

Euro). Das Land ist der Hauptnutznießer des �Allgemeinen<br />

Präferenzsystems der EU, was dieser ein bilaterales<br />

Handelsdefizit von 55,4 Mrd. Euro (2003)<br />

einbrachte. Da die VR China trotz WTO-Mitgliedschaft<br />

durch wiederholte staatliche Eingriffe in das<br />

Handelsgeschehen das Prinzip der Gleichbehandlung<br />

aller Unternehmen verletzte, verweigerte die<br />

Union dem Partner im Sommer 2004 den wichtigen<br />

Marktwirtschaftsstatus. Dennoch lässt die Fortsetzung<br />

des chinesischen Wirtschaftsbooms kurzfristig<br />

eineweiterestarkeSteigerungdesHandelsvolumens<br />

bei gleichzeitigem Abbau der einseitigen Handelsbehinderungen<br />

erwarten.<br />

1.4 EU – Schwellenländer. Auch mit einigen sog.<br />

„Schwellenländern“ (in der UN-Nomenklatur als<br />

NIC = Newly Industrialized Countries bezeichnet)<br />

wurden Kooperationsabkommen geschlossen (z. B.<br />

mit Mexiko, Brasilien, Chile, Malaysia, Singapur).<br />

Handelsprobleme mit Ländern dieser Gruppe ergeben<br />

sich daraus, dass die Zölle für Einfuhren in die<br />

EU mit dem Grad der Bearbeitung einer Ware steigen:<br />

Rohstoffe gelangen meist zollfrei oder zu einem<br />

niedrigen Zollsatz in die EU; bei Industrieprodukten<br />

steigen die Zölle mit aufsteigender Verarbeitungsstufe<br />

(�„Zolleskalation“). Das führt in der EU zur<br />

Verteuerung von Fertigwaren aus Schwellenländern.<br />

Andererseits gefährden Importe von Industrie-<br />

65


Außenhandelspolitik<br />

produkten aus Schwellenländern mit niedrigen Löhnen<br />

bei zollfreier Einfuhr ganze Industriezweige in<br />

der Europäischen Union.<br />

Mit Ausnahme befristeter Schutzzölle zur Überbrückung<br />

von Strukturwandlungen im Einfuhrland sind<br />

protektionistische Maßnahmen, insbes. die missbräuchliche<br />

Anwendung handelspolitischer Schutzinstrumente<br />

(z. B. �Antidumpingzölle, �Ausgleichszölle)<br />

und �Subventionen ein ungeeignetes Mittel,<br />

die internationalen Handelsbeziehungen zu fördern;<br />

sie stören den freien Wettbewerb und verhindern so<br />

notwendige Innovationen und strukturelle Veränderungen.<br />

Nur die Kompatibilität der europäischen Handelspolitik<br />

mit den Regeln der Welthandelsordnung sichert<br />

deren dauerhaften Bestand. Um so wichtiger ist es,<br />

dass die EU langfristig den Abbau von Marktbeschränkungen<br />

(Agrar-, Textil- und Bekleidungsmarkt)<br />

konsequent fortsetzt und zu Ende führt und<br />

selektive Protektionismusmaßnahmen sowie die<br />

verstärkte bilaterale Ausrichtung ihrer Außenhandelspolitik<br />

reduziert.<br />

1.5 EU – Entwicklungsländer. Mit den Entwicklungsländern<br />

hat die EU besondere handelsbegünstigende<br />

Vereinbarungen abgeschlossen, von denen<br />

diemitdenAKP-Staatenim �Lomé-Abkommenund<br />

im �Cotonou-Abkommen sowie die mit den außereuropäischen<br />

Mittelmeerländern (�Mittelmeerpolitik)<br />

ausgehandelten am weitesten gehen. Die rückläufige<br />

Entwicklung des Außenhandels mit den Entwicklungsländern<br />

hat mehrere Gründe: u. a. Veränderung<br />

der geostrategischen Lage seit 1989/90; unsichere<br />

Investitionsbedingungen für ausländische Investoren;<br />

relativ niedrige Rohstoff- und hohe Energiepreise.<br />

Angesichts der fortschreitenden �Globalisierung<br />

des Handels droht zahlreichen Entwicklungsländern<br />

die Gefahr, ins handelspolitische Abseits zu geraten.<br />

Um diese Gefahr zu minimieren, setzt sich die EU im<br />

Rahmen der 2001 eingeleiteten 9. Welthandelsrunde<br />

der WTO (�Doha-Runde) und bilateraler und regionaler<br />

Abkommen (z. B. Mittelmeerabkommen, Cotonou-Abkommen)<br />

dafür ein, die Entwicklungsländer<br />

in das multinationale Handelssystem zu integrieren.<br />

Aus der Erkenntnis, dass die Entwicklungsländer<br />

Hilfe brauchen, um aus dem Welthandel Nutzen<br />

ziehen zu können, stellt sie sich an die Spitze von Initiativen,<br />

die eine weitere Liberalisierung des Marktzugangs<br />

insbes. für Entwicklungsländer, die Stär-<br />

66<br />

kung der WTO-Regeln und die Förderung nachhaltiger<br />

Entwicklung anstreben. Diese Handel und Entwicklung<br />

verknüpfende Politik vertrat die EG auch<br />

auf den UN-Gipfeln von Johannesburg (2003) und<br />

Monterrey(2002).AußerdemleitetesieMaßnahmen<br />

zur Förderung handelsbezogener technischer Hilfe<br />

ein, um die Entwicklungsländer bei der Anwendung<br />

der WTO-Regeln sowie bei der Artikulation ihrer<br />

spezifischen Interessen in internationalen Verhandlungsgremien<br />

zu unterstützen. Obwohl die Doha-Runde<br />

zur „Entwicklungsrunde“ deklariert worden<br />

war, haben die bisherigen Gesprächsrunden diese<br />

Erwartungen nicht erfüllt.<br />

2. Zuständigkeiten, Ziele, vertragliche Grundlagen:<br />

Neben der �Gemeinsamen Agrarpolitik und der<br />

Wettbewerbspolitik ist die Außenhandelspolitik der<br />

Politikbereich, der der Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten<br />

weitgehend entzogen und seit 1. 1. 1973<br />

indieKompetenzderEG/EUüberführtwordenist.<br />

Seit der Realisierung der Zollunion hat die EG/EU<br />

die alleinige Entscheidungsmacht in außenwirtschaftlichen<br />

Angelegenheiten, d. h. außenhandelspolitische<br />

Entscheidungen, z. B. in Form von Verordnungen<br />

und Handelsverträgen, werden allein von<br />

den zuständigen Organen der EG/EU getroffen und<br />

unmittelbar für die Mitgliedstaaten rechtswirksam.<br />

Nationale Alleingänge im Bereich des Außenhandels<br />

sind nicht erlaubt; die Mitgliedstaaten der EU<br />

dürfen im Außenhandelsbereich nur dann tätig werden,<br />

wenn sie von der Gemeinschaft dazu ausdrücklich<br />

ermächtigt worden sind, z. B. bei der DurchführungvonSchutzmaßnahmen(Art.134EGV).Außerdem<br />

können sie nach Konsultation der Gemeinschaft<br />

Kooperationsabkommen mit Drittländern abschließen.<br />

Grundlage der Außenhandelspolitik der EU war die<br />

Zielsetzung:<br />

– einen Gemeinsamen Markt der Mitgliedstaaten<br />

mit einheitlichen (Außen-) Zolltarifen und einer gemeinsamen<br />

Handelspolitik gegenüber Drittländern<br />

zu schaffen,<br />

– durch schrittweise Beseitigung der Beschränkungen<br />

im internationalen Handelsverkehr, zum Abbau<br />

der Zollschranken und zur harmonischen Entwicklung<br />

des Welthandels beizutragen,<br />

– die gemeinsamen außenwirtschaftlichen Interessen<br />

gegenüber Drittländern zu wahren (Art. 131<br />

EGV) und in internationalen Organisationen, insbes.<br />

der WTO, zu vertreten.


Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen<br />

Grundsätzen durchgeführt (Art. 133 EGV). Es<br />

sind zwei Verfahrensweisen zu unterscheiden: die<br />

autonome und die vertragliche Handelspolitik.<br />

2.1 Autonome Handelspolitik. Die autonome Handelspolitik<br />

besteht im Erlass einseitiger Regelungen<br />

(Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) durch<br />

denRat;siefindennuraufdieMitgliedstaatenderEU<br />

bzw. Unternehmen und Einzelpersonen in den Mitgliedstaaten<br />

Anwendung und sind für diese verbindlich.WichtigeBereichederautonomenHandelspolitiksinddieFestsetzunggemeinsamerZolltarife(Art.<br />

23 EGV), die Vereinheitlichung von Ein- und Ausfuhrbestimmungen,<br />

handelspolitische Schutzmaßnahmen<br />

gegen unlautere Handelspraktiken.<br />

Dabei lassen sich verschiedene Maßnahmen unterscheiden:<br />

– Anti-Dumping-Maßnahmen (VO 384/96, ABl. L<br />

56/1996),<br />

– Anti-Subventionsmaßnahmen (VO 2026/97, ABl.<br />

L 288/1997),<br />

– Schutzklauselmaßnahmen (VO 3285/94, ABl. L<br />

349/1994),<br />

– Beschwerderecht von Unternehmen,<br />

– das neue handelspolitische Instrument (VO<br />

4621/84, ABl. L 349/1994).<br />

Außerdem können gem. Art. 301 EGV im Rahmen<br />

der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) auf Vorschlag der Kommission außenpolitisch<br />

motivierte Handelssanktionen, z. B. Handelsembargos,<br />

wie sie bspw. gegen Kuba, Libyen oder<br />

Serbien erfolgten, vom Rat mit qualifizierter Mehrheit<br />

beschlossen werden.<br />

2.2 Vertragliche Handelspolitik. Bei der vertraglichen<br />

Handelspolitik handelt es sich um zwei- oder<br />

Außenhandelspolitik<br />

mehrseitige Abkommen zwischen der EU und internationalen<br />

Organisationen. Dabei tritt die EU stets<br />

als Einheit auf.<br />

Vertragliche Handelsvereinbarungen können sich<br />

sowohl auf einzelne Drittstaaten oder -gruppen, z. B.<br />

dieEFTA,alsauchaufalleamAußenhandelbeteiligten<br />

Staatengruppen (globale Dimension) erstrecken;<br />

sie können sowohl die Gesamtheit der Handelsbeziehungen<br />

mit einem Handelspartner regeln als auch<br />

sich auf bestimmte Produkte/Produktgruppen beschränken<br />

(sektorale Abkommen). Häufig gehen<br />

Handels- und Kooperations-/Assoziierungsabkommen<br />

über rein handelspolitische Aspekte hinaus und<br />

enthalten Regelungen der Zusammenarbeit auch in<br />

anderen Bereichen (z. B. Investitionen, Wissenschaft<br />

und Forschung, Technologie, Umwelt, Gesundheit).<br />

Insbesondere die auf Art. 310 EGV gestützten<br />

Assoziierungsabkommen, vor allem die<br />

�Europa-Abkommen mit den Staaten Mittel- und<br />

Osteuropas, die im Zuge des �Barcelona-Prozesses<br />

mit den südlichen Mittelmeerländern abgeschlossenen<br />

Assoziierungsabkommen (�Mittelmeerpolitik)<br />

sowie die mit den AKP-Staaten abgeschlossenen Assoziierungsabkommen<br />

(Lomé-Abkommen, Cotonou-Abkommen)<br />

gehen über umfassende außenwirtschaftliche<br />

Regelungen hinaus. Sie haben sich<br />

zu einem wichtigen außenpolitischen Instrument der<br />

EU entwickelt (�Außenbeziehungen der EU). Das<br />

kommt auch im Verfassungsvertrag 2004 zum Ausdruck.<br />

Er soll die EU-Handelspolitik ausdrücklich in<br />

den„RahmenderGrundsätzeundZieledesauswärtigen<br />

Handelns der Union“ einbinden (Art. III-315<br />

Abs. 1 VVE 2004).<br />

3. Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik:<br />

Die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik<br />

67


Außenhandelspolitik<br />

erfolgt nach Art. 133 EGV in Zusammenarbeit von<br />

Kommission und Rat. Die Kommission unterbreitet<br />

dem Rat Vorschläge für außenhandelspolitische<br />

Maßnahmen. Sind im Rahmen der vertraglichen<br />

Handelspolitik mit Drittländern oder internationalen<br />

Organisationen Abkommen auszuhandeln, legt die<br />

Kommission dem Rat Empfehlungen vor; dieser ermächtigt<br />

die Kommission zur Einleitung und Durchführung<br />

der erforderlichen Verhandlungen. Dabei<br />

wird die Kommission von einem vom Rat bestellten<br />

besonderen Ausschuss, dem Hundertdreizehner-<br />

Ausschuss (�Ausschuss nach Art. 133 EGV), unterstützt.<br />

Für dessen Mitwirkung kann der Rat verbindliche<br />

Richtlinien festlegen. Auf diese Weise können<br />

die durch den Rat repräsentierten Mitgliedstaaten ihren<br />

Einfluss auf Verhandlungsführung und -ergebnisse<br />

geltend machen und eine Kontrolle der Kommission<br />

ausüben. Im Gegensatz zu anderen völkerrechtlichen<br />

Verträgen der EU, zu deren Abschluss<br />

nach Art. 300 EGV die Anhörung durch das EP erforderlich<br />

ist, findet dieser Artikel auf Außenhandelsabkommen/-verträge<br />

keine Anwendung. Über die<br />

von der Kommission ausgehandelten Verträge entscheidet<br />

der Rat mit qualifizierter Mehrheit. Bei<br />

dringenden handelspolitischen Schutzvorkehrungen,<br />

z. B. bei der Verhängung von Strafzöllen oder<br />

Einfuhrbeschränkungen, ist es der Kommission erlaubt,<br />

eigenmächtig zu entscheiden, wobei solche<br />

Entscheidungen innerhalb festgelegter Fristen vom<br />

Rat nachträglich gebilligt werden müssen. Die Kommission<br />

vertritt die Gemeinschaft auch in internationalen<br />

Institutionen (z. B. in der WTO, OECD), denen<br />

auch die Mitgliedstaaten einzeln angehören.<br />

68<br />

3.1 Handel mit Agrarprodukten. Obwohl der Handel<br />

mit Gütern aus dem Agrarsektor und dem Montanbereich<br />

(ehemal. EGKS), soweit die EU-Grenzen überschritten<br />

werden, Teil des Außenhandels der EU ist,<br />

finden die Außenhandelsbestimmungen des EG-<br />

Vertrages (Art. 133) keine Anwendung auf diese<br />

Sektoren. Als Kernbereiche der EU-Wirtschaftspolitik<br />

gelten für sie besondere Vorschriften. Für den<br />

Handel mit Agrarprodukten wurden Marktordnungen<br />

erlassen, die den Binnenmarkt der EU gegenüber<br />

dem Weltmarkt abgrenzen. Dabei spielen klassische<br />

Instrumente der Außenhandelspolitik, z. B. Zölle,<br />

nur eine untergeordnete Rolle, vielmehr wurden<br />

neue Instrumente entwickelt, z. B. �Abschöpfungen,<br />

�Beihilfen, �Ausfuhrerstattungen. Die daraus entstandenen<br />

Produktionsüberschüsse haben auf dem<br />

Weltmarkt zu Wettbewerbsverzerrungen und zu<br />

handelspolitischen Spannungen mit den USA und<br />

vor allem mit den Entwicklungsländern geführt.<br />

Nach dem Scheitern der WTO-Konferenz in Cancún<br />

ist die EU bemüht, die 9. Welthandelsrunde (Doha-Runde)<br />

doch noch zu einem erfolgreichen Abschlusszubringen.DieEuropäischeKommissionerklärte<br />

sich im Sommer 2004 zu Verhandlungen über<br />

ein Auslaufen der EU-Exportsubventionen im<br />

Agrarbereich unter der Voraussetzung bereit, dass<br />

auch die anderen Verhandlungspartner konzessionsbereit<br />

sind.<br />

4. Reformbedarf und Umsetzungsprobleme: Neben<br />

die traditionellen Aufgaben der Außenhandelspolitik<br />

sind im Zuge des voranschreitenden Globalisierungsprozesses<br />

neue Handelsbereiche wie der Handel<br />

mit Dienstleistungen und mit geistigem Eigen-<br />

EUR<br />

EUR


tum (�GATS; �TRIPS) getreten. Aufgrund ihrer ungleichen<br />

Verhandlungsmacht in der WTO sind die<br />

Entwicklungsländer nicht bereit, darüber zu verhandeln,<br />

solange Beschlüsse aus früheren Verhandlungsrunden<br />

nicht vollständig umgesetzt sind und<br />

das Thema des Marktzugangs von Agrarprodukten<br />

aus Entwicklungsländern nicht abgearbeitet ist.<br />

Darüber hinaus zeichnen sich infolge der globalisierungsbedingten<br />

Ausweitung und Intensivierung des<br />

Außenhandels zunehmend engere und folgenschwere<br />

Wechselwirkungen mit den Bereichen Umwelt,<br />

Gesellschaft (z. B. Arbeitsnormen, soziale Standards,<br />

Konsumenteninteressen, Gesundheitsnormen,<br />

Genbeeinflussung) und Entwicklung (Nachhaltigkeit)<br />

ab. Die EU drängt auf Einbeziehung dieser<br />

den Außenhandel tangierenden Probleme in die<br />

WTO-Verhandlungen; dagegen verweisen die Entwicklungsländer<br />

auf die Unterschiede im Entwicklungsstand<br />

zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern<br />

und die daraus resultierende Chancenungleichheit;<br />

solange ihre Benachteiligung im Außenhandel<br />

mit Agrarprodukten nicht beseitigt ist,<br />

fühlen sie sich nicht in der Lage, diese Probleme anzugehen.<br />

Die Lösung der drängenden Außenwirtschaftsprobleme<br />

erfordert Zugeständnisse von beidenSeiten.<br />

K. E.<br />

Literatur<br />

Beutler, B. u. a.: Die Europäische Gemeinschaft, Rechtsordnung<br />

und Politik. Baden-Baden, 1987 3<br />

BMZ: Globalisierung gerecht gestalten. Handelsbezogene<br />

Zusammenarbeit. Materialien, Nr. 126, Bonn 2003<br />

Europäische Kommission: Außen- und Intrahandel der Europäischen<br />

Union. Statistisches Jahrbuch 1958–2003.<br />

Luxemburg 2004<br />

Dies.: Gesamtbericht über die Tätigkeit der Europäischen<br />

Union 2000 ff. Brüssel 2001 ff.<br />

Dies.: Globalisierung als Chance für alle. Die Europäische<br />

Union und der Welthandel, Brüssel 2003<br />

Freytag, A.: Gemeinsame Handelspolitik: Die Rolle der EU in<br />

der WTO. In: Streit, E./Voigt, St. (Hg.): Europa reformieren.<br />

Baden-Baden 1996, S. 258–268<br />

Kappel, R.: Entwicklung durch Handel? In: EuZ 9/2001<br />

Windfuhr M.: Everything but Farms. Die Agrarexporte der<br />

Entwicklungsländer sind blockiert. In: EuZ 3/2002<br />

Außenzoll, gemeinsamer. Mit Vollendung der<br />

Zollunion der Mitgliedstaaten der EWG am 1. 7.<br />

1968 wurde ein gemeinsamer Zolltarif für Drittstaaten<br />

geschaffen. Die Sätze des Gemeinsamen Zolltarifs<br />

werden vom Rat auf Vorschlag der Kommission<br />

festgelegt (Art. 26 EGV). Die Anwendung des gemeinsamen<br />

Einfuhrzolls durch alle Mitgliedstaaten<br />

der EU ist Voraussetzung für den zollfreien Warenverkehr<br />

im Binnenmarkt. Ähnliche Wirkung wie<br />

Einfuhrzölle haben Einfuhrabschöpfungen für landwirtschaftliche<br />

Erzeugnisse. Einnahmen aus dem<br />

gemeinsamen Außenzoll und aus �Abschöpfungen<br />

sind Eigenmittel der EU und fließen in den Gemeinschaftshaushalt<br />

(Anteil 2004: 11,5 %). Die Mitgliedstaaten<br />

können gem. Eigenmittelbeschluss für die<br />

Zeit von 2000 bis 2006 25 % der Zolleinnahmen als<br />

Ersatz für die Kosten der Erhebung einbehalten, zuvor<br />

10 %.<br />

Aussetzungsverfahren �Vorläufiger Rechtsschutz<br />

Austritt/Ausschluss aus der EU. Anders als der<br />

Beitritt zur Union ist bislang weder in den Grün-<br />

EUR<br />

EUR<br />

Austritt<br />

69


Austritt<br />

dungsverträgen der Gemeinschaften noch im<br />

EU-Vertrag der Austritt, die Vertragsauflösung oder<br />

der Ausschluss eines Mitgliedstaats vorgesehen. Der<br />

Verfassungsvertrag 2004 sieht dagegen erstmals in<br />

Art. I-60 VVE ein Austrittsverfahren vor und anerkennt<br />

damit, dass die Union keine unauflösliche<br />

Zwangsgemeinschaft (mehr) darstellt. Die mögliche<br />

Vorgehensweise, sollte sich ein Mitgliedstaat vor Inkrafttreten<br />

von Art. I-60 VVE dauerhaft von der<br />

Union abkehren wollen oder – bspw. auf Grund eines<br />

Umsturzes – massiv die freiheitlich-demokratische<br />

EU-Basisordnung bzw. die Grund- oder Individualrechte<br />

der Bürger verletzen, ist streitig: Das in<br />

Art. 226 f. EGV geregelte Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen einen vertragsbrüchigen Mitgliedstaat<br />

ist in mehrfacher Hinsicht für derartige Konstellationen<br />

ungeeignet.<br />

Zunächst ist das Verfahren für einmalige bzw. isolierbare<br />

und nicht für dauerhafte Vertragsverstöße<br />

konstruiert. Sodann greift es inhaltlich zwar auch bei<br />

Verstößen gegen ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht<br />

und hier vor allem auch bei Verpflichtungen,<br />

die sich – wie etwa die Achtung der unionseigenen<br />

Grund- und Menschenrechte – aus den allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätzen ergeben. Bei den hier angesprochenen<br />

Konstellationen aber geht es vielmehr um gesellschaftspolitische<br />

Veränderungen, die sich der Judikatur<br />

eines Gerichtes weitgehend entziehen. Auch<br />

ist der EuGH nach der bisherigen Rechtslage des Art.<br />

46 EUV ausdrücklich nicht hinsichtlich des in Art. 6<br />

Abs. 1 EUV angesprochenen Demokratie- und<br />

Rechtsstaatsgebots entscheidungsbefugt. Schließlich<br />

führt das Vertragsverletzungsverfahren in letzter<br />

Konsequenz zur Verhängung eines PauschalbetragsoderZwangsgeldes,wasnichtunbedingtalsadäquateReaktionaufmassiveUmwälzungenineinem<br />

Mitgliedstaat erscheint.<br />

Neben dem Vertragsverletzungsverfahren aber<br />

kannte das bisherige Vertragsrecht keine Notstandsverfahren<br />

oder Sanktionsmechanismen. Mit Ausnahme<br />

der EGKS, die von vornherein nur auf 50 Jahre<br />

(bis 23. 7. 2002) gegründet wurde, wurden die anderen<br />

Gemeinschaften und die EU „auf unbegrenzte<br />

Zeit errichtet“ (vgl. z. B. Art. 51 EUV). Hieraus wird<br />

mitunter geschlossen, dass die Verträge einen rechtlich<br />

nicht beendbaren Gesamtakt staatlicher Integration<br />

darstellen. Eine Vertragsauflösung oder gar ein<br />

einseitiger Austritt sei mithin nach dieser Rechtslage<br />

generell unmöglich. Die Verträge würden zwar auf<br />

70<br />

völkerrechtlichen Gründungsakten beruhen; seit<br />

dem EuGH-Urteil �Van Gend & Loos stehe jedoch<br />

fest, dass eine neue Rechtsordnung „sui generis“ geschaffen<br />

worden sei. Mit zunehmender Integrationsdichte<br />

nehme die Relevanz des allgemeinen Völkerrechts<br />

kontinuierlich ab. Aus der besonderen Rechtsnatur<br />

der Gemeinschaften bzw. der Union könne<br />

nunmehr deren Unauflösbarkeit abgeleitet werden.<br />

BeispielsweiseArt.292EGV,nachdemsichdieMitgliedstaaten<br />

verpflichten, Streitigkeiten über die<br />

Auslegung oder die Anwendung des Vertrags „nicht<br />

anders als hierin vorgesehen zu regeln“, zeige, dass<br />

das Europarecht das Konfliktlösungsinstrumentarium<br />

abschließend regele.<br />

Entgegen dieser Auffassung wird allerdings vielfach<br />

angenommen, dass trotz der engen wirtschaftlichen<br />

und politischen Verflechtungen jedenfalls ein Austritt<br />

mit Zustimmung der übrigen Mitgliedstaaten<br />

auch schon vor Inkrafttreten der EU-Verfassung<br />

möglich ist. Folgende dogmatische Wege werden<br />

hierzu diskutiert: Auch wenn inzwischen eine neue<br />

Unionsrechtsordnung sui generis entstanden ist, seien<br />

die allgemeinen Regeln des Völkerrechts doch<br />

weiter subsidiär anwendbar. Bei grundlegenden Änderungen<br />

der Umstände bzw. „der Geschäftsgrundlage“<br />

sei ein Austritt über die „clausula rebus sic<br />

stantibus“ des Art. 60 bzw. 62 des �Wiener Übereinkommens<br />

über das Recht der Verträge vom 23. 5.<br />

1969 denkbar. Dies komme gerade bei Extremfällen<br />

in Betracht, wenn ein Mitgliedstaat etwa nach revolutionären<br />

Umwälzungen die von der Union vorausgesetztemarktwirtschaftlicheOrdnungaufgebeoder<br />

das demokratische Regierungssystem beseitige. Als<br />

weiterer Weg wird für diese Konstellationen auf das<br />

Verfahren des Art. 48 EUV verwiesen. Genau genommen<br />

stelle der Austritt aus der EU den Extremfall<br />

einer Vertragsänderung dar. In der Form eines<br />

allseits ratifizierten Änderungsvertrags stehe einer<br />

einvernehmlichen Vertragsauflösung nichts entgegen.<br />

Diskutiert wird darüber hinaus auch eine entsprechende,<br />

d. h. gewissermaßen „umgekehrte“ AnwendungdesBeitrittsverfahrensnachArt.49EUV.<br />

Weitgehende Einigkeit besteht heute darüber, dass<br />

jedenfalls die einseitige Vertragskündigung durch<br />

einen Mitgliedstaat grundsätzlich ausgeschlossen<br />

ist. Eine entsprechende Willensäußerung müsse<br />

selbst schon als Vertragsverletzung gewertet werden.<br />

Dennoch zeigte das Bundesverfassungsgericht<br />

in seinem Maastricht-Urteil einen Weg auf, der einer


solchen Vertragskündigung gleichsteht: „Die Bundesrepublik<br />

Deutschland ist somit auch nach dem Inkrafttreten<br />

des EU-Vertrags Mitglied in einem Staatenverbund,<br />

dessen Gemeinschaftsgewalt sich von<br />

den Mitgliedstaaten ableitet und im deutschen Hoheitsbereich<br />

nur kraft des deutschen Rechtsanwendungsbefehls<br />

verbindlich wirken kann. Deutschland<br />

ist einer der ,Herren der Verträge‘, die ihre Gebundenheit<br />

an den ,auf unbegrenzte Zeit‘ geschlossenen<br />

EU-Vertrag mit dem Willen zur langfristigen Mitgliedschaft<br />

begründet haben, diese Zuständigkeit<br />

durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben<br />

könnten“ (BVerfGE 89, 155). Zu Recht wird zu<br />

dieser actus-contrarius-Theorie kritisch angemerkt,<br />

dass hier in Verkennung europarechtlicher Grundsätze<br />

geurteilt wurde. Jedenfalls obliegt es sicher<br />

nicht einem nationalen Gericht, entsprechende<br />

Unionsrechtsinterpretationen vorzunehmen. Trotz<br />

�KooperationsverhältnisBVerfG–EuGHstehtdiese<br />

Kompetenz allenfalls dem Europäischen Gerichtshof<br />

zu.<br />

Die Diskussion zeigt, dass ein Austritt aus der EU<br />

bislang weder vorgesehen noch gewollt war. Auch<br />

hat es einen solchen in der Praxis bisher nicht gegeben.<br />

Das Ausscheiden Grönlands 1984 aus der Gemeinschaft<br />

war kein Austritt im rechtlichen Sinn.<br />

Grönland erhielt damals von Dänemark einen besonderen<br />

Autonomiestatus sowie den Status eines außereuropäischen<br />

Landes und Hoheitsgebiets Dänemarks<br />

im Sinne von Art. 182 EGV. Nicht vorgesehen<br />

und gewollt ist weiter die Möglichkeit des Ausschlusses.<br />

Ein solches Vorgehen der Mitgliedstaaten<br />

wird kaum diskutiert. Bisweilen wird es als Ultima<br />

Ratio unter Anwendung von Art. 60 des Wiener<br />

Übereinkommens über das Recht der Verträge vom<br />

23. 5. 1969 bei krass gemeinschaftswidrigem Verhalten<br />

als zulässig erachtet.<br />

Diese Diskussion dürfte allerdings als überholt gelten.<br />

Der �Amsterdamer Vertrag vom 2. 10. 1997 fügte<br />

nämlich in den Art. 7 EUV und Art. 309 EGV ein<br />

neuartiges Notstandsverfahren in die Vertragswerke<br />

ein. Hiernach konnte bei „schwerwiegender und anhaltender<br />

Verletzung“ der Gemeinschaftsgrundsätze<br />

der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der<br />

Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der<br />

Rechtsstaatlichkeit beschlossen werden, für den betreffenden<br />

Staat bestimmte Rechte, die sich aus der<br />

Vertragsanwendung herleiten, einschl. der StimmrechtedesRegierungsvertretersimRat,auszusetzen.<br />

Avantgarde<br />

In Reaktion auf die Sanktionen der EU-Staaten gegen<br />

die Bildung einer schwarz-blauen Koalition<br />

(ÖVP/FPÖ) in �Österreich im Februar 2000 hat der<br />

Vertrag von Nizza vom 26. 2. 2001 das Notstandsverfahren<br />

ausgebaut: Für die Verfahrenseinleitung<br />

genügt nunmehr schon „die eindeutige Gefahr einer<br />

schwerwiegenden Verletzung“ der freiheitlich-demokratischen<br />

EU-Basisordnung, d. h. das Notstandsverfahren<br />

wird um eine Art Warnvorstufe ergänzt,<br />

die zudem auch vom Europäischen Parlament<br />

eingeleitet, vom EuGH kontrolliert, und in der das –<br />

im Fall Österreich erprobte – Instrument des „Berichts<br />

der Weisen“ eingesetzt werden kann. Die Zukunft<br />

wird zeigen, inwieweit das Instrument des Notstandsverfahrens<br />

nunmehr praktikabel ist. Klar ist,<br />

dass die Union in letzter Konsequenz nicht über einschneidende<br />

Zwangsmittel verfügt, um ein europafeindliches<br />

Verhalten eines Mitgliedstaats, wie etwa<br />

auch eine wiederkehrende �Politik des „leeren<br />

Stuhls“,sicherzuunterbinden. J. M. B.<br />

Auswärtiger Dienst der EU �EuropäischerAußenminister<br />

Ziff. 4<br />

Auszeichnungspflicht �Preisauszeichnung<br />

Avantgarde. Bezeichnung für das Modell einer differenzierten<br />

Integration in der EU der Zukunft, wobei<br />

die Avantgarde-Staaten eine Föderation innerhalb<br />

der EU bilden (Avantgarde-Föderation). Auch<br />

Bezeichnung für Gruppen von Mitgliedstaaten der<br />

EU,dieinderIntegrationfreiwilligundbeibestimmten<br />

Projekten weiter voranschreiten wollen als die<br />

übrigen Staaten (�Flexibilität, �Verstärkte Zusammenarbeit).<br />

In diesem Sinne wurde der Begriff<br />

„groupe pionnier“ (Pionier- oder Avantgarde-Gruppe)<br />

vom französischen Ministerpräsidenten Jacques<br />

Chirac in einer Rede vor dem Plenum des Deutschen<br />

Bundestages am 27. 6. 2000 verwendet. Die Avantgarde-GruppemitFrankreichundDeutschlandsollte<br />

die Rolle eines Wegbereiters in der EU übernehmen<br />

und dazu beitragen, die Wirtschaftspolitiken besser<br />

zu koordinieren, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

der EU zu stärken und die Kriminalität wirksamer<br />

zu bekämpfen. Sie sollte dazu auch außerhalb<br />

der europäischen Verträge zusammenarbeiten und<br />

ein Sekretariat schaffen, das für Kohärenz in dieser<br />

Gruppe zu sorgen hätte.<br />

Geschaffen wurde der Begriff Avantgarde vom ehe-<br />

71


Avicenne<br />

maligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors in<br />

einer Rede vor dem Aspen Institute in Berlin am 14.<br />

11. 1999 und erneuert in einem Interview mit der<br />

französischen Tageszeitung Le Monde vom 19. 1.<br />

2000. Mitgliedstaaten der EU könnten innerhalb der<br />

EUeineFöderationvonNationalstaatenmiteigenem<br />

Vertrag als offene Avantgarde bilden.<br />

Ähnlich sprach Außenminister Joschka Fischer „als<br />

Privatmann“ in seiner Rede in der Berliner Humboldt-Universität<br />

am 12. 5. 2000 unter Verweis auf<br />

die Vorschläge von Jacques Delors von einem „Gravitationszentrum“<br />

innerhalb der EU und skizzierte<br />

den Übergang vom Staatenverbund der EU zur vollenParlamentarisierungineinerEuropäischenFöderation<br />

unter Bewahrung der Nationalstaaten.<br />

Im Juli 2000 betonte der italienische Staatspräsident<br />

Carlo Ciampi in einer Rede an der Universität Leipzig,<br />

der Integrationsprozess müsse nicht für alle beteiligten<br />

Staaten „gleich und gleichzeitig“ sein. Vielmehr<br />

sollten Länder, die dies wollten, das Recht auf<br />

eine vertiefte Integration haben.<br />

Die Idee einer beschleunigten Integration einzelner<br />

Staaten wurde auch in den Überlegungen zur europäischen<br />

Politik der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen<br />

Bundestages (Schäuble/Lamers-Papier) vom<br />

1.9.1994mitdemBegriffvom�„Kerneuropa“angesprochen.<br />

AVICENNE. EU-Programm im 4. Forschungsrahmenprogramm<br />

zur Förderung der wissenschaftlichen<br />

Kooperation mit den Mittelmeer-Drittstaaten.<br />

Förderbereiche: Auswirkungen organischer und anorganischer<br />

Abfälle auf die Umwelt, Entsorgungstechnik<br />

und Abfallbehandlung; Desertifikation;<br />

Verbesserung und Bewahrung der Wasserversorgung;<br />

Vorbeugung und Überwachung bestimmter<br />

Krankheiten; erneuerbare Energien; Aufbereitung<br />

und Verbreitung wissenschaftlicher und technischer<br />

Informationen; Zusammenarbeit zwischen Universitäten<br />

und Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten<br />

und den Mittelmeerstaaten. Laufzeit 1992 – 1994.<br />

Avis. Stellungnahme (Gutachten) der Kommission<br />

an den Rat über den Antrag von Drittländern auf Mitgliedschaft<br />

in der Europäischen Union nach Art. 49<br />

EUV. Zu unterscheiden ist dabei zwischen einer ers-<br />

72<br />

ten vorläufigen und der endgültigen Stellungnahme.<br />

1. Die in der Öffentlichkeit stark beachtete „vorläufige“<br />

Stellungnahme, in der die Kommission dem<br />

Rat als unverbindliche Entscheidungsgrundlage<br />

(vgl. Art. 249 EGV) für dessen Beschluss zur Aufnahme<br />

von Verhandlungen die mit einer eventuellen<br />

Erweiterung verbundenen Chancen und Probleme<br />

präsentiert, ist vertraglich nicht vorgeschrieben. Die<br />

Kommission legt dabei die 1993 in Kopenhagen beschlossenen<br />

�Beitrittskriterien zugrunde, wobei a)<br />

die Bereitschaft und Fähigkeit des Beitrittsbewerbers<br />

untersucht wird, den �acquis communautaire zu<br />

übernehmen, b) die in diesem Zusammenhang auch<br />

zu erwartenden Konsequenzen der Erweiterung für<br />

die derzeitige EU dargelegt werden („Erweiterungsfähigkeit“).<br />

Die Kommission schließt ihre Analyse<br />

ab mit einer Empfehlung zur Aufnahme (oder Nichtaufnahme)<br />

von Beitrittsverhandlungen. Die Stellungnahme<br />

der Kommission ist in der Regel sorgfältig<br />

begründet, von ihr wird nur selten abgewichen,<br />

z. B. im Falle Griechenlands, als der Rat, entgegen<br />

derEmpfehlungderKommission,sich1976auspolitischen<br />

Gründen für eine Verhandlungsaufnahme<br />

aussprach. Bei ihren Stellungnahmen zu den Beitrittsanträgen<br />

(je Land legte die Kommission ein<br />

„Avis“ vor) stützt sich die Kommission auf die offiziellen<br />

Auskünfte des Bewerbers über die politische,<br />

wirtschaftliche und rechtliche Lage, auf eigene Recherchen<br />

sowie die Bewertungen der EU-Mitgliedstaaten,<br />

des Europäischen Parlaments und anderer<br />

Einrichtungen.<br />

2. Die endgültige Stellungnahme der Kommission<br />

über den Beitritt nach Abschluss von Beitrittsverhandlungen<br />

(„Anhörung“ nach Art. 49 EUV) ist die<br />

ebenfalls für den Rat nicht verbindliche Grundlage<br />

für dessen einstimmige Entscheidung nach Art. 49<br />

EUVüberdieAufnahme indieEU. B. K. S.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Fragebogen. Notwendige Informationen<br />

zur Vorbereitung der Stellungnahme zum Antrag auf<br />

den Beitritt zur Europäischen Union. Brüssel 1996<br />

Dies.: Stellungnahme der Kommission zum Antrag Ungarns<br />

[Polens, Rumäniens etc.] auf Beitritt zur Europäischen Union.<br />

Dok. KOM (97) 2001 – 2010 endg., in: Bulletin der Europäischen<br />

Union, Beilagen 6–15<br />

Dies.: Mitteilung der Kommission an den Rat und das<br />

Europäische Parlament, Empfehlung der Europäischen<br />

Kommission zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg<br />

zum Beitritt. Dok. KOM (2004) 656 endg.


Balkanpolitik �Südosteuropapolitik<br />

Baltischer Rat. 1990 von den Staaten Estland, Lettland<br />

und Litauen gegründet zur Zusammenarbeit bei<br />

Maßnahmen, die das Baltikum betreffen. Regelmäßige<br />

Treffen der Premierminister und der Parlamentarier<br />

(„Baltische Versammlung“) sowie Treffen der<br />

Präsidenten und von Beamten der Außenministerien.<br />

Auch Zusammenarbeit im militärischen Bereich<br />

(Baltisches Bataillon BALTBAT, 1994 aufgestellt,<br />

Baltischer Marineverband BALTRON zur Minenräumung,<br />

Luftraumüberwachungssystem BALT-<br />

NET seit 2000, gemeinsame baltische Verteidigungsakademie<br />

BALTDEFCOL, gegründet 1998).<br />

Regionale, über das Baltikum hinausreichende Fragen<br />

werden bei regelmäßigen Treffen des Baltischen<br />

Rats mit anderen nordischen Staaten sowie im Rahmen<br />

des �Ostseerats behandelt.<br />

Bananenmarktordnung. Mit der am 1. 7. 1993 in<br />

Kraft getretenen „Gemeinsamen Marktordnung Bananen“<br />

(und zwischenzeitlich über 70 Ergänzungsund<br />

Durchführungsverordnungen) wollte die EU einen<br />

einheitlichen Markt mit freiem Verkehr für BananenschaffensowieeinegemeinsameHandhabung<br />

des Handels mit �Drittländern herbeiführen. Bananenerzeuger<br />

in der Gemeinschaft und in den – mit ihr<br />

in einer Entwicklungsassoziation verbundenen –<br />

ehemaligen Kolonialstaaten Afrikas, des karibischen<br />

und pazifischen Raumes (�AKP-Staaten) sollten<br />

unter dem Gesichtspunkt der �Gemeinschaftspräferenzbegünstigtwerden.EinigeMitgliedstaaten<br />

hatten geschlossene Märkte, in denen ausschließlich<br />

Gemeinschafts- oder AKP-Bananen gehandelt wurden.<br />

Andere Mitgliedstaaten dagegen hatten offene<br />

Märkte, in die überwiegend „Dollarbananen“ eingeführt<br />

wurden. Hierzu zählte auch die Bundesrepublik,<br />

der das sog. �Bananenprotokoll von 1957 die Befugnis<br />

zugestand, im Rahmen eines großzügig bemessenen<br />

Kontingents Bananen zollfrei einzuführen.MitdemErlassderBananenmarktordnungsollte<br />

dieser Marktzersplitterung – und damit auch dem<br />

zollfreien Bananenimport Deutschlands – ein Ende<br />

bereitet werden. Nunmehr wurde die Erzeugung von<br />

B<br />

Bananenmarktordnung<br />

„Gemeinschaftsbananen“ in der EG durch Beihilfen<br />

gefördert. Auch wurde den AKP-Staaten zunächst<br />

die zollfreie Einfuhr eines Kontingents von<br />

„AKP-Bananen“ gewährt (857 000 Tonnen). Für die<br />

Einfuhr von „Dollarbananen“ aus Drittstaaten dagegensetztedieMarktordnungein(variables)Zollkontingent<br />

fest (zunächst ca. 2,5 Mio. Tonnen mit einem<br />

Zollsatz von etwa 100 Euro pro Tonne). Dieses Zollkontingent<br />

stand zu einem großen Teil pauschal<br />

Händlern aus dem AKP-Markt zu, die ihre EinfuhrlizenzenoftmalszuhohenPreisenandietraditionellen<br />

Importeure von Dollarbananen verkauften. Die Bananenmarktordnung<br />

führte von Beginn an zu kontroversen<br />

Diskussionen nicht nur in Deutschland, wo in<br />

ihrer Folge die Bananenpreise um 30 bis 40% stiegen.<br />

Deutschland klagte vor dem EuGH auf Nichtigkeit<br />

der Bananenmarktordnung, allerdings vergeblich<br />

(�Bananenmarktordnung-Urteil des EuGH).<br />

Nach massiven Protesten einiger von den Auswirkungen<br />

der Marktordnung stark betroffener lateinamerikanischer<br />

Länder sowie der USA wurde 1993<br />

ein erster Streitschlichtungsausschuss (Panel) nach<br />

dem alten �GATT 1947 eingesetzt. In seinem – allerdings<br />

durch Intervention der EG nicht angenommenen<br />

– Abschlussbericht stellte der Panel 1995 Verstöße<br />

gegen die GATT-Regelungen fest. Die Gemeinschaft<br />

setzte sich im Anschluss hieran für eine<br />

gütliche Beilegung des Streits ein, indem bspw. mit<br />

einigen lateinamerikanischen Staaten ein Rahmenabkommen<br />

mit günstigeren Importbedingungen abgeschlossen<br />

wurde. Dennoch leiteten andere lateinamerikanische<br />

Staaten und die USA 1996 ein erneutes<br />

Streitbeilegungsverfahren bei der neu gegründeten<br />

Welthandelsorganisation (�WTO) ein. In den<br />

Abschlussberichten wurden wiederum Verstöße –<br />

nunmehr u. a. gegen das neue GATT 1994 – festgestellt<br />

und auch das erwähnte Rahmenabkommen für<br />

GATT-widrig erklärt. Verlangt wurde insbes. eine<br />

nicht diskriminierende Verteilung der Einfuhrquoten<br />

für „Dollarbananen“. Auf die Berufung der EG<br />

hin bestätigte das zuständige Appellationsorgan die<br />

Abschlussberichte Ende August 1997 im Wesentlichen.<br />

Am 25. 9. 1997 beurteilte zudem der Allgemeine<br />

WTO-Rat in seiner Funktion als Streitbeilegungs-<br />

73


Bananenmarktordnung-Urteile<br />

gremiumverbindlichdieVölkerrechtswidrigkeitder<br />

alten EG-Bananenmarktordnung. Schließlich stellte<br />

ein weiterer GATT-Panel mit Abschlussbericht vom<br />

12. 4. 1999 die Unvereinbarkeit auch der von der EG<br />

revidierten Bananenmarktordnung mit den Artikeln<br />

I und XIII GATT 1994 fest.<br />

Damit war der lukrative Handel mit Einfuhrlizenzen<br />

ab 1999 nicht mehr möglich. Seither galt ein auf<br />

Druck der Welthandelsorganisation (WTO) im Juni<br />

1998 reformiertes System, das Einfuhrlizenzen nach<br />

den tatsächlichen Importmengen in den Jahren 1994<br />

bis 1996 zuteilte. Im Übrigen blieb es bei den bisherigen<br />

Kontingenten für „AKP-Bananen“ bzw. „Dollarbananen“.<br />

Ebenfalls bestehen blieb die Regelung,<br />

dass für Einfuhrmengen, die über das Zollkontingent<br />

hinausgehen, Strafzölle gezahlt werden mussten (ca.<br />

850 Euro pro Tonne). Die USA akzeptierten jedoch –<br />

wie sich zeigte, zu Recht – auch dieses reformierte<br />

EG-System nicht als GATT-konform und leiteten<br />

von der WTO zugestandene Sanktionen ein.<br />

Im Rahmen des Gemeinschaftsrechts hatte und hat<br />

diesjedochkaumAuswirkungen.ImKlartextbedeutet<br />

dies, dass die Bananenmarktordnung in der EG –<br />

ggf. unter offenem Bruch des Völkerrechts – voll angewendet<br />

und vollzogen wird. Ursache hierfür ist die<br />

mithin faktisch „Völkerrecht-abwehrende“ Rechtsprechung<br />

des EuGH. Mit Urteil vom 23. 11. 1999<br />

entschied der Gerichtshof, dass das WTO-Übereinkommen<br />

sowie die in seinen Anhängen enthaltenen<br />

Übereinkünfte und Vereinbarungen wegen ihrer<br />

Natur und ihrer Struktur grundsätzlich nicht zu den<br />

Vorschriften gehörten, an denen der Gerichtshof bei<br />

�Nichtigkeitsklagen (Art. 230 EG) die Rechtmäßigkeit<br />

von Handlungen der Gemeinschaftsorgane<br />

misst (149/96 – Portugal/Rat). Mit Urteil vom 14. 12.<br />

2000 entschied der EuGH weiter, dass die BestimmungendesdemWTO-ÜbereinkommenalsAnhang<br />

1 C beigefügten Übereinkommens über handelsbezogene<br />

Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums<br />

für den Einzelnen keine Rechte begründen, auf die er<br />

sich nach dem Gemeinschaftsrecht unmittelbar vor<br />

den Gerichten berufen könnte (C-300/98 u. C-392/<br />

98 – Dior u. a.). Im Anschluss hieran judiziert der<br />

EuGH bislang in ständiger Rechtsprechung, dass<br />

dies in gleicher Weise für die Bestimmungen des<br />

GATT gilt. Auch gegenüber der Bananenmarkordnung<br />

sei das GATT 1994 deshalb nicht unmittelbar<br />

anwendbar,d.h.esbegründefürdenEinzelnenkeine<br />

Rechte,aufdiemansichvordemEuGHbzw.denGe-<br />

74<br />

richten der Mitgliedstaaten mit Erfolg berufen könnte(vgl.Beschl.v.2.5.2001,C-307/99–OGTFruchthandels-GmbH).<br />

Die immer lauter werdende Kritik<br />

an diesem Zustand sowie den vielfältigen negativen<br />

Auswirkungen auf die betroffenen „Dollarbananen“-Produkteure<br />

und -Händler hat die Kommission<br />

zwischenzeitlich zum Einlenken bewegt: Am 8. 5.<br />

2001 (ABl. Nr. L 126/2001) veröffentlichte sie mit<br />

der VO 896/2001 neue Durchführungsregelungen<br />

der Bananenmarktordnung, die im Einklang mit der<br />

Lösung stehen, auf die sie sich mit den USA und<br />

Ecuador geeinigt hat. Die neuen Vorschriften gelten<br />

seit 1. 7. 2001 als Übergangslösung bis zur Abschaffung<br />

der Bananenmarktordnung und zur Einführung<br />

einer reinen Zollregelung, die für 2006 geplant ist.<br />

Bis dahin werden weiterhin, primär auf der Grundlage<br />

historischer Referenzmengen bzw. bisheriger<br />

Handelsvolumen, Einfuhrlizenzen erteilt (83 %).<br />

Aber auch „traditionelle Marktbeteiligte“ ohne historische<br />

Referenzmengen bekommen Einfuhrlizenzen<br />

(17 %), und es soll der Marktzugang für Bananen<br />

aus Lateinamerika generell verbessert werden. Die<br />

neuen Regelungen haben Ende 2001 die erforderlichen<br />

WTO-Genehmigungen bis 31. 12. 2005 bzw.<br />

2007 („waiver“) erhalten. Auf diese Weise wurden<br />

insoweit der europäische Bruch des Völkerrechts<br />

und die hieraus resultierenden Sanktionen der USA<br />

weitgehend beendet. Zudem sind weitere Voraussetzungen<br />

für die Zustimmung der �AKP-Staaten zur<br />

Eröffnung einer neuen Welthandelsrunde geschaffen<br />

worden. Diese Entwicklungen wecken die Hoffnung,<br />

dass der Streit um die unselige EG-Bananenmarktordnung<br />

bald zu einem Ende kommt.<br />

J. M. B.<br />

Bananenmarktordnung-Beschluss des<br />

BVerfG. Im Beschluss vom 7. 6. 2000 (2 BvL 1/97,<br />

EuZW 2000, 702) kehrte sich das Bundesverfassungsgericht<br />

– europafreundlich – von zentralen<br />

Aussagen seines �Maastricht-Urteils ab („Missverständnisse“),<br />

lehnte die Vorlage des VerwaltungsgerichtsFrankfurta.M.zurFrage,obdieDurchführung<br />

der �Bananenmarktordnung mit deutschen Grundrechten<br />

vereinbar sei (NJW 1997, 1256 L) als unzulässig<br />

ab und bekräftigte bezüglich der Vorrangfrage<br />

gewissermaßen wieder die alte �„Solange II“-Judikatur:<br />

Verfassungsbeschwerden und Gerichtsvorlagen,<br />

die eine Verletzung von deutschen Grundrechten<br />

durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend


machen, werden vom BVerfG von vornherein als unzulässig<br />

abgelehnt, „solange“ die EU „einen effektiven<br />

und dem Grundgesetz vergleichbaren Grundrechtsstandard“<br />

gewährleistet. Die Zulässigkeit eines<br />

solchen Verfahrens vor dem BVerfG könne mithin<br />

allenfalls dann gegeben sein, wenn im Einzelnen<br />

dargelegt werde, „dass die europäische Rechtsentwicklungeinschl.derRechtsprechungdesEuGHunter<br />

den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken“,<br />

d. h. „der jeweils als unabdingbar gebotene<br />

Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet“ sei.<br />

Eine extreme Anforderung, die angesichts der durch<br />

Art. 6 EUV, die neue Grundrechte-Charta (Teil II des<br />

Verfassungsvertrags 2004) bzw. die ständige Rechtsprechung<br />

des EuGH im Grund- und Menschenrechtsbereich<br />

garantierten Europarechtspositionen<br />

desBürgerswohlkaumjemalserfüllbarist. J. M. B.<br />

Bananenmarktordnung-Urteile des EuGH. Im<br />

Urteil vom 5. 10. 1994 (C-280/93) entschied der Europäische<br />

�Gerichtshof, dass die Nichtigkeitsklage<br />

der Bundesrepublik Deutschland gegen die Gemeinsame<br />

Marktordnung für Bananen (VO 404/93, ABl.<br />

L 47/1993) in vollem Umfang abzuweisen sei (NJW<br />

1995, 945). Die Verordnung sei rechtmäßig. Weder<br />

läge eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften<br />

vor noch ein Verstoß gegen materielle Bestimmungen<br />

des Gemeinschaftsrechts, wie insbes. die Grundrechte.<br />

Die Europäische Gemeinschaft habe mit dem<br />

Erlass der �Bananenmarktordnung in zulässiger<br />

Weise von ihrem Gestaltungsspielraum Gebrauch<br />

gemacht. Die Bundesrepublik könne sich zudem<br />

nicht auf einen behaupteten Verstoß gegen das �Lomé-<br />

oder das �GATT-Abkommen bzw. das alte �Bananenprotokoll<br />

berufen. In den Urteilen vom 10. 3.<br />

1998 (C-122/95, C-364 u. 365/ 95) bestätigte der<br />

EuGH im Wesentlichen noch einmal diese Grundlinie.<br />

Zwar wurde ein konkreter Ratsbeschluss wegen<br />

Verletzung des allgemeinen �Diskriminierungsverbotsteilweisefürnichtigerklärt,generellverletzedie<br />

Bananenmarktordnung jedoch weder das Eigentumsrecht<br />

oder das Recht auf freie Berufsausübung<br />

noch die Grundsätze des Vertrauensschutzes oder<br />

der Verhältnismäßigkeit. Auch das deutsche Bundesverfassungsgericht<br />

hat diese Rechtsprechung in<br />

seinem �Bananenmarktordnung-Beschluss vom 7.<br />

6.2000faktischakzeptiert. J. M. B.<br />

Bananenprotokoll.Artikel136desEWG-Vertrags<br />

Beamte und Bedienstete<br />

von 1957 sah die Assoziierung der überseeischen<br />

Länder und Hoheitsgebiete von Mitgliedstaaten vor.<br />

Dem Durchführungsabkommen vom 25. 3. 1957 zur<br />

Assoziierung wurde ein Protokoll beigefügt, das der<br />

Bundesrepublik Deutschland die zollfreie Einfuhr<br />

eines großen Kontingents von Bananen (zunächst<br />

260 000 t) aus nicht assoziierten Drittländern zusicherte.<br />

Der Rat sollte mit qualifizierter Mehrheit<br />

über Änderung oder Aufhebung des Kontingents<br />

entscheiden, was jedoch nie geschah. Das „Bananenprotokoll“<br />

galt somit auch nach Ablauf des Durchführungsabkommens<br />

am 31. 12. 1962 weiter und<br />

wurde den �Lomé-Abkommen und dem �Cotonou-<br />

Abkommen angehängt. Die Möglichkeit zollfreier<br />

Einfuhr von „Dollarbananen“ nach Deutschland<br />

wurdeerstmitInkrafttretenderEG-�Bananenmarktordnung<br />

am 1. 7. 1993 aufgehoben, was zu erheblichen<br />

Preiserhöhungen und anhaltenden Protesten<br />

führte.<br />

Bandbreiten für Schwankungen der Wechselkurse<br />

von Währungen �Europäisches Währungssystem,<br />

�Wechselkursmechanismus II<br />

Barcelona-Prozess �Mittelmeerpolitik<br />

Beamte und Bedienstete der EU. Rechtliche<br />

Grundlage für die Beschäftigung von Personen im<br />

Dienste der EU ist das „Statut der Beamten“ gem.<br />

Art.283EGV(VO259/68,ABl.L56/1968,bisher98<br />

Änderungen, zuletzt durch VO 23/2005, ABl. 6/<br />

2005). Es regelt die „Beschäftigungsbedingungen<br />

für die Beamten und sonstigen Bediensteten der<br />

EG“. Hinzu kommen verbindliche Vorschriften für<br />

das Verhalten von Beamten, z. B. im �Kodex über<br />

eine gute Verwaltungspraxis (Beziehungen zur Öffentlichkeit)<br />

oder im �Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder.<br />

Das „Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen<br />

der Europäischen Gemeinschaften“ von 1965 (ABl.<br />

L 152/1967) in der Fassung des Vertrags von Nizza<br />

regelt Privilegien der Beamten und sonstigen Bediensteten<br />

der EU, z. B. Befreiung von der Gerichtsbarkeit<br />

bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft<br />

vorgenommenen Handlungen, von Einwanderungsbeschränkungen<br />

und Meldepflicht, von innerstaatlichen<br />

Steuern auf die von der EU gezahlten<br />

Gehälter, Löhne und Bezüge, auf die eine Steuer zugunsten<br />

des EU-Haushalts erhoben wird. Die ge-<br />

75


Begründungspflicht<br />

nannten Vorrechte und Befreiungen sind auch in das<br />

Protokoll Nr. 7 des >Verfassungsvertrags 2004 übernommen<br />

worden.<br />

Beamte der EU haben in der Regel ein DienstverhältnisaufLebenszeit,BediensteteeinArbeitsverhältnis<br />

auf Zeit. Für Beamte gelten vier Laufbahngruppen:<br />

A(höhererDienst,Hochschulabschluss),B(gehobener<br />

Dienst, Sachbearbeiter), C (mittlerer Dienst, Sekretariats-<br />

und Büroarbeiten) und D (einfacher<br />

Dienst, Hilfstätigkeiten). Hinzu kommt die Sonderlaufbahn<br />

L A für Dolmetscher und Übersetzer.<br />

Die EU hatte 2004 einen genehmigten Personalbestand<br />

von insgesamt 35 346 Personen (33 132 Dauerplanstellen<br />

und 2 214 Planstellen auf Zeit), darunter<br />

4 219 Übersetzer und Dolmetscher.<br />

Vom gesamten Personalbestand sind<br />

– 22 564 Dauerplanstellen und 758 Stellen auf Zeit<br />

bei der Kommission in Brüssel,<br />

– 4 591 Dauerplanstellen und 808 Stellen auf Zeit<br />

beim Generalsekretariat des Europäischen Parlaments<br />

in Brüssel, Luxemburg und Straßburg,<br />

– 3 137 Dauerplanstellen und 47 Stellen auf Zeit<br />

beim Ministerrat in Brüssel,<br />

– 1 248 Dauerplanstellen und 393 Stellen auf Zeit<br />

beim Gerichtshof in Luxemburg,<br />

– 601 Dauerplanstellen und 135 Stellen auf Zeit<br />

beim Rechnungshof in Luxemburg,<br />

– 594 Dauerplanstellen und 24 Stellen auf Zeit beim<br />

Wirtschafts- und Sozialausschuss,<br />

– 382 Dauerplanstellen sowie 26 Stellen auf Zeit<br />

beim Ausschuss der Regionen,<br />

– 15 Dauerplanstellen und 23 Stellen auf Zeit beim<br />

Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />

StellenwerdenimAmtsblattderEUausgeschrieben.<br />

Begründungspflicht für Organe der EU. Nach<br />

Art. 253 EGV müssen alle vom Europäischen Parlament<br />

(EP) und vom Rat gemeinsam oder von Rat und<br />

Kommission beschlossenen �Rechtsakte mit Gründen<br />

versehen sein und auf Vorschläge und Empfehlungen<br />

(z. B. des EP) Bezug nehmen. Die BegründungwirdgewöhnlichindiePräambeldesRechtsaktes<br />

aufgenommen. Eine andere als von Art. 253 EGV<br />

verlangte Aufgabe hat die Begründungspflicht für<br />

Vorschläge der Kommission im Zusammenhang mit<br />

dem Prinzip der �Subsidiarität.<br />

Behinderte sollen in der EU in besonderer Weise<br />

gefördert und in ihren Rechten geschützt werden,<br />

76<br />

nicht nur durch das allgemeine Diskriminierungsverbot<br />

nach Art. 13 EGV. In einer Empfehlung vom<br />

24. 7. 1986 (ABl. L 225/1986) hat der Rat Kernpunkte<br />

der Eingliederung behinderter Menschen in berufliche<br />

Bildung und Beschäftigung genannt. Die �Gemeinschaftscharta<br />

der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer<br />

vom 9. 12. 1989 bestimmt in Nr. 26:<br />

„Alle Behinderten müssen unabhängig von der Ursache<br />

und Art ihrer Behinderung konkrete ergänzende<br />

Maßnahmen, die ihre berufliche und soziale Eingliederung<br />

fördern, in Anspruch nehmen können. Diese<br />

MaßnahmenzurVerbesserungderLebensbedingungen<br />

müssen sich je nach Fähigkeiten der Betreffenden<br />

auf berufliche Bildung, Ergonomie, Zugänglichkeit,<br />

Mobilität, Verkehrsmittel und Wohnung erstrecken.“<br />

In den beschäftigungspolitischen Leitlinien<br />

für 1999 (ABl. C 69/1999) werden die Mitgliedstaaten<br />

aufgefordert, „den Bedürfnissen behinderter<br />

Menschen ... besondere Aufmerksamkeit zu schenken<br />

und geeignete präventive und aktive politische<br />

Ansätzezuentwickeln,umdieEingliederungderBetreffenden<br />

in den Arbeitsmarkt zu fördern“.<br />

Die Kommission hat am 22. 9. 1998 in ihrem Dokument<br />

„Das Beschäftigungsniveau von Menschen mit<br />

Behinderungen anheben – Eine gemeinsame Herausforderung“<br />

eine koordinierte Strategie statt der<br />

bisherigen Zersplitterung in Einzelinitiativen gefordert.<br />

Der Rat hat in einer „Entschließung vom 17. 6.<br />

1999 betreffend gleiche Beschäftigungschancen für<br />

behinderte Menschen“ (ABl. C 186/1999) die Mitgliedstaaten<br />

aufgefordert, die Möglichkeiten der<br />

Strukturfonds und einschlägiger Gemeinschaftsinitiativen<br />

voll zu nutzen und insbes. den durch die moderne<br />

Informationstechnologie geschaffenen Möglichkeiten<br />

für neue Arbeitsplätze für behinderte<br />

Menschen besonderes Augenmerk zu schenken. Er<br />

fordertedieOrganederEUauf,inihrenDienststellen<br />

für gleiche Beschäftigungschancen für behinderte<br />

Menschen zu sorgen.<br />

Völkerrechtlich wirksame Bestimmungen zum<br />

SchutzundzurFörderungBehinderterbestehenauch<br />

im Übereinkommen 159 und der Empfehlung 168<br />

der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über<br />

die berufliche Rehabilitation und die Beschäftigung<br />

der Behinderten vom 20. 6. 1983, in der Empfehlung<br />

Nr. R (92) 6 des �Europarates für eine kohärente Politik<br />

für behinderte Menschen vom 9. 4. 1992 sowie<br />

indenRahmenbestimmungenfürdieHerstellungder<br />

Chancengleichheit für Behinderte, von den Verein-


ten Nationen am 20. 12. 1993 als Resolution verabschiedet.<br />

Beihilfen. Artikel 87 EGV regelt die (Un-)Zulässigkeit<br />

staatlicher Beihilfen an Unternehmen oder Wirtschaftszweige.<br />

Die Artikel 88 und 89 EGV enthalten<br />

Vorschriften über die �Beihilfenaufsicht.<br />

DerBegriffderBeihilfeistweitzuverstehenundumfasst<br />

alle unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen<br />

Mitteln gewährten Vergünstigungen wie etwa verlorene<br />

Zuschüsse, Bürgschaften, Zinsverbilligungen<br />

und die Befreiung von Abgaben (Subventionen).<br />

Voraussetzung einer Beihilfe ist in jedem Fall eine<br />

Begünstigung des Unternehmers und die deshalb potenziell<br />

oder tatsächlich eintretende Wettbewerbsverfälschung.<br />

Hieran fehlt es, wenn für die staatliche<br />

Zuwendung eine Gegenleistung erbracht wird.<br />

Nach Art. 87 Abs. 1 EGV sind Beihilfen in dem oben<br />

beschriebenen Sinn mit dem Gemeinsamen Markt<br />

unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten<br />

beeinträchtigen. Bei Beihilfen geringen<br />

Umfangs (sog. �De-minimis-Beihilfen) wird dies<br />

häufig nicht der Fall sein. Die Kommission setzt das<br />

Beihilfenverbot grundsätzlich nur bei spürbar wettbewerbsverzerrend<br />

wirkenden Beihilfen durch.<br />

Das Beihilfenverbot des Art. 87 Abs. 1 EGV gilt<br />

nicht absolut, sondern nur „soweit nicht in diesem<br />

Vertrag etwas anderes bestimmt ist“. Solche anderen<br />

Bestimmungen finden sich z. B. in Art. 87 Abs. 2<br />

EGV als sog. Legalausnahmen („Mit dem Gemeinsamen<br />

Markt vereinbar sind...“) und in Art. 87 Abs. 3<br />

EGV als sog. fakultative Befreiungstatbestände<br />

(„Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können<br />

angesehen werden...“). Zu Ersteren rechnen insbes.<br />

Sozialbeihilfen, Beihilfen zur Beseitigung von<br />

Naturkatastrophen und Wirtschaftsbeihilfen zum<br />

Ausgleich von Nachteilen durch die (frühere) Teilung<br />

Deutschlands (Deutschland-Klausel), zu Letzteren<br />

etwa sektorale oder regionale Entwicklungsbeihilfen<br />

sowie Kulturbeihilfen. Schließlich kann<br />

der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der<br />

Kommission die Befreiungstatbestände erweitern<br />

(Art.87Abs.3lit.eEGV). Ch. S.<br />

Literatur:<br />

T. Jestaedt / A. Miehle: Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen<br />

für Unternehmen in Schwierigkeiten. EuZW 1995, 659<br />

C. Koenig / J. Kühling: Grundfragen des EG-Beihilfenrechts.<br />

NJW 2000, 1065<br />

R. Uerpmann: Die Gemeinschaftsrahmen für staatliche<br />

Beihilfen. EuZW 1998, 331<br />

Beihilfenaufsicht<br />

Beihilfenaufsicht. Während Art. 87 EGV die Zulässigkeit<br />

und das Verbot von staatlichen �Beihilfen<br />

regelt, finden sich in Art. 88 und 89 EGV die Vorschriften<br />

über die Beihilfenaufsicht. Diese werden<br />

ergänzt durch die Verordnung Nr. 659/1999 des Rates<br />

vom 22. 3. 1999 für die Anwendung von Art. 88<br />

EGV (ABl. L 83/1999). Dabei obliegt die Feststellung,<br />

ob eine staatliche Beihilfe mit dem GemeinsamenMarktvereinbarist,zuvörderstderKommission<br />

(Art. 88 EGV). Dem Rat kommt nur eine Art Reservekompetenz<br />

zu. Er kann in außergewöhnlichen Fällen<br />

durch einstimmigen Beschluss eine Beihilfe legalisieren<br />

(Art. 88 Abs. 2 EGV) und rechtsetzend tätig<br />

werden, indem er Befreiungstatbestände (Art. 87<br />

Abs. 3 lit. e EGV) und Durchführungsverordnungen<br />

erlässt (Art. 89 EGV).<br />

Bei Inkrafttreten des EG-Vertrages bzw. Wirksamwerden<br />

eines Beitritts bereits bestehende Beihilfen<br />

und solche, die zu einem späteren Zeitpunkt von der<br />

Kommissiongenehmigtwurden,werdenfortlaufend<br />

auf ihre Rechtmäßigkeit und vertragsgemäße Anwendung<br />

überprüft (Art. 88 Abs. 1 EGV). Der Vertrag<br />

sieht hierbei ein Kooperationsverhältnis mit den<br />

Mitgliedstaaten vor: Die Mitgliedstaaten geben der<br />

Kommission Auskunft über Umfang und Entwicklung<br />

der staatlichen Beihilfen, die Kommission tritt<br />

nach Überprüfung der Auswirkungen der staatlichen<br />

Beihilfen auf den Gemeinsamen Markt zunächst mit<br />

einer Art Empfehlung an die Mitgliedstaaten heran.<br />

Werden solche Empfehlungen und sonstige Mitteilungen<br />

nicht beachtet, kann aus dem Vorprüfungsverfahren<br />

ein förmliches Verfahren werden, dessen<br />

Ablauf sich nach Art. 88 Abs. 2 EGV richtet. Hierbei<br />

wirdzunächstdenBeteiligtenGelegenheitzurÄußerungbinneneinerFristgegeben.Kommteineeinvernehmliche<br />

Lösung danach nicht zustande, kann die<br />

Kommission eine förmliche Entscheidung gegen<br />

den betreffenden Mitgliedstaat erlassen, wenn die<br />

Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar<br />

ist oder sie zwar vereinbar ist, ihre Anwendung aber<br />

missbräuchlich erfolgt. Diese förmliche Entscheidung<br />

ist zu begründen und gibt dem Mitgliedstaat regelmäßig<br />

auf, seine Beihilfepraxis aufzugeben oder<br />

marktverträglich umzugestalten.<br />

Bei neuen Beihilfen (neu eingeführten oder umgestalteten)<br />

wird die Kommission von den Mitgliedstaaten<br />

so rechtzeitig unterrichtet, dass sie ausreichend<br />

Zeit hat, die Vereinbarkeit der geplanten Maßnahme<br />

mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen (Art.<br />

77


Beitritt<br />

88 Abs. 3 EGV). Bis zu diesem Zeitpunkt darf die<br />

neue Beihilfe nicht eingeführt werden (Sperrwirkung).<br />

Ausgenommen von dieser Pflicht zur Notifizierung<br />

sind lediglich solche Maßnahmen, die unter<br />

einesog.GruppenfreistellungsverordnungderKommission<br />

fallen. Die Kommission muss sich binnen<br />

zweier Monate zu der angemeldeten Beihilfe äußern.<br />

Fällt die Beihilfe nicht unter Art. 87 Abs. 1 EGV oder<br />

kommt eine Freistellung nach Art. 87 Abs. 2, 3 EGV<br />

in Betracht, wird die Beihilfe genehmigt und die Entscheidung<br />

im �Amtsblatt der EU veröffentlicht. Ist<br />

die Beihilfe mit dem �Gemeinsamen Markt unvereinbar,<br />

leitet die Kommission das Hauptverfahren<br />

ein. Die Einwände werden dem Mitgliedstaat in einem<br />

Schreiben dargelegt; dieser darf sich hierzu binnen<br />

einer Frist äußern. Auch dieses Schreiben wird<br />

im Amtsblatt veröffentlicht, um andere Mitgliedstaaten,<br />

Beteiligte und Konkurrenten zu informieren.<br />

Nach einer Äußerung des Mitgliedstaates und<br />

ggf. weiterer Prüfung trifft die Kommission ihre begründete<br />

Entscheidung. Mit ihr kann die Beihilfe<br />

(auch unter Auflagen) genehmigt oder abgelehnt<br />

werden.<br />

Werden neue Beihilfen entgegen Art. 88 EGV nicht<br />

notifiziert, fordert die Kommission die Mitgliedstaaten<br />

zur Bekanntgabe näherer Informationen binnen<br />

kurzer Frist auf, weist auf die Sperrwirkung hin oder<br />

erlässt selbst eine einstweilige Anordnung nach Art.<br />

11 der Verordnung Nr. 659/1999/EG, um die Auszahlung<br />

vorläufig zu verhindern. Ferner kann sie ein<br />

�Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat<br />

einleiten, weil dieser sich nicht an die Notifizierungspflicht<br />

gehalten hat. Ist die Beihilfe nicht genehmigungsfähig,<br />

gibt die Kommission dem Mitgliedstaat<br />

auf, sie einschl. Zinsen zurückzufordern.<br />

Bei nicht notifizierten Beihilfen können sich die begünstigten<br />

Unternehmen nicht auf Vertrauensschutz<br />

berufen.<br />

Kommt der Mitgliedstaat den Entscheidungen der<br />

Kommissionnichtnach,sodarfdieseohneeinerneutes<br />

Vorverfahren den Europäischen Gerichtshof anrufen<br />

(Art. 88 Abs. 2 EGV) und eine einstweilige Anordnung<br />

beantragen (Art. 242 EGV). Der Mitgliedstaat<br />

kann gegen Entscheidungen der Kommission<br />

Nichtigkeitsklage erheben (Art. 230 EGV). Gleiches<br />

gilt für durch die Kommissionsentscheidung unmittelbar<br />

und individuell betroffene Unternehmen (Art.<br />

230 Abs. 4 EGV), also auch die Konkurrenten im<br />

Wettbewerb. Ch. S.<br />

78<br />

Beitritt, Beitrittsverhandlungen<br />

1. Grundlagen. Der Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften<br />

bzw. der Europäischen Union steht allen<br />

Staaten Europas grundsätzlich auf Antrag offen.<br />

Artikel 49 EUV regelt die Formalitäten:<br />

„Jeder europäische Staat kann beantragen, Mitglied<br />

der Union zu werden. Er richtet seinen Antrag an den<br />

Rat; dieser beschließt einstimmig nach Anhörung<br />

der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen<br />

Parlaments, das mit der absoluten Mehrheit<br />

seiner Mitglieder beschließt. Die Aufnahmebedingungen<br />

und die durch eine Aufnahme erforderlich<br />

werdenden Anpassungen der Verträge, auf denen die<br />

Union beruht, werden durch ein Abkommen zwischen<br />

den Mitgliedstaaten und dem antragstellenden<br />

Staat geregelt. Das Abkommen bedarf der Ratifikation<br />

durch alle Vertragsstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen<br />

Vorschriften.“<br />

Eine fast gleichlautende Bestimmung enthielt Art.<br />

237 EWGV (vgl. Art. 98 EGKSV; Art. 205 EAGV).<br />

Die Vertragsbestimmungen legen nur die geographische<br />

Lage fest, d. h. sie schließen außereuropäische<br />

Staaten (wie die südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeerraumes)<br />

aus. Der EWG-Vertrag enthielt darüber<br />

hinaus keine inhaltlichen Bestimmungen. Es<br />

wird aber vorausgesetzt, dass es sich bei den Antragstellern<br />

um demokratische Staaten nach westlichem<br />

Vorbild handelt. Hierauf wies bereits 1978 der Europäische<br />

Rat in Kopenhagen hin, als er erklärte, dass<br />

dieparlamentarischeDemokratieunddieEinhaltung<br />

der Menschenrechte wesentliche Elemente für die<br />

ZugehörigkeitzudenEuropäischenGemeinschaften<br />

bildeten. Erst der Vertrag über die Europäische<br />

Union legt in Art. 6 Abs. 1 fest, dass die Regierungssysteme<br />

der Mitgliedstaaten „auf demokratischen<br />

Grundsätzen beruhen“. Die Mitgliedstaaten und die<br />

Gemeinschaft sollen zudem eine Wirtschaftspolitik<br />

betreiben, die dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft<br />

mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist.<br />

Aus der Erfüllung aller Voraussetzungen, zu denen<br />

außerdem gehört, dass die Beitrittskandidaten den<br />

vertraglichen Verpflichtungen nachkommen (können),<br />

ist jedoch kein Rechtsanspruch auf eine EU-<br />

Mitgliedschaft abzuleiten. Die Beitrittsentscheidung<br />

ist ein Akt politischen Ermessens insbesondere<br />

des Rates und der Mitgliedstaaten (�Beitrittskriterien).<br />

2. Beitrittsverfahren: Das Beitrittsverfahren läuft in<br />

mehreren Phasen ab: Antragstellung eines beitrittsu-


chenden europäischen Staates an den Rat, ErörterungdergenerellenMöglichkeitenundProblemedes<br />

beantragten Beitritts durch die Kommission, einstimmiger<br />

Beschluss des Rates über die Aufnahme<br />

von Verhandlungen, die im Namen der Mitgliedstaaten<br />

von der EU-Präsidentschaft geführt werden. In<br />

dieser Verhandlungsphase, die im Rahmen von Beitrittskonferenzen<br />

vor allem auf der Ebene von Arbeitsgruppen<br />

des Rates geführt wird, schlägt die<br />

Kommission die gemeinsame Verhandlungsposition<br />

vor. Die Bewerber sind verpflichtet, den aktuellen<br />

gemeinschaftlichen Besitzstand (�acquis communautaire)<br />

zu übernehmen. Die EU erlaubt dabei nur<br />

zeitlich befristete Abweichungen und Übergangsregelungen.<br />

Nach Art. 49 Abs. 2 EUV folgt dann der<br />

Abschluss eines Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten<br />

und dem antragstellenden Staat, das die<br />

konkreten Modalitäten des Beitritts regelt und auch<br />

Übergangsregelungen und zeitlich begrenzte Abweichungen<br />

beinhaltet. In der Abschlussphase holt<br />

der Rat zunächst die endgültige Stellungnahme der<br />

Kommission (�Avis) zum Beitritt ein, die ihn allerdings<br />

nicht bindet. Das EP, das während der Verhandlungsphase<br />

über den Gang der Gespräche informiert<br />

wurde, muss mit absoluter Mehrheit seiner<br />

Mitglieder der Aufnahme zustimmen. Erst danach<br />

entscheidetderRateinstimmigüberdenBeitrittsvertrag,<br />

der von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet<br />

wird, sobald das EP und der Rat zugestimmt<br />

haben. Da der Beitrittsvertrag ein völkerrechtlicher<br />

Akt ist, muss er durch alle Mitgliedstaaten gemäß ihren<br />

jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften<br />

ratifiziert werden. Die bisherigen Beitrittsverträge<br />

sehen längere Übergangsfristen vor, bis alle Vertragsbestimmungen<br />

in einem Mitgliedsland wirksam<br />

werden, d. h. es gelten nicht überall die gleichen<br />

Standards.<br />

3. Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften.<br />

Die EG wurde bisher fünfmal erweitert.<br />

3.1 Beitritt Irlands, Großbritanniens und Dänemarks.<br />

Bereits am 31. 7. 1961 stellte Irland einen Antrag<br />

auf Beitritt; es folgten Großbritannien (9. 8.<br />

1961), Dänemark (10. 8. 1961) und Norwegen (30. 4.<br />

1962). Mit diesem Schritt verlor zugleich die �EFTA<br />

anBedeutung.IhrZiel,eineeigenständigePolitikgegenüber<br />

der EWG zu betreiben, wurde aufgegeben.<br />

Die Verhandlungen wurden Anfang 1963 unterbrochen<br />

wegen grundsätzlicher Einwände des französischen<br />

Staatspräsidenten Charles de �Gaulle gegen<br />

Beitritt<br />

eine Mitgliedschaft Großbritanniens (qualitative<br />

Veränderung der EWG, gravierende Unterschiede<br />

zwischen dem maritimen Großbritannien und den<br />

kontinentalen Mitgliedsländern, Vorzugszölle gegenüber<br />

dem Commonwealth, Unvereinbarkeit des<br />

Agrarpreissystems). 1967 kam ebenfalls kein einstimmiger<br />

Beschluss über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen<br />

zustande, da wiederum Frankreich<br />

einwandte, die Erweiterung würde tiefgreifend<br />

die Natur und die Arbeitsweise der Gemeinschaften<br />

ändern. Zudem müsse der Gesundungsprozess der<br />

britischen Wirtschaft vorher abgeschlossen sein.<br />

ErstnachdemRücktrittdeGaulles1969warderWeg<br />

für den Beitritt frei, nachdem sich die beitrittswilligen<br />

Staaten bereit erklärt hatten, den gemeinschaftlichen<br />

Besitzstand (�acquis communautaire) zu übernehmen:<br />

„Vom Zeitpunkt des Beitritts an sind die ursprünglichen<br />

Verträge und die Rechtsakte der Organe<br />

der Gemeinschaft für die neuen Mitgliedstaaten<br />

verbindlich und gelten in diesen Staaten in Übereinstimmung<br />

mit den genannten Verträgen und dieser<br />

Akte“ (Art. 2 der „Akte über die Beitrittsbedingungen<br />

und die Anpassungen der Verträge“ vom 22. 1.<br />

1972). Die Verträge mit Großbritannien, Dänemark<br />

und Irland (nach vorhergehender Volksabstimmung)<br />

traten am 1. 1. 1973 in Kraft. Die norwegische<br />

Bevölkerung lehnte in einem Referendum im September<br />

1972 diesen Schritt ab.<br />

3.2 Beitritt Griechenlands. Mit Griechenland bestandseitdem1.11.1962ein�Assoziierungsabkommen,<br />

das in Art. 72 vorsah: „Sobald das Funktionieren<br />

des Assoziierungsabkommens es in Aussicht zu<br />

nehmen gestattet, dass Griechenland die Verpflichtungen<br />

aus dem Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />

Wirtschaftsgemeinschaft vollständig übernimmt,<br />

werden die Vertragsparteien die Möglichkeit<br />

eines Beitritts Griechenlands zur Gemeinschaft prüfen.“<br />

Die lange Übergangszeit hatte ihre Gründe einerseits<br />

in der wirtschaftlichen Rückständigkeit<br />

Griechenlands und den daraus auf die Gemeinschaft<br />

zukommenden Haushaltsbelastungen und andererseits<br />

in der zwischen 1967 und 1974 errichteten Militärdiktatur,<br />

die vorübergehend auch zum Ausschluss<br />

Griechenlands aus dem �Europarat geführt hatte.<br />

Griechenland wurde am 1. 1. 1981 aufgenommen.<br />

3.3 Beitritt Portugals und Spaniens. Die beiden Länder<br />

strebten nach dem Zusammenbruch der Diktaturen<br />

aus politischen und wirtschaftlichen Gründen einen<br />

Beitritt an, weil sie sich davon einen Modernisie-<br />

79


Beitritt<br />

rungsschub für ihre rückständigen Volkswirtschaften<br />

und eine Stärkung ihrer jungen Demokratien versprachen.<br />

Für die Befürwortung der Beitrittsanträge<br />

sprachen nicht zuletzt sicherheitspolitische und strategische<br />

Erwägungen (Spanien trat 1982 der NATO<br />

bei). Die Beitrittsverträge traten am 1. 1. 1986 in<br />

Kraft. Durch diese Erweiterung gehören auch die<br />

überseeischen Gebiete Portugals (Madeira und die<br />

Azoren) und Spaniens (Kanarische Inseln) sowie die<br />

spanischen Exklaven in Nordafrika zur EU.<br />

3.4 Beitritt Österreichs, Schwedens und Finnlands.<br />

Er erfolgte am 1. 1. 1995. Mit diesen drei EFTA-<br />

Staaten und mit Norwegen waren April 1994 die Beitrittsverhandlungen<br />

abgeschlossen worden. Die norwegische<br />

Bevölkerung hat jedoch am 28. 11. 1994 in<br />

einer Volksabstimmung den Beitritt erneut abgelehnt.<br />

Mit den drei neuen Mitgliedstaaten wurden für eine<br />

Übergangszeit Sonderregelungen und Schutzgarantien<br />

vereinbart. Österreich durfte bis zum 1. 1. 2004<br />

die Beschränkung des Transitverkehrs aus Gründen<br />

des Umweltschutzes beibehalten. Die Eingliederung<br />

der schwedischen Landwirtschaft in den Agrarmarkt<br />

ist relativ unproblematisch; für eine Übergangsphase<br />

von fünf Jahren wurde (mit Rücksicht auf den<br />

schwedischen Staatshaushalt) eine allmähliche Steigerung<br />

der Nettozahlungen vereinbart. Finnland erreichte<br />

in den Verhandlungen, dass für das gesamte<br />

Staatsgebiet strukturpolitische Fördermittel gezahlt<br />

werden und die Nahrungsmittelindustrie geschützt<br />

wird.<br />

3.5 Erweiterung um die Länder Mittel- und Osteuropas<br />

sowie um Zypern und Malta. Die �Osterweiterung<br />

war ein langwieriger Prozess, der sich in mehreren<br />

Etappen vollzog. Zunächst unterstützte die EU<br />

den Transformationsprozess durch Liberalisierung<br />

des Handels (ausgenommen der Agrarsektor), Finanzhilfen<br />

und politischen Dialog. Seit Ende 1991<br />

wurden die ersten �Europa-Abkommen mit Staaten<br />

Mittel- und Osteuropas geschlossen, die bis dahin<br />

bestehende Handels- und Kooperationsabkommen<br />

ersetzten. Ein wichtiger Baustein im Rahmen der<br />

�Heranführungsstrategien ist das PHARE-Programm,<br />

ein Hilfsprogramm zur wirtschaftlichen<br />

Umgestaltung der osteuropäischen Länder, dessen<br />

Koordinierung bei der Kommission liegt. Diese Abkommen<br />

boten jedoch nur eine unverbindliche Beitrittsperspektive.<br />

Grundsätzlich eröffnete der Europäische<br />

Rat von Kopenhagen im Juni 1993 Beitritts-<br />

80<br />

möglichkeiten für diese Staaten, die an bestimmte<br />

Kriterien gebunden sind (�Beitrittskriterien).<br />

Der Europäische Rat beschloss im Dezember 1994<br />

eine Heranführungsstrategie, welche die beitrittswilligen<br />

Mittel- und Osteuropas schrittweise „auf<br />

ihre Eingliederung in den Binnenmarkt“ durch stufenweise<br />

Übernahme der Regelungen der Union vorbereiten<br />

sollten. Das 1995 vorgelegte Weißbuch,<br />

„Vorbereitung der assoziierten Staaten Mittel- und<br />

Osteuropas auf die Integration in den Binnenmarkt<br />

derUnion“solltealsLeitfadendenAssoziationspartnern<br />

bei der Angleichung der Rechtsvorschriften<br />

helfen. Im Juli 1997 legte die Kommission mit der<br />

�„Agenda 2000“ eine Strategie für die Vorbereitung<br />

der EU auf die Erweiterung und Stellungnahmen zu<br />

den Beitrittsanträgen vor. Die Weichenstellung für<br />

Beitrittsverhandlungen nahm der Europäische Rat in<br />

Luxemburg im Dezember 1997 vor. Am 5. 10. 1998<br />

wurden die Beitrittsverhandlungen mit Ungarn, Polen,<br />

Estland, der Tschechischen Republik und Slowenien,<br />

am 10./11. 12. 1999 mit Bulgarien, Lettland,<br />

Litauen,RumänienundderSlowakeiaufgenommen.<br />

Außerdem begannen die Beitrittsverhandlungen mit<br />

Zypern und Malta. Neben dem PHARE-Programm<br />

wurden ab 2000 als weitere Finanzinstrumente eine<br />

�Heranführungshilfe für die Landwirtschaft (�SA-<br />

PARD) in Höhe von 520 Mio. Euro jährlich und das<br />

Strukturpolitische Instrument zur Vorbereitung auf<br />

den Beitritt (�SIVB) mit einem Budget in Höhe von<br />

1 040 Mio. Euro jährlich eingerichtet. Im Dezember<br />

2002 einigte sich der Europäische Rat in Kopenhagen<br />

auf einen gemeinsamen Finanzrahmen für die<br />

Erweiterung in Höhe von 40,9 Mrd. Euro. Die Direktzahlungen<br />

in der Landwirtschaft werden in den<br />

neuen Mitgliedstaaten schrittweise eingeführt, bis<br />

sie 2013 das derzeitige EU-Niveau erreichen. Damit<br />

konnten die Beitrittsverhandlungen mit Estland,<br />

Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien,<br />

der Tschechischen Republik, Ungarn und<br />

Zypern abgeschlossen werden. Der Beitrittsvertrag<br />

wurde am 16. 4. 2003 in Athen von den 15 EU-Staaten<br />

und den zehn Beitrittsländern unterzeichnet. Bis<br />

zumoffiziellenBeitrittam1.5.2004habendieParlamente<br />

aller Staaten den Beitrittsvertrag ratifiziert.<br />

BereitsimJuni2004habeninallenEU-StaatenEuropawahlen<br />

nach einheitlichen Grundsätzen stattgefunden.<br />

Die neuen Mitgliedstaaten haben uneingeschränkt<br />

Sitz und Stimme in allen Institutionen. Die<br />

erweiterte Kommission umfasst nach einer Über-


gangszeit, in der die fünf großen Mitgliedstaaten<br />

zwei Kommissare stellen, seit Ende 2004 25 Mitglieder<br />

– je eines pro Mitgliedstaat. Im Rat der Europäischen<br />

Union gilt ab 1. 11. 2004 eine Neugewichtung<br />

derStimmen:BeieinerStimmenzahlvon321beträgt<br />

die �qualifizierte Mehrheit 232 Stimmen. Das EP hat<br />

in der Wahlperiode 2004 – 2009 732 Sitze.<br />

4. Anträge auf Beitritt zur Europäischen Union. Die<br />

Türkei und Marokko (1987), die Schweiz (1992),<br />

Norwegen (1962 und 1992), Rumänien und Bulgarien(1995)sowieKroatien(2003)habenAnträgeauf<br />

Beitritt zur EG/EU gestellt. Das Ersuchen Marokkos<br />

wurde abgelehnt, weil es geographisch nicht zu Europa<br />

gehört. Der Antrag der Schweiz ruht, nachdem<br />

sich die Bevölkerung in einem Referendum am 6. 12.<br />

1992 gegen den Beitritt zum �Europäischen Wirtschaftsraum<br />

(EWR) ausgesprochen hat. Norwegens<br />

Bevölkerung hat 1994 (wie schon 1972) den Beitritt<br />

zur EG abgelehnt. Die Beitrittsverhandlungen mit<br />

Rumänien und Bulgarien wurden im Dezember 2004<br />

abgeschlossen, die Beitrittsverträge sind am 25. 4.<br />

2005 unterzeichnet worden. Der Beitritt soll am 1. 1.<br />

2007 erfolgen, kann aber um ein Jahr verschoben<br />

werden, wenn ein Land die in den Verträgen zugesagtenReformenalsVoraussetzungfürdieMitgliedschaft<br />

nicht verwirklicht hat. Der Beginn der Beitrittsverhandlungen<br />

mit Kroatien wurde im März<br />

2005 auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Auf<br />

Empfehlung der Kommission hat der Europäische<br />

Rat in Brüssel im Dezember 2004 beschlossen, voraussichtlich<br />

am 3. 10. 2005 Beitrittsverhandlungen<br />

mitderTürkeiaufzunehmen. U. M.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Agenda 2000: Eine stärkere und<br />

erweiterte Union. In: Bulletin der Europäischen Union,<br />

Beilage 5/97. Luxemburg 1997<br />

Lippert, B. (Hg.): Osterweiterung der Europäischen Union.<br />

Bonn 2000<br />

Nicholson, F./East, R.: From the Six to the Twelve: The<br />

Enlargement of the European Communities. Harlow 1987<br />

Schley, N./Buss, S./Brökelmann, S.: Knaurs Handbuch Europa.<br />

Daten – Länder – Perspektiven. München 2004<br />

Weidenfeld, W. (Hg.): Europa öffnen. Anforderungen an die<br />

Erweiterung. Gütersloh 1997<br />

Beitrittskriterien (Kopenhagener Beitrittskriterien).<br />

Angesichts der umfangreichen Beitrittswünsche<br />

in den 1990er Jahren legte die Europäische<br />

Union bei der Tagung des Europäischen Rates in Kopenhagen<br />

im Juni 1993 folgende Kriterien „als Voraussetzung<br />

für die Mitgliedschaft“ in der EU fest:<br />

Beitrittskriterien<br />

– eine institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische<br />

und rechtsstaatliche Ordnung, für die<br />

Wahrung der Menschenrechte sowie die Achtung<br />

und den Schutz von Minderheiten („Politische Kriterien“);<br />

– eine funktionsfähige Marktwirtschaft sowie die<br />

Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften<br />

innerhalb der Union standzuhalten („Wirtschaftliche<br />

Kriterien“);<br />

– die Fähigkeit, die Verpflichtungen, die aus einer<br />

Mitgliedschaft erwachsen, zu übernehmen und sich<br />

auch die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts-<br />

und Währungsunion zu eigen zu machen<br />

(„Rechtliche Kriterien“).<br />

In den 1990er Jahren wurde wiederholt und durchaus<br />

zu Recht kritisiert, dass dies noch keine präzisen Kriterien<br />

zur Beurteilung der Beitrittsfähigkeit sind.<br />

Welche Voraussetzungen sind für einen Beitritt zur<br />

EU unverzichtbar? Welche sind von sekundärer Bedeutung?InwelchemUmfang,zuwelchemGradund<br />

(sicherlich nicht zuletzt speziell für die Beitrittskandidaten<br />

besonders wichtig) zu welchem Zeitpunkt<br />

müssten die sog. Kopenhagener Kriterien für einen<br />

Beitritt erfüllt sein? Bei der Aufnahme von Verhandlungen?<br />

Zum Beitrittstermin? Oder nach welchen –<br />

ggf. differenzierten – Übergangsfristen?<br />

Als Erschwernis kommt für Beitrittsbewerber hinzu,<br />

dass einerseits die Kopenhagener Kriterien über den<br />

�acquis communautaire hinausgehen (z. B. bei der<br />

Frage der Verwaltungskapazität), und dass sich andererseits<br />

der acquis communautaire seit Kopenhagen<br />

kontinuierlich weiterentwickelt hat. Er ist zum<br />

einen umfangreicher geworden, zum anderen wird er<br />

sich in bestimmten Politikfeldern auch qualitativ<br />

weiterentwickeln. Die EU ist insofern ein „moving<br />

target“.<br />

Inzwischen haben die in Kopenhagen festgelegten<br />

politischen Kriterien mit dem Inkrafttreten des Amsterdamer<br />

Vertrags im Mai 1999 als zentrales Verfassungsprinzip<br />

Eingang in den EU-Vertrag gefunden<br />

(Art. 6 Abs. 1 EUV: „Die Union beruht auf den<br />

Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der AchtungderMenschenrechteundGrundfreiheitensowie<br />

der Rechtsstaatlichkeit.“ In Art. 49 EUV heißt es entsprechend:<br />

„Jeder europäische Staat, der die in Artikel6Absatz1genanntenGrundsätzeachtet,kannbeantragen,<br />

Mitglied der Union zu werden.“). In der<br />

Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus<br />

dem Jahr 2000 (�Grundrechtecharta; Teil II des<br />

81


Beitrittspartnerschaften<br />

�Verfassungsvertrags 2004) sowie in Art. I-2 VVE<br />

werden ähnlich formulierte Werte als Kriterien für<br />

den Beitritt nach Art. I-58 VVE genannt.<br />

Auf der Basis von Datenmaterial, das die Beitrittsbewerber<br />

der Europäischen Kommission zur Verfügung<br />

gestellt haben, und aufgrund von Bewertungen<br />

der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen ParlamentsundandererEinrichtungen,hattedieKommission<br />

im Juli 1997 umfangreiche Stellungnahmen<br />

(�Avis) zu den Beitrittsanträgen vorgelegt. Darin<br />

differenzierte sie die Einhaltung bzw. Verwirklichung<br />

der Beitrittskriterien genauer, sie prüfte die<br />

Erfüllung bzw. die Wahrscheinlichkeit einer fristgerechten<br />

Erfüllung der Kriterien bei jedem Beitrittskandidaten<br />

im Einzelnen.<br />

In den abschließenden Empfehlungen zur Erweiterung<br />

merkte die Kommission an, dass zwar „zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt kein Land alle Kriterien in<br />

vollem Umfang erfüllt“, dass aber fünf der zehn<br />

�MOE-Staaten (Estland, Polen, Slowenien, Tschechien<br />

und Ungarn) in der Lage sein könnten, „alle<br />

Voraussetzungen für die Mitgliedschaft auf mittlere<br />

Sicht zu erfüllen“. Dieser Analyse folgend beschloss<br />

der Europäische Rat bei seiner Tagung im Dezember<br />

1997, mit den fünf bereits besser vorbereiteten Staaten<br />

im Frühjahr 1998 konkrete Beitrittsverhandlungen<br />

zu eröffnen. Mit den übrigen Bewerbern wurden<br />

dieVerhandlungenerstimJahr2000aufgenommen.<br />

Da bei jedem der zehn mittel- und osteuropäischen<br />

Beitrittsbewerber (unterschiedlich gravierende)<br />

Mängel in der Beitrittsreife festgestellt wurden, bot<br />

die EU an, im Rahmen einer intensivierten �Heranführungsstrategie<br />

mit dem neuen Instrument der<br />

�Beitrittspartnerschaften sowie der Teilnahme an<br />

Gemeinschaftsprogrammen und Durchführungsmechanismen<br />

die Vorbereitung der Beitrittsbewerber<br />

auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen<br />

Union zu unterstützen.<br />

Seit 1998 legte die Kommission bis zum Abschluss<br />

der jeweiligen Beitrittsverhandlungen den Beitrittsbewerbern<br />

und der interessierten Öffentlichkeit in<br />

der EU mit den „Fortschrittsberichten“ in der Form<br />

eines regelmäßigen Berichts eine (jährliche) Stellungnahme<br />

über die Fortschritte auf dem Weg zum<br />

Beitrittvor. B. K. S.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Agenda 2000. Eine stärkere und<br />

erweiterte Union. In: Bulletin der Europäischen Union,<br />

Beilage 5/97, Luxemburg 1997, S. 43 – 66<br />

82<br />

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg<br />

(Hg.): Der Bürger im Staat. Themenheft „Die Osterweiterung<br />

der EU“, Jg. 54 (1), Stuttgart 2004<br />

Beitrittspartnerschaften wurden vom Rat im Jahr<br />

1998 mit jedem der damaligen Beitrittskandidaten<br />

(ausgenommen Malta, der Türkei und Zypern) geschlossen.<br />

Die Vereinbarungen fassten die Hilfen<br />

der EU für den Beitrittskandidaten und die Voraussetzungen<br />

für die Vergabe dieser Finanzhilfen zusammen<br />

und stellten Prioritäten für die Übernahme<br />

des gemeinschaftlichen Besitzstands (�acquis communautaire)<br />

auf. Jedes Land stellte danach ein Programm<br />

mit Zeitplan für die Übernahme des gemeinschaftlichen<br />

Besitzstands auf sowie für Aktionspläne<br />

zur Stärkung von Justiz und Verwaltung. Dieses<br />

Programm wurde von der Kommission und dem betreffenden<br />

Land fortlaufend angepasst.<br />

Die Beitrittspartnerschaften bildeten die Grundlage<br />

für andere �Heranführungsinstrumente und für die<br />

gemeinsame Bewertung der mittelfristigen wirtschaftspolitischen<br />

Prioritäten, die Bekämpfung der<br />

organisierten Kriminalität, die nationalen Entwicklungspläne<br />

sowie weitere Sektorprogramme, die für<br />

die Beteiligung an den Strukturfonds nach dem Beitritt<br />

und für die Durchführung der �ISPA-und �SA-<br />

PARD-Programme erforderlich waren.<br />

Beitrittswillige Staaten �Beitritt<br />

Benchmarking. Benchmarkingisteinwesentliches<br />

Element bei dem strategischen Ziel, die EU zum global<br />

erfolgreichsten Wirtschaftsraum zu machen<br />

(�Lissabon-Strategie). Es ist ein Analyse- und Planungsinstrument,<br />

das als ein gewichtiges Werkzeug<br />

im Bereich der wettbewerbsorientierten Wirtschaft<br />

entwickelt wurde und das heute weit umfassender<br />

gehandhabt wird.<br />

1. Zielsetzung. Benchmarking sucht nach Lösungen,<br />

die auf den besten Methoden und Verfahren, den<br />

„best practices“ der Industrie, basieren und ein Unternehmen<br />

zu Spitzenleistungen führen sollen (Definition<br />

des Begründers der Benchmarking-Methode:<br />

Robert Camp). Es ist ein Prozess, der Produkte, Methoden,<br />

Abläufe und Strukturen betrieblicher Funktionen<br />

in einem oder mehreren anderen Unternehmen<br />

gegenüberstellt. So sollen über den Vergleich<br />

deseigenenUnternehmensmitdenbestenderMitbewerber<br />

hinaus auch Vergleiche mit branchenfremden<br />

Unternehmen angestellt werden. Damit sollen


Potentiale für Rationalisierung oder Qualitäts- und<br />

Leistungssteigerung aufgedeckt werden. Diese Methode<br />

wurde in den USA in den 1970er Jahren entwickelt<br />

und hat dort eine längere Tradition. Aber auch<br />

in Europa ist Benchmarking zu einem wichtigen<br />

Steuerungs- und Organisationsmodell geworden.<br />

2. Die Anwendung von Benchmarking umfasst vier<br />

grundlegende Schritte:<br />

– Zunächst gilt es, die eigenen Prozesse zu analysieren<br />

und zu verstehen.<br />

– Danach müssen die Prozesse der anderen Mitbewerberebenfallsanalysiertwerden;hiersindSchlüsselindikatoren<br />

sowie Beispiele von „best practices“<br />

festzusetzen.<br />

– DannwerdendieeigenenLeistungenmitdenender<br />

Mitbewerber verglichen.<br />

– Zuletzt werden die Maßnahmen beschlossen und<br />

umgesetzt, die notwendig sind, um den Abstand zu<br />

den Besten zu schließen.<br />

3. Benchmarking im öffentlichen Bereich. Benchmarking<br />

kann im privaten Bereich der Unternehmen,<br />

aber auch im öffentlichen Sektor angewandt werden.<br />

Während im privaten Bereich der Unternehmen<br />

Benchmarking ein Mittel ist, welches die Managementstrategien<br />

unterstützen und eine nachhaltige<br />

Verbesserung der Unternehmensprozesse bewirken<br />

soll, stellt Benchmarking im öffentlichen Sektor darauf<br />

ab, rationaler zu arbeiten, eine größere Produktivität<br />

zu erzielen und effizientere Arbeitsmethoden<br />

zu entwickeln. Reformprozesse sollen beschleunigt<br />

und die Zufriedenheit der Kunden und der Beschäftigten<br />

erhöht werden. Wichtig sind im öffentlichen<br />

Sektor die Indikatoren, an denen die eigene Leistung<br />

gemessen werden soll. Diese Indikatoren können<br />

z. B. die Qualität der Dienstleistungen, die Verantwortung<br />

gegenüber dem Bürger, das Verhältnis von<br />

ErtragzueingesetztenMittelnundanderesbetreffen.<br />

Benchmarking im öffentlichen Sektor kann entweder<br />

einem von oben nach unten gerichteten („topdown“)<br />

oder einem von unten nach oben gerichteten<br />

Ansatz („bottom-up“) folgen. Bei dem von oben gerichteten<br />

Ansatz liegt die Entscheidung dafür,<br />

Benchmarking einzuführen, bei den Zentralbehörden,<br />

bei dem anderen Ansatz liegt die Initiative bei<br />

den einzelnen Organisationen des öffentlichen Sektors,dieihreneigenenBenchmarkingprozessvereinbaren.GleichwohlbleibtauchhierdieUnterstützung<br />

der zentralen Behörden ein wichtiger Faktor für den<br />

Erfolg des Benchmarkingansatzes.<br />

Benchmarking<br />

4. Hochrangige Gruppe „Benchmarking“. Die Europäische<br />

Kommission setzte 1998 eine HochrangigeGruppezumThema„Benchmarking“(HighLevelGrouponBenchmarking)ein.SiesolltedieKommission<br />

bei der Anwendung der Benchmarking-Methode<br />

mit dem großen Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der europäischen Industrie zu verbessern, unterstützen.<br />

Die Gruppe war von Vertretern der Industrie,derArbeitnehmerverbändeundderZivilgesellschaft<br />

besetzt. Sie legte im Jahr 2000 ihren abschließenden<br />

Bericht vor und empfahl dabei folgende Bereiche,<br />

auf die sich die Benchmarking-Methode konzentrieren<br />

sollte:<br />

– Innovation und Technologietransfer für die kleinen<br />

und mittleren Unternehmen;<br />

– Nachhaltige Entwicklung;<br />

– Arbeitsmarkt, Humanressourcen und Arbeitsorganisation;<br />

– Steuern und öffentliche Ausgaben.<br />

5. Benchmarking als Teil der Lissabon-Strategie.<br />

Durch den Europäischen Rat von Lissabon, der im<br />

März 2000 die sog. Lissabon-Strategie mit dem Ziel<br />

formuliert hatte, „die Europäische Union bis 2010<br />

zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten<br />

Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“,wurdedie�„offeneKoordinierungsmethode“<br />

eingeführt. Hier werden in Leitlinien mittel- und<br />

langfristige Ziele vorgegeben, die es zu erreichen<br />

gilt. Unter Festlegung quantitativer und qualitativer<br />

Indikatoren und durch Benchmarks sollen im Vergleich<br />

mit den Bestleistenden die nationalen Politiken<br />

auf die Erreichung der Ziele ausgerichtet werden.<br />

Regelmäßige Überwachung und Bewertung<br />

und gegenseitige Prüfung im Rahmen eines Prozesses,<br />

bei dem alle Seiten voneinander lernen, sollen<br />

die Reformen begleiten. Dabei wird Benchmarking<br />

als analytisches, aber auch als praktisches Instrument<br />

gesehen, das den Willen zur Veränderung widerspiegeln<br />

soll. Die analytische Unterstützung<br />

durch vergleichende Studien, Indikatoren und den<br />

Vergleich mit den „best practices“ kann schließlich<br />

zur Aufstellung von Rangordnungen führen. Bei allem<br />

wird ein Wille zur Verbesserung durch „vom anderen<br />

Lernen“ unterstellt. Schließlich ist eine Überwachung<br />

durch die europäischen Einrichtungen und<br />

eine Berichtspflicht der Mitgliedstaaten über die<br />

Durchführung der Reformen und das Erreichen der<br />

Benchmarks vorgesehen.<br />

6. Beispiel: Benchmarking im Bildungsbereich. In-<br />

83


Benchmarking<br />

folge der Vorgaben des Europäischen Rates von Lissabon<br />

sowie eines weiteren Europäischen Rates in<br />

Barcelona im Frühjahr 2002 legte die Europäische<br />

Kommission eine Mitteilung betreffend „europäische<br />

Benchmarks für die allgemeine und berufliche<br />

Bildung: Follow up der Tagung des Europäischen<br />

Rates von Lissabon“ (vom 20. 11. 2002, KOM 2002/<br />

629 endg.) vor. Da die Humanressourcen als Wesenselement<br />

bei der Entwicklung des europäischen<br />

Wirtschaftsraums betrachtet werden, hat diese Mitteilung<br />

zu europäischen Benchmarks im Bildungsbereich<br />

eine zentrale Bedeutung für die Erreichung<br />

des strategischen Ziels von Lissabon. So sollten die<br />

zu erreichenden Ziele der allgemeinen und beruflichen<br />

Bildung mittels vereinbarter Indikatoren überprüft<br />

werden – und zwar jeweils anhand des Durchschnitts<br />

der (damals) 15 Mitgliedstaaten und der 3<br />

Mitgliedstaaten mit der besten Leistung. Europäische<br />

Benchmarks sollten im Bildungsbereich dort<br />

angewandt werden, wo dieses vom Rat (Bildung) beschlossen<br />

wird. Die Kommission schlug konkrete<br />

Zielvorgaben vor, welche sie dann als Benchmarks<br />

bezeichnete. Diese Benchmarks verteilten sich auf<br />

sechs Bereiche:<br />

– Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung,<br />

– Schulabbrecher,<br />

– Hochschulabsolventen in den Bereichen Mathematik,<br />

Naturwissenschaften und Technik,<br />

– Personen mit Abschluss der Sekundarstufe II,<br />

– Schlüsselkompetenzen,<br />

– Lebenslanges Lernen.<br />

Danach ersuchte die Kommission den Rat, von ihr<br />

aufgelistete europäische Benchmarks (nach eigener<br />

Definition der Kommission „Zielvorgaben“) anzunehmen.<br />

Unter den Mitgliedstaaten fand diese Vorlage<br />

unterschiedliche Aufnahme. In der Bundesrepublik<br />

Deutschland verwies der Bundesrat, über den<br />

die Länder gem. Art. 23 GG an der Meinungsbildung<br />

in europäischen Angelegenheiten mitwirken, auf die<br />

eingeschränkten Zuständigkeiten der europäischen<br />

Ebene im Bereich von Bildung und Ausbildung gem.<br />

Art. 149 und 150 EGV. Der Bundesrat erkannte an,<br />

dass Benchmarks grundsätzlich Anstöße für Entwicklungen<br />

in den Mitgliedstaaten geben können,<br />

sofern die Benchmarks selbst sachlich richtig, eindeutig<br />

und relevant sind, es müsse aber jedem Mitgliedstaat<br />

unbenommen bleiben, ob und ggf. in welcher<br />

Weise die Bildungspolitik im eigenen Land an<br />

84<br />

den „Bestmarken“ anderer Mitgliedstaaten oder<br />

Drittstaaten ausgerichtet wird. Bestrebungen,<br />

Benchmarks mit einer zentralen Festlegung von Mitteln<br />

oder Fristen für ihre Erreichung zu verbinden,<br />

auf Indikatoren gestützte Ranglisten der Mitgliedstaaten<br />

aufzustellen oder eine zentrale Bewertung<br />

der Entwicklung der Bildungssysteme in den Mitgliedstaaten<br />

vorzunehmen, sah der Bundesrat als unvereinbar<br />

mit der Kompetenzordnung der Artikel<br />

149 und 150 EGV an. Der Bundesrat erteilte der Forderung<br />

der Kommission, der Rat möge europäische<br />

Benchmarks in den Bereichen der allgemeinen und<br />

beruflichen Bildung annehmen, aus grundsätzlichen<br />

Erwägungen eine klare Absage (BR.-Drs. 870/02 –<br />

Beschluss vom 20. 12. 2002).<br />

Der Rat legte schließlich am 5. 5. 2003 in Schlussfolgerungen<br />

über europäische Durchschnittsbezugswerte<br />

für die allgemeine und berufliche Bildung<br />

(Benchmarks) fest, dass diese Durchschnittswerte<br />

sich auf vergleichbare Daten stützen und keine Festlegung<br />

einzelstaatlicher Ziele enthalten sollten. Diese<br />

Durchschnittswerte (Benchmarks) sollten keine<br />

Entscheidungen vorgeben, die von den jeweiligen<br />

Regierungen der Mitgliedstaaten getroffen werden<br />

müssten, wenngleich nationale Maßnahmen auf der<br />

Grundlage nationaler Prioritäten zum Erreichen der<br />

Bezugswerte beitragen werden (ABl. C 134/2003).<br />

Die vorgegebenen Positionen legen damit anstelle<br />

konkreter Zielvorgaben, die sich an die einzelnen<br />

Mitgliedstaaten richten, nur europäische Durchschnittsbezugswerte<br />

fest, die bis zum Jahr 2010<br />

durch ein Zusammenwirken aller Mitgliedstaaten erreicht<br />

werden sollen. Dabei sollen die einzelnen Mitgliedstaaten<br />

durch nationale Maßnahmen zu den europäischen<br />

Durchschnittsbezugswerten beitragen,<br />

die sie selbst für prioritär halten. Insofern sind die<br />

EU-Mitgliedstaaten zwar aufgefordert, jedoch nicht<br />

verpflichtet, zu den jeweiligen europäischen Durchschnittswerten<br />

(Benchmarks) einen Beitrag zu leisten.GleichwohlfordertdieKommission,umihrerim<br />

Vertrag festgelegten Berichtspflicht nachzukommen,<br />

die einzelnen Mitgliedstaaten auf, genau das eigene<br />

Erreichen der angesetzten europäischen Durchschnitteswerte<br />

darzustellen. (Vgl. auch �Lissabon-<br />

StrategieimBildungsbereich) J. B.-M.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: „Benchmarking in Europe 2000“.<br />

Veröffentlichung der EU ISBN: I 899 I 46 98 9. Darin:<br />

O’Reagain, S./Keegan, R.


Dies.: Endgültiger Bericht der Hochrangigen Gruppe on<br />

Benchmarking. Veröffentlichungen der Europäischen<br />

Kommission, Generaldirektion Unternehmen Nr. 32000<br />

Dies.: Mitteilung der Kommission zu „Europäische Benchmarks<br />

für die allgemeine und berufliche Bildung: Follow up<br />

der Tagung des Europäischen Rats von Lissabon. Brüssel, 20.<br />

11. 2002, KOM (2002) 629 endg.<br />

Bundesrat: Beschluss des Bundesrates vom 20. 12. 2002.<br />

Drs. 870/02<br />

Berggreen-Merkel, I.: Aufbau eines europäischen Bildungssystems?<br />

In: Recht der Jugend und des Bildungswesens<br />

Nr. 2/2001, S. 142–145<br />

Dies.: Europäische „Bildungspolitik“ am Vorabend einer<br />

Europäischen Verfassung. In: Recht der Jugend und des<br />

Bildungswesens Nr. 4/2004, S. 455 – 458<br />

Benelux. Kunstwort, gebildet aus Anfangsbuchstaben<br />

der Staatsnamen Belgique/België, Nederland<br />

und Luxemburg. Diese Staaten bilden seit 1948 eine<br />

Zoll- und seit 1960 eine Wirtschaftsunion (u. a. gemeinsamer<br />

Zolltarif, freier Verkehr von Gütern, Arbeitskräften,<br />

Dienstleistungen und Kapital, koordinierte<br />

Währungspolitik). Der Vertrag von 1958 über<br />

die Einführung einer Wirtschaftsunion (am 1. 11.<br />

1960 in Kraft getreten für die Dauer von 50 Jahren)<br />

fasst alle Teilabkommen und Protokolle zusammen,<br />

die seit 1944 (von den Exilregierungen in London)<br />

ausgehandelt worden sind (so das Zollabkommen<br />

vom 5. 9. 1944). Belgien und Luxemburg sind seit<br />

1922 ein einheitliches Wirtschaftsgebiet mit Währungsverbund<br />

(Vertrag vom 25. 7. 1921).<br />

Die Organisation von Benelux besteht aus einem Ministerkomitee<br />

(Außenminister, Wirtschaftsminister,<br />

Finanzminister oder andere Fachminister der drei<br />

Staaten; beschließendes Organ), einem Beratenden<br />

Interparlamentarischen Benelux-Rat („Benelux-<br />

Parlament“; 21 belgische, 21 niederländische, 7 luxemburgische<br />

Mitglieder aus den nationalen Parlamenten),<br />

dem Rat der Wirtschaftsunion (ausführendesOrgan),denKommissionenundArbeitsgruppen,<br />

dem Generalsekretariat und (seit 1964) einem Gerichtshof.<br />

Art 306 EGV (Art. 233 EWGV) regelt das Verhältnis<br />

der Beneluxstaaten zur EWG/EG.<br />

Anschrift: Regentschapsstraat 39, 1000 Brüssel.<br />

Internet www.benelux.be<br />

Beobachterstatus wird offiziell Regierungen, Organisationen(wie<br />

�NGO)oderanderenInstitutionen<br />

gewährt, die in einer internationalen Organisation<br />

(wie Vereinte Nationen, Europarat) nicht Mitglied<br />

sein können oder wollen. Beobachter können an Sit-<br />

Beratender Währungsausschuss<br />

zungen der betreffenden Organisation teilnehmen<br />

und sich an Debatten, aber nicht an Entscheidungen<br />

beteiligen.<br />

Beratender Ausschuss für die Chancengleichheit<br />

von Frauen und Männern, eingesetzt durch<br />

Entscheidung 82/43 der Kommission (ABl. L<br />

20/1982), geändert durch Entscheidung 95/420<br />

(ABl. L 249/1995). Ihm gehören Mitglieder aus den<br />

für Chancengleichheit zuständigen Ministerien an<br />

(ernannt von den Regierungen), eine gleiche Anzahl<br />

von Mitgliedern aus einschlägigen nationalen Ausschüssen<br />

oder Gremien (von der Kommission ernannt)<br />

sowie je 5 Mitglieder, die von Arbeitgeberund<br />

Arbeitnehmerorganisationen vorgeschlagen<br />

und von der Kommission ernannt werden. Amtszeit<br />

drei Jahre, Wiederernennung ist möglich. Zwei Vertreterinnen<br />

der Europäischen �Frauenlobby haben<br />

Beobachterstatus.<br />

Der Ausschuss unterstützt die Kommission bei der<br />

Aufgabe, Maßnahmen der Gemeinschaft zur Förderung<br />

der Chancengleichheit von Frauen und Männern<br />

auszuarbeiten und durchzuführen. Er wird von<br />

der Kommission einberufen und tagt mindestens<br />

zweimal jährlich. �Gender Mainstreaming<br />

Beratender Währungsausschuss<br />

1. Allgemeines: Der Beratende Währungsausschuss<br />

nach Art. 114 Abs. 1 EGV war ein Gremium der primären<br />

Organisationsstruktur der Europäischen Gemeinschaft,<br />

das den Rat und die Kommission bei ihrer<br />

Arbeit in Währungsfragen unterstützte, um die<br />

PolitikenderMitgliedstaatenimHinblickaufdeneuropäischen<br />

Binnenmarkt zu koordinieren. Der Ausschuss<br />

wurde mit Inkrafttreten des EWG-Vertrages<br />

imJahr1958aufgrundvonArt.105Abs.2EWGVerrichtet.<br />

Mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion<br />

– dem 1. 1. 1999 – wurde der Beratende Währungsausschussdurchden�Wirtschafts-undFinanzausschuss<br />

(WFA) ersetzt. Der institutionelle Schnitt<br />

warnotwendiggeworden,weilsichdaswährungspolitische<br />

Kompetenzgefüge zwischen den Teilnehmerstaaten<br />

der Währungsunion und der GemeinschaftmitderEinführungdereinheitlichenWährung<br />

grundlegend verändert hat.<br />

2. Zusammensetzung und Organisation: Jeder Mitgliedstaat<br />

sowie die Kommission entsandten jeweils<br />

zwei Vertreter in den Beratenden Währungsausschuss,<br />

der ein Expertengremium war.<br />

85


Berichterstatter<br />

3. Aufgaben: Der Ausschuss hatte die Aufgabe, die<br />

Währungs- und Finanzlage der Mitgliedstaaten und<br />

der Gemeinschaft sowie den allgemeinen ZahlungsverkehrderMitgliedstaatenzubeobachten.Hierüber<br />

berichtete er regelmäßig dem Rat und der Kommission<br />

und gab – auf Ersuchen oder aus eigener Initiative<br />

– Stellungnahmen in seinem Sachbereich ab. Darüber<br />

hinaus kam dem Beratenden Währungsausschuss<br />

die Aufgabe zu, die Freiheit des Kapital- und<br />

Zahlungsverkehrs zu überwachen. In einem Bericht<br />

teilte er Kommission und Rat das Ergebnis seiner<br />

Prüfung mit.<br />

Schließlich wirkte der Beratende Währungsausschuss<br />

seit dem �Vertrag von Maastricht insbes. im<br />

Bereich der Wirtschafts- und Währungsunion (Titel<br />

VII EGV) an der Vorbereitung der Arbeit des Rates<br />

mit. So war das Gremium bei der �Konvergenzprüfung<br />

der Teilnehmerstaaten der Währungsunion<br />

für den Rat tätig. Wie auch der WFA als Nachfolger<br />

des Währungsausschusses berührten diese Tätigkeiten<br />

den Arbeitskreis des �AStV (COREPER) gem.<br />

Art.207Abs.1EGV. U. P.<br />

Literatur:<br />

Child/Wittelsberger: Kommentierung zu Art. 109c EGV. In:<br />

Groeben, H. v. d./Thiesing, J./Ehlermann, C.-D. (Hg.), Kommentar<br />

zum EU-/EG-Vertrag, Band V. Baden-Baden 2000 5<br />

Berichterstatter im Europäischen Parlament. Jeder<br />

Vorschlag der Kommission für einen Rechtsakt nach<br />

Art. 251 und 252 EGV wird im Europäischen Parlament<br />

zunächst in Ausschüssen beraten. Dabei spielt<br />

die Auswahl des federführenden Ausschusses und<br />

zusätzlicher beratender Ausschüsse durch das Präsidium<br />

bereits eine bedeutende Rolle. Das Ergebnis<br />

der Ausschussberatungen, also die Beschlussvorlage,<br />

wird dem Plenum von einem Berichterstatter zur<br />

Lesung vorgestellt. Das Recht, einen Berichterstatterzuernennen,habenFraktionen.Dabeientscheidet<br />

die Größe einer Fraktion, wie oft sie einen Berichterstatter<br />

stellen kann. Nach der Entscheidung, welche<br />

Fraktion für einen bestimmten Gesetzesvorgang den<br />

Berichterstatter stellen darf, entscheidet die Fraktion<br />

(bei mehreren Kandidaten in geheimer Abstimmung),<br />

welches Fraktionsmitglied mit der Aufgabe<br />

betraut wird. Der Berichterstatter setzt sich mit der<br />

Materie auseinander, hört Sachverständige und Lobbyisten<br />

und erläutert dem federführenden Ausschuss<br />

seine Empfehlungen für Änderungen des Kommissionsvorschlags.<br />

Nach der Aussprache im Ausschuss<br />

erstellt der Berichterstatter seinen Berichts-<br />

86<br />

entwurf, der als offizielles Dokument in alle Amtssprachen<br />

übersetzt wird und den Mitgliedern aller<br />

beteiligten Ausschüsse als Vorlage für die weiteren<br />

Aussprachen dient. Abschließend formuliert der Berichterstatter<br />

den Standpunkt des federführenden<br />

Ausschusses und stellt ihn dem Plenum zur Lesung<br />

vor. Das Plenum stimmt in der Regel nicht sofort ab,<br />

sondern im Block über eine Reihe von Beschlussvorlagen.<br />

Berlaymont, ein 14-stöckiges Gebäude in Brüssel,<br />

erbaut ab 1963 nach Plänen von Lucien de Vestel und<br />

benannt nach Herzog Florent de Berlaymont, der im<br />

16. Jh. eine Schule für christliche junge Mädchen<br />

stiftete, die bis Ende der 1950er Jahre an dem Ort des<br />

heutigenGebäudesstand.Seit1967SitzderEuropäischen<br />

Kommission. Die erste öffentliche Beflaggung<br />

mit der offiziellen Europafahne fand am 8. 6.<br />

1986 vor dem Berlaymont-Gebäude statt. 1991<br />

musste das Gebäude wegen Asbestverseuchung evakuiert<br />

werden und wurde 13 Jahre lang renoviert. Am<br />

21. 10. 2004 ist es wieder von der Kommission bezogen<br />

worden.<br />

Anschrift: Rue de la Loi 200, B–1040 Brüssel<br />

Berlin-Erklärung (Berlin-Kommuniqué)<br />

Begriff: Von den 40 in Berlin am �Bologna-Prozess<br />

teilnehmenden Ländern (33 Länder der �Prager Erklärung<br />

und 7 weitere aufgenommene Länder: Albanien,<br />

Andorra, Bosnien-Herzegowina, Heiliger<br />

Stuhl, Mazedonien, Serbien und Montenegro, Russland)<br />

auf der 2. Bologna-Folgekonferenz in Berlin<br />

am 18./19. 9. 2003 unterzeichnete gemeinsame Erklärung<br />

„Den europäischen Hochschulraum verwirklichen“<br />

(„Berlin-Kommuniqué“) .<br />

HintergrundundBeweggründe:DieBerlinerKonferenz<br />

wurde von der Bologna follow-up group und der<br />

Bologna preparatory group (�Prager Erklärung) vorbereitet.<br />

Etwa 290 Teilnehmer haben an der Konferenz<br />

teilgenommen: Nationale Regierungsdelegationen<br />

der Unterzeichnerstaaten der �Bologna-<br />

Erklärung, Vertreter der europäischen Hochschulen,<br />

Präsidenten der Rektorenkonferenzen aus den Unterzeichnerstaaten<br />

der Bologna-Erklärung, Repräsentanten<br />

von �EUA und �EURASHE, Vertreter<br />

studentischer Vereinigungen, Vertreter der Europäischen<br />

Kommission, des Europarates sowie Repräsentanten<br />

internationaler Organisationen. Auf der<br />

Grundlage des Aktionsplans 2002 – 2004 für den


Aufbau eines gemeinsamen Hochschulraums zwischen<br />

der EU, Lateinamerika und der Karibik haben<br />

Mexiko und Brasilien als Beobachter teilgenommen.<br />

Zielsetzung und Inhalt: Das Berlin-Kommuniqué<br />

bekräftigt in seiner Präambel die Hochschulbildung<br />

als öffentliche Aufgabe und ihre gesellschaftspolitische<br />

Dimension (Zugang zur Hochschulbildung „für<br />

alle“). Es enthält folgende bis 2010 zu verwirklichende<br />

Ziele:<br />

– Schaffung von Strukturen in allen Ländern für eine<br />

interne und externe Qualitätssicherung von Hochschulen<br />

unter besonderer Berücksichtigung des Systems<br />

der Akkreditierung, der Zertifizierung oder<br />

ähnlicher Verfahren. Besondere Bedeutung kommt<br />

hierbeidemEuropeanNetworkforQualityAssurance<br />

in Higher Education (ENQA) zu.<br />

– Einführung der zweistufigen Studiengänge (Bachelor,<br />

Master) als Regelstudienangebote. Die Abschlüsse<br />

des ersten Studienzyklus sollen im Sinne<br />

des Lissabon-Abkommens den Zugang zum zweiten<br />

Zyklus, Abschlüsse des zweiten Zyklus den Zugang<br />

zum Doktorandenstudium ermöglichen.<br />

– Europaweite Anerkennung von Studienabschnitten<br />

und -abschlüssen<br />

– Förderung der Mobilität der Studierenden sowie<br />

des wissenschaftlichen und Verwaltungspersonals<br />

unter Mitnahme der im Herkunftsland gewährten<br />

Darlehen und Beihilfen.<br />

– Einführung eines Leistungspunktsystems (ECTS).<br />

– Alle Studierenden, die ab 2005 ihr Studium abschließen,<br />

sollen das Diploma Supplement „automatisch<br />

und gebührenfrei“ erhalten.<br />

– Erweiterte Hochschulselbstverwaltung; die Studien-<br />

und Lebensbedingungen sind so zu gestalten,<br />

dass die Studien in „angemessenem Zeitrahmen und<br />

erfolgreich“ abgeschlossen werden können. Hindernisse,<br />

die auf ihre „soziale und wirtschaftliche Situation“zurückzuführensind,sollenbeseitigtwerden.<br />

– Förderung der europäischen Dimension im Hochschulbereich<br />

durch weitere Module, Studiengänge<br />

und Lehrpläne mit europäischem Bezug, europäischer<br />

Ausrichtung oder Organisation, Fremdsprachenförderung<br />

und obligatem Auslandsaufenthalt in<br />

Gemeinsamen Studienprogrammen.<br />

– Steigerung der Attraktivität des europäischen<br />

Hochschulraums.<br />

– Lebenslanges (lebensbegleitendes) Lernen bei Ermöglichung<br />

von Lernverläufen hin zur Hochschul-<br />

Beschäftigungsausschuss<br />

bildung und in der Hochschulbildung für „alle Bürger,<br />

je nach ihren Wünschen und Fähigkeiten“.<br />

Um eine engere Verbindung zwischen dem europäischen<br />

Hochschulraum und dem europäischen Forschungsraum<br />

als den „zwei Säulen der Wissensgesellschaft“<br />

herzustellen, wird es für erforderlich gehalten,<br />

die Doktorandenausbildung als dritten Zyklus<br />

in den Bologna-Prozess einzubinden.<br />

Besonderes Gewicht gilt der „Stärkung des sozialen<br />

Zusammenhalts“ sowie dem „Abbau sozialer und<br />

geschlechtsspezifischer Ungleichheiten auf nationaler<br />

und europäischer Ebene“ und dem engen Bezug<br />

zu den Beschlüssen des Europäischen Rates von Lissabon<br />

und Barcelona.<br />

Zur Umsetzung der Beschlüsse und zur Vorbereitung<br />

der nächsten Sitzung wurde eine zweimal jährlich<br />

tagende follow up-Gruppe aus Vertretern aller<br />

Mitglieder des Bologna-Prozesses und der Europäischen<br />

Kommission eingesetzt. Der Europarat, die<br />

EUA, EURASHE, ESIB und UNESCO/CEPES gehören<br />

ihr als beratende Mitglieder an. Die follow<br />

up-Gruppe wurde mit einer detaillierten Bestandsaufnahme<br />

für die nächste Folgekonferenz in Bergen<br />

im Mai 2005 beauftragt.<br />

Zwischen den Sitzungen koordiniert ein Ausschuss<br />

die Arbeiten. Die Follow up-Gruppe wie auch der<br />

Ausschuss können nach ihrem Ermessen Ad-hoc-<br />

Arbeitsgruppen einberufen. Die gesamten Arbeiten<br />

der Folgemaßnahmen werden von einem Sekretariat<br />

unterstützt,dasvondemLand,dasdienächsteMinisterkonferenz<br />

ausrichtet, gestellt wird. Die Möglichkeiten<br />

der Mitgliedschaft werden auf alle Staaten erweitert,<br />

die Vertragspartei des Europäischen Kulturabkommens<br />

(vom 19. 12. 1954, BGBl 1955, II 1128)<br />

sind (2005: 48 Staaten).<br />

Rechtl.Beurteilung:s.�Bologna-Erklärung. I. H.<br />

Literatur:<br />

Reichert. S./Tauch, Ch.: Trends 2003, Progress towards the<br />

European Higher Education Area. Bologna four years after:<br />

Steps towards sustainable reform of higher education in<br />

Europe. 1. 7. 2003<br />

„Berlin Plus“ �EU-NATO-Dauervereinbarungen<br />

Berufliche Bildung �Bildungspolitik<br />

Beschäftigungsausschuss. Rechtsgrundlage ist<br />

Art. 130 EGV im Titel VIII Beschäftigung, der durch<br />

den Vertrag von Amsterdam in das Primärrecht eingefügt<br />

worden ist. Der Ausschuss wurde durch Ent-<br />

87


Beschäftigungsobservatorium<br />

scheidung des Rates vom 24. 1. 2000 eingesetzt. Er<br />

setzt sich aus je zwei Vertretern und zwei Stellvertretern<br />

jedes Mitgliedstaates und der Kommission zusammen.MitgliedersindhoheBeamteoderhochrangige<br />

Sachverständige. Der Ausschuss kann Arbeitsgruppen<br />

bilden. Er unterstützt den Rat in der Aufgabe,<br />

die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik der<br />

Mitgliedstaaten zu koordinieren. Er gibt auf Ersuchen<br />

des Rates oder von sich aus Stellungnahmen ab.<br />

Bei der Erfüllung seines Auftrags holt der Ausschuss<br />

die Standpunkte der Sozialpartner ein.<br />

Der Beschäftigungsausschuss hat den durch Beschluss<br />

97/16 des Rates geschaffenen „Ausschuss<br />

für Beschäftigung und Arbeitsmarkt“ ersetzt.<br />

Beschäftigungsobservatorium �Europäisches<br />

Beschäftigungsobservatorium<br />

Beschäftigungspolitik<br />

1. Begriff und Ziele: Beschäftigungspolitik umfasst<br />

alle politischen Maßnahmen, die Höhe und Struktur<br />

der Beschäftigung beeinflussen sollen. Gemäß Art. 2<br />

EUV setzt sich die EU das Ziel, ein hohes Beschäftigungsniveauzufördern.IndenJahren2000und2001<br />

beschloss der Europäische Rat, folgende Durchschnittswerte<br />

für die EU anzustreben: eine Gesamtbeschäftigungsquote<br />

von 67 % bis 2005 und 70 % bis<br />

2010, eine Frauenbeschäftigungsquote von 57 % bis<br />

2005 und 60 % bis 2010, eine Beschäftigungsquote<br />

von 50 % bei den älteren Arbeitskräften (55 bis 64<br />

Jahre) bis 2010. Im Jahr 2003 vereinbarte der Ministerrat<br />

für die gemeinschaftliche Beschäftigungspolitik<br />

drei übergreifende Ziele: Vollbeschäftigung, Arbeitsplatzqualität<br />

und Arbeitsproduktivität sowie<br />

sozialer Zusammenhalt und soziale Integration.<br />

2. Entwicklung und Rechtsgrundlagen: Bereits seit<br />

1993 befassen sich die Europäische Kommission,<br />

der Ministerrat und der Europäische Rat regelmäßig<br />

mit der Beschäftigungspolitik als zentralem Thema.<br />

Die Kommission veröffentlichte in jenem Jahr das<br />

„Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Beschäftigung“. Es bildete die erste Grundlage<br />

für ein koordiniertes europäisches Beschäftigungskonzept.<br />

Freilich blieb die Beschäftigungspolitik zunächst<br />

ausschließlich Sache der Mitgliedstaaten.<br />

Angeregt durch das Weißbuch einigte sich der Europäische<br />

Rat in Essen 1994 auf fünf Ziele, die von den<br />

Mitgliedstaaten verfolgt werden sollten. Dazu gehörtendieEntwicklungvonHumanressourcendurch<br />

88<br />

Berufsausbildung, die Förderung produktiver Investitionen<br />

durch gemäßigtere Lohnpolitiken und effizientere<br />

Arbeitsmarktinstitutionen, das Aufzeigen<br />

neuer Beschäftigungsquellen durch lokale Initiativen<br />

sowie die Förderung des Zugangs zur Arbeitswelt<br />

für einige spezifische Zielgruppen wie z. B. Jugendliche,<br />

Langzeitarbeitslose und Frauen. Diese<br />

sog. „Strategie von Essen“ wurde vom Europäischen<br />

Rat in den Folgejahren bekräftigt. Die Beschlüsse<br />

der Gipfeltreffen waren für die Mitgliedstaaten indes<br />

zunächst unverbindlich, weil eine entsprechende europarechtliche<br />

Grundlage fehlte.<br />

Dies änderte sich 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam.<br />

Auf ihrem Amsterdamer Gipfeltreffen vereinbarten<br />

die Staats- und Regierungschefs, in den EG-<br />

Vertrag ein neues Kapitel über Beschäftigung aufzunehmen.<br />

Es beendete die Alleinzuständigkeit der<br />

Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet und räumte der<br />

gemeinschaftlichen Beschäftigungspolitik Rechtsverbindlichkeit<br />

ein.<br />

Der Vertrag von Amsterdam betont, dass die Förderung<br />

der Beschäftigung eine „Angelegenheit von gemeinsamem<br />

Interesse“ ist, und verpflichtet die Mitgliedstaaten,ihreBeschäftigungspolitikenaufeinander<br />

abzustimmen (Art. 126 EGV). Die Mitgliedstaaten<br />

und die Gemeinschaft werden verpflichtet, eine<br />

koordinierte Beschäftigungsstrategie zu entwickeln<br />

und dabei insbes. die Qualifizierung, Ausbildung<br />

und Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer sowie<br />

die Fähigkeit der Arbeitsmärkte, auf die Erfordernisse<br />

des wirtschaftlichen Wandels zu reagieren, zu fördern(Art.125EGV).DerVertragräumtderGemeinschaft<br />

die Befugnis ein, die beschäftigungspolitischen<br />

Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu unterstützen<br />

und zu ergänzen (Art. 127 EGV). Daneben müssen<br />

in allen Gemeinschaftspolitiken die Auswirkungen<br />

auf das Beschäftigungsniveau berücksichtigt<br />

werden (Art. 127 EGV).<br />

2002 führten die Kommission und die Mitgliedstaaten<br />

gemeinsam eine Bestandsaufnahme der Erfahrungen<br />

aus den ersten fünf Jahren gemeinschaftlicher<br />

Beschäftigungspolitik durch. Dabei stellten sie<br />

heraus, dass sich die Arbeitsmarkt-Performance in<br />

der EU erheblich verbessert habe. Vor allem seien<br />

zwischen 1997 und 2002 zehn Millionen neue Arbeitsplätze<br />

entstanden. Die unabhängige Taskforce<br />

„Beschäftigung“, die 2003 auf Bitte der Staats- und<br />

Regierungschefs von der Kommission eingesetzt<br />

wurde, kam zu einem weniger positiven Befund. Sie


vertrat die Auffassung, es werde zunehmend unwahrscheinlich,<br />

dass die EU bis 2010 ihre quantitativen<br />

Beschäftigungsziele erreiche und nannte vier<br />

Schlüsselfaktoren, von denen ein nachhaltiger beschäftigungspolitischer<br />

Erfolg abhänge: mehr Anpassungsfähigkeit<br />

der Arbeitnehmer und der Unternehmen,<br />

größere Attraktivität des Arbeitsmarktes<br />

für mehr Menschen, mehr und effektivere Investitionen<br />

in Humankapital, eine effektivere Durchführung<br />

der Reformen durch bessere beschäftigungspolitische<br />

Maßnahmen.<br />

Die zehn neuen Mitgliedstaaten, die zum 1. 5. 2004<br />

beigetreten sind, nehmen seitdem am Prozess der beschäftigungspolitischen<br />

Koordinierung mit allen<br />

Rechten und Pflichten teil.<br />

2004 wurden die beschäftigungspolitischen Bestimmungen<br />

von Amsterdam praktisch unverändert in<br />

den „Vertrag über eine Verfassung für Europa“<br />

(�Verfassungsvertrag 2004) übernommen (Art.<br />

III-203 bis III-208 VVE). Eine Modifikation gab es<br />

freilich im Zielkatalog des Art. I-3 VVE. Dort ist nun<br />

nichtmehrvonderFörderungeineshohenBeschäftigungsniveaus<br />

die Rede, sondern davon, dass die<br />

Union auf eine soziale Marktwirtschaft hinwirkt, die<br />

auf Vollbeschäftigung abzielt.<br />

3. Verfahren: In Art. 128 EGV ist das Verfahren festgelegt,<br />

nach dem die gemeinschaftliche Beschäftigungspolitikdurchzuführenist.DanachprüftderEuropäische<br />

Rat jährlich die Beschäftigungslage in der<br />

Gemeinschaft anhand eines gemeinsamen Jahresberichts<br />

des Ministerrates und der Kommission und<br />

verabschiedet entsprechende Schlussfolgerungen.<br />

Auf dieser Grundlage legt der Ministerrat auf Vorschlag<br />

der Kommission jährlich mit qualifizierter<br />

MehrheitLeitlinienfest.DabeiwerdenzuvordasEuropäische<br />

Parlament, der �Wirtschafts- und Sozialausschuss,<br />

der �Ausschuss der Regionen sowie der<br />

durch den Vertrag von Amsterdam (Art. 130 EGV)<br />

neu geschaffene �Beschäftigungsausschuss angehört.<br />

Jeder Mitgliedstaat hat die Leitlinien in Nationale<br />

Aktionspläne für Beschäftigung umzusetzen<br />

und darüber jährlich Bericht zu erstatten. Anhand<br />

dieser Berichte und nach einer Stellungnahme des<br />

Beschäftigungsausschusses prüft der Ministerrat die<br />

Umsetzung der Leitlinien und kann einzelnen Mitgliedstaaten<br />

mit qualifizierter Mehrheit Empfehlungen<br />

geben. Schließlich erstellen Ministerrat und<br />

Kommission einen neuen Jahresbericht für den Europäischen<br />

Rat, in dem sie die Beschäftigungslage in<br />

Beschäftigungspolitik<br />

der Gemeinschaft und die Umsetzung der Leitlinien<br />

schildern. Damit wird der beschriebene Zyklus erneuteingeleitet,indessenVerlaufderMinisterratauf<br />

der Grundlage neuer Schlussfolgerungen des Europäischen<br />

Rates die vorherigen Leitlinien erforderlichenfalls<br />

modifiziert. Begonnen wurde dieses zyklische<br />

Verfahren auf dem Luxemburger Beschäftigungsgipfel<br />

des Europäischen Rates im November<br />

1997. Dementsprechend wird das Verfahren auch als<br />

�„Luxemburg-Prozess“ bezeichnet.<br />

Seit ihrer ersten Verwendung im Jahr 2000 haben die<br />

länderspezifischen Empfehlungen erheblich an Bedeutung<br />

gewonnen. 2004 bspw. wurden nicht wenigerals96solcherEmpfehlungenausgesprochen.DarinspiegeltsichzumeinendieErkenntniswider,dass<br />

sich die Arbeitsmarktprobleme von Land zu Land erheblich<br />

unterscheiden. Zum anderen kommt darin<br />

eine zunehmende Eingriffsintensität der EU-Beschäftigungspolitik<br />

zum Ausdruck. Während die<br />

länderspezifischen Empfehlungen jährlich überprüft<br />

und ggf. aktualisiert werden, sind die Leitlinien,<br />

auf denen sie basieren, seit 2003 mittelfristig<br />

orientiert. Sie werden seitdem nur noch alle drei Jahre<br />

komplett überarbeitet.<br />

Der „Luxemburg-Prozess“ wurde 1999 vom Europäischen<br />

Rat in Köln im Rahmen eines sog. Europäischen<br />

Beschäftigungspaktes um einen seitdem zweimal<br />

jährlich stattfindenden sog. �„makroökonomischen<br />

Dialog“ ergänzt. In diesem Dialog zwischen<br />

Ministerrat, Kommission, Tarifparteien und Europäischer<br />

Zentralbank sollen die Finanz-, Lohn- und<br />

Geldpolitik aufeinander abgestimmt werden, „damit<br />

die Möglichkeiten für Wachstum und Beschäftigung<br />

ausgebaut und voll ausgeschöpft werden können.“<br />

Der makroökonomische Dialog wird auch als<br />

�„Köln-Prozess“ bezeichnet.<br />

Die Rolle der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände<br />

wurde in jüngerer Zeit nochmals aufgewertet.<br />

2003 beschloss der Ministerrat die Errichtung eines<br />

„Dreiseitigen Sozialgipfels für Wachstum und Beschäftigung“.<br />

Er findet jährlich am Vorabend der<br />

Frühjahrstagung des Europäischen Rates statt und<br />

gibt den Sozialpartnern eine zusätzliche Gelegenheit,<br />

auf die Gestaltung der Europäischen Beschäftigungsstrategie<br />

Einfluss zu nehmen.<br />

Gemäß Art. 129 EGV ist der Ministerrat befugt, mit<br />

qualifizierter Mehrheit finanzielle „Anreizmaßnahmen“<br />

zur Förderung der beschäftigungspolitischen<br />

Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und<br />

89


Beschäftigungspolitik<br />

zur Unterstützung ihrer Beschäftigungsmaßnahmen<br />

zu beschließen. Den wichtigsten finanziellen Hebel<br />

zur Umsetzung der gemeinschaftlichen Beschäftigungsstrategie<br />

und zur Unterstützung der Beschäftigungspolitik<br />

der Mitgliedstaaten bildet der �EuropäischeSozialfonds.FürdenZeitraum2000bis2006<br />

beläuft sich seine Ausstattung auf 60 Mrd. Euro. Ein<br />

erheblicher Teil dieser Mittel wird im Rahmen der<br />

Europäischen Beschäftigungsstrategie für Programme<br />

der aktiven Arbeitsmarktpolitik verwendet (z. B.<br />

Fortbildung und Umschulung, Beschäftigungsprogramme).<br />

Die entsprechenden operationellen Programme<br />

werden zwischen der Kommission und den<br />

Mitgliedstaaten vereinbart.<br />

4. Maßnahmen: Die neuesten beschäftigungspolitischen<br />

Leitlinien wurden vom Rat am 22. 7. 2003 angenommen<br />

und am 4. 10. 2004 unverändert bekräftigt.EshandeltsichumzehnspezifischeLeitlinien.<br />

(1) „Aktive und präventive Maßnahmen für Arbeitslose<br />

und Nichterwerbspersonen“: Die Mitgliedstaaten<br />

sind verpflichtet, allen arbeitslosen Jugendlichen<br />

innerhalb von sechs Monaten und allen arbeitslosen<br />

Erwachsenen innerhalb von zwölf Monaten nach<br />

Eintritt der Arbeitslosigkeit die Teilnahme an einem<br />

Programm der aktiven Arbeitsmarktpolitik zu ermöglichen.<br />

Außerdem sollen bis 2010 25 % der<br />

Langzeitarbeitslosen an solchen Programmen teilnehmen.<br />

(2) „Schaffung von Arbeitsplätzen und Unternehmergeist“:<br />

Im Rahmen dieser Leitlinie wird vor allem<br />

eine Reduzierung des bürokratischen Aufwands<br />

für Unternehmensgründungen, für kleine und mittlere<br />

Unternehmen sowie für die Einstellung von Personal<br />

gefordert.<br />

(3) „Bewältigung des Wandels und Förderung der<br />

Anpassungsfähigkeit in der Arbeitswelt“: Die Mitgliedstaaten<br />

sollen insbes. restriktive arbeitsrechtliche<br />

Bestimmungen reformieren und Hindernisse für<br />

die geographische Mobilität beseitigen.<br />

(4) „Förderung des Aufbaus von Humankapital und<br />

des lebensbegleitenden Lernens“: Bis 2010 sollen<br />

mindestens 85 % der 22-jährigen die Sekundarstufe<br />

II abgeschlossen haben, und der Anteil der 25- bis<br />

64-jährigen, die an Bildungsmaßnahmen teilnehmen,<br />

soll mindestens 12,5 % betragen.<br />

(5)„ErhöhungdesArbeitskräfteangebotsundFörderung<br />

des aktiven Alterns“: Das effektive Renteneintrittsalter<br />

soll bis 2010 um fünf Jahre angehoben<br />

werden.<br />

90<br />

(6)„GleichstellungderGeschlechter“:DieMitgliedstaaten<br />

sollen bis 2010 für mindestens 90 % der Kinder<br />

zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter<br />

und für mindestens 33 % der Kinder unter drei Jahren<br />

Betreuungsplätze zur Verfügung stellen.<br />

(7) „Förderung der Integration und Bekämpfung der<br />

Diskriminierung benachteiligter Menschen auf dem<br />

Arbeitsmarkt“: Die Differenz zwischen den Arbeitslosenquoten<br />

benachteiligter Menschen (etwa Geringqualifizierte,<br />

Behinderte, Zuwanderer) und der<br />

Gesamtarbeitslosenquote soll erheblich verringert<br />

sowie die Schulabbrecherquote auf höchstens 10 %<br />

gesenkt werden.<br />

(8) „Arbeit lohnend machen und entsprechende Anreize<br />

schaffen“: Die Mitgliedstaaten sollen insbes.<br />

die Lohnersatzquoten und die Dauer des Leistungsbezugs<br />

überprüfen sowie hohe effektive Grenzsteuersätze<br />

und gegebenenfalls die Abgabenbelastung<br />

von Niedriglohnbeziehern deutlich verringern.<br />

(9) „Überführung von nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit<br />

in reguläre Beschäftigung“: Zur Bekämpfung<br />

der Schwarzarbeit werden u. a. eine Vereinfachung<br />

des Unternehmensumfelds, eine Reform der<br />

Steuer- und Sozialleistungssysteme und die Anwendung<br />

von Sanktionen empfohlen.<br />

(10) „Überwindung regionaler Disparitäten bei der<br />

Beschäftigung“: Die Mitgliedstaaten sollen rückständige<br />

Regionen durch die Schaffung günstiger<br />

Bedingungen für privatwirtschaftliche Tätigkeiten<br />

sowie durch Investitionen in Humankapital und in<br />

eine angemessene Infrastruktur fördern.<br />

Vorschläge für Leitlinien 2005 – 2008 hat die Kommission<br />

am 12. 4. 2005 vorgelegt.<br />

5. Bewertung: Die Beschäftigungspolitik der EuropäischenUnionistausmehrerenGründenzukritisieren.<br />

Erstens verletzt die Zentralisierung der Beschäftigungspolitik<br />

auf der EU-Ebene das �Subsidiaritätsprinzip.<br />

Die beteiligten EU-Organe besitzen weder<br />

überlegenes Wissen noch wirkungsvollere Instrumente<br />

zur Lösung der Beschäftigungsprobleme<br />

der Mitgliedsländer. Welche Instrumente eingesetzt<br />

und wie stark sie dosiert werden sollten, können am<br />

besten die Regierungen der Mitgliedstaaten gemäß<br />

den jeweiligen nationalen und regionalen Gegebenheiten<br />

beurteilen.<br />

Zweitens reduziert die Zentralisierung der Beschäftigungspolitik<br />

den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen<br />

Konzepten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.<br />

Die Beispiele erfolgreicher Beschäf-


tigungspolitik – etwa Großbritannien, Niederlande,<br />

Neuseeland, Dänemark, USA, Schweiz – zeigen,<br />

dass trotz vergleichbarer Erfolge unterschiedliche<br />

Wege beschritten wurden.<br />

DrittensbeschwörtdieEuropäischeBeschäftigungspolitik<br />

die Gefahr herauf, dass die für Arbeitslosigkeit<br />

Verantwortlichen ihre Verantwortung auf die<br />

EU abschieben und von ihrem Fehlverhalten ablenken.<br />

Die Vorgabe quantitativer Beschäftigungsziele<br />

missachtet die Präferenzen der Bürger. Entscheidend<br />

ist nicht die Höhe der Erwerbsbeteiligung, sondern<br />

ob jeder, der arbeiten möchte, auch Arbeit findet.<br />

Abgesehen davon können quantitative Ziele,<br />

wenn sie zu ehrgeizig sind, zur Enttäuschung der<br />

BürgerundzueinemVerlustanGlaubwürdigkeitder<br />

Politik führen. Tatsächlich ist kaum zu erwarten,<br />

dass die EU ihre selbstgesteckten Ziele erreicht.<br />

Die Beschäftigungssituation unterscheidet sich von<br />

MitgliedslandzuMitgliedslanderheblich.Soreichte<br />

Beschäftigungspolitik<br />

die Spannweite bei der Arbeitslosenquote im Durchschnitt<br />

der Jahre 2000 bis 2003 von 3,0 % in Luxemburg<br />

bis 18,5 % in Polen. Eine einheitliche Strategie<br />

kann den unterschiedlichen Arbeitsmarktlagen in<br />

den Mitgliedsländern nicht gerecht werden, zumal<br />

nach der Osterweiterung. Darüber hinaus weisen<br />

viele Länder außerhalb der EU Arbeitslosenquoten<br />

auf,dieweitunterdemEU-Durchschnittliegen.Dies<br />

zeigt, dass eine supranationale Abstimmung der Beschäftigungspolitiken<br />

nicht erforderlich ist, um eine<br />

gute Arbeitsmarkt-Performance zu erzielen. Überlegen<br />

ist offenbar ein intensiver Wettbewerb aller Länder<br />

um die besten Arbeitsmarktordnungen und Beschäftigungspolitiken.<br />

Die zahlreichen strikten quantitativen Vorgaben in<br />

den spezifischen Leitlinien (z. B. in Bezug auf Kinderbetreuungsplätze)<br />

missachten ebenfalls die unterschiedlichenPräferenzenderBürgerderverschiedenen<br />

Länder. Außerdem vernachlässigen sie die<br />

Kosten der vorgeschriebenen Maßnahmen und die<br />

Arbeitslosenquote in der EU-15, der EU-25, der Eurozone und den EU-Staaten 1995 bis 2005<br />

1995 2000 2001 2002 2003 2004 Juni 2005*<br />

EU-25 8,6 8,4 8,7 9,0 9,0 8,6<br />

EU-15 10,0 7,6 7,2 7,6 8,0 8,1 7,9<br />

Eurozone 10,5 8,1 7,9 8,3 8,7 8,9 8,6<br />

Belgien 9,7 6,9 6,7 7,3 8,0 7,8 8,0<br />

Dänemark 6,7 4,4 4,3 4,6 5,6 5,4 4,9<br />

Deutschl. 8,0 7,2 7,4 8,2 9,0 9,5 9,3<br />

Estland 12,5 11,8 9,5 10,2 9,2 7,6<br />

Finnland 15,4 9,8 9,1 9,1 9,0 8,8 8,3<br />

Frankreich 11,1 9,1 8,4 8,9 9,5 9,7 9,7<br />

Griechenl. 9,2 11,3 10,8 10,3 9,7 10,5 9,9<br />

Großbrit. 8,5 5,4 5,0 5,1 4,9 4,7 4,7<br />

Irland 12,3 4,3 3,9 4,3 4,6 4,5 4,3<br />

Italien 11,2 10,1 9,1 8,6 8,4 8,0 7,8<br />

Lettland 13,7 12,9 12,6 10,4 9,8 8,8<br />

Litauen 16,4 16,4 13,5 12,7 10,8 7,7<br />

Luxemb. 2,9 2,3 2,1 2,8 3,7 4,8 5,4<br />

Malta 6,8 7,7 7,7 8,0 7,3 6,5<br />

Niederld. 6,6 2,8 2,2 2,8 3,7 4,6 4,8<br />

Österreich 3,9 3,7 3,6 4,2 4,3 4,8 5,2<br />

Polen 16,4 18,5 19,8 19,2 18,8 17,6<br />

Portugal 7,3 4,1 4,0 5,0 6,3 6,7 7,2<br />

Schweden 8,8 5,6 4,9 4,9 5,6 6,3 6,3<br />

Slowakei 18,7 19,4 18,7 17,5 18,0 15,2<br />

Slowenien 6,6 5,8 6,1 6,5 6,0 5,9<br />

Spanien 18,8 11,4 10,8 11,5 11,5 11,0 9,5<br />

Tschech. 8,7 8,0 7,3 7,8 8,3 7,7<br />

Ungarn 6,3 5,6 5,6 5,8 5,9 6,4<br />

Zypern 5,2 4,4 3,9 4,5 5,0 5,3<br />

* Italien, Griechenland, Schweden: März 2005; Großbritannien: Mai 2005<br />

Quelle: Eurostat<br />

91


Beschäftigung und Valorisierung<br />

Tatsache, dass die ärmeren Mitgliedsländer diese<br />

Kosten nur schwer tragen können.<br />

Positiv hervorzuheben ist freilich, dass einige Leitlinien<br />

immerhin auf Faktoren zielen, die tatsächlich in<br />

vielen EU-Ländern maßgeblich für die hohe, strukturell<br />

verfestigte Arbeitslosigkeit mitverantwortlich<br />

sind. Zu nennen sind vor allem die zahlreichen restriktiven<br />

Bestimmungen im Arbeitsrecht, der große<br />

bürokratische Aufwand, den die Unternehmen aufgrund<br />

staatlicher Vorschriften betreiben müssen, die<br />

hohe Abgabenbelastung sowie die oftmals großzügigen<br />

Lohnersatzleistungen. Andere nach Ansicht unabhängiger<br />

Experten dringend notwendige Maßnahmen<br />

zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden<br />

jedoch nicht gefordert, etwa die Abschaffung gesetzlicher<br />

Mindestlöhne, die Einführung gesetzlicher<br />

ÖffnungsklauselninTarifverträgenundeinVerzicht<br />

auf staatliche Allgemeinverbindlicherklärungen<br />

vonTarifverträgen. H. F.<br />

Literatur:<br />

Feldmann, H.: Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene:<br />

Was nützen Leitlinien, Entschließungen und Pakte? In: Orientierungen<br />

zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 3/1999,<br />

S. 42 – 47<br />

Lesch, H.: Europäische Beschäftigungsstrategie: Eine<br />

ordnungspolitische Bewertung. In: Orientierungen zur<br />

Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 2/2004, S. 26 – 32<br />

Schatz, Kl.-W.: Europäische Beschäftigungspolitik: Existiert<br />

Handlungsbedarf? In: Ohr, R./Theurl, Th. (Hg.): Kompendium<br />

Europäische Wirtschaftspolitik. München 2001, S. 535 – 576<br />

Beschäftigung und Valorisierung der Humanressourcen.<br />

Gemeinschaftsinitiative für den Zeitraum<br />

1994 bis 1999 mit den Bereichen<br />

– Förderung der Chancengleichheit für Frauen am<br />

Arbeitsmarkt („Beschäftigung-NOW“),<br />

– Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten für<br />

BehinderteundanderebenachteiligtePersonengruppen<br />

(„Beschäftigung-Horizon“),<br />

– Förderung der Integration Jugendlicher in den Arbeitsmarkt,<br />

insbes. Jugendlicher ohne Grundqualifikation<br />

und Berufsbildung („Beschäftigung-Youthstart“),<br />

Für die Maßnahmen wurden 1,4 Mrd. Euro aus den<br />

Strukturfonds bereitgestellt.<br />

Beschleunigtes Verfahren. Neben der �Einstweiligen<br />

Anordnung und der �Vorrangigen Behandlung<br />

ermöglicht es das beschleunigte Verfahren dem Europäischen<br />

�Gerichtshof, in ganz besonders eiligen<br />

Fällen eine schnelle Entscheidung – hier: in der<br />

92<br />

Hauptsache – zu treffen. Es ist Sache des Präsidenten<br />

des Gerichtshofes, auf besonderen Antrag einer<br />

der Parteien und nach Anhörung der anderen Parteien<br />

zu entscheiden, ob eine besondere Dringlichkeit<br />

den Rückgriff auf das beschleunigte Verfahren<br />

rechtfertigt. Wird dieses angeordnet, gelten kürzere<br />

Verfahrensfristen. Das schriftliche Verfahren ist auf<br />

einen einzigen Schriftsatzwechsel beschränkt. Zudem<br />

wird der Termin der mündlichen Verhandlung<br />

umgehendfestgesetzt.EinbeschleunigtesVerfahren<br />

ist auch für Vorabentscheidungsersuchen vorgesehen;<br />

in diesem Fall stellt das vorlegende nationale<br />

GerichtdenAntrag. J. M. B.<br />

�Vorläufiger Rechtsschutz<br />

Internet: http://curia.eu.int/de/<br />

BesondersqualifizierteMehrheit,verstärktequalifizierte<br />

Mehrheit. Nicht realisierter Vorschlag einiger<br />

Mitgliedstaaten auf der Regierungskonferenz<br />

von 1996, um den Übergang von der Einstimmigkeit<br />

zum Mehrheitsbeschluss zu erleichtern. In bestimmten<br />

Fällen sollte die besonders qualifizierte Mehrheit,<br />

bei der die Stimmenzahl über der normalen<br />

Schwelleliegenwürde,dieEinstimmigkeitersetzen.<br />

Bestimmungslandprinzip. Im Zusammenhang<br />

mit der Umsatzsteuer versteht man unter Bestimmungslandprinzip<br />

die Besteuerung einer aus einem<br />

anderen Land des Binnenmarktes eingeführten Ware<br />

oderLeistungmitdemSteuersatzdesEmpfängerlandes.DerEndverbraucherwirdalsomitdeminseinem<br />

Land geltenden Mehrwertsteuersatz belastet. Nach<br />

dem Ursprungslandlandprinzip würde die Lieferung<br />

oder Leistung mit dem Steuersatz des Herkunftslandes<br />

besteuert.<br />

Im Binnenmarkt soll für den Bereich der Umsatzsteuer<br />

das Ursprungslandprinzip eingeführt werden,<br />

es gilt jedoch nach wie vor das Bestimmungslandprinzip.<br />

Da Steuereinnahmen in den Haushalt des<br />

Staates fließen, der sie erhebt, sind mit der Entscheidung<br />

für oder gegen eines der beiden Systeme erhebliche<br />

Veränderungen auf der Einnahmenseite verbunden.<br />

Zur Verteilung des Steueraufkommens entsprechend<br />

den Warenströmen im Binnenmarkt muss<br />

eine Clearingstelle geschaffen werden, wenn auf das<br />

Ursprungslandprinzip umgestellt wird.<br />

BEST-Verfahren (Business Environment Simplification<br />

Task Force). Verfahren zur Verbesserung des


Umfelds von Unternehmen, insbes. von �KMU. Die<br />

ArbeitsgruppeBESTwurdeaufgrundeinerInitiative<br />

des Europäischen Rats von Amsterdam am 16./17. 6.<br />

1997 aus Sachverständigen aus Wirtschaft, UniversitätenundVerwaltungeingesetztundveröffentlichte<br />

Empfehlungen in einem Schlussbericht 1998. Im<br />

Rahmen der �Lissabon-Strategie hat die Kommission<br />

im Dezember 2000 das BEST-Verfahren eingeführt.<br />

Ein Mehrjahresprogramm für Unternehmen<br />

und unternehmerische Initiative (2000/819) fördert<br />

Projekte insbesondere für KMU im Zeitraum 2001<br />

bis Ende 2005.<br />

Betriebsrat, Europäischer (EBR). Die betriebliche<br />

Mitbestimmung in Unternehmen ist in den<br />

EU-Staaten unterschiedlich geregelt. Die Einrichtung<br />

eines EBR in multinationalen Unternehmen<br />

nach dem – im Verhältnis zu anderen Staaten – sehr<br />

weitgehenden deutschen Modell der Mitbestimmung<br />

ist EU-weit nicht durchsetzbar, zumal der Rat<br />

in dieser Frage einstimmig entscheiden muss (Art.<br />

137 Abs. 1 lit. f), während er in Fragen der Unterrichtung<br />

und Anhörung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern<br />

(Art. 137 Abs. 1 lit. e) nach dem �Mitentscheidungsverfahren<br />

beschließen kann.<br />

Nachzwei(1988und1991)gescheitertenVersuchen<br />

der Kommission, einen Richtlinienvorschlag zur<br />

Einrichtung eines EBR auf den Gesetzgebungsweg<br />

zubringen,habendieArbeits-undSozialministeram<br />

22. 9. 1994 eine „Richtlinie über die Einsetzung eines<br />

Europäischen Betriebsrates oder die Schaffung<br />

eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung<br />

der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden<br />

Unternehmen und Unternehmensgruppen“ verabschiedet<br />

(RL 94/95, ABl. L 254/1994; Großbritannien<br />

und Nordirland wurden durch Richtlinie 97/74<br />

einbezogen). Die Richtlinie wurde durch das Gesetz<br />

über Europäische Betriebsräte (EBRG) vom 28. 10.<br />

1996 (BGBl. Teil I vom 31. 10. 1996) in deutsches<br />

Recht umgesetzt, in Österreich durch Bundesgesetz<br />

vom 17. 10. 1996 (Novelle zum Arbeitsverfassungsgesetz;BGBl.fürdieRepublikÖsterreich<br />

601/96).<br />

Gemeinschaftsweit operierend ist demnach ein Unternehmen<br />

mit mindestens 1000 Arbeitnehmern in<br />

den EU-Staaten, davon in mindestens zwei EU-Staaten<br />

jeweils mindestens 150. Unternehmensgruppen<br />

bestehen aus einem beherrschenden Unternehmen<br />

und den von diesem abhängigen Unternehmen mit<br />

mindestens 1000 Arbeitnehmern in EU-Staaten;<br />

Betriebsrat<br />

mindestens zwei dieser Unternehmen mit jeweils<br />

mindestens 150 Mitarbeitern müssen in verschiedenen<br />

Mitgliedstaaten ansässig sein.<br />

In Unternehmen, die diese Anforderungen erfüllen,<br />

kann – dem Prinzip der Autonomie der Sozialpartner<br />

entsprechend – durch freie Vereinbarung zwischen<br />

der Unternehmensleitung und einem Verhandlungsgremium<br />

der Arbeitnehmerseite ein EBR eingesetzt<br />

werden; es kann auch ein anderes Verfahren zur Unterrichtung<br />

und Konsultation der Arbeitnehmer gewählt<br />

werden, dessen Durchführungsmodalitäten<br />

(Tätigkeitsbereich, Zusammensetzung, Befugnisse,<br />

Mandatsdauer etc.) schriftlich vereinbart sein müssen.<br />

Die Bildung des Verhandlungsgremiums kann<br />

von der Unternehmensleitung veranlasst werden<br />

oder ist von den Arbeitnehmern bei der Unternehmensleitung<br />

zu beantragen.<br />

In Fällen, in denen keine freie Vereinbarung zwischen<br />

den Sozialpartnern zustande kommt, wird ein<br />

EBR kraft Gesetzes errichtet. Das ist der Fall, wenn<br />

die Unternehmensleitung innerhalb von sechs Monaten<br />

nach Antragstellung den Beginn von Verhandlungen<br />

verweigert, oder wenn beide Verhandlungspartner<br />

die Verhandlungen für gescheitert erklären<br />

und einen entsprechenden Beschluss fassen, oder<br />

wenn drei Jahre nach Antragstellung keine Vereinbarung<br />

zustande gekommen ist.<br />

EinEBRbestehtaushöchstens30Mitgliedern.Seine<br />

Zuständigkeiten beschränken sich auf Information<br />

und Konsultation zu Themen, die das Unternehmen<br />

insgesamt oder mindestens zwei zu einer Unternehmensgruppe<br />

gehörende Unternehmen betreffen.<br />

Dazu gehört eine jährliche Unterrichtung über Geschäftslage<br />

und Perspektiven. Die Verwaltungskosten,<br />

die durch die Arbeit des EBR entstehen, trägt das<br />

Unternehmen einschl. Reise- und Dolmetscherkosten<br />

sowie Kosten für sachverständige Beratung.<br />

Literatur:<br />

Blanke, Th.: Europäisches Betriebsrätegesetz.<br />

EBRG-Kommentar. Baden-Baden 1999<br />

Carley, M./Marginson, P.: Verhandlungen zur Einsetzung Europäischer<br />

Betriebsräte. Eine vergleichende Untersuchung der<br />

Vereinbarung [1996] nach Art. 6 u. Art. 13. Luxemburg 2000<br />

Eckhoff, K.: Der Europäische Betriebsrat. Die Richtlinie<br />

94/45/EG und das deutsche Umsetzungsgesetz EBRG.<br />

Schriftenreihe arbeitsrechtliche Forschungsergebnisse, Bd. 53.<br />

Hamburg 2004<br />

Hauss, Th.: Grenzüberschreitende Betriebsverfassung in<br />

Europa. Der Europäische Betriebsrat. Frankfurt am Main 1996<br />

Heß, H.: Europäischer Betriebsrat. In: Spiegelhalter, H.-J.<br />

(Red.), Beck’sches Arbeitsrechtslexikon, Bd. 1. München 1998<br />

93


Betrugsbekämpfung<br />

Betrugsbekämpfung<br />

1. Begriff: Unter „Betrugsbekämpfung“ fallen auf<br />

EU-Ebene alle Maßnahmen zur Verhütung, Aufdeckung<br />

und Verfolgung rechtswidriger Handlungen,<br />

die sich gegen die finanziellen Interessen der Union<br />

richten. Rechtsgrundlage ist Art. 280 EGV. Der Begriff<br />

Betrugsbekämpfung erfasst damit neben dem<br />

Betrug im strafrechtlichen Sinne auch �Korruption<br />

und andere Unregelmäßigkeiten, nicht aber Verstöße<br />

gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der<br />

Haushaltsführung. Insofern ist Betrugsbekämpfung<br />

von �Audit bzw. Rechnungsprüfung abzugrenzen.<br />

Taten zu Lasten der nationalen Haushalte oder zum<br />

Schaden Privater fallen ebenfalls nicht unter diesen<br />

Begriff: Der Kampf gegen grenzüberschreitende Betrugs-<br />

und Korruptionsfälle im Allgemeinen vollzieht<br />

sich in der Union im Rahmen der Polizeilichen<br />

und Justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen<br />

(�PJZS, derzeit sog. „Dritte Säule“, Artikel 29<br />

EUV), auf EU-Ebene haben �Europol und �Eurojust<br />

dafür das entsprechende Mandat.<br />

Bezugspunkt der EU-Betrugsbekämpfung im engeren<br />

Sinne sind also allein die finanziellen Interessen<br />

der Union, und zwar auf der Einnahmen- wie auf der<br />

Ausgabenseite, insbes. also der EU-Haushalt. Dieser<br />

ist rein strukturell stärker als nationale Budgets Betrugsgefahren<br />

ausgesetzt, besteht er doch auf der<br />

Ausgabenseite zu über 90 % aus Fördermitteln<br />

(Landwirtschaft, Strukturfonds, Forschungsförderung<br />

etc.). Hinzu kommt, dass 80 % der Ausgaben<br />

nicht durch die EU-Institutionen selbst, sondern<br />

durch die Behörden der Mitgliedstaaten getätigt und<br />

verwaltet werden. Sie sind es auch, die den Großteil<br />

der EU-Einnahmen (traditionelle �Eigenmittel wie<br />

Zölle, Mehrwertsteueranteil) einziehen und dann an<br />

dieEUabführen.DabeiverfügendieMitgliedstaaten<br />

freilich auch, anders als die Gemeinschaftsorgane,<br />

über alle notwendigen Einrichtungen zur Betrugsbekämpfung<br />

(insbes. Zollbehörden, Polizei und Justiz).FolgerichtigistderSchutzderfinanziellenInteressen<br />

der EU eine den Mitgliedstaaten und der Union<br />

gemeinsam übertragene Aufgabe. Die Kommission<br />

hat dabei einen Beitrag zur Koordinierung der Tätigkeiten<br />

der Mitgliedstaaten zu leisten und diese zu unterstützen;<br />

sie kann aber auch eigene Untersuchungendurchführen(�EuropäischesAmtfürBetrugsbekämpfung<br />

– OLAF).<br />

2. Entwicklung: In den 1970er Jahren begannen die<br />

Gemeinschaftsorgane der Betrugsbekämpfung ei-<br />

94<br />

nen größeren Stellenwert einzuräumen. Erste sektorale<br />

Vorschriften zur Verhinderung und Verfolgung<br />

von Unregelmäßigkeiten wurden erlassen, zunächst<br />

im Bereich Landwirtschaft, auf den damals rund 70<br />

Prozent der EG-Ausgaben entfielen. Ein Kommissionsvorschlag<br />

von 1976 für ein Protokoll zum<br />

EWG-Vertrag über den strafrechtlichen Schutz der<br />

finanziellen Interessen der Gemeinschaften wurde<br />

jedoch nie umgesetzt. Nach und nach wurden im Sekundärrecht<br />

sektorale Vorschriften zur Betrugsbekämpfung<br />

erlassen, im Primärrecht aber konnte die<br />

Betrugsbekämpfung erst 1993 mit dem Vertrag von<br />

Maastricht verankert werden.<br />

Der damalige Art. 209a EG-Vertrag a. F. kodifizierte<br />

dabei u. a. die bis dahin ergangene EuGH-Rechtsprechung.<br />

Den Grundstein für einen strafrechtlichen<br />

Sanktionsrahmen für Betrug zu Lasten der Gemeinschaft<br />

legten die Mitgliedstaaten erst 1995 mit<br />

dem Übereinkommen über den Schutz der finanziellen<br />

Interessen der Europäischen Gemeinschaften (in<br />

Kraft seit 2002) und dessen Zusatzprotokolle von<br />

1996 (in Kraft seit 2002) und 1997 (noch nicht in<br />

Kraft).<br />

Mit dem �Vertrag von Amsterdam wurde 1999 der<br />

heutigeArt.280EGVgeschaffen,dereineerweiterte<br />

und klarere Rechtsgrundlage für die Gesetzgebungskompetenz<br />

der Gemeinschaft bildet und auch durch<br />

den �Vertrag von Nizza unverändert blieb.<br />

Die Vorwürfe von Betrug, Missmanagement und<br />

Nepotismus, die 1999 zum Rücktritt der Kommission<br />

Santer führten, haben zu einer umfassenden Neuorganisation<br />

der Betrugs- und Korruptionsbekämpfung<br />

geführt. Ergebnis waren u. a. die Gründung des<br />

OLAF (1999), die Prüfung sensitiver Gesetzesvorhaben<br />

auf ihre „Betrugsresistenz“ („fraud-proofing“,<br />

seit 2001), eine verbesserte Haushaltsordnung<br />

(VO 1605/2002, ABl. L 248/ 2002), die Einführung<br />

eines modernen Buchführungssystems (2005). Zudem<br />

etablierte die Kommission eine regelmäßige<br />

Rotation von Beamten auf sensiblen Posten (2002)<br />

und begründete deren Pflicht zur Anzeige von Unregelmäßigkeiten.<br />

Diese Pflicht wird auf der anderen<br />

Seite durch einen verbesserten Schutz für „Whistleblower“<br />

(Bedienstete, die Verfehlungen der eigenen<br />

VorgesetztenoderKollegenmelden)ergänzt(2004).<br />

3. Stand: Ausgangspunkt für die EU-Betrugsbekämpfung<br />

ist zunächst der Begriff der „Unregelmäßigkeit“:<br />

Nach Definition des Art. 1 Abs 2 der VO<br />

2988/95 (ABl. L 312/1995) ist das jede Handlung


oder Unterlassung, die unter Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung<br />

tatsächlich oder potenziell<br />

den EU-Haushalt schädigt, sei es durch die Verkürzung<br />

von Einnahmen oder die Erhöhung von Ausgaben.<br />

Bei allen Unregelmäßigkeiten ist grundsätzlich<br />

immer der erhaltene Vorteil zurückzuerstatten.<br />

Kommt zu der schädigenden Handlung ein Element<br />

subjektiver Vorwerfbarkeit, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit,<br />

hinzu, so liegt eine Ordnungswidrigkeit<br />

vor,diezumeinennachnationalemRecht,zumanderen<br />

aufgrund von Gemeinschaftsrecht eine Reihe<br />

verwaltungsrechtlicher Sanktionen nach sich ziehen<br />

kann, wie sie VO 2988/95 auflistet: Geldbuße, Verfall<br />

von Kautionen, Entzug von Lizenzen, Ausschluss<br />

von künftigen Subventionen etc. Hinzu<br />

kommt im Agrarbereich die Eintragung in eine<br />

�Schwarze Liste nach VO 1469/95 (ABl. L 145/<br />

1995). Als Straftat ist EU-Betrug in Art. 1 des Übereinkommens<br />

über den Schutz der finanziellen Interessen<br />

der Gemeinschaften (ABl. C 316 vom 27. 11.<br />

1995) definiert und setzt Vorsatz voraus. Das Übereinkommen<br />

verpflichtet die Mitgliedstaaten, für<br />

EU-Betrug einen selbständigen Straftatbestand zu<br />

schaffen, Sanktionen vorzusehen und ihre Gerichtsbarkeit<br />

zu begründen. Das Gleiche verlangt im Bereich<br />

Korruptionsbekämpfung das Erste Protokoll<br />

zum Übereinkommen (ABl. C 313/1996), das die<br />

Strafbarkeit von Bestechung und Bestechlichkeit<br />

zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU verlangt.<br />

Was die Zuständigkeitsverteilung bei der EU-Betrugsbekämpfung<br />

betrifft, so schreibt die grundlegende<br />

Kompetenznorm im Primärrecht (Art. 280<br />

EGV) fest, dass Gemeinschaft und Mitgliedstaaten<br />

gleichermaßen verantwortlich sind, für einen effektiven<br />

und abschreckenden Schutz des EU-Budgets<br />

zu sorgen. Gemeinschaftsrechtliche Regelungen des<br />

SekundärrechtswerdennachArt.280Abs.4EGVim<br />

Verfahren der Mitentscheidung verabschiedet, die<br />

Anwendung des Strafrechts der Mitgliedstaaten und<br />

ihre Strafrechtspflege bleiben davon aber unberührt.<br />

Artikel 280 EGV ist die primärrechtliche Grundlage<br />

fürKontrollen,die dieMitgliedstaatenunddieKommission<br />

durchführen, sekundärrechtlich sind hier<br />

vor allem die horizontalen Vorschriften in VO<br />

1073/99 (ABl. L 136/1999), sowie VO 2988/95<br />

(ABl. L 312/1995) und VO 2185/96 (ABl. L 292/<br />

1996) von Bedeutung. Innerstaatlich haben die Mitgliedstaaten<br />

bei der Bekämpfung von EU-Betrug<br />

Betrugsbekämpfung<br />

gem. Art. 280 Abs. 2 EGV die gleichen Maßnahmen<br />

zu ergreifen wie bei Betrügereien, die sich gegen ihre<br />

eigenen finanziellen Interessen richten. Gesetzgeber<br />

und Verwaltungen des Mitgliedstaats sind also zu<br />

entsprechender Sorgfalt verpflichtet, insbes. sind<br />

Verstöße mit Nachdruck zu verfolgen und Ersatzansprüche<br />

auch tatsächlich geltend zu machen. Im nationalen<br />

Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren<br />

ist der Kommission dabei dieselbe Stellung einzuräumen,<br />

wie sie der Fiskus im betreffenden Mitgliedstaathätte.DieWiedererlangungderverlorenenMittel<br />

im Wege der Rückerstattung, Nacherhebung und<br />

Einziehung sowie die Geltendmachung von Ersatzansprüchen<br />

regelt eine Reihe von Vorschriften (so<br />

fürdenAgrarbereichRL76/308,ABl. L73/1976;für<br />

die Strukturfonds VO 1681/94, ABl. L 178/1994, für<br />

dieEigenmittelinVO1150/2000,ABl.L130/2000).<br />

Alle finanziellen Korrekturen hat jeweils die Stelle<br />

vorzunehmen, die für die Erhebung der Einnahmen<br />

oder die Auszahlung der Ausgaben an den letztendlichen<br />

Empfänger zuständig ist – außer bei den direkten<br />

Ausgaben der Gemeinschaft also regelmäßig die<br />

jeweilige Behörde des Mitgliedstaates. Kommt ein<br />

Mitgliedstaat dieser Pflicht zur Nacherhebung oder<br />

Beitreibung nicht nach, kann die Kommission ein<br />

Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Speziell bei<br />

den Agrarausgaben aus dem �EAGFL eröffnet VO<br />

595/91 (ABl. L 67/1991) der Kommission die Möglichkeit,<br />

einem Mitgliedstaat, der für die Nicht-Beitreibung<br />

der Rückforderung verantwortlich ist, im<br />

Rahmen des sog. Rechnungsabschlusses den Verlust<br />

anzulasten, ihm also in der nächsten Periode weniger<br />

Mittel zur Verfügung zu stellen.<br />

Artikel 280 Abs. 3 EGV verlangt eine regelmäßige<br />

Zusammenarbeit zwischen den Behörden und eine<br />

Koordination der Tätigkeiten zum Schutz der finanziellen<br />

Interessen der EU. Dazu gehört auch die Information<br />

über von den Mitgliedstaaten ergriffene<br />

Maßnahmen: neue Vorschriften, aufgedeckte Fälle<br />

und eingeleitete Gerichtsverfahren sind der Kommission<br />

regelmäßig zu melden (vierteljährlich nach<br />

VO 1681/94, ABl. L 178/1994). Mit Art. 280 Abs. 3<br />

EGV statuiert bereits das Primärrecht eine unmittelbare<br />

Verpflichtung zur gegenseitigen Amts- und<br />

Rechtshilfe, dazu existieren einige sektorale Vorschriften<br />

(vgl. insb. VO 515/97, ABl. L 82/1997,<br />

über die gegenseitige Amtshilfe in den Bereichen<br />

Zoll- und Landwirtschaft). Die entsprechenden Behördenkontakte<br />

können dabei auch unmittelbar zwi-<br />

95


Bewusstseinsbildung<br />

schen den jeweils zuständigen Dienststellen (ohne<br />

Umweg über zentrale Stellen wie Finanz-/Justizministerien)<br />

und ohne spezielle Verfahren etabliert<br />

werden. Auf Seiten der Europäischen Kommission<br />

ist das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung<br />

(�OLAF) hierfür zuständig. Dort wird auch das Betrugsbekämpfungs-Informationssystem<br />

AFIS (Anti-Fraud<br />

Information System) verwaltet. Das gemeinsame<br />

Forum von Mitgliedstaaten und Kommission<br />

ist der Beratende Ausschuss für die Koordinierung<br />

der Betrugsbekämpfung (CoCoLaF), der gemeinsame<br />

Leitlinien erstellt und den „Jahresbericht<br />

zum Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften<br />

und Betrugsbekämpfung“ (gem Art. 280<br />

Abs. 5 EGV) ausarbeitet. Im Europäischen Parlament<br />

ist der Ausschuss für Haushaltskontrolle (Co-<br />

CoBu – Commission de contrôle budgétaire) für die<br />

Gesetzgebung und die Kontrolle im Bereich Betrugsbekämpfung<br />

zuständig, im Rat ist es der Rat der<br />

Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin).<br />

4. Ausblick: Der �Verfassungsvertrag 2004 soll die<br />

bisherigeRechtslagenachArt.280EGVinsofernändern,<br />

als der ausdrückliche Kompetenzvorbehalt der<br />

Mitgliedstaaten für die Strafrechtsanwendung und<br />

Strafrechtspflege im Kontext Betrugsbekämpfung<br />

im künftigen Art. III-415 VVE 2004 gestrichen ist.<br />

Dies ist im auch im Zusammenhang mit Art. III-274<br />

VVE2004zusehen,derdieEinrichtungeiner�Europäischen<br />

Staatsanwaltschaft ermöglicht. Auf Ebene<br />

des Sekundärrechts liegt u. a. ein Verordnungsvorschlag<br />

der Kommission über eine Vereinfachung der<br />

Amtshilfe beim Schutz der finanziellen Interessen<br />

der EU vor (KOM 2004/509 vom 20. 7. 2004). Auch<br />

ein Änderungsvorschlag für VO 1073/ 99 über die<br />

Untersuchungen des OLAF wurde von der Kommission<br />

präsentiert (KOM 2004/103, vom 10. 2. 2004).<br />

Im weiteren Sinne zur Betrugsbekämpfung beitragen<br />

soll auch eine Reform der Regelungen des Europäischen<br />

Parlaments über die Bezüge der Abgeordneten<br />

(wie z. B. Sekretariatszulage, Reisekosten, Tagegelder),<br />

die immer wieder Anlass zu öffentlicher<br />

Kritikgeben.�StatutderAbgeordneten J. W.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Schutz der Finanziellen Interessen<br />

der Gemeinschaften und Betrugsbekämpfung. Jahresbericht<br />

2003, Brüssel 2004<br />

Hetzer, W.: Korruptionsbekämpfung in Europa. In: NJW 2004,<br />

S. 3746–3750<br />

Prieß, H.-J./Spitzer, H.: Art. 280 EG. In: von der Groeben,<br />

H./Schwarze, J. (Hg.), Vertrag über die Europäische Union und<br />

96<br />

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Kommentar. Baden-Baden 2004<br />

Ulrich, S.: Kontrollen der EG-Kommission bei Wirtschaftsbeteiligten<br />

zum Schutz der finanziellen der Gemeinschaft.<br />

Frankfurt a. M. 1999<br />

Bewusstsein (europäisches), europäische<br />

Bewusstseinsbildung. Europäisches Bewusstsein<br />

konstituiert sich in einem Beziehungsgeflecht<br />

von Kultur, Wirtschaft, Recht, Politik, Geschichte,<br />

Zivilisation sowie gegenwärtiger Ereignisse. Das<br />

Bewusstsein ist gesellschaftlich vermittelt und verändert<br />

sich in gesellschaftlichen Prozessen (kommunikationstheoretische,symbolisch-interaktionistische<br />

Perspektive). Es manifestiert sich als emanzipatorisches,<br />

politisches, individuelles, kollektives,<br />

Standes-, Klassen-, Staats-, National-, europäisches<br />

usw. Bewusstsein. Als „europäisches“ Bewusstsein<br />

wurde es von der Stuttgarter Feierlichen Erklärung<br />

der Staats- und Regierungschefs (1983) postuliert<br />

(�Kulturpolitik).<br />

FürdieDimensionierungeinesspeziellen(z.B.europäischen)<br />

Bewusstseins sind bestimmte Schlüsselitems<br />

zu dessen Konstruktion notwendig. Grundsätzlich<br />

bleibt der Unterschied zwischen „Bewusstsein“<br />

und „Verhalten“. Beide charakterisieren verschiedene<br />

Ebenen, wie sich bspw. bei der Untersuchung<br />

von Auslandsreisen und ihrem Einfluss auf<br />

Europa- und Geschichtsbewusstsein ergeben hat.<br />

Danach nehmen bei Auslandsreisen – zumindest<br />

mittelfristig–daspositiveWissenunddieSympathie<br />

für das besuchte Land zu, die Vorstellungen werden<br />

realitätsnäher, ein übersteigertes Selbstbild (der<br />

Deutschen, der Italiener usw.) wird zurückgenommen.<br />

Für einen Einstellungswandel spielen Bildungsstand,<br />

soziales Umfeld usw. eine Rolle. Es entsteht<br />

das Empfinden, dass bei allseits zunehmender<br />

Internationalisierung der Problemlagen eine überstaatliche<br />

Vernetzung der Lebenssachverhalte erforderlich<br />

ist.<br />

Das europäische Bewusstsein bleibt infolge der unscharfen<br />

europapolitischen Zielprojektionen definitorisch<br />

unbestimmt. Es bezieht sich auf die Identifizierung<br />

mit der unvollendeten europäischen Integration<br />

und auf die Relativierung des Nationalbegriffs.<br />

Durch seine einigungspolitische Zentrierung unterscheidet<br />

es sich von einer diffusen „europäischen<br />

Identität“ aller Europäer aufgrund des gemeinsamen<br />

europäischen Erbes und der gemeinsamen europäischen<br />

Tradition. Infolge der unklaren konzeptionel-


len Fixierung der EU ist die Bevölkerung nicht in der<br />

Lage, die einzelnen Handlungsebenen und Akte europäischer<br />

Politik im Gesamtkontext zu sehen. Insgesamt<br />

ist die Motivationsstruktur für die Union in<br />

einzelnen Ländern dem Wandel unterworfen.<br />

Im Hinblick auf eine Bewusstseinsbildung mit europäischer<br />

Dimension, d. h. mit einer bewusstseinsmäßig-inhaltlichen<br />

Anfüllung durch europäisch-integrative<br />

Perspektiven, bedarf es einer kategorialen<br />

Aufschlüsselung und synthetischen Zusammenfassung<br />

der Wahrnehmungs- und Denkstrukturen auf<br />

eine europäische Integration hin. Letztere fungiert<br />

dann nicht als ein Appendix, sondern als ein permanenter<br />

Aspekt und Bezugspunkt des Wahrnehmens<br />

und Denkens. Dies zielt auf<br />

– eine europäische Dimensionierung des Bewusstseins<br />

in Gestalt einer Ausweitung der nationalen Perspektive<br />

auf die international-europäische (�„Europa<br />

der Bürger“),<br />

– die Bereitschaft der Übertragung von politischen,<br />

wirtschaftlichen, sozialen Teilsouveränitäten und<br />

Kompetenzen auf supranationale Institutionen,<br />

– eineübernationaleGeschichts-undKulturbetrachtung,<br />

– eine Übernahme (bisher) fremder Werte,<br />

– eineemotionaleundrationale(Teil-)Identifikation<br />

mit Europa.<br />

EineuropäischesBewusstseinistkeinTotalbewusstsein.EsbleibtinfolgedesbegrenztenErfahrungshintergrundes<br />

jedes einzelnen Bürgers ein partielles Bewusstsein<br />

und bezieht sich nicht auf das Ganze<br />

gleichzeitig. Es wird genährt durch Erfahrungen im<br />

Urlaub, auf Reisen, durch Lektüre, Fernsehen usw.<br />

Segmente eines europäischen Gemeinschaftsbewusstseins<br />

können durchaus nebeneinander stehen<br />

imSinnerelativierenderErgänzung. W. M.<br />

Bilaterale Regierungskonferenzen sind Verhandlungen<br />

(auf Ministerebene alle sechs Monate,<br />

auf Botschafterebene alle vier Wochen) über den<br />

EU-Beitritt, an denen jeweils die EU und ein beitrittswilliges<br />

Land teilnehmen. Die feierliche Eröffnung<br />

der bilateralen Regierungskonferenz markiert<br />

den Beginn der Beitrittsverhandlungen.<br />

Bildungspolitik. Fragen von Bildung und Ausbildung,derVergleichbarkeitderBildungssysteme,der<br />

gegenseitigen Anerkennung von Ausbildungsgängen<br />

und -abschlüssen unter Beachtung der Vielfalt<br />

Bildungspolitik<br />

nationaler Bildungstraditionen gewinnen mit der<br />

voranschreitenden Integration der Europäischen<br />

Union zunehmend an Bedeutung. Die bildungspolitischen<br />

Aktivitäten der EU finden ihren Niederschlag<br />

vor allem in den Aktionsprogrammen (�Bildungsprogramme),<br />

welche die Bildungspolitik der<br />

Mitgliedstaaten unterstützen sollen, sowie in Richtlinien<br />

zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsund<br />

Hochschulabschlüssen.<br />

Alle bildungspolitischen Aktivitäten der Gemeinschaft<br />

zielen vorrangig auf Steigerung der Mobilität<br />

der Bürger ab durch Erweiterung der Fremdsprachenkenntnisse<br />

über Austauschprogramme, teilweise<br />

Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen im<br />

Ausland, Kennenlernen der Bildungs- und Ausbildungssysteme<br />

der Mitgliedstaaten über den Austausch<br />

von Lehrern und Professoren, gegenseitige<br />

Anerkennung der Berufsabschlüsse und Information<br />

über die Bildungsprogramme der Gemeinschaft<br />

durch nationale Büros in jedem EU-Mitgliedsland.<br />

1. Bildungspolitische Kompetenzen der<br />

Europäischen Union<br />

1.1 Allgemeine Rechtsgrundlage. Die Europäische<br />

Gemeinschaft – das gilt auch für die EU nach den<br />

Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza –<br />

hat keine allgemeine Kompetenz im Bereich der Bildungspolitik,<br />

obwohl Bildung und Ausbildung eigenständige<br />

Gemeinschaftsaufgaben sind. Der Europäische<br />

�Gerichtshof (EuGH) hat in mehreren Urteilen<br />

in den 1980er Jahren festgestellt, dass dieser<br />

Politikbereich wie auch die Kulturpolitik zum Kernbestand<br />

der Mitgliedstaaten gehören; d. h. die nationalen<br />

Politiken dürfen in ihrem Bestand nicht angetastet<br />

werden. Die Mitgliedstaaten sind für Lehrinhalte<br />

und Gestaltung ihrer Bildungssysteme verantwortlich.<br />

Der Bildungssektor ist der einzige Bereich,<br />

in dem das Prinzip der �Subsidiarität ausdrücklich<br />

verankert ist.<br />

Der Vertrag zur Gründung der EWG vom 25. 3. 1957<br />

enthielt noch keine Regelungen über eine eigenständige<br />

Bildungs- und Kulturpolitik. Zwar ermächtigte<br />

Art. 128 EWGV die Gemeinschaft, allgemeine<br />

Grundsätze in Bezug auf die Berufsausbildung zur<br />

Durchführung einer gemeinsamen Politik aufzustellen,<br />

„die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl<br />

der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen<br />

Marktes beitragen kann“. Jedoch kann<br />

diese Ermächtigung, ebenso wie die in Art. 57<br />

EWGV geregelte gegenseitige Anerkennung der Di-<br />

97


Bildungspolitik<br />

plome, nicht als Grundlage für bildungspolitisches<br />

Handeln der E(W)G angesehen werden.<br />

Erst im EG-Vertrag (1992) wird die Bildungspolitik<br />

namentlich als Kompetenzbereich anerkannt und in<br />

Titel VIII, Kap. 3 „Allgemeine und berufliche Bildung<br />

und Jugend“ verankert. An die Stelle von Art.<br />

128 EWG-Vertrag sind Art. 149 EGV für die allgemeine<br />

Bildung und Jugend sowie Art. 150 EGV für<br />

die berufliche Bildung getreten. Für die gegenseitige<br />

Anerkennung von Abschlüssen ist Art. 47 EGV relevant.<br />

Im weiteren Sinne können als Rechtsgrundlagen<br />

Art. 137 EGV für die Sozialpolitik, Art. 95 EGV<br />

für die Angleichung von Rechtsvorschriften im Binnenmarkt<br />

und Art. 308 EGV als „Generalermächtigungsklausel“<br />

für sonstige Initiativen in der Bildungspolitik<br />

herangezogen werden. Der gestiegene<br />

Stellenwert der Bildungspolitik schlägt sich auch in<br />

derAufnahmeindenTätigkeitskatalogdesEGVnieder.<br />

Nach Art. 3 lit. q EGV kommt der Bildung eine<br />

erstrangige Funktion zu mit dem Ziel, einen Beitrag<br />

zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und<br />

beruflichenBildungzuleisten.InderVertragsrevision<br />

von Amsterdam wurde zusätzlich in die Präambel<br />

die Bestimmung aufgenommen, dass „durch umfassenden<br />

Zugang zur Bildung und durch ständige Weiterbildung<br />

auf einen möglichst hohen Wissensstand<br />

ihrer Völker“ hingewirkt werden soll.<br />

2 Inhalte und Ziele der allgemeinen und beruflichen<br />

Bildung nach dem EG-Vertrag. Nach Art. 149 EGV<br />

trägtdieGemeinschaft„zurEntwicklungeinerqualitativ<br />

hochstehenden Bildung“ bei, indem sie die Zusammenarbeit<br />

zwischen Mitgliedstaaten fördert und<br />

deren Tätigkeiten „unter strikter Beachtung der Verantwortung<br />

der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte<br />

und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der<br />

Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls<br />

unterstützt und ergänzt“. Artikel 149 Abs. 2<br />

EGV nennt die Ziele der Gemeinschaftstätigkeit.<br />

Zum Erreichen dieser Ziele kann die Gemeinschaft<br />

Maßnahmen erlassen. Es gilt für die Kompetenzen in<br />

beiden Bereichen das Subsidiaritätsprinzip; d. h. die<br />

Gemeinschaft handelt nur komplementär. Das setzt<br />

eine eigenverantwortliche Bildungspolitik der Mitgliedstaaten<br />

voraus. Auch die Förderprogramme der<br />

Gemeinschaft (�Bildungsprogramme) müssen die<br />

Regelungen und Entscheidungen der Mitgliedstaaten<br />

beachten. Damit sind normative Regelungen<br />

durch die Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Mitgliedstaaten<br />

sind ihrerseits gem Art. 10 EGV ver-<br />

98<br />

pflichtet, die Maßnahmen der Gemeinschaft zu unterstützen<br />

bzw. auszuführen. Artikel 149 und 150<br />

EGVsehenweiterhinvor,dassdieGemeinschaftund<br />

ihre Mitgliedstaaten die Zusammenarbeit mit Drittländern<br />

und internationalen Organisationen fördern;<br />

d. h. auch die Mitgliedstaaten können weiterhin eine<br />

auswärtige Bildungspolitik betreiben.<br />

Im Bereich der allgemeinen Bildung seit dem Maastrichter<br />

Vertrag und in der beruflichen Bildung mit<br />

dem Amsterdamer Vertrag findet das Mitentscheidungsverfahren<br />

gem. Art. 251 EGV Anwendung. In<br />

beiden Bereichen werden der �Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />

und der �Ausschuss der Regionen beratend<br />

einbezogen. Die Initiativrolle im EntscheidungsverfahrenbesitztdieKommission;sieführtdie<br />

Beschlüsse des Rates der EU aus. Das EP nimmt am<br />

Entscheidungsverfahren teil und bestimmt aufgrund<br />

seiner Haushaltskompetenz die finanzielle Ausstattung<br />

der Bildungsmaßnahmen, diskutiert inhaltlich<br />

über Themen der Bildungspolitik und initiiert Anträge<br />

an die Kommission und an den Rat. In Fragen der<br />

beruflichen Bildung wird die Kommission durch das<br />

�Zentrum für Förderung der Berufsbildung (CEDE-<br />

FOP) beraten.<br />

3. Grundsätze einer integrativen Bildungspolitik im<br />

historischen Überblick. Mit Beschluss vom 2. 4.<br />

1963 hatte der Rat der EWG als ersten Schritt die<br />

„Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die Durchführung<br />

einer gemeinsamen Politik der Berufsbildung“mitdemZieleingeleitet,jedemBürgerderGemeinschaft<br />

eine „angemessene Berufsausbildung“<br />

zu gewährleisten, geeignete Ausbildungseinrichtungen<br />

für die einzelnen Wirtschaftsbereiche zu schaffen,<br />

eine der Persönlichkeitsbildung des Einzelnen<br />

wie den Erfordernissen des technischen Fortschritts<br />

gerecht werdende umfassende Berufsausbildung zu<br />

gestalten und jedem den Erwerb von fachlichen<br />

Kenntnissen und Fertigkeiten zu ermöglichen, die<br />

zur Ausübung einer bestimmten Berufstätigkeit notwendig<br />

sind.<br />

1971 nahm der Rat „Allgemeine Richtlinien für ein<br />

Gemeinschaftsprogramm von Aktivitäten auf dem<br />

Gebiet der Berufsbildung“ an, das u. a. darauf abzielte,<br />

Informationen und Erfahrungen der nationalen<br />

Berufsbildungspolitiken zu sammeln, in der Angleichung<br />

von Ausbildungsstandards zu kooperieren,<br />

berufliche Information und Beratung zu verbessern,<br />

moderne Ausbildungsmethoden und -techniken zu<br />

entwickeln und vordringliche Ausbildungsfragen


(für unterprivilegierte Personen und in bestimmten<br />

wirtschaftlichen Sektoren und Regionen) zu lösen.<br />

ImDahrendorf-Memorandumvon1973wurdenprogrammatisch<br />

mittelfristige Ziele entwickelt, die sich<br />

den großen Problemen des Bildungswesens in entwickelten<br />

Industriegesellschaften widmen. Hierunter<br />

werden in erster Linie verstanden: Durchsetzung des<br />

Bürgerrechts auf Bildung, Verhältnis von Bildung<br />

und Beruf, neue Methoden für „lebenslange Bildung“,<br />

Massenprobleme im sekundären und tertiären<br />

Bildungswesen sowie qualitative Veränderung<br />

der Bildungsinhalte und Organisation des BildungswesensimHinblickaufDemokratisierung.DasDahrendorf-Memorandum<br />

betonte zwar, dass die Bildungspolitik<br />

einen wesentlichen Beitrag zur europäischen<br />

Integration leiste, jedoch blieben die Aktivitäten<br />

der Gemeinschaft in diesem Bereich weiterhin<br />

rechtlich nahezu unverbindlich.<br />

1976 wurde ein erstes Aktionsprogramm verabschiedet,<br />

das nahezu alle Fragen des Bildungsbereichs<br />

umfasst. Die darin enthaltenen sechs Maßnahmen<br />

mit insgesamt 22 Aktionen bildeten die Grundlage<br />

für die Bildungspolitik bis in die 1990er Jahre.<br />

Sie wurden 1996 in die drei gemeinschaftlichen Aktionsprogramme<br />

Sokrates, Leonardo da Vinci und<br />

Jugend (�Bildungsprogramme) integriert. Zugleich<br />

wurde ein intergouvernementaler Bildungsausschuss<br />

aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der<br />

Kommission eingesetzt. Obwohl dessen Verlautbarungen<br />

nicht rechtsverbindlich waren, blieben sie<br />

nicht ohne politische Wirkung. Die Staaten gaben<br />

Handlungsbefugnisse an die Gemeinschaft ab.<br />

Mit den mittelfristigen Perspektiven 1989 – 1992<br />

wechselte die Kommission ihre auf Konsens und<br />

konzertiertes Handeln ausgerichtete Politik. Sie legte<br />

den Art. 128 EWGV, der allerdings nicht den Bereich<br />

der Allgemeinbildung einschloss, dynamisch<br />

aus, d. h. sie interpretierte den Gehalt der Vertragsnormen<br />

nach dem Fortschritt der Integration zunehmend<br />

im wirtschaftlichen (und politischen) Bereich.<br />

Von der Kommission angestrebte stärker harmonisierende<br />

Tendenzen in der Bildungspolitik wurden<br />

von den Mitgliedstaaten abgelehnt. Der EuGH trug<br />

mit seinen Urteilen (Gravier 24. 7. 1985, Blaizot und<br />

Barra 2. 2. 1988, Lair und Brown 21. 6. 1966, Matucci<br />

27. 9. 1988, Erasmus und Petra 30. 5. 1989) maßgeblich<br />

dazu bei, dass der Gemeinschaft bildungspolitische<br />

Kompetenzen erschlossen wurden. So stellte<br />

er u. a. fest, dass neben dem Zugang zur Berufsbil-<br />

Bildungspolitik<br />

dung auch der Zugang zur Berufsausbildung (wozu<br />

der Gerichtshof auch das Studium und die weiterführendeallgemeineSchulbildungalsVoraussetzungen<br />

zählt) zu den Regelungsbefugnissen der Gemeinschaftgehört.DadieGrundsätzedesArt.128EWGV<br />

mit einfacher Mehrheit beschlossen wurden, konnte<br />

jeder Mitgliedstaat diesbezüglich in seinen bildungs-<br />

und kulturpolitischen Zuständigkeiten überstimmt<br />

werden.<br />

Erst der EGV hat in den Art. 149 und 150 hinsichtlich<br />

der Kompetenzabgrenzung zwischen der Gemeinschaft<br />

und den Mitgliedstaaten eine Rechtsgrundlage<br />

geschaffen, die gemeinschaftliches Handeln fixiert<br />

und gleichzeitig die Bildungspolitik der MitgliedstaatenvorEingriffenderEUschützt.EineHarmonisierung<br />

der Rechts- und Verwaltungsvorschriften<br />

der Mitgliedstaaten durch Maßnahmen der Gemeinschaft<br />

ist auf der Grundlage dieser Artikel ausgeschlossen.<br />

Außerdem ist ausdrücklich festgelegt,<br />

dass die Gemeinschaft nur „einen Beitrag“ zur Verwirklichung<br />

der angestrebten bildungspolitischen<br />

Ziele leistet.<br />

Artikel 149 und 150 EGV schränken die Kulturhoheit<br />

der Länder und hiermit das „Kernstück der Eigenstaatlichkeit<br />

der Länder“ (BVerfGE 6, S. 346)<br />

ein. Die Zuständigkeit der Bundesländer im Bildungsbereich<br />

soll durch das Subsidiaritätsprinzip<br />

(Art. 5 EGV) gesichert werden, das für die Gemeinschaft<br />

in den Bereichen gilt, die nicht in ihre ausschließliche<br />

Zuständigkeit fallen. Infolge des Maastrichter<br />

Vertragswerks ist Art. 23 GG geändert worden<br />

(Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom<br />

21. 12. 1992). Danach wirken „in Angelegenheiten<br />

der Europäischen Union der Bundestag und durch<br />

den Bundesrat die Länder“ mit. Der Bundesrat ist an<br />

der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, „soweit<br />

die Länder innerstaatlich zuständig wären“. Die<br />

Bundesrepublik Deutschland überträgt die Wahrnehmung<br />

ihrer Rechte als Mitglied der EU auf einen<br />

vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder. Der<br />

Bund überträgt damit den Ländern gleichsam als<br />

Kompensation für Einschränkungen der Kulturhoheit<br />

ein stärkeres Mitwirkungsrecht auf EU-Ebene.<br />

Dieses hochgradig formalisierte Länderbeteiligungsverfahren<br />

und daraus resultierende mögliche<br />

Koordinierungsprobleme sind eine Hypothek für die<br />

Europafähigkeit Deutschlands. In der deutschen Föderalismusreformdiskussion<br />

ist dieses Problem bislang<br />

nicht gelöst.<br />

99


Bildungspolitik<br />

4. Leitbilder europäischer Bildungspolitik. Das bildungspolitische<br />

Konzept der Gemeinschaft ist pragmatischunddynamischzugleichangelegt.Eswarbis<br />

in die 1980er Jahre am Leitbild eines �„Europa der<br />

Bürger“ orientiert. Der Europäische Rat hat 1985<br />

ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Europa für<br />

die Bürger unmittelbar erfahrbar zu machen sei. Die<br />

Bildungspolitik soll in diesem Sinne zum Aufbau eines<br />

bürgernahen und demokratischen Europas beitragen.<br />

Die vielfältigen Bildungsangebote der Aktionsprogramme<br />

bringen Europa dem Bürger näher:<br />

Gerade Begegnungen mit der europäischen Wirklichkeit<br />

in der Phase der Bildung und Ausbildung bereiten<br />

junge Bürger anschaulich auf Europa vor.<br />

Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen der<br />

Gemeinschaft, welche die globale Wettbewerbsfähigkeit<br />

der EU und ihrer Mitgliedstaaten stärken sollen,<br />

finden seit der Konferenz in Amsterdam ihren<br />

Niederschlag im neuen bildungspolitischen Leitbild<br />

„Bildung als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor“. Der<br />

Europäische Rat hat in Lissabon im März 2000 als<br />

Vorgabe formuliert, bis zum Jahr 2010 „die Union<br />

zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten<br />

Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“.<br />

Bildungspolitik wird nunmehr ausdrücklich<br />

als Teil der Beschäftigungspolitik definiert. Zur Umsetzung<br />

dieser Strategie haben Rat und Kommission<br />

im Februar 2002 ein detailliertes Arbeitsprogramm<br />

zur Reform der Bildungssysteme beschlossen mit<br />

den Zielen, die „höchste Qualität“ im Bereich der allgemeinen<br />

und beruflichen Bildung zu erreichen, die<br />

Bildungssysteme in Europa vollständig kompatibel<br />

zu machen, alle Nachweise über Qualifikationen,<br />

Wissen und Fertigkeiten rechtswirksam anzuerkennenunddasPrinzipdeslebenslangenLernenszuverwirklichen.<br />

5. Aktuelle Entwicklungen. Die in Lissabon eingeführte<br />

�„offene Koordinierungsmethode“ hat im Bereich<br />

der Bildung zur Folge, dass anhand von ZielvorgabenindenjährlichenUmsetzungsberichtendie<br />

Mitgliedstaaten die erzielten Fortschritte untereinander<br />

vergleichen und durch Aufgreifen von „best<br />

practice“ anderer Mitgliedstaaten ihre eigenen Umsetzungsstrategien<br />

zu verbessern (�Benchmarking).<br />

Die Zielvorgaben von Lissabon und entsprechend<br />

einzuführende Referenz- und Leistungsindikatoren<br />

werden sich mittelfristig auch auf die Aktionsprogramme<br />

auswirken. Indem seit 2000 die Gemeinsamkeiten<br />

in der bildungspolitischen Zusammenar-<br />

100<br />

beit anstelle der Unterschiede in der Bildungspolitik<br />

betont werden, ist es durchaus angebracht, von einer<br />

„silent revolution“ (David Coyne, Direktor in der<br />

GD Bildung und Kultur der Kommission auf der<br />

Konferenz in Karstadt, 2. – 4. 4. 2001) mit weitreichenden<br />

Auswirkungen zu sprechen.<br />

Ausgehend von einer Empfehlung der Bildungsminister<br />

Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Großbritanniens<br />

vom Mai 1998, die eine „Harmonisierung<br />

der Architektur des europäischen Hochschulraums“<br />

vereinbarten, ist der sog. �Bologna-Prozess<br />

in Gang gekommen, der inzwischen 33 EU-Staaten,<br />

EFTA-Mitgliedstaaten und Beitrittsländer sowie<br />

Kroatien umfasst. Dieser Prozess verläuft außerhalb<br />

des EU-Vertrags. Die recht unterschiedliche und<br />

teilweise schwer überschaubare Hochschullandschaft<br />

in Europa soll transparenter und kompatibler<br />

werden durch vergleichbare Abschlüsse und ein europaweites<br />

zweigliedriges System der Hochschulabschlüsse.<br />

Hierzu soll das ECTS (�European Credit<br />

Transfer System) modifiziert werden. Außerdem<br />

sollenMobilitätshindernisseabgebautunddieMobilität<br />

von Studierenden, Wissenschaftlern und Verwaltungspersonal<br />

gefördert werden. Der Bologna-<br />

Prozess soll auch Arbeitsmarktaspekten Rechnung<br />

tragenunddieBeschäftigungsmöglichkeitenvoneuropäischen<br />

Hochschulabsolventen (z. B. nach einjährigem<br />

Aufbaustudiengang mit Abschluss Master<br />

of European Studies) auf dem internationalen Arbeitsmarkt<br />

verbessern. Mittelfristig ist davon auszugehen,<br />

dass der Bologna-Prozess in die Bildungspolitik<br />

der EU integriert wird. (Dem besseren allgemeinen<br />

Verständnis dient EXPLICA, eine Sammlung<br />

von Definitionen zur Europäischen Dimension des<br />

Bildungswesens, zusammengestellt auf dem DeutschenBildungsserver.)<br />

U. M.<br />

Internet: www.bildungsserver. de/ glossare.html.<br />

Literatur:<br />

BMBW: Berufsbildungsbericht, jährlich<br />

Fürst, A.: Die bildungspolitischen Kompetenzen der<br />

europäischen Gemeinschaft. Umfang und Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Frankfurt a. M. 1999<br />

Hilpold, P.: Bildung in Europa. Unter besonderer Berücksichtigung<br />

der EU-Bildungsprogramme. Baden-Baden 1995<br />

Europäische Kommission: Grünbuch zur europäischen Dimension<br />

des Bildungswesens. Brüssel 1993 [KOM (1993) 457]<br />

Dies.: Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven<br />

Gesellschaft. Weißbuch, Brüssel 1997 [KOM (1997) 563]<br />

Dies.: Allgemeine und berufliche Bildung – Forschung.<br />

Hindernisse für die grenzüberschreitende Mobilität. Grünbuch,<br />

Brüssel 1996 [KOM (1996) 471]


Dies.: Für ein Europa des Wissens [KOM(1997) 563]<br />

Dies.: Die konkreten künftigen Ziele der Bildungssysteme<br />

[KOM(2001) 59]<br />

Dies.: Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens<br />

schaffen [KOM(2001) 678]<br />

Hrbek, R. (Hg.): Europäische Bildungspolitik und die Anforderungen<br />

des Subsidiaritätsprinzips. Baden-Baden 1994<br />

Linsenmann, I.: Die Bildungspolitik der Europäischen Union.<br />

In: W. Weidenfeld (Hg.), Europahandbuch, Bd. 1, Bielefeld<br />

2004 3 , S. 332–341<br />

Mickel, W. W. (Hg): Europäische Bildungspolitik. Neuwied/Rh.<br />

1978<br />

Schleicher, K. (Hg.): Zukunft der Bildung in Europa. Nationale<br />

Vielfalt und europäische Einheit. Darmstadt 1993<br />

Thiele, B.: Die Bildungspolitik der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Chancen und Versäumnisse der EG-Bildungspolitik zur<br />

Entwicklung des Europas der Bürger. Münster 2000<br />

Bildungsprogramme der EU<br />

1. Ziele und Zielgruppen. Die vielfältigen Bildungsprogrammeund-aktivitätenderGemeinschafthaben<br />

subsidiären Charakter; d. h. sie ergänzen die nationalen<br />

Bildungsangebote mit dem Ziel, eine �Europäische<br />

Dimension im Bildungswesen zu entwickeln,<br />

insbes. durch Fremdsprachenunterricht, Förderung<br />

der Mobilität von Lehrenden und Lernenden, Zusammenarbeit<br />

der Bildungseinrichtungen, Förderung<br />

des Jugendaustauschs, Verbesserung der beruflichen<br />

Erstausbildung und Weiterbildung sowie Anpassung<br />

der beruflichen Bildung an die industriellen<br />

Wandlungsprozesse.<br />

Diese Ziele ergeben sich aus Art. 149 und 150 EGV<br />

(�Bildungspolitik). Die Zielgruppen umfassen alle<br />

Lehrenden und Lernenden sowie das Verwaltungspersonal<br />

in den Bereichen der Bildung, Aus- und<br />

Weiterbildung.<br />

Ab Ende der 1980er Jahre wurde eine Vielfalt von<br />

Förderprogrammen und sonstigen Aktivitäten weitgehend<br />

ohne Abstimmung entwickelt; die einzelnen<br />

Initiativen überlagerten sich außerdem thematisch.<br />

Ab dem Durchführungszeitraum 1995 – 1999 sind<br />

die Maßnahmen im Bildungswesen in den drei gemeinschaftlichen<br />

Aktionsprogrammen „Sokrates“,<br />

„Leonardo da Vinci“ und „Jugend“ für Europa zusammengefasst.<br />

Diese Programme verfolgen die<br />

Ziele, den Bürgern, insbes. der Jugend, Europaerfahrungen<br />

zu vermitteln, sie dienen der Information und<br />

demErfahrungsaustauschundbeinhalteninnovative<br />

Maßnahmen vor allem in Form transnationaler Pilotprojekte.<br />

Im Rahmen der Gemeinschaftsprogramme<br />

werden übergreifende „Gemeinsame Maßnahmen“<br />

durchgeführt.<br />

Bildungsprogramme<br />

An den gemeinschaftlichen Aktionsprogrammen<br />

nehmen neben den Mitgliedstaaten der EU auch die<br />

Länder teil, mit denen Beitrittsverhandlungen aufgenommen<br />

wurden oder vorgesehen sind (Bulgarien,<br />

Rumänien und Türkei) sowie die drei EFTA-Länder<br />

Island, Liechtenstein und Norwegen, die im Rahmen<br />

des Abkommens über den �Europäischen Wirtschaftsraum<br />

(EWR) eingebunden sind.<br />

2. Programme im Überblick<br />

2.1 Sokrates. Das Gemeinschaftsprogramm wendet<br />

sich an alle Orte des Lernens von der Vorschule bis<br />

zur Universität und zur Erwachsenenbildung. Das<br />

Aktionsprogramm verfolgt die Ziele, lebenslanges<br />

Lernen und die Chancengleichheit in allen Bildungsbereichenzufördern,dieeuropäischeDimensionder<br />

Bildung auf allen Ebenen zu verstärken, den Zugang<br />

aller zur Bildung zu erleichtern und anerkannte QualifikationenundKompetenzenzuerwerben.Konkret<br />

sollen das Erlernen europäischer Sprachen unterstützt<br />

sowie die Mobilität in allen Bildungsbereichen<br />

und die Innovation im Bildungswesen gefördert werden.<br />

Hierzu werden Stipendien vergeben, damit Einzelpersonen<br />

im Ausland studieren, unterrichten, ein<br />

Praktikum absolvieren oder an Ausbildungsmaßnahmen<br />

teilnehmen können. Bildungseinrichtungen<br />

werden unterstützt, damit sie pädagogische Projekte<br />

durchführen oder Erfahrungen austauschen können.<br />

Verbände und �Nichtregierungsorganisationen erhalten<br />

Zuschüsse, um Aktivitäten zu Bildungsthemen<br />

organisieren zu können.<br />

Das Budget für die Laufzeit 2000 – 2006 beträgt<br />

1 850 Mio. Euro.<br />

2.1.1 Comenius. Diese speziell auf den Schulunterricht<br />

von der Vorschule bis hin zur Sekundarschule<br />

ausgerichtete Aktion richtet sich an alle Schulformen,<br />

an Einrichtungen der Erstausbildung und Lehrerfortbildungsstätten,<br />

an Schulleiter, Schulaufsichtsbeamte<br />

und andere Pädagogen, an Lehrer- und<br />

Elternverbände sowie an Nichtregierungsorganisationen,<br />

die im Bildungsbereich tätig sind. Comenius<br />

soll zur qualitativen Verbesserung der Schulbildung<br />

und zur Stärkung der europäischen Dimension in der<br />

Bildung beitragen. In der ersten Phase 1995 – 1999<br />

habenvonden340000SchuleninEuropa10000teilgenommen.<br />

Aktion 1: Schulpartnerschaften. Im Mittelpunkt<br />

steht die Zusammenarbeit in „Europäischen Bildungsprojekten“<br />

(EBP) mit den Themen: kulturelles<br />

Erbe, Umweltschutz, Wissenschaft, Technik u. a.<br />

101


Bildungsprogramme<br />

Die Projekte, die fest in den Lehrplan der beteiligten<br />

Schulen integriert sein müssen, können nur von ganzen<br />

Schulklassen durchgeführt werden. Dabei werden<br />

die Themen interdisziplinär erarbeitet. Im Rahmen<br />

eines Projekts stehen die Schüler in regelmäßigem<br />

Kontakt mit anderen Schülern im Ausland.<br />

Aktion 2: Interkulturelle Erziehung. Diese Aktion<br />

dient einerseits gezielt der Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten<br />

für soziale Gruppen, die aufgrund<br />

ihrer Lebensform oder ethnischen Zugehörigkeit<br />

benachteiligt sind (Wanderarbeiter, Sinti und<br />

Roma,Nichtsesshafte)undwendetsichanderseitsan<br />

Schülerimallgemeinen,umihnendieFähigkeitenzu<br />

vermitteln, sich auf das Leben in einer zunehmend<br />

multikulturellen Gesellschaft einzustellen. Zu den<br />

vorrangigen Aktionsbereichen gehören der Unterricht<br />

der Sprache und Kultur des Gastlandes sowie<br />

des Heimatlandes der Kinder von Wanderarbeitern,<br />

die Integration der Kinder von Sinti und Roma sowie<br />

von Nichtsesshaften in die Grund- und Sekundarausbildung<br />

und die Entwicklung schulischer Verbundnetze,<br />

um den Kindern von Personen, die einem<br />

Wandergewerbe nachgehen, den Zugang zu den Bildungseinrichtungen<br />

zu erleichtern.<br />

Aktion 3: Berufsbegleitende Fortbildung für Lehrer<br />

und Erzieher. Die transnationalen Projekte befassen<br />

sich schwerpunktmäßig mit der Förderung der europäischen<br />

Dimension im Unterricht.<br />

2.1.2Erasmus(EuropeanCommunityActionScheme<br />

for the Mobility of University Students). Das Programm<br />

wurde 1987 mit unbegrenzter Laufzeit eingerichtet.<br />

Es fördert den Austausch von Studenten und<br />

Dozenten sowie die Zusammenarbeit europäischer<br />

Hochschulen. Das Programm steht allen Hochschuleinrichtungen<br />

in allen akademischen Disziplinen offen.<br />

Die Kooperationsmaßnahmen sollen zur Förderung<br />

der „europäischen Dimension“ beitragen. Im<br />

Jahr 2004 nahmen 2 199 Hochschuleinrichtungen in<br />

31 Ländern an Erasmus teil. Seit der Einführung des<br />

Programm 1987 haben 1,2 Mio. Studierende einen<br />

Erasmus-Studienaufenthalt im Ausland erhalten.<br />

DasBudgetbetrug2004mehrals187,5Mio.Euro.<br />

Aktion 1: Zuschüsse an Universitäten für Aktivitäten<br />

mit einer europäischen Dimension will im Rahmen<br />

der Studentenmobilität optimale Bedingungen dafür<br />

schaffen, dass ein anerkannter Teil des Studiums in<br />

einem anderen teilnehmenden Land absolviert werden<br />

kann. Zu dieser Aktion gehört das Projekt ECTS,<br />

das Europäische System zur Anrechnung von Stu-<br />

102<br />

dienleistungen (European Community Course Credit<br />

Transfer System). Danach können die Studenten<br />

„creditpoints“ (Studienleistungen) in einem Land<br />

sammeln und dann in anderen Ländern weiter studieren.<br />

Gefördert werden auch die Entwicklung von<br />

Lehrplänen für verschiedene Studienniveaus, die<br />

Dozentenmobilität (Finanzierung von Lehraufträgen,<br />

Gastvorlesungen und ausgewählte Lehrstipendien<br />

für jüngere Akademiker) und Intensivprogramme.<br />

Aktion2:MobilitätszuschüssefürStudentensiehtdie<br />

direkte finanzielle Unterstützung von Studenten vor,<br />

die einen Teil ihres Studiums (drei Monate bis zu einem<br />

Studienjahr) im Ausland verbringen.<br />

Thematische Netze (1997: 33) schließen Hochschulen,<br />

Fakultäten oder Institute und akademische Vereinigungen<br />

zusammen, um Probleme im europäischen<br />

Kontext zu erörtern. Im Rahmen dieser Austauschvereinbarungen<br />

erhalten die Hochschulen unmittelbar<br />

von der EU Zuschüsse.<br />

2.1.3 Förderung des Fremdsprachenerwerbs (Lingua).<br />

In dieses Programm (Programme to promote<br />

foreign language learning and teaching in the EC)<br />

sind nur die Sprachen der EU-Länder einbezogen,<br />

insbes. sollen die weniger verbreiteten Sprachen gefördert<br />

werden. Ziel ist es, durch Abbau der Sprachbarrieren<br />

kulturelle Unterschiede in der Gemeinschaft<br />

verständlich zu machen und damit den Dialog<br />

zu fördern. Die Lingua-Aktion bezieht sich auf alle<br />

Stufen und Bereiche des Bildungswesens mit dem<br />

SchwerpunktinderSchulbildung,derAus-undWeiterbildung<br />

von Fremdsprachenlehrern, der Erwachsenenbildung<br />

und der Entwicklung von Curricula für<br />

den Fremdsprachenunterricht. Ein Teil dieser Aktion<br />

steht in Wechselwirkung mit Aktivitäten im Rahmen<br />

von Leonardo da Vinci (Fremdsprachenerwerb<br />

am Arbeitsplatz).<br />

2.1.4OffenerUnterrichtundFernlehre.Hierbeigeht<br />

es vor allem um neue Verfahren, um Unterricht und<br />

Lernen flexibler zu gestalten und den Fernzugang zu<br />

den Bildungssystemen zu verbessern. Damit sollen<br />

die Vorteile für den Bürger genutzt werden, die sich<br />

aus einem offenen europäischen Raum für die Zusammenarbeit<br />

im Bildungswesen eröffnen. Hierzu<br />

werden Zuschüsse vergeben an Benutzer und Anbieter<br />

von Fernlehrangeboten, an Hersteller von Bildungssoftware<br />

und Lernprogrammen und an Bildungseinrichtungen,<br />

die neue Informations- und<br />

Kommunikationstechnologien in ihren regulären


Unterricht integrieren, sofern es sich um Projekte<br />

handelt, die im Rahmen europäischer Partnerschaften<br />

durchgeführt werden.<br />

2.1.5 Erwachsenenbildung. Diesbezügliche Maßnahmen<br />

von Grundtvig im Rahmen des Sokrates-<br />

Programms beziehen sich ausschließlich auf die europäische<br />

Dimension in der Erwachsenenbildung<br />

und beinhalten die Förderung eines europäischen<br />

�Bewusstseins und des Wissens um Europa: Verbreitung<br />

von Kenntnissen über die Kulturen und Traditionen<br />

in den anderen Ländern, Verbesserung der<br />

Sprachkenntnisse sowie der Kenntnisse der Erwachsenen<br />

über politische, wirtschaftliche und administrative<br />

Aspekte der Europäischen Union. Die Maßnahmen<br />

stellen eine Fortführung der Gemeinschaftsaktionen<br />

zur Förderung der europäischen Staatsbürgerschaft<br />

dar.<br />

2.1.6 Informations- und Erfahrungsaustausch über<br />

Bildungspolitik und Bildungssysteme. Die Sammlung,<br />

Analyse und der Austausch von Informationen<br />

über die verschiedenen Bildungssysteme und Bildungspolitiken<br />

dienen dem Ausbau der Zusammenarbeit<br />

im Bildungsbereich und sollen die Qualität des<br />

Angebots verbessern. Die Aktion wendet sich an Regierungsstellen<br />

und andere für die Bildung auf den<br />

verschiedenen Ebenen zuständige Behörden, an verantwortliche<br />

Personen sowie pädagogische Berater<br />

und Einrichtungen.<br />

Aktion 1: Analyse bildungspolitischer Fragen von<br />

gemeinsamem Interesse. Die Aktion dient vor allem<br />

derVerbesserungdesInformations-undErfahrungsaustausches<br />

über zentrale bildungspolitische Fragen<br />

in Abstimmung mit entsprechenden Aktivitäten im<br />

Leonardo-Programm, in Zusammenarbeit mit dem<br />

Europäischen Zentrum zur Förderung der Berufsbildung<br />

(�CEDEFOP) und dem Statistischen Amt der<br />

EU (�Eurostat) sowie in Koordination mit den Gemeinschaftsprogrammen<br />

zur sozioökonomischen<br />

ForschungundzurFörderungderChancengleichheit<br />

von Männern und Frauen.<br />

Aktion 2: Europäisches Bildungsinformationsnetz<br />

(� Eurydice). Das Netz besteht aus Informationsstellen,<br />

die von den einzelnen teilnehmenden Ländern<br />

eingerichtet werden, und umfasst folgende Dienstleistungen<br />

und Produkte: ein Anfrage-Antwort-<br />

System, das einzelstaatlichen Behörden Informationen<br />

zu bildungspolitischen Fragen liefert, Datenbanken<br />

zu verschiedenen Aspekten der Bildungssysteme<br />

und Erstellung von Analysen und Berichten.<br />

Bildungsprogramme<br />

Aktion 3: Studienbesuche für Entscheidungsträger<br />

imBildungswesen(ARION).ImRahmendieserAktion<br />

werden Zuschüsse für multilaterale Studienbesuche<br />

gewährt, insbes. zu Themen, die sich auf den Unterricht<br />

in der Primar- und Sekundarstufe (aller<br />

Schulformen) beziehen.<br />

Aktion 4: Netz der nationalen Informationszentren<br />

für die akademische Anerkennung (National Academic<br />

Recognition Information Centres) NARIC besteht<br />

aus nationalen Informationszentren in jedem<br />

Mitgliedstaat der EU und jedem EFTA/EWR-Land.<br />

Institutionen und Bürger können sich über Hochschulsysteme<br />

und Hochschulabschlüsse informieren,<br />

um die Anerkennung dieser Abschlüsse in anderen<br />

teilnehmenden Ländern zu erleichtern.<br />

2.2 Leonardo da Vinci fasst zusammen und ersetzt<br />

die seit 1986 bestehenden Programme Comett (Community<br />

Action Programme for Education and Training<br />

for Technology), ein Programm über Zusammenarbeit<br />

zwischen Hochschule und Wirtschaft im<br />

Bereich der Aus- und Weiterbildung, Petra (Partnership<br />

in Education and Training), ein Aktionsprogramm<br />

zur Berufsausbildung Jugendlicher und zu<br />

ihrer Vorbereitung auf das Berufsleben, Teile von<br />

Lingua (s. 2.1.3), EUROTECNEC (European Technical<br />

Network) zur Förderung von Innovationen im<br />

beruflichen Bildungswesen in der Folge des technologischen<br />

Wandels und FORCE (Formation continuée<br />

en Europe), ein Aktionsprogramm zur Förderung<br />

der Weiterbildung.<br />

Das Gemeinschaftsprogramm verfolgt seit seiner<br />

ersten Phase 1995 – 1999 das Ziel, einen „offenen<br />

Raum der Berufsbildung und Berufsqualifikation“<br />

im Rahmen der EU zu verwirklichen: Verbesserung<br />

der Qualität der beruflichen Bildung durch grenzüberschreitende<br />

Austauschmaßnahmen, Pilotprojekte<br />

und Studien in den Bereichen der beruflichen<br />

Ausbildung und Weiterbildung und der Zusammenarbeit<br />

von Hochschule und Wirtschaft. Das Programm<br />

fördert transnationale Projekte in der Berufsbildung<br />

auf der Grundlage einer Zusammenarbeit<br />

zwischen Berufsbildungsakteuren (Bildungseinrichtungen,<br />

Berufsschulen, Hochschulen, Unternehmen,<br />

Kammern u.a.) sowie die Mobilität von Personen<br />

in Erstausbildung, von Ausbildern oder Betreuern<br />

sowie die Innovation und Qualitätsverbesserung<br />

in der Berufsbildung. Die zweite Phase 2000 – 2006<br />

unterscheidetsichvondererstendarin,dassdieMaßnahmen<br />

dezentral und bürgernah durchgeführt wer-<br />

103


Bildungsprogramme<br />

denundInformationüberundVerbreitungvonInformation<br />

Vorrang haben. Hauptziele sind, die berufliche<br />

Eingliederung sowie die Qualität von und des<br />

Zugangs zur Berufsbildung zu verbessern und den<br />

Beitrag von Bildung zum Innovationsprozess zu<br />

stärken. Hierzu wurden die Mittel von 670 Mio. Euro<br />

(1995 – 1999) auf 1,15 Mrd. Euro aufgestockt. Es<br />

wird angestrebt im Zeitraum 2000 bis 2006 etwa<br />

250 000 Personen eine Mobilitätserfahrung zu ermöglichen.<br />

Die Gemeinschaftsmaßnahmen umfassen:<br />

(1) Mobilität: Förderung transnationaler Mobilitätsprojekte<br />

für Personen in der Berufsbildung, vor allem<br />

junge Menschen sowie Bildungsverantwortliche<br />

Unterstützung;<br />

(2) Pilotprojekte: Förderung von transnationalen Pilotprojekten<br />

im Hinblick auf Entwicklung und Verbreitung<br />

von Innovation und Qualität in der Berufsbildung;<br />

(3) Sprachenkompetenz: Förderung von Projekten<br />

zur Verbesserung sprachlicher und kultureller Kompetenzen<br />

in der Berufsbildung durch Entwicklung<br />

von Lehr- und Lernmaterial und Austauschprojekte<br />

für Ausbilder und Betreuer von Teilnehmern an Mobilitätsprojekten;<br />

(4) Transnationale Netze: Erstellung, Systematisierung<br />

und Weiterentwicklung von europäischem<br />

Fachwissen und innovativen Ansätzen sowie Verbesserung<br />

des Qualifikations- und Kompetenzbedarfs;<br />

(5) Vergleichsmaterial: Datenvergleich, Untersuchungen<br />

und Analysen, Beobachtung und Verbreitung<br />

bewährter Praxis zusammen mit dem CEDE-<br />

FOP.<br />

2.3 JUGEND (Jugend für Europa) wurde 1988 eingerichtet.<br />

In der vierten Phase 2000 – 2006 ist es mit<br />

einem Budget von 520 Mio. Euro ausgestattet. Das<br />

Aktionsprogramm stützt sich auf Art. 149 EGV und<br />

istvorrangigesInstrumentzurFörderungderZusammenarbeit<br />

im Jugendbereich. Das Programm will<br />

dazu anregen, die Mobilität junger Menschen zu fördern,<br />

Eigeninitiativen und Kreativität zu entwickeln<br />

und auszuprobieren, andere Kulturen kennen zu lernen,<br />

Toleranz und Solidarität zu entfalten, das zusammenwachsende<br />

Europa zu erfahren und Schlüsselqualifikationen<br />

für die persönliche und berufliche<br />

Weiterbildung zu erwerben. Es richtet sich an junge<br />

Europäer zwischen 15 und 25 Jahren. Angesprochen<br />

werden sollen vor allem Gruppen, die an anderen<br />

104<br />

Austauschprogrammen nicht teilnehmen können;<br />

deshalb fallen Projekte im Rahmen der allgemeinen<br />

schulischen und der beruflichen Bildung nicht unter<br />

dieses Programm.<br />

Jugend gliedert sich in fünf Aktionen:<br />

– Jugendbegegnungen (Förderpriorität: Kennenlernen<br />

des Vertrags über die EU-Verfassung);<br />

– Europäischer Freiwilligendienst (individuelle und<br />

multilateraleFreiwilligendienstevon3Wochenbis1<br />

Jahr);<br />

Anschriften für Bildungsprogramme:<br />

Leitfaden für Antragsteller und Antragsformulare zu<br />

SOKRATES:<br />

Büro zur technischen Unterstützung Sokrates und Jugend,<br />

Rue Montoyer 70 / Montoyerstraat 70, B–1000 Bruxelles<br />

ERASMUS:<br />

Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD),<br />

Kennedyallee 50, 53175 Bonn<br />

E-Mail: Erasmus@daad.de<br />

COMENIUS, ARION und LINGUA (schulischer Bereich):<br />

Pädagogischer Austauschdienst der Kultusministerkonferenz<br />

(PAD), Lennéstraße 6, 53113 Bonn<br />

E-Mail: pad.comenius@kmk.org<br />

Internet: htttp://www.kmk.orgf/pad/sokrates2/<br />

COMENIUS (sprachbezogene Aktivitäten außer an Schulen und Lehrerbildungseinrichtungen);<br />

GRUNDVIG 3 (Mobilität):<br />

Internationale Weiterbildung und Entwicklung (InWent) GmbH,<br />

Weyerstraße 79 – 83, 50676 Köln<br />

E-Mail: sokrates@inwent.org<br />

Internet: http://www.europa.inwent.org<br />

GRUNDVIG 1 (Projekte), 2 (Lernpartnerschaften) und 4 (Netzwerke);<br />

LINGUA (außer an Schulen), MINERVA; alle sonstigen Aktionen,Bildung<br />

für Europa:<br />

Nationale Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung,<br />

Robert-Schuman-Platz 3, 53175 Bonn<br />

E-Mail: Sokrates@bibb.de<br />

Internet: http://www.na-bibb.de/sokrates/<br />

LEONARDO DA VINCI:<br />

Nationale Koordinierungsstelle:<br />

Nationale Agentur Bildung für Europa, Beim Bundesinstitut für<br />

Berufsbildung (BIBB), Hermann-Ehlers-Straße 10, 53113 Bonn<br />

E-Mail: leonardo@bibb.de<br />

Carl-Duisberg-Gesellschaft e.V. (CDG), Durchführungsstelle<br />

Leonardo da Vinci, Im Auftrag des BMBF, Weyerstr. 79-83,<br />

50676 Köln<br />

E-Mail: leonardo@cdg.de<br />

Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD), Durchführungsstelle<br />

Leonardo da Vinci, Im Auftrag des BMBF, Kennedyallee<br />

50, 53175 Bonn<br />

E-Mail: leonardo@daad.de<br />

Praktika:<br />

bei der Europäischen Kommission:<br />

Europäische Kommission, Generalsekretariat-Praktikantenbüro,<br />

Rue de la Loi 200, B–1049 Bruxelles<br />

beim Europäischen Parlament:<br />

Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaft (Robert-Schuman-Stipendien),<br />

Generaldirektion Personal, Haushalt<br />

und Finanzen (Dolmetscher und Übersetzer), Büro 6/84 a –<br />

Schuman-Gebäude, L–2929 Luxemburg<br />

Deutsche Agentur für das EU-Aktionsprogramm JUGEND:<br />

Internetangebot: www.jugendfuereuropa.de<br />

JUGEND<br />

Deutsche Agentur JUGEND, Heussallee 30, 53113 Bonn<br />

E-Mail: jfe@jfemail.de


– Initiativen Jugendlicher (Jugendinitiativen und<br />

Future-Capital-Projekte);<br />

– Gemeinsame Aktionen (Unterstützung von Projekten<br />

in der Schnittmenge zwischen den drei Aktionsprogrammen);<br />

– Unterstützende Maßnahmen (Projekte für Fachkräfte<br />

und andere Akteure der Jugendarbeit).<br />

3. Zusammenarbeit mit Drittländern. Nach Art. 149<br />

Abs. 3 EGV fördern die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten<br />

die Zusammenarbeit mit Drittländern<br />

im Bereich der Bildung. Das Mobilitätsprogramm<br />

für den Hochschulbereich Tempus (Trans-European<br />

Mobility Scheme for University Studies) besteht seit<br />

1990. Es diente in der zweiten Phase auch zur Unterstützung<br />

wirtschaftlicher und sozialer Reformen in<br />

den mittel- und osteuropäischen Ländern, mit denen<br />

die Gemeinschaft Beitrittsverhandlungen geführt<br />

hat und wurde hierzu aus dem �PHARE-Haushalt<br />

der Gemeinschaft finanziert. Gleichzeitig wurden in<br />

diesen Zeitraum auch die drei GemeinschaftsprogrammeSokrates,LeonardodaVinciundJugendgeöffnet,<br />

um diesen Ländern den �Beitritt zu erleichtern.<br />

DasProgrammTempusIII,Laufzeit2000–2006,das<br />

ursprünglich nur für die Länder Mittel- und OsteuropasunddieNeuenUnabhängigen(GUS-)Staatender<br />

ehemaligen Sowjetunion bestimmt war, steht jetzt<br />

zahlreichen anderen Ländern in Osteuropa, Asien<br />

und im Mittelmeerraum offen. Tempus III soll die<br />

Entwicklung des Hochschulwesens in den förderungsberechtigten<br />

Ländern unterstützen, indem das<br />

Verständnis zwischen den Kulturen und ihre Annäherung<br />

gefördert wird: Entwicklung und Überarbeitung<br />

von Lehrplänen, Reform der Hochschulstrukturen,<br />

Entwicklung berufsbezogener Ausbildungsgänge,<br />

Beitrag der Hochschulbildung und Ausbildung<br />

zur Entwicklung des Staatsbürgertums und zur Stärkung<br />

der Demokratie.<br />

Kooperationsabkommen mit den USA und Kanada<br />

im Bereich der Hochschul- und Berufsbildung dienen<br />

u. a. der Förderung des gegenseitigen Verständnisses,<br />

innovativer und primär auf Studierende ausgerichteter<br />

Maßnahmen, der qualitativen Verbesserung<br />

der transatlantischen Mobilität und der Förderung<br />

von Partnerschaften zwischen Hochschulen<br />

und Berufbildungseinrichtungen.<br />

4. Perspektiven. Die Gemeinschaftsprogramme Sokrates,LeonardodaVinciundTempusIIIfürMobilität<br />

und Zusammenarbeit in der allgemeinen und be-<br />

Bildungsprogramme<br />

ruflichen Bildung sowie die Jugendprogramme laufen<br />

Ende 2006 aus. Die Gemeinschaftsprogramme<br />

sollen auf Vorschlag der Kommission vom 9. 3. 2004<br />

(KOM 2004/156 endg.) für den Zeitraum 2007 –<br />

2013 in einer neuen Programmgeneration fortgeführt<br />

werden. Das neue Integrierte Programm für<br />

Mobilität und Zusammenarbeit im Bereich des lebenslangen<br />

Lernens in der allgemeinen und beruflichen<br />

Aus- und Weiterbildung und das neue Tempus<br />

Plus-Programm gründet auf den Beschlüssen von<br />

Lissabon (�Bildungspolitik), die darauf abzielen,<br />

Europa bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten<br />

wissensbasierten Wirtschaftsraum zu machen,<br />

der sog. �Bologna-Prozess (Hochschulbildung) und<br />

dem �Kopenhagen-Prozess (Berufsbildung), die die<br />

Kohärenz und die Qualität der entsprechenden europäischen<br />

Politiken stärken sollen. Das neue Integrierte<br />

Programm ist in die Teilprogramme Comenius<br />

für die Schulbildung (siehe 2.1.1), Erasmus für<br />

alle Formen der Bildung in der Hochschule (siehe<br />

2.1.2),LeonardodaVincifürdieberuflicheAus-und<br />

Weiterbildung (siehe 2.2) und Grundtvig für die Erwachsenenbildung<br />

(siehe 2.1.5) unterteilt. Zur Stärkung<br />

der Synergien und Kohärenz zwischen den Aktionen<br />

und Programmen wird ein QuerschnittsprogrammmitsektorübergreifendenThemeneingerichtet,<br />

das die Entwicklung politischer Strategien, Sprachenlernen,<br />

neue Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

sowie die Verbreitung und Verwertung<br />

von Ergebnissen beinhaltet. Mit dem horizontalen<br />

Jean-Monnet-Programm sollen verschiedene<br />

Einrichtungen und Aktivitäten unterstützt werden,<br />

die die europäische Integration fördern.<br />

Im Zeitraum 2007 – 2013 sollen mindestens 10 % der<br />

Schülerinnen und Schüler der Union und ihrer Lehrkräfte<br />

am Programm Comenius teilnehmen; bis 2010<br />

soll die Zahl der an Erasmus teilnehmenden StudierendendreiMillionenerreichen;bis2013sollenjährlich<br />

150 000 Personen Zugang zu Leonardo haben<br />

und mindestens 50 000 Erwachsene einen Aus- und<br />

Fortbildungsaufenthalt im Ausland erhalten. Mit<br />

diesen Zielvorgaben steigen die Umfänge der bisherigen<br />

Programme um etwa das Dreifache.<br />

Das neue Tempus Plus-Programm baut auf dem Programm<br />

Tempus III (siehe 3.) auf. Die bislang erfolgreichen<br />

Maßnahmen im Bereich der Hochschulausbildung<br />

werden auf das Spektrum des lebenslangen<br />

Lernens (Schulen, berufliche Aus- und Weiterbildung<br />

und Erwachsenenbildung) erweitert mit dem<br />

105


Bindung an völkerrechtliche Grundsätze<br />

Ziel, bis 2013 die Mobilität von mindestens 100 000<br />

Personen zu fördern.<br />

5. Bewertung. Nach Berichten über die Zwischenevaluierung<br />

der laufenden Phasen von Sokrates und<br />

Leonardo da Vinci (KOM 2004/153 und KOM<br />

2004/152) werden der Umfang und die Schwerpunkte<br />

der Programmaktionen allgemein als sinnvoll und<br />

angemessen bewertet, jedoch die administrativen<br />

und finanziellen Verfahren weiterhin als unverhältnismäßig<br />

schwerfällig und langsam beurteilt. Die<br />

Auswahlkriterien sollten überarbeitet, es sollte stärker<br />

auf Synergien und Kohärenz geachtet werden.<br />

Bemängelt wird weiterhin, dass die guten Ergebnisse,<br />

die im Rahmen der Programme erzielt wurden,<br />

nichtweitgenugverbreitetwürdenundaußerdemdie<br />

Rechtsgrundlagen der derzeitigen Programme zu detailliert<br />

wären, was zu Problemen bei der Umsetzung<br />

führenwürde.DeshalbschlägtdieKommissioninihrer<br />

Mitteilung vom 9. 3. 2004 vor, dass bei den neuen<br />

Programmen ein größerer Teil der Aktionen dezentral<br />

und damit benutzerfreundlicher durch Nationale<br />

Agenturenungesetztwird – über80%desBudgets.<br />

Trotz dieser Kritikpunkte sind vor allem die Maßnahmen<br />

zur Steigerung der Mobilität sehr erfolgreich.<br />

So bewerten z. B. Studenten die Erfahrungen,<br />

die sie im Rahmen des ERASMUS-Programms während<br />

ihres Auslandsaufenthaltes gesammelt haben,<br />

durchweg positiv wegen der Vertiefung der Fremdsprachenkenntnisse<br />

und des besseren Verständnisses<br />

anderer Kulturen, aber auch bezüglich der Entwicklung<br />

der eigenen Persönlichkeit. Ähnliches gilt<br />

auchfürdieanderenBildungsprogramme,vondenen<br />

auch Impulse auf die Berufszugangsregelungen im<br />

außerakademischen Bereich ausgehen.<br />

DieAktionJeanMonnet,diedurchgeführtwurde,um<br />

die Hochschulen in den Mitgliedstaaten zu veranlassen,<br />

das Thema „Europa“ in ihr Lehrangebot aufzunehmen,<br />

hat allein im Zeitraum 1990/91 – 1992/93<br />

dazu geführt, dass 136 „Europa-Lehrstühle“ (vor allem<br />

in den Fächern Jura, Wirtschaftswissenschaften,<br />

Geschichte, Politik und Sozialkunde) gefördert werden<br />

konnten, die sich ausschließlich der Thematik<br />

der europäischen Integration widmen. Sie soll im<br />

Rahmen des neuen horizontalen Jean-Monnet-Programms<br />

weitergeführt werden.<br />

Im Rahmen des Programmteils Petra haben sog. Jugendinitiativprojekte,<br />

die von Jugendlichen selbst<br />

geplant und durchgeführt werden, dazu beigetragen,<br />

Kreativität und Eigeninitiative zu fördern. Dieses<br />

106<br />

gilt insbes. für Projekte, die benachteiligten Jugendlichen<br />

helfen, die Chancengleichheit für Mädchen<br />

und junge Frauen verbessern, bei der Schaffung neuerArbeitsplätzebehilflichsindoderneueKenntnisse<br />

und Fähigkeiten vermitteln.<br />

Einen Vorbildcharakter für den Ausbau von Netzen<br />

auf europäischer Ebene haben die vielfältigen Initiativen<br />

des Deutsch-Französischen �Jugendwerks. Inwiefern<br />

die Teilnahme an den europäischen Bildungs-<br />

und Ausbildungsprogrammen Wirkungen<br />

auf das Berufsleben hat, ist noch wenig untersucht.<br />

Jedoch schätzen Arbeitgeber die Erweiterung des<br />

geistigen Horizontes durch den Austausch.<br />

Insgesamt gesehen, tragen die Mobilitätsprogramme,<br />

die Förderung der Fremdsprachenkenntnisse<br />

und der Jugendaustausch dazu bei, dass schrittweise<br />

mehr Freizügigkeit erreicht wird, dass der Gedanke<br />

der �europäischen Identität und gegenseitiges Verständnis<br />

sowie die Bereitschaft zu solidarischem<br />

Handeln gefördert werden. Die Bildungsprogramme<br />

sind insofern ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu<br />

einem�EuropaderBürger. U. M.<br />

Literatur:<br />

Chance Europa – Europäische Bildungsprogramme und<br />

Bildungszusammenarbeit; 4. Überarbeitete Auflage, Medienabteilung<br />

Universität Tübingen – CD-Rom: Erhältlich beim<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung, Referat<br />

Öffentlichkeitsarbeit, 53170 Bonn<br />

Hilpold, P.: Bildung in Europa. Unter besonderer Berücksichtigung<br />

der EU-Bildungsprogramme, Baden-Baden 1995<br />

Kommission (Hg.): Die neue Generation von Programmen im<br />

Bereich allgemeine und berufliche nach 2006, Brüssel 2004<br />

[KOM (2004) 156 endg.]<br />

Dies.: „Le Magazine. Allgemeine und berufliche Bildung und<br />

Jugend in Europa“ (Zeitschrift, hg. v. d. Task Force Human<br />

Ressources, Rue Joseph II 37, B–1049 Bruxelles; Amt für<br />

amtl. Veröffentlichungen, Rue Mercier 2, L–2985 Luxemburg<br />

Bindung an völkerrechtliche Grundsätze. Soweit<br />

die Gemeinschaften völkerrechtsfähig (im Verhältnis<br />

zu ihren Mitgliedstaaten vgl. Art. 281 EGV)<br />

sind und sie die Außenbeziehungen (z. B. Art. 133<br />

Abs. 3, Art. 170 Abs. 2, Art. 300 – 304, 310 EGV;<br />

�Vertragsschlusskompetenz) wahrnehmen, gilt das<br />

allgemeine Völkerrecht für sie in vollem Umfang.<br />

Sie sind insoweit an ungeschriebene Regeln genauso<br />

wie geschriebene Regelungen, etwa die �Wiener<br />

Vertragsrechtskonvention (1969), die Wiener Diplomatenrechtskonvention<br />

(1961) oder die Wiener<br />

Konsularrechtskonvention (1963) gebunden. Ob die<br />

Europäische Union �Völkerrechtssubjektivität besitzt,<br />

ist nach wie vor umstritten. Das schließt eine


mittelbare Bindung aber nicht aus. Wenn die Union<br />

nicht selbst Adressat völkerrechtlicher Pflichten<br />

mangels Rechtspersönlichkeit sein kann, so sind<br />

aber alle Mitgliedstaaten an völkerrechtliche Grundsätze<br />

gebunden, wenn sie im Rahmen der Union handeln.<br />

Nach dem �Verfassungsvertrag 2004 soll die<br />

Europäische Union gem. Art. I-7 Rechtspersönlichkeit<br />

erhalten mit der Folge, dass auch sie im Rahmen<br />

ihrer Zuständigkeit an allgemeine völkerrechtliche<br />

Grundsätzegebundenist. St. U. P.<br />

Bindungswirkung von EGMR-Entscheidungen.<br />

Die Frage, ob und in welchem Umfang Entscheidungen<br />

des (vom Europarat geschaffenen) �Europäischen<br />

Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR)<br />

Bindungswirkung – insbes. gegenüber den GerichtenderMitgliedstaatenderEuropäischenMenschenrechtskonvention<br />

(EMRK) – entfalten, ist jedenfalls<br />

in den Ländern, in denen die EMRK einschl. ihrer<br />

Zusatzprotokolle – wie in Deutschland – keinen Verfassungsrang<br />

hat, von hoher Bedeutung. Einigkeit<br />

besteht darüber, dass die EMRK, die in Deutschland<br />

den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat, von<br />

allen Fachgerichten zu beachten und anzuwenden<br />

ist. Das Recht der Mitgliedstaaten muss ferner – soweit<br />

möglich – im Einklang mit der EMRK völkerrechtsfreundlich<br />

ausgelegt werden. Da zuvörderst<br />

der EGMR zur Interpretation der EMRK und ihrer<br />

Zusatzprotokolleberufenist,habendessenEntscheidungen<br />

naturgemäß in allen Mitgliedstaaten der<br />

EMRK eine hohe Bedeutung.<br />

Eine andere Frage ist, inwiefern Entscheidungen des<br />

EGMRüberdieGewährleistungenderEMRKfürdie<br />

Gerichte der Mitgliedstaaten bindend sind. Diese<br />

Frage stellt sich vornehmlich dann, wenn gleichoder<br />

höherrangiges Recht mit der Rechtsprechung<br />

des EGMR in Konflikt gerät. Während etwa für (Senats-)Entscheidungen<br />

des Bundesverfassungsgerichts<br />

ausdrücklich bestimmt ist, dass sie für alle Gerichtebindendsind(§31Abs.1BVerfGG),fehlteine<br />

solche Vorschrift in der EMRK. Das Konventionsrecht<br />

misst den Feststellungsurteilen des EGMR<br />

zwar unterschiedliche Rechtswirkungen zu: Nach<br />

Art.42undArt.44EMRKwerdendieUrteiledesGerichtshofs<br />

endgültig und erwachsen damit in formelle<br />

Rechtskraft. Die Vertragsparteien haben sich ferner<br />

gem Art. 46 EMRK verpflichtet, in allen Rechtssachen,<br />

in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil<br />

des Gerichtshofs zu befolgen. Eine normative Bin-<br />

Binnenmarkt<br />

dungswirkung im Sinne einer Letztverbindlichkeit<br />

lässt sich dem Konventionsrecht aber nicht entnehmen.<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner viel<br />

beachteten Görgülü-Entscheidung vom 14. 10. 2004<br />

(EuGRZ 2004, 741) grundlegend mit dieser Problematik<br />

befasst. Nach seinem Dafürhalten erstreckt<br />

sich die Bindungswirkung einer Entscheidung des<br />

EGMR auf alle gesetzlichen Organe und verpflichtet<br />

diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit<br />

und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und<br />

Recht einen fortdauernden Konventionsverstoß zu<br />

beenden und einen konventionsgemäßen Zustand<br />

herzustellen. Die Art und Weise der Bindungswirkung<br />

von Entscheidungen des EGMR hängt aber<br />

auch von dem Zuständigkeitsbereich der staatlichen<br />

OrganeabundvondemSpielraum,denvorrangiganwendbares<br />

Recht ihnen lässt. Handelt es sich etwa<br />

um ein ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen<br />

Rechts, das verschiedene Grundrechtspositionen<br />

miteinander zum Ausgleich bringt, so müssen<br />

dieGerichteeineEntscheidungdesEGMRindenbetroffenen<br />

Teilrechtsbereich möglichst schonend einpassen.<br />

In solchen und ähnlichen Fällen müssen (und<br />

dürfen) EGMR-Entscheidungen folglich nicht<br />

„schematisch vollstreckt“, sondern lediglich im<br />

Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegungberücksichtigtwerden.<br />

Ch. S.<br />

Literatur:<br />

Klein, E.: Binding Effect of ECHR judgements. In: Festschrift<br />

für Ryssdal (2000), S. 705<br />

Polakiewicz, J.: Die Verpflichtungen der Staaten aus den<br />

Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.<br />

Berkin/Heidelberg 1993, S. 63 ff. et passim<br />

Meyer-Ladewig, J./Petzold, H.: Die Bindung deutscher<br />

Gerichte an Urteile des EGMR, NJW 2005, 15<br />

Cremer, H.-J.: Zur Bindungswirkung von EGMR-Urteilen,<br />

EuGRZ 2004, 683<br />

Binnenmarkt<br />

1. Begriffserklärung: Der Begriff „Binnenmarkt“<br />

beschreibt einen gemeinsamen Wirtschaftsraum<br />

ohne Binnengrenzen, in dem der freie und unbeschränkte<br />

Verkehr von Waren, Personen, Kapital<br />

und Dienstleistungen (sog. �„vier Freiheiten“) gewährleistet<br />

wird (Art. 14 EGV). Zwischen den Mitgliedstaaten,<br />

die am Binnenmarkt teilnehmen, bestehen<br />

keine Zölle mehr, �nichttarifäre Handelshemmnisse<br />

sind abgebaut; der Außenhandel mit Drittländern<br />

unterliegt einem gemeinsamen Außenhandelstarif<br />

(�Zollunion). Oft wird synonym der Begriff<br />

107


Binnenmarkt<br />

�„Gemeinsamer Markt“ verwendet. Der Binnenmarkt<br />

bildet die Voraussetzung und Grundlage für<br />

die �Wirtschafts- und Währungsunion der EU<br />

einschl. der europäischen Währung (�Euro).<br />

2. Das Binnenmarkt-Programm: Schon im EWG-<br />

Vertrag von 1957 war die Errichtung eines Gemeinsamen<br />

Marktes vorgesehen (Art. 2 EWGV). Die darin<br />

angestrebte Zollunion war eineinhalb Jahre früher<br />

als geplant realisiert (Juli 1968). Die Verwirklichung<br />

der vier Freiheiten machte jedoch nur schleppendeFortschritte:HäufigbehindertennationaleRegelungen<br />

auf dem Gebiet des Verbraucher-, Gesundheits-<br />

und Umweltschutzes den freien Warenverkehr.<br />

Unterschiedliche Berufsbefähigungsnachweise<br />

schränkten die Freiheit des Personenverkehrs ein,<br />

abweichende Aufsichts- und sonstige Regelungen<br />

behinderten das grenzüberschreitende Erbringen<br />

von Dienstleistungen, Beschränkungen im Kapitalverkehr<br />

verzerrten Investitions- und Anlageentscheidungen.<br />

Die Ursachen für die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit<br />

der europäischen Wirtschaft gegenüber der<br />

nordamerikanischen und japanischen Konkurrenz,<br />

aber auch gegenüber anderen, neuen Wirtschaftszentren<br />

Anfang der 1980er Jahre sahen viele Experten<br />

in der nach wie vor existenten Zersplitterung des<br />

EG-Marktesunddemsichverstärkenden�Protektionismus<br />

auch innerhalb der Gemeinschaft. Unter anderem<br />

auch, um mit einem neuen Integrationsimpuls<br />

die Stagnation der europäischen �Integration zu<br />

überwinden, erarbeitete die Kommission ein „Weißbuch<br />

zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes“.<br />

1985 lag der Fahrplan vor: 282 Gesetzesinitiativen<br />

sollten bis zum Stichtag (31. 12. 1992) formuliert,<br />

verabschiedet und in nationales Recht umgesetzt<br />

werden. Hauptsächlich ging es um die Beseitigung<br />

von<br />

– materiellen Schranken (Aufhebung der Warenkontrollen<br />

und Abschaffung der Personenkontrollen<br />

an Binnengrenzen);<br />

– technischen Schranken (Angleichung von handelshemmenden<br />

nationalen Vorschriften; Aufhebung<br />

von Beschränkungen im Kapitalverkehr, auf<br />

dem Dienstleistungsmarkt und für das öffentliche<br />

Beschaffungswesen; Anerkennung von Berufsbefähigungsnachweisen<br />

usw. – zusammen etwa 70 % aller<br />

Maßnahmen);<br />

– steuerliche Schranken (�Harmonisierung der indirekten<br />

Steuern; Angleichung der MwSt.-Sätze);<br />

108<br />

– währungsbedingte Schranken (z. B. Wechselkursschwankungen).<br />

Bevor das Binnenmarkt-Programm umgesetzt werden<br />

konnte, mussten noch Änderungen im EWG-<br />

Vertrag vorgenommen werden. Das erste weit reichende<br />

Reformprojekt seit Unterzeichnung des<br />

EWG-Vertrages wurde initiiert. Mit der �Einheitlichen<br />

Europäischen Akte von 1986 (in Kraft: 1. 7.<br />

1987) wurde der EWG-Vertrag ergänzt und stellte<br />

folgende Instrumente für den Binnenmarkt zur Verfügung:<br />

– Terminierung des Zieldatums für die Vollendung<br />

des Binnenmarktes auf den 31. 12. 1992 (Art. 8a<br />

EWGV),<br />

– Einführung von Entscheidungen mit �qualifizierter<br />

Mehrheit (Art. 100a EWGV),<br />

– Ablösung des Prinzips der Rechtsangleichung<br />

durch den Grundsatz der �gegenseitigen Anerkennung<br />

von Rechtsvorschriften (Art. 100b EWGV).<br />

Ergänzt wurde dieses Instrumentarium durch einen<br />

Beschluss des Rates aus dem Jahre 1985, der festlegt,<br />

dass in Zukunft an Stelle detaillierter technischer<br />

Einzelregelungen die Verabschiedung von Rahmenrichtlinien<br />

für �Normen treten soll. Fortan galt „Europa<br />

‘92“ als neues Zauberwort. Der Integrationsprozess<br />

erhielt durch ihn eine neue Dynamik. Zu regeln<br />

war viel: Das Spektrum reichte von der Angleichung<br />

unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze bis<br />

zum Abbau zahlreicher Handelshemmnisse, von<br />

Medikamenten über Lebensmittel bis zu Automobilen<br />

oder Fahrstühlen.<br />

Die Erwartungen an die positiven Effekte des Binnenmarktes<br />

wurden durch eine im Auftrag der Kommission<br />

erstellte Studie gesteigert: Der �Cecchini-<br />

Bericht (benannt nach Paolo Cecchini, der das Forschungsprogramm<br />

über die „Kosten der Nichtverwirklichung<br />

Europas“ leitete) prognostizierte optimistisch,<br />

das Wirtschaftswachstum in der EG könnte<br />

um 4,5 % steigen und einige Millionen neue Arbeitsplätze<br />

würden geschaffen. Die Wirtschaft und die<br />

Unternehmer stellten sich vermehrt auf diese europäische<br />

Perspektive ein. Mit sog. flankierenden<br />

Maßnahmen, wie z. B. die Programme zur Förderung<br />

von Mobilität und Ausbildung (�Bildungsprogramme:<br />

Jugend für Europa, Lingua, Erasmus, Petra<br />

etc.), unterstützte die EG den Binnenmarktprozess<br />

zusätzlich.<br />

Das Binnenmarktprogramm wurde aber auch kritisch<br />

kommentiert. Es wurde negativ vermerkt, dass


die „soziale Dimension“ zu wenig berücksichtigt sei<br />

und auch der Umweltaspekt einer zu großen Wachstumsgläubigkeit<br />

geopfert würde.<br />

3. Umsetzung: Das Binnenmarkt-Programm wurde<br />

kontinuierlich über die Jahre umgesetzt. So blieb das<br />

eigentlicheDatum,derJahreswechsel1992/93,dann<br />

weniger spektakulär. Anfang 1993 waren 95 % der<br />

im �Weißbuch aufgeführten gesetzgeberischen<br />

Maßnahmen verabschiedet, die Quote der Umsetzung<br />

in nationales Recht lag bei 80 %. Im Falle der<br />

�Freizügigkeit für Personen konnte mit dem �Vertrag<br />

von Amsterdam ein weiterer, wesentlicher<br />

Schritt in Richtung Verwirklichung getan werden.<br />

Das dort fixierte Ziel der Schaffung eines Raums der<br />

Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bündelt alle<br />

Regelungen zur Herstellung von Freizügigkeit<br />

(Asyl-, Visa- und Einwanderungspolitik bis zu Fragen<br />

der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit).<br />

Die Einbeziehung des �Schengener-Abkommens,<br />

dem u. a. alle EU-Mitgliedstaaten außer Irland<br />

und Großbritannien angehören, in den Amsterdamer<br />

Vertrag führt dazu, dass es fester Bestandteil des Gemeinschaftsrechts<br />

wurde. Damit wurde eine rechtlicheVerbindungzwischendemBinnenmarktundden<br />

bisher separat festgelegten Begleitmaßnahmen hergestellt.<br />

Im Oktober 1992 wurden in einem Bericht einer von<br />

der Kommission eingesetzten Expertengruppe Strategien<br />

für die Zeit nach 1992 entwickelt (Sutherland-Bericht).<br />

Durch den Umbruch in Ostmitteleuropa<br />

und die Entstehung neuer Wirtschaftszentren<br />

imasiatischenRaumkamenAnfangder1990erJahre<br />

neue Herausforderungen auf die Gemeinschaft zu.<br />

Die Kommission entwickelte – vom Europäischen<br />

Rat beauftragt – das Binnenmarktprojekt weiter und<br />

legteimDezember1993einWeißbuchüber„Wachstum,WettbewerbsfähigkeitundBeschäftigung“vor.<br />

Zum Amsterdamer Gipfel (Juni 1997) mündete dies<br />

in einen Aktionsplan für den Binnenmarkt. Vier strategische<br />

Ziele wurden für einen Zeitraum bis 1999<br />

definiert: bessere Inkraftsetzung des Binnenmarktrechts,<br />

Verhinderung von Verzerrungen im Marktgefüge,<br />

Abbau sektorspezifischer Schranken und die<br />

Schaffung einer größeren Bürgernähe. Im Oktober<br />

1999legtedieKommissioneineweitereStrategiefür<br />

den Binnenmarkt vor. Wiederum wurden vier Ziele<br />

definiert: Verbesserung der Lebensqualität der Bürger,<br />

Effizienzsteigerung der Güter- und Kapitalmärkte,<br />

Verbesserung der Rahmenbedingungen für<br />

Binnenmarkt<br />

die Wirtschaft und die bessere Nutzung der sich aus<br />

dem Binnenmarkt ergebenden Möglichkeiten in einer<br />

Welt des ständigen Wandels. Der Binnenmarkt<br />

bildet zudem einen Kernbestandteil der von den<br />

Staats- und Regierungschefs im März 2000 verabschiedeten<br />

�Lissabon-Strategie, mittels derer die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der EU auf dem Weltmarkt<br />

maßgeblich gesteigert werden soll. Im Mai 2003 legte<br />

die Kommission eine Strategie für den Binnenmarkt<br />

für die Jahre 2003 bis 2006 vor.<br />

Seit 2001 stagniert die Quote der Nichtumsetzung<br />

von Binnenmarktrichtlinien in nationales Recht<br />

durchschnittlichbei2,5%;diedadurchentstehenden<br />

rechtlichenUnterschiedeindenMitgliedstaatenführen<br />

zur mangelnden Ausschöpfung des Potenzials<br />

des Binnenmarktes.<br />

4. Kritische Wertung: Der Binnenmarktprozess sollte<br />

eine zweifache Wirkrichtung haben. Er sollte den<br />

erlahmenden Integrationsprozess wieder mit Dynamik<br />

versehen. Dieses ist gelungen. Durch die Folgewirkungen<br />

auf andere Politikbereiche (spill over) hat<br />

der Binnenmarkt zur Vertiefung der Integration beigetragen.<br />

Mit dem Weißbuch sollte zweitens die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der EU gesichert werden.<br />

Dieser Punkt wird sich als Erfolg oder Misserfolg so<br />

nicht nachweisen lassen, weil sich die Koordinaten<br />

auf dem europäischen Kontinent und in der Welt in<br />

den letzten Jahren völlig verändert haben. Die optimistischen<br />

Prognosen aus dem Cecchini-Bericht<br />

gingen immer von der Voraussetzung aus, dass sich<br />

an den Rahmendaten nichts Wesentliches ändert:<br />

Die Überwindung des Ost-West-Konfliktes hat zum<br />

Zusammenbruch ganzer Märkte geführt. Durch die<br />

gleichzeitige Verschärfung des Wettbewerbs auf<br />

dem Weltmarkt kommt es seit Anfang der 1990er<br />

Jahre zu Ansätzen von Protektionismus einzelner<br />

EU-Mitgliedstaaten sowie der EU selbst. Es besteht<br />

die Gefahr, dass ein Abschotten der Märkte (�Festung<br />

Europa) als Lösung für wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />

dem freien Handel vorgezogen wird.<br />

M. P.<br />

Literatur:<br />

Caesar, R. (Hg.): Der unvollendete Binnenmarkt.<br />

Baden-Baden 2003<br />

Europäische Kommission: EU-Binnenmarkt: 10 Jahre.<br />

Bilanz und Ausblick. Berlin 2003<br />

Dies.: Binnenmarktstrategie: Vorrangige Aufgaben<br />

2003 – 2006. Luxemburg 2004<br />

Hatje, A. (Hg.): Das Binnenmarktziel in der europäischen<br />

Verfassung. Baden-Baden 2003<br />

109


Binnenschifffahrt<br />

Binnenschifffahrt. Das Verkehrssystem Binnenschifffahrt<br />

besteht aus den Elementen Binnenwasserstraße,<br />

Binnenhafen, Binnenschiff und Organisation<br />

der Transportabläufe, auf die im Folgenden näher<br />

eingegangen wird. Da die Personenschifffahrt<br />

aus volkswirtschaftlicher Sicht nur eine nachgeordnete<br />

Bedeutung hat und sich zudem auf wenige touristische<br />

Regionen wie z. B. Mosel, Mittelrhein, Bodensee,<br />

Oberelbe und einige Streckenabschnitte der<br />

Donau konzentriert, sie auch weitgehend die gleichen<br />

Infrastrukturen wie die Güterschifffahrt nutzt,<br />

wird auf sie hier nicht weiter eingegangen.<br />

Die Marktordnung der Binnenschifffahrt hat sich in<br />

der Vergangenheit von der anderer Verkehrsträger<br />

insofernunterschieden,alssiewenigerreglementiert<br />

war. Zwar sind als Folge des EuGH-Urteils vom 22.<br />

5. 1985 zur Durchsetzung der Dienstleistungsfreiheit<br />

auch im Verkehr der Zugang zum Markt und die<br />

Preisbildung bis Ende 1999 liberalisiert worden,<br />

doch nach wie vor gelten auf dem Rhein und auf der<br />

1) Ohne Malta und Zypern<br />

110<br />

Donau internationale Rechtsregime: auf dem Rhein<br />

die Mannheimer Akte von 1868, auf der Donau das<br />

Abkommen von Belgrad (1948). Sie setzen der<br />

EU-VerkehrspolitikGrenzen,solangenichtalleMitgliederderAbkommenauchMitgliederderEUsind.<br />

Die Güterschifffahrt ist der Landverkehrsträger mit<br />

dem weitmaschigsten Infrastrukturnetz, das aus<br />

Seen, frei fließenden Flüssen, staugeregelten Flüssen<br />

und Kanälen besteht. In der Tab. 1 sind die Binnenwasserstraßennetze<br />

der EU-Mitgliedstaaten<br />

nach ihrer Länge und Dichte, bezogen auf die Fläche<br />

der Staaten, angegeben.<br />

Die meisten EU-Staaten verfügen über ein Binnenwasserstraßennetz,<br />

das aber nur in den Anrainerstaaten<br />

des Rheins, der Elbe, der Oder und der Donau leistungsfähig<br />

ist, nennenswerte Transporte zulässt,<br />

tatsächlich genutzt wird und über die deutschen Binnenwasserstraßen<br />

(z. B. Main-Donau-Kanal) miteinander<br />

verbunden ist. Allerdings besteht gerade<br />

bei den zuletzt genannten drei Strömen ein z. T. er-<br />

Binnenwasserstraßen<br />

Quelle: Europäische Kommission (2003a), eigene Berechnungen


heblicher Investitionsbedarf, um die Befahrungsverhältnisse<br />

den Anforderungen moderner Binnenschiffe,<br />

wie sie z. B. auf den westdeutschen Kanälen<br />

oder gar dem Rhein eingesetzt werden, anzupassen.<br />

Die EU trägt dem im Rahmen der �Transeuropäischen<br />

Verkehrsnetze (TEN) Rechnung, indem sie<br />

sich z. B. am Ausbau der Donau zwischen Straubing<br />

und Vilshofen finanziell beteiligt und damit die Verbindung<br />

zwischen Nordsee und Schwarzem Meer<br />

verbessern will. Das Programm sieht auch Zuschüsse<br />

für solche Binnenhäfen vor, die, soweit noch nicht<br />

geschehen, zu trimodalen Schnittpunkten ausgebaut<br />

werden sollen, d. h. die Möglichkeit schaffen wollen,<br />

alle drei Landverkehrsträger Schiene, Straße und<br />

Binnenwasserstraße mit einander zu verknüpfen (zu<br />

kombinieren).<br />

Das Gewerbe teilt sich traditionell in Reedereien und<br />

Partikuliere – Letzteres sind Unternehmen mit bis zu<br />

drei Schiffen ohne eigene Akquisitionsmöglichkeiten,<br />

weshalb sie als Hauspartikuliere der Reedereien<br />

oder als Mitglieder einer Genossenschaft, seltener<br />

durch direkten Kontakt zu Verladern Aufträge zu erhalten<br />

suchen. Die Reedereien, früher Eigentümer<br />

des größten Teils der Flotte, setzen eigene Schiffe<br />

fast nur noch in Spezialverkehren ein und bedienen<br />

sich ansonsten der Partikuliere. Diese Entwicklung<br />

ist auch in den neuen EU-Staaten zu erkennen, wenn<br />

auch erst in Anfängen.<br />

Die Binnenflotten vor allem der bisherigen 15 Mit-<br />

Binnenschifffahrt<br />

gliedstaaten haben in den vergangenen Jahrzehnten<br />

eine radikale Veränderung erfahren. Motorisierung<br />

des Kahnraumes, Selbstfahrer mit immer größerer<br />

Tragfähigkeit (3 000 t), Schubverbände mit bis zu<br />

sechsLeichtern(16000t),KoppelverbändeundSpezialschiffe<br />

sowie Rationalisierung des Umschlags in<br />

den Binnenhäfen und die – wegen des Personalmangels<br />

notwendige – Substitution von Arbeit durch Kapital<br />

haben zu enormen Produktivitätssteigerungen<br />

geführt, die die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenschifffahrt<br />

gegenüber den Konkurrenten einigermaßen<br />

gesichert haben (s. Tabelle 2). Diese RationalisierungserfolgestehenbeidenFlottenderneuenMitgliedstaaten<br />

noch aus. Deren Binnenschiffe sind entweder<br />

zu klein, entsprechen nicht dem Stand der<br />

Technik oder werden zu personalintensiv betrieben,<br />

so dass sie ihre bestehenden (Personal-)Kostenvorteile<br />

nur bedingt ausspielen können.<br />

Über die größte Binnenflotte verfügen die Niederlande.<br />

Während die Binnenflotten der anderen<br />

Rheinanlieger in der Vergangenheit geschrumpft<br />

sind, haben die Niederlande ihre Flotte noch erweitern<br />

können. Ursachen dafür sind das relativ dichte<br />

niederländische Binnenwasserstraßennetz, die geringe<br />

Konkurrenz der niederländischen Eisenbahn<br />

im nationalen Güterverkehr sowie – aus der Sicht der<br />

intramodalen Konkurrenten anderer Staaten – staatlich<br />

verursachte Wettbewerbsverzerrungen zu<br />

Gunsten der niederländischen Binnenschiffer.<br />

, eigene Berechnungen<br />

111


Binnenschifffahrt<br />

Die Binnenschifffahrt ist, wie die Eisenbahn auch,<br />

vor allem auf massenhafte Verkehrsströme angewiesen,<br />

bei der die Beförderungszeit eine untergeordnete<br />

Rolle spielt. Ihre Vorteile liegen neben der Massenleistungsfähigkeit<br />

in der Umweltverträglichkeit,<br />

inderPünktlichkeitundinfreienKapazitätensowohl<br />

auf den Binnenwasserstraßen als auch im Transportraum.<br />

Nachteile sind vor allem die geringe Netzdichte<br />

(wobei allerdings die verladende Wirtschaft, die<br />

auf die Binnenschifffahrt zurückgreift, zumeist einen<br />

Standort an nassen Plätzen gewählt hat) sowie<br />

der Einfluss von Wasserstandsschwankungen und<br />

Eis. Die Entwicklungen auf den Verkehrsmärkten,<br />

die sich z. B. im Struktureffekt (weniger Kohle, mehr<br />

Konsum- und Investitionsgüter), im Regionalisierungseffekt<br />

(De-Agglomeration der Produktionsstandorte)<br />

und im Logistikeffekt (Verringerung der<br />

Lagerhaltung, Verstetigung der Transportprozesse,<br />

kleinere Sendungseinheiten) bemerkbar machen,<br />

112<br />

Zypern<br />

begünstigen zudem im Wesentlichen den Güterkraftverkehr<br />

(s. Tabelle 3).<br />

Die Binnenschifffahrt hat ihre größte regionale Bedeutung<br />

in den Niederlanden, wo sie auf einen<br />

Marktanteil (Verkehrsleistung) von 45,0 % kommt<br />

und fast an den Güterkraftverkehr heranreicht. Zweistellige<br />

Marktanteile erreicht sie noch in Belgien,<br />

Deutschland und Luxemburg. Ihre größte relationale<br />

Bedeutung hat die Binnenschifffahrt im grenzüberschreitenden<br />

Verkehr – vor allem auf dem Rhein –,<br />

wo sie 1999 einen Marktanteil von 38,3 % am Verkehrsaufkommen<br />

erreichte; der Güterkraftverkehr<br />

brachte es auf 38,7 %, die Schiene auf 23,0 %; wichtigsteTransportgüterderBinnenschifffahrtimnationalen<br />

Verkehr der Mitgliedstaaten sind mit weitem<br />

Abstand Steine und Erden, im grenzüberschreitenden<br />

Verkehr kommen Erze und Metallabfälle sowie<br />

Mineralölprodukte noch hinzu (Quelle: Europäische<br />

Kommission, Hg., 2003b).<br />

Quelle: Europäische Kommission (2003a)<br />

und eigene Berechnungen


Die Binnenschifffahrt ist aber nicht nur in traditionellen<br />

Verkehren erfolgreich: Die größten Zuwachsraten<br />

entfallen auf den Containerverkehr, vor allem<br />

im Rheinkorridor, wo sie im Verkehr mit den<br />

ARA-Häfen (Antwerpen, Rotterdam, Amsterdam)<br />

inzwischeneinenMarktanteilvonetwaeinemDrittel<br />

hält. Auf anderen Wasserstraßen setzt sich der Containertransport<br />

erst langsam durch, lassen doch hier<br />

dieinfrastrukturellenBeschränkungenwiezuniedrige<br />

Brücken, Zeitverluste durch Schleusungen u. ä.<br />

einen wirtschaftlichen Einsatz dieses Verkehrsträgers<br />

(noch) nicht zu. Es bleibt abzuwarten, ob Maut<br />

und Kapazitätsengpässe bei den konkurrierenden<br />

Verkehrsträgern nicht zu einem Umdenken der Verlader<br />

führen.<br />

Die Fluss-See-Schifffahrt verbindet Elemente der<br />

Binnen- mit denen der Küstenschifffahrt. Vor allem<br />

von Häfen am Niederrhein werden Direktverkehre<br />

mit Häfen des Mittelmeers, in Westafrika, der europäischen<br />

Atlantikküste, Großbritanniens sowie<br />

Skandinaviens durchgeführt.<br />

Die Küstenschifffahrt (short sea shipping) ist, neben<br />

dem Güterkraftverkehr, der sich am dynamischsten<br />

entwickelnde Verkehrsträger in der EU. Die schrittweise<br />

Erweiterung der EU um Länder mit Insellage<br />

undlangenKüstenabschnittensowiederenIntegration<br />

hat ebenso dazu beigetragen wie das Bestreben<br />

der Reedereien, durch den Einsatz größerer Seeschiffe<br />

und die Konzentration auf wenige Seehäfen<br />

die Kosten zu senken, wodurch Feederverkehre<br />

(Verteiler- und Zubringerverkehr) immer wichtiger<br />

werden. F. v. St.<br />

Quellen:<br />

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen<br />

(Hg.): Verkehr in Zahlen 2003/2004. 32. Jg., Hamburg 2003<br />

Europäische Kommission (Hg.): Energy and Transport in<br />

figures 2003. Brüssel 2003a<br />

Dies. (Hg.): Panorama des Verkehrs. Statistischer Überblick<br />

des Verkehrs in der europäischen Union. Daten 1970–2000.<br />

Luxemburg 2003b<br />

United Nations: Annual Bulletin of Transport Statistics for<br />

Europe and North America. Vol. LII. New York/Genf 2004<br />

Literatur:<br />

Ewers, H.-J./ F. v. Stackelberg: Verkehrspolitik. In:<br />

P. Klemmer (Hg.), Handbuch Europäische Wirtschaftspolitik.<br />

München 1998, S. 1151–1192<br />

BIOMED 2. EU-Programm für Forschung, Entwicklung<br />

und Demonstration im Bereich Biomedizin und<br />

Gesundheitswesen innerhalb des 4. Forschungsrahmenprogramms<br />

(neben BIOTECH 2 und FAIR).<br />

Bio- und Gentechnologie<br />

Zeitrahmen: 1994 – 1998, Etat: 336 Mio. ECU. Veröffentlichung<br />

und Rechtsgrundlage: Abl. L 361/<br />

1994; Art. 166 Abs. 4 EGV. Fortsetzung der bereits<br />

1978 begonnenen biomedizinischen Forschungsförderung<br />

der Kommission. Im 5. Forschungsrahmenprogramm<br />

abgelöst durch das Themenprogramm<br />

Quality of Life and Management of Life Resources<br />

(1998 – 2002).<br />

Bio- und Gentechnologie<br />

1. Zur Einführung: Für die Bio- und Gentechnologie<br />

gilt – wie auch für andere Zukunftstechnologien,<br />

z. B. Einsatz moderner Materialien in Luft- und<br />

Raumfahrt, die Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechnologie<br />

–, dass in keinem Fall ein einzelnes<br />

Land oder gar ein einzelnes Unternehmen der EU<br />

ausreichend Kapazität besitzt, um mit den großen<br />

Mitbewerbern USA und Japan sowie zunehmend<br />

auch den neuen regionalen Zusammenschlüssen aufstrebender<br />

Industrienationen auf diesen Märkten der<br />

Zukunft Schritt zu halten.<br />

Es ist unabdingbar, dass die EU die Bündelung der<br />

vielfältigen Ressourcen ihrer Mitglieder weiter verstärkt<br />

und damit dazu beiträgt, den „europäischen<br />

Mehrwert“ solcher Kooperationen zu realisieren.<br />

Die Bio- und Gentechnologie ist deshalb zu einem<br />

wichtigen und integralen Bestandteil der Europäischen<br />

Forschungs- und Technologiepolitik geworden.<br />

Die Biotechnologie ist aber nicht nur ein wichtiger<br />

Bestandteil der EU-Forschungspolitik, sondern hat<br />

darüber hinaus entscheidenden Einfluss auf viele andere<br />

Politiken bzw. Lebensbereiche (Wirtschaft,<br />

Umwelt, Recht, Ethik). Fragen der Biotechnologie<br />

haben deshalb auch Eingang in eine Vielzahl von<br />

EU-Politiken gefunden.<br />

2. Die beiden Technologien<br />

2.1. Biotechnologie. Unter Biotechnologie (Bio-<br />

Tech) versteht man die Kombination biologischer<br />

und technischer Systeme für Zwecke der Stoffumwandlung.<br />

Sie erfolgt unter Einsatz von subzellulären<br />

biologischen Systemen, Mikroorganismen (wie<br />

Bakterien, Hefen, anderen Pilzen), Algen, Pflanzenoder<br />

Tierzellkulturen. Auch der Einsatz züchterisch<br />

und/oder gentechnisch veränderter Tiere und Pflanzen<br />

in der Landwirtschaft wird dazu gezählt. Sie beinhaltet<br />

also<br />

– Veränderung von Eigenschaften von gezüchteten<br />

Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren;<br />

113


Bio- und Gentechnologie<br />

– Weiter- und Neuentwicklung der industriellen<br />

Stoffproduktion.<br />

DieBioTechkannvielenindustriellenAnwendungsfeldern<br />

zugeordnet werden, denn sie ist eine Querschnittstechnologie.<br />

In der Reihenfolge abnehmender<br />

gesellschaftlicher Akzeptanz ist sie auf folgenden<br />

Gebieten eine die globalen Wirtschaftstrends<br />

mitbestimmende Realität: Gesundheit inkl. Humangenetik<br />

und Pharmazeutik, Umweltsanierung, Landwirtschaft,<br />

Lebensmittelherstellung.<br />

Trotzdem steht die BioTech nur am Anfang ihrer<br />

Möglichkeiten. Das ist erst vor ca. 25 Jahren evident<br />

geworden,nämlichseitdemsiedurchdieGentechnik<br />

revolutioniert wird. Deren Möglichkeiten scheinen<br />

nahezu unbegrenzt zu sein. Gerade deshalb aber werden<br />

die Stimmen derjenigen lauter, die vor Missbrauch<br />

und Risiken warnen und dafür teilweise fundamentale<br />

kulturkritische Argumente ins Feld führen.<br />

2.2. Gentechnologie. Gentechnologie (GenTech),<br />

häufig gleichgesetzt mit „Neuer Biotechnologie“, ist<br />

eines der modernsten Teilgebiete der Biotechnologie,<br />

das gezielt Erbinformationen (Gene) umbaut<br />

und zwischen Organismen überträgt. Meistens werden<br />

dabei Empfängerzellen mit Genen ausgestattet,<br />

die sie vorher nicht besaßen und die sie durch zufällige,<br />

spontane („natürliche“) Vorgänge nicht erwerben<br />

können. Sie beinhaltet also die Anwendung von<br />

molekular-biologischen Methoden zur direkten und<br />

gezielten Neukombination von Erbinformationen<br />

verschiedener Organismen durch kontrollierten Eingriff.<br />

Wichtig für die Gentechnologie ist, dass der genetische<br />

Code universal ist und daher die breite Anwendbarkeit<br />

der Gentechnologie ermöglicht.<br />

Biotechnologie (BioTech): Die einen halten sie für<br />

eine entscheidende Chance in Problembereichen der<br />

Welternährung, der Gesundheit, der Ökologie, für<br />

die anderen ist sie mit so vielen unwägbaren Risiken<br />

behaftet,dasssiesieüberhauptnichthabenwollen.<br />

Tatsächlich lässt sich bei einigen bio- und gentechnologischen<br />

Forschungen nur vermuten, welche<br />

enorme technische, ökonomische, kulturelle und soziale<br />

Bedeutung sie erreichen werden, wie ihre Anwendungen<br />

den zukünftigen Lebensstil verändern<br />

werden. In vielen Fällen ist das allerdings schon heute<br />

bekannt oder es kann ziemlich genau vorausgesagt<br />

werden.<br />

Esisteines,diesachlichenRisikeneinerAnwendung<br />

der Gentechnik zu bestimmen. Es ist ein zweites zu<br />

114<br />

entscheiden, welches Risiko wir für welchen Nutzen<br />

in Kauf nehmen wollen. Die erste Frage hat die Wissenschaft<br />

zu lösen, die zweite muss im aufgeklärten<br />

gesellschaftlichen Diskurs behandelt werden, an<br />

demalleBetroffenen(Konsumenten,Naturschützer,<br />

Landwirte, Patientenvereinigungen u. a. m.) zu beteiligen<br />

sind. Auch die Frage nach den ökonomischen<br />

Auswirkungen der gesetzlichen Regelwerke<br />

für die Stellung der EU im globalen Wettbewerb auf<br />

diesem Gebiet kann dabei nicht ausgeklammert bleiben.<br />

3. „Biowissenschaften und Biotechnologie:<br />

Eine Strategie für Europa“ – Zielsetzung, Chancen,<br />

Risiken. Im Januar 2002 hat die Kommission eine<br />

langfristige Strategie (Zeithorizont bis 2010) für Europa<br />

im Bereich Biowissenschaften und Biotechnologieangenommen(KOM2000/27).DieseStrategie<br />

ist eng verzahnt mit der �„Lissabon Strategie“, der<br />

die Zielsetzung zugrunde liegt, Europa bis zum Jahre<br />

2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten<br />

wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu<br />

machen“. Bei der Verfolgung dieser „Lissabon-Zielsetzung“<br />

kommt der Biotechnologie prioritäre Bedeutung<br />

zu. Nach der Informationstechnologie bildet<br />

die Biotechnologie nach allgemeiner Einschätzung<br />

die nächste Phase einer wissensbasierten Wirtschaft<br />

und Gesellschaft.<br />

Die Kommission schlägt eine politische Strategie<br />

vor, die verantwortliche, wissenschaftlich fundierte<br />

und am Menschen orientierte Konzepte auf ethischer<br />

Grundlagebeinhaltet.DieseStrategiesollesinEuropa<br />

ermöglichen, das positive Potenzial von Biowissenschaften<br />

und Biotechnologie zu nutzen, einen angemessenen<br />

ordnungspolitischen Rahmen (�„Governance“)<br />

zu schaffen und der globalen Verantwortung<br />

Europas gerecht zu werden. Es ist dies ein Vorschlag<br />

für eine integrierte Strategie – die verschiedenen<br />

Elemente bedingen und verstärken sich gegenseitig.<br />

Die Kommission schlägt weiter einen Aktionsplan<br />

vor, der konkrete Maßnahmen der Kommission<br />

und der Gemeinschaft beschreibt sowie<br />

Empfehlungen ausspricht für andere öffentliche und<br />

private Akteure – stets unter Wahrung des �Subsidiaritätsprinzips.<br />

Mit dieser Biotechnologieinitiative regt die Kommission<br />

eine Strategie für Europa an, um nachhaltige<br />

und verantwortungsbewusste Konzepte für folgende<br />

drei Fragenkomplexe zu entwickeln (vgl. Europäische<br />

Kommission, KOM 2002/27):


– BiowissenschaftenundBiotechnologiebieteneine<br />

Chance, zahlreiche globale Probleme im Zusammenhang<br />

mit Gesundheit, Alter, Ernährung und Umwelt<br />

sowie nachhaltiger Entwicklung in den Griff zu<br />

bekommen. Wie kann Europa die notwendigen Humanressourcen,<br />

Industriekapazitäten und Finanzen<br />

anziehen, um diese Technologien optimal zu gestalten<br />

und zu nutzen, den Bedürfnissen der Gesellschaft<br />

gerecht zu werden und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu<br />

steigern?<br />

– Breiter Rückhalt in der Öffentlichkeit ist entscheidend,<br />

und die ethischen und gesellschaftlichen<br />

Aspekte und Bedenken müssen ernst genommen<br />

werden. Wie kann Europa wirksame, glaubwürdige<br />

und verantwortliche Politikkonzepte hervorbringen,<br />

die das Vertrauen und die Unterstützung der Bürger<br />

finden?<br />

– Wissenschaftliche und technologische Revolution<br />

sind eine globale Realität, die neue Chancen und Herausforderungen<br />

für alle Länder der Welt – ob reich<br />

oder arm – schafft. Wie kann Europa am besten auf<br />

die globalen Herausforderungen reagieren, seine politischen<br />

Konzepte mit einer klaren internationalen<br />

Perspektive entwickeln und global handeln, um seine<br />

Interessen wahrzunehmen?<br />

Biowissenschaften und Biotechnologie gelten allgemein<br />

als einer der Bereiche mit den weitreichendsten<br />

PerspektivenfürdienächstenJahrzehnte.Dankzahlreicher<br />

wissenschaftlicher Erfolge im Bereich Biotechnologie<br />

in den letzten Jahren wird das explosionsartigeWachstumunseresWissensüberlebende<br />

Systeme zwangsläufig einen kontinuierlichen Strom<br />

neuer Anwendungen hervorbringen:<br />

a) In der Gesundheitsfürsorge besteht weltweit ein<br />

enormer Bedarf an innovativen Konzepten, die den<br />

Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung und der<br />

armen Länder gerecht werden. Die Biotechnologie<br />

erlaubt bereits heute eine billigere, sichere und<br />

ethisch eher vertretbare Entwicklung von immer<br />

mehr traditionellen wie auch neuartigen Medikamenten<br />

und medizinischen Diensten. Biotechnologie<br />

(Stammzellenforschung und Xenotransplantation)bietetdieAussichtaufErsatzgewebeund-organe<br />

zur Behandlung degenerativer Krankheiten und der<br />

Folgen von Verbrennungen und Rückenmarksverletzungen.<br />

b) In der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung<br />

hat die Biotechnologie das Potenzial, für eine<br />

verbesserte Lebensmittelqualität und ökologische<br />

Bio- und Gentechnologie<br />

Vorteile durch agronomisch verbesserte Nutzpflanzen<br />

zu sorgen. Biowissenschaften und Biotechnologie<br />

dürften eines der wichtigsten Instrumente im<br />

Kampf gegen Hunger und Mangelernährung sein<br />

und zur Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung<br />

bei gleichbleibender Nutzfläche und verringerten<br />

Umweltauswirkungen beitragen.<br />

c) Die Biotechnologie bietet auch die Möglichkeit,<br />

den Einsatz von Kulturpflanzen für andere Zwecke<br />

alsLebensmittelzuverbessern,soetwaalsRohstoffe<br />

für die Industrie oder als neue Werkstoffe wie biologisch<br />

abbaubare Kunststoffe. Pflanzliche Rohstoffe<br />

können molekulare Bausteine und komplexe Moleküle<br />

für die verarbeitende Industrie, den Energiesektor<br />

(z. B. Biomasse zur alternativen Energieerzeugung<br />

und Biotreibstoffe) und die pharmazeutische<br />

Industrie liefern.<br />

d) Biotechnologie bietet auch neue Wege zum<br />

Schutz und zur Verbesserung der Umwelt, bspw.<br />

durchdieBiosanierungvonLuft,Boden,Wasserund<br />

Abfällen sowie die Entwicklung sauberer Industrieprodukte<br />

und -prozesse, bspw. mit Hilfe von Enzymen<br />

(Biokatalyse).<br />

Die Biotechnologie besitzt somit ein sehr weitreichendes,<br />

heute noch kaum zu überblickendes Potenzial.<br />

Dieses Potenzial wird immer intensiver genutzt,<br />

und es wird einen neuen Wirtschaftszweig hervorbringen,<br />

der mehr Wohlstand und qualifizierte Arbeitsplätze<br />

schafft. Unsicher sind jedoch der zeitliche<br />

Ablauf und die Richtung dieser Entwicklung und<br />

dieFrage,obEuropadabeiumfassendbeteiligtist.<br />

Einigen Schätzungen zufolge könnte der europäischeMarktfürBiotechnologiebiszumEnde2005einen<br />

Wert von über 100 Mrd. Euro erreichen. Bis zum<br />

Ende des Jahrzehnts könnten die weltweiten Märkte<br />

– einschl. der Wirtschaftszweige, in denen Biowissenschaften<br />

und Biotechnologie den Hauptteil der<br />

eingesetzten neuen Technologien ausmachen – auf<br />

über 2000 Mrd. Euro kommen.<br />

Das gegenwärtig vordringlichste Problem der europäischen<br />

Biotech-Unternehmen ist die Finanzierung.<br />

Sie sind jünger als die vergleichbaren US-Unternehmen<br />

und befinden sich gegenwärtig meistenteils<br />

in einer Entwicklungsphase, in der sie äußerst<br />

anfälligsind.IhrKapitalbedarfübersteigtbeiweitem<br />

die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. Mit dem<br />

Basel-II-Übereinkommen ist es für sie viel schwieriger<br />

geworden, Mittel von Banken zu erhalten.<br />

Die europäische Strategie im Bereich Biotechnolo-<br />

115


Bio- und Gentechnologie<br />

gie hat nicht nur eine wissenschaftlich-technische<br />

oder finanzielle Dimension, sondern ist auch ohne<br />

breiten Konsens der Bevölkerung nicht durchsetzbar.<br />

Hierzu gehören insbes. folgende Punkte:<br />

– Kontrolle durch Gesellschaft und Ethik: Um die<br />

Entwicklungen der Biotechnologie begleiten und sicherstellen<br />

zu können, dass sie im Einklang mit den<br />

gesellschaftlichen Werten stehen, muss eine öffentliche<br />

Diskussion stattfinden. In dieser Hinsicht stößt<br />

der Aktionsplan der EU eine wichtige europäische<br />

Debatte über Biotechnologie an.<br />

– Unterstützungfürdiejenigen,dieinderBiotechnologie<br />

tätig sind: Die Marktteilnehmer im Bereich der<br />

Biotechnologie brauchen dringend einen verlässlichen<br />

Rechts- und Ordnungsrahmen. Sie brauchen<br />

ebenfalls besseren Zugang zu Risikokapital und insgesamt<br />

eine bessere Koordinierung (sowohl auf öffentlicher<br />

als auch privater Ebene), die die Forschungs-<br />

und Innovationsanstrengungen zum beiderseitigenVorteilinternationalundregionalvereint<br />

und damit sowohl auf die Wettbewerbsfähigkeit als<br />

auchaufdas�BenchmarkingbeiderQualitätabzielt.<br />

– Verbraucherschutz: Ein hohes Maß an Verbraucherschutz,<br />

eine konsequente Risikobewertung und<br />

umfassende klare Informationen sind für alle Produkte,<br />

die im Rahmen der EU-Vorschriften entwickelt<br />

werden, von überragender Bedeutung.<br />

– Vorschriften und Durchsetzung der bestehenden<br />

Vorschriften: Es ist wichtig, dass unverzüglich ein<br />

wissensgestützter Rechtsrahmen für die Biotechnologie<br />

geschaffen wird, der die administrativen HindernissefürdieWissenschaftlerunddieIndustrieabbaut,<br />

und zwar mit Anforderungen, die sich auch tatsächlich<br />

durchsetzen lassen.<br />

Um diesen Rechts- und Ordnungsrahmen zu schaffen,<br />

um den Verbraucherschutz sicherzustellen und<br />

um den Konsens mit der – z. T. besorgten oder nicht<br />

ausreichendinformierten–Öffentlichkeitzusuchen,<br />

wurden u. a. folgende Rechtsetzungen vorgenommen<br />

bzw. Initiativen ergriffen:<br />

a) RechtsvorschriftenübergenetischveränderteOrganismen<br />

(GVO): Ein umfassendes Genehmigungsverfahren<br />

für GVO (z. B. der sog. „Gen-Mais“) ist<br />

seit dem 17. 10. 2002 in Kraft getreten (Richtlinie<br />

2001/18, ABl. L 106/2001).<br />

Zwei neue Verordnungen über GVO, die ein umfassendes<br />

Gemeinschaftssystem zur Rückverfolgung<br />

und Kennzeichnung von GVO und zur Regelung des<br />

Inverkehrbringens und der Kennzeichnung von<br />

116<br />

GV-Lebens- und -Futtermitteln festlegen, sind seit<br />

April 2004 uneingeschränkt anwendbar; die Verordnung<br />

1829/2003 umfasst die Verwendung oder den<br />

Gehalt von GVO in Lebens- und Futtermitteln; die<br />

Verordnung 1830/2003 regelt die Rückverfolgung<br />

und Kennzeichnung von GVO in Lebens- bzw. Futtermitteln<br />

(beide VO in ABl. L 268/2003).<br />

Da in der EU nur zugelassene GVO angebaut werden<br />

dürfen und Umwelt- und Gesundheitsaspekte bereits<br />

in der Richtlinie 2001/18 geregelt sind, bleiben im<br />

Zusammenhang mit der Koexistenz (Koexistenz von<br />

GV-Kulturpflanzen mit solchen aus konventionellem<br />

oder ökologischem Aufbau) nur noch die wirtschaftlichen<br />

Aspekte der Beimischung von gentechnisch<br />

veränderten und nicht veränderten Kulturen zu<br />

klären.<br />

Gemäß dem �Subsidiaritätsprinzip und aufgrund der<br />

hohen Diversität der regionalen Bedingungen beschloss<br />

die Kommission im März 2003, es den Mitgliedstaaten<br />

zu überlassen, Maßnahmen bezüglich<br />

der Koexistenz zu treffen (Empfehlung der Kommission<br />

zur Koexistenz, 2003/556, ABl. L 189/2003).<br />

b) Humanembryonen-Stammzellenforschung: Nach<br />

ersten Richtlinien vom 11. 11. 1993 über Verfahrensmodalitäten<br />

für Forschungstätigkeiten im Bereich<br />

der humanen embryonalen Stammzellen konntenweitereLeitlinienderKommissionvomJuli2004<br />

– trotz der Unterstützung des Europäischen Parlaments<br />

– im Rat keine Zustimmung finden.<br />

c) Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen<br />

(Richtlinie 98/44, ABl. L 213/1998): Diese<br />

Richtlinie ist bisher nur von etwa der Hälfte der Mitgliedsländer<br />

umgesetzt. Die mangelnde Umsetzung<br />

der Richtlinie lässt die mit innovativer Biotechnologieforschung<br />

beschäftigten Unternehmen im Unklaren<br />

darüber, ob sie den Anspruch auf die kommerziellen<br />

Früchte ihrer Arbeit umfassend durchsetzen<br />

können. Dies behindert die Entwicklung der Industrie<br />

erheblich und schreckt nicht nur die Erfinder<br />

selbst, sondern auch ihre potenziellen Geldgeber ab,<br />

deren Beitrag so dringend erforderlich ist.<br />

Im Zusammenhang mit dieser Richtlinie bestehen<br />

(und dies ist der Grund für die schleppende Umsetzung)<br />

noch verschiedene Fragen zum Anwendungsbereich<br />

(z. B. Anwendungsbereich von Patenten für<br />

ausdemmenschlichenKörperisoliertenGensequenzen<br />

oder Teilsequenzen, oder Patentierbarkeit von<br />

Stammzellen und darauf abgeleiteten Zelllinien).<br />

d) Hilfe bei der Kapitalbeschaffung: Zusammen mit


der �Europäischen Investitionsbank (EIB) und dem<br />

Europäischen Investitionsfonds (EIF) bemüht sich<br />

die Kommission, zur Stärkung der Kapitalbasis der<br />

Biotechnologieindustrie beizutragen. Hierzu dienen<br />

insbes.BemühungenumdieStimulierungvonInvestitionen<br />

in Unternehmens-„Inkubatoren“ über die<br />

„Start-Up-Facility“ des EIF.<br />

e) Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog: Die<br />

Kommission sowie alle Interessentengruppen haben<br />

ihre Anstrengungen fortgesetzt, Wissenschaft und<br />

Gesellschaft einander näher zu bringen und das Verständnis<br />

für und den Informationsaustausch über<br />

Biowissenschaften und Biotechnologie anzuregen.<br />

Von der Kommission wird jedoch betont (KOM<br />

2002/27), dass es unerlässlich sei, seitens der Industrie<br />

den Nutzen und das Potenzial dieser TechnologieinallenAnwendungsbereichenoffenzuerläutern<br />

und zu dokumentieren.<br />

Die Kommission hat auf verschiedenen Wegen<br />

(Konferenzen, öffentliche Debatten) mit der interessierten<br />

Öffentlichkeit einen intensiven Dialog gestartet.<br />

Hierzu dienen insbes. auch die „Technologie-Plattformen“,<br />

die dem gesellschaftlichen Dialog<br />

eine neue Dimension der Dynamik hinzufügen, indem<br />

alle interessierten Kreise – Forschungsorganisationen,<br />

Industrie, Politik, Anwender usw. – zu<br />

technologischen Schlüsselthemen zusammengebrachtwerden,umeinegemeinsameStrategiefürdie<br />

Entwicklung, den Einsatz und die Nutzung dieser<br />

Technologien in Europa zu entwickeln und umzusetzen.<br />

4. Der Aktionsplan Biotechnologie als Teil des 6.<br />

Forschungsrahmenprogramms (2002 – 2006): Der<br />

Aktionsplan im Bereich der Biotechnologie ist Teil<br />

des 6. Rahmenprogramms (RP) für Forschung und<br />

Technologische Entwicklung (2002 – 2006) der EU.<br />

Dieses 6. RP enthält zwei vorrangige Themen (Biowissenschaften,<br />

Genomik und Biotechnologie im<br />

Dienste der Gesundheit mit einem Haushalt von<br />

2 255 Mio. Euro und der Lebensmittelqualität und<br />

-sicherheit, 685 Mio. Euro), die ganz der Biotechnologie<br />

offen stehen, während andere (Nanotechnologien<br />

und Nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen<br />

und Ökosysteme) auf sie zurückgreifen<br />

werden. Diese thematische Fokussierung wird durch<br />

den spezifischen Charakter der Unterstützung verstärkt,<br />

die in erster Linie auf die Umsetzung integrierter<br />

Projekte und die Schaffung von Exzellenznetzen<br />

abzielt, die fähig sind, Synergien auf der Ebe-<br />

Bio- und Gentechnologie<br />

ne des gesamten Europäischen Forschungsraums zu<br />

mobilisieren. Andere Abschnitte des Programms –<br />

Unterstützung der �KMU und der Innovation, der<br />

MobilitätderForscher,derwissenschaftlichenInfrastrukturen<br />

– werden ebenfalls im Dienste dieser Mobilisierung<br />

stehen.<br />

5. Ausblick. Die Kommission hat in der letzten Bewertung<br />

(KOM 2004/250) der Biotechnologieaktionen<br />

hervorgehoben, dass zwar im Bereich Biotechnologie<br />

in Europa Fortschritte erzielt worden<br />

sind, jedoch noch viel zu tun bleibt, um die Lage –<br />

insbes. im Vergleich mit den USA – langfristig zu<br />

verbessern.<br />

Vor dem Hintergrund der �„Lissabon-Strategie“<br />

wird von allen Beteiligten auf europäischer Ebene<br />

immer wieder die besondere Bedeutung der Biotechnologie<br />

für die Sicherung der technologischen Position<br />

und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />

Europas betont.<br />

Da die EU sich der globalen Bedeutung der Biotechnologie<br />

bewusst ist, wird seitens der EU der internationale<br />

Dialog über anstehende ordnungspolitische<br />

Fragengesucht,besondersimRahmenmultilateraler<br />

Foren wie der Welthandelsorganisation (�WTO),<br />

des Protokolls über die Biosicherheit oder der verschiedenen,<br />

von den UN abhängenden Agenturen.<br />

DieserinternationaleAnsatzimBereichderBiotechnologie<br />

zeigt sich auch bei der besonderen Verantwortung<br />

der Gemeinschaft gegenüber den Entwicklungsländern.<br />

Für die Erreichung weltweiter Lebensmittelsicherheit,<br />

die Bekämpfung der Aids-Epidemie<br />

und die Wahrung der Artenvielfalt bietet die<br />

Biotechnologie eine Palette bisher unbekannter<br />

Handlungsspielräume.<br />

Es ist heute schwer vorauszusagen, welche Fragen<br />

die Entwicklung der Biotechnologie in naher Zukunft<br />

noch aufwerfen wird. Daher wird umfassender<br />

und offener Informationsaustausch zwischen allen<br />

Beteiligten zukünftig von besonderer Wichtigkeit<br />

sein. P. P./J. Sch.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Biowissenschaften und Biotechnologie:<br />

Eine Strategie für Europa. 2. Fortschrittsbericht und<br />

Orientierungen für die Zukunft. KOM(2004) 250<br />

Internet: EU-Biotechnologie Aktionsplan und Berichte:<br />

http://europa.eu.int/comm/biotechnology<br />

http://www.epsoweb.org/catalog/TP/index.htm<br />

http://www.europabio.org/plant_genomics_platform.htm<br />

http://europa.eu.int/comm/research/science-society/index_de.htm<br />

117


Biotechnologieprogramme<br />

Biotechnologieprogramme. Drei Forschungsprogramme<br />

der EG waren an der vollständigen Sequenzierung<br />

des Genoms der Hefe beteiligt: Aktionsprogramm<br />

für Biotechnologie (BAP, 1985 –<br />

1989), das Programm BRIDGE (Biotechnological<br />

Research for Innovation, Development and Growth<br />

in Europe, 1990 – 1994) und das Biotechnologieprogramm<br />

für 1994 bis 1998. An dem Projekt nahmen<br />

rund 100 europäische Laboratorien teil. Finanzieller<br />

Beitrag der EG: 19,8 Mio. ECU.<br />

Blaues Europa �Fischereipolitik Ziff. 2.1<br />

Bologna-Erklärung<br />

Begriff: Von 29 Staaten am 19. 6. 1999 in Bologna<br />

unterzeichnete gemeinsame Erklärung „Der Europäische<br />

Hochschulraum“ zur Reform der europäischen<br />

Hochschul- und Forschungssysteme.<br />

HintergrundundBeweggründe: Aufderinformellen<br />

Tagung der Bildungsminister am 23./24. 10. 1998 in<br />

Baden bei Wien fand ein Meinungsaustausch über<br />

die �Sorbonne-Erklärung vom 25. 5. 1998 statt, wobei<br />

vor allem von den „kleineren“ EU-Staaten eine<br />

gemeinsames Vorgehen gefordert wurde. Daraufhin<br />

lud der italienische Hochschulminister für den 19. 6.<br />

1999 zu einer Bildungsministerkonferenz nach Bologna<br />

ein. Sie sollte als Follow-up-meeting der Konkretisierung<br />

und Umsetzung der Sorbonne-Erklärung<br />

dienen.<br />

Die Bologna-Erklärung unterzeichneten 31 Bildungsminister<br />

oder deren Stellvertreter aus 29 europäischen<br />

Ländern: alle EU-Staaten, die 10 Beitrittsländer<br />

sowie Bulgarien, Norwegen, Rumänien und<br />

dieSchweiz.DieZahlderMitgliedsländererweiterte<br />

sich später schrittweise auf 33 (�Prager Erklärung),<br />

dann auf 40 (�Berliner Erklärung). Im November<br />

2004 lagen vier weitere Bewerbungen vor (�Bologna-Prozess).<br />

Zur Vorbereitung der Bologna-Konferenz wurde<br />

Ende Oktober 1998 eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung<br />

einer Studie „Über die Trends in der Hochschulbildung<br />

in den EU und EFTA/EWR-Staaten“<br />

beauftragt. Die Studie wurde mit Unterstützung der<br />

Kommission von der Rektorenkonferenz der Hochschulen<br />

der EU und dem Europäischen Hochschulverband<br />

CRE (Project Report I: Trends in Learning<br />

Structures in Higher Education) durchgeführt. (Internet:<br />

www.unige.ch./eua)<br />

Zielsetzung:ZielderInitiativeist,zur„Errichtungei-<br />

118<br />

nes vollständigeren und umfassenderen Europas“<br />

auf der Grundlage des „Europas des Wissens“ eine<br />

„größere Kompatibilität und Vergleichbarkeit der<br />

Hochschulsysteme vollständig zu verwirklichen“<br />

und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen<br />

Hochschulen zu verbessern.<br />

Mit Bezug auf die Grundsätze der �Magna Charta<br />

Universitatum (1988) und der Sorbonne-Erklärung<br />

sollten<br />

a) „im Rahmen der jeweiligen institutionellen Kompetenzen<br />

und unter uneingeschränkter Achtung der<br />

Vielfalt der Kulturen, der Sprachen, der nationalen<br />

BildungssystemeundderAutonomiederUniversitäten“<br />

und<br />

b) in Zusammenarbeit auf Regierungs- und Hochschulebene<br />

und mit den „auf dem Gebiet der Hochschulen<br />

ausgewiesenen europäischen �Nichtregierungsorganisationen“<br />

folgende sechs bis 2010 zu<br />

verwirklichende Aktionsschwerpunkte verwirklicht<br />

werden:<br />

– Einführung eines Systems leicht verständlicher<br />

und vergleichbarer Abschlüsse, auch durch die Einführung<br />

des Diplomzusatzes (Diploma Supplement).<br />

– Einführung eines Systems, das sich im Wesentlichen<br />

auf zwei Hauptzyklen stützt, einen Zyklus bis<br />

zum ersten Abschluss (undergraduate) und einen<br />

Zyklus nach dem ersten Abschluss (graduate). Regelvoraussetzung<br />

für die Zulassung zum zweiten<br />

Zyklus ist der erfolgreiche Abschluss des ersten Studienzyklus,<br />

der mindestens drei Jahre dauert. Der<br />

nach dem ersten Zyklus erworbene Abschluss attestierteinefürdeneuropäischenArbeitsmarktrelevante<br />

Qualifikationsebene. Der zweite Zyklus sollte,<br />

wie in vielen europäischen Ländern, mit dem Master<br />

und/oder der Promotion abschließen.<br />

– Einführung eines Leistungspunktesystems – ähnlich<br />

dem �ECTS – als geeignetes Mittel der Förderung<br />

größtmöglicher Mobilität der Studierenden.<br />

Punkte sollten auch außerhalb der Hochschulen,<br />

bspw. durch lebenslanges Lernen, erworben werden<br />

können, vorausgesetzt, sie werden durch die jeweiligen<br />

aufnehmenden Hochschulen anerkannt.<br />

– Förderung der Mobilität durch Überwindung der<br />

Hindernisse, die der Freizügigkeit in der Praxis im<br />

Wege stehen, insbes. für Studierende (Zugang zu<br />

Studien- und Ausbildungsangeboten), für Lehrer,<br />

Wissenschaftler und Verwaltungspersonal (Anerkennung<br />

und Anrechnung von Auslandsaufenthal-


ten zu Forschungs-, Lehr- oder Ausbildungszwecken,<br />

unbeschadet der gesetzlichen Rechte dieser<br />

Personengruppen).<br />

– Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei<br />

der Qualitätssicherung im Hinblick auf die Erarbeitung<br />

vergleichbarer Kriterien und Methoden.<br />

– Förderung der erforderlichen europäischen Dimensionen<br />

im Hochschulbereich, insbes. in Bezug<br />

auf Curriculum-Entwicklung, Zusammenarbeit zwischen<br />

Hochschulen, Mobilitätsprojekte und integrierte<br />

Studien-, Ausbildungs- und Forschungsprogramme.<br />

(�Bologna-Prozess).<br />

Rechtliche Würdigung: Bei der Bologna-Erklärung<br />

handeltessichumeineintergouvernementaleBemühenserklärung<br />

außerhalb des Rechts- und institutionellen<br />

Rahmens der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Für sie gilt wie für den gesamten Bologna-Prozess<br />

(und den �Kopenhagen-Prozess), dass wegen fehlender<br />

vertraglicher Kompetenzen zwar eine politische<br />

Selbstbindung im Rahmen der jeweiligen einzelstaatlichen<br />

innerrechtlichen Möglichkeiten nicht<br />

geleugnet werden kann, jedoch im rechtlichen Sinne<br />

keine Handlungspflichten begründet werden. Die<br />

unterschiedlich gelagerten Zuständigkeiten und Beschlussfassungsverfahren<br />

in den UnterzeichnerländernlasseneinkonzertiertesHandelnnurauffreiwilligerBasiszu.<br />

I. H.<br />

Bologna-Prozess<br />

1. Begriff: Durch die �Lissabon-Strategie – parallel<br />

zum �Kopenhagen-Prozess (im Bereich der beruflichen<br />

Bildung) – für den Bildungsbereich ergriffene<br />

europaweite Initiative auf zwischenstaatlicher<br />

und/oder nichtstaatlicher Grundlage außerhalb des<br />

institutionellen und rechtlichen Rahmens der EU zur<br />

schrittweisen Verwirklichung eines kohärenten,<br />

transparenten und in seinen einzelstaatlichen Organisationsformen<br />

vergleichbaren Europäischen<br />

Hochschul- und Forschungsraumes bis 2010 mit den<br />

Schwerpunkten Strukturreform (Ablösung der kontinentalen<br />

Tradition einphasiger Studiengänge<br />

durchdreifachgestuftekonsekutivePhasenmiteigenen<br />

Abschlüssen: Bachelor / Master mit Diploma-<br />

Supplement und Doktoratsstudium), Anerkennung<br />

der Studienzeiten und -abschlüsse, Qualitätssicherung<br />

und Förderung der Mobilität von Lehrenden<br />

und Lernenden, eingeleitet durch die �Sorbonner<br />

und �Bologna-Erklärungen, ergänzt durch die Folgekonferenzen<br />

von Prag, Berlin und Bergen und<br />

Bologna-Prozess<br />

zahlreiche nichtstaatliche Erklärungen, Seminare<br />

und Konferenzen.<br />

2. Hintergrund, Vorgeschichte<br />

2.1 Verwirklichung des �Binnenmarktes: Das am<br />

14. 6. 1985 veröffentlichte „Weißbuch zur Vollendung<br />

des Binnenmarktes“ (KOM 1985/310 endg.)<br />

schlug 279 bis 1992 durchzuführende gesetzgeberische<br />

Maßnahmen vor. Dazu gehörten auch solche,<br />

die den Bildungs- und Ausbildungsbereich berührten<br />

(Gleichwertigkeit der beruflichen Ausbildung,<br />

Vergleichbarkeit der Abschlusszeugnisse und der<br />

Universitätszeugnisse, die gegenseitige Anerkennung<br />

der Grade und Diplome, die Förderung der Mobilität<br />

der Studenten und die Schaffung eines Gemeinschaftssystems<br />

für studentische Stipendien).<br />

2.2 Die Konzeption eines „Bildungsraums Europa“<br />

(Hochschulraum/Forschungsraum) als Ergänzung<br />

des ökonomisch definierten Binnenmarktes mit dem<br />

wesentlichen Ziel akademischer Freizügigkeit (Mobilität).<br />

2.3 Die Begünstigung von Initiativen außerhalb des<br />

institutionellen Rahmens der EU durch<br />

– dieBegrenzungderUnionszuständigkeitenimBildungs-<br />

und Kulturbereich durch den �Maastrichter<br />

Vertrag auf das „Unterstützen“ und „Ergänzen“ mitgliedstaatlicher<br />

Politik, die die Mitgliedstaaten zur<br />

gegenseitigen Abstimmung ihrer einzelstaatlichen<br />

Bildungs- und Ausbildungspolitiken untereinander<br />

verpflichtete (Art. 126 a. F./149 Abs. 1 und 127 a. F./<br />

150 Abs. 1 EGV, Gutachten des Juristischen Dienstes<br />

des Rates vom 21. 9. 2004 Ziff. 20, Entschließung<br />

des EP vom 5. 6. 2003), und die fehlende vertragliche<br />

Kompetenz, die Lehrinhalte und die Gestaltung<br />

der Bildungssysteme (Studienstrukturen,<br />

Studienorganisation, akademische Abschlüsse) zu<br />

regeln,<br />

– das Verbot der Harmonisierung der Rechts- und<br />

Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten durch<br />

die Union,<br />

– die Praxis der Kommission, außerhalb des InstitutionengefügesderGemeinschaftKontakt-(z.B.über<br />

die Generaldirektoren in den Mitgliedstaaten) und<br />

Steuerungsaufgaben(z.B.überdie �„offeneKoordinierungsmethode“)<br />

wahrzunehmen,<br />

– die parallel zum Bologna-Prozess stattfindenden<br />

Konferenzen der europäischen Bildungsminister<br />

(Warschau 1997, Prag 1998, Budapest 1999, Bukarest<br />

2000, Riga 2001, Bratislava 2002, Nikosia 2003,<br />

Oslo 2004) zu Themen außerhalb des Vertrages.<br />

119


Bologna-Prozess<br />

2.4 Die Beschlüsse der Europäischen Räte von:<br />

– Lissabon (23./24. 3. 2000; �Lissabonstrategie,<br />

�Kopenhagen-Prozess) mit der Aufforderung an die<br />

Mitgliedstaaten, im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen<br />

Vorschriften sich für die Beseitigung der Mobilitätshindernisse,<br />

mehr Transparenz bei der Anerkennung<br />

von Abschlüssen und von Studien- und<br />

Ausbildungszeiten einzusetzen und Überlegungen<br />

über die konkreten künftigen Ziele der Bildungssysteme<br />

anzustellen, und<br />

– Barcelona (15./16. 3. 2002), die Systeme der allgemeinen<br />

und beruflichen Bildung bis 2010 „zu einer<br />

weltweiten Qualitätsreferenz“ zu machen.<br />

2.5 Zahlreiche seit 1990 in der �„gemischten Formel“<br />

vom Bildungsministerrat gefasste hochschulpolitische<br />

Schlussfolgerungen und Entschließungen.<br />

2.6 Bereits außerhalb des EU-Vertrages eingeleitete<br />

Maßnahmen im Rahmen einzelstaatlicher Bildungspolitik<br />

zur strukturellen und inhaltlichen Reform des<br />

Hochschulwesens durch die Einführung gestufter<br />

Studiengänge und entsprechender Abschlüsse. Hierzu<br />

gehören in der Bundesrepublik<br />

– das „Kasseler Modell“ der gestuften Studiengänge,<br />

– die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes<br />

vom 20. 8. 1998 (Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge)<br />

und ihre Umsetzung in die Landeshochschulgesetze,<br />

– DieReformbemühungenzur„Steigerungderinternationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandorts<br />

Deutschland“ durch auslandskompatible Studienzeiten,<br />

Studiengänge und -abschlüsse – einschl.<br />

des Diploma Supplement –, und zur Förderung der<br />

Mobilität, die sich in den Berichten und Folgeberichten<br />

der KMK seit 1996 und den Gemeinsamen Erklärungen<br />

der Regierungschefs von Bund und Ländern<br />

spiegeln.<br />

3. Chronologie und Zielsetzungen<br />

3.1BolognaMagnaChartaUniversitatum1988.Die<br />

an der 900-Jahr-Feier der Universität Bologna teilnehmenden<br />

über 400 europäischen Universitätsrektoren<br />

und -präsidenten verabschiedeten eine feierliche<br />

Erklärung über die „Schlüsselfunktion“ der<br />

Hochschulen bei der Schaffung eines europäischen<br />

Hochschulraumes(�MagnaChartaUniversitatum).<br />

3.2 Lissabon 1997. Die von der Unesco und dem Europarat<br />

angesichts der fortschreitenden europäischenEinigungbeschlossene„LissabonnerKonven<br />

120<br />

tion über die Anerkennung von Qualifikationen im<br />

Hochschulbereich in der Europäischen Region“ vom<br />

11. 4. 1997 (Anerkennung im Ausland erworbener<br />

Qualifikationen, Transparenz des Anerkennungsverfahrens,<br />

Einführung des sog. Diploma Supplement<br />

[DS] als jedem Universitäts- oder FachhochschuldiplombeizufügenderBeschreibungderQualifikation,<br />

als Beurteilungshilfe für die Immatrikulationsbehörde<br />

der Partnerstaaten) gilt als ein völkerrechtlicher<br />

Vertrag von Bedeutung für den Bologna-Prozess.<br />

Die Konvention wurde bis zum März<br />

2004 von 36 Staaten ratifiziert (Ratifikation durch<br />

die Bundesrepublik für 2005 angestrebt).<br />

3.3 Sorbonne-Erklärung 1998. Als Beginn des Bologna-Prozesses<br />

gilt im allgemeinen die Sorbonne-Erklärung<br />

vom 25. 5. 1998 zur „Harmonisierung der<br />

Architektur der europäischen Hochschulbildung“<br />

(�Sorbonne-Erklärung).<br />

3.4 Charta von Köln 1999. Am 1. 5. 1999 griffen die<br />

Staats- und Regierungschefs der G 8-Staaten die Bildungsproblematik<br />

in der Charta von Köln erstmalig<br />

als Thema auf (�Charta von Köln).<br />

3.5 Bologna-Erklärung 1999. In der Erklärung „Der<br />

Europäische Hochschulraum“ vom 19. 6. 1999 erklärten<br />

die 31 Bildungsministerinnen und -minister<br />

ihre Bereitschaft, 6 Ziele bis zum Jahre 2010 umzusetzen<br />

(�Bologna-Erklärung).<br />

3.6 Florenz-Erklärung 1999. Eine Initiative, den<br />

�Bologna-Prozess auf die Grundbildung auszudehnen<br />

(„Lernen in Europa, Zusammenarbeit zur Bewältigung<br />

gemeinsamer Herausforderungen“) führte<br />

zur �„Florenz-Erklärung“ vom 30. 9. 1999.<br />

3.7StudentGöteborgConvention2001(25.3.2001).<br />

Damit nahmen die National Unions of Students in<br />

Europe (ESIB) zu dem Bologna-Prozess Stellung.<br />

Sie befürworteten die beabsichtigten Reformen, unterstrichenaberdieNotwendigkeit,dieStudierenden<br />

am Reformprozess zu beteiligen und die sozialen<br />

AspekteunddieBedeutungderMobilitätstärkerhervorzuheben.<br />

3.8 Academic Convention of Salamanca 2001. Auf<br />

einem Konvent der Europäischen Hochschulinstitutionen<br />

„The Bologna-Process and the European Higher<br />

Education Area“ vom 29./30 5. 2001 in Salamanca<br />

beschlossen die Vertreter von 600 europäischen<br />

Hochschulen und Hochschulorganisationen, eine<br />

Botschaft an die Prager Folgekonferenz zu richten.<br />

Darin bekundeten sie ihre Unterstützung der Grundsätze<br />

der Magna Charta Universitatum und der Bolo-


gna-Erklärung zur Schaffung eines Europäischen<br />

Hochschulraumsbis2010undvereinbartenfolgende<br />

„Ziele, Grundsätze und Prioritäten“:<br />

– Hochschulbildung ist ein Bereich der öffentlichen<br />

Verantwortung,keine„Ware“,siedientauchderpersönlichen<br />

Entfaltung und ist Teil des lebenslangen<br />

Lernens,<br />

– Lehre und Forschung sind untrennbar miteinander<br />

verbunden, insofern ist der europäische Hochschulraum<br />

durch einen Forschungsraum zu ergänzen,<br />

– grundlegende Elemente des Europäischen Hochschul-/Forschungsraumes<br />

sind die Vielfältigkeit der<br />

Hochschulsysteme, ihre Qualitätssicherung und die<br />

Förderung der Mobilität, sowie<br />

– die Kompatibilität der Abschlüsse.<br />

Auf der Tagung wurde außerdem die Gründung der<br />

Europäischen Hochschulvereinigung (European<br />

University Association EUA) in Salamanca beschlossen.<br />

3.9 Prager Kommuniqué 2001. Die nach Aufnahme<br />

Liechtensteins, Kroatiens, der Türkei und Zyperns<br />

nunmehr 33 Staatenvertreter vereinbarten auf der<br />

1. Bologna-Folgekonferenz in Prag (18./19. 5. 2001)<br />

das �Prager Kommuniqué mit dem Titel „Auf dem<br />

Weg zum europäischen Hochschulraum“.<br />

3.10 Grazer Erklärung 2003. Nach Salamanca fand<br />

Ende Mai 2003 in Graz die zweite Konferenz statt, an<br />

der 600 Hochschulrektoren und -präsidenten, Studierende,<br />

Regierungsvertreter und weitere Partner<br />

eine Botschaft an die Berliner Bologna-Nachfolgekonferenz<br />

richteten. Schwerpunkte der Grazer Erklärung<br />

sind: Hochschulbildung als öffentliche Aufgabe;<br />

Forschung als integraler Bestandteil der Hochschulbildung;<br />

Verbesserung der akademischen Qualität<br />

durch Stärkung der Hochschulautonomie; Förderung<br />

der akademischen Mobilität und ihrer sozialenDimension;VoranbringendesBolognaprozesses<br />

(Einführung einer zweistufigen Studienstruktur mit<br />

Promotionsphase als dritter Stufe; Einsatz von<br />

ECTS;gemeinsameDefinitionenfürQualifikationsrahmen<br />

und Lernergebnisse; Einbeziehung von<br />

Hochschullehrern, Studierenden, Fachverbänden<br />

und Arbeitgebern in die Neugestaltung der Curricula;<br />

Einführung des Diploma Supplements).<br />

3.11 Berlin-Kommuniqué 2003. Die zweite Folgekonferenz<br />

fand am 18./19. 9. 2003 in Berlin statt. In<br />

dem Berlin-Kommuniqué „Den europäischen Hochschulraum<br />

verwirklichen“ vereinbarten die MinisterinnenundMinister,zurBeschleunigungdesProzes<br />

Bologna-Prozess<br />

ses für die nächsten Jahre (bis 2005) kurzfristige<br />

Prioritäten und neue Ziele (�Berlin-Erklärung).<br />

3.12 Bergen 2005. Auf Beschluss der Berliner Konferenz<br />

wurde zur Vorbereitung der 3. Bologna-<br />

Nachfolgekonferenz am 19./20. 5. 2005 in Bergen<br />

beschlossen, dass die Follow up-Gruppe unter Mitwirkung<br />

der Kommission eine Bestandsaufnahme<br />

(„synoptischer Überblick über den Bologna-Prozess“)<br />

bis 2005 erarbeitet und die detaillierten Berichte<br />

der Mitgliedstaaten über die erzielten Fortschritte<br />

und die Umsetzung der mittelfristigen Prioritäten<br />

vorgelegt werden. In Bergen wurde ein weiterer<br />

Fortschrittsbericht bis 2007 (London) beschlossen:<br />

„Kommuniqué von Bergen – Der europäische<br />

Hochschulraum – die Ziele erreichen.“ Die 4. Bologna-Nachfolge-Konferenz<br />

findet 2007 in London<br />

statt.<br />

Rechtliche Würdigung: Die Bologna-Erklärung wie<br />

auch die Erklärungen der Folgekonferenzen von<br />

Prag 2001, Berlin 2003 und Bergen 2005, allgemein<br />

als „Bologna-Prozess“ bezeichnet, stellen intergouvernementale,<br />

unverbindliche Bemühenserklärungen<br />

der unterzeichnenden Ministerinnen und Minister<br />

außerhalb des Willensbildungs- und Beschlussfassungsprozesses<br />

der EU dar. Trotzdem ist ihnen<br />

eine politische Bindungswirkung im Rahmen zwischenstaatlicher<br />

Kooperation nicht abzusprechen.<br />

Für die am Bologna-Prozess beteiligten Staaten untereinander<br />

gibt es keine rechtlich verbindliche Umsetzungspflicht<br />

der Ziele des Bologna-Prozesses. So<br />

gesehen, fehlt ihm die demokratische Legitimation<br />

durch die nationalen Parlamente.<br />

Zur Frage der Vereinbarkeit der zwischenstaatlichen<br />

Initiative mit dem Initiativmonopol der Kommission<br />

ist festzustellen: Zwar läuft der Bologna-Prozess seit<br />

der ihm voraufgehenden Sorbonne-Erklärung vom<br />

25. 5. 1998 parallel zur offiziellen Bildungspolitik<br />

der Union (Kommission: „außerhalb des EU-Kontexts“).Bundesrat(Drs.249/93–Beschlussvom7.5.<br />

1993), KMK und MPK (Protokollerklärung vom 29.<br />

10. 1993) hatten sich deshalb gegen eine von der<br />

Bundesregierung vertretene intergouvernementale<br />

(dem Vorlagemonopol der Kommission zuwider<br />

laufende) europäische Bildungspolitik mit der Begründung<br />

ausgesprochen, dass die Kompetenzverteilung<br />

des am 1. 11. 1993 in Kraft getretenen Vertrags<br />

von Maastricht für sog. „gemischte Beschlüsse“<br />

(�gemischte Formel) keinen Raum mehr ließ (die<br />

Bundesregierung war anderer Meinung und wollte<br />

121


Bonner Erklärung<br />

auf diese Beschlussfassungsform nicht verzichten).<br />

Aber diese kritische Haltung änderte sich, als die<br />

Kommission selbst ihre vertraglichen Rechte nicht<br />

verletzt sah, indem sie versicherte, dass der Bologna-Prozess<br />

sich in die Ziele der Beschlüsse der Europäischen<br />

Räte von Lissabon (23./24. 3. 2000) und<br />

Barcelona (15./ 16. 3. 2002) einordne. Die Kommission<br />

erklärte nach der zweiten Folgekonferenz in<br />

Berlin sogar, dass „die Ziele der Bologna-Erklärung<br />

in vielerlei Hinsicht den Zielen der EU-Programme<br />

im Hochschulbereich, unter Einschluss des Doktoratniveaus“<br />

entsprechen, so dass „eine engere Verknüpfung<br />

sowohl logisch als auch notwendig erscheint“<br />

(KOM 2004/156 endg.). Das gelte „insbesondere<br />

für Bereiche wie die Qualitätssicherung, das<br />

Europäische System zur Anrechnung von Studienleistungen<br />

(ECTS), die Mobilitätsförderung und die<br />

Europäische Dimension der Bildung“: KOM 2004/<br />

642 endg. (zur Qualitätssicherung); KOM 2004/474<br />

endg. (zu ECTS); KOM 2004/021 endg. (zur Mobilität);<br />

KOM 2004/156 endg. (zur Europäischen Dimension<br />

der Bildung).<br />

Die für die Hochschulpolitik im Wesentlichen zuständigen<br />

Länder der Bundesrepublik erklärten folglich<br />

in Abänderung ihrer anfänglichen, eine intergouvernementale<br />

Bildungspolitik ablehnenden,<br />

Haltung, dass der Bologna-Prozess im Einklang mit<br />

ihren eigenen Zielsetzungen stünde (hierzu auch:<br />

Entschließung des 193. Plenums der HRK vom<br />

19./20.2.2001),dieBundundLändergemeinsamfür<br />

die „Modernisierung des Hochschulwesens in<br />

Deutschland und die Stärkung seiner internationalen<br />

Attraktivität“ entwickelt haben.<br />

Hierdurch entwickelte sich der Bologna-Prozess zu<br />

einer Politik, die es (wie der �Kopenhagen-Prozess)<br />

durch seine freiwillige, auch Nicht-EU-Mitglieder<br />

und die zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht<br />

ausschließende, unverbindliche Form der Kooperation<br />

zulässt, dass Themen aufgegriffen werden, die<br />

im Rahmen des EU-Vertrages nicht behandlungsfähig,<br />

aber der Förderung einer weit gefassten europäischen<br />

„self-identity“ förderlich sind.<br />

Ausblick: Eine Anfang 2004 vom BMBF vorgelegte<br />

Studie „Bachelor und Master in Deutschland“ (von<br />

Schwarz-Hahn, Rehburg) belegt, dass die neuen Bachelor-<br />

und Masterstudiengänge 15 % des StudienangebotsinDeutschlandausmachen.ÜberdieHälfte<br />

dieser Studiengänge wurden völlig neu entwickelt.<br />

Bei 60 % der neuen Studiengänge gehören interna-<br />

122<br />

tionale Kooperationen fest zum Programm. Etwa<br />

zwei Drittel der Lehrveranstaltungen werden teilweise<br />

in einer Fremdsprache abgehalten. Mehr als<br />

80%derneuenStudiengängewerdeninModulenangeboten,<br />

knapp 90 % haben ein Leistungspunktsystem<br />

und studienbegleitende Prüfungen. Dadurch erhöht<br />

sich die internationale Vergleichbarkeit der<br />

neuen Abschlüsse und die Attraktivität eines grenzüberschreitenden<br />

Wechsels zwischen den Hochschulen.<br />

In Bergen traten dem Bologna-Prozess die Länder<br />

Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien<br />

undUkrainebei. I. H.<br />

Internet: www.bologna-bergen2005.no<br />

Literatur:<br />

Edel, K.-O.: Bologna und die Folgen. Brandenburg 2004<br />

Evanet – Extra 3, Informationen und Links zum „Bologna-<br />

Prozess“, HIS 16. 4. 2003<br />

Haug, G.: Trends and Issues in Learning Structures in Higher<br />

Education in Europe. In: Beiträge zur Hochschulpolitik<br />

12/2001, Bonn<br />

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Education (I). 7. 6. 1999<br />

Haug, G./Tauch, Ch.: Trends in Learning Structures in Higher<br />

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and Prague Conferences of March/May 2001<br />

Hochbaum, Ingo: Zur Mobilität der Lehrkräfte in der<br />

Europäischen Union. RdJB 2/2001, 180<br />

Kleinwächter, C.: Dokumentation zur hochschulpolitischen<br />

Entwicklung im Bereich der modularisierten und gestuften<br />

Studiengänge und ihrer Akkreditierung bis Juni 2003. GEW<br />

Niedersachsen 2003<br />

Lourtie, P.: Furthering the Bologna Process. Report to the<br />

Ministers of Education of the signatory countries. Prag 2001<br />

Schwarz-Hahn, St./Rehburg, M.: Bachelor und Master in<br />

Deutschland. Kassel 2003<br />

Seifert, M.: Rechtliche Grundlagen des Bologna-Prozesses und<br />

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Anerkennung von Diplomen. Europainstitut Wirtschaftsuniversität<br />

Wien 2004 (mit Bibliografie)<br />

Reichert, S./Tauch, Ch.: Trends 2003, Progress towards the<br />

European Higher Education Area. Report to the Berlin<br />

Conference 2003<br />

Dies.: Trends IV, European Universities implementing<br />

Bologna. EUA 25. 4. 2005<br />

Tauch, Ch./Rauhvargers, A.: Survey on Master Degrees and<br />

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countries. Berlin 2003<br />

Bonner Erklärung vom 21. 6. 1999 zur Partnerschaft<br />

EU–USA an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.<br />

Es wurden Mechanismen zur Früherkennung


von Meinungsverschiedenheiten zwischen den<br />

transatlantischen Partnern vereinbart, insbes. im Bereich<br />

Handel. Außerdem anerkannten die USA die<br />

gleichberechtigte Partnerschaft der Europäischen<br />

Union bei der Lösung regionaler und globaler Fragen.<br />

Bosman-/Fußball-Urteil. Der belgische Berufsfußballspieler<br />

Jean-Marc-Bosman hatte gegen die<br />

von der UEFA/FIFA aufgestellten Transfer- und<br />

Ausländerklauseln geklagt, die seine freie Arbeitsplatzwahl<br />

beschränkten und somit nicht mit den Bestimmungen<br />

über Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar<br />

seien. Im Urteil vom 15. 12. 1995 (Slg. 1995,<br />

I-4921) entschied der EuGH im Wege der Vorabentscheidung<br />

insbes., dass Art. 39 EGV (freier Personenverkehr)<br />

der Anwendung von durch Sportverbände<br />

aufgestellten Regeln entgegensteht, nach denen<br />

ein Berufsfußballspieler, der Staatsangehöriger<br />

eines Mitgliedstaates ist, bei Ablauf des Vertrages,<br />

der ihn an einen Verein bindet, nur dann von einem<br />

Verein eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt<br />

werden kann, wenn dieser dem bisherigen Verein<br />

eine Transfer-, Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung<br />

gezahlt hat. Außerdem stünde Art. 39<br />

EGV der Anwendung solcher Regeln entgegen, nach<br />

denen die Fußballvereine bei den Spielen der von<br />

diesen Verbänden veranstalteten Wettkämpfe nur<br />

eine begrenzte Anzahl von Berufsspielern, die<br />

Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, aufstellen<br />

können. Im Anschluss an die �Dassonville-<br />

Formel formulierte der EuGH, dass Art. 39 EGV<br />

„nicht nur jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung<br />

aus Gründen der Staatsangehörigkeit,<br />

sondern auch nationale Regelungen verbietet, die,<br />

auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit<br />

der betroffenen Arbeitnehmer anwendbar sind,<br />

deren Freizügigkeit beeinträchtigen“. Damit baute<br />

der EuGH auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit von<br />

einem bloßen Diskriminierungsverbot weiter in<br />

Richtung auf ein allgemeines Beschränkungsverbot<br />

aus. J. M. B.<br />

Briand, Aristide (1862 – 1932), französischer Ministerpräsident<br />

(1910 – 1911, 1913, 1915 – 1917,<br />

1921 – 1922, 1925 – 1926, 1929) und Minister in<br />

verschiedenen Ressorts. War insbes. bemüht um die<br />

Wahrung der französischen Sicherheitsinteressen in<br />

Europa (Locarno-Verträge von 1925), förderte den<br />

BSE<br />

„Kriegsächtungspakt“ (Briand-Kellogg-Pakt von<br />

1928) und setzte sich ein für einen föderalen Zusammenschluss<br />

der europäischen Staaten („Memorandum<br />

über die Organisation eines Systems europäischer<br />

föderativer Union“ von 1930).<br />

BRITE/EURAM (Basic Research in Industrial Technologies<br />

for Europe and European Research in Advanced<br />

Materials). EU-Programme im Bereich Forschung<br />

und technologische Entwicklung ab 1984 bis<br />

1998. Ziel war die vorwettbewerbliche Forschung<br />

für fortgeschrittene Werkstoff-, Produktions- und<br />

Verfahrenstechnologien. Gefördert wurden Kooperationen<br />

von Hochschulen, Forschungseinrichtungen<br />

und Unternehmen. Das erste BRITE-Programm<br />

startete 1984 (im ersten EU-Forschungsrahmenprogramm<br />

FP1), das erste BRITE/EURAM-Programm<br />

1988 (FP2). Es wurde in den folgenden Rahmenprogrammen<br />

erneuert bis BRITE/EURAM III (FP4) mit<br />

einer Laufzeit von 1994 bis 1998 und einem Etat von<br />

1,6 Mrd. ECU. BRITE/EURAM wurde im FP5 abgelöst<br />

durch das Programm �Growth (Competitive and<br />

sustainable Growth).<br />

Brüssel, Hauptstadt Belgiens, ist als Sitz oder<br />

Tagungsort von Organen der EU (Rat, Kommission,<br />

Parlament) zentraler Ort von Beratungen und Entscheidungen<br />

der Gemeinschaft. Der Ortsname<br />

„Brüssel“ wird auch stellvertretend für die EU oder<br />

für das Organ Kommission verwendet, häufig in kritischer<br />

Absicht.<br />

Brüsseler Übereinkommen �Gerichtsstands- und<br />

Vollstreckungs-Übereinkommen<br />

BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie), seit<br />

Mitte der 1980er Jahre unter Rindern zunächst in<br />

Großbritannien epidemisch auftretende degenerative<br />

Hirnerkrankung. Die Krankheitsform ist bei<br />

Schafen seit langem als Scrapie bekannt und ähnelt<br />

der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bei Menschen. Die<br />

Seuche, derentwegen mehrere hunderttausend Tiere<br />

getötet werden mussten, wurde durch Verfütterung<br />

vonausSchafenhergestelltemTiermehlausgelöst.<br />

Wegen der Gefahr der seuchenartigen Ausbreitung<br />

der Krankheit und der Gefahr möglicher Übertragbarkeit<br />

der Erreger auf Menschen hat die EU eine<br />

ReihevonMaßnahmenzurEindämmungderRinderkrankheit<br />

BSE ergriffen, u. a.:<br />

123


Budapester Forum<br />

– Entscheidung 89/469 untersagte den Versand lebender<br />

Rinder aus Großbritannien, die vor dem 18. 7.<br />

1988 geboren worden waren oder von verdächtigen<br />

Rindern abstammten.<br />

– Entscheidung 90/134 machte die Meldung aller<br />

BSE-Fälle zur Pflicht.<br />

– Entscheidung 90/200 untersagte den Versand bestimmter<br />

Teile von mehr als sechs Monaten alten<br />

Rindern aus Großbritannien.<br />

– Entscheidung 94/382 verbot die Verfütterung von<br />

(Säuge-)Tiermehl an Wiederkäuer.<br />

– Entscheidung 96/239 verbot den Export von Rindern<br />

und Rindserzeugnissen aus Großbritannien in<br />

EU- und Drittländer, in Teilen aufgehoben durch<br />

Entscheidungen 98/256 und 98/692 und zum 1. 8.<br />

1999völligaufgehobendurchEntscheidung99/514.<br />

– Entscheidung 98/653 führte Tests zur Überwachung<br />

der übertragbaren spongiformen Enzephalopathien<br />

ein; Schnelltest wurden eingeführt durch<br />

Entscheidung 2000/374.<br />

– Entscheidung 98/653 verhängte ein Rinderembargo<br />

über Portugal.<br />

– Entscheidung 2000/418 untersagte für die Nahrungsmittel-<br />

und Futtermittelkette die Verwendung<br />

tierischer Gewebe mit hohem BSE-Risiko (wie<br />

Schädel, Tonsillen, Rückenmark, Ileum).<br />

Im Zeitraum 1987 bis 30. 4. 2005 wurden weltweit<br />

insgesamt 189 432 Fälle von BSE bestätigt, davon<br />

182 920 in Großbritannien und Nordirland, 1 485 in<br />

Irland, 959 in Frankreich, 951 in Portugal, 554 in<br />

Spanien, 457 in der Schweiz, 376 in Deutschland.<br />

Budapester Forum für Europa – Institut für EuropäischesRecht,WirtschaftundVerwaltung.Stiftung<br />

ungarischen Rechts, ins Leben gerufen 2001 von der<br />

Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit<br />

(IRZ). Offeriert Weiterbildung für Juristen<br />

mit Bezug auf Gemeinschaftsrecht, richtet<br />

Diskussionsforen zu europa- und wirtschaftsrechtlichen<br />

Fragen aus, organisiert multilaterale Konferenzen,<br />

Symposien und Workshops.<br />

Adresse: Szent István krt. 17.3. 7/a, H–1055 Budapest.<br />

Internet: www.budforum.hu<br />

Bulletin der Europäischen Union. Es wird vom<br />

�Amt für Veröffentlichungen der EU herausgegeben,<br />

erscheint zehnmal pro Jahr und beschreibt in<br />

knapper Form die Maßnahmen der Kommission und<br />

der anderen Organe und Institutionen der Gemein-<br />

124<br />

schaft (Ausgabe1/2über Ereignisse von Januar und<br />

Februar erscheint im April). Es ist in Papierform erhältlich<br />

und im Internet zugänglich. Bis 2004 ist es in<br />

allenAmtssprachenerschienen,seit2005nurnochin<br />

Deutsch, Englisch und Französisch. Das Bulletin<br />

wird ergänzt durch den jährlich erscheinenden �Gesamtbericht<br />

über die Tätigkeit der Europäischen<br />

Union mit einem Überblick über das Vorjahr.<br />

Internet: http://europa.eu.int/abc/doc/off/bull/de/welcome.htm<br />

Bund-Länder-Vereinbarung (BLV). Die BLV<br />

(abgedruckt im Handbuch des Bundesrates) wurde<br />

zur Ergänzung des EUZBLG (�Zusammenarbeitsgesetz)<br />

am 23. 3. 1993 geschlossen und am 8. 6. 1998<br />

geändert. Darin werden Einzelheiten der Ländermitwirkung<br />

vereinbart. Zunächst wird sehr detailliert<br />

geregelt, in welcher Weise und hinsichtlich welcher<br />

Art von Dokumenten die Unterrichtung des Bundesrates<br />

durch die Bundesregierung erfolgt, z. B. durch<br />

Dokumente der Kommission und ihrer Dienststellen,<br />

des Europäischen Rates, Berichte und Mitteilungen<br />

von Organen der Europäischen Union, Berichte<br />

der Ständigen Vertretung über Sitzungen des Rates<br />

und der Ratsgruppen, der informellen Ministertreffenunddes�AusschussesderStändigenVertreter.<br />

Des Weiteren enthält die BLV Regelungen, in welcher<br />

Weise sog. Ländervertreter (Einzelheiten �Zusammenarbeitsgesetz)<br />

bei den Beratungen der Bundesregierung<br />

zur Festlegung ihrer Verhandlungsposition<br />

für den Ministerrat beteiligt werden.<br />

Eine fortlaufende Unterrichtung über den Fortgang<br />

der Verhandlungen auf europäischer Ebene stellt sicher,dassderBundesratseineStellungnahmeanveränderte<br />

Verhandlungssituationen auf der europäischen<br />

Ebene anpassen kann. Auch für den Fall des<br />

Auseinanderfallens der Positionen von Bundesrat<br />

und Bundesregierung wird eine „Regieanweisung“<br />

formuliert.<br />

Die Regelungen zur Hinzuziehung von Ländervertretern<br />

in die europäischen Gremien reichen von der<br />

Mitteilung der technischen Daten über Ort und Zeit<br />

der Sitzungen bis zur Führung einer sog. Gremienliste.<br />

Festgehalten ist die Stellung der Ländervertreter<br />

als Mitglieder der deutschen Delegation und die Delegationsleitung<br />

sowie die Möglichkeit des Ländervertreters<br />

zu Wortbeiträgen.<br />

Da die Länder bisher keine eigenen Klagerechte zu<br />

den europäischen Gerichten haben, erläutert die<br />

BLV, dass auf Beschluss des Bundesrates die Bun-


desregierung Klage beim Europäischen �Gerichtshof<br />

oder beim Gericht Erster Instanz erheben muss.<br />

Aufgabe der Länder ist es dann, rechtzeitig eine ausführliche<br />

Stellungnahme dafür zur Verfügung zu<br />

stellen. In der BLV werden auch die sog. �Länderbürosunddersog.�Länderbeobachterangesprochen.<br />

Zur BLV gibt es Protokollnotizen und -erklärungen<br />

(abgedruckt im Handbuch des Bundesrates), aus denen<br />

die Punkte ersichtlich sind, zu denen zwischen<br />

Bund und Ländern keine Einigung erzielt werden<br />

konnte.DazuzähltetwadieFrage,inwieweiteinEinvernehmen<br />

des Bundesrates auch für eine Stimmenthaltung<br />

Deutschlands im Rat der Europäischen<br />

Unionerforderlichist. H. D.-K.<br />

Literatur:<br />

Dette-Koch, H. E.: Die Rolle des „Länderbeobachters“ im<br />

Rahmen der Mitwirkung der Länder an der europäischen Integration.<br />

In: Thüringer Verwaltungsbl. 1997, S. 169 ff.<br />

Bürgeranfragen sind Fragen, Informationsersuchen,<br />

Vorschläge oder Empfehlungen der Bürger an<br />

das Europäische Parlament. Sie müssen die Tätigkeitsbereiche<br />

der Europäischen Union betreffen. Sie<br />

werden schriftlich in einer der 20 Amtssprachen der<br />

EU über den Briefkasten des EP eingereicht, der über<br />

die Website des EP (www.europarl.eu.int) unter<br />

„ABC / Bürgeranfragen“ zu erreichen ist.<br />

Bürgerbeauftragter, Europäischer. Im Unterschied<br />

zum �Petitionsrecht, das auf eine lange Tradition<br />

zurückreicht, gab es den Bürgerbeauftragten<br />

oder Ombudsmann lange Zeit nur in den skandinavischen<br />

Ländern Schweden (1809 justitieombudsman),<br />

Finnland (1919) und Dänemark (1953); er ist<br />

dort zur Kontrolle der Verwaltung eingesetzt. Ab<br />

Anfang der 1970er Jahre wurden in vielen Mitgliedstaaten<br />

der EG Ombudsmannstellen geschaffen. In<br />

Deutschland gibt es auf Bundesebene vom Parlament<br />

eingesetzte Bürgerbeauftragte nur für spezielle<br />

Zuständigkeiten (Wehrbeauftragter nach Art 45 c<br />

GG und Bundesbeauftragter für Datenschutz). Lediglich<br />

einige Bundesländer (Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein,<br />

Thüringen) haben Bürgerbeauftragte.<br />

1. Begriffserklärung und Merkmale: Nach klassischen<br />

Definitionen handelt es sich beim Bürgerbeauftragten<br />

um ein Organ zur Kontrolle der Verwaltung.<br />

Typologisch unterscheidet man zwischen Parlamentsbeauftragten,<br />

die auf Beschluss eines Parlaments<br />

eingesetzt und diesem verantwortlich sind,<br />

Bürgerbeauftragter<br />

Regierungsbeauftragten, die von der sie berufenden<br />

Verwaltungseinheit abhängig sind, und speziellen<br />

Bürgerbeauftragten, die von der Legislative oder der<br />

Exekutive eingesetzt sind und deren Zuständigkeit<br />

auf einen Kompetenzbereich beschränkt ist.<br />

Im traditionellen Verständnis wählt das Parlament<br />

einen Bürgerbeauftragten zur Kontrolle der Verwaltung<br />

und zur Entgegennahme von Beschwerden. Insofern<br />

ergänzt und erweitert der Bürgerbeauftragte<br />

einerseits die Kontrollfunktion des Parlaments und<br />

vertritt andererseits die Bürgerinteressen. Er ist in<br />

seiner Amtsführung unabhängig und keinerlei Weisungen<br />

unterworfen. Als unparteiischer Sachwalter<br />

vermittelt er nicht nur zwischen den Bürgerinnen<br />

bzw. Bürgern und der Verwaltung, sondern kann<br />

auch aus eigener Initiative tätig werden, um auf mögliche<br />

Fehlinterpretationen von Gesetzen durch die<br />

Verwaltung hinzuweisen. Zur Ausübung seiner Tätigkeit<br />

ist er mit einem umfangreichen Frage- und Informationsrecht<br />

ausgestattet.<br />

2. Sinn und Zweck des Europäischen Bürgerbeauftragten:<br />

1979 befürwortete das Europäische Parlament<br />

die Einsetzung eines Parlamentsbeauftragten,<br />

der Beschwerden der Gemeinschaftsbürger prüfen<br />

und diese über die vorhandenen Rechtsbehelfe belehren<br />

sollte. Die Diskussion um den Europäischen<br />

Bürgerbeauftragten wurde im Schlussbericht des<br />

�Adonnino-Ausschusses zum �Europa der Bürger<br />

wieder aufgegriffen. Jedoch erst mit dem Maastrichter<br />

Vertrag trat am 1. 11. 1993 der neu hinzugefügte<br />

Art. 138e EGV (jetzt Art. 195 EGV) zum Europäischen<br />

Bürgerbeauftragten in Kraft. Im September<br />

1995 trat mit dem früheren finnischen Ombudsmann<br />

Jakob Magnus Söderman der erste Europäische Bürgerbeauftragte<br />

sein Amt an; sein Nachfolger wurde<br />

zum 1. 4. 2003 der Nationale Bürgerbeauftragte<br />

Griechenlands, Nikiforos Diamandouros.<br />

Der Vertragstext des Art. 195 EGV in den verschiedenen<br />

Amtssprachen veranschaulicht die Mehrschichtigkeit<br />

der Funktionen des Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />

Während im deutschen Text mit der<br />

Bezeichnung „Bürgerbeauftragter“ zum Ausdruck<br />

gebracht wird, dass diese Institution den Interessen<br />

der Bürger dienen soll, weist die Bezeichnung „El<br />

Defensor del Pueblo Europeo“ im spanischen Text<br />

vornehmlich auf die Rechtsschutzfunktion. Der<br />

„Médiateur européen“ bzw. „Mediatore Europeo“<br />

im französischen bzw. italienischen Text weist in die<br />

Richtung einer zwischen dem Einzelnen und den<br />

125


Bürgerbeauftragter<br />

Einrichtungen der EU vermittelnden Instanz. In diesen<br />

Begriffen spiegeln sich seine Funktionen wider.<br />

Der Bürgerbeauftragte ist ein flexibles Instrument<br />

zur Kontrolle des Tätigwerdens von EU-Einrichtungen,dasvondenBürgerinnenundBürgernwegen<br />

�Missständen angerufen werden kann (subjektiver<br />

Rechtsschutz); der Bürgerbeauftragte kann eigeninitiativ<br />

tätig werden und damit auch eine objektive<br />

Kontrolle der Gemeinschaftsorgane ausüben; er tritt<br />

alsMittlerzwischenBürgerundGemeinschaftauf.<br />

Nach der Systematik des EGV steht der Bürgerbeauftragte<br />

in engem Verhältnis zu �Unionsbürgerschaft<br />

und zum �Europäischen Parlament. Gemäß<br />

Art. 21 Abs. 2 EGV gehört es zu den Rechten der<br />

Unionsbürgerschaft, sich an den Bürgerbeauftragten<br />

zu wenden. Die Regelungen zum Bürgerbeauftragten<br />

in Art. 195 EGV sind innerhalb des Abschnitts<br />

zum Europäischen Parlament enthalten. Die Berichte<br />

des Bürgerbeauftragten können das Parlament<br />

dazu veranlassen, seine politische Kontrolltätigkeit<br />

gegenüber den anderen Gemeinschaftsorganen aufzunehmen<br />

oder darauf hinzuwirken, dass das Gemeinschaftsrecht<br />

verändert bzw. verbessert wird.<br />

Der Bürgerbeauftragte hat eine wesentliche Bedeutung<br />

für die Aufstellung der Verhaltensregeln der<br />

Gemeinschaftseinrichtungen. Die an ihn gerichteten<br />

Beschwerden geben ihm Anhaltspunkte dafür, in<br />

welchen Bereichen es Defizite in den Beziehungen<br />

zwischen den Institutionen der Gemeinschaft und<br />

den Bürgern gibt. Diesen kann er ggf. im Rahmen einer<br />

Eigeninitiativuntersuchung nachgehen und Vorschläge<br />

unterbreiten, die auf eine Änderung der Gesetze<br />

bzw. bestehenden Verwaltungspraktiken abzielen.<br />

So hat der Bürgerbeauftragte 1997 eine Eigeninitiativuntersuchung<br />

zu Möglichkeiten einer<br />

qualitativen Verbesserung der Verwaltungsverfahren<br />

der Kommission bei der Bearbeitung von Beschwerden<br />

aufgenommen, welche die Verletzung<br />

von Gemeinschaftsrechten durch die Mitgliedstaaten<br />

betreffen. Diese Initiative hat die Kommission<br />

2002veranlasst,eineMitteilungüberihreBeziehung<br />

zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht<br />

zu veröffentlichen (KOM 2002/<br />

141 endg.). Im Jahre 1998 hat der Bürgerbeauftragte<br />

einen �Kodex für gute Verwaltungspraxis zur Annahme<br />

durch die Gemeinschaftseinrichtungen empfohlen,<br />

der 2001 vom Europäischen Parlament gebilligt<br />

wurde. Zwar fehlt diesem Kodex bislang die allgemeine<br />

rechtliche Verbindlichkeit, aber er enthält<br />

126<br />

2004 eingereichte Beschwerden: 3 726<br />

davon aus:<br />

Belgien 268<br />

Dänemark 32<br />

Deutschland 464<br />

Estland 7<br />

Finnland 73<br />

Frankreich 303<br />

Griechenland 129<br />

Großbritannien 195<br />

Irland 53<br />

Italien 269<br />

Lettland 9<br />

Litauen 18<br />

Luxemburg 40<br />

Malta 38<br />

Niederlande 88<br />

Österreich 69<br />

Polen 285<br />

Portugal 116<br />

Schweden 84<br />

Spanien 482<br />

Slowakei 52<br />

Slowenien 38<br />

Tschechische Republik 98<br />

Ungarn 53<br />

Zypern 59<br />

Drittländer 404<br />

eine Selbstverpflichtung für die Einrichtungen, welche<br />

diese Verhaltensregeln nach ihren eigenen Äußerungen<br />

befolgen wollen. Solche Vorschläge des<br />

Bürgerbeauftragten, die aus seiner Funktion legitimiert<br />

sind, zur Verbesserung der Beziehungen zwischen<br />

den Gemeinschaft und den Bürgern beizutragen,<br />

binden die betroffenen Einrichtungen nicht; sie<br />

werden von diesen jedoch oftmals aufgegriffen und<br />

in Gesetze überführt. Die Aufgabe des BürgerbeauftragtenistalsonichtaufdieAbhilfeindividuellerBeschwerden<br />

beschränkt. Das Amt des Bürgerbeauftragten<br />

eignet sich vielmehr auch zur Erarbeitung<br />

von Standards für das Verhalten der Gemeinschaftseinrichtungen.<br />

Im Unterschied zu den Gemeinschaftsgerichten,<br />

die nicht befugt sind, von vornherein<br />

einen Komplex von Verhaltensstandards zu entwickeln,undzudenanderenGemeinschaftsorganen,<br />

für die kein Grund für die Aufstellung von Verhaltensregeln<br />

besteht, die über ihren eigenen Aufgaben-


ereich hinausgehen, kann der Bürgerbeauftragte<br />

auf Grund größeren Blickwinkels Lösungen mit einer<br />

großen Bandbreite vorlegen. Die Aufnahme des<br />

Rechts auf gute Verwaltung in Art. 41 der Charta der<br />

Grundrechte der Europäischen Union geht im WesentlichenaufdasEngagementdesBürgerbeauftragten<br />

zurück.<br />

3. Ausgestaltung der Rechtsstellung: Der Präsident<br />

des Europäischen Parlaments ruft zu Bewerbungen<br />

für das Amt des Bürgerbeauftragten auf. Gemäß der<br />

Geschäftsordnung des Parlaments muss jede Kandidatur<br />

von mindestens 37 Mitgliedern des Parlaments<br />

aus mindestens zwei Mitgliedstaaten befürwortet<br />

werden (Art. 194 Nr. 2 GO). Das Parlament, von dem<br />

mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend<br />

sein muss, stimmt geheim und mit der Mehrheit seiner<br />

Stimmen ab. Gemäß Art. 195 Abs. 2 EGV wird<br />

der Bürgerbeauftragte für die Dauer der Legislaturperiode<br />

ernannt. Sein Amt endet mit dem Ablauf des<br />

Mandats, durch Rücktritt oder Amtsenthebung, letztere<br />

nur dann, wenn der Bürgerbeauftragte die Voraussetzungen<br />

für die Ausübung seines Amtes nicht<br />

mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen<br />

hat. Eine Wiederwahl ist möglich.<br />

Die allgemeinen Bedingungen für die Ausführungen<br />

der Aufgaben des Bürgerbeauftragten sind im Statut<br />

vom 25. 10. 1993 geregelt. Danach kann das Amt des<br />

Bürgerbeauftragten nur eine Unionsbürgerin bzw.<br />

ein Unionsbürger wahrnehmen, welche bzw. welcher<br />

die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt, jede Gewähr<br />

für Unabhängigkeit bietet und entweder die für<br />

höchste richterliche Ämter erforderlichen Voraussetzungen<br />

erfüllt oder anerkanntermaßen über die<br />

Erfahrung und Befähigung zur Wahrnehmung der<br />

Aufgaben eines Bürgerbeauftragten verfügt. Nach<br />

Art. 9 Abs. 1 des Statuts übt der Bürgerbeauftragte<br />

sein Amt zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften<br />

und der Bürger der Union aus. Das Statut verpflichtet<br />

ihn zur Unterlassung jeder Handlung, welche<br />

mit seinen Aufgaben unvereinbar ist. Er darf<br />

während seiner Amtszeit keine andere entgeltliche<br />

oder unentgeltliche Berufstätigkeit oder andere politische<br />

und administrative Ämter wahrnehmen. Gemäß<br />

Art. 195 Abs. 3 EGV übt der Bürgerbeauftragte<br />

sein Amt in voller Unabhängigkeit aus und darf bei<br />

der Erfüllung seiner Pflichten von keiner anderen<br />

Stelle Anweisungen anfordern oder entgegennehmen.DieseUnabhängigkeitgiltauchgegenüberdem<br />

Europäischen Parlament. Damit ist eine objektive<br />

Bürgerbeauftragter<br />

und neutrale Behandlung der bei ihm eingereichten<br />

Beschwerden gewährleistet.<br />

Der Bürgerbeauftragte ist nicht der Judikative auf<br />

der Gemeinschaftsebene zuzuordnen, da er keine<br />

verbindlichen Entscheidungen trifft, im Gegensatz<br />

zu den Gemeinschaftsgerichten eigeninitiativ tätig<br />

werden kann und möglichst auf einvernehmliche Lösungenhinwirkensoll.DieSystematiklegtzwareine<br />

Zuordnung zum Europäischen Parlament nahe. Da<br />

das Amt aber nicht von einem Abgeordneten wahrgenommen<br />

wird, ist der Bürgerbeauftragte im Unterschiedzum<br />

�PetitionsausschusskeinUnterorgandes<br />

Parlaments, zumal er nach Art. 195 Abs. 1 EGV Beschwerden<br />

über Missstände bei der Tätigkeit aller<br />

OrganeoderInstitutionenderGemeinschaft–ausgenommendieGemeinschaftsgerichteinAusübungihrer<br />

Rechtsprechungsbefugnisse – entgegennimmt.<br />

Da damit auch das Parlament der Kontrolle des Bürgerbeauftragten<br />

unterliegt, der seinerseits nur tätig<br />

wird, wenn er es für gerechtfertigt hält, und außerdem<br />

eigeninitiativ tätig werden kann, ist der Bürgerbeauftragte<br />

auch kein Hilfsorgan des Parlaments.<br />

DasParlamentkannseineAbsetzungzwarinitiieren.<br />

Ob die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung<br />

vorliegen, entscheidet aber der Europäische Gerichtshof.<br />

Gegen die Annahme eines Hilfsorgans<br />

spricht außerdem, dass der Bürgerbeauftragte seit<br />

dem Jahre 2000 über einen eigenen Einzelhaushaltsplan<br />

verfügt.<br />

Eine genauere Bestimmung des Aufgabenbereichs<br />

des Bürgerbeauftragten erschließt sich aus den französischen<br />

und englischen Vertragstexten, die von<br />

„mauvaiseadministration“bzw.„maladministration<br />

in the activities of the Community institutions or bodies“<br />

sprechen und damit die Tätigkeit ausdrücklich<br />

auf die Verwaltung beziehen. Infolge dessen unterliegen<br />

die Gesetzgebung und politische Maßnahmen<br />

nicht der Kontrolle des Bürgerbeauftragten. Es gibt<br />

keine verbindliche Definition im Gemeinschaftsrecht,<br />

was unter „Missstand“ zu verstehen ist. Der<br />

Bürgerbeauftragte hat 1997 diesbezüglich vorgeschlagen:<br />

„Ein Missstand ergibt sich, wenn eine öffentliche<br />

Einrichtung nicht im Einklang mit für sie<br />

verbindlichen Regeln oder Grundsätzen handelt“<br />

und davon die mangelnde Achtung der Menschenrechte,<br />

der Rechtsstaatlichkeit und der Grundsätze<br />

der guten Verwaltungspraxis erfasst werden (Jahresbericht<br />

des Bürgerbeauftragten 1997, S. 26). Dieser<br />

Vorschlag fand die Zustimmung des Parlaments und<br />

127


Bürgerbeauftragter<br />

der Kommission. In seinem Ratgeber für Bürger<br />

(„Was kann der Europäische Bürgerbeauftragte für<br />

Sie tun?“) hat der Bürgerbeauftragte seinen Standpunkt<br />

präzisiert, wonach von einem Missstand auch<br />

gesprochen werden könne, wenn die EG-Administration<br />

nicht tätig werde, obwohl sie hätte handeln<br />

sollen, wenn sie den falschen Weg wähle oder sie in<br />

einer Weise handele, wie sie nicht hätte handeln sollen<br />

(Ratgeber, S. 7).<br />

Neben der Prüfung, ob die Entscheidungen der Verwaltungen<br />

der Gemeinschaft materiell rechtmäßig<br />

sind und mit den Rechtsvorgaben übereinstimmen,<br />

kontrolliert der Bürgerbeauftragte auch die Einhaltung<br />

von Verfahrensstandards, wobei er nach eigenen<br />

Aussagen den Kodex für gute Verwaltungspraxis<br />

bei seiner Tätigkeit „berücksichtigt“. Der Bürgerbeauftragte<br />

wacht weiterhin über die Einhaltung<br />

der Grundrechte durch die Verwaltung.<br />

4. Anrufung und Befassung: Beschwerdeberechtigt<br />

sind nach Art. 195 Abs. 1 EGV jeder Bürger der<br />

Union oder jede natürliche oder juristische Person<br />

mit Wohnort oder satzungsmäßigem Sitz im einem<br />

Mitgliedstaat. Beschwerden von anderen Personen<br />

sind unzulässig. Beschwerdegegenstände sind ausschließlich<br />

Missstände bei der Tätigkeit der Organe<br />

oder Institutionen der Gemeinschaft. Beschwerden<br />

über Handlungen anderer Behörden und Stellen werden<br />

nicht behandelt. Der Bürgerbeauftragte befasst<br />

sich nicht mit Beschwerden, die Maßnahmen der nationalen,<br />

regionalen oder kommunalen Verwaltungen<br />

betreffen, selbst wenn sie einen Bezug zum Gemeinschaftsrecht<br />

haben. Weiterhin befasst sich der<br />

Bürgerbeauftragte nicht mit Sachverhalten, die Gegenstand<br />

eines Gerichtsverfahrens auf nationaler<br />

wie auf europäischer Ebene sind oder waren.<br />

Die zulässigen Beschwerden beziehen sich überwiegend<br />

auf die in Art. 7 Abs. 1 EGV genannten Organe<br />

der Gemeinschaft: 69 % der (insgesamt 375) Untersuchungen<br />

des Bürgerbeauftragen im Jahre 2004 bezogen<br />

sich auf die Kommission, 11 % (58) auf das<br />

Europäische Amt für Personalauswahl, 9 % (48) das<br />

Parlament, 4 % (22) auf den Rat und 7 % (39) auf<br />

sonstige Institutionen. Da die Kommission das Gemeinschaftsorgan<br />

ist, das die meisten Entscheidungen<br />

mit unmittelbaren Auswirkungen für die Bürger<br />

trifft, ist sie auch das Hauptziel der Beschwerden.<br />

Die Einschränkung des Mandats des Bürgerbeauftragten<br />

auf Missstände bei den Organen und Institutionen<br />

der Gemeinschaft wird bei den eingereichten<br />

128<br />

Beschwerden vielfach übersehen. Von den im Zeitraum<br />

2000 bis 2003 vom Bürgerbeauftragten behandelten<br />

8 419 Fällen fielen nur etwa 30 % in seinen Zuständigkeitsbereich.<br />

In 909 Fällen wurden Untersuchungen<br />

eingeleitet. Die meisten dieser Fälle bezogen<br />

sich auf einen Mangel bzw. eine Verweigerung<br />

von Informationen, vermeidbare verwaltungstechnische<br />

Verzögerungen bzw. Zahlungsverzug, Einstellungsverfahren<br />

einschl. Auswahlverfahren, vertragliche<br />

Auseinandersetzungen, Bürgerrechte, Entwicklungszusammenarbeit,<br />

Umwelt und die Rolle<br />

der Kommission als Hüterin der Verträge. Dabei<br />

wurdeinfastderHälftederFällekeinMissstandfestgestellt.<br />

270 Fälle wurden von der betroffenen Institution<br />

erledigt, nachdem der Bürgerbeauftragte eine<br />

Untersuchung eingeleitet hatte. 46 Untersuchungen<br />

haben zu Empfehlungen geführt. Die betroffene Institution<br />

hat im Berichtszeitraum in 37 Fällen die<br />

Empfehlung angenommen. In sechs weiteren Fällen<br />

legte der Bürgerbeauftragte dem Europäischen Parlament<br />

einen Sonderbericht vor. Die Entschließungen<br />

des Parlaments haben die Schlussfolgerungen<br />

und Empfehlungen des Bürgerbeauftragten unterstützt.<br />

Bei den unzulässigen Beschwerden empfahl<br />

der Europäische Bürgerbeauftragte in 2 139 Fällen,<br />

die Beschwerde an einen nationalen oder regionalen<br />

Bürgerbeauftragten zu leiten oder eine Petition an<br />

das nationale Parlament zu richten, in 628 Fällen,<br />

eine Petition an das Europäische Parlament zu richten,<br />

in 771 bzw. 779 Fällen, sich an die Kommission<br />

bzw. an andere Institutionen zu wenden.<br />

Die Beschwerde an den Bürgerbeauftragten erfolgt<br />

ineinemeinfachenSchreiben,dasineinerAmtssprachederUnionverfasstseinmuss.DieseKriterienstehen<br />

weder in Art. 195 EGV noch im Statut, sie ergeben<br />

sich aus den Hinweisen zur Einreichung von Beschwerden<br />

auf der Homepage des Bürgerbeauftragten.<br />

Nach Art. 2 Nr. 3 Statut muss das Beschwerdeschreiben,<br />

das auch auf elektronischem Wege übermittelt<br />

werden kann, den Gegenstand der Beschwerde<br />

und die Person des Beschwerdeführers erkennen<br />

lassen. Außerdem soll der Beschwerdeführer die<br />

Gründe für seine Beschwerde nennen. Die Beschwerde<br />

ist direkt an den Bürgerbeauftragten oder<br />

an ein Mitglied des Europäischen Parlaments zur<br />

Weiterleitung an ihn zu richten. Gemäß Art. 2 Nr. 4<br />

Statut muss die Beschwerde innerhalb von zwei Jahren<br />

ab dem Zeitpunkt eingelegt werden, zu dem der<br />

Beschwerdeführer Kenntnis vom ihr zu Grunde lie-


genden Sachverhalt erlangt hat. Im Unterschied zum<br />

Petitionsrecht ist für die Anrufung des Bürgerbeauftragten<br />

keine persönliche Betroffenheit des Beschwerdeführers<br />

notwendig. Nach Art. 2 Nr. 4 Satz 2<br />

müssen der Beschwerde „die geeigneten administrativen<br />

Schritte bei dem betroffenen Organ oder den<br />

betroffenenInstitutionenvorausgegangensein“.Damit<br />

soll erreicht werden, dass zunächst Abhilfe bei<br />

der jeweiligen Einrichtung angestrebt werden soll<br />

undggf.auchderBürgerbeauftragteentlastetwird.<br />

Sofern kein vertraulicher Umgang mit der Angelegenheit<br />

erwünscht wird, behandelt der Bürgerbeauftragte<br />

die Beschwerden möglichst transparent und<br />

offen. Damit können die Bürger seine Arbeit verfolgen.<br />

Nach Eingang und Registrierung wird dem Beschwerdeführer<br />

eine Empfangsbescheinigung unter<br />

Angabe der Registriernummer der Beschwerde und<br />

Nennung des zuständigen Sachbearbeiters zugesendet.<br />

Im ersten Schritt werden die Zulässigkeit der Beschwerde<br />

und die Zuständigkeit des Bürgerbeauftragten<br />

geprüft. Bei einer zulässigen Beschwerde<br />

liegt es im Ermessen des Bürgerbeauftragten zu handeln;<br />

d. h. er muss sich darüber klar werden, ob es<br />

ausreichende Gründe zur Durchführung einer Untersuchung<br />

gibt. Er wird von einer Untersuchung absehen,<br />

wenn der Beschwerdeführer keinen konkreten<br />

Missstand in der Verwaltungstätigkeit benennen<br />

kann oder keine Beweisunterlagen vorlegt. Außerdem<br />

wird eine Untersuchung nicht durchgeführt,<br />

wenn das Anliegen bereits vom Petitionsausschuss<br />

behandelt wurde und keine neuen Erkenntnisse vorliegen<br />

oder der Sachverhalt schon von einem parlamentarischen<br />

Untersuchungsausschuss geprüft wurde.<br />

Liegen ausreichende Gründe für die Einleitung<br />

einer Untersuchung vor, unterrichtet der Bürgerbeauftragte<br />

den Beschwerdeführer und das betreffende<br />

Organ, das innerhalb einer Frist von in der Regel<br />

nicht mehr als drei Monaten eine Stellungnahme abzugeben<br />

hat. Nach Eingang der Stellungnahme erhält<br />

der Beschwerdeführer Gelegenheit, hierauf innerhalb<br />

eines Monats zu erwidern. In Anschluss an<br />

diePrüfungderStellungnahmeundetwaigerAnmerkungen<br />

des Beschwerdeführers kann der Bürgerbeauftragte<br />

die Beschwerdeakte durch eine mit Gründen<br />

versehene Entscheidung schließen oder die Untersuchung<br />

fortführen.<br />

5. Die Rechtsstellung im Verfassungsvertrag 2004:<br />

Der Bürgerbeauftrage ist in Teil I unter Titel VI „Das<br />

demokratische Leben der Union“ in Art. 49 veran-<br />

Bürgerberater<br />

kert, der den Stand der gegenwärtigen Verträge wiedergibt.<br />

Näher ausgeführt werden seine Wahl und<br />

seine Befugnisse im Teil III unter Titel VI „Arbeitsweise<br />

der Union“ in den Vorschriften über die Organe<br />

im Unterabschnitt „Das Europäische Parlament“.<br />

Artikel III-335 VVE 2004 greift in Abs.1–3dieBestimmungen<br />

des EGV Art. 195 auf. Absatz 4 stärkt<br />

die Stellung des Europäischen Parlaments bezüglich<br />

der Regelungen und allgemeinen Bedingungen für<br />

die Ausübung der Aufgaben des Europäischen Bürgerbeauftragten.<br />

Im Unterschied zu Art. 195 Abs. 4<br />

EGV „beschließt das Europäische Parlament auf eigene<br />

Initiative nach Stellungnahme der Kommission<br />

und nach Zustimmung des Ministerrates“ in einem<br />

Gesetz über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen<br />

für die Ausübung der Aufgaben des EuropäischenBürgerbeauftragten.<br />

U. M.<br />

Anschrift: 1 Avenue du Président Robert Schuman, B. P. 403,<br />

FR–67001 Straßburg Cedex<br />

Fax aus Deutschland: 0033–3–88179062<br />

E-Mail: euro-ombudsman@europarl.eu.int<br />

Internet: www.euro-ombudsman.eu.int<br />

Literatur:<br />

Europäischer Bürgerbeauftragter: Was kann der Europäische<br />

Bürgerbeauftragte für Sie tun? Ein Ratgeber für Bürger. 2002.<br />

Abrufbar unter: www.euro-ombudsman.eu.int/guide/de/default.htm<br />

Guckelberger, A.: Der Europäische Bürgerbeauftragte und die<br />

Petitionen zum Europäischen Parlament. Schriftenreihe der<br />

Hochschule Speyer, Bd. 162, Berlin 2004<br />

Reif, L. C.: The ombudsman, good governance, and the<br />

international human rights system. Leiden 2004<br />

Meese, J. M.: Das Petitionsrecht beim Europäischen<br />

Parlament, das Beschwerderecht beim Bürgerbeauftragten der<br />

Europäischen Union. Frankfurt/Main 2000<br />

Bürgerberater der Europäischen Kommission geben<br />

seit 1989 in jedem Mitgliedstaat Auskünfte, die<br />

zur Wahrnehmung von Rechten als Unionsbürger<br />

benötigt werden. Sie informieren über Fragen zum<br />

EU-Recht, die den einzelnen Bürger betreffen (wie<br />

Anerkennung von Diplomen oder Rentenbezug im<br />

EU-Raum) und sind untereinander im EURO-JUS<br />

Network zusammengeschlossen (nicht zu verwechseln<br />

mit dem Europäischen �Bürgerbeauftragten,<br />

der Beschwerden entgegennimmt).<br />

Sitz des Bürgerberaters in Deutschland: Europäische Kommission,<br />

Vertretung in Deutschland, Unter den Linden 78, 10117<br />

Berlin. Telefon 030-22802450; Fax 030-22802880; E-Mail<br />

eu-de-buergerberater@cec.eu.int.<br />

Regelmäßige Sprechstunden auch in den regionalen Vertretungen<br />

in Bonn und München.<br />

129


Bürgerbeschwerden<br />

BürgerbeschwerdenkönneninjederAmtssprache<br />

derEuropäischenUnionanden�Bürgerbeauftragten<br />

desEuropäischenParlamentsoderanden �Petitionsausschuss<br />

des Europäischen Parlaments gerichtet<br />

werden.<br />

Büro für Unternehmenskontakte / Unternehmenskooperation<br />

(BUK / Bureau de Rapprochement<br />

des Entreprises, BRE) in Brüssel. Im Rahmen<br />

derFörderungländerübergreifenderPartnerschaften<br />

zwischen kleinen und mittleren Unternehmen<br />

(�KMU) hat die Europäische Kommission (GD Unternehmen)<br />

das BRE-Netzwerk geschaffen, das sich<br />

auf Korrespondenten aus aller Welt (z. B. Interessenvertretungen,<br />

Kammern, Banken) stützt, denen kooperationswillige<br />

Unternehmen Eckdaten zu ihrem<br />

Geschäftsfeld bekannt geben. Das BRE entwirft anhand<br />

dieser Daten eine Anzeige, die in verschiedenen<br />

Medien anonymisiert veröffentlicht wird. Interessenten<br />

nehmen über das BRE Kontakt miteinander<br />

auf und werden so zusammengeführt.<br />

130<br />

Business and Innovation Centres (BIC) sind<br />

TechnologiezentreninMitgliedstaaten,dieseit1984<br />

auf Initiative der Europäischen Kommission geschaffen<br />

worden und untereinander vernetzt sind.<br />

Sie helfen und unterstützen bei der Gründung von<br />

technologieorientierten Unternehmen insbes. im<br />

IT-Bereich, beraten und fördern bei der Umsetzung<br />

innovativer Projekte in marktfähige Produkte oder<br />

Dienstleistungen, vermitteln zwischen Jobanbietern<br />

undJobsuchenden(z.B.inHochschulen),vermitteln<br />

Kontakte und Kooperationen im Binnenmarkt und<br />

bieten Existenzgründern günstige Startbedingungen<br />

als Mieter in ihren Zentren (z. B. BIC Südtirol in Bozen,<br />

BIC Zwickau, BIC Kaiserslautern).<br />

Business Cooperation Network (BC-Net). Es<br />

verbindet rund 400 unternehmensberatende Institutionen<br />

aus der EU und Drittländern, z. B. Industrieund<br />

Handelskammern, Entwicklungsagenturen und<br />

private Berater. Die mögliche Zusammenarbeit<br />

reicht von der Anbahnung von Beziehungen über<br />

Forschung bis zur Geschäftsübernahme. Vgl. �Euro<br />

Info Centres (EIC)


CAFE (Clean Air for Europe), das EU-Programm<br />

�„Saubere Luft für Europa“.<br />

Cantoni-Urteil des �Europäischen Gerichtshofs für<br />

Menschenrechte (EGMR). In dem Urteil Cantoni ./.<br />

Frankreich vom 15. 11. 1996 (dt. Übersetzung in<br />

EuGRZ 1999, 193) hat sich der EGMR erstmals unmittelbar<br />

mit dem Vollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts<br />

durch die EU-Mitgliedstaaten am<br />

Beispiel der europäischen Arzneimittelrichtlinie<br />

und deren Vereinbarkeit mit den Menschenrechtsgarantien<br />

der �Europäischen Menschenrechtskonvention(EMRK)befasst.Dabeigingesumdieumstrittene<br />

Frage, ob der EGMR überhaupt zuständig ist, eine<br />

aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht abgeleitete<br />

mitgliedstaatliche Vorschrift zu überprüfen.<br />

Denn bislang sind nur die EU-Mitgliedstaaten, nicht<br />

aber die Europäischen Gemeinschaften selbst Vertragspartei<br />

der EMRK. Der EGMR kommt in seinem<br />

Urteil zu dem Ergebnis, dass eine nationale Vorschrift<br />

von ihm auch dann anhand der EMRK überprüft<br />

werden kann, wenn sie praktisch wortwörtlich<br />

durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben bestimmt<br />

wurde. Die weitergehende Frage hingegen, ob eine<br />

Zuständigkeit des EGMR auch für Beschwerden gegen<br />

Maßnahmen der Organe der Europäischen Gemeinschaften<br />

zulässig ist, hat der EGMR bislang bewusst<br />

offen gehalten, so zuletzt in seiner Entscheidung<br />

�Senator Lines ./. 15 Mitgliedstaaten vom 10.<br />

3. 2004, (dt. Übersetzung in EuGRZ 2004, 279);<br />

�Matthews. S.W.<br />

Cardiff-Prozess. Der Cardiff-Prozess bezweckt<br />

eine umfassende strukturelle Reform und Modernisierung<br />

zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit<br />

und der Effizienz der Güter-, Dienstleistungs- und<br />

Kapitalmärkte in der EU. Er steht neben dem sog.<br />

�„Luxemburg-Prozess“, welcher auf die Weiterentwicklung<br />

und bessere Umsetzung einer koordinierten<br />

Beschäftigungsstrategie in der Europäischen<br />

Union ausgerichtet ist. Er ist auch neben dem sog.<br />

�„Köln-Prozess“ zu erwähnen, der die Koordinierung<br />

der Wirtschaftspolitik und Verbesserung des<br />

wechselseitigen Zusammenwirkens der Lohnent-<br />

C<br />

Cardiff-Prozess<br />

wicklung sowie der Geld-, Haushalts- und Finanzpolitik<br />

durch einen �makroökonomischen Dialog bezweckt,<br />

um eine nachhaltige nicht-inflationäre<br />

Wachstumsdynamik freizusetzen. Der Cardiff-Prozess<br />

sieht eine jährliche Prüfung der nationalen<br />

Strukturpolitiken vor. Die EU zeigt damit ihre Entschlossenheit,<br />

umfassende Strukturreformen durchzuführen.<br />

1. Ziele des Cardiff-Prozesses. Der Prozess wurde<br />

durch den Europäischen Rat vom 15./16. 6. 1998 in<br />

Cardiff eingeleitet. Er stand im Zusammenhang mit<br />

den Beschlüssen zur Einführung der �WirtschaftsundWährungsunionundderReformderUnionspolitiken<br />

sowie der künftigen Finanzierung der EU.<br />

Nach Darlegung des Europäischen Rates in Cardiff<br />

kann der volle Nutzen der �Wirtschafts- und Währungsunion<br />

und des Europäischen �Binnenmarktes<br />

für alle Bürger Europas nur durch eine Strategie erzielt<br />

werden, mit der die Beschäftigung durch erhöhte<br />

Wettbewerbsfähigkeit sowie wirtschaftlichen und<br />

sozialenZusammenhaltineinemUmfeldmakroökonomischer<br />

Stabilität gefördert wird. Maßgeblich ist<br />

nach dieser Strategie die Entschlossenheit der Mitgliedstaaten,<br />

für eine wirksame Koordinierung ihrer<br />

Wirtschaftspolitiken zu sorgen. Dabei hat sich die<br />

Wirtschaftspolitik darauf zu konzentrieren, Wachstum<br />

und Beschäftigung zu fördern und makroökonomische<br />

Stabilität sowie eine effiziente Funktionsweise<br />

der Arbeits-, der Waren- und Dienstleistungssowie<br />

der Kapitalmärkte zu gewährleisten.<br />

2. Verfahrensschritte und Maßnahmen. In einem<br />

vereinfachten Verfahren erstellen die Mitgliedstaaten<br />

und die Kommission kurze Jahresberichte über<br />

dieWaren-undDienstleistungs-sowieKapitalmärkte.<br />

Dabei sollen das �Subsidiaritätsprinzip in vollem<br />

Umfang respektiert, der Austausch bewährter Praktiken<br />

gefördert und die Angaben der Nationalen Aktionspläne<br />

Beschäftigung (�Beschäftigungspolitik<br />

Ziff. 3) beachtet werden. Für den Prozess von Cardiff<br />

ist deshalb eine Betonung der Ziele des Luxemburg-Prozesses<br />

wichtig. Weitere vergleichbare Fortschrittsindikatoren<br />

sollen festgelegt werden, wobei<br />

wirtschaftliche Reformen stets mit einem sozialen<br />

Dialog verbunden werden müssen. Die verstärkte<br />

131


CARDS<br />

Heranbildung qualifizierter und anpassungsfähiger<br />

Arbeitskräfte, u. a. durch lebensbegleitendes Lernen,<br />

verstärkte Maßnahmen zur Herstellung von<br />

Chancengleichheit und der Gleichberechtigung von<br />

Männern und Frauen sowie die Förderung familienfreundlicher<br />

Arbeitsbedingungen und die Bekämpfung<br />

der Diskriminierung von Behinderten, ethnischen<br />

Minderheiten und anderen auf dem Arbeitsmarkt<br />

benachteiligten Gruppen sind in diesen Prozess<br />

einzubeziehen. Gleiches gilt für die Förderung<br />

neuer Formen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel<br />

von mehr Flexibilität und Arbeitsplatzsicherheit, die<br />

Überprüfung der Steuer- und Sozialleistungssysteme<br />

und schließlich die Entwicklung einer Kultur des<br />

Unternehmensgeistes und der Förderung kleinerer<br />

und mittlerer Unternehmen (�KMU). Eine weitere<br />

Betonung liegt auf der Modernisierung und dem<br />

AusbaudesBinnenmarktes.WeitereFaktorenindiesem<br />

Zusammenhang sind die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit,<br />

die Vereinfachung der Rechtsvorschriften<br />

im Binnenmarkt sowie vermehrte Transparenz<br />

und Offenheit für den Bürger.<br />

Der Cardiff-Prozess wurde im Folgenden von der<br />

�Lissabon-Strategie überlagert. Er dient den dort<br />

vorgelegtenZielen. I. B.-M.<br />

CARDS (Community Assistance for Reconstruction,<br />

Development and Stabilization) ist ein EU-Programm<br />

für den Westbalkan. Die CARDS-Verordnung<br />

hat der Rat am 5. 12. 2000 beschlossen (2666/<br />

2000, Abl. L 306/2000, berichtigt Abl. L 38/2001).<br />

Die Hilfe richtet sich an die Länder Albanien, Bosnien<br />

und Herzegowina, Kroatien, Mazedonien sowie<br />

Serbien und Montenegro. CARDS vereint die früheren<br />

Hilfsprogramme �PHARE und �OBNOVA für<br />

dieses Gebiet.<br />

Das Programm gewährt Hilfen insbes. für den Aufbau<br />

öffentlicher Institutionen und Verwaltungen, für<br />

den allgemeinen Wiederaufbau und für regionale<br />

Zusammenarbeit. Die mit CARDS-Mitteln geförderten<br />

Projekte in Serbien und Montenegro werden<br />

von der �Wiederaufbauagentur Kosovo durchgeführt.<br />

Insgesamt sind für den Zeitraum 2000 bis 2006<br />

Mittel in Höhe von 4,65 Mrd. Euro vorgesehen.<br />

Das CARDS-Programm ergänzt die Heranführung<br />

von fünf Ländern in Südosteuropa an die EU und ihre<br />

Integration in EU-Strukturen im Rahmen des �„Stabilisierungs-<br />

und Assoziierungsprozesses“ (SAp).<br />

�Südosteuropapolitik<br />

132<br />

Carrefours-Netzwerk. Französisch carrefours bedeutet<br />

Straßenkreuzung und Ort der Begegnung. Das<br />

Carrefours-Netz wurde ab 1988 aufgebaut zur Information<br />

der ländlichen Bevölkerung über die Arbeit<br />

der Gemeinschaften (in Ergänzung der �„Info-<br />

Points Europa“ in Städten), zuletzt über 130 Informationsstellen<br />

in 25 EU-Staaten. Seit Mai 2005 sind<br />

das Carrefours-Netzwerk und die Info-Points ersetzt<br />

durchdasInformationsnetzwerk�„EuropeDirect“.<br />

Cassis-de-Dijon-Urteil des Europäischen Gerichtshofs<br />

(EuGH) von 1978 ist grundlegend geworden<br />

für die Entwicklung der EG. Es schuf eine wesentliche<br />

Voraussetzung für den von den Staats- und<br />

Regierungschefs der EG 1985 gefassten Beschluss<br />

zur Errichtung eines europäischen �Binnenmarktes.<br />

Dem Lebensmittelkonzern Rewe/Köln wurde von<br />

der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein der<br />

Verkauf des französischen Likörs „Cassis de Dijon“<br />

mit Hinweis auf die deutschen Gesetze verboten,<br />

weil „Cassis de Dijon“ mit einem Alkoholgehalt von<br />

15 bis 20 % unter den vom Branntweinmonopolgesetz<br />

vorgeschriebenen Mindestgehalt liegt. Der LebensmittelkonzernwolltedasGetränkunterHinweis<br />

auf das Verbot von Einfuhrbeschränkungen gem.<br />

Art. 28 EGV dennoch als „Likör“ verkaufen und<br />

klagte gegen die Bundesmonopolverwaltung. Mit<br />

der Klage war das Hessische Finanzgericht befasst.<br />

Es legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung<br />

vor. Der EuGH stellte darin den Grundsatz auf:<br />

Jedes Produkt, das in einem Mitgliedstaat nach den<br />

dortigen Gesetzen rechtmäßig hergestellt und in den<br />

Verkehr gebracht worden ist, darf grundsätzlich in<br />

allen anderen Mitgliedstaaten frei verkauft werden<br />

(�Ursprungslandprinzip bzw. �Prinzip der gegenseitigen<br />

Anerkennung).<br />

Dieses Urteil wurde fortgeführt im Zusammenhang<br />

mit dem deutschen „Reinheitsgebot“ für Biere. Für<br />

Deutschland mögen die Reinheitsvorschriften weiter<br />

in Kraft bleiben (d. h. die sog. Inländer-Diskriminierung<br />

ist europarechtlich erlaubt), aber entsprechende<br />

Produkte aus anderen EU-Staaten dürfen<br />

nicht verboten werden. Durch diese Urteile wurde<br />

der �freie Warenverkehr in der EG/EU durchgesetzt.<br />

Nur noch innerhalb enger Vorgaben (Art. 30 EGV) –<br />

z. B. Gesundheits- und Lebensschutz der Bürgerinnen<br />

und Bürger sowie öffentliche Sicherheit und<br />

Ordnung – dürfen dem Warenverkehr über die Grenzen(Einfuhr-)Schrankengesetztwerden.<br />

W. M.


CDCC (Comité Directeur de la Cooperation Culturelle),<br />

Lenkungsausschuss des �Europarates, zuständig<br />

für die kulturelle Zusammenarbeit der MitgliedstaatenaufderBasisdesKulturabkommensvon<br />

1954. 1990 wurden ihm 4 Fachausschüsse zugeordnet<br />

für Bildung, Hochschulwesen und Forschung,<br />

Kultur sowie Kulturelles Erbe (historische Bausubstanz).<br />

Die vier Fachausschüsse wurden im November<br />

2001 in Lenkungsausschüsse umgewandelt.<br />

Cecchini, Paolo, italienischer Wirtschaftswissenschaftler<br />

und Bankier; arbeitete als Generaldirektor<br />

der Kommission im Auftrag der Kommission<br />

1987/88 einen Bericht über die „Kosten der Nichtverwirklichung<br />

Europas (�Cecchini-Bericht) aus.<br />

Cecchini-Bericht (1992) wird eine Studie von Paolo<br />

�Cecchini als Ergebnis eines Forschungsprogramms<br />

über die „Kosten der Nichtverwirklichung<br />

Europas“ im Auftrag der Kommission (1988) genannt.<br />

Der Bericht schätzte den potenziellen Gesamtnutzen<br />

des Binnenmarktes (resp. die Kosten seinerNichtverwirklichung)auf216Mrd.ECU(Mittelwert;<br />

Bandbreite 174 – 258 Mrd. ECU). Ferner wurden<br />

ein zusätzliches Wachstum des BIP von 4,5 %<br />

(Bandbreite3,2–5,7%),Preissenkungenvonca.6%<br />

(Bandbreite4,5–7,7%)und1,8Mio.zusätzlicheArbeitsplätze<br />

(Bandbreite 1,8 – 2,3 Mio.) prognostiziert.<br />

Auf alle Fälle wurden eine raschere Modernisierung,<br />

ein stärkerer Wettbewerb, vermehrte Rationalisierung,<br />

effektivere Produktion, Einsparung von<br />

VerwaltungskostenbeiWegfallderGrenzkontrollen<br />

und -formalitäten sowie von technischen Handelshemmnissen<br />

usw. bei Vollendung des Binnenmarkteserwartet.<br />

W. M.<br />

Literatur:<br />

Cecchini, P.: Europa ‘92. Der Vorteil des Binnenmarktes.<br />

Baden-Baden 1992<br />

CECIMO (Comité Européen de Coopération des Industries<br />

de la Machine-Outil). Komitee für Zusammenarbeit<br />

der Werkzeugmaschinenindustrie. Gegründet<br />

1950, Sitz in Brüssel. �CEN<br />

CEDEFOP (Centre Européen pour le Développement<br />

de la Formation Professionnelle, European<br />

Centre for the Development of vocational Training).<br />

Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung.<br />

Eine �Agentur der EG. Gegründet 1975<br />

durch Verordnung 337/75 (ABl. L 39/1975). Ursprünglicher<br />

Sitz war Berlin, seit 1995 Thessaloniki.<br />

CEDEFOP liefert der Kommission Informationen<br />

und Analysen zu Strategien, Studien und Maßnahmen<br />

im Bereich der Berufsbildung und unterstützt<br />

Fachleute in ganz Europa bei der Entwicklung und<br />

Verbesserung von Berufsbildungsmaßnahmen.<br />

CEDEFOP unterhält die interaktive Plattform European<br />

Training Village (ETV), eine Datenbank zur Information<br />

und zum Austausch von Wissen und Erfahrungen.<br />

Der Zugang ist kostenlos, aber registrierungspflichtig.<br />

W. M.<br />

Adresse: 123 Europe, GR-57001 Thessaloniki (Pylea).<br />

Postanschrift: PO Box 22427, GR-55102 Thessaloniki.<br />

Internet www.cedefop.eu.int<br />

Literatur:<br />

Chomé, G.: Die Rolle des CEDEFOP für den Integrationsprozess<br />

der EG. In: Die berufsbildende Schule 41 (1989),<br />

S. 719 – 723<br />

CEEC (Comité Européen pour l’Enseignement Catholique,<br />

Europäisches Komitee für das katholische<br />

Bildungswesen). Institutionelle Vertretung des katholischen<br />

Schulwesens auf europäischer Ebene; gegründet<br />

1974, Sitz in Brüssel; 22 aktive Mitglieder<br />

und 2 assoziierte (2004). Gründungsmitglieder waren<br />

Organisationen des katholischen Schulwesens<br />

aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich,<br />

Irland, Niederlande, Portugal, Spanien. Hinzu kamen<br />

Bosnien-Herzegowina, England und Wales,<br />

Griechenland, Italien, Litauen, Österreich, Schweiz,<br />

Slowakei, Ungarn. Organisationsstruktur: Vollversammlung,<br />

Präsident (auf vier Jahre), zweimal jährlich<br />

Mitgliederversammlung, vierteljährliche Sitzungen<br />

des geschäftsführenden Vorstandes, Generalsekretär.<br />

W. M.<br />

Internet: www.ceec.be<br />

CEEP(Centreeuropéendesentreprisesàparticipation<br />

publique et des entreprises d’interêt économique<br />

général) ist die Interessenvereinigung der Unternehmen,<br />

die sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden<br />

oder die �gemeinwohlorientierte Leistungen erbringen<br />

sowie ihrer Arbeitgeberorganisationen.<br />

CEEP ist einer der von der EU anerkannten �Sozialpartner.<br />

Das Generalsekretariat hat seinen Sitz in<br />

Brüssel, in jedem Mitgliedstaat der EU befinden sich<br />

nationaleSektionen(in�Beneluxeinegemeinsame).<br />

Anschrift: Rue de la Charité, 15 Bte 12, B–1210 Brüssel<br />

Internet: www.ceep.org<br />

CEEP<br />

133


CEFIC<br />

CEFIC (Conseil Européen de l’Industrie Chimique).<br />

Dachverband der nationalen Verbände chemischer<br />

Industrien. 1972 gegründet, Sitz in Brüssel. �CEN<br />

CEFTA (Central European Free Trade Agreement),<br />

Zentraleuropäische Freihandelszone. Am 15. 2.<br />

1991 nahmen die Regierungen der Tschechoslowakei,<br />

von Polen und Ungarn in Visegrád (Ungarn) eine<br />

Erklärung zur Zusammenarbeit auf dem Weg zur Europäischen<br />

Integration an (Visegrád-Gruppe). Die<br />

drei Staaten schlossen Assoziationsabkommen mit<br />

der EU (�Europaabkommen), die CEFTA galt als<br />

Vorstufe zur EU-Mitgliedschaft. Im Oktober 1991<br />

vereinbarten die Staaten die Bildung einer Freihandelszone,<br />

das Abkommen wurde am 21. 12. 1992 in<br />

Krakau (Polen) unterzeichnet und trat am 1. 3. 1993<br />

in Kraft. Seit ihrer Trennung am 1. 1. 1993 sind die<br />

Tschechische Republik und die Slowakei Mitglieder<br />

der CEFTA. Am 1. 1. 1996 schloss sich Slowenien<br />

als Vollmitglied der CEFTA an, am 1. 7. 1997 Rumänien,<br />

am 1. 1. 1999 Bulgarien, am 1. 3. 2003 Kroatien.<br />

Seit der Erweiterung der EU am 1. 5. 2004 sind<br />

nur noch Bulgarien, Kroatien und Rumänien Mitglieder<br />

der CEFTA.<br />

CELEX (Communitatis Europeae Lex) ist die zu Beginn<br />

der 1970er Jahre eingerichtete juristische Datenbank<br />

der drei Europäischen Gemeinschaften und<br />

der EU. Sie ist seit 1. 7. 2004 der umfassenden Datenbank<br />

EUR-Lex der EU angegliedert und allgemein<br />

zugänglich (CELEX wird seit 1. 1. 2005 nicht mehr<br />

aktualisiert). Die bis dahin kostenpflichtige Recherche<br />

in der Datenbank ist seither gebührenfrei (für die<br />

Formate HTML, PDF und TIF; zur Textbearbeitung<br />

geeignete Formate wie Word bleiben kostenpflichtig).<br />

CELEX enthält im Volltext und in allen Amtssprachen<br />

das gesamte geltende und das aufgehobene<br />

Recht der EU: Verträge, internationale Abkommen,<br />

abgeleitetes Recht, Komplementärrecht, Rechtsprechung,<br />

vorbereitende Rechtsakte und ParlamentarischeAnfragen.JedesDokumentistdurcheineDokumentennummer<br />

eindeutig gekennzeichnet.<br />

Internet: http://europa.eu.int/celex bzw. über http://europa.eu.int/eur-lex<br />

CEN (Comité Européen de Normalisation), Europäisches<br />

Komitee für Normung. 1961 von den nationalen<br />

Normungsstellen aller EWG- und EFTA-Staaten<br />

gegründet. Ihm gehören heute Mitglieder aus 28 eu-<br />

134<br />

ropäischen Staaten an (aus Deutschland: Deutsches<br />

Institut für Normung), angeschlossen sind acht europäische<br />

Organisationen (�CEFIC, �FIEC, �ANEC,<br />

�ECOS, �CECIMO, �EUCOMED, �NORMAP-<br />

ME, �TUTB).<br />

CEN-Normen sind technische Standards für den<br />

�freien Warenverkehr im Binnenmarkt und für öffentliche<br />

Aufträge, für die Sicherheit bei der Herstellung<br />

und für den Verbraucher. Sie sollen Netzwerke<br />

untereinander verbindungsfähig machen, die Umwelt<br />

schützen und die Auswertung von Ergebnissen<br />

derForschungundEntwicklungverbessern.CENarbeitet<br />

für alle Bereiche der Produktion mit Ausnahme<br />

der Elektrotechnik (zuständig: �CENELEC) und<br />

der Telekommunikation (zuständig: �ETSI).<br />

Europäische Normen (inzwischen mehr als 10 000)<br />

werdendurchMehrheitsbeschlussderMitgliederangenommen<br />

und sind für alle Mitgliedstaaten bindend.<br />

Die Standards müssen auf nationaler Ebene<br />

umgesetzt und Normen, die damit nicht übereinstimmen,<br />

zurückgezogen werden. Ein dreisprachiger Katalog<br />

Europäischer Normen erscheint zweimal jährlich.<br />

�Normung<br />

Anschrift: 36, rue de Stassart, B–1050 Brüssel<br />

Internet : www.cenorm.be<br />

CENELEC (Comité Européen de Normalisation<br />

Electrotechnique), Europäisches Komitee für elektrotechnische<br />

Normung.<br />

1973 gegründet durch Zusammenschluss der Vorgängerorganisationen<br />

CENELCOM (1959 gegründet)<br />

und CENEL (1960 gegründet). Non-Profit-<br />

Organisation unter belgischem Recht mit Sitz in<br />

Brüssel. CENELEC setzt sich aus den nationalen<br />

elektrotechnischen Komitees von 28 europäischen<br />

Staaten zusammen (Stand Februar 2004), angeschlossen<br />

sind außerdem nationale Komitees aus<br />

fünf Balkanstaaten, der Türkei und der Ukraine. Die<br />

Komitees arbeiten z. T. seit den 1950er Jahren zusammenmitdemZiel,neueStandardsfürelektrische<br />

und elektronische Produkte zu schaffen und bestehende<br />

im Hinblick auf den Binnenmarkt europaweit<br />

zu harmonisieren, möglichst in Übereinstimmung<br />

mitdenNormenandererinternationalerOrganisationen<br />

wie IEC (International Electrotechnical Commission)<br />

oder ISO (International Organisation for<br />

Standardization). �CEN, �ETSI, �Normung<br />

Anschrift: 35, rue de Stassart, B-1050 Brüssel<br />

Internet: www.cenelec.org


CEPS(CentreforEuropeanPolicyStudies),gegründet<br />

1983 als unabhängiges Forschungsinstitut<br />

(Think Tank) mit dem Ziel, konstruktive Lösungen<br />

für aktuelle Probleme im Bereich der europäischen<br />

Integration zu finden.<br />

Das Centre wird finanziert durch Mitgliedsbeiträge<br />

sowie durch Zuschüsse von der Europäischen Kommission<br />

und anderen internationalen und nationalen<br />

Institutionen; es veranstaltet Konferenzen, erarbeitet<br />

und veröffentlicht Studien.<br />

Internet: www.ceps.be<br />

CERN (Organisation Européenne pour la Recherche<br />

Nucléaire), Europäische Organisation für Kernforschung.<br />

1952 auf Anregung der Unesco provisorisch<br />

als Rat für Kernforschung (Conseil Européen pour la<br />

Recherche Nucléaire, daher das Akronym CERN)<br />

eingerichtet,1954 gegründet als Joint Venture in Europa<br />

von 12 Staaten; heute 20 Mitgliedstaaten und<br />

rund 3000 Mitarbeiter. Die Kommission der EU und<br />

die UNESCO haben Beobachterstatus. Aufgaben:<br />

Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kern-, Hochenergie-<br />

und Elementarteilchenphysik. Die ersten<br />

Teilchenbeschleuniger (Protonensynchrotrone) gingen1957und1959inBetrieb.SiebeschleunigenPartikel<br />

nahezu auf Lichtgeschwindigkeit und machen<br />

sie durch Detektoren sichtbar. Zur Informations-<br />

VernetzungvonWissenschaftlernundUniversitäten<br />

erfand der CERN-Wissenschaftler Tim Berners-Lee<br />

1989 das World Wide Web.<br />

Internet: http://public.web.cern.de<br />

CES (Confédération Européenne des Syndicats)<br />

�Gewerkschaftsbund, europäischer<br />

CE-Zeichen kennzeichnen Produkte, die grundlegende<br />

und für alle Mitgliedstaaten verbindliche Sicherheitsanforderungen<br />

erfüllen und somit zum freien<br />

Verkehr im Binnenmarkt zugelassen sind. Die<br />

Normen sind in Richtlinien genannt (oder es wird auf<br />

bestehende verwiesen), z. B. in der Maschinenrichtlinie<br />

(89/392, ABl. L 183/1989, aktualisiert durch<br />

98/37, ABl. L 207/1998) oder in der Richtlinie über<br />

Seilbahnen für den Personenverkehr (2000/9, ABl. L<br />

106/2000). Das CE-Zeichen ist kein Prüfzeichen,<br />

sondern zeigt an, dass der Hersteller bzw. der Importeur<br />

die Konformität des Produkts mit allen einschlägigen<br />

EG-Rechtsakten bestätigt und die Verantwortung<br />

dafür übernimmt.<br />

Charta für Kleinunternehmen<br />

Chancengleichheit von Frauen und Männern<br />

�Gleichbehandlung von Frauen und Männern<br />

Charta der Grundrechte �Grundrechtecharta<br />

Charta der kommunalen Selbstverwaltung �EuropäischeChartaderkommunalenSelbstverwaltung<br />

Charta der öffentlichen Dienste. Dienste von allgemeinem<br />

wirtschaftlichen Interesse (z. B. in den<br />

Bereichen Post, Eisenbahn, Energie, Telekommunikation)<br />

spielen im Binnenmarkt eine bedeutende<br />

Rolle. Das wird auch in Art. 16 EGV bestätigt. Da im<br />

Binnenmarkt auch öffentliche Dienste liberalisiert<br />

werden (sollen), plant die Kommission die Festlegung<br />

von Grundsätzen für die Erbringung solcher<br />

Leistungen und von Grundrechten der Nutzer in einer<br />

„Charta der öffentlichen Dienste“. Damit sollen<br />

die Sicherheit und die Kontinuität der Versorgung<br />

für alle und zu erschwinglichen Preisen gewährleistet<br />

werden. Artikel 86 EGV bestimmt, dass insbes.<br />

die Wettbewerbsregeln des Vertrags für Dienste von<br />

allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nur gelten,<br />

soweit sie die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgabe<br />

rechtlich oder tatsächlich nicht verhindert.<br />

Charta für Kleinunternehmen, am 13. 6. 2000<br />

vom Rat in Lissabon verabschiedet und vom Europäischen<br />

Rat in Feira am 19./20. 6. 2004 angenommen.<br />

Um die Bedeutung der kleinen und mittleren<br />

Unternehmen (�KMU) für Innovation und Beschäftigung<br />

in Europa zu stärken, fordert die Charta die<br />

Förderung der unternehmerischen Initiative und die<br />

Verbesserung der Rahmenbedingungen und schlägt<br />

dafür zehn Leitlinien vor:<br />

– Erziehung und Ausbildung von Jugendlichen zu<br />

unternehmerischer Initiative.<br />

– Verringerung der Kosten und der Zeitdauer für<br />

Neugründungen.<br />

– Vereinfachung der Rechts- und VerwaltungsvorschriftenundEntlastungvonVorschriftenfürKMU.<br />

– Ausrichtung der Ausbildungseinrichtungen an den<br />

Bedürfnissen der Unternehmen.<br />

– Aufbau von staatlichen Online-Diensten für Unternehmen.<br />

– Rasche Vollendung des Binnenmarktes.<br />

– Günstigere Steuersysteme für unternehmerische<br />

TätigkeitundverbesserterZugangzu(Risiko-)Kapital.<br />

135


Charta von Köln<br />

– Förderung der Zusammenarbeit von KMU und<br />

Forschungseinrichtungen, erleichterter Zugang zu<br />

Forschungsprogrammen.<br />

– Anreize für KMU, erfolgreiche Modelle für elektronischen<br />

Handel zu übernehmen und Ausbau der<br />

Unterstützungsdienste für KMU.<br />

– KMU sollen ihre Interessen auf nationaler Ebene<br />

und auf Ebene der EU stärker und effizienter vertreten<br />

können.<br />

Die Charta wurde von den Beitrittsländern am 23. 4.<br />

2002 angenommen, sie nahmen bis zu ihrem Beitritt<br />

an dem Prozess teil. Die Länder des westlichen Balkans<br />

haben die Charta im Mai 2003 angenommen.<br />

Die Kommission veröffentlicht jährlich im Frühjahr<br />

einen Bericht über die Umsetzung der Charta.<br />

Bisherige Berichte: KOM 2001, 122 endg., KOM<br />

2002, 68 endg., KOM 2003, 21 endg., KOM 2004, 64<br />

endg. Die Berichte werden nicht im Amtsblatt veröffentlicht.<br />

Charta von Köln<br />

Begriff: Auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs<br />

der �G 8 am 18. 6. 1999 in Köln (25. Wirtschaftsgipfel)<br />

der Schlusserklärung beigefügte<br />

„Charta von Köln über Ziele und Bestrebungen für<br />

lebenslanges Lernen“. Anknüpfungspunkt ist Kapitel<br />

IV der Schlusserklärung („Investitionen in die<br />

Menschen“).<br />

Hintergrund und Beweggründe: Die in der Charta<br />

enthaltene Forderung nach Investitionen in lebenslanges<br />

Lernen zur Verwirklichung der sozialen und<br />

wirtschaftlichen Ziele des Vertrages beruht auf Titel<br />

VIII (Beschäftigung) des �Vertrages von Amsterdam,<br />

den Beschlüssen der Europäischen Räte von<br />

Luxemburg (20./21. 11. 1997) und Köln (3./4. 6.<br />

1999,„Beschäftigungspakt“)undder36.Tagungdes<br />

Bildungsministerratesvom7.6.1999inLuxemburg,<br />

auf dem der „Beitrag der Bildungspolitik zum Europäischen<br />

Beschäftigungspakt“ im Einzelnen verbindlich<br />

erörtert wurde.<br />

Das Thema des lebenslangen Lernens ist seit der<br />

„Mitteilung vom 2. 6. 1989 über die allgemeine und<br />

berufliche Bildung in der Europäischen Gemeinschaft<br />

– Mittelfristige Leitlinien 1989–1992“ ausführlich<br />

behandelt worden, insbes. im „Weißbuch<br />

zur allgemeinen und beruflichen Bildung vom 29.<br />

11. 1995: Lehren und Lernen – Auf dem Weg zur kognitiven<br />

Gesellschaft“ und der „Mitteilung vom 12.<br />

11. 1997: Für ein Europa des Wissens“.<br />

136<br />

Zielsetzung: In Ziff. 15 der Schlusserklärung heißt<br />

es: „Grundbildung, berufliche Bildung, akademische<br />

Qualifikationen, lebenslange Verbesserung der<br />

Fähigkeiten und Kenntnisse für den Arbeitsmarkt<br />

und Unterstützung der Entwicklung innovativen<br />

Denkens sind entscheidend für die Gestaltung des<br />

wirtschaftlichenundtechnischenFortschrittsaufunserem<br />

Weg in die Wissensgesellschaft“. Zur Förderung<br />

dieser Ziele wird vereinbart, die Bestrebungen<br />

der Charta von Köln weiterzuverfolgen (Ziff.16).<br />

Als wesentliche Elemente einer Strategie für lebenslanges<br />

Lernen und Ausbildung gelten (Charta von<br />

Köln, Teil 2) eine „qualitativ hochwertige Bildung“<br />

auf allen Ebenen, eine „grundlegende soziale Kompetenz“<br />

im Primarbereich, die Zuordnung der Sekundar-undBerufsschulbildungaufdieErfordernisse<br />

des Arbeitsmarkts und eine Hochschulbildung,<br />

„die allen, die zu einem Studium mit Hochschulabschluss<br />

befähigt sind, die Chance dazu eröffnet“.<br />

Rechtliche Würdigung: Die Charta von Köln hat<br />

gem. Art. 4 EUV eine politische Impuls- und Bindungswirkung,<br />

ist aber im Bildungsbereich gem.<br />

Art. 149 und 150 EGV auf das „Unterstützen und Ergänzen“<br />

der mitgliedstaatlichen Politik und durch<br />

dasHarmonisierungsverbotbegrenzt. I. H.<br />

Churchill, Sir Winston (1874 – 1965), britischer<br />

Premierminister (1940 – 1945, 1951 – 1955). Hatte<br />

entscheidenden Einfluss auf die Konferenzen des<br />

Zweiten Weltkrieges (u. a. in Teheran und Jalta), gehörte<br />

zu den Mitbegründern der UNO und zu den Initiatoren<br />

von �NATO und �Europarat. In seiner berühmten<br />

Rede vom 19. 9. 1946 an der Züricher Universität<br />

(„Züricher Rede“) schlug er die Schaffung<br />

der „Vereinigten Staaten von Europa“ vor, jedoch<br />

ohne Teilnahme Großbritanniens wegen seiner<br />

Commonwealth-Verpflichtungen.<br />

CIREA (Centre for Information, Discussion and Exchange<br />

on Asylum), Informations-, Reflexions- und<br />

Austauschzentrum für Asylfragen, eingerichtet auf<br />

Ratsbeschluss vom 11. 6. 1992 als Arbeitsgruppe des<br />

Rates im Rahmen der durch den Maastrichter Vertrag<br />

eingeführten Zusammenarbeit in den Bereichen<br />

Justiz und Inneres. Die von CIREA und �CIREFI gesammelten<br />

vereinheitlichten Daten über Asyl und<br />

Einwanderung wurden von �eurostat veröffentlicht.<br />

CIREA hat auf Entscheidung von �COREPER vom<br />

6. 3. 2002 seine Tätigkeit am 1. 7. 2002 eingestellt.


DieAufgabenvonCIREA(insbes.derInformationsund<br />

Erfahrungsaustausch zwischen den nationalen<br />

Asylbehörden) werden seither von der Kommission<br />

ausgeführt, die dafür die Arbeitsgruppe �EURASIL<br />

eingerichtet hat.<br />

CIREFI (Centre for Information, Discussion and Exchange<br />

on the Crossing of Frontiers and Immigration),<br />

Informations-, Reflexions- und Austauschzentrum<br />

für Fragen im Zusammenhang mit dem Überschreiten<br />

der �Außengrenzen und der Einwanderung,<br />

ähnlich wie �CIREA auf Ratsbeschluss vom<br />

30. 11/ 1. 12. 1992 als Arbeitsgruppe des Rates im<br />

Rahmen der durch den Maastrichter Vertrag eingeführten<br />

Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und<br />

Inneres eingerichtet zur Überwachung der Einwanderung<br />

und der Bekämpfung illegaler Immigration.<br />

Durch Entschließung des Rates vom 27. 5. 1999 wurde<br />

im Rahmen von CIREFI ein Frühwarnsystem zum<br />

Informationsaustausch über illegale Einwanderung<br />

und Schleuserkriminalität geschaffen. CIREFI ist<br />

beteiligt an der Weiterentwicklung des Katalogs<br />

grenzpolizeilicher Regeln und Praktiken im Gemeinsamen<br />

Schengener Handbuch sowie an dem<br />

computergestützten Informationssystem zur Erkennung<br />

gefälschter Dokumente (�FADO, False and<br />

Authentic Documents).<br />

CITES (Convention on International Trade in Endangered<br />

Species of Wild Fauna and Flora), Washingtoner<br />

Artenschutzübereinkommen. �Naturschutz<br />

Cocolaf (Advisory Committee for the Coordination<br />

of Fraud Prevention), Beratender Ausschuss für die<br />

Koordinierung der Betrugsbekämpfung, durch Beschluss<br />

der Kommission vom 23. 2. 1994 eingesetzt.<br />

�Betrugsbekämpfung, �OLAF<br />

Coded ist eine Datenbank der Europäischen Union<br />

für Konzepte und Begriffe aus allen Bereichen des<br />

Europäischen Statistischen Systems (ESS). Aufgelistet<br />

sind rund 3700 Begriffe und deren Definition<br />

sowieihreÜbersetzunginEnglischundFranzösisch,<br />

ferner rd. 200 Abkürzungen und Akronyme.<br />

Internet: Zugang Eurostat oder über http://forum.europa.eu.int/irc/dsis/coded/info/data/coded/<br />

de.htm<br />

COGECA (Confédération Générale des Coopératives<br />

Agricoles de l’Union Européenne), auch<br />

COCEGA (General Committee for Agricultural<br />

Cooperation in the European Union). Allgemeiner<br />

VerbandderlandwirtschaftlichenGenossenschaften<br />

in der EU. 1959 gegründet. Heute 40 Mitglieder aus<br />

20 EU-Staaten. Offizielles Vertretungsorgan aller<br />

landwirtschaftlichen und Fischerei-Genossenschaften<br />

der EU. Gemeinsames Sekretariat mit �COPA.<br />

Anschrift: Rue de la Science 23–25, 1040 Brüssel.<br />

Internet: www.cogeca.be<br />

Colombo, Emilio (geb. 1920), italienischer Ministerpräsident<br />

(1970–1972) und Minister in verschiedenen<br />

Ressorts. 1977 – 79 Präsident des Europäischen<br />

Parlaments, 1979 Träger des Karlspreises.<br />

Legte als Außenminister (1980 – 83 und 1992 – 93)<br />

gemeinsam mit seinem deutschen Kollegen �Genscher<br />

1981 einen Vertragsentwurf zur Gründung einer<br />

Europäischen Union vor (�Genscher-Colombo-Plan).<br />

Colonna-Memorandum. Memorandum der Kommission<br />

an den Rat vom 18. 3. 1970 unter dem Titel<br />

„Die Industriepolitik in der Gemeinschaft“. Es empfahl<br />

eine gemeinsame Politik der industriellen Entwicklung<br />

als notwendig für die weitere wirtschaftliche<br />

Entwicklung. Der Pariser �Gipfel vom 21. 10.<br />

1972 stimmte den Empfehlungen zu. Daraufhin beschloss<br />

der Rat am 17. 12. 1973 ein erstes Programm<br />

zur Industriepolitik mit einer Reihe von legislativen<br />

Maßnahmen. �Industriepolitik<br />

COMECE (Commissio Episcopatuum Communitatis<br />

Europensis, Kommission der Bischofskonferenzen<br />

der Europäischen Gemeinschaft). Am 3. 3. 1980<br />

gegründet. Kommission aus 21 von den Bischofskonferenzen<br />

in EU-Staaten delegierten Bischöfen,<br />

die sich zweimal pro Jahr zu einer Vollversammlung<br />

treffen, an der auch der Apostolische Nuntius teilnimmt.<br />

Dokument:<br />

Das Werden der Europäischen Union und die Verantwortung<br />

der Katholiken. Brüssel, 9. 5. 2005<br />

Anschrift: 42, rue Stévin, B–1000 Brüssel<br />

Internet: www.comece.org<br />

COMENIUS �Bildungsprogramme Ziff. 2.1.1<br />

COMMETT �Bildungsprogramme Ziff. 2.2<br />

COMEXT<br />

COMEXT ist eine Datenbank von eurostat mit Statis-<br />

137


CONCORD<br />

tiken zum Intrahandel der EU-Staaten und zum Extrahandel<br />

zwischen den EU-Staaten und rd. 250 Handelspartnern<br />

unter Verwendung der Kombinierten<br />

Nomenklatur. Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch.<br />

Daten seit 1976 jährlich, seit 1988 jährlich,<br />

halbjährlich, vierteljährlich und monatlich. Aktualisierung<br />

monatlich<br />

Internet: http://fd.comext.eurostat.cec.eu.int/xtweb<br />

CONCORD (European NGO Confederation for Relief<br />

and Development), europäischer Dachverband<br />

(Netzwerk) von 18 nationalen Vereinigungen mit<br />

über 1 500 entwicklungspolitischen �Nichtregierungsorganisationen,<br />

gegründet am 30. 1. 2003<br />

(�TRIALOG).<br />

Ähnliche Netzwerke sind CIDSE (Coopération Internationale<br />

pour le Développement et la Solidarité)<br />

für katholische entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen,<br />

APRODEVfürentsprechende<br />

protestantische NGO, EuronAid für NGO im Bereich<br />

Nahrungsmittelhilfe.<br />

CONCORDE (Centre for Organizations and Networks<br />

for Cooperation, Research and Development<br />

in Education). Ziel: Austausch von Ideen und Verbreitung<br />

von Informationen über Erziehung zwischen<br />

europäischen �Nichtregierungs-Organisationen<br />

sowie Veranstaltung von Seminaren zu den europäischen<br />

�Bildungsprogrammen.<br />

Anschrift: Rue de la Concorde 60, B–1050 Bruxelles<br />

CONECCS (Consultation, the European Commission<br />

and Civil Society; Konsultation, Europäische<br />

Kommission und Zivilgesellschaft). Datenbank der<br />

Kommission zum Zweck, ihre Konsultationsverfahrentransparenterzugestalten.EnthältInformationen<br />

zu den förmlichen und strukturierten Beratungsgremien<br />

der Kommission, an denen Organisationen der<br />

Zivilgesellschaft teilnehmen, ferner ein Verzeichnis<br />

von nicht gewinnorientierten Organisationen, die<br />

auf europäischer Ebene tätig sind (freiwillige Eintragung).<br />

Internet: europa.eu.int/comm/civil_society/coneccs<br />

Cono Sur (Südlicher Kegel). Bezeichnung der Südspitze<br />

von Lateinamerika mit den Staaten Argentinien,<br />

Chile, Uruguay, Paraguay; oft wird auch Bolivien<br />

und/oder Brasilien dazu gerechnet. Argentinien,<br />

Paraguay, Uruguay und Brasilien haben 1991<br />

138<br />

den gemeinsamen Markt �Mercosur (Mercado Comun<br />

del Cono Sur) gegründet.<br />

COPA (Comité des Organisations Professionelles<br />

Agricoles de l’Union Européenne). Ausschuss der<br />

berufsständischen landwirtschaftlichen Organisationen<br />

der EU, gegründet 1958. Heute 50 Mitglieder<br />

aus 20 EU-Ländern. Von den Organen der EU als<br />

Sprecher für die gesamte Landwirtschaft anerkannt.<br />

Gemeinsames Sekretariat mit �COGECA.<br />

Anschrift: Rue de la Science 23–25, B–1040 Brüssel.<br />

Internet www.copa.be<br />

Copyright. Der Begriff entstammt dem angloamerikanischen<br />

Urheberrecht. Gestützt auf den „Copyright<br />

Act“ vom 19. 10. 1976 ist das Copyright<br />

(Vervielfältigungsrecht) im Recht der USA geschriebene<br />

Voraussetzung des Urheberrechtsschutzes,<br />

der durch Registrierung in einem besonderen<br />

Copyright-Register erreicht wird.<br />

Der Copyright-Vermerk besteht aus dem ©-Kennzeichen<br />

oder dem Wort „Copyright“ in Verbindung<br />

mit dem Namen des Urheberrechtsinhabers und der<br />

Jahreszahl der ersten Veröffentlichung. Im europäischen<br />

Urheberrecht kommt dem Copyright-Vermerk<br />

über das Welturheberrechtsabkommen (WUA<br />

vom 6. 9. 1952, BGBl. 1973 II, 1111), zu dem sich<br />

sämtliche Mitgliedstaaten der EU bekennen, Bedeutung<br />

zu. Für ein Werkstück der Literatur, Wissenschaft<br />

oder Kunst, das den Copyright-Vermerk trägt,<br />

gelten alle innerstaatlichen Förmlichkeiten für die<br />

ErlangungdesUrheberrechtsschutzesalserfüllt.Der<br />

Abkommensstaat hat dem Urheberrechtsinhaber<br />

nach dem Prinzip der Inländerbehandlung alle für<br />

seine eigenen Staatsangehörigen vorgesehenen<br />

Schutzrechtezukommenzulassen. J. M. B.<br />

�Urheberrecht<br />

CORDIS (Community Research and Development<br />

Information Service). Elektronischer Informationsdienst<br />

der Kommission für die Bereiche Forschung<br />

undEntwicklung(F&E)sowieInnovationinEuropa.<br />

Es soll die Teilnahme an Forschungsprogrammen<br />

der EU erleichtern und die Verwertung von Forschungsergebnissenverbessern.CORDISisteineinteraktive<br />

Plattform mit der Möglichkeit, Wissen auszutauschen<br />

und Partnerschaften zu bilden. Der Zugang<br />

ist kostenfrei. Hauptsprache ist Englisch.<br />

Internet www.cordis.lu


COREPER (Comité des représentants permanents).<br />

Die gebräuchliche Abkürzung für den �Ausschuss<br />

der Ständigen Vertreter (AStV II) der Mitgliedstaaten<br />

in Brüssel (im Botschafterrang) und ihrer Stellvertreter<br />

(AStV I).<br />

COREU (Correspondance Européenne). Elektronisches<br />

Netzwerk, das die Außenministerien der Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union, das Ratssekretariat<br />

und die Kommission zum Austausch von Stellungnahmen,<br />

Berichten sowie sonstigen Informationen<br />

und Nachrichten im Bereich der �GASP einschl.<br />

der �ESVP miteinander verbindet.<br />

Es ermöglicht in Krisensituationen eine BeschlussfassunginnerhalbvonStunden.COREUwurde1973<br />

im Rahmen der �Europäischen Politischen Zusammenarbeit<br />

(EPZ) eingerichtet als ein Netz aus Fernschreibern.<br />

U. S.<br />

COSAC. Die Rolle der am 16./17. 11. 1989 in Paris<br />

gegründeten Konferenz der Europa-Ausschüsse<br />

(Conférence des Organes Spécialisés dans les Affaires<br />

Communautaires, COSAC) wurde vor allem im<br />

Protokoll Nr. 9 zum Amsterdamer Vertrag „über die<br />

Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der EU“<br />

präzisiert. Hier vereinbarte der Europäische Rat<br />

1997, dass die Konferenz jeden ihr zweckmäßig erscheinenden<br />

Beitrag für die Organe der EU leisten<br />

kann, und zwar insbes. auf der Grundlage von Entwürfen<br />

für Rechtstexte, deren Übermittlung an die<br />

COSAC von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten<br />

in Anbetracht der behandelten Frage<br />

ggf. einvernehmlich beschlossen wird. Zudem kann<br />

die Konferenz Vorschläge oder Initiativen im Zusammenhang<br />

mit der Errichtung eines �Raumes der<br />

Freiheit, der Sicherheit und des Rechts prüfen, die<br />

möglicherweise unmittelbare Auswirkungen auf die<br />

Rechte und Freiheiten des Einzelnen nach sich ziehen.<br />

Das Europäische Parlament, der Rat und die<br />

Kommission werden über solche von der COSAC<br />

geleisteten Beiträge unterrichtet. Die Konferenz<br />

kann dem Europäischen Parlament, dem Rat und der<br />

Kommission weiter jeden ihr zweckmäßig erscheinenden<br />

Beitrag über die Gesetzgebungstätigkeiten<br />

der Union, insbes. hinsichtlich der Anwendung des<br />

�Subsidiaritätsprinzips, des Raums der Freiheit, der<br />

Sicherheit und des Rechts sowie die �Grundrechte<br />

betreffenden Fragen vorlegen. Ausdrücklich binden<br />

allerdings die COSAC-Beiträge nicht die einzel-<br />

Costa/ENEL-Urteil<br />

staatlichen Parlamente und präjudizieren in keiner<br />

Weise deren Standpunkte. Insbesondere im Rahmen<br />

des politischen Frühwarnsystems des EU-Verfassungsvertrags<br />

2004, der die Rolle der nationalen Parlamente<br />

generell aufwerten will, könnte COSAC<br />

eine erweiterte Relevanz erlangen.<br />

1991 hat die COSAC sich eine Geschäftsordnung gegeben.<br />

Jeder Mitgliedstaat und das EP sind mit 6 Abgeordneten<br />

vertreten. Deutschland entsendet 4 Abgeordnete<br />

des Bundestages und 2 des Bundesrates.<br />

Beitrittskandidatenentsendenje3Parlamentarierals<br />

Beobachter. COSAC tritt halbjährlich in dem Land<br />

zusammen, das den Ratsvorsitz innehat. Ein ständiges<br />

Sekretariat der COSAC wurde am 1. 1. 2004 in<br />

Brüsseleingerichtet,zunächstfür2Jahre. J. M. B.<br />

Anschrift: 2, rue d’Ardenne, B–1047 Brüssel<br />

Internet: www.cosac.org<br />

COST (EuropeanCooperationinthefieldofScientific<br />

and Technical Research). 1971 gegründete Zusammenarbeit<br />

europäischer Staaten auf dem Gebiet<br />

der wissenschaftlichen und technischen Forschung<br />

vor allem im Grundlagenbereich und in der vorwettbewerblichen<br />

Entwicklung. Verwaltungssitz ist<br />

Brüssel. Mitglieder sind 36 europäische Staaten<br />

(darunter alle 25 EU-Staaten). Seit 1989 können sich<br />

auch Forschungseinrichtungen, Hochschulen und<br />

Unternehmen aus Ländern, die nicht Mitglied von<br />

COST sind, an den einzelnen Aktionen beteiligen.<br />

Forschungsaktionen können von Forschenden aus<br />

allen COST-Staaten und von der Europäischen<br />

Kommission vorgeschlagen werden. Über ihre Aufnahme<br />

entscheidet ein Ausschuss Hoher Beamter.<br />

Die Teilnahme ist freiwillig. Eine Aktion beginnt,<br />

wenn sich mindestens fünf Mitgliedstaaten zur Teilnahme<br />

verpflichten. Die Forschung wird national<br />

von den teilnehmenden COST-Staaten finanziert,<br />

die Kosten für die europaweite Koordination des<br />

COST-Sekretariats übernimmt ein gemeinsamer<br />

Fonds. Forschungsschwerpunkte sind die Bereiche<br />

Telekommunikation,Verkehr,Werkstoffe,Umwelt,<br />

Meteorologie, Landwirtschaft und Biotechnologie,<br />

Lebensmitteltechnologie, Sozialwissenschaften,<br />

Medizinische Forschung, Chemie, Forstwirtschaft,<br />

Physik / Strömungsdynamik, Nanotechnologie.<br />

Costa/ENEL-Urteil. Im Grundsatzurteil vom<br />

15. 7. 1964 (Rs. 6/64; Slg. 1964, 1251) beanspruchte<br />

der EuGH erstmals für das Gemeinschaftsrecht den<br />

139


Cotonou-Abkommen<br />

Vorrang vor allem nationalen Recht. Der EG-<br />

Vertrag habe nicht nur eine neue, eigenständige<br />

Rechtsordnung geschaffen, die in die Rechtsordnungen<br />

der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und<br />

von ihren Gerichten anzuwenden sei. Diese europäische<br />

Rechtsordnung stehe gewissermaßen auch über<br />

dem (allem) Recht der Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten<br />

hätten, wenn auch auf begrenztem Gebiet,<br />

ihre Souveränität beschränkt „und so einen<br />

Rechtskörper geschaffen, der für ihre Angehörigen<br />

und sie selbst verbindlich“ sei.<br />

Die Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten im<br />

Vertrag zur Gründung der Gemeinschaften eingegangen<br />

sind, „wären keine unbedingten mehr, sondern<br />

nur noch eventuelle, wenn sie durch spätere Gesetzgebungsakte<br />

der Signatarstaaten in Frage gestellt<br />

werden könnten“.<br />

Die nationalen Obergerichte sind dem Vorrang-Anspruch<br />

des Gemeinschaftsrechts mit einiger Skepsis<br />

entgegengetreten. Weitgehend haben sie sich inzwischen<br />

jedoch damit abgefunden. Auch das deutsche<br />

Bundesverfassungsgericht hat insbes. im �Bananenmarktordnung-Beschluss<br />

vom 7. 6. 2000 die Vorrangfrage<br />

im Wesentlichen zu Gunsten des Gemeinschaftsrechts<br />

aufgelöst. Der EU-Verfassungsvertrag<br />

2004 bestätigt nun ausdrücklich den Vorrang des Europarechts(Art.I-6VVE).<br />

J. M. B.<br />

Cotonou-Abkommen. Mit Beendigung des Ost-<br />

West-Konflikts und sich rasch verstärkenden Globalisierungsprozessen<br />

ist die 25-jährige, im Ganzen erfolgreiche<br />

AKP-EG-Entwicklungszusammenarbeit<br />

im Rahmen der �Lomé-Abkommen I–IV (1975 –<br />

2000) an ihre Grenzen gestoßen. Die Veränderung<br />

der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />

und vielfältige Differenzierungen im Entwicklungsverlauf<br />

und -stand innerhalb der Gruppe<br />

der �AKP-Staaten haben eine grundlegende Umorientierung<br />

der Entwicklungszusammenarbeit und<br />

-partnerschaft zwischen den Vertragsparteien notwendig<br />

gemacht. Sie hat ihren Niederschlag im Abkommen<br />

von Cotonou (Benin), dem Nachfolgeabkommen<br />

von Lomé IV, gefunden. Cotonou markiert<br />

eine Zäsur in der AKP-EG-Entwicklungszusammenarbeit,<br />

ohne aber bewährte Grundsätze von<br />

Lomé, z. B. Partnerschaft und Kooperation, die vertragliche<br />

Vereinbarung gegenseitiger Rechte und<br />

Pflichten, paritätische Institutionen, Dialog, Berechenbarkeit<br />

über Bord zu werfen. Auf diesen Prinzi-<br />

140<br />

pien aufbauend, ist mit dem Abkommen von Cotonou<br />

ein neuer Kooperationsrahmen geschaffen worden,<br />

der den veränderten Bedingungen und den jeweiligen<br />

Interessen der Vertragsparteien Rechnung<br />

trägt. Die EU setzt seit dem Vertrag von Maastricht<br />

mit der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) neue außen- und sicherheitspolitische<br />

Prioritäten bei der Mitgestaltung der internationalen<br />

Zusammenarbeit und der Wahrung des Friedens und<br />

der internationalen Sicherheit. Viele AKP-Staaten<br />

haben ihrerseits politische und wirtschaftliche Reformen<br />

eingeleitet. Dementsprechend setzt das Cotonou-Abkommen<br />

neue Akzente.<br />

1. Von Lomé IV nach Cotonou: Die Diskussion um<br />

die Nachfolge von Lomé IV wurde bereits Ende1996<br />

mit dem „Grünbuch über die Beziehungen zwischen<br />

derEuropäischenUnionunddenAKP-Staatenander<br />

Schwelle zum 21. Jahrhundert – Herausforderungen<br />

und Optionen für eine neue Partnerschaft“ eingeleitet.<br />

Sie löste eine breit angelegte Debatte aus, an der<br />

neben Regierungskreisen und dem Europäischen<br />

Parlament auch die Zivilgesellschaft, Wissenschaftler,<br />

der Privatsektor und �NROs beteiligt waren. Daran<br />

anknüpfend formulierte die Europäische Kommission<br />

im Herbst 1997 Leitlinien für Neuverhandlungen.<br />

Auch die Staats- und Regierungschefs der<br />

AKP-LänderäußertensichaufihrerKonferenzinLibreville<br />

(Gabun) im November 1997 in der „Libreville-Erklärung“<br />

zum künftigen Verhältnis zur EU.<br />

Während die Kommission eindeutig für eine grundlegende<br />

Umgestaltung des Lomé-Konzeptes plädierte,<br />

um die AKP-Partnerländer für eine zunehmend<br />

eigenständigere Entwicklung in der sich verändernden<br />

Welt fit zu machen, wünschten diese lediglich<br />

unbedeutende Veränderungen des Lomé-<br />

Konzeptes nebst einigen unverbindlichen politischen<br />

Auflagen.<br />

Nach schwierigen Anfangsverhandlungen, die im<br />

September 1998 begannen und einem Scheitern der<br />

AKP-EU-Partnerschaft nahe waren, kam schließlich<br />

auf beiden Seiten der politische Wille zum Durchbruch,<br />

das Kooperations- und Partnerschaftsverhältnis<br />

über das Jahr 2000 hinaus fortzusetzen, zu revitalisieren<br />

und zu vertiefen. Nach langen Verhandlungen<br />

wurde das neue Partnerschaftsabkommen zwischenderEUundnunmehr76AKP-Staatenam23.6.<br />

2000 in Cotonou unterzeichnet. Es trat nach RatifizierungdurchdieEU-MitgliederundzweiDrittelder<br />

AKP-Länder am 1. 4. 2003in Kraft. Die Laufzeit des


Abkommens beträgt 20 Jahre und gibt beiden Seiten<br />

relative Planungssicherheit.<br />

3. Rechtliche Grundlagen, Ziele und Grundprinzipien<br />

des Abkommens: Die rechtliche Vertragsgrundlage<br />

bildet das „Partnerschaftsabkommen zwischen<br />

den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im<br />

Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits<br />

und der Europäischen Gemeinschaft und ihren<br />

Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou<br />

am 23. Juni 2000“. Es gliedert sich in folgende<br />

Abschnitte:<br />

– Allgemeine Bestimmungen;<br />

– Institutionelle Bestimmungen;<br />

– Kooperationsstrategien;<br />

– Zusammenarbeit bei Entwicklungsfinanzierung;<br />

– Allgemeine Bestimmungen für die am wenigsten<br />

entwickelten AKP-Staaten, die AKP-Binnenstaaten<br />

und die AKP-Inselstaaten;<br />

– Schlussbestimmungen.<br />

Ziel des Abkommens ist, „ im Sinne eines Beitrages<br />

zu Frieden und Sicherheit und zur Förderung eines<br />

stabilen und demokratischen politischen Umfeldes<br />

die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung<br />

der AKP-Staaten zu fördern und zu beschleunigen“<br />

und „in Einklang mit den Zielen der �nachhaltigen<br />

Entwicklung und der schrittweisen Integration<br />

der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft die Armut<br />

einzudämmen und schließlich zu besiegen“.<br />

Die Zusammenarbeit, die sich auf rechtsverbindliche<br />

Vereinbarungen und gemeinsame Organe (Ministerrat,<br />

Botschafterausschuss, Paritätische Parlamentarische<br />

Versammlung) stützt, beruht auf folgenden<br />

Grundprinzipien:<br />

– Gleichheit der Partner und Eigenverantwortung<br />

für die Entwicklungsstrategien;<br />

– Partizipation der verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Akteure;<br />

– Zentrale Rolle des Dialogs und Erfüllung der beiderseitigen<br />

Verpflichtungen;<br />

– Differenzierung und Regionalisierung.<br />

Gegenüber Lomé IV stellen die Eigenverantwortung<br />

der Partner, breit gefächerte gesellschaftliche Partizipation,<br />

die zentrale Rolle des Dialogs und der<br />

Grundsatz der Differenzierung und Regionalisierung<br />

neue Vertragsschwerpunkte dar. In ihrem kohärenten<br />

Zusammenwirken tragen sie durch Stärkung<br />

der politischen Dimension zur Optimierung der Vertragserfüllung<br />

bei.<br />

3. Inhaltliche Schwerpunkte: Neben der stärkeren<br />

Cotonou-Abkommen<br />

AkzentuierungderschoninLoméIVeingegangenen<br />

Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte, zur<br />

Einhaltung demokratischer Grundsätze und der<br />

Rechtsstaatlichkeit stellen Armutsbekämpfung, die<br />

Beachtung der Grundsätze nachhaltiger Entwicklung,<br />

die Gleichberechtigung von Mann und Frau,<br />

die Unterstützung politischer und institutioneller<br />

ReformensowiedieEinbindungnichtstaatlicherAkteure<br />

(�Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Gewerkschaften,<br />

�Nichtregierungsorganisationen) in die<br />

Zusammenarbeit neue Schwerpunkte des Vertragswerkes<br />

dar. Mit der Stärkung der politischen Dimension<br />

erhält der politische Dialog zwischen der EU<br />

unddenAKP-StaateneineneueQualität.Ersolldazu<br />

dienen, Konfliktsituationen zu entschärfen und Vertragsverletzungen<br />

soweit wie möglich zu vermeiden<br />

oder – noch besser – zu einem möglichst frühen Zeitpunkt<br />

Konflikte im Keim zu ersticken. Der Vertrag<br />

sieht deshalb vor, dass eine Vertragspartei ein Konsultationsverfahren<br />

einleiten kann, wenn der andere<br />

Partner die Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte<br />

und Grundfreiheiten, der demokratischen<br />

Grundsätze oder des Rechtstaatsprinzips verletzt<br />

oder nicht erfüllt. Neu ist, dass in diese Konsultationen<br />

auch die �Zivilgesellschaft einbezogen<br />

werden kann. Das Scheitern der Konsultationen<br />

kann zu einer partiellen oder gar vollständigen Aussetzung<br />

der Zusammenarbeit führen (Art. 96).<br />

Vor allem gelang es auch, das Prinzip verantwortlicher<br />

Regierungsführung („good governance“) als<br />

„fundamentales Element“ in das Cotonou-Abkommen<br />

einzubeziehen und es rechtlich und politisch auf<br />

die gleiche Stufe wie Schutz der Menschenrechte sowie<br />

Achtung demokratischer und rechtsstaatlicher<br />

Grundsätze anzuheben. Alle drei Elemente sind zentrale<br />

Themen des politischen Dialogs. Verantwortliche<br />

Regierungsführung wird definiert als „transparente<br />

und verantwortungsbewusste Verwaltung der<br />

menschlichen, natürlichen, wirtschaftlichen und finanziellen<br />

Ressourcen und ihr Einsatz für eine ausgewogene<br />

und nachhaltige Entwicklung“ (Art. 9).<br />

Fernzielderwirtschaftlichenundhandelspolitischen<br />

Zusammenarbeit ist, „die AKP-Staaten in die Lage<br />

zu versetzen, in vollem Umfang am Welthandel teilzunehmen“.<br />

Angesichts ihres derzeitigen Entwicklungsstandes<br />

soll die wirtschaftliche und handelspolitische<br />

Zusammenarbeit die AKP-Staaten schrittweise<br />

befähigen, sich den neuen Bedingungen des<br />

globalisierten Welthandels anzupassen und so „ihre<br />

141


Cotonou-Abkommen<br />

Eingliederung in die liberalisierte Weltwirtschaft erleichtern“.<br />

Um dieses Ziel erreichen zu können, einigten<br />

sich beide Seiten darauf, die für die AKP-Länder<br />

bestehenden Handelspräferenzen bis 2007 in regionale<br />

Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zu<br />

überführen. Zum einen widerspricht die Gewährung<br />

solch einseitiger Sonderpräferenzen (ohne Reziprozität)<br />

dem Nichtdiskriminierungsprinzip von<br />

�GATT/WTO, zum anderen bieten regionale Wirtschafts-<br />

und Partnerschaftsabkommen (Regional<br />

and Economic Partnership Agreements, REPA) die<br />

Chance, Ressourcenausstattung, den jeweiligen Entwicklungsstand,<br />

spezifische strukturelle Grundlagen<br />

der verschiedenen Regionen, vorhandene Initiativen<br />

zu regionaler Integration usw. angemessen zu<br />

berücksichtigen.DerErfolgderRegionalabkommen<br />

wird davon abhängen, ob es gelingt, die regionale Integration,<br />

die teilweise schon vorhanden ist, auf eine<br />

solide, tragfähige Grundlage zu stellen. Voraussetzungen<br />

dafür sind zum einen die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

und der Exportkapazitäten der jeweiligen<br />

Region sowie der Aufbau von die regionale<br />

Integration fördernden Organisationsstrukturen.<br />

Das verpflichtet die AKP-Partnerländer und -regionen<br />

zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den<br />

eigenen Bedürfnissen, Möglichkeiten, Problemen<br />

usw. und zur Ausarbeitung entsprechender eigener<br />

Lösungsstrategien.<br />

Längere Übergangsfristen (bis zu 12 Jahren) tragen<br />

denunterschiedlichenregionalenKooperations-und<br />

Integrationsbedingungen Rechnung und ermöglichen<br />

eine differenzierte und flexible Handhabung<br />

derRegionalabkommen.Zumanderenmussauchdie<br />

EU-Seite ihrer Verpflichtung nachkommen, die Abschottung<br />

ihres Agrarmarktes gegen sensible Produkte<br />

aus Entwicklungsländern (z. B. Reis, Wein,<br />

Zucker, Milchprodukte) abzubauen. Die Eingliederung<br />

der AKP-Länder in die Weltwirtschaft kann nur<br />

gelingen, wenn sie von beiden Seiten gemeinsam getragen<br />

wird. Sonderregelungen wurden für die am<br />

wenigsten entwickelten AKP-Länder, die AKP-Binnenstaaten<br />

und die AKP-Inselstaaten vereinbart. Neben<br />

der Bereitstellung von 1 Mrd. Euro aus Restmitteln<br />

(rd. 9,9 Mrd. Euro) des 8. EEF zur finanziellen<br />

Absicherung der HIPC-Entschuldungsinitiative<br />

wird ersteren ab 2005 zollfreier Zugang zu den<br />

EU-Märkten für „im Wesentlichen alle Waren“(Art.<br />

39,9) gewährt (HIPC: Heavily indebted poor countries,<br />

hochverschuldete arme Länder).<br />

142<br />

4. Wertung: Unbestreitbar ist, dass das Cotonou-Abkommen<br />

einen epochalen Wandel in den EU-AKP-<br />

Beziehungen darstellt. Im Vergleich zu Lomé IV<br />

schaffen grundlegende Neuerungen die Voraussetzung<br />

für wesentliche Verbesserungen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

zwischen den AKP-Staaten<br />

und der Europäischen Gemeinschaft. Dazu zählen<br />

insbes. die beachtliche Aufwertung der politischen<br />

Dimension (insbes. die Akzentuierung der Menschenrechte,<br />

des Demokratieprinzips, der Rechtsstaatlichkeit<br />

und verantwortlicher Regierungsführung),<br />

die Heraushebung von Querschnittsaufgaben<br />

(Armutsbekämpfung, Nachhaltige Entwicklung,<br />

Gleichberechtigung der Geschlechter, politische<br />

und institutionelle Reformen, Einbindung von<br />

NRO). Mit der Verpflichtung, Entwicklungsaufgaben<br />

mit Hilfe integrierter Strategien anzugehen, die<br />

ökologische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle und<br />

institutionelle Elemente umfassen, erhält der politische<br />

Dialog nicht nur eine neue Qualität, er unterstützt<br />

auch die Entfaltung von Eigeninitiativen und<br />

-kräften zur nachhaltigen Nutzung heimischer Ressourcen.<br />

Die regionale Differenzierung der wirtschafts- und<br />

handelspolitischen Zusammenarbeit in Form regionaler<br />

Wirtschaftspartnerschaften bietet einen optimalen,<br />

wenn auch ehrgeizigen Ansatz, die wirtschaftliche<br />

Entwicklung der AKP-Partnerländer<br />

voranzutreiben, zumal die 20-jährige Laufzeit des<br />

Abkommens beiden Partnern langfristige Planungssicherheit<br />

gibt. Auch die Flexibilisierung der Programmierung<br />

(z. B. Abhängigkeit der Mittelzuweisung<br />

vom Erreichen bestimmter Vorgaben) stellt ein<br />

wichtiges Element der Effektivierung dar.<br />

Die Entwicklungszusammenarbeit zwischen den<br />

Partnern ist jedoch nicht leichter geworden, im Gegenteil:<br />

Die Komplexität der Entwicklungsaufgaben<br />

stellt erhöhte Anforderungen an die Akteure beider<br />

Seiten. Viele Fragen bleiben offen:<br />

– Sind in der Mehrzahl der AKP-Länder überhaupt<br />

die erforderlichen Kapazitäten für die Umsetzung<br />

der gesteckten Ziele vorhanden bzw. lassen sich diese<br />

in dem gesetzten Zeitrahmen entwickeln? Das gilt<br />

insbes. für die Etablierung von regionalen Wirtschaftspartnerschaften,<br />

für die entweder keine oder<br />

nur partielle Ansätze vorhanden sind.<br />

– Reichen die im Vertragswerk vereinbarten Fristen/Übergangsfristen<br />

für die Realisierung von Wirtschaftspartnerschaften<br />

aus bzw. werden die im Ab-


kommen eingebauten Revisionsmöglichkeiten für<br />

die Verlängerung dieser Fristen genutzt?<br />

– Ist die EU zum Abbau von Handelsbarrieren für<br />

sensible Agrarimporte aus AKP-Ländern im für die<br />

Entwicklung dieser Länder erforderlichen Umfang<br />

und Zeitrahmen bereit?<br />

– Ist die EU angesichts zunehmender finanzieller<br />

Engpässe bereit bzw. in der Lage, das Finanzvolumen<br />

des 9. EEF (13,5 Mrd. Euro für den Zeitraum<br />

2000–2005)realauchfürden10.bis12.EEF(2006–<br />

2020) zur Verfügung zu stellen? Die AKP-Staaten<br />

befürchten ohnehin, dass die Erweiterung der Europäischen<br />

Union auf 25 bzw. 27 Mitglieder zu einer<br />

Umlenkungfinanzieller RessourcenderUnionindie<br />

schwächsten Beitrittsländer führen könnte, zum<br />

Nachteil der AKP-Staaten.<br />

BeideSeitensolltensichdarüberimKlarensein,dass<br />

das Cotonou-Abkommen ehrgeizige Ziele gesetzt<br />

hat, deren Realisierung enorme Anstrengungen, insbes.<br />

die Entwicklung intelligenter Lösungsstrategien,<br />

erfordert, die geeignet sind, auf breiter Ebene<br />

Kräfte zu mobilisieren, die die Armut schrittweise<br />

überwinden und eine eigenständige integrative EntwicklunginGangzusetzen.<br />

K. E.<br />

Literatur:<br />

BMZ: Elfter Bericht zur Entwicklungspolitik der<br />

Bundesregierung. Materialien Nr. 111. Bonn 2001<br />

Dass.: Das Abkommen von Cotonou – Neue Wege in der<br />

AKP-EU-Partnerschaft. Materialien Nr. 118, Bonn 2002<br />

Brüne, St.: Die Konvention von Cotonou. In: Nord-Süd<br />

aktuell, 2/2001, S.338 – 343<br />

Ders.: Europas Außenbeziehungen und die AKP-Staaten. Das<br />

Abkommen von Cotonou. Eine erste Zwischenbilanz.<br />

In: Nord-Süd aktuell, 2/2002 S. 201 – 214<br />

Coudenhove-Kalergi, Richard Nicolas Graf (1894<br />

bis 1972), österreichischer (politischer) SchriftstellerundProfessorfürGeschichte.GiltalsUrheberdes<br />

modernen Europagedankens. Er gründete 1923 die<br />

�Paneuropa-Bewegung und legte deren Programm<br />

undZieleinseinemWerk„Paneuropa“fest.Coudenhove<br />

publizierte 1934 das Buch „Europa erwacht“<br />

und 1938 „Kommen die Vereinigten Staaten von Eu-<br />

CREST<br />

ropa?“ (darin die Forderung: „freiwilliger Zusammenschluss<br />

Europas zu einem Staatenbund freier<br />

und gleichberechtigter Völker“). 1938 gelangte er<br />

über die Schweiz ins amerikanische Exil. Aus jener<br />

Zeit stammt seine Begegnung mit Otto von Habsburg.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg (1946) kehrte<br />

Coudenhove nach Europa zurück. Churchill beriet<br />

mit ihm seine berühmte Züricher Rede zur Gründung<br />

der „Vereinigten Staaten von Europa“.<br />

Coudenhovewar1950ersterTrägerdesKarlspreises<br />

der Stadt Aachen. 1952 wurde er Ehrenpräsident der<br />

Paneuropa-Bewegung, trat jedoch 1965 aus, da sie<br />

die Europakonzeption de �Gaulles („Europa der Vaterländer“)ablehnte.<br />

W. M.<br />

CPMR (Conference of Peripheral Maritime Regions<br />

ofEurope),1973inSaint-Malo aufInitiativederBretagne<br />

gegründet im Zusammenhang mit den Beitritten<br />

von Großbritannien, Irland und Dänemark. Mitglieder<br />

sind heute 149 periphere und maritime Regionen<br />

(Küstenregionen) in 27 Ländern Europas.<br />

Die CPMR teilt sich in 6 geographische Kommissionen:<br />

Atlantischer Bogen, Balkan und Schwarzes<br />

Meer, Inseln, Mittelmeer, Nordsee, Ostsee.<br />

Anschrift: 6, Rue Saint-Martin, F–35700 Rennes<br />

Internet: www.cpmr.org<br />

CRAFT (Cooperative Research Action for Technology).<br />

Förderprogramm im Rahmen des 6. Forschungsrahmenprogramms<br />

der EU für kleine und<br />

mittlere Unternehmen (�KMU) mit geringer Forschungskapazität.<br />

CRAFT ermöglicht ihnen die<br />

(grenzüberschreitende) Kooperation mit Forschungseinrichtungen,<br />

Universitäten sowie anderen<br />

Unternehmen, insbes. zur Entwicklung umweltfreundlicher<br />

Technologien. Laufzeit des aktuellen<br />

Programms:2002bis2006.Budget295Mio.Euro.<br />

CREST (Comité de la Recherche Scientifique et<br />

Technique). �Ausschuss für wissenschaftliche und<br />

technologische Forschung<br />

143


Dahrendorf-Memorandum<br />

Dahrendorf-Memorandum. Memorandum der<br />

Europäischen Kommission von 1973 zur Rolle der<br />

Bildung in entwickelten Industriegesellschaften,<br />

entstanden unter Federführung des deutschen Bildungspolitikers<br />

Ralf Dahrendorf, 1970 – 1974 Mitglied<br />

der Kommission. �Bildungspolitik Ziff. 3<br />

Dankert, Pieter (1934 – 2003), niederländischer Politiker.<br />

1969 – 1980 Leiter des Auswärtigen Ausschusses<br />

in der Zweiten Kammer des niederländischen<br />

Parlaments. 1971 Mitglied der Beratenden<br />

Versammlung des �Europarats. 1977–1989 Mitglied<br />

des Europäischen Parlaments, 1982– 1984 dessen<br />

Präsident.<br />

DANTE (Delivery of Advanced Network Technology<br />

to Europe), 1993 von elf nationalen Forschungsund<br />

Bildungsnetzen (aus Deutschland: Deutsches<br />

Forschungsnetz DFN) in Cambridge (St. John’s College)<br />

gegründete europäische Non-Profit-Gesellschaft.<br />

Zweck der Gesellschaft ist die Planung, der<br />

Aufbau und der Betrieb eines europaweiten Forschungs-Netzes<br />

von Hochleistungsrechnern. Ergebnis<br />

waren mehrere aufeinanderfolgende Generationen<br />

von Netzwerken: EuropaNET (1993 – 97),<br />

TEN-34 (1997 – 98, Übertragungsgeschwindigkeit<br />

34 Mb pro Sekunde), TEN-155 (1998 – 2001, 155<br />

Mbps) und �GÉANT (2001 – 04, bis 10 Gbps). Die<br />

Entwicklung der 7. Generation GÉANT2 startete am<br />

1. 9. 2004 und ist auf vier Jahre angelegt. 34 Länder<br />

sind durch 30 nationale Forschungs- und Bildungsnetze<br />

angeschlossen. DANTE organisiert auch das<br />

Projekt �ALICE. DANTE wird von der Europäischen<br />

Kommission und ihren Forschungsrahmenprogrammen<br />

gefördert.<br />

DAPHNE II ist ein EU-Finanzierungsprogramm, das<br />

Gemeinschaftsprojekte von �Nichtregierungsorganisationen<br />

aus mehreren Staaten im Kampf gegen<br />

jede Form von Gewalt gegen Frauen, Kinder und Jugendliche<br />

(sexueller Missbrauch, häusliche Gewalt,<br />

Schikane in Schulen, Menschenhandel, Gewalt gegen<br />

Minderheiten) mitfinanziert. Laufzeit von Mai<br />

2004bisEndeDezember2008.Budget50Mio.Euro.<br />

144<br />

D<br />

Daseinsvorsorge �Kommunalpolitik Ziff. 6<br />

Dassonville-Formel. Mit dem Urteil vom 11. 7.<br />

1974 (Rs. 8/74; Slg. 1974, 837) setzte der EuGH den<br />

ersten Meilenstein auf dem Weg zum �freien Warenverkehr.<br />

Hier prägte er die Formel, dass eine dem<br />

Mitgliedstaat grundsätzlich verbotene „Maßnahme<br />

gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung<br />

i. S. d. Art. 30 EG“ jede Regelung sei, die<br />

geeignet erscheine, „den innergemeinschaftlichen<br />

Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder<br />

potenziell zu behindern“. Damit wollte der EuGH<br />

grundsätzlich alle denkbaren Handelsbeschränkungen<br />

erfassen bzw. verhindern und so den Binnenmarktdurchsetzen.Im�Cassis-de-Dijon-Urteilsetzte<br />

er den zweiten Meilenstein und führte aus, dass<br />

„alle Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig<br />

hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind,<br />

grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten eingeführt<br />

und vertrieben werden dürfen, es sei denn, dass höherwertige<br />

Interessen der Allgemeinheit dem im<br />

Einzelfall entgegenstehen“. Damit schrieb der<br />

EuGH das �Prinzip der gegenseitigen Anerkennung<br />

im europäischen Warenverkehr fest und erübrigte so<br />

in vielen Bereichen eine langwierige Rechtsangleichung.<br />

Erst die „Novemberrevolution“ des �Keck-Urteils<br />

hat die weite Dassonville-Formel teilweise zurückgenommen:<br />

staatliche Beschränkungen im Sinne<br />

von„Verkaufsmodalitäten“(Arbeitszeitregelungen,<br />

Öffnungszeiten ...) seien von vornherein keine<br />

„Maßnahmen gleicher Wirkung i. S. d. Art. 30 EG“,<br />

d. h. grundsätzlich erlaubt, wenn sie diskriminierungsfrei<br />

für heimische und eingeführte Waren gelten<br />

würden und auch tatsächlich nicht zum Schutz<br />

der heimischen Produktion, d. h. der Abschottung<br />

nationaler Märkte, führten. Die genaue Abgrenzung<br />

von (erlaubten) vertriebsbezogenen Verkaufsmodalitäten<br />

zu (verbotenen) produktbezogenen Regelungen<br />

erweist sich im Einzelfall allerdings als außerordentlichschwierig.<br />

J. M. B.<br />

Datenbanken der EU. Die Kommission und das<br />

�Amt für Veröffentlichungen haben zahlreiche Da-


tenbanken eingerichtet, von denen die meisten seit<br />

Mitte 2004 allgemein und kostenfrei zugänglich<br />

sind. Hier eine Auswahl nach Themen und Politikbereichen.<br />

Einen Überblick über die Gesetzgebung in allen Tätigkeitsbereichen<br />

der EU bietet �Scadplus (http://europa.eu.int/scadplus).<br />

Listen von Ansprechpartnern findet man unter<br />

�CONECCS (Organisationen der Zivilgesellschaft,<br />

http://europa.eu.int/comm/civil_society/coneccs)<br />

und �IDEA (Suche in den Organen und Institutionen<br />

der EU, http://europa.eu.int/idea).<br />

Archive bieten ARCHISplus (Historisches Archiv<br />

mit allem, was nach der 30-Jahre-Frist freigegeben<br />

ist, http.//europa.eu.int/historical_archives) und das<br />

Historische Archiv der EU beim �Europäischen<br />

Hochschul-Institut(EHI)inFlorenz(historischeDokumentederEU-Organe,www.iue.it/ECArchives).<br />

Zu Außenbeziehungen (EPZ, GASP, Entwicklungspolitik)<br />

gibt es eine Volltext-Datensammlung aller<br />

Dokumente seit 1985 in der Akademie für EuropäischesRechtamEHIinFlorenz(www.iue.it/EFPB).<br />

Bibliographische Dokumentationen bieten ECLAS<br />

(Katalog der Zentralbibliothek der Kommission,<br />

http://europa.eu.int/eclas), Euristote (Forschungsarbeiten<br />

zur europäischen Integration, http://europa.eu.int/comm/dg10/university/euristote),<br />

das Robert-Schuman-Zentrum<br />

am EHI (www.iue.it/<br />

RSCAS) und die VET-Bibliothek der �CEDEFOP<br />

(Berufsbildung, http://libserver.ceefop.eu.int).<br />

Zur Forschung gibt es Datenbanken unter �CORDIS<br />

(Forschungs- und Entwicklungsinformationen,<br />

www.cordis.lu).<br />

ImBereichIndustriebietetTRISInformationenüber<br />

nationale technische Vorschriften (http://europa.eu.int/comm/enterprise/tris),<br />

Informationen über<br />

Chemikalien (Rechtsakte, Substanzen) gibt es unter<br />

Légichim oder ComLégi (Zugang über die Website<br />

derKommissionDG3),Informationenübererneuerbare<br />

Energien unter AGORES (www.agores.org).<br />

Landwirtschaftliche Daten findet man unter INLB,<br />

dem Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen<br />

(http://europa.eu.int/comm/agriuculture/<br />

rica/dwh/index_en.cfm).<br />

Zum Recht bieten folgende Datenbanken Informationen:<br />

CURIA (neueste Rechtsprechung, http://curia.eu.int/de/coopju/apercu_reflets/lang),<br />

�EUR-<br />

Lex (der Zugang zum EU-Recht, http://europa.<br />

eu.int/eur-lex), �PRELEX (Daten über die einzelnen<br />

Datenschutz<br />

EtappendesgemeinschaftlichenGesetzgebungsprozesses,<br />

http://europa.eu.int/prelex/apcnet.cfm).<br />

Dokumente der Organe: Parlament (Daten zum<br />

Rechtsetzungsverfahren) unter OEIL (www..europarl.eu.int/oeil),<br />

Ratsdokumente unter REGISTER<br />

(http://ue.eu.int/docCenter.aps), Kommissionsdokumente<br />

unter http://europa.eu.int/comm/ secretariat_general/<br />

regdoc/recherche.cfm.<br />

Informationen über öffentliche Aufträge sind in den<br />

Datenbanken �SIMAP (http://simap.eu.int) und<br />

�TED (http://ted.publications.eu.int) zu finden.<br />

Über Regionalpolitik (regionale Entwicklungsprogramme)<br />

informiert, getrennt nach Staaten, Regionen,<br />

Programmen und Themen, die Datenbank<br />

INFOREGIO. (http://europa.eu.int/comm/regional<br />

_policy/ns_de.htm)<br />

Zur Wirtschafts- und Währungsunion gibt es eine<br />

Datenbank mit den Übersetzungen aller gängigen<br />

BegriffeinalleAmtssprachenderEUunterhttp://europa.eu.int/comm/translation/euro/euenfram.htm.<br />

Den Index der Klassifikation der internationalen<br />

Statistik bietet RAMON (http://europa.eu.int/<br />

comm/eurostat/ramon).<br />

Datenschutz<br />

1. Begriff und Entwicklung: Der Datenschutz als Regelung<br />

zum Schutz personenbezogener Daten bei jeder<br />

Art von Sammlung und Verarbeitung, sei es automatisiert<br />

oder manuell in einer Datei, ist seit 1990<br />

BestandteilderPolitikderEG,alsdieKommissionin<br />

Form einer „Mitteilung“ ein Paket von Maßnahmen<br />

zum Datenschutz vorlegte. Im Jahre 1995 führte diese<br />

Initiative zur Richtlinie 95/46 (ABl. L 281/1995),<br />

die in diesem Bereich eine Angleichung der nationalen<br />

Rechtsvorschriften zum Gegenstand hat.<br />

Diese Richtlinie betrifft jede Art von Verwendung<br />

personenbezogener Daten und hat damit einen umfassenderen<br />

Anwendungsbereich als das deutsche<br />

Bundesdatenschutzgesetz. Andererseits nimmt sie<br />

die Bereiche der öffentlichen Sicherheit, der Landesverteidigung,<br />

der Sicherheit des Staates und dessen<br />

Tätigkeit im Bereich des Strafrechts aus.<br />

Die Richtlinie stellt die Grundsätze auf, dass die Verwendung<br />

von Daten an einen zuvor festgelegten<br />

Zweck gebunden sein muss, auf den sich die Einwilligung<br />

des Betroffenen beziehen muss. Fällt der<br />

Zweck weg, sind auch die Daten zu löschen. Fehlt es<br />

an einer Einwilligung des Betroffenen, können dessenDatennurzubestimmtenüberragendenZwecken<br />

145


Davignon<br />

verwendet werden, wenn sie im Interesse einer anderen<br />

Person erforderlich sind und nicht die Interessen<br />

des Betroffenen überwiegen. Dabei sind die Einzelheiten<br />

von den Mitgliedstaaten festzulegen.<br />

So wurde bspw. im deutschen Datenschutzrecht eine<br />

neue Kategorie von Daten geschaffen, die sog. besonders<br />

sensiblen Daten, die grundsätzlich nicht verarbeitetwerdendürfen.Sondervorschriftenbestehen<br />

für den Bereich der Presse. Der Betroffene erhält ein<br />

Recht auf Unterrichtung über die ihn betreffenden<br />

Daten, die verwendet werden, er kann der Verwendung<br />

unter bestimmten Voraussetzungen widersprechen,<br />

z. B. für Werbungszwecke. Letztendlich kann<br />

er bei rechtswidriger Verwendung den Rechtsweg<br />

beschreiten und Schadenersatz geltend machen.<br />

Wenn Drittländer kein angemessenes Datenschutzniveau<br />

bieten, verbietet die Richtlinie die ÜbermittlungvonDatendorthin.Außerdemwerdengeeignete<br />

technischeundorganisatorischeMaßnahmenfürden<br />

Datenschutz gefordert. Aufgrund dieser Richtlinie<br />

wurde eine Datenschutzgruppe eingesetzt, die u. a.<br />

die Aufgaben hat, die einheitliche Anwendung des<br />

Datenschutzes in allen Mitgliedstaaten durch die Zusammenarbeit<br />

der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz<br />

zu fördern, die Kommission zu beraten und<br />

gegenüber der Allgemeinheit und insbes. gegenüber<br />

den Organen der Gemeinschaft Empfehlungen zum<br />

Datenschutz zu geben. In einer Mitteilung aus dem<br />

Jahre 2005 stellt die EU-Kommission fest, dass die<br />

Hauptziele der Richtlinie, der Schutz der Bürger und<br />

die Erleichterung des Datenaustausches in der EU,<br />

erreicht seien, wenngleich nur vier Mitgliedstaaten<br />

innerhalbderFristdieRichtlinieumgesetzthatten.<br />

Inzwischen hat sich auch der Europäische Gerichtshof<br />

in mehreren Fällen mit der Auslegung und Anwendung<br />

dieser Richtlinie beschäftigen müssen und<br />

u. a. festgestellt, dass jemand, der persönliche Daten<br />

aufeineraufeinenbegrenztenKreiszugeschnittenen<br />

Homepage in das Internet stellt, diese damit nicht „in<br />

ein Drittland übermittelt“. Andererseits stellte er<br />

klar, dass es den Mitgliedstaaten freigestellt ist, Bereiche,<br />

die die Richtlinie nicht anspricht, selbst zu regeln<br />

(EuGH, Urt. v. 6. 11. 2003 – Rs. 101/01 – Lindquist).<br />

Diese Richtlinie wird ergänzt durch eine Richtlinie<br />

von 1997 über den Datenschutz im Bereich der Telekommunikation<br />

(97/66, ABl. L 24/1998). Sie nimmt<br />

auf die besonderen Erfordernisse Bezug. Wichtig ist<br />

hier neben Bestimmungen über die Sicherheit der<br />

146<br />

Datennetze und dem Schutz natürlicher und juristischer<br />

Personen vor allem der Grundsatz der Vertraulichkeit<br />

der Kommunikation, die sich in einem<br />

grundsätzlichen Verbot des Abhörens, Mithörens<br />

und Speicherns ausdrückt, die nur unter bestimmten<br />

Bedingungen erlaubt sind. Die Richtlinie wurde<br />

durch eine neue Richtlinie 2002/58 (ABl. L 201/<br />

2002) an die Entwicklung der elektronischen Kommunikation<br />

angepasst.<br />

Eine Verordnung aus dem Jahre 2001 regelt die Anwendung<br />

der Datenschutzbestimmungen auf die Arbeit<br />

der Institutionen der Europäischen Union, insbes.<br />

die Rechte der Betroffenen gegenüber den<br />

EU-Einrichtungen (VO 45/2001, ABl. L 8/2001).<br />

Zur Überwachung der Einhaltung der europäischen<br />

Datenschutzbestimmungen hat die EU gem. Art. 286<br />

Abs. 2 EGV im Jahre 2003 einen Europäischen Datenschutzbeauftragten<br />

mit Sitz in Brüssel ernannt<br />

(Internet: www.edps.eu.int). Der Status und die allgemeinen<br />

Arbeitsbedingungen des Amtes sind im<br />

Beschluss1247/2002(ABl.L183/2002)festgelegt.<br />

Auch im Rahmen der Arbeit von �Europol, �Eurojust<br />

und bei dem �Schengen-Informations-System<br />

(SIS), alles Bereiche, in denen mit besonders sensiblen<br />

personenbezogenen Daten gearbeitet wird, sind<br />

umfangreiche Datenschutzbestimmungen zu beachten,<br />

die in den betreffenden Verordnungen ausgeführt<br />

sind. Wichtig sind hier Informationspflichten<br />

gegenüber den Betroffenen und Rechtsmittelmöglichkeiten<br />

gegen die Aufnahme unrichtiger Daten.<br />

2. Gegenwärtige Lage: Die Datenschutzrichtlinien<br />

deckeneinengroßenTeildesDatenschutzesab,ohne<br />

dessenVereinheitlichungHemmnisseimgrenzüberschreitenden<br />

Handelsverkehr entstehen könnten.<br />

Dass die EU den Datenschutz auch in der eigenen Arbeit<br />

ernst nimmt, zeigen die ausführlichen Datenschutzbestimmungen<br />

selbst und besonders im sensiblen<br />

Bereich der Koordinierung von Straf- und Ermittlungsverfahren.<br />

Und die Einsetzung eines Europäischen<br />

Datenschutzbeauftragten sowie der Datenschutzgruppe<br />

stellt auch personell eine stetige ÜberwachungdesDatenschutzessicher.<br />

M. K.<br />

Postanschrift des Europäischen Datenschutzbeauftragten:<br />

Rue Wirtz, 60, B–1047 Brüssel<br />

Literatur:<br />

DiMartino, A.: Datenschutz im europäischen Recht.<br />

Baden-Baden 2005<br />

Davignon, Etienne (geb. 1932), belgischer Politiker.<br />

Ab 1964 Kabinettschef im Außenministerium,


ab 1969 Generaldirektor für politische Angelegenheiten.<br />

1977 – 1985 Mitglied der Kommission. Unter<br />

seinem Vorsitz erarbeiteten die politischen Abteilungen<br />

der Außenministerien der EG-Länder im Jahre<br />

1970 Grundsätze und Verfahren einer gemeinsamen<br />

Außenpolitik im Rahmen der �Europäischen<br />

Politischen Zusammenarbeit (�Luxemburger Bericht).<br />

Davignon-Bericht �Luxemburger Bericht<br />

Defizitverfahren der Kommission und des Rates<br />

gegen Mitgliedstaaten �Stabilitäts- und Wachstumspakt<br />

Ziff. 4 u. 5<br />

De Gasperi, Alcide (1881–1954), italienischer Ministerpräsident<br />

(1945 – 1953) und Außenminister<br />

(1944 – 1946, 1951 – 1953). 1954 Präsident der Gemeinsamen<br />

Versammlung der EGKS (später: Europäisches<br />

Parlament). Zählt neben �Adenauer und<br />

�Schuman zu den stärksten Befürwortern einer wirtschaftlichen<br />

und politischen Integration Europas.<br />

Deklaration von Barcelona �Mittelmeerpolitik<br />

Delegationen sind von der Europäischen Kommission<br />

eingerichtete und ihr unterstehende Vertretungen<br />

in 123 Drittstaaten und bei 5 internationalen Organisationen<br />

(FAO, OECD, OSZE, UN, WTO) mit<br />

rd. 5 000 Mitarbeitern (Stand Anfang 2005). De jure<br />

sind Delegationen keine Botschaften, werden aber<br />

de facto von den Ländern, in denen sie akkreditiert<br />

sind, als solche behandelt. Sie genießen die entsprechenden<br />

Vorrechte und Befreiungen (�Gesandtschaftsrecht).<br />

Ihre Aufgaben sind es, im Gastland die<br />

Politik der EU zu repräsentieren und die Interessen<br />

der EU zu vertreten, die Politik und Entwicklung des<br />

Gastlandes zu analysieren und der Kommission darüber<br />

zu berichten sowie Verhandlungen im Rahmen<br />

eines vom Rat erteilten Mandats zu führen. Außerdem<br />

erfüllen sie Aufgaben im Rahmen der Europäischen<br />

�Entwicklungspolitik und der �Humanitären<br />

Hilfe. Seit dem �Maastrichter Vertrag sind sie auch<br />

in die �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) eingebunden. Sie stimmen sich mit den diplomatischen<br />

und konsularischen Vertretungen von<br />

Mitgliedstaaten der EU ab, „um die Einhaltung und<br />

Umsetzung der vom Rat angenommenen gemeinsamen<br />

Standpunkte und gemeinsamen Aktionen zu ge-<br />

Delors-Pakete<br />

währleisten“ (Art. 20 EUV). Wenn der Verfassungsvertrag<br />

in Kraft tritt, werden sie Teil des �Europäischen<br />

Auswärtigen Dienstes sein.<br />

Delors, Jacques (geb. 1925), französischer Wirtschafts-<br />

und Finanz- (1981 – 1984) sowie Budgetminister(1983–1984).1979–1981PräsidentderWirtschafts-<br />

und Währungskommission der EG, 1985 –<br />

1994 Präsident der Kommission der EG/EU (2. Wiederwahl<br />

1992). Brachte den europäischen Integrationsprozess<br />

entscheidend voran, u. a. durch sein<br />

EintretenfürdieWeiterentwicklungderEUimSinne<br />

einer möglichst engen Föderation der Nationen, in<br />

der die Verlagerung von nationaler Souveränität und<br />

ihre Grenzen genau definiert werden können, seine<br />

Vorschläge zur Schaffung der �Wirtschafts- und<br />

Währungsunion (�Delors-Bericht) sowie durch seine<br />

Reformvorschläge (�Delors-I-Paket, �Delors-<br />

II-Paket).<br />

Delors-Bericht.Am12.4.1989vorgelegterBericht<br />

des 1988 eingesetzten Ausschusses der Zentralbankpräsidenten<br />

der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung<br />

der �Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) unter<br />

Leitung des Kommissionspräsidenten Jacques<br />

Delors.DerBerichtempfahleinenDrei-Stufen-Plan.<br />

Der Europäische Rat beschloss am 26./27. 6. 1989 in<br />

Madrid die Einführung der WWU entsprechend den<br />

Vorschlägen des Delors-Berichts.<br />

Delors-Bericht (Unesco). 1997 in Deutsch erschienener<br />

Bericht „Lernfähigkeit. Unser verborgener<br />

Reichtum“ der von der UNESCO eingesetzten Internationalen<br />

Kommission „Bildung für das 21. Jahrhundert“<br />

unter Leitung des ehemaligen Kommissionspräsidenten<br />

Jacques Delors.<br />

Delors-Pakete. Zwei von der Kommission unter<br />

Leitung ihres damaligen Präsidenten Jacques Delors<br />

vorgelegte Empfehlungen zum Haushalt der EU.<br />

Das erste „Paket“ (Delors-I-Paket) von 1987 enthielt<br />

Reformvorschläge zum Finanzsystem der Gemeinschaft,<br />

zur Begrenzung der Agrarausgaben, zur Aufstockung<br />

der Strukturfonds und zu neuen Regeln der<br />

Haushaltsführung. Die Vorschläge wurden GrundlagederBeschlüssedesEuropäischenRatsvomFebruar<br />

1988 in Brüssel und wichtige Voraussetzung für<br />

die Umsetzung des Binnenmarktprogramms.<br />

Das zweite „Paket“ (Delors-II-Paket) von 1992 (vor-<br />

147


De-minimis-Beihilfe<br />

gelegt nach Unterzeichnung des �Maastrichter Vertrages)<br />

enthielt Empfehlungen zur mittelfristigen Finanzplanung<br />

(1992 – 1997) mit dem Ziel, den Haushalt<br />

der EU zu erhöhen, um die in Maastricht beschlossenen<br />

Maßnahmen finanzieren zu können. Sie<br />

wurden Grundlage der Beschlüsse des Europäischen<br />

Rats vom Dezember 1992 in Edinburgh für einen<br />

neuen, 1994 verabschiedeten �Eigenmittelbeschluss.<br />

De-minimis-Beihilfe. Nach Art. 87 Abs. 1 EGV<br />

sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte<br />

Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.<br />

Die Mitgliedstaaten müssen deshalb die Einführung<br />

oder Umgestaltung von Beihilfen der Kommission<br />

zur Prüfung mitteilen (Art. 88 Abs. 3 EGV). Die<br />

Verordnung 994/98 (ABl. L 142/1998) ermächtigt<br />

jedoch die Kommission, mittels Verordnung einen<br />

Schwellenwert festzulegen, bis zu dem Beihilfen<br />

nicht die Tatbestandsmerkmale des Art. 87 Abs. 1<br />

EGV erfüllen und entsprechend nicht gemeldet werden<br />

müssen. Beihilfen bis zu diesem Schwellenwert<br />

werden De-minimis-Beihilfen genannt. So legt<br />

bspw.dieVerordnung1860/2004(ABl.L325/2004)<br />

für den Agrar- und Fischereisektor einen Höchstbetrag<br />

für De-minimis-Beihilfen von 3000 Euro je<br />

Empfänger für einen Zeitraum von 3 Jahren fest, wobei<br />

der Gesamtbetrag solcher Beihilfen 0,3 % des<br />

jährlichen Produktionswertes der Fischwirtschaft<br />

des Mitgliedstaates nicht überschreiten darf.<br />

Demokratiedefizit. Eines der in den letzten Jahren<br />

meistdiskutierten Problemfelder der Europäischen<br />

Union ist zweifelsohne das sog. „demokratische Defizit“.Polemischheißtesgern,dieUnionseisoundemokratisch,<br />

dass sie sich selbst nicht beitreten könnte.<br />

Die Mitgliedstaaten haben im Rahmen der letzten<br />

Vertragsrevisionen auf diese Kritik reagiert. Zwischenzeitlich<br />

versucht die – durch das Notstandsverfahren<br />

des Art. 7 EUV sanktionsbewehrte – Festschreibung<br />

der freiheitlich demokratischen Grundordnung<br />

in Art. 6 Abs. 1 EUV Abhilfe zu schaffen.<br />

Der problematische Kern des Demokratiedefizits,<br />

d. h. die starke Stellung des Rats bzw. der Fakt, dass<br />

hierüberwiegendMitgliederdernationalenExekutive<br />

Recht erlassen, sowie die demgegenüber vergleichsweise<br />

schwächere Stellung des Europäischen<br />

Parlaments wird hierdurch selbstredend nicht modifiziert.<br />

Hieran ändert auch der Verfassungsvertrag<br />

148<br />

2004, der allerdings die Stellung des Parlaments erneut<br />

stärkt, strukturell nichts Wesentliches.<br />

Auf Unionsebene muss grundsätzlich dasselbe Verständnis<br />

der liberalen, pluralen und sozialen Demokratie<br />

wie innerhalb der Mitgliedstaaten deutlich<br />

werden,nachdemdiesederEUwesentlicheBestandteile<br />

ihrer bisherigen staatlichen Befugnisse anvertraut<br />

haben. Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen,<br />

dass der Europäische Integrationsverbund kein Bundesstaat<br />

ist und deshalb auch nur eine „strukturangepasste<br />

Grundsatzkongruenz“ bzw. eine „strukturelle<br />

Homogenität“ verlangt werden kann. Zu Recht wird<br />

zudem darauf hingewiesen, dass eine noch stärkere<br />

Parlamentarisierung der EU-Rechtsetzung leicht in<br />

ein Spannungsfeld zum Subsidiaritätsgrundsatz gelangenkönnte.DenndieEuropa-Abgeordnetenüben<br />

keinerlei nationale Hoheitsgewalt aus und sind von<br />

jeglicher staatsrechtlichen Bindung frei. Je stärker<br />

die programmatische Verbundenheit über nationale<br />

Grenzen hinaus in den Gruppierungen des Europäischen<br />

Parlamentes wächst, desto stärker werden unitarisierende<br />

Tendenzen. Es ist bezeichnend, dass die<br />

Rücknahme von Regelungsvorhaben durch die<br />

Kommission im Dienste der �Subsidiarität gerade<br />

beim Europäischen Parlament immer wieder auf Beanstandungen<br />

stößt.<br />

Trotz bloßer „struktureller Homogenitätserfordernisse“<br />

ist jedoch festzuhalten, dass auch im Rahmen<br />

der Union desto mehr „Demokratiedichte“ entstehen<br />

muss, je mehr legislative Macht auf sie übergeht. Je<br />

stärker durch die Rechtsetzungstätigkeit des Rates<br />

die nationalen Parlamente „entmachtet“ werden,<br />

desto wichtiger wird es, dass die Unionsbürger stärkeren<br />

Einfluss auf den europäischen Rechtsetzungsprozess<br />

erhalten. Hierzu gibt es einen europäischen<br />

undeinennationalenWeg:Zumeinenkönnenimmer<br />

weitere Legislativkompetenzen auf das Europäische<br />

Parlament übertragen werden. Eine solche Stärkung<br />

des Parlaments wird von diesem seit Jahrzehnten<br />

lautstark gefordert, von den Staats- und Regierungschefs<br />

der Mitgliedstaaten aber nur zögerlich zugestanden.<br />

Insbesondere durch die Novellierungen des<br />

Kodezisionsverfahrens in Art. 251 EGV und die<br />

Ausdehnung dieses Verfahrens auf im Wesentlichen<br />

alle Politikfelder, die die Unionsbürger direkt betreffen,wurdezuletztmitdenVerträgenvonAmsterdam<br />

und Nizza ein beachtlicher Schritt in Richtung von<br />

mehr „Demokratiedichte“ in der EU gemacht. Von<br />

einem „gleichstarken“ Organ Parlament gegenüber


einem „entmachteten“ Rat kann aber noch nicht die<br />

Rede sein.<br />

Dieslegtesnahe,daseuropäischeDemokratiedefizit<br />

auf dem nationalen Weg abzubauen. Können doch<br />

Defizite in der europäischen Legitimationsstruktur<br />

demokratietheoretisch auch ohne Weiteres durch<br />

eine entsprechende Verstärkung der nationalen Legitimation<br />

kompensiert werden (und umgekehrt).<br />

Praktisch könnten in diesem Sinne etwa die Regierungsvertreter<br />

im Rat stärker an die einzelstaatlichen<br />

Parlamente angebunden werden. Bildlich gesprochen<br />

haben die nationalen Parlamente durchaus verschiedene<br />

Möglichkeiten, ihre Ratsmitglieder etwa<br />

durch „peinliche Befragungen“ vor und nach einer<br />

Ratssitzung „an die kurze Leine“ zu legen. Durch<br />

solcheMaßnahmenwärendieRatsmitgliederstärker<br />

an die unmittelbar demokratisch legitimierten nationalen<br />

Abgeordneten rückgekoppelt, was allerdings<br />

wiederum die Kompromissmöglichkeiten im Rat in<br />

der Praxis erheblich einschränken dürfte. Solang die<br />

Verwirklichung der Ziele der Verträge hierdurch<br />

nicht gefährdet ist, wäre dies europarechtlich dennoch<br />

nicht zu beanstanden.<br />

Überhaupt überrascht es, dass sich die nationalen<br />

Parlamente zwischenzeitlich in so vielen Politikbereichen<br />

durch die EU haben faktisch marginalisieren<br />

lassen, ohne ihren möglichen politischen Einfluss<br />

etwa auf die Ratsmitglieder entsprechend auszubauen.<br />

In den Verträgen sind in diesem Zusammenhang<br />

inzwischen gewisse Hinweise auf ein erstarkendes<br />

Problembewusstsein aufzufinden: Vor Maastricht<br />

(1958 – 1993) sah der damalige EWG-Vertrag keinerlei<br />

Beteiligungsrechte der nationalen Parlamente<br />

vor. Zwar gab es in fast allen Parlamenten Europa-Ausschüsse;<br />

diese hatten aber kaum einen direkteren<br />

EU-Einfluss. In Maastricht (1992/1993) wurden<br />

immerhin in der Schlussakte zwei Erklärungen<br />

zur neuen Rolle der einzelstaatlichen Parlamente<br />

aufgenommen, deren praktische Wirkung allerdings<br />

weitgehend ausblieb. In Amsterdam (1997/1999)<br />

schafften die Nationalparlamente dann den „Sprung<br />

in das Primärrecht“, wenn auch nur in Form eines<br />

EU-Protokolls, das allerdings recht umfassende Informationsrechte<br />

vorsieht und zudem die Konferenz<br />

der Europa-Ausschüsse – COSAC – institutionalisierte.<br />

Hieran wurde im Vertrag von Nizza (2001/<br />

2003) angeknüpft, indem im �„Post-Nizza-Prozess“<br />

ausdrücklich als eine der zu behandelnden Fragen<br />

„dieRolledernationalenParlamenteinderArchitek-<br />

Demokratiedefizit<br />

tur Europas“ herausgestellt wurde. Im Verfassungsvertrag<br />

2004 wird dies umgesetzt: Etwa in Art. I-46<br />

VVE ist davon die Rede, dass die Staats- und Regierungschefs<br />

sowie die Ratsmitglieder „in demokratischer<br />

Weise gegenüber ihrem nationalen Parlament<br />

Rechenschaftablegenmüssen“.Vielleichtwirdhierdurch<br />

mittelfristig das oftmals zu konstatierende allgemeine<br />

Desinteresse (zu) vieler nationaler Parlamentarier<br />

in Sachen EU überwunden.<br />

Im Hinblick auf die viel kritisierten demokratischen<br />

Schwächen der EU ist gewissermaßen zur Verteidigung<br />

des Europäischen Integrationsverbunds weiter<br />

darauf hinzuweisen, dass sich der Vorwurf des EU-<br />

Demokratiedefizits im Vergleich mit ebenfalls vorhandenen<br />

Schwächen einzelstaatlicher Strukturen<br />

durchaus entkräften lässt (vgl. Nass, FAZ vom 29. 3.<br />

1999).DennbeinähererBetrachtunglässtsichdarlegen,<br />

dass alle vier Elemente demokratischer Verfassungen<br />

– Legitimation, Kontrolle und Transparenz<br />

hoheitlicher Macht, Partizipation der Bürger – im<br />

Rahmen der EU doch eigentlich hinreichend verwirklicht<br />

sind.<br />

– Legitimation: Die Mitglieder des Rates gehören als<br />

Minister alle demokratisch legitimierten Regierungen<br />

an. Das Problem des Rates, dass hier Angehörige<br />

der Exekutive legislative Befugnisse ausüben, ist<br />

mithin kein demokratisches im engeren Sinne, sondern<br />

eigentlich ein rechtsstaatliches. Dieser Problematik<br />

kann mit dem Argument begegnet werden,<br />

dass die Trennung zwischen Exekutive und Legislative<br />

in föderalen Strukturen durch Teilhabe der Glieder<br />

an zentralen Entscheidungen in aller Regel verwischt<br />

werden. Auch in der Bundesrepublik sind<br />

über den Bundesrat die Landesregierungen am Gesetzgebungsverfahren<br />

beteiligt. Der graduelle Unterschied,<br />

dass der Bundesrat nicht Hauptlegislativorgan<br />

ist, kann mit dem Unterschied eines Integrationsverbunds<br />

zum Bundesstaat gerechtfertigt werden.<br />

Ergänzend mag argumentiert werden, dass die<br />

GewaltenteilunginFormdesinstitutionellenGleichgewichts<br />

zumindest in Ansätzen existiert.<br />

– Auch die Kommission ist aus demokratietheoretischer<br />

Sicht hinreichend legitimiert. Die Kommissionsmitglieder<br />

kommen nur durch Zustimmung des<br />

Europäischen Parlaments zu ihrem Amt. Zuvor unterziehen<br />

sie sich einem aufwändigen und ins fachliche<br />

Detail gehenden Prüfungsverfahren vor Parlamentsausschüssen.<br />

Wie der Rücktritt der Santer-<br />

Kommission gezeigt hat, kann das Parlament eine<br />

149


Demokratiedefizit<br />

Kommission auf Grund seiner Kontrolle durchaus<br />

auchwieder„ausdemAmtjagen“.Verglichenmiteinem<br />

deutschen Bundesminister ist ein Kommissionsmitglied<br />

wohl sogar demokratisch mehr legitimiert,<br />

zieht man in Erwägung, dass der Deutsche<br />

Bundestag auf die Ernennung der Bundesminister<br />

rechtlich keinerlei Einflussmöglichkeit hat.<br />

– Auch das Europäische Parlament selbst ist hinreichend<br />

demokratisch legitimiert. Zwar rekrutieren<br />

sich seine Mitglieder streng genommen wohl noch<br />

nicht aus einem „Staatsvolk“, und der Grundsatz der<br />

Gleichheit der Wahl ist nicht voll verwirklicht. Gerechtfertigt<br />

werden können diese Umstände zum einen<br />

wiederum mit dem Hinweis auf die Eigentümlichkeiten<br />

eines Integrationsverbundes und zum anderen<br />

mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Gleichheit<br />

der Staaten, die die Grundlage der Union bilden.<br />

Kleine Mitgliedstaaten müssen demnach relativ<br />

mehr Abgeordnete stellen als die großen, soll gesichert<br />

werden, dass die großen Mitgliedstaaten die<br />

kleinen nicht majorisieren können. Angesichts der<br />

vielfältigen Mitwirkungsrechte, die dem Europäischen<br />

Parlament nunmehr – gerade in Bereichen, die<br />

den Bürger direkt betreffen – eingeräumt wurden,<br />

kann mithin argumentiert werden, dass die europäischen<br />

Rechtsakte hinreichend demokratisch entstanden<br />

sind.<br />

– Kontrolle hoheitlicher Macht: Insbesondere hinsichtlich<br />

der „Hauptorgane“ Rat, Kommission und<br />

Parlament besteht im Rahmen des institutionellen<br />

Gleichgewichts eine hinreichende gegenseitige<br />

Kontrolle. Allerdings bleibt hierbei das Problem,<br />

dassderRatdurchseinestarkeStellungimInstitutionengefüge<br />

aus dem theoretischen Gleichgewicht ein<br />

faktisches Un-Gleichgewicht macht. Zudem kann<br />

der Rat von Kommission und Parlament weitgehend<br />

nur politisch und vom EuGH nur sehr begrenzt rechtlich<br />

kontrolliert werden. Da die Ratsmitglieder jedoch<br />

alle demokratisch legitimierten Regierungen<br />

angehören und die nationalen Parlamente zudem die<br />

Möglichkeit haben, ihre Ratsmitglieder „an die kurze<br />

Leine zu legen“, kann dies nicht pauschal als „undemokratisch“<br />

eingestuft werden. Nachdem die nationalen<br />

Parlamente ihre Kontrollmöglichkeiten bei<br />

weitem nicht wirklich ausschöpfen, kann die mangelndeKontrolledesRatesaußerdemallenfallszueinem<br />

gewissen Teil der EU angelastet werden.<br />

– Transparenz hoheitlicher Macht: Dass die Sitzungen<br />

des Rates nicht umfassend öffentlich sind (auch<br />

150<br />

gem. Art. I-50 VVE 2004 soll der Rat nur dann öffentlich<br />

tagen, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten<br />

berät oder abstimmt), liegt in der Natur<br />

der Sache. Würde hier durchgängig Öffentlichkeit<br />

gelten, wäre dessen Arbeitsfähigkeit im Zeitalter der<br />

Mediendemokratie mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

zumindest partiell in Frage gestellt. Alle echten Diskussionen<br />

wären aus dem Sitzungssaal in die Gänge<br />

und Delegationsräume verbannt, weil es sich ein nationaler<br />

Minister vor laufender Kamera kaum leisten<br />

könnte, als erster etwa Konzessionsbereitschaft zu<br />

signalisieren. Nach Art. 207 Abs. 3 EGV werden seit<br />

dem Amsterdamer Vertrag jedoch – ergänzend zu<br />

sonstigen Transparenzbemühungen – die Abstimmungsergebnisse<br />

sowie die Erklärungen zur Stimmabgabe<br />

und die Protokollerklärungen veröffentlicht,<br />

wennderRatalsLegislativorgantätigwurde.Diesist<br />

vor dem Hintergrund bundesdeutscher Strukturen<br />

ausreichend demokratisch. Auch das Bundeskabinett,<br />

die Bundestags- und Bundesratsausschüsse, die<br />

Fraktionen, die Koalitionsausschüsse, die ParteigremienundsogarderVermittlungsausschusszwischen<br />

BundestagundBundesrattagenunterAusschlussder<br />

Öffentlichkeit, ohne dass dies etwa als „undemokratisch“<br />

gebrandmarkt worden wäre. Man sollte von<br />

der EU nun auch nicht mehr verlangen, als man zu<br />

Hause von seinen eigenen Verfassungsorganen fordert.<br />

– Partizipation der Unionsbürger: Die Verträge von<br />

Maastricht, Amsterdam und Nizza sowie insbes. der<br />

Verfassungsvertrag 2004 sind von den Bemühungen<br />

gekennzeichnet, die Union „bürgernah“ auszubauen.<br />

So wurde zuletzt in den Art. 17 bis 22 EGV die<br />

Unionsbürgerschaft ausgebaut: Jeder Unionsbürger<br />

besitzt heute das aktive und passive Wahlrecht zum<br />

Europäischen Parlament und nach Art. 230 EGV das<br />

Klagerecht zum EuGH bezüglich Rechtsakten, die<br />

ihn unmittelbar und individuell betreffen. Nach<br />

Art. 21 EGV besitzt jeder Unionsbürger das �Petitionsrecht<br />

und kann sich an den �Bürgerbeauftragten<br />

wenden. Jeder Unionsbürger kann sich zudem<br />

schriftlich in seiner Sprache an die europäischen Institutionen<br />

wenden und muss Antwort in derselben<br />

Sprache erhalten. Nach Art. 255 EGV hat jeder<br />

Unionsbürger grundsätzlich das Recht auf Zugang<br />

zu Dokumenten des Parlaments, des Rates und der<br />

Kommission. Durch dieses Bündel an Unionsbürgerrechten,<br />

die der VVE 2004 weiter ausbauen will,<br />

isteinedemokratischePartizipationsichergestellt.


Im Vergleich kann sich die Europäische Union mithin<br />

schon heute durchaus mit den Demokratiesystemen<br />

der Mitgliedstaaten messen. Zudem ist davon<br />

auszugehen, dass im dynamischen Prozess der europäischenIntegrationdereinoderanderenachwievor<br />

unbefriedigende Zustand im Rahmen der nächsten<br />

Vertragsrevisionen weiter abgebaut wird. Wie es das<br />

Bundesverfassungsgericht formuliert hat, werden<br />

die demokratischen Grundlagen der Union schritthaltend<br />

mit der Integration ausgebaut; und auch im<br />

Fortgang der Integration wird in den Mitgliedstaaten<br />

eine lebendige Demokratie erhalten bleiben.<br />

Insoweit könnte man abschließend behaupten, dass<br />

das wahre Problem der EU nicht ihr sog. „Demokratiedefizit“<br />

ist, sondern der fehlende Konsens über die<br />

Finalität, d. h. darüber, wie tief die Europäische Integration<br />

letztlich greifen soll. Solange viele Mitgliedstaaten<br />

vehement auf ihre Souveränität pochen –<br />

etwa Frankreich auf die der Bürgernation, Großbritannien<br />

auf die des Parlaments, etc. – kann es eigentlich<br />

überhaupt keine „echte“ supranationale Demokratie<br />

in Europa geben. Wollen die Mitgliedstaaten<br />

möglichst viel im Bereich der intergouvernementalen<br />

Zusammenarbeit regeln, bedeutet dies im Klartext,<br />

dass Regierungen verhandeln und das Volk<br />

„wenig zu sagen hat“. Aus theoretischer Sicht kann<br />

wohl nur ein echter Bundesstaat wirklich demokratisch<br />

verfasst sein. Der Europäische Integrationsverbund<br />

leidet mithin, was die diesbezügliche Rhetorik<br />

seiner Politiker betrifft, wohl eher an einem „Ehrlichkeitsdefizit“.<br />

J. M. B.<br />

Denkmalschutzpolitik, europäische. Der Schutz<br />

architektonischer Denkmäler gehört, wie der gesamte<br />

kulturelle Bereich, nicht zu den genuinen Aufgaben<br />

und Kompetenzen der Europäischen Union.<br />

Trotzdem hat es in den vergangenen Jahrzehnten in<br />

kleinem Rahmen Fördergelder zur Erhaltung bedeutender<br />

Kulturdenkmäler von europäischer Bedeutung<br />

gegeben. Im Rahmen des Aktionsprogramms<br />

zur Erhaltung des kulturellen Erbes „RAPHAEL“<br />

von 1995 ist eine ähnliche Förderung zur Erhaltung<br />

von Baudenkmälern nicht mehr vorgesehen. Auch<br />

das Programm „Kultur 2000“ sieht dies nicht mehr<br />

vor. Im Rahmen des Programms werden jedoch<br />

Maßnahmen gefördert, die die grenzüberschreitende<br />

Zusammenarbeit von Museen und Baudenkmälern<br />

zum Ziel haben oder Baudenkmäler auch Interessenten<br />

aus anderen Ländern besser zugänglich machen<br />

Diäten<br />

sollen (z. B. durch mehrsprachige Tafeln oder Führer).<br />

Im Rahmen des �Europarats wurde ein Übereinkommen<br />

zum Schutz des archäologischen Erbes geschlossen,<br />

das im Wesentlichen eine Bewahrung von<br />

Bodendenkmälern für nachfolgende Generationen<br />

und einen erleichterten Informationsaustausch über<br />

archäologischeDenkmälervorsieht. M.K.<br />

Deutsch-Französisches Jugendwerk �Jugendwerk,<br />

Deutsch-Französisches<br />

Deutsch-Polnisches Jugendwerk �Jugendwerk,<br />

Deutsch-Polnisches<br />

Diäten. Die Abgeordneten im Europäischen Parlament<br />

erhalten ihre Diäten nicht aus dem EU-Haushalt,<br />

sondern aus den Haushalten ihrer jeweiligen<br />

Herkunftsländern und – mit Ausnahme der niederländischen<br />

Europaabgeordneten – je nach den Sätzen,<br />

welche auch für die nationalen Abgeordneten<br />

gelten. So bekommen die italienischen Europaabgeordneten<br />

mehr als 10 000 Euro, während ihre spanischen<br />

Kollegen nur rd. zweieinhalbtausend Euro erhalten.<br />

Seit dem Beitritt von zehn weiteren Ländern<br />

am 1. 5. 2004 ist das Problem noch größer geworden.<br />

Die Entschädigung beläuft sich für einen ungarischen<br />

Abgeordneten auf rd. 800 Euro und für seinen<br />

slowakischen Kollegen auf etwa 900 Euro. Das entspricht<br />

natürlich nicht dem allgemein anerkannten<br />

Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.<br />

Die Europaabgeordneten erhalten allerdings (wie<br />

nationale Abgeordnete) auch ein Tagegeld, eine Reisekostenerstattung<br />

bzw. -pauschale, eine allgemeine<br />

Kostenvergütung (für Bürounterhaltung usw.) und<br />

eine Sekretariatszulage, welche den Mitarbeitern direktausbezahltwird,diesallesausdemeuropäischen<br />

Haushalt.<br />

VorallemdieNutzungderReisekostenpauschalegerietindieKritik,damehrereMissbrauchsfällevorkamen,<br />

obwohl die durch die unterschiedlichen Diäten<br />

schlechtergestelltenAbgeordneten,diezudemeinen<br />

weiteren Anreiseweg haben, die recht großzügige<br />

Fahrtkostenregelung als „gerechten“ Ausgleich dafür<br />

betrachten konnten.<br />

Das Europäische Parlament bemühte sich nicht nur<br />

um die Abstellung der tatsächlichen und befürchteten<br />

Missbrauchsfälle (trotz Pauschalierung Vorlage<br />

eines schriftlichen Nachweises für durchgeführte<br />

Reisen, Abhängigkeit der Tagegeldzahlungen von<br />

151


Dienstleistungen<br />

der Teilnahme an namentlichen Abstimmungen sowie<br />

Bemühungen um einen gemeinsamen RechtsrahmenfürdieMitarbeiter),sonderneswilleineendgültige<br />

Regelung durch ein gemeinsames �Statut für<br />

die Abgeordneten des EP, für das der �Berichterstatter<br />

Willy Rothley 1998 einen Entwurf vorgelegt hat.<br />

In diesem Statut werden einheitliche Diäten für alle<br />

Abgeordneten vorgesehen. Diese Beträge sollen<br />

nach dem Statut künftig aus dem europäischen Haushalt<br />

bezahlt werden und einer EU-Gemeinschaftssteuer<br />

unterliegen sowie frühestens nach fünf Jahren<br />

angepasst werden können. Reisekosten sollen künftig<br />

nicht mehr pauschaliert, sondern nur noch gemäß<br />

den tatsächlich entstandenen Kosten erstattet werden.<br />

Der vorgesehene einheitliche Betrag für die<br />

Diäten würde dazu führen, dass italienische Abgeordnete<br />

deutlich weniger Diäten bekommen als vorher,<br />

spanische und portugiesische deutlich mehr, für<br />

deutsche Europaabgeordnete wird sich bei den Diätenwenigändern.DasEuropäischeParlamentverabschiedete<br />

diesen Entwurf bereits am 3. 12. 1998 mit<br />

314 Ja-Stimmen, 84 Nein-Stimmen und 62 Enthaltungen.<br />

Das Parlament hatte also entsprechend den<br />

Bestimmungen des am 1. 5. 1999 in Kraft getretenen<br />

Vertrags von Amsterdam den Entwurf zu einem Abgeordnetenstatut<br />

vorgelegt. Der Ministerrat begnügtesichjedochnichtmitZustimmungoderAblehnung<br />

des Entwurfs des Parlaments, wie vorgesehen, sondern<br />

legte seinerseits einen erheblich abgeänderten<br />

Entwurfvor.DamithaterindasdurchArt.190Abs.5<br />

EGV gesicherte Recht des Europäischen Parlaments<br />

eingegriffen, wie jedes nationale Parlament seine<br />

Angelegenheiten grundsätzlich selbst zu regeln:<br />

„DasEuropäischeParlamentlegtnachAnhörungder<br />

Kommission und mit der Zustimmung des Rates, der<br />

einstimmig beschließt, die Regelungen und allgemeinenBedingungenfürdieWahrnehmungderAufgaben<br />

seiner Mitglieder fest.“<br />

Mit großer Mehrheit von 376 gegen 140 Stimmen bei<br />

31 Enthaltungen lehnte daraufhin das Parlament das<br />

vomMinisterratvorgelegteStatutab,weileswiederum<br />

ein System der Ungleichheit zwischen den Europaabgeordneten<br />

schaffe. Die dänische Regierung<br />

hatte im Ministerrat eine zusätzliche nationale Sondersteuer<br />

verlangt, mit der sie die höheren Diäten der<br />

dänischen Europaabgeordneten auf das Niveau der<br />

nationalen dänischen Abgeordneten heruntersetzen<br />

wollte. Schweden, Briten und Franzosen forderten<br />

daraufhin das gleiche Recht.<br />

152<br />

Zur Zeit des Parlamentspräsidenten Gil Robles bestand<br />

die Hoffnung, noch vor den Wahlen 1999 eine<br />

Zustimmung des Ministerrats zu erreichen. In der<br />

Zeit der Parlamentspräsidentin Fontaine wurden<br />

weitere Versuche unternommen. Sie hatte u. a. einen<br />

Rat der Weisen für die vergleichende Analyse der<br />

Abgeordnetenentschädigung eingesetzt, stieß aber<br />

ihrerseitsauchaufWiderstände.IndieserZeithatder<br />

Berichterstatter im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt<br />

eine neue Fassung vorgelegt. Eine endgültige<br />

Entscheidung gibt es noch nicht (Red.: sie ist im<br />

Juni/Juli 2005 gefallen; vgl. �Statut der AbgeordnetendesEP).<br />

O. B.<br />

Dienstleistungen, öffentliche (Dienstleistungen<br />

entsprechend Art. 86 EGV) �Gemeinwohlorientierte<br />

Leistungen.<br />

Dienstleistungsfreiheit. Die Dienstleistungsfreiheit<br />

gehört zu den Grundfreiheiten des Binnenmarktes(Arbeitnehmerfreizügigkeit,Niederlassungsfreiheit,<br />

Warenverkehrsfreiheit und Freiheit des Kapitalverkehrs).<br />

Diese Freiheiten sind in der Europäischen<br />

Union gewährleistet (Art. 12 EGV, so auch<br />

Art. I-4 Abs. 1 VVE 2004). Bei der Durchsetzung<br />

dieser Grundfreiheiten darf weder nach der Staatsangehörigkeit<br />

unterschieden werden, noch darf die<br />

Ausübung der Grundfreiheit beschränkt oder unattraktiver<br />

gemacht werden. Wirtschaftlich kommt gerade<br />

dem Dienstleistungsbereich eine besondere Bedeutung<br />

zu. In einer Stärkung der grenzüberschreitenden<br />

Dienstleistungen wird ein großes Potential<br />

für das Beschäftigungswachstum in der EU gesehen.<br />

Baugewerbe, Handwerksberufe, Gesundheitssektor,<br />

freie Berufe wie Architekten sollen vermehrt in<br />

andern Mitgliedstaaten ihre Dienste anbieten oder<br />

von Kunden aus anderen Mitgliedstaaten nachgefragt<br />

werden. Es geht dabei um die Öffnung der<br />

Dienstleistungsmärkte. Grundsätzlich dürfen dem<br />

keine Hindernisse entgegenstehen.<br />

1. Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit: Beschränkungen<br />

des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb<br />

der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten,<br />

die in einem anderen Mitgliedstaat der Union als<br />

demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind,<br />

sinduntersagt.NähereskanndurchRichtlinien(bzw.<br />

nach dem Verfassungsvertrages durch Europäische<br />

Rahmengesetze), geregelt werden (Art. 49 EGV<br />

bzw. Art. III-144 VVE 2004).


Für den Bereich des Verkehrs bestehen gesonderte<br />

Vorschriften; die mit dem Kapitalmarkt verbundenen<br />

Dienstleistungen unterfallen den Regelungen<br />

zur Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 51, 71 ff.<br />

EG-Vertrag, Art. III-146, 236 ff. VVE 2004).<br />

2. Begriffsbestimmung: Unter Dienstleistungen versteht<br />

man Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt<br />

erbracht werden. Dies gilt insbes. für folgende Bereiche:<br />

– Gewerbliche Tätigkeiten,<br />

– Kaufmännische Tätigkeiten,<br />

– Handwerkliche Tätigkeiten,<br />

– Freiberufliche Tätigkeiten.<br />

Die Dienstleistungsfreiheit umfasst Leistungserbringungen<br />

bei vorübergehendem Aufenthalt in einem<br />

anderen Mitgliedstaat. Die Dienstleistungsfreiheit<br />

kann folgende Formen aufweisen:<br />

–AktiveDienstleistungsfreiheit:Hierbegibtsichder<br />

DienstleistungserbringervorübergehendindasLand<br />

desDienstleistungsempfängers(z.B.reisendeMusiker,<br />

Bauunternehmer).<br />

– Passive Dienstleistungsfreiheit: Hier begibt sich<br />

der Dienstleistungsempfänger in den Mitgliedstaat,<br />

in dem der Erbringer der Dienstleistung ansässig ist<br />

(z. B. Touristen oder Personen, die medizinische Behandlung<br />

im Ausland in Anspruch nehmen, Studienund<br />

Geschäftsreisende).<br />

– Korrespondenzdienstleistungsfreiheit: Hier überschreitet<br />

allein die Dienstleistung die Grenzen. Die<br />

Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger<br />

bleiben am Ort. Hierzu zählen z. B. die Kommunikationsdienstleistungen,<br />

der grenzüberschreitende<br />

Rundfunk und das grenzüberschreitende Fernsehen<br />

(Satellit, Kabeleinspeisung).<br />

– Auslandsdienstleistungsfreiheit: Hier begeben<br />

sich Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger<br />

gemeinsam in einen anderen Mitgliedstaat,<br />

um dort die Dienstleistung abzuwickeln (z. B.<br />

Reisegruppe mit Reiseführer).<br />

3. Abgrenzung von den anderen Grundfreiheiten:<br />

Die Dienstleistungsfreiheit ist den anderen Freiheitennachrangig–diesistausdrücklichsofestgehalten<br />

(Art. 50 EGV, bzw. Art. III-145 VVE 2004).<br />

Am schwierigsten ist die Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit.<br />

Das Unterscheidungsmerkmal ist hier<br />

die Dauer der Tätigkeit im Ausland. Bei der Abgrenzung<br />

zwischen �Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit<br />

kommt es nach der Rechtsprechung<br />

des EuGH darauf an, dass der Erbringer solcher Lei-<br />

Dienstleistungsfreiheit<br />

stungen in dem anderen Mitgliedstaat über eine besondere<br />

Infrastruktur verfügt. Eine Infrastruktur, die<br />

es dem Leistungserbringer erlaubt, ständig und gesichert<br />

einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist ein<br />

Zeichen für eine Niederlassungsfreiheit. Allein die<br />

Tatsache, dass ein Dienstleistungserbringer mehr<br />

oder weniger häufig oder sogar regelmäßig über einen<br />

längeren Zeitraum hinweg Leistungen in einem<br />

anderen Mitgliedstaat erbringt, reicht nicht aus. Hier<br />

gibt es Abgrenzungsschwierigkeiten bei Zweigniederlassungen<br />

und sog. „Präsenzen“.<br />

Hinsichtlich der �Freizügigkeit für Arbeitnehmer<br />

kommt es darauf an, wem die Leistung zuzurechnen<br />

ist:StehtsieinZusammenhangmiteinemArbeitgeber<br />

im Ausland, dann handelt es sich um eine Dienstleistung,diemitHilfevonArbeitstruppserbrachtwird.<br />

Bei der Abgrenzung zum �freien Warenverkehr geht<br />

es darum, ob bestimmte Dienstleistungen wie Installationen<br />

und Wartungen nur Anhang für eine Warenlieferung<br />

aus dem Ausland sind. Bei der Abgrenzung<br />

zumKapitalverkehristdaraufabzustellen,obeinefinanzielle<br />

Transferleistung der Selbstzweck ist oder<br />

ob es nur um die Bezahlung einer erbrachten Dienstleistung<br />

geht.<br />

4.VerboteneMaßnahmen:Beschränkungendesfreien<br />

Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft<br />

für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem<br />

anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers<br />

ansässig sind, sind nach Maßgabe<br />

der Vertragsbestimmungen verboten (Art. 49 EGV,<br />

bzw. Art. III-144 VE 2004). Untersagt sind ferner<br />

Ungleichbehandlungen (Diskriminierungen) auf<br />

Grund der Staatsangehörigkeit; es gilt das Gebot der<br />

Gleichbehandlung mit den Inländern (Art. 50 EGV,<br />

Art. III-145 VVE 2004). Diese verbotenen Maßnahmen<br />

sind vom EuGH in vielfacher Rechtsprechung<br />

präzisiert worden:<br />

Die Diskriminierung. Bei der Diskriminierung wird<br />

die unmittelbare und die mittelbare Diskriminierung<br />

zu unterschieden:<br />

– Bei der unmittelbaren Diskriminierung wird nach<br />

der Staatsangehörigkeit unterschieden und der Angehörige<br />

aus einem anderen Mitgliedstaat entsprechend<br />

benachteiligt. Dies ist im Rahmen der Grundfreiheiten<br />

stets untersagt.<br />

– Bei der mittelbaren Diskriminierung wird eine Regelung<br />

von einem Mitgliedstaat getroffen, die zunächst<br />

unterschiedslos auf Einheimische wie auf<br />

Bürger anderer Mitgliedstaaten anzuwenden zu sein<br />

153


Dienstleistungsfreiheit<br />

scheint. Aufgrund der faktischen Gegebenheiten<br />

trifft diese Regelung jedoch im vermehrten Maße<br />

Angehörige anderer Mitgliedstaaten. Das kann z. B.<br />

bei der Anknüpfung von Vergünstigungen an das Erfordernis<br />

des Wohnsitzes im Inland oder des Vorlegens<br />

eines Qualifikationsdokuments, das nur im Inland<br />

erworben werden kann, der Fall sein. Das Verbot<br />

der Ungleichbehandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit<br />

umfasst somit nicht nur offensichtliche,<br />

sondern auch versteckte Formen der Diskriminierung,<br />

die durch die Anwendung anderer Unterschiedsmerkmale<br />

tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis<br />

führen. Ob eine mittelbare Diskriminierung<br />

gerechtfertigt werden kann, ist allerdings nicht immer<br />

klar. In den meisten Fällen hat die Rechtsprechung<br />

Rechtfertigungsgründe zugelassen – in einigen<br />

Fällen wurde die Frage einer Rechtfertigung jedoch<br />

nicht gestellt.<br />

Die Beschränkung. Bei einer Beschränkung führen<br />

nationale Maßnahmen oder Regelungen dazu, dass<br />

die garantierten Grundfreiheiten behindert oder unattraktiver<br />

gemacht werden. Beschränkungen können<br />

aber unter folgenden Voraussetzungen gerechtfertigt<br />

werden und damit zulässig sein:<br />

– Die beschränkenden Maßnahmen müssen in nicht<br />

diskriminierenderWeisegeregeltsein–d.h.siemüssen<br />

auf Bestimmungen zurückzuführen sein, die unterschiedslos<br />

auf eigene Staatsangehörige wie auf<br />

die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten anwendbar<br />

sind.<br />

– Sie müssen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses<br />

entsprechen, derartige Gründe können jedoch<br />

nicht rein wirtschaftlicher Natur sein.<br />

– Sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles<br />

geeignet sein.<br />

– Sie dürfen nicht über das hinaus gehen, was zur Erreichung<br />

des Zieles erforderlich ist – sie müssen dem<br />

Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen. So<br />

dürfen im Herkunftsmitgliedstaat nicht bereits Bestimmungen<br />

gelten, die auf dieses Ziel ausgerichtet<br />

sind.<br />

Eine derartige Rechtfertigung muss allerdings auf<br />

objektiven Erwägungen beruhen, die von der Staatsangehörigkeit<br />

des Betroffenen unabhängig sind.<br />

Diskriminierung und Beschränkung können auch<br />

darin vorliegen, wenn nur ein kleiner Teil der Angehörigen<br />

eines Mitgliedstaates bevorzugt wird: Die<br />

Diskriminierung bezieht sich somit nicht allein auf<br />

die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, sondern<br />

154<br />

auch auf die eigenen Staatsangehörigen im Vergleich<br />

zur begünstigten Gruppe eigener Staatsangehöriger.<br />

Auch dies ist eine verbotene Maßnahme, da<br />

auf jeden Fall ausländische Staatsangehörige benachteiligt<br />

werden.<br />

5. Prinzip der Herkunftslandregelung: Bestimmend<br />

für die Dienstleistungsfreiheit sind die Regelungen,<br />

die in dem Land gelten, aus dem der Dienstleistungserbringer<br />

kommt, das sog. Herkunftslandprinzip.<br />

Das bedeutet z. B., dass von dem Dienstleistungserbringer<br />

nicht verlangt werden darf, im Mitgliedstaat,<br />

in dem er seine Leistungen erbringen will, eine ständige<br />

Niederlassung zu haben. Genauso wenig darf<br />

ein Mitgliedstaat die Erbringung von Dienstleistungen<br />

von der Einhaltung aller Vorschriften abhängig<br />

machen, die an sich für eine Niederlassung gelten.<br />

Damit würde der Dienstleistungsfreiheit alle Wirksamkeit<br />

genommen. Wenn der Staat, in dem die<br />

Dienstleistung erbracht werden soll, die Voraussetzungen<br />

für die Dienstleistung ganz allgemein strenger<br />

reguliert, als der Staat aus dem der Dienstleistungserbringer<br />

kommt, so steht das Herkunftsland<br />

in einer Wechselwirkung zum grundsätzlichen<br />

Recht eines Mitgliedstaates, den Ordnungsrahmen<br />

für Dienstleistungen selbst zu bestimmen. Dieser allgemeine<br />

Ordnungsrahmen kann dann eine Beschränkung<br />

darstellen, die nur unter den genannten<br />

Voraussetzungen gerechtfertigt wäre. Das Beschränkungsverbot<br />

kann dann zu einem allgemeinen<br />

Liberalisierungsgebot werden.<br />

6. Allgemeine Grundsätze der Rechtsprechung: Zu<br />

den Grundfreiheiten des EG-Vertrages allgemein<br />

und damit auch zur Dienstleistungsfreiheit hat sich<br />

im Laufe der Zeit eine umfangreiche Rechtsprechung<br />

des Europäischen Gerichtshofes entwickelt.<br />

Aus dieser Rechtsprechung lassen sich einige allgemeine<br />

Grundsätze ableiten:<br />

– Im Zweifel für die Grundfreiheit: Die Grundfreiheiten<br />

sind das Wesenselement der Europäischen<br />

Gemeinschaft und der Union. Es geht hier um die<br />

Freiheiten der Bürger. Das bedeutet, dass die Grundfreiheiten<br />

auch in solchen Politikbereichen durchzusetzen<br />

sind, die nicht in der Zuständigkeit der Union<br />

stehen: So ist die Union bei der Ausübung ihrer Befugnisse<br />

in keiner Weise eingeschränkt, auch wenn<br />

sich ihre Rechtsakte auf Maßnahmen auswirken<br />

können, die von den Mitgliedstaaten zur Durchführung<br />

einer Politik ergriffen sind, die nicht der Union<br />

unterworfen ist, wie z. B. der Bildungsbereich.


– Nichtgeltung bei innerstaatlichen Sachverhalten:<br />

Die Bestimmungen des Vertrages gehen davon aus,<br />

dass potenziell Freiheiten der Bürger aus anderen<br />

Mitgliedstaaten betroffen sind. Für rein interne<br />

Sachverhalte, die keinerlei grenzüberschreitenden<br />

Bezug haben, d.h. die keinerlei Auswirkung auf andere<br />

Unionsmitgliedstaaten haben oder haben könnten,<br />

finden die Grundfreiheiten keine Anwendung.<br />

So kann auch ein Mitgliedstaat seinen eigenen Angehörigen<br />

größere Belastungen aufbürden als den Angehörigen<br />

anderer Mitgliedstaaten, so z. B. von ihnen<br />

eine Qualifikation verlangen, die er von den Angehörigen<br />

anderer Mitgliedstaaten nicht verlangt.<br />

– Verhältnis zur Rechtsangleichung: Viele Hindernisse<br />

bei der Durchsetzung der Grundfreiheiten sind<br />

durch den Erlass von Richtlinien bereits beseitigt.<br />

DiemitdiesenRichtlinien–undnachdemInkrafttreten<br />

des �Verfassungsvertrags mit den Europäischen<br />

Rahmengesetzen – geschaffene Rechtslage ist vorrangig.<br />

So ist es nicht mehr möglich, sich auf Beschränkungen<br />

der Grundfreiheit zu berufen, wenn<br />

Richtlinien der Gemeinschaft (bzw. Rahmengesetze<br />

der Union) hier eine Rechtsangleichung vorgenommen<br />

haben. Dann sind die Maßnahmen festgeschrieben,diezurVerwirklichungeinesbestimmtenZieles<br />

erforderlich sind. In Deutschland hat z. B. die Entsenderichtlinie,<br />

welche die Konditionen, mit denen<br />

ausländische Bauunternehmer in Deutschland ihr eigenes<br />

Personal beschäftigen und entlohnen dürfen,<br />

regelt, eine größere Aufmerksamkeit erlangt.<br />

– Unmittelbare Wirkung: Der EuGH hat frühzeitig<br />

festgestellt, dass die Grundfreiheiten des EG-Vertrags<br />

den betroffenen Bürgern unmittelbare Rechte<br />

verleihen, auf die sich diese Bürger berufen können.<br />

So haben die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, sich<br />

unionsfreundlich zu verhalten (Art. 10 EGV bzw.<br />

Art. I-5 VVE 2004). Sie müssen alles tun, um den<br />

Grundfreiheiten zum Erfolg zu verhelfen.<br />

– Drittwirkung der Grundfreiheiten: Die Frage, ob<br />

die Grundfreiheiten sich auch an Private richten, also<br />

unmittelbare Drittwirkung gegenüber anderen Bürgernentfalten,istnachderRechtsprechungnichteindeutig<br />

zu beantworten. Bedeutsam hierfür ist, dass<br />

der EuGH bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der<br />

DienstleistungsfreiheitunddemallgemeinenDiskriminierungsverbot<br />

bereits den Schritt zur unmittelbaren<br />

Drittwirkung angedeutet hat. Zunächst ist festzustellen,<br />

dass Kollektivregelungen (z. B. Tarifverträge,<br />

Verbandssatzungen) die Grundfreiheiten beach-<br />

Dienstleistungsfreiheit<br />

ten müssen, da die Freizügigkeit gefährdet wäre,<br />

wenn derartige kollektive Vereinbarungen privater<br />

Art Schranken aufstellen könnten, die dem Staat verwehrt<br />

sind. Darüber hinaus hat der EuGH eine derartige<br />

Drittwirkung in einem Falle auch bei Beziehung<br />

zwischen Privatpersonen – im vorliegenden Fall im<br />

Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit – angenommen.<br />

7. Zulässige Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit:<br />

Die Vertragsgrundlagen selbst sehen zwei<br />

Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit vor.<br />

– Öffentliche Gewalt: Auf Tätigkeiten, die in einem<br />

Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung<br />

öffentlicher Gewalt verbunden sind, finden<br />

die Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit keine<br />

Anwendung (Art. 55 EGV i. V. m. Art. 45 EGV, bzw.<br />

Art. III-139 VVE i. V. m. Art. III-150 VVE).<br />

– Anerkannte Schutzgründe: Beschränkungen und<br />

unterschiedliche Behandlungen, die aus Gründen<br />

der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit<br />

gerechtfertigt sind, bleiben zulässig. Allerdings<br />

sollen diese durch einen europäischen Rechtsakt unter<br />

den Mitgliedstaaten koordiniert werden - es werden<br />

also entsprechende Richtlinien bzw. Europäischen<br />

Rahmengesetze im Sinne des Verfassungsvertragsentwurfes<br />

erlassen.<br />

8. Anerkennung von Qualifikationen und Berufserlaubnissen:<br />

Damit die Dienstleistungen auch in den<br />

anderen Mitgliedstaaten erbracht werden können,<br />

müssen die Qualifikationen der Dienstleistungserbringerauchdortanerkanntwerden.Indeneinzelnen<br />

Mitgliedstaaten herrschen unterschiedliche Regelungen<br />

über die Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen<br />

und sonstigen Befähigungsnachweisen<br />

sowie über die Aufnahme und Ausübung<br />

selbständiger Tätigkeiten. Hier müssen Rechtsakte<br />

gesetzt werden, welche es ermöglichen, diese unterschiedlichen<br />

Regelungen miteinander zu verbinden<br />

(Art. 55 i. V. m. Art. 47 Abs. 3 EGV bzw. Art. III-150<br />

i. V. m. Art. III-141 VVE).<br />

Sogibtesnebendensog.„sektoralen“Richtlinienfür<br />

bestimmte Berufe auch Richtlinien, welche die gegenseitige<br />

Anerkennung von Diplomen und Befähigungsnachweisen<br />

ganz allgemein regeln. Hier gilt<br />

folgender Grundsatz: Wer in einem Mitgliedstaat<br />

eineQualifikationerworbenhat,welcheeineBerufsausübung<br />

erlaubt, soll mit dieser Qualifikation in allen<br />

anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich tätig werden<br />

dürfen. Durchaus können bisweilen Zusatz-<br />

155


Dienstleistungsrichtlinie<br />

kenntnisse wie z. B. sprachlicher Art etc. verlangt<br />

werden.ZumBeispielbrauchenaberAngehörigeanderer<br />

Mitgliedstaaten, die in Deutschland einen<br />

Handwerksbetrieb führen wollen, keine Meisterprüfung<br />

abgelegt und damit den Großen Befähigungsnachweis<br />

erworben zu haben. Das Erfordernis einer<br />

Eintragung in die Handwerksrolle muss erforderlich<br />

und verhältnismäßig sein. Derzeit befindet sich eine<br />

NovellierungdesRechtsdergegenseitigenAnerkennung<br />

im Konsultationsprozess zwischen Rat und Europäischem<br />

Parlament. Ein Abschluss des Verfahrens<br />

wird bis Ende 2005 angestrebt.<br />

9. Die künftige Dienstleistungsrichtlinie (sog. Bolkestein-Richtlinie).<br />

Weil trotz dieser Entwicklung<br />

die Entwicklung der Dienstleistungsfreiheit noch<br />

nicht ausreichend gewährleistet ist und sogar anerkannte<br />

gravierende Hindernisse bestehen und weil<br />

die Rechtsangleichung bei nunmehr 25 Mitgliedstaaten<br />

sehr schwierig ist, sieht der Entwurf einer<br />

Richtlinie, den die Kommission im Herbst 2004 vorgelegthat,vor,dassdieDienstleisterimanderenMitgliedstaaten<br />

weitgehend nur noch dem Recht ihres<br />

Herkunftslandes unterworfen sind (s. o. Herkunftslandprinzip;<br />

schon bestehende Richtlinien werden<br />

allerdings davon nicht berührt). Dabei wird befürchtet<br />

dass die hohen sozialen, ökologischen und verbraucherschützenden<br />

Bestimmungen in der Bundesrepublik<br />

in diesem Zusammenhang nicht mehr zu<br />

halten sein werden. Derzeit sind die Diskussion um<br />

dessen Anwendungsbereich, insbes. des Herkunftslandprinzips,<br />

in Rat und Europäischem Parlament allerdings<br />

noch äußerst kontrovers. Dieser Richtlinienvorschlag<br />

gilt als einer der wichtigsten Vorschläge<br />

zur Vollendung des Binnenmarkts und zur<br />

SchaffungvonmehrWachstumundBeschäftigung.<br />

I. B.-M.<br />

Dienstleistungsrichtlinie �Dienstleistungsfreiheit<br />

Ziff. 9<br />

Diplome, Anerkennung der Diplome �Dienstleistungsfreiheit<br />

Ziff. 8, �Binnenmarkt<br />

Diplomatischer und konsularischer Schutz der<br />

Unionsbürger im Ausland �Unionsbürgerschaft<br />

Direktwahl zum Europäischen Parlament<br />

1. Begriff. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments<br />

(EP) werden seit 1979 von den Bürgern di-<br />

156<br />

rekt gewählt (Wahlergebnisse siehe �Europäisches<br />

Parlament). Zuvor wurden Vertreter der nationalen<br />

Parlamente entsandt, die somit nur über einen indirekten<br />

Wählerauftrag verfügten. Die Direktwahl<br />

zum EP findet alle fünf Jahre statt (sechste Direktwahl<br />

im Zeitraum vom 10. bis 13. Juni 2004). Solche<br />

Fristen werden für die Europawahlen vereinbart, damit<br />

die in den �Mitgliedstaaten traditionellen Wahltage<br />

eingehalten werden können. In Großbritannien<br />

und den Niederlanden fanden die Wahlen zum EP am<br />

10. 6. 2004 statt (einem Donnerstag), in Irland am<br />

Freitag, dem 11. 6., in der Tschechischen Republik<br />

am Freitag und am Samstag, in Lettland und Malta<br />

am Samstag, in Italien am Samstag und Sonntag und<br />

indenübrigenStaatenamSonntag,dem13.Juni.Um<br />

die Wähler nicht durch die Ergebnisse in anderen<br />

Ländern zu beeinflussen, darf mit der Stimmenauszählung<br />

erst begonnen werden, wenn die letzten<br />

Wahllokale geschlossen sind (�Schweigepflicht).<br />

2. Rechtsgrundlage: Die Direktwahl basiert auf dem<br />

„Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer<br />

Wahlen der Abgeordneten der Parlamentarischen<br />

Versammlung“ (später „EP“) vom 20. 9. 1976. Darin<br />

werden u. a. die Abgeordnetenzahl und deren Verteilung<br />

auf die Mitgliedstaaten, die Dauer der Wahlperiode<br />

sowie die Unvereinbarkeit mit bestimmten<br />

Ämtern und Funktionen geregelt. Diese Bestimmungen<br />

wurden durch Ratsbeschlüsse – mangels eines<br />

einheitlichenWahlverfahrens–jeweilsaktualisiert.<br />

3. Einheitliches Wahlverfahren: Auch die sechste<br />

Direktwahl(2004)hattenochnationaleWahlgesetze<br />

zur Grundlage. Immerhin gilt inzwischen für alle<br />

Mitgliedstaaten bei den Europawahlen der Grundsatz<br />

der Verhältniswahl, gegen das sich GroßbritannienlangeZeitgewandthatte.Seit1999werdenauchdieAbgeordnetenausGroßbritanniennachdemVerhältniswahlprinzip<br />

gewählt, bei nationalen Wahlen<br />

gilt dort dagegen nach wie vor das Mehrheitswahlprinzip.<br />

Der Auftrag des Nizza-Vertrages (Art. 190<br />

Abs. 4 EGV), dass das Europäische Parlament einen<br />

Entwurf für allgemeine unmittelbare Wahlen auszuarbeiten<br />

soll, besteht fort. In die einzelstaatlichen<br />

Rechtsvorschriften, die für die Europawahl Anwendung<br />

finden, wurden jedoch vor der Wahl 2004 die<br />

von EP und Rat verabschiedeten Bestimmungen aufgenommen,<br />

die gem. Art.190 Abs. 4 EGV im Einklang<br />

mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen<br />

Grundsätzen stehen (�Europawahlen).<br />

Sitzverteilung im EP: In den vergangenen Jahren ist


es mehrfach zu einer Änderung der Sitzverteilung<br />

gekommen. So erhöhte sich die Zahl der deutschen<br />

Mandate bei der 4. Direktwahl (1994) als Folge der<br />

deutschen Einheit auf 99 Sitze. Im Zuge dieser Neuregelung<br />

kam es insgesamt zu einer Erhöhung der<br />

Parlamentssitze von 518 auf 567.<br />

Weitere Anpassungen der Sitzverteilung fanden<br />

nach dem EU-Beitritt Finnlands, Österreichs und<br />

Schwedens (1995) statt. Die Zahl der EP-Abgeordneten<br />

erhöhte sich auf 626. Seit der letzten<br />

EU-Erweiterung 2004 gehören dem EP 732 Abgeordnete<br />

an. Die nächste Anpassung wird voraussichtlich<br />

bei den Europawahlen 2009 erforderlich,<br />

wenn Rumänien und Bulgarien der EU angehören.<br />

Der Nizza-Vertrag legt eine Obergrenze (Art. 189<br />

EGV) für die Anzahl der Mitglieder des Europäischen<br />

Parlaments fest. Diese liegt bei 732 Abgeordneten.<br />

Gleichzeitig wird im „Protokoll über die Erweiterung<br />

der EU“ zum Nizza-Vertrag ein Korrekturmechanismus<br />

vorgesehen für Beitritte in der Zeit<br />

bis 2009.<br />

Aktives und passives Wahlrecht: Seit der 4. Direktwahl<br />

1994 können EU-Bürger in dem Mitgliedstaat,<br />

in dem sie wohnen, dessen Staatsangehörigkeit sie<br />

jedoch nicht besitzen, das passive und aktive Wahlrecht<br />

bei den Wahlen zum EP ausüben. Zuvor war die<br />

Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts<br />

durch einzelstaatliche Vorschriften geregelt. Die auf<br />

Art 19 Abs. 2 EGV gestützte Richtlinie hat einheitliche<br />

Rahmenbedingungen für die Ausübung des passiven<br />

und aktiven Wahlrechts in den Mitgliedstaaten<br />

der Union festgelegt. Um Missbräuche – etwa durch<br />

Doppelstimmabgaben oder Doppelkandidaturen –<br />

zu verhindern, ist der wahlberechtigte Unionsbürger<br />

verpflichtet, gegenüber dem Wohnsitzstaat nachzuweisen,dasserimHerkunftsstaatnichtvompassiven<br />

und aktiven Wahlrecht ausgeschlossen ist. Von der<br />

Möglichkeit, im Wohnsitzstaat das passive und aktive<br />

Wahlrecht nicht nur bei den Europa-, sondern<br />

auch bei den Kommunalwahlen wahrzunehmen,<br />

wirdinderPraxisjedochwenigGebrauchgemacht.<br />

4. Bewertung. Von der Entscheidung des EuropäischenRates1974inParis,europäischeDirektwahlen<br />

zuzulassen,biszurerstenDirektwahl1979waresein<br />

langer Weg. Bis heute ist noch kein einheitliches<br />

Wahlverfahren verabschiedet. Die Erwartungen,<br />

dass durch die Direktwahlen die Legitimität des Europäischen<br />

Parlaments gestärkt, die nationale Rückkoppelung<br />

verbessert und zugleich das Bewusstsein<br />

Diskriminierungsverbot<br />

für europäische Zusammenhänge gefördert werde,<br />

haben sich in weiten Teilen nicht erfüllt. Die Impulse,<br />

die von der Gründung europäischer Parteienzusammenschlüsse<br />

ausgingen, blieben schwach. Nach<br />

wie dominieren im Europawahlkampf nationale,<br />

nicht europäische Themen. Die Wahlbeteiligung ist<br />

seit der ersten Direktwahl stetig gesunken: von 63 %<br />

1979 auf 49,8 % bei der fünften Direktwahl 1999 (s.<br />

Tab. S. 292). Ein Rekordtief erreichte sie 2004 mit<br />

45,7 % und z.T. sehr niedrigen Werten in den neuen<br />

Beitrittstaaten (Polen 20%, Slowakei 17%). Dies<br />

wurde vor dem Hintergrund der nur zwei Monate zuvor<br />

erfolgten EU-Erweiterung als besonders enttäuschend<br />

empfunden. Dabei steht der rückläufigen<br />

Wahlbeteiligung eine stetige Zunahme der Mitwirkungsrechte<br />

des Europäischen Parlaments gegenüber.<br />

Mit der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen<br />

auf die überwiegende Zahl der EU-Politikfelder<br />

ist der Einfluss auf die EU-Gesetzgebung im<br />

Vergleich zu früheren Jahren deutlich gewachsen.<br />

Aber auch davon ging offenbar keine die Wähler mobilisierendeWirkungaus.<br />

Ch. H.<br />

Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe<br />

�Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)<br />

Diskriminierungsverbot. Diskriminierungsverbote<br />

bilden als besondere Ausformung des allgemeinenGleichheitssatzeseinesderHerzstückederEuropäischen<br />

Gemeinschaften. Man unterscheidet die<br />

besonderen Diskriminierungsverbote von dem allgemeinen<br />

Diskriminierungsverbot und die verdeckte<br />

von der offenen Diskriminierung.<br />

Wesentlicher Bestandteil der �vier Grundfreiheiten<br />

(Warenverkehr, Freizügigkeit, Niederlassungs- und<br />

Dienstleistungsfreiheit) sind die besonderen Diskriminierungsverbote.<br />

Danach dürfen im jeweiligen<br />

Anwendungsbereich der Grundfreiheiten Staatsangehörige<br />

bzw. Waren anderer Mitgliedstaaten nicht<br />

anders behandelt werden als inländische Staatsbürger<br />

bzw. Waren (vgl. z. B. Art. 39 Abs. 2, 43 Abs. 2,<br />

50 Abs. 3 EGV). Man spricht insoweit vom Grundsatz<br />

der Inländergleichbehandlung. Das primäre Gemeinschaftsrecht<br />

kennt darüber hinaus eine ganze<br />

Reihe weiterer besonderer Diskriminierungsverbote<br />

(z.B.Art.19Abs.1,75Abs.1,95Abs.6,183EGV).<br />

Das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art.<br />

12 Abs. 1 EGV verbietet im Anwendungsbereich des<br />

EG-Vertrages jede Diskriminierung aufgrund der<br />

157


Divergenz<br />

Staatsangehörigkeit. Es ist jedoch subsidiär gegenüber<br />

den besonderen Diskriminierungsverboten<br />

(„unbeschadet besonderer Bestimmungen“). Artikel<br />

12 EGV erfasst seinem Wortlaut nach nur Diskriminierungen<br />

in Sachgebieten, die im EG-Vertrag geregelt<br />

sind und in denen die Gemeinschaft tätig ist. Es<br />

genügt nach der Rechtsprechung des EuGH aber,<br />

dass ein Bereich im EG-Vertrag nur ganz punktuell<br />

geregelt ist. Der Anwendungsbereich ist nach der<br />

Rechtsprechung des EuGH auch eröffnet, wenn nur<br />

ein rudimentärer Bezug zum Europäischen Gemeinschaftsrecht<br />

besteht und Grundfreiheiten nur berührt,<br />

aber nicht tatbestandlich einschlägig sind.<br />

Eine Diskriminierung im Sinne von Art. 12 EGV<br />

liegt aber nicht vor, wenn die Ungleichbehandlung<br />

sachlich gerechtfertigt ist.<br />

Die reine Inländerdiskriminierung, also die umgekehrte<br />

Diskriminierung der Inländer gegenüber den<br />

Unionsbürgern bei rein innerstaatlichen Sachverhalten<br />

wird hingegen weder von dem allgemeinen noch<br />

von den besonderen Diskriminierungsverboten erfasst.<br />

Bei der Inländerdiskriminierung handelt es<br />

sich somit um ein Problem des nationalen Verfassungsrechts<br />

der Mitgliedstaaten.<br />

Weiter wird zwischen offenen und verdeckten Diskriminierungen<br />

unterschieden: Eine offene (unmittelbare,<br />

direkte, formale) Diskriminierung liegt vor,<br />

wenn eine staatliche Regelung in ihrem Tatbestand<br />

ausdrücklich auf die Inländer- oder Ausländereigenschaft<br />

abstellt. Eine verdeckte (verschleierte, mittelbare,<br />

indirekte) Diskriminierung liegt hingegen vor,<br />

wenn eine Regelung zwar formal auf In- und Ausländer<br />

gleichermaßen anwendbar ist, die faktischen<br />

Auswirkungen aber überwiegend aufgrund der<br />

Staatsangehörigkeit eintreten. Dies ist etwa häufig<br />

der Fall, wenn zwar nicht an die Staatsangehörigkeit,<br />

aber an den Wohnsitz oder die Niederlassung im Inland<br />

angeknüpft wird. Typischerweise sind Gebietsfremde<br />

meist Ausländer und damit in großer Zahl betroffen.<br />

Durch den �Vertrag von Amsterdam wurden die<br />

Rechtssetzungsbefugnisse des Rates in der Antidiskriminierungspolitik<br />

deutlich erweitert. Artikel 13<br />

EGVgestattetMaßnahmenzurBekämpfungderDiskriminierung<br />

aus Gründen des Geschlechts, der Rasse,<br />

der ethnischen Herkunft, der Religion oder der<br />

Weltanschauung,einerBehinderung,desAltersoder<br />

der sexuellen Ausrichtung. Der Rat hat auf diese Ermächtigungsgrundlage<br />

zwischenzeitlich mehrere<br />

158<br />

Richtliniengestützt(vgl.z.B.Richtlinie2000/43des<br />

Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes<br />

ohne Unterschied der Rasse oder der<br />

ethnischen Herkunft, ABl. L 180/2000; RL 2000/78<br />

zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die<br />

Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung<br />

und Beruf, ABl. L 303/2000), die weite BereichedestäglichenLebensbetreffenunddiediePrivatautonomie<br />

zugunsten der Gleichstellung mindestens<br />

partielleinschränken. Ch. S.<br />

Divergenz als Merkmal, das es durch eine Politik<br />

der �Konvergenz zu überwinden bzw. zu verringern<br />

gilt, besteht zwischen den Staaten der EU und zwischenihrenRegionenu.a.inBezugaufstatistischerfassbare<br />

wirtschaftliche und soziale Daten (z. B. Inflation,<br />

Arbeit, Handel, Schulbildung, Umwelt, Forschung),<br />

aber auch in bestimmten Bereichen der Politik<br />

(Schwerpunktsetzung in der Wirtschaftspolitik,<br />

der Strukturpolitik). Divergenz kann auch beim Vergleich<br />

von Rechtsvorschriften der Staaten festgestellt<br />

werden, ebenso zwischen den Grundsätzen,<br />

nach denen Mitgliedstaaten bestimmte Politikbereiche<br />

ausrichten. Der Verringerung von Divergenzen,<br />

die das Funktionieren des Binnenmarktes oder der<br />

Währungsunion beeinträchtigen bzw. zu unerwünschten<br />

Wanderungsbewegungen führen können,<br />

dienen u. a. konkrete Zielvorgaben in Konvergenzprogrammen<br />

bzw. für Prozesse (z. B. �Lissabon-Strategie),<br />

außerdem der Erlass von Richtlinien<br />

zur Harmonisierung bzw. das �Prinzip der gegenseitigen<br />

Anerkennung. Divergenz in der EU kann auch<br />

zwischen erreichten Stufen und Zielen der Integration<br />

festgestellt werden, z. B. zwischen dem Stand der<br />

wirtschaftlichen Integration und dem Stand der politischen<br />

Integration. Durch den Beitritt von 10 Staaten<br />

am 1. 5. 2004 haben sich die Divergenzen in der<br />

EU vergrößert.<br />

Doha-Runde �WTO, �Entwicklungspolitik<br />

Dokumentationszentren �Europäische Dokumentationszentren<br />

(EDZ)<br />

Dokumente der EU �Zugang zu Dokumenten,<br />

�Transparenz<br />

Dolmetscher- und Übersetzungsdienst der EU.<br />

Zu unterscheiden ist zwischen dem Dienst der Über-


setzung (in schriftlicher Form) und dem des Dolmetschens<br />

(mündlich).<br />

Übersetzungsdienst: Jedes Organ der EU hat einen<br />

eigenen Übersetzungsdienst. Der größte unter ihnen<br />

ist in der GD Übersetzung der Kommission zusammengefasst<br />

mit rd. 1 650 Übersetzern und 650 weiteren<br />

Mitarbeitern. Für die zahlreichen Agenturen der<br />

EU wurde 1994 durch VO 2965/94 ein Übersetzungszentrum<br />

in Luxemburg mit 150 Mitarbeitern<br />

geschaffen.<br />

Der Übersetzungsdienst der Kommission übersetzt<br />

rd. 1,3 Mio. Seiten pro Jahr (2004), ein Viertel davon<br />

außer Haus durch freiberufliche Übersetzer. Übersetzt<br />

wird in alle 20 �Amtssprachen der EU, jedoch<br />

nur solche Rechtsvorschriften und Dokumente, die<br />

für die Öffentlichkeit bestimmt sind (rd. ein Drittel<br />

des gesamten Textaufkommens). Mitteilungen an<br />

Mitgliedstaaten oder Schriftwechsel mit Staaten<br />

werden nur in die jeweiligen Sprachen übersetzt, Arbeitsdokumente<br />

in die sog. Verfahrenssprachen<br />

Englisch, Deutsch und Französisch. Die Kosten belaufen<br />

sich auf ca. 320 Mio. Euro.<br />

Für Übersetzungen werden auch bestimmte Datenbanken<br />

(�Eurodicautom) bzw. Computerprogramme<br />

(�Systran) eingesetzt.<br />

Dolmetschen: Für mündliches Übersetzen ist der Gemeinsame<br />

Dolmetscher- und Konferenzdienst<br />

(SCIC) zuständig, und zwar für alle Organe und Institutionen<br />

der EU mit Ausnahme des Parlaments<br />

und des Gerichtshofs, die über eigene Abteilungen<br />

für Dolmetschen verfügen. Der SCIC beschäftigt<br />

450 fest angestellte und 2000 freiberufliche Dolmetscher<br />

(Stand vor der Erweiterung). Sie dolmetschen<br />

im Durchschnitt in 50 Sitzungen und Konferenzen<br />

pro Tag. Das häufigste Verfahren ist das Simultandolmetschen<br />

direkt aus allen und in alle Sprachen<br />

bzw. über eine Drittsprache. Bei Simultandolmetschung<br />

aus und in die 11 Amtssprachen der EU-15<br />

wurden 33 Dolmetscher benötigt. Bei Tagungen des<br />

Europäischen Rats mit den Beitrittsländern wurde<br />

bspw. aus 22 und in 22 Sprachen gedolmetscht (sog.<br />

22-22-Regime). Der SCIC kostet rd. 105 Mio. Euro<br />

(2001).<br />

Donauraum-Kooperation.Am27.5.2002vonden<br />

13 Staaten des Donaubeckens, der Europäischen<br />

Kommission und dem Stabilitätspakt für Südosteuropa<br />

gegründet. Aufgabe ist die Zusammenarbeit vor<br />

allem in den Bereichen Transport (Donau als wichti-<br />

Doppelte Mehrheit<br />

ger Transportweg), Umweltschutz und Tourismus.<br />

Mitgliedstaaten sind Bosnien-Herzegowina, Bulgarien,<br />

Deutschland, Kroatien, Moldawien, Österreich,<br />

Rumänien, Serbien und Montenegro, Slowakei,<br />

Slowenien, Tschechische Republik, Ukraine,<br />

Ungarn.<br />

Institutionen der Donau-Kooperation sind Gipfeltreffen<br />

(2. Donau-Gipfeltreffen 2004 in Belgrad, 3.<br />

vom18. bis 20. 10. 2006 in Budapest) und Ministerkonferenzen<br />

(1. Ministerkonferenz am 27. 5. 2002 in<br />

Wien, 2. am 14. 7. 2004 in Bukarest, 3. im Jahr 2006<br />

in Wien). Weitere Institutionen: Donau-Rektoren-<br />

Konferenz, Donau-Touristische Werbegemeinschaft.<br />

Internet: www.danubecooperation.org<br />

Dooge, James (geb. 1922), irischer Politiker. Dooge<br />

wurde im Juni 1984 vom Europäischen Rat zum Vorsitzenden<br />

eines Ausschusses für institutionelle Fragen<br />

ernannt (�Dooge-Ausschuss), dessen Abschlussbericht<br />

(Vorschläge zum besseren Funktionieren<br />

der �Integration) als Grundlage für die Beratungen<br />

über die �Einheitliche Europäische Akte<br />

(1986) diente.<br />

Dooge-Ausschuss wird der vom Europäischen<br />

Rat in Fontainebleau im Juni 1984 eingesetzte<br />

�Ad-hoc-Ausschuss aus persönlichen Vertretern der<br />

Staats- und Regierungschefs unter Leitung von<br />

JamesDooge(Irland)genannt.Seine(nichtvonallen<br />

Ausschuss-Mitgliedern gut geheißenen) Vorschläge<br />

für institutionelle Veränderungen und zur Verbesserung<br />

der politischen Zusammenarbeit wurden dem<br />

Europäischen Rat von Dublin im Dezember 1984<br />

vorgelegt (Dooge-Bericht). Der Europäische Rat<br />

von Dublin beschloss die Fortsetzung der Arbeit des<br />

Ausschusses, setzte dann aber im Juni 1985 eine Regierungskonferenz<br />

ein, die weitere vorbereitende<br />

Arbeiten zur Änderung der Gründungsverträge ausarbeiten<br />

sollte. Deren Vorschläge führten zur Verabschiedung<br />

der �Einheitlichen Europäischen Akte<br />

durch den Europäischen Rat von Luxemburg im Dezember<br />

1985 (Unterzeichnung am 17. und 28. 2.<br />

1986).<br />

Dooge-Bericht �Einheitliche Europäische Akte<br />

Ziff. 1.3<br />

Doppelte Mehrheit �Qualifizierte Mehrheit<br />

159


Drei-Säulen-Theorie<br />

Drei-Säulen-Theorie �Tempelstruktur<br />

Dritte Säule der Europäischen Union �Tempelstruktur,<br />

�PJZS<br />

Drittstaaten bzw. Drittländer sind alle nicht zur EU<br />

gehörenden Staaten in und außerhalb Europas.<br />

Dual use (doppelter Verwendungszweck) bezeichnet<br />

Güter und Technologien, die für zivile Nutzung<br />

entwickelt wurden, aber auch für militärische Zwecke<br />

nutzbar sind bzw. nutzbar gemacht werden können.<br />

Sie unterliegen unterschiedlichen Kontrollen<br />

und Beschränkungen bei der Ausfuhr. Rechtsgrundlage<br />

für einschlägige Verordnungen der EU ist Art.<br />

133 EGV. Darauf basiert die Verordnung 1334/ 2000<br />

(Abl. L 176/2000), die in Anhang 1 alle Dual-use-<br />

Artikel auflistet. Änderungen dieser Liste werden<br />

vom Rat auf Vorschlag der Kommission beschlossen.<br />

Bisherige Änderungen: VO 2432/2001 (Abl. L<br />

338/2001) und VO 149/2003 (Abl. L 30/2003, berichtigt<br />

Abl. L 52/2003). Dual-use-Artikel bedürfen<br />

bei der Ausfuhr einer besonderen Genehmigung. Für<br />

einige gibt es eine für alle EU-Mitgliedstaaten geltende<br />

Ausfuhrgenehmigung in 7 Drittstaaten (USA,<br />

Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Norwegen<br />

und die Schweiz). Andere Dual-use-Artikel unterliegen<br />

weiteren nationalen Beschränkungen.<br />

Darüber hinaus existieren mehrere internationale<br />

Kontroll-Regime für den Export von Dual-use-<br />

Gütern und -Technologien, so die Australien-<br />

Gruppe (für chemische und biologische Artikel), das<br />

Waffentechnische Kontrollregime, die Wassenaar-<br />

Vereinbarung sowie das Kontrollregime des Nichtverbreitungsvertrags<br />

(Non-proliferation-treaty).<br />

Die Resolution 1540/2004 des Weltsicherheitsrates<br />

empfiehlt allen Staaten der Welt, Exportkontrollen<br />

anzuwenden. �Nichtverbreitungs- und Abrüstungspolitik<br />

der EU<br />

Dublin II wird die Verordnung 343/2003 (ABl.<br />

50/2003) genannt. �Dubliner Übereinkommen<br />

Dubliner Übereinkommen (Dublin I) vom 15. 6.<br />

1990. Ein völkerrechtlicher Vertrag der EU-Staaten,<br />

in dem geregelt ist, welcher Staat für die Prüfung einesineinemEU-StaatgestelltenAsylantragszuständig<br />

ist (veröffentlicht in ABl. C 254/1997). Es ist am<br />

1. 9. 1997 in Kraft getreten und hat die zuvor gelten-<br />

160<br />

den Regelungen des �Schengener Durchführungsübereinkommensabgelöst.Seit25.3.2001sindauch<br />

Norwegen und Island am Dubliner Übereinkommen<br />

beteiligt. Die Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens<br />

wurden am 1. 6. 2003 abgelöst durch die<br />

Verordnung 343/2003 zur Festlegung der Kriterien<br />

und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats,<br />

der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen<br />

in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags<br />

zuständig ist (ABl. L 50/2003), auch Dublin II<br />

genannt.<br />

Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Asylantrag. Geprüft<br />

wird der Antrag nur von einem EU-Staat gem.<br />

seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften und seinen<br />

internationalen Verpflichtungen. Zuständig ist<br />

der Staat, in dem z. B. ein Familienangehöriger (Ehegatte,<br />

minderjähriges Kind, bei Minderjährigen: Vater<br />

oder Mutter) des Asylbewerbers als Flüchtling<br />

nach der Genfer Konvention einen legalen Wohnsitz<br />

hat, oder der Staat, der dem Bewerber eine Aufenthaltserlaubnis<br />

erteilt hat.<br />

Bei illegaler Einreise ist der Staat zuständig, dessen<br />

Außengrenze der Asylsuchende überschritten hat.<br />

Bei Einreise über einen „sicheren Drittstaat“, der<br />

nicht Dublin-Staat ist, hängt die Behandlung davon<br />

ab, wann und wo der Asylsuchende erkannt wird. Bei<br />

Aufgreifen nahe der Grenze ist in Deutschland innerhalb<br />

von 96 Stunden der Bundesgrenzschutz zuständig<br />

und die Wahrscheinlichkeit einer sofortigen AbschiebunginderDrittstaatsehrhoch.Wirdderillegal<br />

Eingereiste dagegen im Binnenland aufgegriffen,<br />

gelten Bestimmungen der Rücknahme-Übereinkommen<br />

mit den Drittstaaten. �Asylpolitik Ziff. 2,<br />

�Einwanderungspolitik Ziff. 2<br />

Duisenberg, Willem (Wim) Frederik (1935 –<br />

2005).NiederländischerWirtschaftswissenschaftler<br />

und Bankmanager. Mitarbeiter beim Internationalen<br />

Währungsfonds in Washington (1965 – 1969), Professor<br />

für Volkswirtschaft (1970 – 1973), Niederländischer<br />

Finanzminister (1973 – 1977), Präsident<br />

der niederländischen Notenbank (1982 – 1997),<br />

1997 Leiter des �Europäischen Währungsinstituts<br />

(EWI),von1998bis2003ersterPräsidentder �Europäischen<br />

Zentralbank (EZB).<br />

Durchführungsbestimmung (Durchführungsverordnung).<br />

Allgemein ein Rechtsakt der Verwaltung<br />

ohne Gesetzescharakter, der regelt, wie durch-


zuführen ist, was ein Gesetz fordert. Durchführungsbefugnisse<br />

in der EG umfassen das Recht, im Rahmen<br />

der von der Gemeinschaft erlassenen Rechtsakte<br />

(Basisrechtsakte) Durchführungsverordnungen<br />

zu erlassen, technische Anhänge von Richtlinien<br />

dem technischen Fortschritt anzupassen (zu ändern)<br />

oder Verwaltungsaufgaben (besonders im Rahmen<br />

der Marktordnungen der Gemeinsamen Agrarpolitik)<br />

zu erfüllen. Durchführungsverordnungen der<br />

EG (Verordnungen zur Durchführung einer Verordnung)<br />

können in allen Teilen verbindlich sein und in<br />

allen Mitgliedstaaten unmittelbar gelten oder für jeden<br />

Staat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des<br />

zu erreichenden Ziels verbindlich sein (Verordnungen<br />

zur Durchführung einer Richtlinie).<br />

BiszurÄnderungdesEWG-VertragesdurchdieEinheitliche<br />

Europäische Akte (1986, in Kraft seit 1987)<br />

entschied der Rat in jedem Einzelfall, ob er den Erlass<br />

von Durchführungsverordnungen sich selbst<br />

vorbehält oder der Kommission (nach Art. 155<br />

EWGV)überträgt.Seit1987istderRatjedochgehalten,<br />

die Befugnis zur Durchführung der von ihm erlassenen<br />

Vorschriften in der Regel der Kommission<br />

zu übertragen (Art. 202 EGV). Er kann sich nur in<br />

spezifischen Fällen vorbehalten, Durchführungsbefugnisse<br />

selbst auszuüben. Die Modalitäten für die<br />

Übertragung und die Ausübung der Befugnisse legt<br />

Durchführungsbestimmung<br />

der Rat einstimmig fest (Art. 202 EGV). Das ist geschehen<br />

durch Ratsbeschluss vom 18. 7. 1987, geändert<br />

durch Ratsbeschluss vom 28. 6. 1999 (1999/468<br />

„Zweiter Komitologiebeschluss“, ABl. L 184/<br />

1999). Dabei legte der Rat Wert darauf, dass die<br />

Kommission die Durchführungsbefugnisse auch<br />

weiterhin nur in enger Verbindung mit den Mitgliedstaaten<br />

ausüben kann.<br />

Die Kommission wird bei der Ausübung der Durchführungsbefugnisse<br />

von Ausschüssen (Komitees)<br />

nationaler Beamter unterstützt und kontrolliert<br />

(�„Ausschuss“- oder �„Komitologieverfahren“).<br />

Diese Ausschüsse (es gibt davon mehrere hundert)<br />

können entweder beratend mitwirken („Beratender<br />

Ausschuss“) oder die Arbeit der Kommission beeinflussen<br />

(„Verwaltungsausschuss“). Der Rat kann in<br />

jedem Falle wählen, welches Ausschussverfahren er<br />

für die Ausübung der Durchführungsbefugnisse<br />

durch die Kommission vorschreibt; der Rechtsakt<br />

muss einen entsprechenden Hinweis enthalten. Der<br />

�Verfassungsvertrag 2004 sieht vor, dass die Modalitäten<br />

der Komitologie durch ein �Europäisches Gesetz<br />

festgelegt werden, also unter Mitentscheidung<br />

des Europäischen Parlaments. DurchführungsbestimmungenzuEuropäischenGesetzenwerdendann<br />

Europäische Verordnungen heißen (Art. I-33 VVE<br />

2004).<br />

161


EAEA<br />

EAEA (European Association for the Education of<br />

Adults, Europäischer Verband für Erwachsenenbildung).<br />

Transnationaler gemeinnütziger Verband mit<br />

der Aufgabe, europäische Organisationen der Erwachsenenbildung<br />

zu vernetzen und ihre Interessen<br />

zu vertreten.<br />

Anschrift: 27, rue Liedts, B–1030 Brüssel<br />

Internet: www.eaea.org<br />

EAG �EURATOM (Europäische Atomgemeinschaft)<br />

EAGFL (Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds<br />

für die Landwirtschaft) �Gemeinsame Agrarpolitik,<br />

�Fonds der EU<br />

EAPC (Euro-Atlantic Partnership Council), Euroatlantischer<br />

Partnerschaftsrat, löste 1997 den sechs<br />

Jahre zuvor geschaffenen Nordatlantischen Kooperationsrat<br />

(NAAC, North Atlantic Cooperation<br />

Council) ab. Dem Rat gehören (Stand 2004) die 19<br />

NATO-Staaten und die 27 PfP-Staaten an (PfP =<br />

Partnership for Peace). Die Partnerschaft für den<br />

Frieden (PfP) wurde 1994 von der NATO gegründet<br />

und steht allen �OSZE-Staaten offen.<br />

Der EAPC ist ein Forum zur Aussprache über sicherheitspolitische<br />

Fragen, Internationales Krisenmanagement,<br />

Rüstungskontrolle und -planung, Terrorismus,<br />

zivil-militärische Katastrophenhilfe. Im Rahmen<br />

der EAPC finden zweimal jährlich Treffen der<br />

Außenminister, der Verteidigungsminister und der<br />

Armeechefs statt. Sitz des Sekretariats ist Brüssel.<br />

EASA (�European Aviation Safety Authority)<br />

�Flugsicherheit<br />

EBIC(EuropeanBusinessInformationCentres),von<br />

der EU in Asien aufgebautes Netz, das Unternehmen<br />

über Märkte, Investitionsmöglichkeiten und Partnerschaften<br />

informiert. Erstes EBIC wurde 1993 auf<br />

den Philippinen gegründet, weitere waren geplant.<br />

Die EBIC haben ihre Tätigkeit 2002 eingestellt. Ihre<br />

Dienstleistungen werden nun von den �Euro Info<br />

Centres (EIC) wahrgenommen.<br />

162<br />

E<br />

EBRD European Bank for Reconstruction and Development<br />

�Europäische Bank für Wiederaufbau und<br />

Entwicklung<br />

eCall-Notrufsystem soll nach einer AbsichtserklärungderKommissionundderAutomobilindustrieab<br />

2009 in alle Neufahrzeuge eingebaut werden. Das<br />

Notrufsystem wird bei einem Unfall automatisch<br />

odermanuelldieEU-Notrufnummer112wählenund<br />

den genauen Standort melden. Normen und Spezifikationen<br />

für das eCall-System sollen bis Ende 2005<br />

festgelegt sein, erste Feldtests 2007 durchgeführt<br />

werden. Voraussetzung ist, dass die um Standortangaben<br />

erweiterte Europa-Notrufnummer E-112 von<br />

allen Notrufzentralen in den EU-Staaten verarbeitet<br />

werden kann.<br />

ECHO (European Community Humanitarian<br />

Office), am 1. 4. 1992 von der Kommission eingerichtetes<br />

Amt für �Humanitäre Hilfe der EG. Es ist<br />

die zentrale Entscheidungsstelle innerhalb der KommissionfürVerwaltungundKoordinierungderHilfe<br />

bei Naturkatastrophen und in Krisengebieten mit bewaffneten<br />

Konflikten. Unterschieden wird zwischen<br />

�Soforthilfe, �Nahrungsmittelhilfe und �Flüchtlingshilfe.<br />

Die Hilfsaktionen werden von rund 200<br />

Partnerorganisationen(UN-Hilfsorganisationen,Internationales<br />

Rotes Kreuz und andere internationale<br />

Organisationen, �Nichtregierungsorganisationen)<br />

vor Ort durchgeführt. Grundlage dafür sind das Finanzierungs-<br />

und Verwaltungsabkommen der EG<br />

mit den UN und Partnerschaftsrahmenverträge mit<br />

internationalen Organisationen und �NRO.<br />

ECHO-Server (European Commission Host Organization,<br />

auch: European Community Host Organization).<br />

Zentraler Server der Kommission, auf<br />

dem zahlreiche Datenbanken der EU installiert sind<br />

(wie�CORDIS,�TED).DaderZugangzunahezuallen<br />

Datenbanken der EU seit 2004 kostenlos ist, ist<br />

eine vorherige Registrierung nicht mehr Voraussetzung<br />

für die Recherche. ECHO ist nicht mehr über<br />

www.echo.lu erreichbar. Daten können u. a. über<br />

www.cordis.lu/ist abgerufen werden.


ECLAS (European Commission’s Libraries Automated<br />

System) ist der digitalisierte Verbundkatalog<br />

der Zentralbibliothek der Europäischen Kommission,<br />

der die im Bibliotheksnetz erfassten Bestände<br />

auflistet. Er zeigt bibliografische Angaben zu den<br />

verfügbaren Dokumenten an (ca. 350 000, jährlich<br />

7 000 neue), ermöglicht aber keine Lieferung oder<br />

Kopie der Dokumente.<br />

Internet: europa.eu.int/eclas<br />

Ecofin-Rat (Economic and Financial) / Rat der<br />

Wirtschafts- und Finanzminister<br />

1. Ecofin ist die Abkürzung für den Rat der EU in der<br />

Zusammensetzung der Wirtschafts- und Finanzminister.<br />

Der Ecofin-Rat ist mit dem „Rat Allgemeine<br />

Angelegenheiten“ (Außenminister) und dem „Landwirtschaftsrat“<br />

(Landwirtschaftsminister) der wichtigste<br />

Rat auf Ministerebene. Er tritt mindestens einmal<br />

im Monat zu Tagungen zusammen. Tagungsort<br />

ist in der Regel Brüssel, zwei Mal im Jahr, jeweils im<br />

Frühjahr und im Herbst, Luxemburg. Zusätzlich findet<br />

pro �Präsidentschaft ein sog. „Informeller Ecofin-Rat“<br />

an einem von der Präsidentschaft zu bestimmenden<br />

Ort statt. Dabei treffen sich die zuständigen<br />

Minister, der Präsident der Kommission, die Gouverneure<br />

aller nationalen �Zentralbanken der Mitgliedstaaten<br />

sowie der �EZB-Präsident. Die vertraulichenBeratungenbeidiesenTreffendienenderVorbereitung<br />

der offiziellen Ecofin-Tagungen; bindende<br />

Beschlüsse kann dieses Gremium nicht fassen.<br />

2. Vorbereitende Gremien: Die Abstimmung der<br />

�Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten ist die wichtigste<br />

Aufgabe des Ecofin (Art. 202, 99 EGV), dessen<br />

Arbeit vom �Ausschuss der Ständigen Vertreter<br />

(AStV) vorbereitet wird (Art. 207 EGV). Zusätzlich<br />

und speziell mit der Zielsetzung, die Koordinierung<br />

der Währungspolitik in der EU zu fördern, unterstützt<br />

der beratende �Wirtschafts- und Finanzausschuss<br />

(WFA) die Arbeit des Ecofin. Jener hat nach<br />

Art. 114 Abs. 2 EGV die Aufgabe, die Wirtschaftsund<br />

Finanzlage der Mitgliedstaaten zu beobachten,<br />

dem Ecofin und der Kommission darüber Bericht zu<br />

erstatten (insbes. über die finanziellen Beziehungen<br />

zu dritten Ländern und internationalen Einrichtungen),<br />

den Ecofin zu beraten und jährlich die Maßnahmen<br />

in den Bereichen Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit<br />

zu prüfen. Jeder Mitgliedstaat und die<br />

Kommission ist mit je zwei Mitgliedern im WFA<br />

vertreten. Darüber hinaus bewertet der WFA zusam-<br />

Ecofin-Rat<br />

men mit der Kommission seit dem Eintritt in die dritte<br />

Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion<br />

(WWU) die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme<br />

der Mitgliedstaaten und legt sie dem Ecofin-Rat zur<br />

Prüfung vor.<br />

3. Aufgaben: Der Ecofin-Rat befasst sich mit der<br />

EU-Politik in mehreren Bereichen: Koordinierung<br />

der Wirtschaftspolitik zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten,<br />

wirtschaftspolitische Überwachung,<br />

Überwachung der Haushaltspolitik und der öffentlichen<br />

Finanzen der Mitgliedstaaten, der �Wirtschafts-<br />

und Währungsunion (Euro) und den Finanzmärkten.<br />

Mit Eintritt in die 3. Stufe der WWU behält<br />

der Ecofin-Rat seine Rolle als zentrales Gremium für<br />

die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten<br />

ungeachtet der Tatsache, dass zunächst<br />

nur 12 der 25 Mitgliedstaaten in die dritte Stufe der<br />

WWU eingetreten sind. Er ist als einziges Gemeinschaftsgremium<br />

befugt, die Grundzüge der Wirtschaftspolitik,<br />

die das Hauptinstrument der wirtschaftspolitischen<br />

Koordinierung darstellt, zu formulieren<br />

und zu verabschieden. Als zentrale Schaltstelle<br />

wirtschaftspolitischer Koordinierung und Beschlussfassung<br />

festigt der Ecofin-Rat somit die Einheit<br />

und den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Er erstellt<br />

und verabschiedet außerdem jedes Jahr zusammen<br />

mit dem Europäischen Parlament den Haushaltsplan<br />

der Europäischen Union (Volumen 2005<br />

knapp über 100 Mrd. Euro), beide bilden die �Haushaltsbehörde.<br />

Er ist darüber hinaus das entscheidende<br />

Gremium, das über die Einhaltung des �Stabilitäts-<br />

und Wachstumspakts wacht. Er entscheidet<br />

über die Eröffnung und den Fortgang von Defizitverfahren<br />

gegen einzelne Mitgliedstaaten wegen übermäßigerHaushaltsdefiziteundlegtletztlichSanktionen<br />

gegen Mitgliedstaaten fest, die den Empfehlungen<br />

des Ecofin-Rates zum Abbau des übermäßigen<br />

Haushaltsdefizits nicht nachgekommen sind. Vor<br />

den regulären Tagungen des Ecofin-Rates treffen<br />

sich die Finanzminister der Staaten, die an der WWU<br />

teilnehmen, in der Regel am Vorabend des Rates, um<br />

Fragen in Verbindung mit der gemeinsamen Währung<br />

vertieft zu erörtern. Hierzu können die Kommission<br />

und die EZB eingeladen werden. Dieses informelle<br />

Gremium wird �Eurogruppe genannt. Ihr<br />

gehören derzeit die Finanzminister Deutschlands,<br />

Frankreichs, Spaniens, Italiens, Griechenlands,<br />

Finnlands,Österreichs,Portugals,Belgiens,derNiederlande,<br />

Luxemburgs und Irlands an. Seit dem<br />

163


Ecofin-Rat<br />

1. 1. 2005 hat die Eurogruppe einen Vorsitzenden,<br />

dessen Amtszeit 2 Jahre beträgt und der aus dem Gremium<br />

heraus gewählt wird. Mit der Einführung eines<br />

für eine längere Zeit gewählten Vorsitzes will die<br />

Gruppe sich ein Gesicht nach außen geben und sie so<br />

stärken.<br />

4. Wirtschaftspolitische Koordinierung: Durch den<br />

Eintritt in die 3. Stufe der WWU werden die VolkswirtschaftenderdemEuro-Währungsgebietangehörenden<br />

Mitgliedstaaten durch die gemeinsame<br />

�Geldpolitik und den einheitlichen Wechselkurs enger<br />

miteinander verflochten. Dies macht eine noch<br />

genauere Überwachung und Koordinierung der<br />

Wirtschaftspolitiken dieser Mitgliedstaaten erforderlich.<br />

Enge wirtschafts- und geldpolitische Wechselbeziehungen<br />

werden auch zu den nicht an der<br />

WWU teilnehmenden Mitgliedstaaten als TeilnehmeramBinnenmarktbestehen.SiewerdenindieKoordinierung<br />

einbezogen, um die weitere Konvergenz<br />

und ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes<br />

sicherzustellen. Gegenstand der vom Ecofin-Rat<br />

vorzunehmenden verstärkten Koordinierung<br />

istnebenderÜberwachungdermakroökonomischen<br />

Entwicklung und der Haushaltspolitik auch die der<br />

nationalen �Strukturpolitik. Mit dem Wegfall nationaler<br />

Geld- und Wechselkurspolitik und der durch<br />

den Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten<br />

Regelungen für strikte Haushaltsdisziplin wird es<br />

nämlich erforderlich, die Anpassungsflexibilität der<br />

jeweiligen Güter-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkte<br />

zu erhöhen.<br />

Der Europäische Rat Luxemburg hat dem Ecofin in<br />

denSchlussfolgerungendesVorsitzesam12./13.12.<br />

1998 daher im Rahmen der verstärkten wirtschaftspolitischen<br />

Koordinierung weitere Aufgaben zugewiesen.<br />

So soll er bei der Formulierung der Grundzüge<br />

der Wirtschaftspolitik den Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven<br />

mehr Beachtung schenken<br />

und von dem Instrument spezieller Empfehlungen<br />

an Mitgliedstaaten, deren Politik nicht mit den<br />

Grundzügen im Einklang steht, stärker Gebrauch<br />

machen. Wenn es um die Durchführung der multilateralen<br />

Überwachung nach Art. 99 EGV, die Bewertung<br />

von Stabilitäts- und Wachstumsprogrammen,<br />

Haushaltsentwicklungen oder strukturelle Fragen<br />

geht, kann der Ecofin auch in engerem Rahmen tagen<br />

(Minister).<br />

5. Verhältnis zur EZB, Außenvertretung und Informationsaustausch:<br />

Präzisiert wurde zum Beginn der<br />

164<br />

3. Stufe der WWU auch das Verhältnis zwischen<br />

Ecofin und EZB in Fragen der Wechselkurspolitik,<br />

der Außenvertretung und des Informationsaustausches.<br />

Während die Geldpolitik durch EGV in die<br />

ausschließliche Zuständigkeit der unabhängigen<br />

EZB gelegt worden ist, sind die wechselkurspolitischen<br />

Kompetenzen prinzipiell dem Ecofin zugewiesen,<br />

wenn auch nicht in alleiniger Verantwortlichkeit.<br />

So ist das ESZB für die Durchführung der<br />

DevisengeschäfteunddieVerwaltungderoffiziellen<br />

Währungsreserven der Mitgliedstaaten zuständig.<br />

Der Ecofin kann seinerseits – einstimmig zu beschließende<br />

– förmliche Wechselkursvereinbarungen<br />

für den Euro gegenüber Drittwährungen auf der<br />

Grundlage von Empfehlungen der EZB oder der<br />

KommissionundunterAnhörungdesEPtreffen.Das<br />

gleiche gilt bei Festlegung, Änderung oder Aufgabe<br />

von Euro-Leitkursen innerhalb eines Wechselkursregimes,<br />

wobei Ecofin-Entscheidungen nur eine<br />

qualifizierte Mehrheit benötigen und das EP nur informiert<br />

wird. Sofern kein spezielles Wechselkurssystem<br />

gegenüber Drittlandswährungen besteht,<br />

kann der Ecofin mit qualifizierter Mehrheit allgemeine<br />

Orientierungen für die Wechselkurspolitik<br />

gegenüber diesen Währungen aufstellen, die allerdings<br />

das vorrangige EZB-Ziel, nämlich die Preisstabilität<br />

zu gewährleisten, nicht beeinträchtigen<br />

dürfen.<br />

Die Außenvertretung der an der Währungsunion teilnehmenden<br />

Mitgliedstaaten in Fragen, die für die<br />

WWU von besonderer Bedeutung sind, ist angesichts<br />

der differenzierten Zuständigkeitsverteilung<br />

nicht einfach zu regeln. In den Beziehungen zu einzelnen<br />

Drittstaaten, zu internationalen Organisationen<br />

oder informellen internationalen Gremien wie<br />

etwa die G 7 oder G 10 geht es dabei insbes. um Fragen<br />

des Wechselkurssystems und der -politik sowie<br />

der internationalen Liquiditätsversorgung. Artikel<br />

111 Abs. 4 EGV sieht vor, dass der Rat auf Vorschlag<br />

der Kommission und nach Anhörung der EZB mit<br />

qualifizierter Mehrheit über die Haltung der Gemeinschaft<br />

befindet. Da die Mitgliedstaaten für wesentliche<br />

Teile der allgemeinen Wirtschaftspolitik<br />

weiterhinselbstzuständigsind,werdensieihreInteressen<br />

außerhalb der Gemeinschaft auch zukünftig<br />

selbst wahrnehmen und dabei die Gemeinschaftsbelange<br />

berücksichtigen. Klar ist auch, dass die EZB in<br />

geldpolitischen Fragen die Position der Gemeinschaft<br />

nach außen vertritt. Bei der Vertretung der Ge-


meinschaft in Wechselkursfragen sieht die Entschließung<br />

des Europäischen Rats von Luxemburg<br />

vor, dass Rat und EZB diese gemeinsam ausüben und<br />

auch die Kommission in die Außenvertretung einbezogen<br />

wird.<br />

Ein umfassender Informationsaustausch zwischen<br />

EcofinundEZBistfüreinewiderspruchsfreiePolitik<br />

im Euro-Währungsgebiet unerlässlich. Artikel 111<br />

EGV bildet die Grundlage dafür, dass Ecofin und<br />

EZB ihre jeweilige Einschätzung der Wirtschaftslage<br />

in der Gemeinschaft und ihre wirtschafts- bzw.<br />

geldpolitischen Absichten regelmäßig austauschen.<br />

So nehmen der Ratspräsident und ein Kommissionsmitglied<br />

an den Sitzungen des EZB-Rats teil, während<br />

der EZB-Präsident zu Ecofin-Tagungen einzuladen<br />

ist, wenn dieser Fragen im Zusammenhang mit<br />

Zielen und Aufgaben der EZB erörtert. Darüber hinaus<br />

hat die EZB dem EP, dem Rat, der Kommission<br />

und dem Europäischen Rat einen Jahresbericht zu<br />

unterbreiten. Die im EGV umfassend geregelte Organisation<br />

der Zusammenarbeit zwischen Ecofin<br />

und EZB klärt entsprechend auch die Zuständigkeitsverteilung<br />

der verschiedenen Politikbereiche<br />

zwischen Ecofin und EZB, so dass in der WWU-<br />

Endstufe die Autonomie der EZB bei ihren geldpolitischen<br />

Entscheidungen nicht beeinträchtigt wird.<br />

S. F.<br />

Eco-Label �Europäisches Umweltzeichen<br />

ECOS.EinedersechsFachkommissionendes �Ausschusses<br />

der Regionen, zuständig für Wirtschaftsund<br />

Sozialpolitik. �CEN<br />

ECOSOC (Economic and Social Council), Wirtschafts-<br />

und Sozialrat der Vereinten Nationen, eines<br />

der 6 Hauptorgane der UNO, zuständig für wirtschaftliche<br />

und soziale Fragen sowie für Entwicklung.<br />

Er setzt sich aus 54 Mitgliedern zusammen.<br />

Mehr als 2 300 Nichtregierungsorganisationen haben<br />

einen Beobachterstatus.<br />

ECSA (European Community Studies Association).<br />

1987 als Vereinigung mitgliedstaatlicher Verbände<br />

von Wissenschaftlern gegründet, die an Universitäten,<br />

Hochschulen und außeruniversitär über Themen<br />

dereuropäischenIntegrationforschen,lehrenundinterdisziplinären<br />

Austausch pflegen. ECSA, mit neuen<br />

Statuten seit 1997 in Belgien als „association in-<br />

ternationale“ (mit Rechtspersönlichkeit und Sitz in<br />

Brüssel) registriert, fördert:<br />

1. Lehre und Forschung über die europäische Integration,<br />

2. die Zusammenarbeit der mitgliedstaatlichen VerbändesowiedieweltweiteHochschulkooperation,<br />

3. die Durchführung transnationaler Forschungsprogramme<br />

und Konferenzen (u. a. die ECSA-World<br />

Conferences,inzweijährigemAbstand,seit1992),<br />

4. die Verbreitung von Informationen zur Integrationsforschung<br />

im Internet.<br />

ECSA veröffentlich eigene Schriften und Sammelbände<br />

(u. a. Tagungsbände zu ECSA-Weltkonferenzen)undgibtdas„Who’sWhoinEuropeanIntegration<br />

Studies“ heraus.<br />

Die (2005) 24 nationalen ECSA-Verbände in den<br />

EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Luxemburg)<br />

und 28 weitere drittstaatliche Verbände auf allen<br />

Kontinenten repräsentieren rund 9 000 Professoren<br />

und Forscher. ECSA arbeitet eng mit der Europäischen<br />

Kommission, GD Bildung und Kultur, zusammen.<br />

ECSA-Mitgliedsverbände im deutschsprachigen<br />

Raum sind in Deutschland der �„Arbeitskreis Europäische<br />

Integration e.V.“ (AEI), in Österreich „Österreichische<br />

Gesellschaft für Europaforschung“<br />

(ECSA Austria) und in der Schweiz die „Schweizerische<br />

Studiengesellschaft für die europäische Integration/Association<br />

suisse pour l’étude de l’intégrationeuropéenne“(ECSASuisse).<br />

B. K. S.<br />

Internet: www.ecsanet.org<br />

Literatur:<br />

ECSA Europe: Who’s Who in European Integration Studies<br />

2000. Baden-Baden, 5. Aufl. 2000<br />

ECTS �European Credit Transfer System<br />

EDICOM<br />

ECU (European Currency Unit) �Europäische Währungseinheit<br />

bis Ende 1998, mit Beginn der 3. Stufe<br />

der �WWU1:1durch den �Euro ersetzt.<br />

EDICOM ist ein EU-Programm zum Aufbau eines<br />

transeuropäischen Netzes zur Verbesserung der Erhebung,<br />

Verarbeitung und Verbreitung statistischer<br />

Daten über den innergemeinschaftlichen Handel sowie<br />

den Handel der EU-Staaten mit Drittländern.<br />

Das Programm wird von der Kommission durchgeführt;<br />

es begann 1996 und wurde 2001 bis 2005 verlängert.<br />

165


EEA<br />

EEA �Einheitliche Europäische Akte<br />

EECCS (European Ecumenic Commission for<br />

Church and Society). Europäische Ökumenische<br />

Kommission für Kirche und Gesellschaft, eine gemeinnützige<br />

Vereinigung nach belgischem Recht<br />

mitSitzinBrüsselundStraßburg.Siewirdvonprotestantischen,anglikanischenundorthodoxenKirchen<br />

aus den Ländern der EU und des Europarats als Mitgliedskirchen<br />

getragen.<br />

Aufgaben: Informationen der Mitglieder, Kontakte<br />

und regelmäßiger Dialog mit den europäischen Institutionen<br />

des Europarats und der EU mit dem Ziel, gemeinsame<br />

kirchliche Anliegen zur Sprache zu bringen<br />

(z. B. Erweiterung der EU, Zukunft der Erwerbsarbeit,<br />

Menschenrechtspolitik, Bioethik).<br />

Die EECCS wurde 1999 als eigenständige Organisation<br />

aufgelöst und ist als Kommission für Kirche und<br />

Gesellschaft (KKG) in die �Konferenz Europäischer<br />

Kirchen(KEK)integriert. W.M.<br />

EEF �Europäischer Entwicklungsfonds, �Fonds der<br />

EU, �Entwicklungspolitik<br />

eEurope. eEurope ist eine politische Initiative der<br />

Europäischen Kommission, die gewährleisten soll,<br />

dass die Europäische Union das Potential der Technologien<br />

der Informationsgesellschaft bestmöglich<br />

nutzt.<br />

1. Entstehung der Initiative eEurope 2002. Die Europäische<br />

Kommission verabschiedete am 8. 12. 1999<br />

die Mitteilung „eEurope – Eine Informationsgesellschaft<br />

für alle“ (KOM 1999/687 endg., nicht im ABl.<br />

veröffentlicht). Der Europäische Rat begrüßte bei<br />

seiner Sitzung in Helsinki diese Mitteilung und ersuchte<br />

die Kommission, zusammen mit dem Rat den<br />

„eEurope“-Aktionsplan vorzubereiten und dem Europäischen<br />

Rat auf seiner Sondersitzung am 23./24.<br />

3. 2000 in Lissabon einen Zwischenbericht vorzulegen.<br />

Dieser Bericht wurde damit Teil der �Lissabon-Strategie.<br />

Das in Lissabon festgelegte strategische<br />

Ziel, die Union bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbfähigsten<br />

und dynamischsten wissensbasierten<br />

Wirtschaftsraum der Welt zu machen, verlangte<br />

auch den Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft<br />

und Gesellschaft durch bessere Politiken für<br />

die Informationsgesellschaft. Der Europäische Rat<br />

in Lissabon ersuchte deshalb Rat und Kommission,<br />

ihm noch im Juni 2000 einen umfassenden „eEuro-<br />

166<br />

pe“-Aktionsplan vorzulegen. Dieser Aktionsplan<br />

sollte auf die neue �„offene Koordinierungsmethode“<br />

gestützt werden. Diese Methode war vom Europäischen<br />

Rat in Lissabon für eine Reihe von Politikbereicheneingeführtworden.Dabeisolltevoneinem<br />

Vergleich nationaler Initiativen im Rahmen eines<br />

Benchmarking-Prozesses (�Benchmarking) ausgegangen<br />

werden. Am 19. und 20. 6. 2000 bekräftigte<br />

der Europäische Rat in Santa Maria da Feira diese Initiativeundbilligtedenumfassenden„eEurope“-Aktionsplan<br />

2002. Er forderte alle Organe der EU, die<br />

Mitgliedstaaten und alle anderen Beteiligten auf, die<br />

vollständige Durchführung dieses Aktionsplanes bis<br />

2002 sicherzustellen und langfristige Perspektiven<br />

füreinewissensbasierteWirtschaftzuentwickeln.<br />

2. Ziele der Initiative. Die politische Initiative verfolgt<br />

drei Hauptziele:<br />

– Jeder Bürger, jeder Haushalt, jede Schule, jedes<br />

Unternehmen und jede Verwaltungseinrichtung soll<br />

ans Internet angeschlossen und ins digitale Zeitalter<br />

geführt werden.<br />

– Europa soll digital kompetent werden, unterstützt<br />

von einer unternehmerischen Kultur, die zur Finanzierung<br />

und Entwicklung neuer Ideen bereit ist.<br />

– Es soll gewährleistet werden, dass alle Teile der<br />

Gesellschaft in diesen Prozess einbezogen werden<br />

und dass das Vertrauen der Verbraucher gewonnen<br />

und der soziale Zusammenhalt gestärkt werden.<br />

Die Initiative zielt darauf ab, den Menschen preiswerte<br />

und zugängliche Instrumente zur Höherqualifizierung<br />

an die Hand zu geben. Die Initiative „eEurope“<br />

ist damit auch ein Teil der BeschäftigungsstrategieimRahmendes�Luxemburg-ProzessesderEuropäischenUnion.EineMitteilungderEuropäischen<br />

Kommission zu „Strategien für mehr Arbeitsplätze<br />

in der Informationsgesellschaft“ enthält dementsprechend<br />

Empfehlungen an die Mitgliedstaaten, die<br />

Sozialpartner und die Wirtschaft, wie Defizite in den<br />

Bereichen Lernen, Arbeiten, öffentliche Dienstleistungen<br />

und Unternehmen in der Informationsgesellschaft<br />

ausgeglichen werden können (KOM 2000/<br />

48 endg. vom 4. 2. 2000)<br />

3. Maßnahmenbereiche im Rahmen der Initiative.<br />

Zur Erreichung dieser Ziele werden gemeinsame<br />

Maßnahmen der Union mit den Mitgliedstaaten, der<br />

Industrie und den europäischen Bürgern in einer Reihe<br />

von Schwerpunktbereichen vorgeschlagen. Es<br />

gehtvorallemumdiefolgenden10Handlungsfelder:<br />

– Europas Jugend ins digitale Zeitalter.


– Billigerer Internetzugang.<br />

– FörderungdeselektronischenGeschäftsverkehrs.<br />

– SchnellesInternetfürWissenschaftlerundStudenten.<br />

– Intelligente Chipkarten für sicheren elektronischen<br />

Zugang.<br />

– Risikokapital für Hochtechnologie bei den kleinen<br />

und mittleren Unternehmen (�KMU).<br />

– eTeilnahme für Behinderte.<br />

– Gesundheitsfürsorge über das Netz.<br />

– Intelligenter Verkehr.<br />

– Regierung und Verwaltung am Netz.<br />

Es wurde bei der Vorlage der Initiative davon ausgegangen,dassEuropadann,wennesdenSchwerpunkt<br />

seiner Politik auf diese 10 Bereiche legt, in die Lage<br />

versetzt wird, eine Vielzahl hochqualifizierter Arbeitsplätze<br />

zu schaffen. Dabei galt es Hindernisse zu<br />

überwinden: Der Zugang zum Internet und zum elektronischen<br />

Geschäftsverkehr erwies sich als teuer,<br />

unsicher und langsam, nur ein geringer Teil der BevölkerungnutztedasNetzundgaltfürdieKommission<br />

deshalb als „digital mündig“, die Unternehmenskultur<br />

war nicht hinreichend dynamisch und dienstleistungsorientiert<br />

und der öffentliche Bereich förderte<br />

die Entwicklung neuer Anwendungen und<br />

Dienste nicht aktiv genug.<br />

4. Zielvorgaben. Deshalb gab die Kommission Zielsetzungen<br />

vor, die als Grundlage für einen Benchmarking-Prozess<br />

innerhalb der europäischen Beschäftigungsstrategie<br />

im Rahmen des Luxemburg-<br />

Prozesses dienen sollen. Zu jedem dieser Punkte<br />

wurde eine genaue Analyse vorgenommen; es wurden<br />

Ziele vorgeschrieben, die jeweils zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt zwischen 2001 und 2003 erreicht<br />

werden sollten. So sollten bis Ende 2001 z. B.<br />

alle Schulen in der Europäischen Union Zugang zum<br />

Internet und zu den multimedialen Ressourcen haben.<br />

Alle Lehrer und Schüler sollten bis zu diesem<br />

Zeitpunkt Zugang zu unterstützenden Diensten im<br />

Netz erhalten. Bis 2001 sollten außerdem alle Studenten<br />

über das Netz Zugang zu interaktiven multimedialen<br />

Vorlesungen einer virtuellen europäischen<br />

Universität, die sich aus mindestens einer Universität<br />

oder Ausbildungseinrichtung pro Mitgliedstaat<br />

zusammensetzt, erhalten. Bis 2002 sollten z. B. alle<br />

Lehrer persönlich für die Nutzung des Internets und<br />

multimedialer Ressourcen ausgerüstet und ausgebildet<br />

sein. Alle Schüler sollten zu diesem Zeitpunkt in<br />

ihrem Klassenzimmer einen Hochgeschwindig-<br />

eEurope<br />

keitszugang zum Internet und zu den multimedialen<br />

Ressourcen haben. Bis Ende 2003 sollten z. B. alle<br />

Schüler „digital mündig sein“, wenn sie die Schule<br />

verlassen haben, d. h. mit den modernen Informationstechnologien<br />

leicht umgehen können. Außerdem<br />

sollten die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen,<br />

dass die Bürger einen allgemeinen elektronischen<br />

Zugang zu den wichtigsten grundlegenden öffentlichen<br />

Diensten bis 2003 erhalten. Die Regelungen<br />

über das Beschaffungswesen sollten für elektronische<br />

Ausschreibungsverfahren und Transaktionen<br />

angepasst werden.<br />

5. Leistungsvergleiche (Benchmarks). Der vom Europäischen<br />

Rat in Feira verabschiedete Aktionsplan<br />

„eEurope 2002“ legte fest, dass eine beschränkte Anzahl<br />

von zielgerichteten eEurope-Leistungsvergleichen<br />

definiert werden müsse, um die Fortschritte bei<br />

der Umsetzung zu messen. Der Rat billigte deshalb<br />

am 30. 11. 2002 eine Liste von 23 Leistungsvergleich-Indikatoren.<br />

Dieses „Benchmarking“ von „eEurope“ sollte vollständig<br />

koordiniert mit der Entwicklung der Strukturindikatoren<br />

im Rahmen der Lissabon-Strategie erfolgen.<br />

Es sollte den Mitgliedstaaten ermöglichen,<br />

ihre Leistungen zu vergleichen, vorbildliche Verfahren<br />

aufzuzeigen und Erkenntnisse darüber zu gewinnen,<br />

welche Faktoren für eine Weiterverbreitung digitaler<br />

Technologien entscheidend sind. Außerdem<br />

sollte dieses Verfahren Abhilfemaßnahmen ermöglichen.<br />

Dabei handelte es sich sowohl um quantitative<br />

als auch um qualitative Vergleichsmaßstäbe. Dieses<br />

Benchmarking sollte vor allem den Austausch<br />

von Erfahrungen im Rahmen der „offenen Koordinierungsmethode“<br />

ermöglichen. Es sollte den Mitgliedstaaten<br />

und den anderen Beteiligten eine Reihe<br />

politischer Konzepte liefern, mit denen die zu beseitigenden<br />

Hindernisse angegangen werden können.<br />

6. Notwendige Rahmenbedingungen. Zur Erreichung<br />

dieser Ziele galt es günstige Bedingungen zu<br />

schaffen. Das betraf z. B. ein Telekommunikationspaket,<br />

Regelungen über den Fernabsatz von Dienstleistungen<br />

und den Urheberrechtschutz, die Vermittlung<br />

umfassender Qualifikationen in den modernen<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien,<br />

Maßnahmen in den Schulen und im Bereich des lebenslangen<br />

Lernens ganz allgemein – sog. �eLearning<br />

– sowie die Unterstützung vor allem der kleinen<br />

und mittleren Unternehmen beim Einstieg in den<br />

elektronischen Geschäftsverkehr. Das betraf ferner<br />

167


Effet utile<br />

die Aufgeschlossenheit der Regierungen und öffentlichen<br />

Verwaltung für die Verwendbarkeit der modernen<br />

Technologien im öffentlichen Sektor.<br />

7. Finanzierung. Diese Strategien sollen auch durch<br />

Investitionen der Europäischen �Strukturfonds von<br />

Seiten der Europäischen Union mitfinanziert werden.<br />

Ansonsten setzt die Initiative auf eigene Leistungen<br />

in den Mitgliedstaaten und der betroffenen<br />

Bürger und Unternehmen.<br />

8. Bilanz der Initiative. Bei den anschließenden Europäischen<br />

Räten in Nizza vom 7. bis 9. 12. 2000 und<br />

von in Stockholm am 23./24. 3. 2001 wurde festgestellt,<br />

dass die Auswirkungen von „eEurope“ weit<br />

über den öffentlichen Sektor in der Europäischen<br />

Union hinaus spürbar würden. Das Rechtsetzungsverfahren<br />

sei beschleunigt, eine Reihe von Veranstaltungen<br />

und Maßnahmen seien durchgeführt worden.<br />

Es wurden aber auch noch Defizite und weitere<br />

Handlungserfordernisse festgestellt. Für den Europäischen<br />

Rat in Stockholm hatte die Europäische<br />

Kommission in einer Mitteilung dargelegt, dass<br />

„eEurope“ auch eine Initiative für die Beitrittskandidaten<br />

sein müsse.<br />

9. Initiative eEurope 2005. Ein weiterer Anstoß für<br />

„eEurope“ erfolgte während der Europäischen Räte<br />

in Barcelona vom 15. bis 16. 3. 2002 und von Sevilla<br />

vom 21. bis 22. 6. 2002. Gestützt auf deren Schlussfolgerungen<br />

und aufgrund von Mitteilungen und<br />

Vorlagen der Kommission zu diesem Themenbereich<br />

fasste der Rat am 18. 2. 2003 eine Entschließung<br />

über die Umsetzung eines Aktionsplanes „eEurope<br />

2005“ (ABl. C 48/2003).<br />

Dieser neue Aktionsplan führte die Ziele des ersten<br />

Aktionsplanes „eEurope 2002“ weiter. Hierin wurden<br />

die Mitgliedstaaten aufgefordert, mit den in einem<br />

Anhang enthaltenen Indikatoren für den Leistungsvergleich<br />

und unter Berücksichtigung der jeweiligen<br />

nationalen, institutionellen und administrativen<br />

Strukturen ihr Möglichstes zu tun, um die Ziele<br />

des Aktionsplanes zu verwirklichen, die Netzwerksicherheit<br />

und die Breitbandtechnik zu fördern und<br />

„eGovernment“, „eLearning“, „eHealth“, „eBusiness“<br />

voranzubringen.<br />

Die speziellen Ziele von „eEurope“ 2005, die bis<br />

2005 erreicht werden sollen, sind:<br />

– Moderne öffentliche online-Dienste über Breitband:<br />

Elektronische Behördendienste, Dienste für<br />

elektronisches Lernen, online-Gesundheitsfürsorgedienste;<br />

168<br />

– Ein dynamisches Umfeld für den elektronischen<br />

Geschäftsverkehr;<br />

– Breitbandzugang zu wettbewerbsfähigen Preisen<br />

fast überall;<br />

– Eine sichere Informationsinfrastruktur.<br />

Auch dieser Aktionsplan „eEurope“ 2005 ist Teil der<br />

Lissabon-Strategie zur Modernisierung der europäischen<br />

Wirtschaft und zum Aufbau einer wissensgestützten<br />

Wirtschaft in Europa. Die Halbzeitbilanz<br />

von „eEurope“ 2005 wurde im Februar 2004 getroffen.DasErreichendergesetztenZielebis2005bleibt<br />

weiterhin zu überprüfen. Die Kommission berichtet<br />

hierüber dem Rat, dem Europäischen Parlament,<br />

dem Europäischen �Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />

und dem �Ausschuss der Regionen<br />

10. Programm „MODINIS“. Am 17. 11. 2003 hatten<br />

das Europäische Parlament und der Rat eine Entscheidung<br />

zur Annahme des gemeinschaftlichen<br />

Programms MODINIS (2003 bis 2005) zur Verfolgung<br />

der Umsetzung des Aktionsplanes „eEurope“<br />

2005, zur Verbreitung empfehlenswerter Verfahren<br />

und zur Verbesserung der Netz- und Informationssicherheit<br />

erlassen (ABl. L 336/2003). Das Programm<br />

hat zum Ziel, die bisherigen Leistungen zu beobachten,<br />

empfehlenswerte Verfahren zu verbreiten, Analysen<br />

und strategische Erörterungen zu ermöglichen<br />

und die Netz- und Informationssicherheit zu verbessern.<br />

I. B.-M.<br />

Internet: http://europa.eu.int/information_society/eeurope/<br />

2005/index<br />

Effet utile, praktische Wirksamkeit, volle Sinnentfaltung.<br />

Eine besondere, im Wesentlichen teleologische<br />

Auslegungsmethode des EuGH, um möglichst<br />

alle im Gemeinschaftsrecht angelegten europäischen<br />

Befugnisse umfassend auszuschöpfen. Nach<br />

ihr soll grundsätzlich jede europarechtliche Norm so<br />

ausgelegt werden, dass sie maximale Nutzung pro<br />

europäische Integration entfaltet. Dies kann bisweilenmitdem�PrinzipderbegrenztenEinzelermächtigungkollidieren.<br />

J. M. B.<br />

Effizienzgebot. In erweitertem Sinne verlangt das<br />

Effizienzgebot sparsames und wirksames Wirtschaften<br />

der staatlichen und gemeinschaftlichen Organe,<br />

die insoweit der Kontrolle der Rechnungshöfe<br />

unterliegen.<br />

In engerem Sinne bezieht sich das Effizienzgebot auf<br />

denVollzugdesGemeinschaftsrechtsdurchnationa-


le Behörden der Mitgliedstaaten (�effet utile). Sie<br />

dürfen dabei Verzögerungen oder Defizite in der<br />

Durchführung nicht mit Besonderheiten oder Problemen<br />

ihrer Verwaltungsorganisation entschuldigen.<br />

Das Effizienzgebot verlangt, dass das Gemeinschaftsrecht<br />

nicht durch Anwendung des nationalen<br />

Verwaltungsrechts in seiner Wirkung oder Tragweite<br />

beeinträchtigt werden darf. Entsteht durch Nichtbeachtung<br />

des Effizienzgebots ein Schaden, kann<br />

der Staat dafür haftbar gemacht werden.<br />

EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung)<br />

�Fonds der EU<br />

EFTA (European Freetrade Association) �Europäische<br />

Freihandelsassoziation<br />

EFZW �EuropäischerFondsfür währungspolitische<br />

Zusammenarbeit<br />

EG-Kammer des Deutschen Bundesrates (bis<br />

1993). 1988 durch Änderung der Geschäftsordnung<br />

des Bundesrates geschaffen. Die Bundesregierung<br />

war nach einem Beschluss des Bundesrates vom<br />

16. 5. 1986 zur �Einheitlichen Europäischen Akte<br />

verpflichtet, „vor ihrer Zustimmung zu Beschlüssen<br />

derEuropäischenGemeinschaftenzuEG-Vorhaben,<br />

die ganz oder in einzelnen Bestimmungen in die ausschließliche<br />

Gesetzgebungskompetenz der Länder<br />

fallen oder deren wesentliche Interessen berühren,<br />

die Stellungnahme des Bundesrates einzuholen“. Sie<br />

durfte „nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen<br />

Gründen“ vom Votum des Bundesrates<br />

abweichen. In der EG-Kammer war jedes Bundesland<br />

mit einem Mitglied vertreten. Nach Gründung<br />

der Europäischen Union 1993 ersetzt durch die �Europakammer.<br />

W. M.<br />

EGKS �Europäische Gemeinschaft für Kohle und<br />

Stahl<br />

eGovernment �eEurope<br />

EigenmittelderEuropäischenGemeinschaften<br />

1. Begriff und Ziel: Die Eigenmittel der EU sind die<br />

derGemeinschaftzumAusgleichihresHaushaltszugewiesenen<br />

Finanzmittel. Der Haushalt der Gemeinschaft<br />

wird vollständig aus diesen Mitteln finanziert.<br />

Sie beruhen auf folgenden Rechtsgrundlagen: Art.<br />

Eigenmittel<br />

269 EGV, Art. 173 EAGV, bis 2002 auch: Art. 49–53<br />

EGKSV; Beschluss vom 21. 4. 1970 über die Ersetzung<br />

der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch<br />

eigene Mittel der Gemeinschaften, Beschluss vom<br />

29. 9. 2000 über das System der eigenen Mittel der<br />

Gemeinschaft; für die Anleihen: Art. 308 EGV, Art.<br />

172 und 203 EAGV.<br />

Durch die Schaffung der Eigenmittel wurde das Ziel<br />

der Sicherung eines gewissen Maßes an Finanzautonomie<br />

für die EG verfolgt. Dazu ist vorgesehen, die<br />

eigenen Mittel mit der Zeit an die Erfordernisse der<br />

Entwicklung der Gemeinschaften/Union anzupassen.<br />

Die Tatsache, dass den Gemeinschaften eigene<br />

Mittel zur Deckung ihrer Ausgaben zur Verfügung<br />

gestellt werden, bildete die Grundlage für die Haushaltsbefugnisse<br />

des Europäischen Parlaments. Da<br />

die der Gemeinschaft zugewiesenen Mittel der Kontrolle<br />

der nationalen Parlamente entzogen werden,<br />

musste eine demokratische Kontrolle auf Gemeinschaftsebene<br />

sichergestellt werden.<br />

2. Finanzierungssysteme der Gemeinschaften<br />

2.1 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl:<br />

Die erste Gemeinschaft, die EGKS, die vertragsgemäß<br />

2002 beendet wurde, war seit Beginn (1952) mit<br />

einem Finanzierungssystem ausgestattet, das auf der<br />

Erhebung von Umlagen und der Aufnahme von Anleihen<br />

beruhte.<br />

Die EGKS-Umlage: Die EGKS verfügte über ein –<br />

wenn auch begrenztes – Besteuerungsrecht. Die in<br />

der Europäischen Kommission aufgegangene Hohe<br />

Behörde hatte das Recht, auf die Erzeugung von<br />

Kohle und Stahl eine Umlage zu erheben, deren Satz<br />

1 % nur überschreiten durfte, wenn die Kommission<br />

die vorherige Genehmigung des Rates erhielt, der<br />

mit Zweidrittelmehrheit zustimmen musste. Im HinblickaufdasAuslaufendesEGKS-VertragsimJahre<br />

2002 war der Umlagesatz ab dem Funktionshaushaltsplan<br />

1998 auf 0 % gesetzt worden.<br />

Wegen der Krise im Kohle- und Stahlsektor war es<br />

früher bereits notwendig, zusätzliche Finanzmittel<br />

aufzubringen, sei es durch von den Mitgliedstaaten<br />

gezahlte Beiträge oder einen im Gesamthaushaltsplan<br />

der Gemeinschaft eingesetzten Beitrag. Während<br />

noch für 1985 im Gesamthaushalt der EG Mittel<br />

in Höhe von 62,5 Millionen ECU für den sozialen<br />

Aspekt der wirtschaftlichen Umstrukturierungsmaßnahmen<br />

in den Eisen- und Stahlunternehmen<br />

eingesetzt wurden, fanden sich in den folgenden<br />

Haushaltsplänen keine Mittelansätze mehr für die-<br />

169


Eigenmittel<br />

sen Bereich. Die Zölle auf EGKS-Erzeugnisse, die<br />

nur einen sehr bescheidenen Betrag ausmachten,<br />

wurden seit dem Beschluss über das System der eigenen<br />

Mittel der EG von 1988 in den Gesamthaushaltsplan<br />

der Gemeinschaft einbezogen.<br />

2.2 Europäische (Wirtschafts-)Gemeinschaft, Europäische<br />

Atomgemeinschaft: Die Haushalte der EWG<br />

und der EURATOM wurden zunächst durch Finanzbeiträge<br />

der Mitgliedstaaten finanziert (Art. 200<br />

EWGV), die von diesen nach bestimmten Aufbringungsschlüsseln<br />

an die Gemeinschaften abgeführt<br />

wurden (bis Ende 1970: Deutschland, Frankreich<br />

und Italien je 28 %, Belgien und die Niederlande je<br />

7,9 %, Luxemburg 0,2 %). Die Aufbringungsschlüssel<br />

konnten vom Rat einstimmig geändert werden.<br />

Mit zunehmender Umsetzung der Ziele der Verträge<br />

und Übertragung neuer Aufgaben wurde die Schaffung<br />

eines angemessenen Finanzierungsfundaments<br />

für die Gemeinschaft durch Zuweisung von Eigenmitteln<br />

notwendig.<br />

Die Eigenmittel wurden durch den Beschluss vom<br />

21. 4. 1970 geschaffen, der sich auf die Art. 201<br />

EWGV und Art. 173 EAV stützt. Darin wurden der<br />

Gemeinschaft neben den Mitteln aus den Agrarabschöpfungen,<br />

der Zuckerabgabe und dem Zollaufkommen<br />

aufgrund des �Gemeinsamen Zolltarifs<br />

Mehrwertsteuer-(MwSt-)Einnahmen zugewiesen,<br />

die sich aus der Anwendung eines Satzes ergeben,<br />

der 1 % einer steuerpflichtigen Bemessungsgrundlagenichtüberschreitendarf,welcheeinheitlichfürdie<br />

Mitgliedstaaten nach Gemeinschaftsvorschriften<br />

bestimmt wird (sie entspricht in etwa dem Konsum).<br />

Bereits im Haushaltsplan für 1985 reichten die zu<br />

dieser Zeit verfügbaren Eigeneinnahmen mit der<br />

Höchstgrenze des MwSt-Satzes von 1 % zur Finanzierung<br />

des Haushalts nicht aus; die Mitgliedstaaten<br />

haben die Lücke durch „nicht rückzahlbare Vorschüsse“<br />

gedeckt. Im neuen Eigenmittelbeschluss<br />

von 1985 wurde der MwSt-Satz angehoben. Aber<br />

170<br />

schon bald wurde klar, dass die Gemeinschaftstätigkeiten,<br />

insbes. auch im Hinblick auf die Vollendung<br />

des Binnenmarktes, mit diesen Eigenmitteln nicht zu<br />

finanzieren waren. Auf Vorschlag der Kommission<br />

einigte sich der Europäische Rat im Februar 1988 auf<br />

ein neues Finanzierungssystem für die Gemeinschaften,<br />

das durch den Eigenmittelbeschluss des<br />

Ratesvom24.6.1988inEG-Rechtumgesetztwurde.<br />

3. Neue Eigenmittel: Der neue Eigenmittelbeschluss<br />

von 1988, der den Beschluss von 1985 ersetzte, erweiterte<br />

die bereits bestehenden Eigenmittel – also<br />

Agrarabschöpfungen, Zuckerabgaben, Zölle (jetzt<br />

zuzüglich der Zölle auf EGKS-Erzeugnisse) und<br />

Aufkommen aus einem MwSt-Satz von 1,4%–um<br />

die sog. vierte Einnahmequelle, die sich aus der Anwendung<br />

eines unter Berücksichtigung aller sonstigen<br />

Einnahmen festzulegenden Satzes auf den Gesamtbetrag<br />

des BSP aller Mitgliedstaaten ergibt.<br />

Nach den Beschlüssen des Europäischen Rates von<br />

Edinburgh im Dezember 1992 wurde 1994 ein neuer<br />

Eigenmittelbeschluss verabschiedet, wonach die<br />

Obergrenze der Eigeneinnahmen bis 1999 von 1,2<br />

auf 1,27 % des EU-BSP ansteigt und der MwSt-<br />

Anteil vom jetzigen Satz von 1,4 % auf 1,0 % herabgesetzt<br />

wird. Diese Beträge gelten im Grundsatz<br />

auch noch nach dem Eigenmittelbeschluss vom<br />

29. 9. 2000, allerdings entspricht die Eigenmittelobergrenze<br />

von 1,27 % des EU-BSP nunmehr wegen<br />

einer geänderten Berechnungsmethode 1,24 % des<br />

Bruttonationaleinkommens (BNE).<br />

DamitumfassendieEigenmittelderGemeinschaft:<br />

– die Agrarabschöpfungen und die auf die Zuckererzeugung<br />

erhobenen Abgaben sowie die aufgrund des<br />

Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) auf Einfuhren in die<br />

Gemeinschaft erhobenen Zölle (2005: ca. 12,4 Mrd.<br />

Euro);<br />

– das Aufkommen aus einem Mehrwertsteuersatz,<br />

derauf1%festgesetztist(2005:ca.15,3Mrd.Euro).<br />

– Einnahmen, die sich aus der Anwendung eines im<br />

Entwicklung der Einnahmen aus Eigenmitteln in Prozent<br />

1990 1999 2001 2005<br />

Agrarabschöpfungen und Zuckerabgabe 5,2 2,3 2,2 1,5<br />

Zölle 25,9 14,3 13,5 10,3<br />

Mehrwertsteuer-Eigenmittel 64,4 36,4 36,8 14,7<br />

Anteil nach dem Bruttosozialprodukt 4,5 47,0 47,5 73,4<br />

Eigenmittelbeschlüsse: 1988 – 1992; 1993 – 1999; 2000 – 2006


Rahmen des Haushaltsverfahrens unter Berücksichtigung<br />

aller sonstigen Einnahmen festzulegenden<br />

Satzes auf den Gesamtbetrag des BNE aller Mitgliedstaaten<br />

ergeben (bis zu 1,24 %). In diesem Rahmen<br />

wird neben den anderen Einnahmen zunächst<br />

einmal der Anteil an der MwSt bis zur Höhe von 1 %<br />

ausgeschöpft (effektiver Abrufsatz 0,50 % nach Anwendung<br />

verschiedener Kriterien); die darüber hinaus<br />

bestehende Finanzierungslücke wird durch eine<br />

Gemeinschaftsabgabe in Höhe der Differenz zwischen<br />

MwSt-Aufkommen und verfügbarem BSP-<br />

Anteil gedeckt (2005: ca. 77,1 Mrd. Euro, insgesamt<br />

werden die gesamten Eigenmittel auf unter 1,15 %<br />

des BSP vorausgeschätzt). Seit 1988 wurden die<br />

Obergrenzen bei weitem nicht ausgeschöpft. Für<br />

Länder mit hohem Konsumanteil am MwSt-Aufkommen<br />

wird ein Korrekturmechanismus angewendet.<br />

– Verschiedene Einnahmen, z. B. aus Zinsen, Geldbußen,<br />

Steuern auf die Gehälter der EU-Bediensteten<br />

etc. (2005: ca. 1,0 Mio. Euro).<br />

Es ist darauf hinzuweisen, dass der MwSt-Satz nicht<br />

zum innerstaatlichen Satz hinzukommt, sondern auf<br />

diesen angerechnet wird, da ein beachtlicher Teil der<br />

Ausgaben der Gemeinschaft das Ergebnis einer Verlagerung<br />

von früher auf nationaler Ebene verwirklichter<br />

Maßnahmen auf die europäische Ebene darstellt,<br />

deren Durchführung bzw. Einleitung auf gemeinschaftlicher<br />

Ebene wirtschaftlicher und effizientererschien.AusdiesemSystemergibtsich,dass<br />

für einige Mitgliedstaaten ein im Vergleich zu ihrem<br />

Anteil am EU-BSP höherer Anteil an den Eigenmitteln<br />

zu verzeichnen ist.<br />

4. Anleihen: Neben der Finanzierung durch die Eigenmittel<br />

besteht die Möglichkeit der Finanzierung<br />

bestimmterMaßnahmenüberdieAufnahmevonAnleihenunddieVergabevonDarlehen.DieAnleihetätigkeit<br />

hat seit 1978 einen beachtlichen Aufschwung<br />

genommen.DieKapitaltransaktionenundderSchuldendienst<br />

werden seit einigen Jahren in einem Anhang<br />

zu dem die Kommission betreffenden Einzelplan<br />

des Haushaltsplans aufgeführt, die Operationen<br />

der EGKS und der Europäischen Investitionsbank<br />

hingegennicht.EntsprechenddemVollständigkeitsprinzipunddaderGesamthaushaltsplanteilweiseals<br />

Garantie für diese Operationen dient, müssten auch<br />

alle diese Operationen voll in den Gesamthaushaltsplan<br />

integriert werden, wie es insbes. das Europäische<br />

Parlament seit langem fordert.<br />

Einheitliche Europäische Akte<br />

5. Bewertung und zukünftige Finanzierung: Das bestehende<br />

Eigenmittelsystem ist weiterhin von einer<br />

bedeutenden Abhängigkeit von den nationalen<br />

Haushalten gekennzeichnet; von einer wirklichen<br />

Finanzautonomie der Gemeinschaft kann noch nicht<br />

gesprochen werden. Daher werden Lösungen untersucht,<br />

die eine deutliche Unterscheidung zulassen,<br />

welcher Anteil am Steueraufkommen rechtmäßig<br />

den Mitgliedstaaten und welcher der Gemeinschaft<br />

zusteht und die Einnahmen der EU schaffen, die<br />

durch die Art ihrer Erhebung einen unmittelbaren<br />

Bezug zwischen der EU (und ihren Haushaltsbehörden)<br />

und dem steuerzahlenden Bürger herstellen.<br />

Hierwirdz.B.aneinealleinvonderEUverantworteteSteuergedachtoder–wennmanbeiderMwStbleiben<br />

will – daran, der EU in Zukunft einen eigenen<br />

Steueranteil auf der nationalen Bemessungsgrundlage<br />

zuzuweisen, der zu dem Satz für die nationale<br />

Mehrwertsteuerhinzukäme,sodassdieGesamtbelastung<br />

des Bürgers sich aus der Summe beider Steuersätze<br />

ergäbe. Die Probleme der Eigenmittel der EU<br />

werden insbes. im Hinblick auf die Erweiterung der<br />

Union um neue Mitgliedstaaten und den neuen Finanzrahmen<br />

(2007 – 2013) nach Auslaufen des derzeitigen<br />

Finanzrahmens Ende 2006 wieder verstärkt<br />

diskutiertwerden. K. H. O.<br />

�Finanzielle Vorausschau<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Agenda 2000 – Eine stärkere und<br />

erweiterte Union, Bd.1, 3. Teil: Der neue Finanzrahmen<br />

(2000 – 2006). KOM/97/2000<br />

Dies.: Mitteilung der Kommission vom 10. 2. 2004 – „Unsere<br />

gemeinsame Zukunft aufbauen – Politische Herausforderungen<br />

und Haushaltsmittel der erweiterten Union – 2007 – 2013“.<br />

KOM (2004) 101<br />

Dies.: Bericht der Kommission v. 6. 9. 2004 über das<br />

Funktionieren des Eigenmittelsystems. KOM(2004) 505<br />

Einheitliche Europäische Akte (EEA). Die Einheitliche<br />

Europäische Akte ist der erste Änderungsvertrag<br />

der Gründungsverträge der Europäischen<br />

Gemeinschaften, den die Mitgliedstaaten am 17. 2.<br />

1986 beschlossen haben und der am 1. 7. 1987 in<br />

Kraft trat. Er schuf wichtige Grundvoraussetzungen<br />

fürdieVollendungdesBinnenmarktesundstelltedie<br />

�Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) auf<br />

eine vertragliche Basis.<br />

Der durch die Einheitliche Europäische Akte eingeleitete<br />

Vertiefungsprozess wurde durch den Maastrichter<br />

Vertrag und Verträge von Amsterdam und<br />

Nizza fortgesetzt.<br />

171


Einheitliche Europäische Akte<br />

1. Vom Entwurf einer Europäischen Akte zur EEA<br />

1.1 Genscher-Colombo-Vertragsentwurf: Der deutsche<br />

Außenminister Genscher ergriff Anfang 1981<br />

eine Initiative zum Ausbau der Gemeinschaft in<br />

Richtung auf eine �Europäische Union. Dieser „Entwurf<br />

einer Europäischen Akte“ sah im institutionellen<br />

Teil die Zusammenführung der EG und der �EPZ<br />

unter Einschluss der Sicherheitspolitik vor. Durch<br />

AusbauderPositiondesEuropäischenRatesalspolitisches<br />

Leitungsgremium, Erweiterung der Kompetenzen<br />

des Europäischen Parlaments (aber keine materielle<br />

Mitentscheidung des Parlaments bei der Gesetzgebung)<br />

und durch die Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip<br />

im Ministerrat sollte die Effizienz im<br />

Entscheidungsprozess gesteigert werden. Der Plan<br />

sah außerdem eine engere Zusammenarbeit in kulturellen<br />

und rechtspolitischen Bereichen vor. Der italienische<br />

Außenminister Colombo unterstützte die<br />

Initiative und ergänzte sie konzeptionell im Bereich<br />

der wirtschaftlichen Integration, u. a. durch die Entwicklung<br />

eines Europäischen Währungssystems.<br />

Der Genscher-Colombo-Plan wurde Ende 1981 dem<br />

EP und der Kommission vorgelegt. Dieser Schritt<br />

leitete einen Reformprozess ein, der zunächst zu<br />

Kontroversen bei den Mitgliedstaaten und den Organen<br />

der Europäischen Gemeinschaften führte.<br />

1.2 Feierliche Deklaration zur Europäischen Union<br />

1983: Die Erklärung, die auf dem Europäischen Gipfel<br />

in Stuttgart am 19. 6. 1983 abgegeben wurde,<br />

blieb hinter den Zielen des Genscher-Colombo-<br />

Plans zurück. Die Reform des Abstimmungsverfahrens<br />

im Rat wurde auf die Formel beschränkt: „Im<br />

Rat wird jede Möglichkeit zur Erleichterung der Beschlussfassung<br />

genutzt; hierzu gehört auch die Möglichkeit<br />

der Stimmenthaltung in den Fällen, in denen<br />

Einstimmigkeit erforderlich ist.“ Im Bereich der Sicherheitspolitik<br />

beschränkt sich die Erklärung auf<br />

die „Koordinierung der Positionen der Mitgliedstaaten“.<br />

Dennoch bedeutet die Erklärung einen Fortschritt<br />

der Integrationsbemühungen, da erstmals in<br />

einem Dokument der Europäischen Gemeinschaften<br />

derRatalseinLenkungsorganderEGaufgeführtund<br />

EG und EPZ – wenn auch nicht rechtsverbindlich –<br />

miteinander verklammert werden. Fortschritte wurden<br />

auch in Fragen der Angleichung der Rechtsvorschriften<br />

im Rahmen der Zuständigkeit der Gemeinschaft<br />

erreicht.<br />

1.3 Dooge-Bericht: Der EP-Ausschuss unter dem<br />

Vorsitz des Iren James Dooge empfahl in seinem Ab-<br />

172<br />

schlussbericht vom 29. 3. 1985, den Entwurf einer<br />

Europäischen Union auf der Grundlage des BesitzstandesderGemeinschaft(�acquiscommunautaire),<br />

derFeierlichenDeklarationunddeseigenenBerichts<br />

auszuarbeiten. Die meisten Vorbehalte, die in Form<br />

von Minderheitenvoten geäußert wurden, galten<br />

dem Vorschlag, Ratsbeschlüsse mit einfacher oder<br />

qualifizierter Mehrheit zu fassen und ein Verfahren<br />

einzuführen, „nach dem ein Mitglied während einer<br />

Übergangszeit ein lebenswichtiges Interesse geltend<br />

machen könnte, sofern es dies dem Rat objektiv<br />

nachweisen kann, der wiederum mit Hilfe der Kommission<br />

sicherstellen kann, dass die lebenswichtigen<br />

Interessen der Gemeinschaft insgesamt gewahrt<br />

werden“.<br />

Bezüglich der Befugnisse des Parlaments stellt der<br />

Dooge-Bericht fest, dass ein demokratisch gewähltes<br />

Parlament nicht nur überwiegend beratende<br />

Funktionen haben könne und deshalb eine Stärkung<br />

„angestrebt“ werden müsse.<br />

1.4 Unterzeichnung der EEA: Neben den erwähnten<br />

Reformvorschlägen legten mehrere Mitgliedstaaten<br />

Memoranden vor, die auf der Konferenz der StaatsundRegierungschefsimDezember1985mitdemErgebnis<br />

beraten wurden, erste umfassende Änderungen<br />

der Gemeinschaft seit dem EWG-Vertrag im institutionellen<br />

Bereich durchzuführen, einen rechtsverbindlichen<br />

Rahmen für die EPZ zu schaffen und<br />

die Kompetenzen der Gemeinschaft zu erweitern.<br />

Die EEA wurde im Februar von den Mitgliedstaaten<br />

unterzeichnet (in Dänemark und Irland nach vorheriger<br />

Volksabstimmung). Neben dem Vertragstext<br />

wurden elf Erklärungen einzelner Mitgliedstaaten<br />

angenommen, die überwiegend bloße Interpretationen<br />

des Vertragstextes beinhalten.<br />

2. Inhalte der Einheitlichen Europäischen Akte:<br />

2.1 Ziele:<br />

– schrittweise Verwirklichung des Binnenmarktes<br />

bis zum 31. 12. 1992 wie bereits im Weißbuch der<br />

Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes<br />

vom Juni 1985 formuliert;<br />

– Stärkung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft<br />

durch Änderung der Entscheidungsverfahren<br />

(qualifizierte Mehrheiten im Rat neben der Einstimmigkeitsregel);<br />

– Erweiterung der Kompetenzen der Gemeinschaft<br />

durch neue Tätigkeitsfelder (u. a. in den Bereichen<br />

der Umweltpolitik, der Forschungs- und Technologiepolitik<br />

sowie der Sozialpolitik);


– AusrichtungdesIntegrationsprozessesaufdasZiel<br />

einerEuropäischenUnion(BündelungderOrganisationsvielfalt,<br />

Zusammenführen von EG und EPZ).<br />

Die Präambel der EEA bekräftigt das Integrationsziel<br />

einer Europäischen Union und zieht VerbindungslinienzudenBeschlüssenüberdieschrittweise<br />

Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion<br />

von 1972 sowie zur Errichtung des Europäischen<br />

Währungssystems von 1979.<br />

Die Neuregelungen durch die EEA sind Bestandteile<br />

des bestehenden Vertragswerks und werden in die<br />

VerträgederEuropäischenGemeinschafteneingearbeitet<br />

(Art. 1 EEA). Die Ergänzungen der Verträge<br />

zur EGKS und EAG beschränken sich auf die Verankerung<br />

einer ersten Gerichtsinstanz (�Europäischer<br />

Gerichtshof). Die Struktur der Organe der Gemeinschaft<br />

bleibt erhalten (Art. 3 Abs. 1 EEA), wenn auch<br />

die Funktionen und Kompetenzen geändert werden.<br />

Die drei neuen Kapitel des EWG-Vertrags (wirtschaftlicher<br />

und sozialer Zusammenhalt, Forschung<br />

und technologische Entwicklung, Umwelt) werden<br />

als zusätzliche Artikel 158 – 176 in den EWG-Vertrag<br />

aufgenommen.<br />

2.2 Binnenmarkt: Artikel 13 EEA führt einen neuen<br />

Art. 8a in den EWG-Vertrag ein: „Die Gemeinschaft<br />

trifft die erforderlichen Maßnahmen, um bis zum 31.<br />

12. 1992 (...) den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen.<br />

Der Binnenmarkt umfasst einen Raum<br />

ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von<br />

Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß<br />

den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet<br />

ist.“ Wenn auch das Zeitziel rechtlich nicht<br />

bindend ist, wurde dennoch ein wichtiges politisches<br />

Signal gegeben. Die erforderlichen Maßnahmen soll<br />

der Rat in Zukunft mit �qualifizierter Mehrheit in der<br />

Mehrzahl der Politikbereiche durchführen, ausgenommen<br />

bleiben Rechtsangleichung, Steuern, Freizügigkeit<br />

und Rechte der Arbeitnehmer.<br />

Der Rat erlässt – entsprechend Art. 100a EWG-Vertrag<br />

– „auf Vorschlag der Kommission, im Zusammenarbeit<br />

mit dem Europäischen Parlament und<br />

nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses<br />

die Maßnahmen zur Angleichung der<br />

Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten“<br />

(in geänderter Fassung Art. 95 Abs. 1 EGV).<br />

Da die Schaffung des Binnenmarktes in Zusammenarbeit<br />

mit dem Parlament erfolgen sollte, führt Art.<br />

149 EWGV ein neues Rechtsetzungsverfahren ein<br />

(Verfahren der Zusammenarbeit), das die Mitwir-<br />

Einheitliche Europäische Akte<br />

kungsmöglichkeiten des Parlaments zwar verstärkt,<br />

aber letztlich die Entscheidung beim Rat belässt<br />

(�Gesetzgebungsverfahren).<br />

Die Rechtsangleichung soll den unterschiedlichen<br />

Standards der Mitgliedstaaten bei Gesundheitsschutz,<br />

technischen Sicherheitsnormen, Verbraucher-<br />

und Umweltschutz und Schutz der Arbeitsumwelt<br />

Rechnung tragen („hohes Schutzniveau“); d. h.<br />

nationale Standards können mit Zustimmung der<br />

Kommission beibehalten werden. Letztlich entscheidet<br />

im Konfliktfall der EuGH.<br />

2.3 Kompetenzen der Organe: Neben den Richtlinien<br />

zur Rechtsangleichung und den damit verbundenenÄnderungendesEntscheidungsverfahrensbeinhaltet<br />

die EEA auch eine Erweiterung der Befugnisse<br />

des Europäischen Parlaments. Es erhält durch<br />

die Zusammenarbeit mit dem Rat Mitwirkungsrechte<br />

und im Bereich künftiger Beitrittsverträge und Assoziierungsabkommen<br />

Mitentscheidungsrechte.<br />

Nach dem in Art. 149 Abs. 2 EWGV neu geregelten<br />

Verfahren der Zusammenarbeit von Rat und Parlament<br />

legt im Gesetzgebungsverfahren der Rat auf<br />

VorschlagderKommissionundnachStellungnahme<br />

des Parlaments einen Gemeinsamen Standpunkt<br />

fest, der dann dem Parlament zu einer zweiten Lesung<br />

vorgelegt wird (Art.149 EWGV wurde mit<br />

Gründung der EU aufgehoben und durch Art. 251<br />

und252EGVersetzt).InAbweichungvondervorher<br />

geltenden Regelung erhält das Parlament damit die<br />

GelegenheitsicherneutmiteinemGegenstandzubefassen.<br />

Die Kompetenzen der Kommission bleiben von den<br />

Änderungen weitgehend ausgeschlossen, jedoch<br />

wurden die Durchführungsbefugnisse des Organs<br />

gestärkt. Der Europäische Rat erhält mit der EEA in<br />

Art. 2 erstmals eine rechtliche Grundlage: „Im Europäischen<br />

Rat kommen die Staats- und Regierungschefs<br />

der Mitgliedstaaten sowie der Präsident der<br />

Kommission der Europäischen Gemeinschaften zusammen.“.<br />

Der Europäische Rat wird damit jedoch<br />

kein förmliches Organ der Gemeinschaft und steht<br />

außerhalb des EWG/EG-Vertrags.<br />

2.4 Erweiterung der Kompetenzen: Die Gemeinschaft<br />

erhält neue Zuständigkeiten. Im Bereich der<br />

wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit wird<br />

besonders der Regionalausgleich hervorgehoben<br />

(�Regionalpolitik, �Fonds der EU). Dieser soll<br />

durch effizienteren Einsatz der Strukturfonds verbessert<br />

werden. Die Forschungs- und Technologie-<br />

173


Einheitlicher institutioneller Rahmen<br />

politik (Art. 163 – 173 EGV) soll gestärkt werden,<br />

um künftig die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Gemeinschaft zu sichern. Hierzu sind Rahmenprogramme<br />

mit Gemeinschaftsaktionen als Ergänzung<br />

der Maßnahmen der Mitgliedstaaten vorgesehen<br />

(Forschungs- und Technologiepolitik, Bildungsprogramme).<br />

Neu aufgenommen wird die Umweltpolitik<br />

(zu Zielen der Umweltpolitik vgl. Art.<br />

174 EGV).<br />

2.5 Ausrichtung des Integrationsprozesses auf eine<br />

Europäische Union: Durch Art. 30 EEA wird die<br />

EPZ erstmals auf eine völkerrechtlich bindende<br />

Grundlage gestellt, wobei die Kohärenz zwischen<br />

den Politiken der EPZ und der Gemeinschaft unterstrichen<br />

wird. Die EG-Mitgliedstaaten bemühen<br />

sich, „gemeinsam eine europäische Außenpolitik<br />

auszuarbeiten und zu verwirklichen“. Die EEA festigt<br />

den Aktionsrahmen für die Abstimmung der Außenpolitik<br />

der Mitgliedstaaten und die Durchführung<br />

gemeinsamer Aktionen.<br />

Die gemeinsamen Bestimmungen in Art. 1 EEA setzen<br />

die Gemeinschaft und die EPZ in Beziehung zueinander<br />

mit dem Ziel, „gemeinsam zu konkreten<br />

Fortschritten auf dem Wege zur Europäischen Union<br />

beizutragen“. Aus der Klammerfunktion erklärt sich<br />

auch der Name „Einheitliche Europäische Akte“.<br />

Trotz ihres Kompromisscharakters stellt die Akte einenwichtigenSchrittaufdemWegzurEuropäischen<br />

Uniondar. U. M.<br />

Literatur:<br />

Engels, C./Wessels, W. (Hg.): From Luxembourg to Maastricht.<br />

Bonn 1992<br />

Hrbek, R./Läufer, Th.: Die Einheitliche Europäische Akte.<br />

In: Europa-Archiv 6/1986, S. 173–184<br />

Teske, H.: Europa zwischen gestern und morgen. Von den<br />

Römischen Verträgen zur Europäischen Akte. Köln 1988<br />

Einheitlicher institutioneller Rahmen der EU.<br />

Nach Art. 3 EUV verfügt die Union über einen einheitlichen<br />

institutionellen Rahmen, d. h., die Organe<br />

der EG handeln auch für die EU und sind somit für<br />

alle 3 Säulen der Union zuständig (�Organe, allgemein).<br />

Der einheitliche institutionelle Rahmen ist<br />

Voraussetzung für die Kohärenz der gemeinschaftlichen<br />

Maßnahmen in den Bereichen der 3 Säulen der<br />

EU (�Tempelstruktur). Für die drei Europäischen<br />

GemeinschaftenEGKS,EWGundEURATOMwurde<br />

durch Vertrag vom 8. 4. 1965, in Kraft seit 1. 7.<br />

1967 (�Fusionsvertrag) ein einheitlicher institutioneller<br />

Rahmen geschaffen.<br />

174<br />

Einheitliches Wahlverfahren für Europawahlen<br />

�Europawahlen<br />

Einstimmigkeit bezeichnet ein Beschlussverfahren,<br />

in dem jeder Stimmberechtigte ein Vetorecht<br />

hat, also mit seiner Stimme einen Beschluss gegen<br />

dieStimmenalleranderenverhindernkann.Einstimmigkeit<br />

in der EU schränkt demnach die Entscheidungsgewalt<br />

(�Souveränität) des einzelnen Mitgliedstaates<br />

nicht ein. Die Gründungsverträge der<br />

EG von 1957 sahen den Übergang von der Pflicht zur<br />

Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen in bestimmten<br />

Bereichen (z. B. der Agrarpolitik) nach einer<br />

Übergangsfrist vor. Dieser Übergang verlief<br />

nicht problemlos (�Politik des „leeren Stuhls“). Für<br />

Beschlüsse, die vertraglich mit Mehrheit der Stimmen<br />

zustande kommen können, wird gelegentlich<br />

das �Konsensverfahren vereinbart, das in der Wirkung<br />

der Einstimmigkeit entspricht (�Luxemburger<br />

Vereinbarung).<br />

Die Änderungsverträge der Römischen Verträge<br />

(�EEA, �Maastrichter Vertrag, �Vertrag von Amsterdam,<br />

�Vertrag von Nizza) haben nach und nach<br />

den Zwang zur Einstimmigkeit bei Beschlüssen in<br />

den meisten sensiblen Bereichen aufgehoben, insbes.<br />

die Einheitliche Europäische Akte 1986, um<br />

eine fristgerechte Verwirklichung des Binnenmarktes<br />

zu ermöglichen.<br />

Einstweilige Anordnung. Die – neben dem �Beschleunigten<br />

Verfahren und der �Vorrangigen Behandlung<br />

mögliche – einstweilige Anordnung (eA)<br />

ist auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen eines<br />

Organs oder auf jede andere vorläufige Maßnahme<br />

gerichtet, die erforderlich ist, um den Eintritt eines<br />

schweren und nicht wieder gutzumachenden<br />

Schadens zu verhindern. Der eA-Antrag ist akzessorisch<br />

zum Verfahren in der Hauptsache; er ist in den<br />

Art. 83 ff. der Verfahrensordnung des EuGH bzw.<br />

den Art. 104 ff. der Verfahrensordnung des EuG geregelt.VoraussetzungenfürdenErlasseinereAsind:<br />

(1.) Der Antragsteller muss die Notwendigkeit der<br />

eA in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaftmachen,d.h.dieKlagemussgewissermaßenauf<br />

den ersten Blick als begründet erscheinen. (2.) Zudem<br />

müssen Umstände vorliegen, aus denen sich die<br />

Dringlichkeit der Sache ergibt. (3.) Schließlich muss<br />

die Abwägung der Interessen der Beteiligten bzw.<br />

des allgemeinen Interesses dafür sprechen, vorläufig


den Vollzug der in der Hauptsache angegriffenen<br />

Maßnahme zu stoppen. Über einen eA-Antrag entscheidet<br />

regelmäßig der Gerichtspräsident durch mit<br />

Gründen versehenen Beschluss. (Gegen einen<br />

eA-BeschlussdesEuG-PräsidentenkanneinRechtsmittel<br />

beim EuGH-Präsidenten eingelegt werden).<br />

(http://curia.eu.int/de/) �Vorläufiger Rechtsschutz<br />

J.M.B.<br />

Einwanderungspolitik der Europäischen Union<br />

1. Migration nach Europa. Nach einem vorübergehenden<br />

Rückgang der Zuwanderung in die Europäische<br />

Union im Verlauf der 1970er Jahre nimmt die<br />

Zahl der Immigranten in den letzten Jahren wieder<br />

kontinuierlich zu. Einen hohen Anteil haben Zuwanderer<br />

aus den GUS-Staaten und aus den für die<br />

EU-MitgliedertraditionellenHerkunftsländernSüdosteuropas,<br />

Afrikas und Asiens. Gründe für die MigrationsprozessesinddiewirtschaftlichenUnsicherheiten<br />

und politisch-ethnischen Konflikte in den<br />

Herkunftsländern und die hohe wirtschafts- und sozialpolitische<br />

Attraktivität der Union.<br />

2. Rechtliche Entwicklung und Grundlagen. Inden<br />

ersten Jahrzehnten ihrer Entwicklung beschränkt<br />

sich die Europäische Gemeinschaft auf interne Vereinbarungen<br />

zur Förderung der Mobilität der Bürger<br />

innerhalb ihres Gebietes. Jedoch entstehen bereits<br />

Mitteder1970erJahreAnsätzeeinermigrationspolitischen<br />

Zusammenarbeit in Bezug auf Drittstaaten.<br />

Die Richtlinie über die schulische Betreuung der<br />

Kinder von Wanderarbeitnehmern von 1977 (77/<br />

486), welche sowohl Migranten innerhalb als auch<br />

von außerhalb der Gemeinschaft betrifft, markiert<br />

diesen Wandel. Zur verantwortlichen Gemeinschaftsinstitution<br />

wird die Kommission, die bis heute<br />

als zentrale Instanz der europäischen Einwanderungspolitik<br />

fungiert. In der ersten Hälfte der 1970er<br />

Jahre verfolgen die meisten EU-Staaten eine Strategie<br />

der Minimierung bzw. Verhinderung von Zuwanderung,<br />

die in der Folgezeit die europäische und<br />

dienationalenMigrationspolitikenprägt.ImVerlauf<br />

des europäischen Integrationsprozesses unterzeichnen<br />

Frankreich, Deutschland und die Benelux-<br />

Staaten im Jahr 1985 das �Schengener Abkommen,<br />

dem bis zur Erweiterung der Union im Mai 2004 außer<br />

Großbritannien und Irland alle Mitgliedstaaten<br />

beitreten. Die Ziele des Abkommens betreffen in erster<br />

Linie die Erleichterung des Personen- und Güterverkehrs<br />

zwischen den Unterzeichnerstaaten; es<br />

Einwanderungspolitik<br />

siehtüberdiesStandardsfüreinheitlicheRegelungen<br />

an den �Außengrenzen vor. Damit ist eine erste<br />

Grundlage für eine europäische Einwanderungspolitik<br />

geschaffen. Aufgrund mangelnder inhaltlicher<br />

Konkretisierung wird 1990 das Schengener Durchführungsabkommen<br />

(Schengen II) unterzeichnet.<br />

Intensivierte Kontrollen der Außengrenzen und die<br />

Harmonisierung von Visa- und Asylregelungen sind<br />

die Ziele des Durchführungsabkommens. Um einem<br />

zentralen Problem der Zuwanderung in die Union,<br />

der Mehrfachantragstellung (Asylum-Shopping),<br />

entgegenzuwirken, wird ebenfalls 1990 das �Dubliner<br />

Übereinkommen (Dublin I) unterzeichnet, durch<br />

welches das für Asylverfahren zuständige Land zuverlässig<br />

bestimmt und zugleich verhindert werden<br />

soll, dass Asylbewerber so lange in verschiedenen<br />

EU-Staaten Anträge stellen, bis sie über die Asylgewährung<br />

in einem Mitgliedsland doch noch Zugang<br />

zur Union erhalten (�Asylpolitik der EU). Erst mit<br />

dem Vertrag von Maastricht gibt es seit 1992 eine<br />

vertragsrechtliche Grundlage zur Koordinierung der<br />

Einwanderungspolitik der Unterzeichnerstaaten.<br />

Auch diese Änderung des EG-Vertrages hält an der<br />

nationalstaatlichen Autonomie weitestgehend fest,<br />

es werden lediglich nationale Regelungen aufeinander<br />

abgestimmt. Erst der Vertrag von Amsterdam<br />

von 1997 überführt die mitgliedstaatlichen Kompetenzen<br />

in der Migrations- und Asylpolitik auf die<br />

Ebene der Union. Um eine größtmögliche Zustimmung<br />

zu erreichen, erfolgt die Vergemeinschaftung<br />

dieses Politikbereichs allerdings unter Einräumung<br />

von Sonderregelungen für einzelne Mitglieder;<br />

Großbritannien, Irland und Dänemark schließen sich<br />

der europäischen Migrations- und Asylpolitik nicht<br />

an, halten sich aber die Möglichkeit eines späteren<br />

Beitritts offen. Einen weiteren Schritt auf dem Weg<br />

zu einer europäischen Migrationspolitik vollzieht<br />

der Europäische Rat von Tampere (Finnland), wo<br />

1999 die Ziele des Vertrages von Amsterdam bestätigt<br />

und erweitert werden. Das Haager Programm<br />

(vgl. �Raum der Freiheit, der Sicherheit und des<br />

Rechts, Ziff. 3) schließlich erweitert 2004 die europäische<br />

Migrations- und Asylpolitik um Aspekte der<br />

inneren Sicherheit und Strategien zur Bekämpfung<br />

des internationalen Terrorismus. Mit der Qualifikationsrichtlinie<br />

vom 29. 4. 2004 (2004/83, ABl. L<br />

304/2004) werden Mindestnormen für die Anerkennung<br />

und den Status von Drittstaatenangehörigen<br />

und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen,<br />

175


Einwanderungspolitik<br />

die anderweitig internationalen Schutz benötigen,<br />

sowie für die mit dem jeweiligen Status verbundenen<br />

Rechte und Leistungen festgelegt. Mit der gleichzeitig<br />

vom Rat verabschiedeten Asylverfahrensrichtlinie<br />

gem. Art. 67 Abs. 5 EGV sollen künftig EU-weit<br />

für alle erstinstanzlichen Verfahren dieselben Mindestnormen<br />

gelten; Ziel ist die Beschleunigung der<br />

Verfahren und die Ermöglichung einer gerichtlichen<br />

Kontrolle bei Ablehnungsbescheiden. Damit ist zumindest<br />

ein erster Schritt zur Schaffung eines einheitlichen<br />

EU-Asylsystems getan, auch wenn die<br />

Unterschiede der nationalen Verfahren bestehen<br />

bleiben, da den Mitgliedstaaten Möglichkeiten eingeräumt<br />

werden, von den Richtlinien abzuweichen.<br />

Für die Umsetzung beider Richtlinien ist ein Zeitraum<br />

von zwei Jahren vorgesehen.<br />

3. Europäische Einwanderungspolitik und nationalstaatliche<br />

Interessen. Der in dreißig Jahren schrittweise<br />

etablierten, jedoch erst eingeschränkt effektiven<br />

europäischen Migrations- und Asylpolitik stehen<br />

weiterhin massive nationale Interessen gegenüber.DieFurchtvoreinemunkontrolliertenZustrom<br />

von Zuwanderern nach Europa, die im Einwanderungsstopp<br />

der 1970er Jahre kulminiert, wirkt bis<br />

heutenach.Seitden1990erJahrenwerdenallerdings<br />

neue Konzepte einer aktiven, interessengeleiteten<br />

Steuerung der Zuwanderung diskutiert. Untersuchungen<br />

wie das „Programme for International Student<br />

Assessment“ (PISA) zeigen, dass sich die Leistungen<br />

von Schülern nach ihrer nationalen Zugehörigkeit<br />

nicht unwesentlich unterscheiden. Dabei erreichen<br />

traditionelle Einwanderungsländer wie Australien,<br />

Kanada oder Neuseeland signifikant bessere<br />

Ergebnisse als jüngere Einwanderungsländer wie<br />

DeutschlandundFrankreich.DieEinschätzung,dass<br />

bei den PISA-Befunden neben der unterschiedlichen<br />

Effektivität nationaler Integrationskonzepte der sozioökonomische<br />

Hintergrund der Migranten eine<br />

wichtigeRollespielt,hatdieDiskussionumdenVerlust<br />

bzw. Gewinn der weltweit qualifiziertesten<br />

Fachkräfte(braindrainbzw.braingain)belebt.Auch<br />

innerhalb der Europäischen Union konkurrieren die<br />

Mitgliedstaaten um qualifizierte Migranten; gleichzeitig<br />

sind sie bestrebt, den Zustrom gering qualifizierter<br />

und älterer Einwanderer möglichst niedrig zu<br />

halten. Überdies verstärkt die Überalterung und<br />

Schrumpfung der autochthonen europäischen Bevölkerung<br />

die Notwendigkeit der Zuwanderung, um<br />

diese Entwicklung wenn nicht kompensieren, so<br />

176<br />

doch abmildern zu können. Zur Realisierung beider<br />

Ziele der janusköpfigen EU-Migrationspolitik, Abwehr<br />

und Anziehung von Migranten zugleich, gilt<br />

deshalb die Kooperation mit den Herkunfts- und<br />

Transitländern als eine wesentliche Bedingung erfolgreicher<br />

europäischer Migrationspolitik. EntsprechendeProgrammeseheneineVerbesserungder<br />

Wirtschaftslage dieser Staaten sowie Verbesserungen<br />

der dortigen Grenzkontrollen und Strafverfolgung<br />

zur Verhinderung illegaler Zuwanderung vor.<br />

Mit dem vom Europäischen Rat in Brüssel 2004 verabschiedeten<br />

Haager Programm wird versucht, die<br />

gemeinsame europäische Migrations- und Asylpolitik<br />

weiterzuentwickeln sowie um Aspekte der inneren<br />

Sicherheit in Europa und Strategien zur Bekämpfung<br />

des internationalen Terrorismus zu erweitern.<br />

Mittelfristig zielt das Haager Programm auf eine<br />

Harmonisierung der Migrations- und Asylpolitik sowieeineverstärkteKooperationbeimAustauschvon<br />

Informationen zur Prävention terroristischer Akte<br />

und organisierter Kriminalität.<br />

4. Festung Europa. Wie viele andere Politikfelder<br />

befindet sich auch die europäische Migrationspolitik<br />

seit Mitte der 1970er Jahre in einem kontinuierlichen<br />

und bis heute unabgeschlossenen Entwicklungsprozess.<br />

Zwar sind bereits umfassende Kompetenzen<br />

von der nationalstaatlichen Ebene auf die der EU<br />

übertragenworden,dasZieleinerharmonisierteneuropäischenMigrationspolitikistjedochbislangnicht<br />

erreicht.DieGründehierfürsindvielfältig;sieliegen<br />

insbes. in den konkurrierenden Interessen der EU-<br />

Mitgliedsländer, besonders offenkundig im Falle der<br />

Gewinnung hoch qualifizierter Fachkräfte. Weiterhin<br />

hemmen Sonderregelungen einzelner Staaten sowie<br />

die Mehrheitsbeschlussregel im Ministerrat die<br />

kontinuierliche Entwicklung und Umsetzung. Die<br />

gegenwärtige, überwiegend restriktive Praxis der<br />

europäischen Migrations- und Asylpolitik wird international,<br />

so vom UN-Generalsekretär Kofi Annan,<br />

als Selbstisolation der Union kritisiert. Die Entwicklung<br />

zu einer einheitlichen, Einwanderung fördernden<br />

und zugleich steuernden europäischen Zuwanderungs-<br />

und Asylpolitik ist angesichts der Stellung<br />

Europas in der Welt, seiner humanitären Verantwortung<br />

gegenüber Drittstaaten, seiner demographischen<br />

Entwicklung und seines steigenden Bedarfs<br />

an qualifizierten Fachkräften eine besondere<br />

Herausforderung für die Gemeinschaftspolitik in der<br />

erstenDekadedes21.Jahrhunderts. D. K./L. R. R.


Literatur:<br />

Angenendt, St.: Die europäische Migrations- und Asylpolitik.<br />

In: Weidenfeld, W. (Hg.), Die Europäische Union: Politisches<br />

System und Politikbereiche. Bonn 2004, S. 359–379<br />

Entorf, H./Minoiu, N.: What a difference immigration law<br />

makes: PISA results, migration background and social<br />

mobility in Europe and traditional countries of immigration.<br />

Darmstadt 2004<br />

EU-Kommission: Presseerklärung vom 30. 4. 2004<br />

(IP/04/572)<br />

Foders, F.: Zuwanderungspolitik in Europa: Begrenzung,<br />

Steuerung oder Förderung der Migration?.<br />

In: Die Weltwirtschaft 2004, S. 211 – 226<br />

Fricke, D./Gieler, W. (Hg.): Handbuch europäischer Migrationspolitiken:<br />

Die EU-Länder und die Beitrittskandidaten.<br />

Münster 2004<br />

Krieger, H.: Migration Trends in an Enlarged Europe.<br />

European Foundation for the Improvement of Living and<br />

Working Conditions. Dublin 2004<br />

Renner, G.: Asylverfahrensrichtlinie. In: Zeitschrift für<br />

Ausländerrecht und Ausländerpolitik 9, 2004, S. 305 – 310<br />

Einwanderung und Integration. Von der Einwanderung<br />

ist die Freizügigkeit zu trennen. Diese garantiert<br />

Unionsbürgern das Recht, grundsätzlich in allen<br />

Mitgliedstaaten zu leben und zu arbeiten. Sie ist eine<br />

Basis der Europäischen Union und macht deren Realität<br />

erlebbar. Einwanderung hingegen bezieht sich<br />

auf Drittstaatsangehörige. Da die Entscheidungen<br />

der Einzelstaaten, Drittstaatsangehörigen Aufenthaltsrechte<br />

zu gewähren, in einem Europa offener<br />

Grenzen zwangsläufig Rückwirkungen auf alle Partnerländer<br />

haben, ergibt sich die sachliche Notwendigkeit<br />

der Abstimmung und Kooperation.<br />

Mit dem Vertrag von Amsterdam, der das Ziel der<br />

Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit<br />

und des Rechts formulierte, erhielt die Gemeinschaft<br />

umfassende Zuständigkeiten für die Einwanderungspolitik.<br />

Insbesondere die EU-Kommission<br />

treibt seitdem die europäische Zusammenarbeit auf<br />

allen Gebieten vom Familiennachzug über die Arbeitsmigration<br />

bis hin zur Integration von Drittstaatsangehörigen<br />

voran. Sie stößt dabei nicht selten<br />

auf Widerstand im Rat der Justiz- und Innenminister<br />

sowie in den Mitgliedstaaten, die sorgsam auf die<br />

Wahrung ihrer Kompetenzen achten. Am 22. 9. 2003<br />

nahm der Ministerrat der EU einen Entwurf für eine<br />

Richtlinie über das Recht auf Familienzusammenführung<br />

für Drittstaatsangehörige an (2003/86, ABl.<br />

L 251/2003). Nach langwierigen Verhandlungen<br />

wurde am 25. 11. 2003 die Richtlinie 2003/109 über<br />

den Status langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehörigen<br />

angenommen (ABl. L 16/2004).<br />

EIRO<br />

Die Richtlinie dient dem erklärten Ziel, die Rechtsstellung<br />

von Einwanderern aus Nicht-EU-Staaten<br />

auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet an die von<br />

Unionsbürgern anzunähern. Unter definierten Bedingungen<br />

erhalten Drittstaatsangehörige das Recht,<br />

sich in anderen EU-Staaten niederzulassen und dort<br />

einer selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit<br />

nachzugehen. Damit wird i. Ü. eine Rechtsprechungstendenz<br />

des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofsflankiert,derüberdasFamiliengrundrecht<br />

des Art. 8 EMRK seit langem die Einwanderung von<br />

Drittstaatsangehörigen zu bzw. mit ihren Familienangehörigen<br />

erleichtert.<br />

Damit ist auch die Integration stärker ins Blickfeld<br />

der EU gerückt. Auf ihrer Tagung am 9. – 11. 11.<br />

2004 verständigten sich die Innen- und Justizminister<br />

auf „Gemeinsame Grundsätze für die Politik der<br />

Integration von Einwanderern in der Europäischen<br />

Union“. Sie stellten Einigkeit darüber her, dass eine<br />

aktive Einwanderungspolitik von einer aktiven Integrationspolitik<br />

begleitet werden muss und die Mitgliedstaaten<br />

hier große Versäumnisse aufzuarbeiten<br />

haben. Nachdem 2001 erste ambitionierte Versuche<br />

der Kommission, zu einer EU-weiten Verständigung<br />

über Standards der organisierten Arbeitsmigration<br />

zu kommen, an Bedenken der Mitgliedstaaten scheiterten,<br />

legte sie am 11. 1. 2005 ihr „Grünbuch über<br />

ein EU-Konzept zur Verwaltung der Wirtschaftsmigration“<br />

vor. Das Grünbuch will einen strukturierten<br />

Diskussionsprozess darüber anregen, wie die Europäische<br />

Union auf den Rückgang ihrer Erwerbsbevölkerung<br />

in Folge der demographischen Krise reagierensoll.�ELAINE<br />

B. Sa.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Handbook on Integration for<br />

Policy-makers and practitioners. Brüssel November 2004.<br />

Im Internet unter: http://europa.eu.int/comm/justice_home/<br />

doc_centre/immigration/integration/doc/handbook_en.pdf<br />

Niessen, J.: Zwischen Harmonisierung und kleinstem gemeinsamen<br />

Nenner: Einwanderungspolitik auf europäischer Ebene.<br />

In: Klaus J. Bade/Rainer Münz (Hg.), Migrationsreport 2002<br />

Fakten, Analysen, Perspektiven. Frankfurt/Main, S. 207 – 229<br />

Einzelermächtigung �Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung<br />

EIPA �Europäisches Institut für öffentliche Verwaltung<br />

EIRO (European Industrial Relations Observatory),<br />

von der �Europäischen Stiftung zur Verbesserung<br />

177


Eisenbahnagentur<br />

der Lebens- und Arbeitsbedingungen 1997 eingerichtetes<br />

Instrument zur Beobachtung der Beziehungen<br />

zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es<br />

sammelt und analysiert Informationen über die Entwicklung<br />

dieser Beziehungen und stellt sie EU-<br />

Institutionen, nationalen Regierungen und Dachverbänden<br />

der Sozialpartner zur Verfügung. EIRO basiert<br />

auf einem Netzwerk führender Institutionen der<br />

SozialpartnerindenEU-Staaten(inDeutschland:Institut<br />

der deutschen Wirtschaft, Köln / Wirtschaftsund<br />

Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-<br />

Böckler-Stiftung, Düsseldorf), in Kandidatenländern<br />

und Norwegen.<br />

Eisenbahnagentur �Europäische Eisenbahnagentur<br />

ELAINE (European Local Authorities Interactive<br />

Network for Ethnic Minorities Policies). Netzwerk<br />

von Städten, die Erfahrungen und Informationen<br />

über effektive Möglichkeiten für die Integration von<br />

Zuwanderern und ethnischen Minderheiten austauschen.<br />

Im Rahmen des Netzwerks finden auch Seminare<br />

statt.<br />

eLearning. „eLearning“ wird definiert als „die Nutzung<br />

der neuen Multimedia- und Internettechnologien<br />

zur Verbesserung der Qualität des Lernens<br />

durch Erleichterung des Zugangs zu Ressourcen und<br />

Dienstleistungen sowie des Gedankenaustausches<br />

und der Zusammenarbeit in Echtzeit“ und ist zu sehen<br />

im Rahmen der Aktionspläne zu �„eEurope“.<br />

Der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

selbst ist nicht Ziel von „eLearning“.<br />

Vielmehr hat sich „eLearning“ zum Leitwort<br />

einer Vision entwickelt, in der das auf die neuen Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien gestützte<br />

Lernen als unmittelbarer Bestandteil der Bildungs-undBerufsbildungssystemeverstandenwird.<br />

Dabei enthält die „digitale Kompetenz“ den StellenwerteinerneuenGrundkompetenz.SiewirdzurVoraussetzung<br />

für Kreativität, Innovation und Unternehmensgeist,<br />

ohne welche die Bürger weder in vollem<br />

Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben<br />

noch die Kompetenzen und Kenntnisse erwerben<br />

können, die für das Leben im 21. Jahrhundert erforderlich<br />

sind.<br />

1. Entwicklung. „eLearning“ ist ein Teil der europäischen<br />

Strategie zu „eEurope“. Bereits davor hatte es<br />

178<br />

Bemühungen auf europäischer Ebene zur Verbesserung<br />

des Lernens in der Informationsgesellschaft gegeben<br />

– so z. B. den Aktionsplan für eine europäische<br />

Initiative in der Schulbildung (1996 – 1998). Am<br />

24. 5. 2000 rief die Europäische Kommission in einer<br />

Mitteilung die Initiative „eLearning: Gedanken zur<br />

Bildung von morgen“ (KOM 2000/318 endg.) ins<br />

Leben. Diese Initiative war darauf gerichtet, die Bildungs-<br />

und Kultureinrichtungen sowie die wirtschaftlichen<br />

und sozialen Akteure in Europa anzusprechen,<br />

um die Anpassung der Bildungs- und Ausbildungssysteme<br />

an den Wandel Europas zu einer<br />

wissensbasierten Gesellschaft zu beschleunigen.<br />

Dabei ging die Initiative von Schwächen und Rückständen<br />

Europas gegenüber den Vereinigten Staaten<br />

bei der Entwicklung der Wissensgesellschaft aus.<br />

Sie basierte auf dem Wunsch der EU-Mitgliedstaaten<br />

zusammenzuarbeiten, um ihre Politiken auf<br />

dem Gebiet der Bildungstechnologie anzugleichen<br />

und ihre Erfahrungen auszutauschen. „eLearning“<br />

zielt dabei darauf ab, diese Anstrengungen der Mitgliedstaaten<br />

zu unterstützen und zu koordinieren und<br />

die Anpassung der Systeme der allgemeinen und beruflichen<br />

Bildung in Europa voranzutreiben. Der Europäische<br />

Rat von Santa Maria da Feira begrüßte am<br />

19./20. 6. 2000 diese Vorlage der Kommission zu<br />

„eLearning“.<br />

2. Schwerpunkte und Ziele der Initiative „eLearning“.<br />

Diese Initiative beruhte auf folgenden Schwerpunkten:<br />

– Verbesserung der Informations- und Kommunikationstechnologien;<br />

– Infrastruktur im Bildungs- und Ausbildungsbereich;<br />

– Verstärkung der Ausbildung auf allen Ebenen, um<br />

die digitale Kompetenz für alle voranzutreiben und<br />

zur Verringerung von Qualifikationslücken bei den<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

beizutragen;<br />

– Entwicklung von europäischen Multimediainhalten<br />

und -diensten für den Bildungsbereich;<br />

– Förderung der Innovation im größeren Rahmen<br />

und Vernetzung von bestehenden Initiativen auf allen<br />

Ebenen.<br />

So sollten alle Schulen bis 2001 Internetzugang haben,<br />

ein transeuropäisches Breitband-Wissenschaftsnetz<br />

sollte errichtet werden. Alle Lehrer sollten<br />

bis 2001 in Informations-Technologien fortgebildet<br />

werden. Eine digitale Kluft sollte vermieden


werden. Die Bildungseinrichtungen sollten zu Lernzentren<br />

ausgebaut werden. Ein genauer Zeitplan für<br />

die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten sollte gemäß<br />

der Lissabon-Strategie eingehalten werden. Die<br />

Kommission verpflichtete sich zu regelmäßigen<br />

Zwischenberichten über „eLearning“ an den Rat.<br />

3. Finanzierung. Die nationalen Bemühungen sollten<br />

durch Maßnahmen, finanziert aus den �Strukturfonds,<br />

den bestehenden EU-Programmen für die Bereiche<br />

der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie<br />

Jugend, durch die Forschungsprogramme und<br />

das Informations-Technologieprogramm (IST), die<br />

�Europäische Investitionsbank sowie durch die EntwicklungvonPartnerschaftenzwischenöffentlichen<br />

Stellen und Privatwirtschaft unterstützt werden.<br />

4. Aktionsplan „eLearning“. Am 27. 3. 2001 legte<br />

die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur<br />

Initiative „eLearning“ (KOM 2001/172 endg.) vor.<br />

Die Laufzeit umfasste den Zeitraum von 2001 bis<br />

2004. Mit dem Aktionsplan sollten Modalitäten und<br />

Mittel zur Umsetzung der Initiative „eLearning“ geschaffen<br />

und ermöglicht werden. Die Akteure im Bereich<br />

allgemeine und berufliche Bildung sollten mobilisiert<br />

werden, um das lebenslange Lernen zur treibenden<br />

Kraft einer solidarischen und harmonischen<br />

Gesellschaft in einer wettbewerbsbestimmten Wirtschaft<br />

zu machen. Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit<br />

im Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie<br />

(�Luxemburg-Prozess) sollten<br />

verbessert werden. Es wurden genaue Ziele, die<br />

zubestimmtenZeitenzuerreichensind,vorgegeben.<br />

Für die Mitgliedstaaten hatte dieser Aktionsplan keine<br />

unmittelbare Bedeutung, denn Aktionspläne sind<br />

reine Willensbekundungen der Europäischen Kommission<br />

und stellen keinen zwingenden Handlungsbedarf<br />

für die Mitgliedstaaten dar.<br />

5. Programm „eLearning“. Am 5. 12. 2003 beschlossenderRatunddasEuropäischeParlamentauf<br />

entsprechende Vorlage der Kommission ein Mehrjahresprogramm<br />

(2004 – 2006) für die wirksame Integration<br />

von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

in die Systeme der allgemeinen und beruflichen<br />

Bildung in Europa – Programm „eLearning“.<br />

Mit diesem Programm sollen die Qualität und<br />

die Zugänglichkeit der europäischen Systeme der<br />

allgemeinen und beruflichen Bildung durch den<br />

wirksamen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

verbessert werden. Das Programm<br />

hat eine Laufzeit von 2004 bis 2006 und ein<br />

ELSA<br />

Finanzvolumen von 36 Mio. Euro. Es gründet auf<br />

den Initiativen „eEurope“ und „eLearning“.<br />

Mit dem Programm sollen die Fähigkeiten im informationstechnischen<br />

Bereich vorangetrieben und die<br />

Gefahr einer sog. „digitalen Kluft“ bekämpft werden.<br />

Ein Schwerpunkt liegt auf den Hochschuleinrichtungen.<br />

Es geht um den virtuellen Campus und<br />

die virtuelle Mobilität in Ergänzung des �Bologna-Prozesses.<br />

Es sollen aber auch SchulpartnerschaftenüberdasInternetgeschaffenwerden,umdie<br />

Schüler für das mehrsprachige und multikulturelle<br />

europäische Gesellschaftsmodell zu sensibilisieren.<br />

Die Vernetzung europäischer Schulen soll weiter<br />

ausgebaut werden. Ferner gibt es Querschnittsmaßnahmen,<br />

wie die Beobachtung des Aktionsprogramms„eLearning“vom27.3.2001.Esgehtumdie<br />

Verbreitung, Förderung und Übernahme bewährter<br />

Praktiken und Produkte, die im Rahmen der europäischen<br />

und nationalen Projekte und Programm entwickelt<br />

werden. Das Programm soll ab 2007 nicht separat<br />

weitergeführt werden, eLearning-Belange sollen<br />

imRahmendesgegenwärtigzwischenRatundParlament<br />

diskutierten Aktionsprogramms „Lebenslanges<br />

Lernen“ (2007 – 2013; vgl. Kommissionsvorschlag474vom14.7.2004)weitergeführtwerden.<br />

I. B.-M.<br />

Internet:<br />

http://europa.eu.int/comm/education/programmes/elearning/index_de.html<br />

ELSA (Ethical, Legal and Social Aspects), im 4. Forschungsrahmenprogramm<br />

(1994 – 1998) geförderte<br />

Aktivitäten zur Untersuchung ethischer, gesetzlicher<br />

und sozialer Aspekte der Programme Biomed 2,<br />

BIOTECH 2 und FAIR. Unter multidisziplinärem<br />

Ansatz wurde die Diskussion unter Wissenschaftlern,<br />

Ärzten, Philosophen, Theologen und Juristen<br />

initiiert mit dem Ziel, menschlichen Grundwerten<br />

(wie Unversehrtheit, Solidarität, Menschenwürde)<br />

die nötige Beachtung in der Forschung zu sichern.<br />

ELSA (The European Law Students Association) ist<br />

die weltgrößte Jurastudentenvereinigung und bietet<br />

Jurastudenten, Referendaren und jungen Juristen die<br />

Möglichkeit, sich zu engagieren und weiterzubilden.<br />

Völkerverständigung,dieAusbildungsozialkompetenter<br />

Juristen, akademische Arbeit und Praxisbezug<br />

sind die Grundpfeiler des Selbstverständnisses der<br />

Vereinigung. Als Vorreiter für die universitäre Ausbildung<br />

bietet ELSA studienbegleitend sowohl aka-<br />

179


Elternorganisation<br />

demischealsauchpraxisbezogeneAktivitäteninklusive<br />

Auslandserfahrung, internationaler Kommunikation,<br />

Organisation von Projekten und Soft Skills.<br />

Durch den Austausch auf europäischer Ebene ermöglicht<br />

ELSA Jurastudenten aus ganz Europa, miteinander<br />

in Kontakt zu treten und gemeinsam aktiv<br />

zu werden. Mit 25 000 Mitgliedern an über 220 Universitäten<br />

in 37 Ländern profitiert ELSA von einem<br />

europaweiten Netzwerk (http://elsa-deutschland.<br />

org/de).<br />

Elternorganisation �EPA (European Parents Association)<br />

EMAS (Eco-Management and Audit Scheme) ist ein<br />

auf freiwilliger Basis vereinbartes Gemeinschaftssystem<br />

für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung<br />

zur Verbesserung des betrieblichen<br />

Umweltschutzes in Unternehmen (auch als<br />

Öko-Audit bekannt). Teilnehmende Firmen (auch<br />

Handwerks- und Gewerbebetrieb oder Einrichtungen<br />

der öffentlichen Hand) werden bei der IHK in ein<br />

EMAS-Register eingetragen und können für ihren<br />

Standort (nicht zur Produktwerbung) ein EMAS-<br />

Logo verwenden. Sie verpflichten sich, in regelmäßigen<br />

Umwelterklärungen über die Auswirkungen<br />

ihrer Tätigkeit, ihrer Produkte und Dienstleistungen<br />

auf die Umwelt Auskunft zu geben und ihren betrieblichen<br />

Umweltschutz kontinuierlich zu verbessern.<br />

Jede Erklärung wird von staatlich zugelassenen Gutachtern<br />

überprüft und für gültig erklärt (validiert),<br />

wenn sie den Anforderungen der EG-Öko-Audit-<br />

Verordnung von 1993 (1896/93) entspricht. Eine<br />

Novelle der Verordnung (761/2001, EMAS II) ist am<br />

27. 4. 2001 in Kraft getreten (ABl. L 114/2001).<br />

Embleme der Organe und Einrichtungen der EU.<br />

Der Kranz aus zwölf Sternen der europäischen Flagge<br />

ist zugleich das Emblem der Europäischen Kommission.<br />

Andere Organe und Einrichtungen der EU<br />

verwenden in ihren Veröffentlichungen zusätzlich<br />

zur Flagge eigene Embleme.<br />

Übersicht im Internet:<br />

http://publications.eu.int/code/de/de-5000200.htm<br />

Empfehlungen in Angelegenheiten des Titels V<br />

EUV (GASP) und des Titels VI EUV (PJZS) kann<br />

das EP an den Rat richten. Der Vorschlag für eine<br />

EmpfehlungwirdnachderGeschäftsordnungdesEP<br />

180<br />

von dem zuständigen Ausschuss ausgearbeitet; er<br />

kannauchvoneinerFraktionodervonmindestens37<br />

Abgeordneten eingereicht werden und wird vom zuständigen<br />

Ausschuss geprüft. Vom Plenum angenommene<br />

Empfehlungen werden dem Rat vom PräsidentendesEPübermittelt.DieseFormderEmpfehlung<br />

ist nicht identisch mit Empfehlungen nach Art.<br />

249 EGV.<br />

Energiepolitik<br />

1. Begriff und Rechtsgrundlagen: Als Teilbereich<br />

der Wirtschaftspolitik umfasst die Energiepolitik<br />

alle politischen Maßnahmen, die die Energieerzeugung,<br />

die Energieversorgung/-verteilung, den Energieverbrauch,<br />

die Energiepreispolitik und die zugehörigen<br />

umweltpolitischen Implikationen regeln.<br />

Sie nimmt unter den Politiken der Gemeinschaft insoferneineSonderstellungein,alssiesichalseinzige<br />

auf alle drei Gründungsverträge der Europäischen<br />

Gemeinschaften stützt. Der Energieträger Kohle unterlagdemVertragüberdieEGKS(ausgelaufennach<br />

50 Jahren 2002); die Kernenergie unterliegt dem<br />

Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft<br />

EAG (EURATOM), und für die übrigen Energieträger<br />

(Erdöl, Erdgas und die erneuerbaren Energien<br />

wie Biogas, Sonnen-, Wasser- und Windenergie) ist<br />

derEG-VertragdiepolitischeHandhabungsgrundlage.<br />

Die Gemeinschaft hat aber auf dem Energiesektor,<br />

ähnlich wie bei den meisten anderen Gemeinschaftspolitiken,<br />

keine ausschließliche Zuständigkeit;<br />

ein großer Teil der energiepolitischen Entscheidungskompetenzen<br />

liegt (entsprechend dem �Subsidiaritätsprinzip<br />

– auf ausdrücklichen Wunsch einiger<br />

Mitgliedstaaten) in der Hand der Mitgliedstaaten.<br />

Darüber hinaus bestehen zahlreiche internationale<br />

Abkommen, insbes. im Atomenergie- und Erdölsektor,<br />

an denen die Mitgliedstaaten (z. T. auch die<br />

Gemeinschaft selbst) beteiligt sind. Daraus resultierende<br />

Rechtsverbindlichkeiten bedeuten eine weitere<br />

Eingrenzung des energiepolitischen Handlungsspielraums<br />

der Gemeinschaft.<br />

2. Ziele der EU-Energiepolitik waren von Anfang an<br />

die Gewährleistung einer gleichmäßigen und flächendeckenden<br />

Energieversorgung zu niedrigen<br />

Preisen und die Versorgungssicherheit. Als weitere<br />

wichtige Zielsetzung wird heute der Umweltschutz<br />

bzw. die �„nachhaltige Entwicklung“ hervorgehoben.<br />

Heute richtet sich die EU-Energiepolitik an den<br />

langfristigen Zielen aus, wie sie zuletzt (2002) im


Grünbuch der EU zur Energieversorgungssicherheit<br />

genannt wurden (KOM 2002/769 und KOM 2002/<br />

321). Demnach ist die EU-Energiepolitik ein integraler<br />

Bestandteil der EU-Wirtschaftspolitik – basierend<br />

auf Marktintegration und Deregulierung –<br />

und zielt ab auf: Beschränkung der öffentlichen Interventionen<br />

auf die Fälle, wo es aufgrund übergeordneten<br />

öffentlichen Interesses unumgänglich notwendig<br />

erscheint; nachhaltige Entwicklung; VerbraucherschutzundwirtschaftlicherundsozialerZusammenhalt.<br />

Neben den generellen Zielsetzungen hat sich die<br />

EU-Energiepolitik auch verschiedene sektorale<br />

Zielsetzungen gesetzt: Beibehaltung des Anteils der<br />

festen Brennstoffe (Kohle) am Gesamtenergieverbrauch;<br />

Gewährleistung des höchstmöglichen Sicherheitsstandards<br />

als Grundvoraussetzung bei Planung,<br />

Bau und Betrieb von Kernkraftanlagen; Erhöhung<br />

des Anteils der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch.WährenddieEUinsgesamtbisheutedeutlicheErfolge<br />

bei der Umsetzung dieser sektoralen Zielvorstellungen<br />

erreicht hat, zeigen sich in Bezug auf den<br />

Zielerreichungsgrad zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten<br />

jedoch deutliche Unterschiede.<br />

Kommission, Parlament und Rat stimmen darin<br />

überein, dass insbes. verstärkte Anstrengungen unternommen<br />

werden sollten, um den Anteil der erneuerbaren<br />

Energien am Gesamtenergieverbrauch bis<br />

zum Jahre 2010 zumindest auf 12 % zu verdoppeln<br />

(Substitutionsprinzip). Die Kommission ist aufgefordert,<br />

dieses Ziel in konkrete Aktionen umzusetzen.<br />

Kontrovers wird auf EU-Ebene aber derzeit diskutiert,welcheMaßnahmenhierzuamgeeignetesten<br />

wären (z. B. der deutsche Weg einer „Einspeisevergütung“<br />

oder die Vorgabe einer festen Zielmarke für<br />

erneuerbare Energie wie in einigen anderen Mitgliedsländern).<br />

3. Stand und Entwicklung der EU-Energiepolitik<br />

3.1 Energieerzeugung und -verbrauch: Kurzer Gesamtüberblick.<br />

Die EU hat bereits deutliche Erfolge<br />

inBezugaufdieErreichungihrerEnergiezieleerzielt<br />

(Verringerung der Energieimportabhängigkeit, Rohölsubstitution,<br />

Energieeffizienzsteigerung und<br />

Energieeinsparung). Seit 1975 hat die EU insgesamt<br />

ihre Primärenergieerzeugung deutlich gesteigert –<br />

vor allem aufgrund der hohen Steigerungen der ÖlproduktioninGroßbritannien.TrotzeineshohenAnstiegs<br />

der Wirtschaftsleistung (Bruttosozialprodukt)<br />

Energiepolitik<br />

in den zurückliegenden drei Jahrzehnten hat sich der<br />

Bruttoenergieverbrauch in der EU jedoch deutlich<br />

weniger erhöht, die Gemeinschaft hat also Fortschritte<br />

in ihrer Zielsetzung erreicht, Wirtschaftswachstum<br />

und Energieverbrauchssteigerung zu entkoppeln.<br />

Die Energieintensität (Verhältnis von<br />

Energieverbrauch zu Sozialprodukt) zeigt damit in<br />

der Gemeinschaft insgesamt fallende Tendenz.<br />

Doch ist dieser anhaltende Rückgang der EnergieintensitätnichtnuraufSteigerungderEnergieeffizienz<br />

bzw. Anstrengungen bei der Energieeinsparung zurückzuführen,<br />

sondern basiert auf dem anhaltenden<br />

Strukturwandel (weg von der energieintensiven<br />

Schwerindustrie, hin zur weniger energieintensiven<br />

Dienstleistungswirtschaft).<br />

Die EU hat seit den 1970er Jahren auch ihre Energieabhängigkeit<br />

insgesamt (Verhältnis Energieimporte<br />

zu Gesamtenergieverbrauch) und ihre Rohölabhängigkeitreduziert(Abhängigkeitin2001:Energieinsgesamt:<br />

51,0 %, Rohöl: 32,5 %). Doch alle Prognosen<br />

signalisieren, dass diese Ziffern für die Energieabhängigkeit<br />

der EU in den nächsten Jahren (Perspektive:<br />

10 – 20-Jahre-Horizont) deutlich steigen<br />

werden (Auslaufen oder deutliche Verringerung der<br />

Öl- und Gasproduktion in Großbritannien; weiteres<br />

Zurückfahren der Kohleproduktion in der EU; Ausstieg/Verringerung<br />

im Bereich der Kernenergie).<br />

Für die einzelnen Mitgliedstaaten zeigen sich jedoch<br />

gegenüber diesen Entwicklungstendenzen in der EU<br />

insgesamt (EU-15 und ebenso EU-25) deutliche Unterschiede<br />

in Bezug auf Energieerzeugung und -verbrauch,<br />

Energieabhängigkeit und insbes. was die angestrebten<br />

Ziele Energieeinsparung und Rohölsubstitution<br />

angeht. Ebenso bestehen zwischen den Mitgliedstaaten<br />

z. T. sehr deutliche Unterschiede in bezug<br />

auf Anteile der einzelnen Energieträger aus dem<br />

Gesamtenergieverbrauch (z. B. hoher Kernenergieanteil<br />

an der gesamten Stromerzeugung in Frankreich<br />

78,2 % und 31,9 % bzw. 33,4 % für die EU-25<br />

bzw.EU-15imJahre2002;hoherAnteilderKohlean<br />

der gesamten Primärenergieerzeugung in Deutschland,<br />

Tschechien und Polen von 44,6 %, 80,8 % und<br />

89.3 % gegenüber 12,9 % für EU-15 bzw. 22,4 % für<br />

EU-25 im Jahre 2002).<br />

3.2 Einzelne Energiesektoren<br />

Feste Brennstoffe (Kohle): Die Ziele der EU-Politik<br />

sehen auch weiterhin vor, dass die Kohle einen wichtigen<br />

Beitrag zur Energieversorgung (Ziel: Energieversorgungssicherheit)<br />

leistet. Heute gibt es in der<br />

181


Energiepolitik<br />

EU nur noch vier wichtige Kohleproduzenten: Polen<br />

(70,6 Mio Tonnen in Öläquivalenten [mtoe] im Jahre<br />

2002; Deutschland: 58,7 mtoe; Tschechien: 24,2<br />

mtoe und Großbritannien: 17,5 mtoe). Auch nach<br />

den Energiepreissteigerungen (2004/2005) auf dem<br />

Weltmarkt (mit entsprechendem Anstieg auch bei<br />

den Kohlepreisen) ist Importkohle immer noch deutlich<br />

billiger als EU-Kohle. Die zur Förderung des<br />

Einsatzes der EU-Kohle insbes. in Deutschland gewährten<br />

Subventionen stoßen auf immer stärkeren<br />

Widerstand (auf Verbraucherseite, von anderen<br />

Energieanbietern; Widerspruch zur grundsätzlich<br />

marktwirtschaftlichen Ausrichtung des Energiesektors;<br />

Konkurrenz der Finanzmittel im Kohlebereich<br />

mit anderen Politikbereichen wie z. B. Forschung<br />

und Entwicklung).<br />

Kohlenwasserstoffe (Rohöl, Erdgas): Die EU-Energiepolitik<br />

zielt darauf ab, die hohe – und zukünftig<br />

voraussichtlich noch deutlich steigende – Rohölabhängigkeit<br />

zu mindern durch eine Veränderung des<br />

„energy mix“ und durch Förderung der Exploration/Erschließung<br />

heimischer Lagerstätten. Zur Verbesserung<br />

der Versorgungssicherheit soll – sofern<br />

möglich – eine Diversifizierung der Bezugsquellen<br />

und eine Bevorratungspolitik betrieben werden<br />

(Mitgliedstaaten sind von der EU verpflichtet, eine<br />

Rohölreserve von 90 Verbrauchstagen als strategischen<br />

Vorrat zu halten).<br />

Kernenergie und -brennstoffe: Der Kernenergie<br />

wird in den EU-Energiezielen auch weiterhin eine<br />

wichtige Rolle zugestanden. Doch seit dem Tschernobyl-UnfallimJahre1986istdieKernenergieinder<br />

EU sehr umstritten. Während einige Mitgliedstaaten<br />

– entsprechend der weitgehenden nationalen Souveränität<br />

im Energiebereich – auch längerfristig der<br />

Kernenergie eine wichtige Rolle zubilligen (z. B.<br />

Frankreich, Tschechien) haben sich andere (z. B.<br />

Deutschland, Belgien) mittelfristig für einen Ausstiegentschieden.AufEU-Ebenewirdaberversucht,<br />

zu einer Anhebung und größeren Vereinheitlichung<br />

der Sicherheitsstandards von Kernkraftanlagen zu<br />

gelangen. Doch trotz des EURATOM-Vertrages<br />

müssen die Befugnisse der EU-Kommission auf diesem<br />

Gebiet auch heute noch als nicht ausreichend bezeichnet<br />

werden (z. B. keine einheitlichen Standards<br />

und Vorschriften auf den Gebieten der Sicherheit<br />

und Entsorgung; keine zwingenden EU-KonsultationsvorschriftenbeiBauundBetriebvonKernkraftanlageninGrenznähe;keineklarenEU-Vorschriften<br />

182<br />

für Lagerung und Transport von Brennstoffen und<br />

nuklearem Abfall; Schwierigkeiten, gemeinsame<br />

Standards und Grenzwerte für Strahlenbelastung<br />

einzuführen; kein ausreichendes Informations- und<br />

Beobachtungssystem in der EU im Falle von Störungen<br />

bei Kernkraftanlagen; keine allgemeinen, abgestimmten<br />

Notfallprozeduren im Falle von schwerwiegenden<br />

Störfällen auf nuklearem Gebiet etc.).<br />

Fragen der nuklearen Sicherheit spielten auch in den<br />

abgeschlossenen Beitrittsverhandlungen (rund 20<br />

Kernkraftanlagen in den Beitrittsländern mit größtenteils<br />

geringerem Sicherheitsniveau als in den alten<br />

Mitgliedstaaten) eine entscheidende Rolle (z. B.<br />

strenge EU-Auflagen und Einigung auf Restlaufzeiten<br />

für Kernanlagen im Falle von Litauen und Slowakei);<br />

diese Fragen sind auch in den Beitrittsverhandlungen<br />

mit Bulgarien von besonderer Bedeutung.<br />

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz: Die<br />

Förderung von erneuerbaren Energien ist eines der<br />

Hauptziele der EU-Energiepolitik. Wie schon zuvor<br />

erwähnt, hat sich die EU das Ziel gesetzt, den Anteil<br />

der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch<br />

bis 2010 auf 12 % zu steigern (in etwa: Verdopplung)<br />

und den Anteil erneuerbarer Energien aus<br />

der gesamten Elektrizitätserzeugung bis 2010 auf<br />

22,1 % zu erhöhen (Richtlinie 2001/77, ABl. L<br />

283/2001). Das EU-Programm �„Intelligente Energie<br />

für Europa“ (Entscheidung 1230/2003, ABl. L<br />

176/2003) ist ein Rahmenprogramm mit einem Finanzvolumen<br />

von 200 Mio. Euro für den Zeitraum<br />

2003-2006); dieses Programm enthält zahlreiche<br />

Maßnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien<br />

und zur Steigerung der Energieeffizienz.<br />

Der Steigerung der Energieeffizienz dient auch die<br />

Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung (Erzeugung<br />

von Elektrizität und Wärme in einem einzigen<br />

integrierten Prozess), für die nach langer und kontroverser<br />

Diskussion im Jahre 2004 eine EU-Regelung<br />

gefundenwurde(Richtlinie2004/8,Abl.L52/2004).<br />

3.3 Forschung, Entwicklung und Demonstration:<br />

Das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung<br />

umfasst viele Projekte im Energiebereich,<br />

mit denen die Energieziele der EU unterstützt werden<br />

sollen. Diese Projekte zielen darauf ab, die Akzeptanz,<br />

Wettbewerbsfähigkeit und den Anwendungsbereich<br />

traditioneller Energieträger zu fördern<br />

(z. B. Reaktorsicherheit und Behandlung, Transport<br />

und Lagerung von Nuklearabfall; Vergasung und<br />

Verflüssigung von Kohle) oder die Anwendung neu-


erEnergieformen(erneuerbareEnergien,neueTechnologien<br />

für ein nachhaltiges Energiesystem, Kernfusion)<br />

und Energieeinsparung sowie Energieeffizienz<br />

zu unterstützen.<br />

3.4 Binnenmarkt für Energie: In der Gründungsphase<br />

der Gemeinschaft zeigten sich zwischen den einzelnen<br />

Mitgliedstaaten noch deutliche Unterschiede<br />

in Bezug auf die ordnungspolitischen Grundvorstellungen<br />

für den Energiebereich. Einzelne Sektoren<br />

(Kohle und Stahl, Kernenergie) waren durch deutliche<br />

planwirtschaftlich-dirigistische und protektionistische<br />

Komponenten geprägt, während andere<br />

Sektoren (Öl, Erdgas) eher marktwirtschaftlich geprägt<br />

waren. Dies fand auch seinen Niederschlag in<br />

den ordnungspolitischen Unterschieden zwischen<br />

den Verträgen (EGKS und EURATOM einerseits<br />

und EWG andererseits).<br />

Aber spätestens mit dem Konzept und der weitgehenden<br />

Realisierung des „Binnenmarktes 1992“ hat<br />

sich auch im Energiebereich der liberale, an marktwirtschaftlichen<br />

Grundsätzen orientierte und eindeutig<br />

auf Durchsetzung von Wettbewerbsprozessen<br />

ausgerichtete Kurs durchgesetzt. Damit hat die<br />

EU im Energiebereich, der in zahlreichen Mitgliedstaaten<br />

bis in die jüngste Zeit noch in der Hand von<br />

planwirtschaftlich gelenkten, z. T. staatlichen Monopolunternehmen<br />

lag bzw. sich in der Hand von Privatunternehmen<br />

mit Gebietsmonopolrechten befand,<br />

einen quasi revolutionären Veränderungsprozess<br />

eingeleitet.<br />

Im Energiebereich verlangt die Vollendung des Binnenmarktes<br />

die Abschaffung von zahlreichen Hindernissen<br />

und Schranken, die Annäherung von Steuer-<br />

und Preispolitiken und gemeinsame Maßnahmen<br />

in Bezug auf Normen und Standards und Umweltund<br />

Sicherheitsregelungen. Nach den schon 1990<br />

und 1991 nach langem und zähem Ringen zwischen<br />

allenBeteiligten(EU-Institutionen,nationaleRegierungen,<br />

Industrie, Verbraucher) verabschiedeten<br />

Transitrichtlinien für Strom und Gas wurde im Juli<br />

1996 eine weitere Öffnung des Elektrizitätsmarktes<br />

für große industrielle Abnehmer („Third Party Access“,<br />

TPA) eingeleitet (Richtlinie 96/92, ABl. L<br />

27/1997). Im Juni 1998 wurde schließlich auch eine<br />

entsprechende Öffnung des Gasmarktes durchgesetzt<br />

(Richtlinie 98/30, geändert durch 2003/55,<br />

ABl. L 176/2003). Die Kommission berichtet dem<br />

Europäischen Parlament im 2-Jahres-Rhythmus<br />

über die eingeleiteten Marktöffnungen.<br />

Energiepolitik<br />

Mit zwei weiteren Richtlinien für Elektrizität<br />

(2003/54, ABl. L 176/2003) und für Gas (2003/55,<br />

ABl. L 176/2003) sollten – in Verbindung mit der<br />

Verordnung 1228/2003 (ABl. L 160/2003) über die<br />

Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden<br />

Stromhandel – die Energiemärkte für Elektrizität<br />

und Gas ab 1. 7. 2004 für alle Nicht-Haushalts-<br />

Kunden (ab 1. 7. 2007 für alle Kunden) vollständig<br />

dem Wettbewerb geöffnet sein. Doch sind diese<br />

Richtlinien, die in Deutschland ihren Niederschlag<br />

im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) finden sollen,<br />

noch nicht in allen Mitgliedstaaten umgesetzt.<br />

Auf Beschluss der Kommission (2003/96, ABl. L<br />

36/2003) müssen alle Mitgliedstaaten eine Regulierungsbehörde<br />

für die Energiemärkte (Elektrizität<br />

und Gas) einrichten, die mit bestimmten Mindestbefugnissen<br />

ausgestattet sind (Überwachung der „public-service“-Verpflichtungen<br />

der Energieanbieter<br />

und Kontrolle der Liefersicherheit und der Tarife).<br />

3.5. Klimaverpflichtungen. Die EU hat sich stets zu<br />

ihrer Verpflichtung bekannt, dem Anstieg der Treibhausgase(vorallemCO2)unddendadurchimplizierten<br />

Klimaänderungen entgegenzuwirken. Insbesondere<br />

auf ihr Drängen ist im Dezember 1997 das Protokoll<br />

von Kyoto über Klimaänderungen unterzeichnet<br />

worden, in dem sich die EU verpflichtet, ihre<br />

Treibhausgasemissionen von 2008 bis 2012 im Vergleich<br />

zum Stand von 1990 um 8%zuverringern.<br />

Anfang2005istdasKyoto-ProtokollnachderRatifizierung<br />

durch Russland – nach langjährigem Drängen<br />

und viel politischer Überzeugungsarbeit seitens<br />

der EU – in Kraft getreten. Der Erfüllung der Kyoto-Verpflichtungen<br />

dient (wie im Kyoto-Protokoll<br />

vorgesehen) auch das zum Jahresbeginn 2005 in der<br />

EU eingeführte System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten<br />

– auch „Emissions<br />

Trading“ genannt (Richtlinie 2003/87, ABl. L 275/<br />

2003). In diesem System bedeutet „Zertifikat“ die<br />

Berechtigung zur Emission einer Tonne Kohlendioxid<br />

oder eines anderen Treibhausgases mit äquivalenterWirkungineinem<br />

bestimmten Zeitraum. Alle<br />

Anlagen der Sektoren Energie, Eisenmetallerzeugung<br />

und -verarbeitung, mineralverarbeitende Industrie<br />

sowie Papier- und Pappeindustrie fallen automatisch<br />

unter die Bestimmungen des Emissionshandels.<br />

Für den Betrieb dieser Anlagen, bei dem dann<br />

aufgrund energetischer Umwandlungen Treibhausgasemissionen<br />

anfallen, sind Zertifikate entsprechend<br />

dem Emissionsvolumen zwingend vorge-<br />

183


Energiepolitik<br />

schrieben. Diese Zertifikate sind zwischen den Anlagebetreibern<br />

innerhalb der EU handelbar. Diese Zertifikate<br />

selbst sind in einem nationalen Aktionsplan<br />

(NAP) in den einzelnen Mitgliedstaaten den jeweiligen<br />

Anlagebetreibern von den nationalen Regierungen<br />

(in Deutschland: Bundesministerium für Umwelt)<br />

nach langwierigen Verhandlungen zugeteilt<br />

worden. Mittels dieses Systems soll auf kostenwirksame<br />

Weise eine Verringerung der Treibhausgasemissionen<br />

erreicht werden. Die im Kyoto-Protokoll<br />

auch genannten projektbezogenen Mechanismen<br />

(„Joint Implementation" und „Clean Development<br />

Mechanism" für Projekte zur CO2-Reduktion in sog.<br />

Schwellenländern und in weniger entwickelten Ländern)<br />

können im EU-Emissionshandelssystem mitberücksichtigt<br />

werden (Richtlinie 2004/101, ABl. L<br />

338/2004). Die dort erbrachten Emissionsreduktionen<br />

können sich Anlagebetreiber in der EU anrechnen<br />

lassen.<br />

Gegenwärtig wird auf EU-Ebene intensiv diskutiert,<br />

welche Strategie seitens der Gemeinschaft in der<br />

„Nach-Kyoto“-Phase (nach 2012) eingeschlagen<br />

werden soll (z. B. weitere Emissionsreduktionen;<br />

verstärkte Bemühungen auf internationaler Ebene,<br />

weitere Länder – wie USA, China etc. – in den Kyoto-Prozess<br />

mit einzubeziehen).<br />

3.6 Internationale Kooperationen. Nach dem Ende<br />

der Trennung Europas durch den Eisernen Vorhang<br />

hatte der Europäische Rat im Juni 1990 in Dublin angeregt,<br />

durch eine intensive Zusammenarbeit im<br />

Energiebereich mit den Ländern Osteuropas und der<br />

ehemaligen Sowjetunion die Wirtschaftsentwicklung<br />

dieser Länder zu beschleunigen und die Energie-Versorgungssicherheit<br />

der Gemeinschaft zu verbessern.<br />

Auf Initiative der EU-Kommission kam es<br />

1991 in Den Haag zur Unterzeichnung der Energiecharta.<br />

In dem späteren Vertrag über die Energiecharta<br />

kamen im Dezember 1994 in Lissabon die 49<br />

Unterzeichnerstaaten (ohne USA und Kanada) überein,<br />

die industrielle Zusammenarbeit zwischen Ostund<br />

Westeuropa zu fördern, indem es auf dem Gebiet<br />

der Investitionen, des Transits und des Handels mit<br />

Primärenergieträgern und Energieerzeugnissen<br />

Rechtssicherheit schafft (ergänzt durch das EnergiechartaprotokollüberEnergieeffizienzunddamitverbundene<br />

Umweltaspekte).<br />

Der Verbesserung der Ost-Europa-Beziehungen im<br />

Energiebereich dient insbes. die Energiepartnerschaft<br />

EU-Russland, die auf einem bilateralen Gip-<br />

184<br />

feltreffen am 30. 10. 2000 in Paris begründet wurde.<br />

Ziel ist der Ausbau der Beziehungen im Energiebereich,<br />

um die Investitionsmöglichkeiten im russischen<br />

Energiesektor zu verbessern, die Infrastruktur<br />

zu modernisieren und die Energieeffizienz und umweltfreundliche<br />

Technologien zu fördern.<br />

Für die EU ist es von zentralem Interesse, die Rolle<br />

Russlands als Erdgas- und Erdölversorger des EU-<br />

Marktes zu günstigen und wirtschaftlichen Bedingungenaufrechtzuerhaltenundauszubauen.DerEU<br />

ist gleichfalls daran gelegen, die Infrastrukturkapazitäten<br />

Russlands als sicherem und zuverlässigem<br />

LieferlanddurchdenTransfervonTechnologienund<br />

durch Investitionen zu stärken.<br />

Die angesprochene Verbindung mit Osteuropa im<br />

Energiesektor ist auch Zielsetzung der von der EU-<br />

Kommission seit 1999 eingeleiteten „Verstärkung<br />

der nördlichen Dimension der europäischen Energiepolitik“<br />

(konzentriert sich vor allem auf die Ostseeanrainerstaaten<br />

einschl. Norwegen und die Nordwestregion<br />

Russlands einschl. Kaliningrad).<br />

Ein weiterer wichtiger Eckpunkt in der internationalen<br />

Kooperation im Energiebereich ist die „Zusammenarbeit<br />

Europa-Mittelmeer“, wie sie 1995 in Barcelona<br />

(�„Barcelona-Prozess“) zwischen den 12<br />

Mittelmeer-Partnerländern und der EU für einen<br />

breit gefächerten Politikbereich eingeleitet wurde.<br />

Der Energiesektor erfordert insbes. aus zwei Gründen<br />

die enge Zusammenarbeit: Geographische Bedeutung<br />

der Mittelmeerländer als Brücke zu den für<br />

die EU wichtigsten Exportländern (Golf- und Kaukasusstaaten);<br />

bedeutende Erdöl- und Erdgasreserven<br />

in einigen Partnerländern (insbes. Algerien, Libyen).<br />

In der internationalen Kooperation im Energiebereich<br />

wird seitens der EU der Zusammenarbeit mit<br />

Entwicklungsländern immer größere Bedeutung<br />

eingeräumt. Der Energiesektor ist von zentraler Bedeutung<br />

für die drei Dimensionen der nachhaltigen<br />

Entwicklung: die soziale Dimension (Kampf gegen<br />

die Armut), die wirtschaftliche Dimension (Sicherheit<br />

der Energieversorgung) und die Umweltdimension<br />

(Umweltschutz). Insbesondere seit dem Weltgipfel<br />

für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg<br />

im September 2002 versucht die EU, auch auf dem<br />

Energiesektor ihre Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern<br />

zu verstärken.<br />

4. Ausblick. In dem zur Ratifizierung anstehenden<br />

�Verfassungsvertrag 2004 ist erstmals ein Energie-


kapitel eingefügt (Artikel III-256), das – neben Verbesserung<br />

der Umwelt – insbes. folgende Ziele benennt:<br />

Sicherung des Energiemarktes und der Energieversorgungssicherheit,<br />

Förderung der Energieeffizienz<br />

und Entwicklung erneuerbarer Energiequellen.<br />

Für drei Bereiche sieht die EU-Verfassung Ausnahmen<br />

vor: Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Sicherung<br />

der Energieversorgung, zur Ausbeutung eigener<br />

Energieressourcen und solche überwiegend<br />

steuerlichen Charakters. Zu einer – wegen einer nur<br />

unzureichenden Beteiligung des Europäischen Parlaments<br />

am Entscheidungsverfahren häufig geforderten<br />

– Reform des EURATOM-Vertrages konnte<br />

sich der Verfassungskonvent nicht durchringen.<br />

Falls die EU-Verfassung und damit das Energiekapitel<br />

in Kraft treten sollten, würde dies sicherlich der<br />

EU-Energiepolitik zu neuem Schwung verhelfen<br />

und neue energiepolitische Aktivitäten einleiten.<br />

Unstrittig ist, dass die Fragen Versorgungssicherheit,<br />

Energiepreisentwicklung und Klimaschutz die<br />

energiepolitische Debatte in der EU auch in absehbarer<br />

Zeit beherrschen werden. Nicht zu vergessen,<br />

dass plötzliche Ereignisse (z. B. gravierende Anschläge<br />

oder Unfälle im Erzeugungssektor oder auf<br />

den Transportwegen) die Energiepolitik als wichtigsten<br />

Aspekt unseres Wirtschaftens jederzeit wieder<br />

schlagartig ins Rampenlicht rücken könnten.<br />

P. P.<br />

Literatur:<br />

Nuscheler, U.: Energiepolitik. In:<br />

Weidenfeld, W., Wessels, W. (Hg), Jahrbuch der Europäischen<br />

Integration 2003/2004. Bonn 2004<br />

Internet: http://europa.eu.int/comm/energy/index_de.html<br />

Energy Star ist ein Stromsparzeichen der USA für<br />

Bürogeräte (PC, Bildschirme, Faxgeräte, Drucker<br />

usw.), das durch ein 2001 geschlossenes Abkommen<br />

zwischen den USA und der EU (ABl. L 172/2001)<br />

auch in der EU Verwendung findet. Die Modalitäten<br />

dafür wurden durch Verordnung des Rates und des<br />

EPvom6.11.2001festgelegt(ABl.L332/2001).<br />

Enthaltung, positive/konstruktive, ist die Möglichkeit<br />

eines Ratsmitglieds, bei einer Beschlussfassung<br />

im Rahmen der �GASP, die Einstimmigkeit<br />

verlangt, sich der Stimme zu enthalten, ohne damit<br />

einVetorechtauszuüben,alsoohnedenBeschlusszu<br />

blockieren (Art. 23 Abs. 1 EUV).<br />

Entkoppelung der Zahlungen von der Produktion<br />

bzw. der Tierzahl �Gemeinsame Agrarpolitik<br />

Entlastung. Nach Prüfung der Rechnung über alle<br />

Einnahmen und Ausgaben der Gemeinschaft und der<br />

von der Gemeinschaft geschaffenen Einrichtungen<br />

(gem. Art. 248 EGV) erstellt der Rechnungshof einen<br />

Jahresbericht, der den anderen Organen zur Stellungnahme<br />

vorgelegt und mit den Antworten der Organe<br />

im Amtsblatt veröffentlicht wird. Der Rechnungshof<br />

legt darüber hinaus dem Rat und dem Parlament<br />

eine Erklärung über die Zuverlässigkeit der<br />

Rechnungsführung sowie die Rechtmäßigkeit und<br />

Ordnungsmäßigkeit der Ausführung des Haushaltsplans<br />

vor. Der Bericht und die Erklärung dienen dem<br />

Europäischen Parlament als Grundlage für die Entlastung<br />

der Kommission zur Ausführung des Haushaltsplans<br />

gem. Art. 276 EGV. Die Kommission<br />

übermittelt dem Rat und dem Parlament zudem für<br />

das abgelaufene Haushaltsjahr einen Rechenschaftsbericht<br />

über alle Einnahmen und Ausgaben sowie<br />

über das Vermögen und die Schulden der Gemeinschaft<br />

(Art. 275 EGV).<br />

Der Rat gibt mit qualifizierter Mehrheit eine Empfehlung<br />

zur Entlastung ab. Danach prüft das Parlament<br />

den Rechenschaftsbericht der Kommission sowie<br />

den Jahresbericht des Rechnungshofs und dessen<br />

Zuverlässigkeitserklärung. Es kann dazu von der<br />

Kommission alle notwendigen Auskünfte einholen.<br />

Als Abschluss des Verfahrens erteilt oder verweigert<br />

das Parlament der Kommission die Entlastung zur<br />

Ausführung des Haushaltsplans (bisher einmal Verweigerung<br />

der Entlastung für den Haushalt 1996).<br />

Die Kommission ist gehalten, den in den Entlastungsbeschlüssen<br />

von Rat und Parlament enthaltenen<br />

Bemerkungen und Erläuterungen nachzukommen<br />

und muss auf Ersuchen des Rats oder des ParlamentsüberergriffeneMaßnahmenBerichterstatten.<br />

Entscheidung �Rechtsakte der EU<br />

Entschließung<br />

Entschließung(en). Form der politischen Willensäußerung<br />

des Europäischen Rates, des Rates der EU<br />

oder des Europäischen Parlaments (EP) ohne rechtlich<br />

bindende Wirkung, aber oft von erheblicher politischer<br />

Bedeutung.<br />

Das EP nutzt die Entschließung als Mittel, seinen<br />

Auffassungen Publizität und Geltung zu verschaffen.<br />

Der Rat fasst Entschließungen u. a. im Rahmen der<br />

�Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, um<br />

eine gemeinsame Haltung zu Fragen der Weltpolitik<br />

185


Entsendung von Arbeitnehmern<br />

oderfürVerhandlungenininternationalenOrganisationen<br />

oder Konferenzen festzulegen.<br />

Entschließungen des Europäischen Rates haben der<br />

EG/EU mehrfach Impulse zu weiterer �Integration<br />

gegeben, so zur Errichtung des �Europäischen Währungssystems,<br />

in der �Energiepolitik und der �Regionalpolitik.<br />

Ähnliche Bedeutung wie Entschließungen können<br />

auch Erklärungen (Deklarationen) haben, so die „ErklärungderGrundrechteundGrundfreiheitendesEP<br />

(1989) oder die �„Feierliche Erklärung zur Europäischen<br />

Union“ des Europäischen Rates (1983).<br />

Entsendung von Arbeitnehmern.UmeinHindernis<br />

für die Verwirklichung der �Dienstleistungsfreiheit<br />

im Binnenmarkt auszuräumen, wurde 1996 die<br />

„Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern<br />

im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen“<br />

erlassen (96/71, ABl. L 18/1997), die bis spätestens<br />

16. 12. 1999 in nationales Recht umgesetzt sein<br />

musste. Die Richtlinie gilt für Unternehmen, die Arbeitnehmer<br />

vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat<br />

schicken, um dort vertraglich vereinbarte<br />

Leistungenzuverrichten.SiegiltnichtfürSchiffsbesatzungen<br />

von Unternehmen der Handelsmarine.<br />

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten,<br />

dafür zu sorgen, dass den in ihr Hoheitsgebiet<br />

entsandten Arbeitnehmern jene Arbeits- und<br />

Schutzbestimmungen garantiert werden, die dort<br />

aufgrund von Rechtsvorschriften oder tariflichen<br />

Vereinbarungengelten.Dasbetrifftinsbes.Mindestlohnsätze,<br />

Höchstarbeitszeiten, den bezahlten Mindestjahresurlaub,<br />

die Sicherheit und den Gesundheitsschutz<br />

am Arbeitsplatz, die Gleichbehandlung<br />

von Frauen und Männern sowie Schutzmaßnahmen<br />

für Schwangere, Kinder und Jugendliche.<br />

Artikel4derRichtlinieverpflichtetdieMitgliedstaaten<br />

zur Zusammenarbeit beim Austausch von Informationen<br />

über die Einhaltung der Bestimmungen,<br />

z. B. zur unentgeltlichen gegenseitigen Amtshilfe<br />

bei begründeten Anfragen von Behörden.<br />

Entwicklungspolitik<br />

1. Begriff und Entwicklung. Entwicklungspolitik ist<br />

die Summe aller Mittel und Maßnahmen, die von<br />

Entwicklungs- und Industrieländern eingesetzt/ergriffen<br />

werden, um die wirtschaftliche und soziale<br />

Entwicklung der Entwicklungsländer zu fördern,<br />

d. h. die Lebensbedingungen ihrer Menschen zu ver-<br />

186<br />

bessern. Sie erfordert organisierte Trägergruppen in<br />

Entwicklungs- und Industrieländern und ein den entwicklungspolitischen<br />

Zielsetzungen angepasstes Instrumentarium.<br />

In der EU ist die Zuständigkeit für die Entwicklungspolitikgeteilt;sieliegtzumeineninderHanddereinzelnen<br />

Mitgliedstaaten, zum anderen in der Hand der<br />

Gemeinschaft. Die Ursprünge der Entwicklungspolitik<br />

der EG gehen auf den EWG-Gründungsvertrag<br />

von 1957 zurück. Damals wurden die noch abhängigen<br />

außereuropäischen Länder und Hoheitsgebiete<br />

(Kolonien) der EWG-Gründerstaaten Frankreich,<br />

Belgien, Niederlande und Italien in einer Art Freihandelszone<br />

mit der EWG assoziiert und der erste<br />

�Europäische Entwicklungsfonds stellte Mittel zur<br />

HilfefürdieseTerritorienzurVerfügung.Wegendes<br />

Fehlens vertraglich abgesicherter Gemeinschaftskompetenzen<br />

für den Bereich Entwicklungspolitik<br />

erfolgte die Wahrnehmung entwicklungspolitischer<br />

AufgabendurchRückgriffaufRechtsgrundlagenanderer<br />

Politikbereiche. Grundlage für die �Assoziierung<br />

waren die Art. 131–136 EWGV. Aus dieser einseitigen<br />

Anbindung der damaligen Kolonien dieser<br />

Mitgliedstaaten an die EWG entwickelte sich nach<br />

ihrer Unabhängigkeit Anfang der 1960er Jahre und<br />

nach dem Beitritt Großbritanniens zur EG 1973 eine<br />

zunehmend partnerschaftliche EntwicklungszusammenarbeitzwischenderGemeinschaftund(2005)78<br />

Entwicklungsländern Afrikas, der Karibik und des<br />

pazifischen Raumes (�AKP-Staaten). Sie wurde mit<br />

den �Jaunde-Abkommen I und II, denen die �Lomé-Abkommen<br />

I bis IV (1975 – 1979, 1980 – 1984,<br />

1985 – 1989, 1990 – 1999) und das Abkommen von<br />

�Cotonou (seit 1. 4. 2003 in Kraft) folgten, auf eine<br />

vertragliche Grundlage gestellt.<br />

Darüber hinaus eröffneten Art. 228 und 238 EWGV<br />

die Möglichkeit, auch mit anderen Staaten Assoziierungsabkommen<br />

zu schließen. Weitere entwicklungspolitische<br />

Aktivitäten stützten sich bis zum Inkrafttreten<br />

des Vertrages über die Europäische<br />

Union (1993) vor allem auf die Zuständigkeiten der<br />

Gemeinschaft im Handels- und Agrarbereich (Art.<br />

113 bzw. 43 EWGV) und die allgemeine Handlungsermächtigung<br />

zur Verwirklichung der Vertragsziele<br />

(Art. 235 EWGV). Obwohl die Entwicklungszusammenarbeit<br />

in den Römischen Verträgen nicht als eigenständiger<br />

Politikbereich ausgewiesen ist, haben<br />

sich so auf Grund der Erweiterung der EWG, des<br />

wachsenden Selbstbewusstseins der unabhängig ge-


wordenen Entwicklungsländer und der Erkenntnis<br />

der wechselseitigen Abhängigkeit insbes. nach der<br />

ersten Erdölkrise (1973/74) die Beziehungen zwischen<br />

EWG und Entwicklungsländern über die Zusammenarbeit<br />

mit den AKP-Staaten hinaus zu einer<br />

weltweiten entwicklungspolitischen Kooperation<br />

erweitert. Erst mit dem �Maastrichter Vertrag über<br />

dieEuropäischeUnionwirddieEntwicklungspolitik<br />

als eigenständiger Bereich im EG-Vertrag verankert<br />

(Art. 177 – 181 EGV). Damit ist das rechtliche Fundament<br />

für die weitere Europäisierung der Entwicklungszusammenarbeit<br />

geschaffen.<br />

2. Formen der Zusammenarbeit: Im Rahmen der<br />

„globalen Mittelmeerpolitik“ hat die EG bereits in<br />

den siebziger Jahren mit den Maghreb-Ländern Marokko,<br />

Algerien und Tunesien, mit den Ländern des<br />

Maschrik (Ägypten, Syrien, Jordanien, Libanon),<br />

mit Israel, der Türkei, Zypern und Malta Kooperationsabkommen<br />

über handelspolitische, industrielle,technischeundfinanzielleZusammenarbeitabgeschlossen;<br />

sie wurden einzeln (bilateral) ausgehandelt.<br />

Mitte der 1970er Jahre wurden die entscheidenden<br />

Schritte zu einer Ausweitung der Zusammenarbeit<br />

mit den Ländern Lateinamerikas und Asiens getan.<br />

Sie führte zu Kooperationsabkommen mit einzelnen<br />

asiatischen und lateinamerikanischen Ländern<br />

(z. B. Jemen, Indien, Pakistan, Bangladesch,<br />

Golfstaaten, China, Brasilien, Argentinien) sowie<br />

mit Organisationen für regionale Integration/Zusammenschlüsse,<br />

dem Andenpakt 1983 (Bolivien,<br />

Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela), den Ländern<br />

Zentralamerikas 1985 (Costa Rica, Guatemala,<br />

Honduras, Nicaragua, Panama, EI Salvador) und mit<br />

den ASEAN-Staaten 1980 (Indonesien, Malaysia,<br />

Philippinen, Singapur, Thailand, seit 1984 Brunei).<br />

Die Abkommen mit diesen Staaten und Staatengruppen<br />

haben eher Rahmencharakter, weil sie weder<br />

Handelspräferenzen noch konkrete Zusagen für Finanzhilfe<br />

enthalten. Bisher haben über 100 Länder<br />

der (ehem.) Dritten Welt und die meisten Nachfolgestaaten<br />

der ehemaligen Sowjetunion Kooperationsabkommen<br />

mit der EG/EU abgeschlossen. Dementsprechend<br />

erfolgt die finanzielle Abwicklung der<br />

Verträge im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit<br />

unterschiedlich:<br />

a) mit den AKP-Staaten über den Europäischen Entwicklungsfonds,<br />

b) mit den Ländern des Mittelmeerraums über Finanzprotokolle,<br />

Entwicklungspolitik<br />

c) mit Ländern, für die in den Abkommen mit der<br />

EG/EU finanzielle Hilfe nicht ausdrücklich vorgesehen<br />

ist, über ein besonderes Budget.<br />

Über die Assoziierungs- und Kooperationsabkommen<br />

und die nationale Entwicklungszusammenarbeit<br />

hinaus hat sich die EU in verschiedenen anderen<br />

Formen aktiv an der Nord-Süd-Zusammenarbeit beteiligt:<br />

�Nahrungsmittelhilfe (meist kostenlos), Katastrophenhilfe,<br />

finanzielle Unterstützung von<br />

Nichtregierungsorganisationen und seit 1971 Anwendung<br />

des Systems der �allgemeinen Zollpräferenzen<br />

(APS) zu Gunsten der Entwicklungsländer,<br />

das 1970 im Rahmen der �UNCTAD (United Nations<br />

Conference on Trade and Development) entwickelt<br />

wurde.<br />

3. Ziele, Instrumente und Maßnahmen der Entwicklungspolitik:<br />

Ziele, Umfang, Formen und Inhalte der<br />

Entwicklungspolitik/-zusammenarbeit der EU haben<br />

sich seit den 1990er Jahren aufgrund der veränderten<br />

politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />

Rahmenbedingungen stark gewandelt. Neben die ursprünglichen<br />

Zielsetzungen<br />

– Unterstützung der Eigenanstrengungen der Entwicklungsländer,<br />

– Förderung der Ernährungsunabhängigkeit mit<br />

Vorrang der ländlichen Entwicklung,<br />

– Entwicklung der menschlichen Ressourcen und<br />

Berücksichtigung der kulturellen Dimension,<br />

– Entwicklung autonomer Kapazitäten in Wirtschaft,<br />

Forschung und Entwicklung,<br />

– Nutzung der in den Entwicklungsländern vorhandenen<br />

heimischen Ressourcen,<br />

– Harmonische Eingliederung der Entwicklungsländer<br />

in die Weltwirtschaft<br />

sind neue getreten:<br />

– Wirtschaftlich, sozial- und umweltverträgliche<br />

nachhaltige Entwicklung,<br />

– Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit<br />

und der Marktwirtschaft sowie eine berechenbare<br />

entwicklungsfördernde Wirtschaftspolitik,<br />

– Einhaltung der Menschenrechte und<br />

– Zentrierung aller entwicklungspolitischen Anstrengungen<br />

auf die Bekämpfung der Armut.<br />

DieEUhataufdemMillenniumsgipfelderVereinten<br />

Nationen (2000), auf den großen Weltgipfeln in<br />

Doha/Katar zur Eröffnung der 9. Welthandelsrunde<br />

(2001, �WTO), in Monterrey/Mexiko (2002) zur<br />

Entwicklungsfinanzierung und in Johannesburg<br />

(2002) auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwick-<br />

187


Entwicklungspolitik<br />

lung ausdrücklich ihre Verpflichtung, sich für die<br />

Einlösung der großen Entwicklungsziele einzusetzen,bekräftigt.NebendenMaßnahmenderHandelsund<br />

Assoziierungspolitik, die auch viele Länder<br />

Asiens und Lateinamerikas sowie die noch nicht zur<br />

EU gehörigen Länder Mittel- und Osteuropas und<br />

der ehemaligen UdSSR einschließen, gehören die<br />

Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen<br />

und die Koordinierung der Entwicklungspolitiken<br />

der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zu<br />

den wichtigsten entwicklungspolitischen Aufgaben<br />

der EU.<br />

4. Neue Akzente im 21. Jahrhundert: Seit Beginn des<br />

21. Jhs. wird die EU-Entwicklungspolitik zunehmend<br />

stärker in die außen- und sicherheitspolitische<br />

Diskussion einbezogen, zumal die Europäische<br />

Union als internationaler Akteur eine immer wichtigere<br />

Rolle spielt. Ob dieser Prozess zu einer Verwässerung<br />

oder zu einer schärferen Akzentuierung der<br />

zentralen entwicklungspolitischen Aufgaben – Armutsbekämpfung<br />

und nachhaltige Entwicklung –<br />

führt, bleibt abzuwarten. Über die in den 1990er Jahren<br />

in die europäische Entwicklungspolitik eingebrachten<br />

politischen Aspekte (Demokratie, Menschenrechte,<br />

Rechtsstaatlichkeit, gute Staatsführung)hinausspieltmehrundmehrdieSicherheitsfrage<br />

eine zentrale Rolle. Entwicklung braucht innere<br />

und äußere Sicherheit. Zur Vermeidung bzw. Entschärfung<br />

gewaltsamer Konflikte nimmt die Verknüpfung<br />

entwicklungspolitischer mit militärischen<br />

Maßnahmen zu. Beispiele dafür sind die finanzielle<br />

Unterstützung des ECOWAS-Militäreinsatzes in LiberiadurchdieEUmitMittelnausdem<br />

�EEFundder<br />

Einsatz deutscher Militär-Transportflugzeuge im<br />

Rahmen der Lösung des Flüchtlingselends in Darfour/Sudan.<br />

Konfliktprävention ist unverzichtbare<br />

Voraussetzung für erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit.<br />

An den Konfliktursachen anzusetzen,<br />

ist die beste Präventionsstrategie; Militäreinsätze<br />

sollten nur dann erfolgen, wenn alle anderen Mittel<br />

wirkungslos bleiben. Kritiker, insbes. Vertreter<br />

188<br />

von �Nichtregierungsorganisationen (NROs) lehnen<br />

den Einsatz militärischer Mittel im Rahmen der<br />

Entwicklungszusammenarbeitstriktab.Siebefürchten,<br />

dass Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit<br />

der Außen- und Sicherheitspolitik untergeordnet<br />

werden und so ihre Eigenständigkeit verlieren könnten.<br />

Umgekehrt wächst aber auch die Einsicht, dass<br />

der Einsatz militärischer Mittel zur Eindämmung<br />

von Konflikten Voraussetzung für strukturelle Maßnahmen<br />

der Entwicklungszusammenarbeit ist.<br />

Die Verknüpfung von Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit<br />

mit der Außen- und Sicherheitspolitik<br />

wird auch im Europäischen �Verfassungsvertrag<br />

2004 deutlich. Hier soll die Entwicklungszusammenarbeit<br />

zusammen mit der Gemeinsamen Außenund<br />

Sicherheitspolitik sowie mit der gemeinsamen<br />

�Handelspolitik zum „Auswärtigen Handeln der<br />

Union“(TeilIII,TitelV)zusammengefasstwerden.<br />

Einen unbefriedigenden Verlauf nahm bisher die<br />

2001 begonnene 9. Welthandelsrunde, die als „Entwicklungsrunde“<br />

angekündigt worden war, aber<br />

noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt hat.<br />

Auf der Ministerkonferenz in Cancún (Mexiko,<br />

2003)kameswederzueinerEinigungüberdiefürdie<br />

Entwicklungsländer wichtigen Themen „Abbau der<br />

Agrarsubventionen, Zugangserleichterungen für<br />

nichtagrarische (arbeitsintensive) Produkte zu den<br />

Märkten der lndustrieländer“, noch waren die Industrieländer<br />

bereit, auf die Behandlung anderer Themen<br />

(sog. Singapur-Themen, Dienstleistungen) zu<br />

verzichten. Die EU signalisierte erst Kompromissbereitschaft,<br />

als das Scheitern nicht mehr zu verhindern<br />

war. Inzwischen hat die EU angekündigt, bei<br />

den weiteren Verhandlungen eine führende Rolle<br />

einzunehmen. Die Europäische Kommission hat einen<br />

Aktionsplan mit Vorschlägen zur Unterstützung<br />

der Entwicklungsländer bei der Bewältigung von<br />

Preisschwankungen bei Agrarrohstoffen auf dem<br />

Weltmarkt ausgearbeitet. Dass die EU ihre entwicklungspolitische<br />

Neuausrichtung ernst zu nehmen<br />

scheint lässt, sich daran erkennen, dass sie damit be-<br />

Mittel für Entwicklungszusammenarbeit in Mrd. US-Dollar (netto)<br />

1975 1980 1985 1990 1995 2000 2003<br />

EG-/EU-Staaten 6,1 13,0 11,6 26,4 31,3 25,2 37,1<br />

USA 4,2 7,1 9,4 11,4 7,4 10,0 16,3<br />

Japan 1,1 3,4 3,8 9,1 14,5 13,5 8,9<br />

Quelle: OECD/DAC 2004, World Bank Global Development Finance 2005


gonnen hat, die Entwicklungsfinanzierung gem. ihrer<br />

Zusage in Monterrey zu verstärken. Auch ihre Initiative<br />

„Alles außer Waffen“ und der erfolgreiche<br />

Abschluss des �Cotonou-Abkommens mit den<br />

AKP-Staaten weisen in diese Richtung. Als erfolgreich<br />

kann auch die �Mittelmeerpolitik der EU gelten,<br />

die bis 2010 die Errichtung einer Freihandelszone<br />

mit den südlichen und östlichen Mittelmeerländern<br />

vorsieht.<br />

Trotz wesentlicher Fortschritte weist die Entwicklungspolitik<br />

der Gemeinschaft auch Schwachstellen<br />

und offene Fragen auf:<br />

– Die Harmonisierung der Entwicklungspolitiken<br />

der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten ist noch<br />

nicht gelungen;<br />

– Gleiches gilt für das Gebot der Kohärenz der entwicklungsbezogenen<br />

Politikbereiche sowohl der EU<br />

als auch ihrer Mitgliedsländer (insbes. der �Gemeinsamen<br />

Agrar-, �Außenhandels-, �Struktur- und<br />

�Umweltpolitik).<br />

Viele Entwicklungsländer befürchten, dass mit der<br />

Erweiterung der EU um 10 neue Mitglieder und der<br />

Verschiebung der Außengrenzen die traditionellen<br />

Bindungen mit den AKP-Staaten beiseite geschoben<br />

werden und sicherheitspolitische Aspekte in den<br />

Mittelpunkt treten könnten.<br />

Prüfstein für die künftige Entwicklungspolitik wird<br />

sein, ob die neuen Schwerpunkte Armutsbekämpfung,<br />

Achtung der Menschenrechte, Demokratiegebot,<br />

good governance und Rechtsstaatlichkeit neben<br />

berechtigten außen- und sicherheitspolitischen AspektenzumZugekommenwerden.<br />

K.E.<br />

Literatur:<br />

Bellers, J./Meyers, Z. (Hg.): Europa in der entwicklungspolitischen<br />

Verantwortung. Münster 1992<br />

Europäische Kommission: Grünbuch über die Beziehungen<br />

zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten an<br />

der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Luxemburg 1997<br />

Dies.: Gesamtbericht der Europäischen Union 1999 – 2004<br />

Kasch, V.: Der Vertrag von Maastricht: Neue Ansätze der<br />

EG-Entwicklungspolitik. In: E+Z1/1993, S. 17 ff.<br />

Kevenhörster, P./Woyke, W. (Hg.): Der Politikdialog zwischen<br />

der Europäischen Gemeinschaft und den AKP-Staaten.<br />

Münster 1992 (darin: Taake, H.-H.: Neue Herausforderungen<br />

und Akzente in der Entwicklungspolitik der Europäischen<br />

Gemeinschaft in den kommenden Jahren S. 4–11)<br />

Menck, K. W.: Die Förderung der regionalen Zusammenarbeit<br />

zwischen den Entwicklungsländern durch die Europäische<br />

Union. Aus Politik und Zeitgeschichte B 12/96, S. 18–25<br />

Tanous-I.: Entwicklungspolitik. In: Weidenfeld, W./Wessels,<br />

W. (Hg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 2002 – 2003,<br />

2003 – 2004<br />

EPA (European Parents Association). Europäische<br />

Elternorganisation mit Sitz in Brüssel. Vereinigt<br />

über 50 Elternorganisationen aus 23 europäischen<br />

Ländern. Die EPA stellte 1991 eine „Charta der<br />

Rechte und Pflichten von Eltern in Europa“ („Charter<br />

of the Rights and Responsibilities of Parents in<br />

Europe“) auf.<br />

Anschrift: Rue de Trèves 49 bte 8, B–1040 Brüssel<br />

Internet: www.epa-parents.org<br />

EPZ �Europäische Politische Zusammenarbeit<br />

EQUAL �Regionalpolitik<br />

Erasmus �Bildungsprogramme<br />

Erklärungen<br />

Erasmus MundusisteinProgrammderEUzurFörderung<br />

der Kooperation und der Mobilität mit Drittstaaten<br />

weltweit im Hochschulbereich (Laufzeit<br />

2004 – 2008). Es umfasst vier Aktionen: Masterstudiengänge,<br />

Stipendien, Partnerschaften sowie Aktionen<br />

zur Steigerung des Interesses an der europäischen<br />

Hochschulbildung (ABl. L 345/2003). Es ergänzt<br />

und erweitert bestehende regionale Programme<br />

wie �Tempus, �ALFA und �Asia-Link und gliedertsichindenRahmendes�Bologna-Prozessesein.<br />

Internet: europa.eu.int/comm/education<br />

ERF (European Research Forum), Europäisches<br />

Forschungsforum. Entstanden durch Zusammenfassung<br />

des Beratenden Ausschusses für industrielle<br />

Forschung und Entwicklung (�IRDAC) und der Europäischen<br />

Wissenschafts- und Technologieversammlung(�ESTA).BeratendesGremiumderEuropäischen<br />

Kommission im Bereich Forschung und<br />

Technologie. Seine rd. 60 Mitglieder bilden zwei<br />

Kammern: Hochschul- und Wissenschaftskammer,<br />

Kammer für Industrie, Dienstleister und Nutzer.<br />

Erklärungen (als Anhang von Verträgen) �Protokolle/Erklärungen<br />

Erklärungen im Zusammenhang mit dem �Bologna-Prozess:<br />

�Berlin-E., �Bologna-E., �Florenz-E.,<br />

�Kopenhagen-E., �Prager E., �Sorbonne-E.<br />

Erklärungen, schriftliche des EP. Nach Art. 116<br />

der Geschäftsordnung des EP können bis zu fünf Abgeordnete<br />

eine schriftliche Erklärung zu Tätigkeiten<br />

189


Erklärung von Luxemburg<br />

der EU einreichen. Sie wird öffentlich ausgelegt zur<br />

Unterzeichnung durch weitere Abgeordnete. Wenn<br />

nach drei Monaten die Mehrheit der Mitglieder des<br />

EP unterzeichnet hat, ist die Erklärung angenommen,<br />

wenn nicht, ist sie hinfällig. Der Präsident teilt<br />

dem Plenum die Annahme einer Erklärung mit. Sie<br />

wird ins Protokoll der Sitzung aufgenommen und<br />

denInstitutionenderEUübermittelt,dieinderErklärung<br />

angesprochen sind.<br />

Erklärung von Luxemburg �Europäischer Wirtschaftsraum<br />

(EWR)<br />

Erklärung zur Zukunft der Union �Post-Nizza-<br />

Prozess<br />

Ernährungssicherheit �Europäisches Netz für Ernährungssicherheit<br />

Erste Säule �Tempelstruktur<br />

Erwachsenenbildung / Weiterbildung<br />

BegriffundAufgabevonErwachsenenbildunghaben<br />

sich in der supranational verfassten EU erst in einem<br />

längeren Entwicklungsprozess zu einem die Souveränitätsrechte<br />

der Mitgliedstaaten berücksichtigenden,<br />

integralen Bestandteil ihres Aufgabenspektrums<br />

durchsetzen können.<br />

1. Zur Terminologie: Diese Entwicklung spiegelt<br />

sich auch terminologisch wider. Am Beginn der<br />

EU-Institutionengeschichte begreift die Europäische<br />

Gemeinschaft die „berufliche Bildung“ allenfalls<br />

als eine flankierende Maßnahme im wirtschaftlichenOrdnungs-undEinigungsprozess;inderMitte<br />

der 1970er Jahre finden sich in Harmonisierungskonzepten<br />

bereits Begriffe wie „berufliche Erwachsenenbildung“<br />

und „Migranten-/Jugendbildung“;<br />

heute stehen Erwachsenenbildung und berufliche<br />

und allgemeine Bildung fast gleichberechtigt nebeneinander.<br />

Die begriffliche Differenzierung von Erwachsenenbildung<br />

und Weiterbildung, die in der<br />

Bundesrepublik mit dem Strukturplan des Deutschen<br />

Bildungsrates (1970) beginnt und sich im Bildungsgesamtplan<br />

der Bund-Länder-Kommission<br />

für Bildungsplanung (1973) fest etabliert zu haben<br />

scheint, ist von der EG/EU nicht mitvollzogen worden.<br />

(�Bildungspolitik)<br />

2. Zur Genese der Weiterbildung in der EG und EU.<br />

Die �Römischen Verträge (EGKS, EWG, EURA-<br />

190<br />

TOM) erwähnen unter den Funktionsbeschreibungen<br />

und Aufgabenfeldern die berufliche Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />

nicht und sehen eine Regelungsbefugnis<br />

eher indirekt im Zusammenhang<br />

von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Nachfolgend<br />

avancierten berufliche Bildung und berufliche<br />

Weiterbildung zu wichtigen Themen der europäischen<br />

�Wirtschaftspolitik und wurden von der EG<br />

konzeptionell und strategisch behandelt, weil es<br />

schien, als könne die EG mit ihren Regelungs- und<br />

Eingriffsmöglichkeiten hier koordinierend und vereinheitlichend<br />

wirken. Mit dem sog. �Dahrendorf-<br />

Memorandum von 1973 wurde eine Diskussion um<br />

Harmonisierungskonzepte in Gang gebracht, die in<br />

letzter Konsequenz ein europäisches Bildungssystem<br />

nach einheitlichen Vorgaben, Maßnahmen, Zielen<br />

und Berechtigungen glaubten realisieren zu können.<br />

Danach ist allerdings die EG zu einer Politik<br />

übergegangen, die nationalstaatliche Bildungspolitiken<br />

besonders auf ein großes Maß von Flexibilität<br />

und Kooperationsbereitschaft verpflichtete. Diese<br />

Strategie findet ihren Niederschlag in der Entschließung<br />

des Rates und der im Rat vereinigten Minister<br />

für Bildungswesen vom 9. 2. 1976.<br />

Einen vorläufigen Endpunkt der Entwicklung bilden<br />

die für die Erwachsenenbildung/Weiterbildung festgeschriebenen<br />

Zielvorstellungen des �Maastrichter<br />

Vertrags (1992) in den Art. 126, 127 bzw. des �VertragsvonAmsterdam(1997)indenwort-identischen<br />

Art. 149, 150 „Allgemeine und berufliche Bildung<br />

undJugend“.SiestehenunterdemSubsidiaritätsvorbehalt<br />

nach Art. 5 EGV. Das �Subsidiaritätsprinzip<br />

gebietet die Zurückhaltung z. B. gegenüber Eingriffen<br />

in die verfassungsrechtlichen Föderalismusgarantien<br />

in der Bundesrepublik; hier könnte eine Abtretung<br />

von Souveränitätsrechten durch die Bundesregierung<br />

zunächst nur im Rahmen ihrer Kompetenz<br />

für die berufliche Bildung liegen. Eine Harmonisierung<br />

oder Vergemeinschaftung wird von allen Mitgliedstaaten<br />

abgelehnt. Die Beurteilung der derzeitigen<br />

Zuständigkeit und Handlungsfähigkeit der EU<br />

fällt unterschiedlich aus, auf der einen Seite wird fast<br />

übertriebene Hoffnung auf Förderung und Weiterentwicklung<br />

der Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />

gesetzt, auf der anderen wird zurückhaltend geäußert,dassdieVertragstextegeradehinsichtlichder<br />

Förderungsmaßnahmen, besonders der Austauschprogramme,nichtmehrenthaltenalsdasbereitsohne<br />

Vertragsgrundlage Praktizierte.


3.Inhalte.IneinererstenPhase,inderdieEGberufliche<br />

Bildung aus dem Kontext von Arbeitsmarkt- und<br />

Wirtschaftspolitik entfaltet, wurden die folgenden<br />

Arbeitsschwerpunkte benannt, die allerdings nicht<br />

sogleich und stets in konkrete Aktionen umgesetzt<br />

werden:<br />

– Erstausbildung Jugendlicher und Erwachsener;<br />

– Entrance-Problematik, d. h. Übergangsregelungen<br />

von Schule zur Arbeitswelt;<br />

– Eingliederung in die Berufstätigkeit;<br />

– Rehabilitation von Personen, die nach einer ersten<br />

Ausbildungsphase Schädigungen oder Benachteiligungen<br />

erlitten haben, die eine Wiedereingliederung<br />

indenerlerntenBerufausschließenodererschweren;<br />

– Umschulung;<br />

– freie Arbeitsplatzwahl;<br />

– gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit (u. a. Gleich–<br />

stellung von Mann und Frau);<br />

– wechselseitige Anerkennung von berufsqualifizierenden<br />

Abschlüssen;<br />

– internationale Gesetzgebung zur Berufsbildung.<br />

In den 1970er Jahren intensiviert sich Berufsbildungspolitik<br />

im Rahmen der EG und wird 1973<br />

durch ein „Arbeitsprogramm für Forschung und Bildung“<br />

und durch das „Aktionsprogramm“ (6. 2.<br />

1976) thematisch und perspektivisch näher gekennzeichnet.<br />

In diesem Zusammenhang wird auch<br />

Hochschulpolitik als ein weiterer ZuständigkeitsbereichindieBildungspolitikderEGaufgenommen,in<br />

dem sich offenbar Harmonisierung leichter erreichen<br />

lässt als in den anderen schulischen und beruflichen<br />

Bildungsbereichen. Neben der Angleichung<br />

akademischer Grade und deren wechselseitiger Anerkennung<br />

sollten durch postgraduale Studien in Geschichte,<br />

Politologie, Kulturgeschichte, Wirtschafts-,<br />

Rechts- und Gesellschaftswissenschaften<br />

Herkommen, Gegenwart und Zukunft Europas und<br />

des europäischen Einigungsprozesses wissenschaftlicher<br />

Bearbeitung zugeführt werden (�Europäisches<br />

Hochschulinstitut Florenz).<br />

Derzeit wird die Harmonisierung im Hochschulbereich<br />

und besonders die der akademischen Abschlüsse<br />

(B. A. / M. A.) in den nationalen Bildungspolitiken<br />

der Mitgliedstaaten der EU im Zusammenhang<br />

des �Bologna-Prozesses begünstigt. Ein Abschluss<br />

dieser Harmonisierungsbemühungen ist für<br />

2010 vorgesehen.<br />

In den Schlussfolgerungen des Ministerrates (Bildung)<br />

vom Juni 1984 werden Leitlinien für die künf-<br />

Erwachsenenbildung<br />

tigebildungspolitischeArbeitfestgeschrieben.Hierbei<br />

werden ausdrücklich „Aktionen bezüglich der<br />

Erwachsenenbildung“ genannt, freilich noch nicht<br />

spezieller ausgeführt: Ausbildung und Qualifikation,<br />

Ausbildungssysteme, Ausbildung in der Nahrungsmittelindustrie,<br />

Berufsbildung von Gastarbeitern,<br />

Berufsbildung im Fernunterricht (Massenmedien<br />

und Bildung von Gastarbeitern), Berufsberatung,<br />

Berufsbildung der Frauen.<br />

Einen ersten praktischen und konzeptionellen Endpunkt<br />

in der inhaltlichen Entwicklung von Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />

markiert der Vertrag<br />

von Maastricht, in dessen Art. 126 (jetzt Art. 149<br />

EGV) die Ziele der Tätigkeit der Gemeinschaft zusammengefasst<br />

sind.<br />

Die konzeptionelle Dimension der Bildungspolitik<br />

derEUwirdseitdemMaastrichterVertragbesonders<br />

gefördert durch das „Europäische Jahr des lebensbegleitenden<br />

Lernens“, für das 1996 u. a. die folgenden<br />

Themen ausgewählt wurden: Die Bedeutung der Allgemeinbildung,<br />

die Förderung der beruflichen und<br />

allgemeinen Weiterbildung, die Motivation für das<br />

lebensbegleitende Lernen, die Zusammenarbeit von<br />

Bildungs- und Wirtschaftseinrichtungen, die Förderung<br />

der europäischen Dimension. Die konzeptionelle<br />

Entwicklung von Berufsbildung und beruflicher<br />

Weiterbildung wird des Weiteren im geometrischen<br />

Dreieck von Lerngesellschaft, Berufsbildung<br />

und europäischer Dimension durch das Weißbuch<br />

zur allgemeinen und beruflichen Bildung der Europäischen<br />

Kommission „Lehren und Lernen – Auf<br />

dem Wege zur kognitiven Gesellschaft“ gefördert<br />

(1996), womit besonders zu Flexibilität in den nationalen<br />

Systemen aufgefordert wird (Schule und Berufswelt,Trainingon-the-job,Sprachenbildung,Anerkennung<br />

von Abschlüssen nach dem Äquivalenzprinzip<br />

usw.). In jüngster Zeit hat sich die Kommission<br />

verstärkt auf Fragen und Realisierungschancen<br />

lebenslangen Lernens konzentriert, hier auch unterstützt<br />

durch die Förderprogramme für den Bereich<br />

der allgemeinen Bildung Sokrates und für den Bereich<br />

der Berufsbildung Leonardo (darunter Grundtvig<br />

speziell für Erwachsenenbildung).<br />

Mit den beiden Dokumenten „Memorandum über lebenslanges<br />

Lernen“ (2000) und „Making a European<br />

Area of Lifelong Learning a Reality“ (2001) wird ein<br />

Konsultationsprozess unter den Einrichtungen der<br />

Erwachsenenbildung/Weiterbildung in den Mitgliedsländern<br />

der EU eingeleitet, dem ein Konzept<br />

191


Erwachsenenbildung<br />

von lebenslanger Bildung zugrunde liegt, das alle Institutionen,<br />

Programme und Altersstufen der schulischen<br />

und außerschulischen Bildung erfasst und sich<br />

vor allem auf die Kontinuität und nicht mehr auf in<br />

sich geschlossene Einheiten von Bildung und Ausbildung<br />

gründet.<br />

4. Besondere Institutionen. Neben dem Europäischen<br />

Hochschulinstitut in Florenz als einer postgradualen<br />

Realisierung von Wissenschaftspolitik der<br />

EG wird die berufliche Bildungspolitik im Rahmen<br />

von EG/EU konzeptionell begleitet und gefördert<br />

u. a. vom „Europäischen Zentrum für die Förderung<br />

der Berufsbildung“ �CEDEFOP. Das Zentrum wurde<br />

mit der Funktion betraut, „[...] die Berufsbildung<br />

unddieständigeWeiterbildungderErwachsenenauf<br />

Gemeinschaftsebene zu fördern und zu entwickeln“.<br />

Neben das Zentrum tritt als ein flankierendes und vor<br />

allem auf aktuellen Bildungsbedarf reagierendes Instrument<br />

die „Task Force Humanresource, Allgemeine<br />

und Berufliche Bildung, Jugend“.<br />

In der statistischen Dokumentation und Beschreibung<br />

der beruflichen Weiterbildung in den Mitgliedstaaten<br />

überlappen sich die Aktivitäten beider Einrichtungen.<br />

Allgemeine und berufliche Bildung werden<br />

stets in den Zusammenhang des Gemeinschaftszweckes<br />

gebracht und auf die Erfordernisse des Arbeitsmarktes<br />

bezogen. Die eher bildungspolitische<br />

Funktion von „Task Force“ kann abgelesen werden<br />

anMemoranden,diesichmit„Berufsausbildungspolitik<br />

der Gemeinschaft für die 90er Jahre“ und<br />

„Hochschulbildung in der Europäischen Gemeinschaft“<br />

befassen; hierher gehört auch die publizistische<br />

Unterstützung des „Offenen Fernunterrichts in<br />

der EG“. Das CEDEFOP versieht Aufgaben, die in<br />

anderen internationalen Organisationen ebenfalls<br />

vongesondertenForschungs-oderDokumentationseinrichtungen<br />

wahrgenommen werden. Die „CEDE-<br />

FOP-Veröffentlichungen“ ( u. a. European Journal<br />

„Vocational Training“, Cedefop monographs, VET<br />

Research) machen die Projekte für eine breite<br />

Teil-Öffentlichkeit der Erwachsenenbildung/Weiterbildung<br />

zugänglich, das „Cedefop Info“ befriedigt<br />

den Bedarf an aktuellen Berichten aus der Berufsbildungs-„Szene“.<br />

Von der Generaldirektion „Bildung und Kultur“ der<br />

Europäischen Kommission ist darüber hinaus eine<br />

Europäische Informationsstelle unter dem Namen<br />

�Eurydice eingerichtet und als Eurydice-Web-Site<br />

ins Netz gestellt worden, die über Bildungssysteme<br />

192<br />

und Bildungspolitik der Staaten informiert, die an<br />

den Aktivitäten des Netzes teilnehmen.<br />

Fördermaßnahmen: Nicht erst durch den Maastrichter<br />

Vertrag hat die EG Fördermaßnahmen vorgesehen,<br />

die weit über das Interesse an beruflicher Bildung<br />

hinaus in das Schul- und Hochschulwesen hineinreichen.<br />

So gab bereits in den 1970er Jahren die<br />

Konferenz der Bildungsminister in Luxemburg<br />

(6. 6. 1974) die Anregung, dass das Lehren und Lernen<br />

moderner Fremdsprachen und der Austausch<br />

von Fremdsprachenlehrern zu fördern seien. Dabei<br />

sollte „die verstärkte Mobilität der Studierenden,<br />

Lehrkräfte und Forscher“ auch finanziell gesichert<br />

werden. Seither haben sich Ausmaß und Zuständigkeit<br />

der Förderungsaktivitäten so ausgedehnt, dass<br />

heute das Tableau für den Laien schon nicht mehr<br />

überschaubar ist. Auch wissenschaftliche Arbeiten<br />

über Erwachsenenbildung/Weiterbildung in einer<br />

großflächigen und multinationalen Perspektive sind<br />

erst durch die Fördermaßnahmen möglich geworden.<br />

Heute konzentriert sich Förderung in zwei Aktionsprogrammen,<br />

Sokrates für den Bereich der allgemeinen<br />

Bildung (Comenius, Erasmus, Grundtvig, Lingua,<br />

Minerva) und Leonardo für den Bereich der Berufsbildung<br />

(�Bildungspolitik). Im Rahmen von SokratesistdasProgrammGrundtvigaufdieFörderung<br />

der Erwachsenenbildung eingerichtet, wobei die<br />

„Förderung der europäischen Dimension des lebenslangen<br />

Lernens durch stärkere transnationale Zusammenarbeit“<br />

im Vordergrund steht. Das Programm<br />

wendet sich an „alle Organisationen der Erwachsenenbildung“.ZurFörderungaufderGrundlage<br />

einer freiwilligen Selbstorganisation der Einrichtungen<br />

(Verbände, Organisationen, Universitäten)<br />

derErwachsenenbildung/Weiterbildungtragenauch<br />

die Organisationen ENEA (European Association<br />

for the Education of Adults, Brüssel) und ESREA<br />

(European Society for Research on the Education of<br />

Adults,Leiden)bei. J. H. K.<br />

Internet:<br />

http://.europa.eu.int/comm/education/life/index_de.html<br />

Literatur:<br />

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Politische<br />

Bildung für Europa. Die europäische Dimension in der<br />

politischen Bildung der zwölf EG-Staaten. Bonn 1991<br />

Cleve, B. van: Erwachsenenbildung und Europa. Der Beitrag<br />

politischer Bildung zur Europäischen Integration – Bilanz und<br />

Perspektive aus pluralismustheoretischer Sicht.<br />

Weinheim 1995


Deutscher Industrie- und Handelstag (Hg.): Bildung und Lernen<br />

von Erwachsenen in Europa. Frankfurt 1999<br />

Ders.: Zukunftsfähigkeit durch Weiterbildung in Europa.<br />

Mainz 1999<br />

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (Hg.): Lernen für<br />

die Zukunft. Frankfurt 1999<br />

European Association for the Education of Adults (Ed.):<br />

Innovation and Adult Education. Amersfoort 1995<br />

Europäische Kommission (Hg.): Teaching and Learning.<br />

Towards the Learning Society. White Paper on Education and<br />

Training. Luxembourg 1995<br />

Dies. (Hg.): Memorandum der Kommission über die Berufsausbildungspolitik<br />

der Gemeinschaft für die 90er Jahre.<br />

Brüssel 1991<br />

Dies.: Lehren und Lernen – Auf dem Wege zur kognitiven<br />

Gesellschaft. Luxemburg 1996<br />

Dies: .Memorandum über lebenslanges Lernen. Brüssel 2000<br />

Dies.: Making a European Area of Lifelong Learning a<br />

Reality“. Brüssel 2001<br />

Feuchthofen, J. E. et al.: Europäisches Handbuch Weiterbildung.<br />

Neuwied 1994 ff.<br />

Goethe-Institut Inter Nationes (Hg.): Berufliche Weiterbildung<br />

in Deutschland. In: Bildung und Wissenschaft, 3, 2001.<br />

Bonn 2001<br />

Internationales Jahrbuch der Erwachsenenbildung, 22 (1994),<br />

Themenheft „Bildung in Europa für Europa – ein Thema der<br />

Erwachsenenbildung“<br />

Knoll, J. H.: Europa nach Maastricht zwischen Fortschritt und<br />

Beharrung. In: Internationales Jahrbuch der Erwachsenenbildung<br />

24 (1996), S. 209 – 240<br />

Ders.: Internationale Weiterbildung und Erwachsenenbildung.<br />

Konzepte, Institutionen, Methoden. Darmstadt 1996<br />

Ders.: Neue Studienformen und Abschlüsse im B. A./M.<br />

A-Konzept. Themenheft Bildung und Erziehung, Heft 2/2005<br />

Künzel, K.: Ansätze und Irritationen europäischer<br />

Weiterbildungsforschung. In: Bildung und Erziehung,<br />

50 (1997), S. 331 – 354<br />

Müller-Solger, H. et al.: Bildung in Europa – Die EU –<br />

Fördermaßnahmen. Bonn, 2. Aufl. 1997<br />

Erweiterung und/oder Vertiefung der EU. Seit<br />

Beginn der europäischen �Integration stellt sich immer<br />

wieder die Frage, ob es eine Priorität zwischen<br />

einer Vertiefung und einer Erweiterung der EG gibt.<br />

Im Kern lässt sich die Divergenz über die Prioritätensetzung<br />

auf die Frage reduzieren, welches Ziel mit<br />

der europäischen Integration verfolgt wird, eine<br />

�Freihandelszone oder eine �Politische Union.<br />

1. Norderweiterung: Auf der Gipfelkonferenz 1969<br />

in Den Haag wurde die Aufnahme von BeitrittsverhandlungenmitEngland,Irland,DänemarkundNorwegen<br />

beschlossen und mit den ersten drei Ländern<br />

1973 vollzogen. Gleichzeitig entschied sich die Gipfelkonferenz<br />

für den Aufbau einer �Wirtschafts- und<br />

Währungsunion und den Beginn einer außenpolitischen<br />

Zusammenarbeit. Vollendung, Vertiefung<br />

Erweiterung der EU<br />

und Erweiterung sollten gleichzeitig vorangetrieben<br />

werden. Der �Werner-Plan sah die Schaffung einer<br />

�Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) in drei<br />

Stufen innerhalb von zehn Jahren bis 1980 vor. Der<br />

Plan scheiterte, weil die einzelnen Wirtschafts- und<br />

Währungspolitiken der Mitgliedstaaten nach zu verschiedenen<br />

Grundsätzen ausgerichtet waren (�Divergenz).<br />

Der Plan verlangte eine für seine Zeit zu<br />

hohe Anpassungsleistung sowie ein zu hohes Maß an<br />

Integrationsbereitschaft von den Mitgliedstaaten.<br />

Das Ziel einer Europäischen Union wurde auf dem<br />

PariserGipfel1972bekräftigtundfür1980anvisiert.<br />

Als problematisch bei der Verwirklichung dieses<br />

Vorhabens erwies sich die Ausgestaltung der europäischen<br />

Institutionen, die mit den Entwicklungen<br />

nicht Schritt hielt (z. B. nach wie vor Einstimmigkeit<br />

im Rat, �Luxemburger Vereinbarung). Dadurch war<br />

die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaften erheblich<br />

eingeschränkt. In der Folge kam es in den 1970er<br />

Jahren bei notwendigen Problemlösungen nur zu<br />

pragmatisch ausgerichteten intergouvernementalen<br />

Ansätzen (Schaffung von �Europäischem Währungssystem<br />

und �Europäischer Politischer Zusammenarbeit).<br />

Das Ziel „Europäische Union“ wurde<br />

nicht erreicht und der Zeitplan für die Verwirklichung<br />

der WWU nicht eingehalten. Die Erweiterung<br />

der Gemeinschaft hatte faktisch also doch Vorrang<br />

vor der Vertiefung.<br />

2. Süderweiterung: In den 1980er Jahren wurde die<br />

EG durch Griechenland (1981), Spanien und Portugal<br />

(1986) erweitert. Dieses Mal galt die Strategie<br />

„Erweiterung vor Vertiefung“. Nach dem Ende der<br />

DiktaturenindensüdeuropäischenLändernhatdiese<br />

Integrationsperspektive den Übergang zu stabilen<br />

demokratischenVerhältnissenwirksamunterstützt.<br />

Es war klar, dass die Wirtschaftsintegration durch<br />

die südeuropäischen Staaten starken Zentrifugalkräften<br />

ausgesetzt werden würde und dass bereits die<br />

Verwirklichung der „klassischen Ziele“ – wie der<br />

�Gemeinsame Markt und die übrigen in den �Römischen<br />

Verträgen vorgesehenen Maßnahmen – im erweiterten<br />

Raum der Zwölfergemeinschaft zusätzlichen<br />

politischen Willen und substanzielle Reformbeschlüsse<br />

erforderten, wenn eine (Rück-)Entwicklung<br />

hin zu einer �Freihandelszone vermieden werden<br />

sollte. Die Süderweiterung war eben nicht aus<br />

Gründen der Integrationslogik notwendig gewesen,<br />

sondern sie galt der Stabilisierung der jungen Demokratien.<br />

Dennoch hatte sie einen Vertiefungsschub<br />

193


Erweiterung der EU<br />

zur Folge. Zur Bewältigung der sich abzeichnenden<br />

zusätzlichen Probleme (Finanzierung des Agrarmarktes,<br />

Verdoppelung der Strukturfonds, Neuordnung<br />

der Finanzvorschriften) sollte auch das westeuropäische<br />

Modernisierungsprogramm �„Binnenmarkt“<br />

dienen. Die �Einheitliche Europäische Akte<br />

(EEA) konnte durchgesetzt werden.<br />

3. EFTA-Erweiterung: Mit dem Vertragswerk von<br />

Maastricht (�Maastrichter Vertrag) schien die Frage<br />

„Erweiterungund/oderVertiefung“mitderStrategie<br />

„erst vertiefen, dann erweitern“ entschieden worden<br />

zu sein. Zur Frage der künftigen Erweiterungen wurde<br />

beim EG-Gipfel in Maastricht im Dezember 1991<br />

– neben der Grundsatzerklärung, dass jeder demokratische<br />

Staat in Europa den Beitritt beantragen<br />

kann – vereinbart, dass Beitrittsverhandlungen beginnen<br />

können, sobald der �Vertrag über die Europäische<br />

Union ratifiziert und die Gemeinschaft über<br />

die Reform ihrer �Eigenmittel entschieden hat.<br />

Schon bald zeigte sich, dass es wichtiger war, erst<br />

einmal für die Probleme der Mitgliedstaaten Großbritannien<br />

und Dänemark Lösungen zu suchen und<br />

damit das weitere gemeinsame Handeln in der EG sicherzustellen.<br />

Der Gipfel von Edinburgh im Dezember<br />

1992 hat hierzu eine Kompromisslösung formuliert:<br />

Dänemark wurden die geforderten Lockerungen<br />

bei der Anwendung der Maastrichter Beschlüsse<br />

zugesichert. So konnte eine Neuverhandlung des<br />

Vertrages über die Europäische Union verhindert<br />

werden. Für die Sicherstellung der Finanzen der EG<br />

wurde ein für sieben Jahre geltender modifizierter<br />

Stufenplan verabschiedet. Damit waren die Bedingungen<br />

zur Erweiterung der EG um Finnland, Österreich<br />

und Schweden 1995, wie sie 1991 in Maastricht<br />

verabschiedet worden sind, erfüllt – wenn auch etwas<br />

später als geplant.<br />

4. Osterweiterung: Zum 1. 5. 2004 wurde die bisher<br />

größte Erweiterung der EU vollzogen: Estland, Lettland,<br />

Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien,<br />

Tschechien, Ungarn, Zypern wurden Mitglied der<br />

EU. Auf dem Gipfel in Kopenhagen (Juni 1993) wurde<br />

als Vorbedingung einer nächsten Erweiterung<br />

festgelegt, dass die Stoßkraft der europäischen Integration<br />

erhalten bleiben muss. Die den Erweiterungsverhandlungen<br />

vorausgehende Reform des<br />

Unionsvertrages hat die Hürden für die Beitrittskandidaten<br />

nicht wesentlich erhöht: Beim �Vertrag von<br />

Amsterdam handelt es sich um eine Weiterentwicklung<br />

des Maastrichter Vertrages; eine Übertragung<br />

194<br />

neuer umfassender Kompetenzen auf die EU hat<br />

nicht stattgefunden. Flexibilitätsklauseln sollen in<br />

Zukunft differenzierte Integration möglich machen.<br />

Trotz der nicht ganz befriedigenden Ergebnisse des<br />

Amsterdamer Gipfels (Juni 1997) wurde die nächste<br />

Erweiterungsrunde begonnen. Die Kommission unterbreitete<br />

den Staats- und Regierungschefs einen<br />

Plan, um den durch die Erweiterung zu erwartenden<br />

Änderungsbedarf einzuleiten: Die �Agenda 2000<br />

umfasst ein Reformprogramm für die Agrar-, Regional-<br />

und Strukturpolitik, die Neuordnung der Finanzen<br />

der EU, die Anpassung der Institutionen sowie<br />

die Beitrittsstrategie für die mittel- und osteuropäischen<br />

Beitrittskandidaten einschl. einem Angebot<br />

zur Einbindung der Türkei. In der Phase der Beitrittsverhandlungen<br />

versuchten die 15 EU-Mitgliedstaaten<br />

die institutionellen Strukturen, die Effizienz der<br />

Entscheidungsfindung, die Transparenz der politischen<br />

Zuständigkeiten und die Handlungsfähigkeit<br />

der EU zu stärken. Die Bemühungen mündeten in<br />

den �Vertrag von Nizza (in Kraft seit 1. 2. 2003). Mit<br />

dem Vertrag von Nizza wurde auch eine Erklärung<br />

zur Zukunft der Europäischen Union angenommen;<br />

sie listet die immer noch offenen Reformfragen auf<br />

und legt die Methode �„Konvent“ zur Klärung dieser<br />

Punkte fest. Diese Zukunftserklärung ist Ausdruck<br />

der auch nach dem Nizza-Vertrag immer noch bestehenden<br />

unbefriedigenden Situation in Bezug v. a. auf<br />

die Handlungsfähigkeit der EU. Der Konvent, an<br />

demVertreterderRegierungenundnationalenParlamente<br />

der 15 Mitgliedstaaten und der 13 Beitrittskandidaten<br />

(einschl. der Türkei) sowie des Europäischen<br />

Parlaments teilnahmen, arbeitete anschließendeinen„EntwurffüreinenVertragübereineVerfassung“<br />

aus. Der �Verfassungsvertrag (sofern er<br />

von allen 25 Mitgliedstaaten ratifiziert ist) wäre ein<br />

deutlicher Schritt zur Vereinfachung der Gesamtkonstruktion<br />

der EU und von Entscheidungsstrukturen;<br />

aber der Verfassungsvertrag ist nicht als der<br />

letztendliche Stand der Entwicklung zu betrachten.<br />

Der durch den Nizza-Vertrag erreichte Stand der<br />

Vertiefung ist gerade soweit möglich gewesen, wie<br />

weit der Kompromisswille der Mitgliedstaaten ging.<br />

Das heißt, parallel zur Erweiterung war eine – wenn<br />

auch nicht sehr weitreichende – Vertiefung der EU<br />

möglich.<br />

5. Weitere Beitrittskandidaten: Bulgarien und Rumänien<br />

sollen 2007, spätestens 2008 der EU beitreten,<br />

die Beitrittsverträge wurden am 25. 4. 2005 un-


terzeichnet. Auf dem Europäischen Gipfel vom Dezember<br />

2004 wurde beschlossen, mit der Türkei ab<br />

Oktober2005Beitrittsverhandlungenaufzunehmen.<br />

Erstmals wird der Verhandlungsprozess bezüglich<br />

seines Ergebnisses explizit als offen bezeichnet.<br />

Kroatien und Mazedonien haben Beitrittsanträge gestellt.<br />

Damit wird deutlich, dass die EU für Staaten,<br />

die sich in einem schwierigen Demokratisierungsund<br />

Modernisierungsprozess befinden, ihre Attraktivität<br />

nicht eingebüßt hat.<br />

6. Problemaufriss bei künftigen Erweiterungen: Integrationsoffenheit<br />

hat dort ihre Grenze, wo sie ihre<br />

eigenenZielekonterkariert.Einesistebensoevident:<br />

Je mehr Mitglieder die Europäische Union haben<br />

wird, desto enger werden die Bewegungsspielräume<br />

für die EU, weil ihre Mitglieder spezielle bilaterale<br />

Beziehungen zu Dritten pflegen und weil die InteressenvielfaltderMitgliedstaatensteigt.DieKomplexität,<br />

Ausnahmen und Sonderregelungen werden zunehmen.<br />

Die Aufnahme neuer Mitglieder stand bisher in engem<br />

Kontext zu Vertiefungsschritten. Ob dies auch<br />

in Zukunft möglich sein wird, hängt besonders von<br />

der Durchsetzungskraft der Staaten mit weit reichendem<br />

Integrationswillen ab, sowie von der Zielbestimmung<br />

des Integrationsprozesses. Da über das<br />

Ziel der europäischen Integration unterschiedliche<br />

Vorstellungen bestehen, rückt die Frage nach den gemeinsamen<br />

Interessen der Mitgliedstaaten und nach<br />

der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in<br />

den Vordergrund. Die bisherigen Erweiterungsrunden<br />

hatten keine wesentlichen Änderungen in der<br />

Struktur der Organe der Europäischen Gemeinschaft<br />

und in ihrem Beziehungsgeflecht untereinander zur<br />

Folge: Der Verfassungsvertrag zeigt erste Ansätze<br />

zu einer strukturellen Änderung der EU, der Nizza-<br />

Vertrag hat hierfür die Vorlage geliefert. Es stellen<br />

sich aber eine ganze Reihe von grundsätzlicheren<br />

Fragen an die „unbegrenzte“ Erweiterungsfähigkeit<br />

der EU:<br />

– Die neuen Mitgliedstaaten müssen sich erst in die<br />

ungewohnten Entscheidungsprozesse innerhalb der<br />

EG hineinfinden. Wie lange braucht dieser Lernprozessundwielangebrauchtes,bisVertrauenindieauf<br />

europäischer Ebene handelnden Akteure aufgebaut<br />

ist?<br />

– Schon die Ausweitung der Politikmaterien führt zu<br />

einer Steigerung des Bedarfs an Regelungskapazität<br />

(z. B. Personal). Dieser Bedarf wird durch jedes neue<br />

Erweiterung der EU<br />

Mitgliedslandnochpotenziert.Wasbedeutetdiesfür<br />

die neuen Mitgliedstaaten, aber auch für die europäische<br />

Bürokratie? Wo liegt die Grenze für die Verarbeitung<br />

von Informationen?<br />

– Die Kosten für die EU stehen in Abhängigkeit zu<br />

ihrer Größe und ihren Zielen. Die wirtschaftlichen<br />

und sozialen Disparitäten innerhalb der Gemeinschaft<br />

und damit die innergemeinschaftlichen Verteilungskämpfe<br />

werden zunehmen. Überlegungen<br />

hinsichtlich der Etablierung eines innergemeinschaftlichen<br />

Finanzausgleichs drängen sich auf.<br />

Hierbei ist zu prüfen, ob unterschiedliche Lebensverhältnisse<br />

in den Mitgliedstaaten nicht auch eine<br />

Chance der strukturellen Differenzierung bedeuten<br />

und damit als Standortvorteil wirken können.<br />

– Gibt es eine sozial-organisatorische Grenze bei der<br />

Größe der Europäischen Union? Wie viele Mitgliedstaaten<br />

verkraftet sie, ohne die Intensität der Zusammenarbeit<br />

einzubüßen, die sie so erfolgreich gemacht<br />

hat? Denn es kann nicht im Interesse der Beitrittskandidaten<br />

liegen, der Europäischen Union das<br />

Fundament zu entziehen, auf dem die Attraktivität<br />

der Gemeinschaft und damit ihre Anziehung auf andere<br />

Staaten beruht.<br />

– Wo bilden sich in einer immer größer werdenden<br />

Europäischen Union Entscheidungszentren aus?<br />

Welche Konsequenzen für die DurchsetzungsfähigkeitvonPolitikwerdendiesichvielleichtneuherausbildenden<br />

Koalitionen innerhalb der Mitglieder haben?<br />

Werden divergierende Vorstellungen, Ziele<br />

und Positionen den weiteren Integrationsprozess<br />

blockieren?<br />

6. Kritische Wertung: Die Erweiterungen der EU haben<br />

ihr Innengefüge spannungsreicher werden lassen.<br />

Es werden wahrscheinlich stärker zentrifugale<br />

als zentripetale Kräfte auf das System der Europäischen<br />

Union wirken. Der Grundkonsens zwischen<br />

denMitgliedstaatenwirdbrüchiger.JemehrMitglieder<br />

die EU hat, desto stärker wird es auf feste Koalitionen,<br />

feste Interessen- und Abstimmungspartner<br />

ankommen. Nur so wird es in Zukunft möglich sein,<br />

differenzierten Interessenausgleich zu organisieren.<br />

In der Europäischen Union stellen die Gründungsländer<br />

nicht einmal mehr die Hälfte der Mitglieder.<br />

NachjederErweiterungsrundewirdesalsoschwieriger,<br />

die Intentionen, die beim Gründungsakt zur<br />

WahlderIntegrationsstrategieführte,denneubeitretenden<br />

Mitgliedstaaten zu vermitteln.<br />

Die Fortentwicklung der europäischen Integration<br />

195


Erziehung<br />

ist u. a. aber auch von personalen Komponenten abhängig.<br />

Bisher wirkten die eng aufeinander abgestimmten<br />

deutsch-französischen Beziehungen auf<br />

den europäischen Integrationsprozess förderlich,<br />

durch die Staatschefs wurden die vorhandenen konzeptionellen<br />

Unterschiede in konstruktive Vertiefungsschritte<br />

positiv gewendet. Die nachwachsende<br />

Politikergeneration, nicht mehr geprägt durch das eigene<br />

Kriegserleben und die Erfahrung der Ohnmacht,<br />

bei Vorhandensein verschiedener nationaler<br />

Interessen zu friedlichen Konfliktlösungen zu kommen,sondernaufgewachsenunterdemSignum,kühl<br />

Nutzen-Kosten-Rechnungen anzustellen, wird auch<br />

europäische Integrationspolitik anders gestalten.<br />

Fraglich wird sein, ob die deutsch-französische<br />

„Motor-Rolle“ für den Integrationsprozess noch ihre<br />

Kraft entwickeln kann, oder ob die Entscheidung<br />

zwischen den Zielen „Vertiefung und/oder Erweiterung“<br />

für das größere Europa mit abflachender Integration<br />

gefällt wird. Ein Zielkonflikt zwischen Vertiefung<br />

und Erweiterung ist und bleibt vorhanden.<br />

Allerdings ändert dies nichts daran, dass man auf<br />

Grund der politischen Situation gezwungen ist, beidesgleichermaßenvoranzutreiben.<br />

M. P.<br />

Literatur:<br />

Beichelt, T.: Die Europäische Union nach der Osterweiterung.<br />

Wiesbaden 2004<br />

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): EU 25 – Die<br />

Erweiterung der Europäischen Union. Informationen zur<br />

Politischen Bildung Nr. 19, Januar 2003<br />

Hess, A./Vyslonzil, E. (Hg.): Der EU-Beitritt der Länder<br />

Ostmitteleuropas. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Wien 2004<br />

Erziehung, europäische. In Deutschland hat die<br />

internationale Erziehung Verfassungsrang seit der<br />

Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Art. 148<br />

Abs. 1): „In allen Schulen ist sittliche Bildung,<br />

staatsbürgerliche Gesinnung, persönliche und berufliche<br />

Tüchtigkeit im Geist des deutschen Volkstums<br />

und der Völkerversöhnung zu erstreben.“). Nach der<br />

Präambel des Grundgesetzes (1949) ist das deutsche<br />

Volk „von dem Willen beseelt (...), als gleichberechtigtes<br />

Glied in einem vereinten Europa dem Frieden<br />

der Welt zu dienen (...)“. Und nach dem KMK-<br />

Beschluss „Zur Stellung des Schülers in der Schule“<br />

vom 25. 5. 1953 soll u. a. eine friedliche Gesinnung<br />

im Geiste der Völkerverständigung geweckt werden<br />

(vgl. KMK-Beschluss „Europa im Unterricht“<br />

1978/90).<br />

1. Gemeinsame Minima einer europäischen Erzie-<br />

196<br />

hung: Kulturell lässt sich eine getrennt nationale Erziehung<br />

nicht legitimieren. Vielmehr kommt es darauf<br />

an, die gemeinsamen Wurzeln der abendländischen<br />

Kultur bewusst zu machen und die nationalen<br />

Besonderheiten aus ihren historischen Ursachen,<br />

z. B. aus den zeitlich jeweils verschiedenen Nationen-<br />

und Nationalstaatsbildungen in Europa zu erläutern.<br />

Dadurch würde die Diskussion um den Anteil<br />

der nationalen Komponente des Unterrichts entspannter,<br />

die Furcht vor einer geistigen „Überfremdung“<br />

geringer, weil eine kulturelle Erziehung definitionsgemäß<br />

ohnehin multinational angelegt ist.<br />

Dies beinhaltet, dass Kinder und Jugendliche mehr<br />

als bisher über andere (europäische) Länder und ihre<br />

Eigenheiten und Gemeinsamkeiten lernen (sollten).<br />

Fundamental entscheidend sind praktische Erfahrungen<br />

und �Bewusstseinsbildung durch permanent<br />

immanente Hinweise auf unterschiedliche Denkstrukturen,<br />

Verhaltensweisen u. dgl., die auf ihren<br />

nationalen Ursprung (geschichtlich) zurückgeführt<br />

und erklärt werden.<br />

Interkulturelle Lernprogramme innerhalb der europäischen<br />

Nationen und zwischen ihnen sind Antwort<br />

aufrelativstarkeethnischeundreligiöseMinoritäten<br />

in den betroffenen Ländern. Sie sollten auf Toleranz<br />

und Empathie, auf Aneignung der Standards, Regeln<br />

usw. der vorherrschenden Kultur gerichtet, ebenso<br />

gegenüber den Kulturen der Migranten geöffnet<br />

sein. Man sollte zwischen „europäischer Erziehung“<br />

und „Erziehung über/zu Europa“ unterscheiden.<br />

„Europäische Erziehung“ meint den ganzen (institutionellen,<br />

geographisch verteilten) Komplex der Erziehungseinrichtungen,<br />

die Schulprogramme und<br />

die Erziehungsvorstellungen, ohne dass die europäische<br />

Einheit darin angesprochen sein müsste. Dagegen<br />

enthält eine „Erziehung über/zu Europa“ ein Erziehungsprogramm<br />

mit dem speziellen Ziel der Förderung<br />

der europäischen �Integration im Sinne der<br />

ethischen, kulturellen, politischen, emotionalen, sozialen<br />

usw. Entfaltung der Persönlichkeit. Dazu<br />

kommt die angestrebte Möglichkeit verstärkter<br />

menschlicher Kontakte, größerer beruflicher Chancen<br />

und mehr direkter politischer Teilnahme. Die Erziehung<br />

zur europäischen Einheit bedarf besonders<br />

der von einem gemeinsamen Wertesystem (�Grundwerte)bestimmtenSolidaritätderMenschen.Daraus<br />

kann man u. a. einen operationalen Zugang zur Gesamtthematik<br />

gewinnen: Abbau von nationalen<br />

Gruppenegoismen, Erwerb von Wissen über allge-


meine Wertvorstellungen. Dies darf jedoch nicht zu<br />

einer geistigen Vereinheitlichung führen; jede Region,<br />

jede Nation soll ihre jeweils eigene �Identität behalten.<br />

2. Überwindung von traditionellen Erziehungsvorstellungen:<br />

Die nationalen Bildungsvorstellungen<br />

überlagern noch den konkreten erzieherischen Internationalismus<br />

und werden besonders evident am<br />

deutschen Bildungsföderalismus. Deswegen sind<br />

Verlautbarungen der über- und supranationalen Organisationen,<br />

die sich vor allem auf den schulischen<br />

Sektor beziehen, als gemeinsame Minima zu betrachten.<br />

Unterhalb dieser Ebene gibt es eine Reihe<br />

von nationalen Einrichtungen und Organisationen,<br />

die sich mit Problemen (Inhalten und Methoden) außerschulischer<br />

europäischer Erziehung und Bildung<br />

– aus nationaler und/oder internationaler (Multi-)<br />

Perspektive – beschäftigen, z. B. Universitäten,<br />

Volkshochschulen, Erwachsenenbildungsstätten von<br />

Parteien, Kirchen, Gewerkschaften sowie von �Europäischen<br />

Akademien (halb-)staatlicher und freier<br />

Trägerschaft.<br />

Außerdem sind die Zugänge zur europäischen Einigungsthematik<br />

aufgrund der differierenden politischen,<br />

historischen, kulturellen, ökonomischen, sozialen,<br />

didaktischen usw. Voraussetzungen und Intentionen<br />

der europäischen Staaten unterschiedlich<br />

undreichenaufeinembreitenSpektrumvonder(vermeintlich<br />

wertfreien) Informationsvermittlung (vor<br />

allemüberdiepolitischenSystemeundüberModelle<br />

und Alternativen internationaler Zusammenschlüsse,<br />

z. B. in Großbritannien und Österreich) bis zur<br />

kritischen Auseinandersetzung (z. B. in Deutschland<br />

und Dänemark) und zum Methodenlernen (z. B. in<br />

den Niederlanden), von der kognitiven Stoffaneignung<br />

(z. B. in Frankreich) bis zum Versuch emotionaler<br />

Identifikation und zum Engagement mit<br />

der/zur europäischen Einigung (z. B. in Italien und<br />

den Beneluxstaaten), nicht zuletzt zu Formen politischer<br />

Ablehnung überhaupt (z. B. in Dänemark).<br />

�Bildungspolitik W. M.<br />

Literatur:<br />

Anweiler, O. u. a.: Bildungssysteme in Europa. Entwicklung<br />

und Struktur des Bildungswesens in zehn Ländern. Weinheim,<br />

1996 4<br />

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Europäische<br />

Themen im Unterricht (Ökonomie, Ökologie, Frieden, Sicherheit,<br />

Neue Technologien). Bonn 1987<br />

Dies.: (Hg.): Lernen für Europa. Neue Horizonte der<br />

Pädagogik. Bonn 1994<br />

Dies. (Hg.): Von der EG zur Europäischen Union.<br />

Arbeitshilfen für die politische Bildung. Bonn 1993<br />

Mickel, W.: Lernfeld Europa. Didaktische Grundlagen einer<br />

Erziehung zu Europa. Opladen 1993 2<br />

Platter, H.-W.: Lernprozess Europa. Die EG und die neue<br />

europäische Ordnung. Bonn 1993<br />

ESA �European Space Agency<br />

ESF (Europäischer Sozialfonds) �Fonds der EU<br />

ESHA �European Schoolheads Association<br />

ESVP<br />

ESPRIT (European Strategic Programme for Research<br />

and Development in Information Technologies,<br />

Programm für Forschung und technologische<br />

Entwicklung und Demonstration im Bereich der Informationstechnologien)<br />

wurde 1984 im Rahmen<br />

der EG-Technologiepolitik verabschiedet (1. Forschungsrahmenprogramm<br />

1984 – 1988). Förderbereiche:<br />

Softwaretechnologien, Technologien für<br />

IT-Komponenten und Teilsysteme, Multimedia-<br />

Systeme, Langfristige Forschung, Initiative zur Förderung<br />

offener Mikroprozessorsysteme, Hochleistungsrechentechnik<br />

und -netze, Technologien für<br />

Unternehmensprozesse, Integration in der Fertigung.<br />

ESPRIT IV lief im 4. Forschungsrahmenprogramm<br />

1994 – 1998 (ABl. L 334/1994). Die Förderung der<br />

IT-Forschung erfolgt im 6. Forschungsrahmenprogramm<br />

(2002 – 2006) durch das �IST-Programm.<br />

ESREA �European Society for Records on the Education<br />

of Adults<br />

ESSEN war eine Gemeinschaftsmaßnahme der EU<br />

inderZeitvon1998bis2000zurAnalyse,Forschung<br />

und Zusammenarbeit im Bereich der Beschäftigung<br />

(Ratsbeschluss 98/171/1998; ABl. L 63/1998).<br />

ESTA (European Science and Technology Assembly),<br />

Europäische Wissenschafts- und Technologieversammlung.<br />

Beratungsgremium der Kommission<br />

im Bereich Forschung/Technologie, besteht aus<br />

rund 100 Wissenschaftlern aus Universitäten und<br />

Unternehmen. Mit �IRDAC zusammengefasst zum<br />

Europäischen Forschungsforum �ERF.<br />

ESVP �Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

197


ESVP-Kolleg<br />

ESVP-Kolleg. Mit �Gemeinsamer Aktion der EU<br />

vom 18. 7. 2005 geschaffenes Netzwerk zwischen<br />

nationalen Trainingseinrichtungen der EU Mitgliedstaaten<br />

und dem �Institut für Sicherheitsstudien<br />

(EUISS) zur Weiterbildung von Führungskräften im<br />

Bereich der �Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

(ESVP). Ziel des Kollegs ist die Förderung<br />

eines gemeinsamen europäischen VerständnissesderESVPundeinergemeinsamensicherheitspolitischenKulturinderEU.<br />

U. S.<br />

ESZB �Europäisches System der Zentralbanken<br />

ETAP war ein mit Ratsentscheidung 1999/22/EG<br />

(ABl. L 7/1999) verabschiedetes Programm für Studien,<br />

Analysen, Vorhersagen und damit verbundene<br />

Arbeiten im Energiebereich. Laufzeit 1998 – 2002.<br />

ETAP wurde abgelöst durch das Programm �„Intelligente<br />

Energie für Europa“.<br />

ETAP (Environmental Technologies Action Plan)<br />

ist ein am 28. 1. 2004 von der Kommission angenommener<br />

und vom Umweltrat am 2. 3. 2004 sowie vom<br />

Europäischen Rat am 25./26. 3. 2004 gebilligter Aktionsplan<br />

zur Förderung innovativer Umwelttechnologien,<br />

die zum wirtschaftlichen Wachstum und zur<br />

nachhaltigen Entwicklung beitragen.<br />

ETAP (European Technology Acquisition Program,<br />

Europäisches Technologie-Anschaffungsprogramm)<br />

eine Zusammenarbeit von 6 EU-Staaten (Deutschland,<br />

Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden,<br />

Spanien) zur Entwicklung und Beschaffung militärischer<br />

Technologie.<br />

ETF (European Technology Facility) �Finanzierungsinstrumente<br />

Ziff. 2<br />

ETSI (European Telecommunications Standards Institute),<br />

1987 auf Initiative der Europäischen Kommission<br />

gegründet. Ziel ist die Verwirklichung eines<br />

einheitlichen europäischen Standards für den Bereich<br />

der Telekommunikation. Mitglied können u. a.<br />

Verwaltungen, Forschungsinstitute, Netzbetreiber,<br />

Hersteller oder Dienstanbieter werden. Das ETSI hat<br />

537 Vollmitglieder aus 35 europäischen Ländern,<br />

126 assoziierte Mitglieder aus 19 nichteuropäischen<br />

Ländern sowie 36 Mitglieder mit Beobachterstatus<br />

aus allen Kontinenten. ETSI hat wichtige Standards<br />

198<br />

geschaffen wie GSM (Global System for Mobile<br />

Communications) und UMTS (Universal Mobile<br />

Telecommunications System).<br />

Sitz: 650, routes des Lucioles, 06921 Sophia-Antipolis, France<br />

Internet : www.etsi.org<br />

ETUC (European Trade Union Confederation) �Europäischer<br />

Gewerkschaftsbund<br />

ETUCO (European Trade Union College), Europäische<br />

Gewerkschaftsakademie. Eine Einrichtung des<br />

�Europäischen Gewerkschaftsbundes.<br />

ETUI (European Trade Union Institute) ist das 1978<br />

vom Europäischen Gewerkschaftsbund (European<br />

TradeUnionConfederation,ETUC)gegründeteStudien-<br />

und Forschungsinstitut für soziökonomische<br />

Fragen. Es bildet eine Brücke zwischen dem Gewerkschaftsbund<br />

und den Hochschulen. Seit April<br />

2005 mit der Europäischen Gewerkschaftsakademie<br />

�ETUCO und dem Institut für Gesundheit und Sicherheit<br />

am Arbeitsplatz �TUTB zusammengefasst<br />

zum European Trade Union Institute for Research,<br />

Education and Health and Security (ETUI-REHS).<br />

Internet: www.etuc.org/ETUI<br />

EUCOMED (European Medical Technology Industry<br />

Association). Europäischer Dachverband der<br />

Medizinprodukteindustrie. Gegründet 1979 in London,<br />

seit 1991 Sitz in Brüssel. Seit 1999 zusammengeschlossen<br />

mit IAPM (International Association of<br />

Prothesis Manufacturers). �CEN<br />

EuGH Europäischer �Gerichtshof<br />

EU-Lagezentrum (SitCen). Arbeitseinheit innerhalb<br />

des Generalsekretariats des Rats zur Beschaffung,<br />

Verarbeitung und Analyse insbes. zeitkritischer<br />

Informationen, einschließlich nachrichtendienstlicher<br />

Erkenntnisse im Rahmen der �Gemeinsamen<br />

Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einschließlich<br />

der �Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

(ESVP). Ein Schwerpunkt der Arbeit<br />

des EU-Lagezentrums liegt in der Fertigung von<br />

Bedrohungsanalysen für den Rat zur weiteren Beratung<br />

und Schlussfolgerung im Rahmen der Bekämpfung<br />

des internationalen Terrorismus sowie in der<br />

Risikoanalyse im Vorfeld und während laufender<br />

ESVP-Operationen. U. S.


EUMETSAT (European Organization for the Exploitation<br />

of Meteorological Satellites). 1986 durch<br />

internationales Abkommen entstandene intergouvernementale<br />

Organisation mit (Dez. 2004) 18 Mitgliedern<br />

(15 EU-Staaten sowie Norwegen, die<br />

Schweiz und die Türkei) sowie 11 kooperierenden<br />

Staaten (7 �MOE-Staaten, die 2004 der EU beigetreten<br />

sind sowie Kroatien, Serbien und Montenegro,<br />

Rumänien, Bulgarien) mit Sitz in Darmstadt.<br />

EUMETSAT betreibt europäische Wettersatelliten<br />

(auch als Teil eines weltweiten meteorologischen<br />

Beobachtungssystems) und stellt die von den Satelliten<br />

gelieferten Daten Endabnehmern zur Verfügung,<br />

insbes.dennationalenWetterdiensten.DieFinanzierung<br />

erfolgt durch Beiträge der Mitgliedstaaten ihrem<br />

BSP entsprechend.<br />

Nach dem Erfolg des ersten, von der Europäischen<br />

Raumfahrtagentur ESA 1977 gestarteten geostationären<br />

Meteosat-1 wurde auf internationalen Konferenzen<br />

1981 und 1983 die EUMETSAT-Convention<br />

geschaffen, die am 19. 6. 1986 in Kraft getreten ist<br />

(revidierte Fassung November 2000). EUMETSAT<br />

hat 1987 das Meteosat-Programm von der ESA übernommen.<br />

Im August 2002 wurde mit Meteosat-8 der<br />

erste Satellit der zweiten Generation (Meteosat Second<br />

Generation MSG) gestartet, der zweite folgt<br />

2005. Die Satelliten stehen in 36 000 km Höhe über<br />

dem Äquator.<br />

Anschrift: Am Kavalleriesand 31, D–64295 Darmstadt.<br />

Internet: www.eumetsat.int<br />

EU–NATO-Dauervereinbarungen(„Berlin-Plus“)<br />

1. Begriffsbestimmung und Hintergrund: Bezeichnung<br />

für ein zusammenhängendes, meist „Berlin<br />

Plus“ genanntes Paket von Übereinkommen und gegenseitig<br />

gebilligter Dokumente zwischen der EU<br />

und der NATO, die gemeinsam die Grundlage dafür<br />

bilden, dass die EU für die von ihr im Rahmen der<br />

�Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik(ESVP)geführtenOperationen,sofernsiediesfür<br />

erforderlich hält, Rückgriff auf NATO-Mittel und<br />

-Fähigkeiten nehmen kann. Kernstück der Vereinbarungist,dassdieEUauchohnevorherigenBeschluss<br />

des Natorats Zugang zu den Planungskapazitäten der<br />

NATO hat. Die Vereinbarungen werden durch ein<br />

sog. „Rahmenabkommen“ zusammengehalten<br />

(Briefwechsel zwischen dem Generalssekretär des<br />

Rats und dem Generalsekretär der NATO vom 17. 3.<br />

2003). Sie gehen davon aus, dass die NATO „als<br />

Euregio<br />

Ganze“ in einem konkreten Fall nicht tätig wird, die<br />

EU andererseits aber auch frei ist zu entscheiden, ob<br />

und in welchem Umfang sie von der Möglichkeit des<br />

Rückgriffs Gebrauch machen möchte („garantierter<br />

Rückgriff“; kein „Erstentscheidungsrecht“ der<br />

NATO).BislangungelöstbleibtdabeidievonderErweiterungsproblematik<br />

belastete Frage der Einbeziehung<br />

von Zypern (und Malta), die aufgrund eines<br />

entsprechenden türkischen Vorbehalts (formal wegen<br />

des Fehlens eines Sicherheitsabkommens mit<br />

der NATO) an sog. „Berlin Plus“-Operationen nicht<br />

teilnehmen dürfen und deren Beteiligung an dem<br />

„strategischen Dialog“ zwischen der EU und der<br />

NATO die Türkei unter Hinweis auf den umfassenden<br />

Ansatz der Dauervereinbarungen bisher kategorisch<br />

ablehnt.<br />

Der Begriff geht auf ein 1996 in Berlin durchgeführtes<br />

Treffen des NATO-Rats zurück, auf dem ein Angebot<br />

zum Rückgriff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten<br />

an die �Westeuropäische Union (WEU) beschlossen<br />

wurde. „Berlin Plus“ soll zum Ausdruck<br />

bringen, dass das Angebot der NATO gegenüber<br />

dem Beschluss von 1996 noch erweitert wurde.<br />

(�Strategische Partnerschaft EU-NATO).<br />

2. Bisherige Entwicklung: Die EU hat bereits bei ihrer<br />

ersten militärischen ESVP-Operation im Jahre<br />

2003 „Berlin Plus“ in Anspruch genommen (Operation<br />

„CONCORDIA“ in Mazedonien). Auch die von<br />

ihr geführte Operation ALTHEA, mit der die EU<br />

2004 die SFOR-Operation in Bosnien und Herzegowina<br />

abgelöst hat, wird unter Rückgriff auf Mittel<br />

undFähigkeitenderNATOdurchgeführt. U. S.<br />

�Strategische Partnerschaft EU–NATO<br />

EURAB �Forschungsbeirat (Europäischer Forschungsbeirat)<br />

EURASIL (EU Network for asylum practitioners).<br />

Von der Europäischen Kommission einberufene<br />

Gruppe von Sachverständigen aus Dienststellen der<br />

Mitgliedsländer,diefürAsylentscheidungenzuständig<br />

sind. EURASIL tagt gewöhnlich sechsmal im<br />

Jahr in Brüssel und erörtert u. a. die Lage in Herkunftsländern.<br />

Euregio (aus: Europäische Region; auch Euroregionen<br />

genannt) bezeichnet Interessengemeinschaften<br />

von kommunalen oder regionalen Körperschaften in<br />

Grenzregionen zweier oder mehrerer Mitgliedstaa-<br />

199


Euregio-Lehrer<br />

ten der EU und ihrer Nachbarstaaten. Ihre Zusammenarbeit<br />

in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen<br />

Bereichen dient der Verwirklichung gemeinsamer<br />

Projekte, die von der EU-Regionalpolitik und<br />

insbes. von dem Programm >INTERREG gefördert<br />

werden. Erste Euregios waren die 1976 gegründete<br />

Euregio Maas-Rhein im Gebiet von Aachen, Maastricht<br />

und Lüttich und die Ems-Dollart-Region von<br />

1977. Weitere Euregios in Deutschland und seinen<br />

Nachbarn sind: Euregio Rhein-Waal; die Großregion<br />

Saar-Lor-Lux aus dem Saarland, Lothringen und<br />

Luxemburg; Euregio Bayerischer Wald-Böhmerwald;<br />

Euregio Egrensis zwischen Bayern, Sachsen<br />

und Tschechien; die Inn-Salzach-Euregio; Euregio<br />

Salzburg-Berchtesgadener Land; Euregio Bodensee,<br />

Euroregion Erzgebirge/Krusnehory; Euroregion<br />

Elbe/Labe an der Grenze zwischen Sachsen und<br />

Tschechien; Euroregion Neiße-Nisa-Nysa im Dreiländereck<br />

Polen, Tschechien und Deutschland; Euroregion<br />

Spree-Neiße-Bober; Euroregion Pomerania.<br />

In der EU gibt es etwa 115 Grenzregionen, die zusammen<br />

etwa 10 % des Gemeinschaftsgebiets umfassen.<br />

Dachverband aller Euroregionen ist die Arbeitsgemeinschaft<br />

europäischer Grenzregionen<br />

(�AGEG).<br />

Aufgaben: Nach einer INTERREG-Initiative der<br />

Kommission kommen als grenzüberschreitende<br />

Kommunikationsstrukturen und Kooperationsnetze<br />

besonders in Frage:<br />

– Koordination der Raumplanung und die Schaffung<br />

einer Infrastruktur,<br />

– gemeinsame Planung von Fremdenverkehrseinrichtungen,<br />

– gemeinsame Planung von Diensten und Einrichtungen<br />

für kleinere und mittlere Unternehmen,<br />

– Inanspruchnahme von öffentlichen Diensten (z. B.<br />

Wasser-, Energieversorgung, Kläranlagen),<br />

– Programme für Umweltschutz und -kontrolle,<br />

– engere Verknüpfung der Medien,<br />

– Förderung des Informationsaustausches.<br />

Durch die transnationalen Beziehungen entsteht ein<br />

Geflecht politischer Infrastruktur (z. B. durch Interessengruppen,Verbände,regionaleParlamente,Parteien<br />

u. dgl.) und privater Begegnungen (z. B. durch<br />

gemeinsame Festspiele und andere kulturelle Veranstaltungen,<br />

Schüleraustausch, Vereine u. dgl.) auf<br />

übernationaler,regionalerEbene.JedeZunahmevon<br />

grenzüberschreitenden Transaktionen und Kommu-<br />

200<br />

nikationen stellt einen Verflechtungsvorgang dar,<br />

um so stärker, je mehr die Interaktionen den Beteiligten<br />

nützen. Transnationale Korporationen (Großorganisationen)<br />

können einen erheblichen Einfluss auf<br />

das politische System ausüben, größer als der von<br />

kleineren Nationalstaaten. Von ihnen können Impulse<br />

für die Bewusstseinsbildung ausgehen, ebenso für<br />

dieHerstellungregionalerÖffentlichkeit. W. M.<br />

Anschrift: Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen,<br />

Enscheder Str. 362, 48599 Gronau<br />

Euregio-Lehrer (Maître Bilingue). Studiengang (3<br />

Semester Vollzeitstudium, 5 Semester Teilzeitstudium)<br />

an Hochschulen und Einrichtungen der LehrerbildungderOberrheinregion(amRheinliegendeGebiete<br />

von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz,<br />

Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Aargau in der<br />

Schweiz, Departements Haut-Rhin und Bas-Rhin im<br />

Elsass). Studien- und Prüfungsordnung seit Juni<br />

2002 in Kraft. Zugangsvoraussetzungen sind<br />

Sprachkompetenz in Deutsch und Französisch und<br />

Abschluss eines Lehramtsstudiums (1. Staatsexamen)<br />

für Grund-, Haupt- oder Realschulen in<br />

Deutschland bzw. Lehrbefähigung für Unterricht in<br />

Primarstufe und Sekundarstufe I in der Schweiz oder<br />

im Elsass. Ziel des Studiengangs ist es, die Muttersprache<br />

Deutsch oder Französisch als Fremdsprache<br />

zuunterrichten,dieFächerderPrimarstufeodermindestens<br />

ein Fach der Sekundarstufe I bilingual zu unterrichten<br />

sowie Schülerinnen und Schüler interkulturell<br />

zu erziehen.<br />

Auch in anderen Grenz-Regionen ist die Einführung<br />

des Studienfachs Euregiolehrer geplant, u. a. im<br />

Dreiländereck Oberlausitz.<br />

Internet: www.uni-koblenz-landau.de/studium/euregio.html<br />

EUREK �Europäisches Raumentwicklungskonzept,<br />

�Strukturpolitik Ziff. 4<br />

EUREKA (European Research Coordination Agency).<br />

Eine 1985 gegründete europäische Initiative für<br />

europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet marktorientierter<br />

technologischer Forschung und Entwicklung<br />

für zivile Zwecke. Ziele: Stärkung der europäischen<br />

Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt,<br />

Entwicklung einer gemeinsamen Infrastruktur<br />

(insbes. Standardisierung), Lösung länderübergreifender<br />

Probleme (besonders im Umweltbereich).<br />

Teilnehmer: Nahezu 1000 Industriebetriebe


(vor allem kleine und mittlere) sowie Forschungsinstitute<br />

aus den EU-Staaten, daneben aus Island, Israel,<br />

Monaco, Norwegen, Rumänien, Russland, San<br />

Marino, Schweiz, Serbien und Montenegro, Türkei<br />

(insgesamt 35 Staaten und die EU, vertreten durch<br />

die Kommission).<br />

EUREKAistkeinFörderprogrammderEU.DieVerantwortung<br />

für die Finanzierung liegt bei den Teilnehmern,<br />

jedoch können Mittel aus den Förderprogrammen<br />

des Bundes, der Länder oder der EU beantragt<br />

werden. Antragstelle in Deutschland ist der nationale<br />

Projektkoordinator EUREKA beim Bundesministerium<br />

für Bildung, Wissenschaft, Forschung<br />

und Technologie.<br />

Internet: www.eureka.be<br />

Eureka-Audiovisuell. Fortbildungsprogramm der<br />

EU für die Fachkreise der europäischen audiovisuellen<br />

Programmindustrie (Beschluss des EP und des<br />

Rates 163/2001/EG, ABl. L 26/2001).<br />

EURES (European Employment Services) ist ein<br />

elektronisches Informations-, Beratungs- und Vermittlungsnetz<br />

zur Förderung der Mobilität von Arbeitnehmern.<br />

Das Netz verbindet über die Europäische<br />

Kommission die nationalen Arbeitsverwaltungen<br />

aller Staaten der EU und der �EFTA (rd. 5 000 lokale<br />

Arbeitsämter), die �Sozialpartner (Gewerkschaften,<br />

Arbeitgeberverbände) sowie lokale und regionale<br />

Gebietskörperschaften. EURES dient insbes.<br />

der Förderung der Mobilität in Grenzregionen<br />

und der Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen<br />

(�KMU). EURES-Berater sind speziell ausgebildete<br />

Fachkräfte innerhalb der öffentlichen Arbeitsverwaltung<br />

der Mitgliedstaaten. �Arbeitsvermittlung,<br />

europäische<br />

Internet: http://europa.eu.int/eures<br />

EUR-Lex ist die zentrale Datenbank der EU und umfasstseitMitte2004auchdieDatenbankCELEX.Sie<br />

wird vom �Amt für amtliche Veröffentlichungen im<br />

Namen aller EU-Institutionen verwaltet. Die Datenbanken<br />

umfassen rund 320 000 Dokumente im Volltext<br />

und sind in Sammlungen zusammengefasst:<br />

Verträge, internationale Abkommen, geltendes bzw.<br />

konsolidiertes Gemeinschaftsrecht, Rechtsprechung,<br />

parlamentarische Anfragen. Eur-Lex bietet<br />

außerdem Zugang zu den Ausgaben des Amtsblatts<br />

der Europäischen Union (Reihen L und C).<br />

Euro<br />

Die Sammlung der Dokumente reicht vom Beginn<br />

der Integration (EGKS-Vertrag 1951) bis heute und<br />

wird täglich ergänzt (ca. 20 000 neue Dokumente pro<br />

Jahr). Die Texte sind in allen Amtssprachen der EU<br />

zugänglich, zumindest in denen, die zum Zeitpunkt<br />

der Veröffentlichung amtliche Sprachen der Gemeinschaft<br />

waren. Der Zugang ist kostenfrei.<br />

Internet: http://europa.eu.int/eur-lex<br />

Euro (EUR)<br />

1. Der Euro und die Währungsunion: Die Mitgliedstaaten<br />

der Europäischen Union haben 1992 mit dem<br />

�Maastrichter Vertrag vereinbart, eine Europäische<br />

Währungsunion (EWU) zu schaffen, in der eine einheitliche<br />

Währung alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel<br />

sein wird. Nach einem Beschluss der Staatsund<br />

Regierungschefs der EU von 1995 heißt diese<br />

Währung „Euro“. Münzen im Wert unter 1 Euro heißen<br />

Cent. Seit dem 1. 3. 2002 ist der Euro das allein<br />

gültige gesetzliche Zahlungsmittel in zwölf Staaten<br />

der EU.<br />

Mit der Einführung des Euro-Bargeldes wurde die<br />

europäische Wirtschafts- und Währungsunion erfolgreich<br />

abgeschlossen. Das Projekt „Euro“ fügt<br />

sich in eine Reihe längerfristiger finanz-, wirtschafts-<br />

und europapolitischer Grundüberlegungen<br />

und Entscheidungsprozesse mit praktischen Konsequenzen<br />

für jeden einzelnen Bürger sowie für die ZukunftderEUinsgesamt.DerEurostehtfüreineWährungsunion<br />

und nicht für eine Währungsreform. Bei<br />

der Einführung des Euro wurden keine Werte vernichtet.<br />

Die Umstellung auf die gemeinsame Währung<br />

Euro erfolgte wertneutral. Alle Guthaben oder<br />

Verbindlichkeiten in den beteiligten Währungen<br />

wurden zu jeweils einem einzigen unwiderruflich<br />

festgelegten Umrechnungskurs in Euro umgerechnet.<br />

Die festen Wechselkurse waren seit dem 1. 1.<br />

1999 in Kraft. An diesem Tag wurde der �ECU (European<br />

Currency Unit / Europäische Währungseinheit)<br />

1:1 auf den Euro umgestellt. Danach begann die<br />

dreijährige Übergangszeit bis zur Einführung des<br />

Bargeldes.<br />

Die EWU vervollständigt den europäischen Binnenmarkt.<br />

Der Euro hebt die Segmentierung des Binnenmarktes<br />

durch unterschiedliche Währungen auf. Der<br />

Wegfall von Umtausch- und Kurssicherungskosten<br />

verbessert die Wettbewerbssituation der Unternehmen.<br />

Die Preistransparenz sorgt für bessere Markzugangschancen<br />

und erhöht das Angebot. Ohne Wech-<br />

201


Euro<br />

selkursrisiko können die Unternehmen nun grenzüberschreitende<br />

Direktinvestitionen leichter planen<br />

und durchführen, was langfristig auch positive Auswirkungen<br />

auf den Arbeitsmarkt haben kann. Der<br />

gleiche Effekt resultiert daraus, dass ein Teil des in<br />

Dollar oder Yen abgewickelten internationalen Handels<br />

zunehmend in Euro abgerechnet wird. Der Euro<br />

hatsichalszweitwichtigsteWeltwährungetabliert.<br />

Ebenso sorgt die gemeinsame Währung bei den Verbrauchern<br />

für vergleichbare Preise und Kosten für<br />

Waren und Dienstleistungen im europäischen Binnenmarkt.<br />

Dadurch erhöht sich die Transparenz des<br />

europäischen Marktes, die sich wettbewerbsfördernd<br />

und somit preisdämpfend auswirkt.<br />

GleichzeitigerfordertdieWährungsunioneinerhöhtes<br />

Maß an wirtschaftspolitischer Kooperation und<br />

interner struktureller Anpassungsfähigkeit der Mitgliedstaaten,<br />

weil der Wechselkurs als Ventil für<br />

volkswirtschaftliche Produktivitäts- und Kostenunterschiede<br />

weggefallen ist. Hier wirkt der Euro als<br />

Katalysator für notwendige Reformen. Die Wirtschafts-<br />

und Währungsunion ist eine nachhaltige<br />

Triebkraft für das weitere Zusammenwachsen der<br />

Länder Europas.<br />

2. Zeittafel der Europäischen Währungsunion: Bereits<br />

1969 beschlossen die Staats- und Regierungschefs<br />

der Europäischen Gemeinschaft die stufenweise<br />

Schaffung einer �Wirtschafts- und Währungsunion<br />

(WWU). Entscheidend beschleunigt wurde<br />

das Projekt nach den historischen Umbrüchen in Europa<br />

durch das Ende des Kalten Krieges, den Fall der<br />

Berliner Mauer und den Zerfall des Warschauer Paktes<br />

in den Jahren 1989/90.<br />

Umrechnungskurse der 11 Währungen in Euro<br />

Belgischer Franc 40,3399<br />

Deutsche Mark 1,95583<br />

Finnmark 5,94573<br />

Französ. Franc 6,55957<br />

Irisches Pfund 0,787564<br />

Italienische Lira 1936,27<br />

Luxemburg. Franc 40,3399<br />

Niederländ. Gulden 2,20371<br />

Österr. Schilling 13,7603<br />

Portug. Escudo 200,482<br />

Spanische Peseta 166,386<br />

202<br />

Aufbauend auf den Vorarbeiten des sog. �Delors-<br />

Berichts beschlossen die Staats- und Regierungschefs<br />

der Europäischen Union im Maastricht-Vertrag<br />

vom Dezember 1992 die Verwirklichung einer<br />

Währungsunion spätestens zum 1. 1. 1999. Davor<br />

wurde in einer ersten Stufe bis Ende 1993 der Kapitalverkehr<br />

zwischen den EU-Staaten vollständig liberalisiert<br />

und die Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedstaaten<br />

einander angenähert, „konvergent“ gemacht.<br />

In der darauffolgenden zweiten – bis zum 31.<br />

12. 1998 dauernden – Stufe wurden das �Europäische<br />

Währungsinstitut (EWI) als Vorläufer der �Europäischen<br />

Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main<br />

gegründet, die nationalen �Zentralbanken – soweit<br />

noch nicht geschehen – in die volle Unabhängigkeit<br />

entlassen und die Konvergenzbemühungen der Mitgliedstaaten<br />

verstärkt.<br />

Seit dem 1. 1. 1999 ist die Währungsunion in Kraft.<br />

Das Datum markiert den Beginn der dritten Stufe der<br />

EWU. Der Euro trat zunächst formell an die Stelle<br />

der elf teilnehmenden Währungen, deren Umrechnungskurse<br />

zum Euro mit 6 signifikanten Stellen unwiderruflich<br />

festgeschrieben wurden (s. Tabelle).<br />

Gleichzeitig übernahm die EZB die Verantwortung<br />

für die einheitliche Geldpolitik, deren oberstes Ziel<br />

die Gewährleistung der Preisstabilität ist. Während<br />

der dreijährigen Übergangszeit bis zum 31. 12. 2001<br />

galten die nationalen Währungen als Untereinheiten<br />

des Euro weiter. Mit dem 1. 1. 1999 nahmen die Mitgliedstaaten<br />

neue Emissionen öffentlicher Schuldtitel<br />

in Euro auf. Es begann der bargeldlose Zahlungsverkehr<br />

in der neuen Gemeinschaftswährung. Geschäfte<br />

mit dem Euro als Buchgeld waren ungehindert<br />

möglich, ein gesetzlicher Zwang bestand jedoch<br />

nicht. Ab dem 1. 1. 1999 galt ferner das Prinzip der<br />

Vertragskontinuität. Damit wurde sichergestellt,<br />

dass grundsätzlich alle nationalen Währungsbeträge<br />

in Rechtsinstrumenten (Verträgen, Schuldtiteln etc.)<br />

zu dem für die jeweilige Währung festgelegten Kurs<br />

umgerechnet wurden. Ein besonderes KündigungsrechtwardurchdieWährungsunionnichtgegeben.<br />

Am 1. 1. 2002 wurde das neue Euro-Bargeld in zwölf<br />

Ländern der EU eingeführt (Ausnahmen: Großbritannien,<br />

Dänemark, Schweden). Die meisten Länder<br />

sahen bis zum 28. 2. 2002 einen Parallelumlauf, also<br />

den gleichzeitigen Umlauf von nationaler und europäischerWährung,vor.Dochschonindenerstenvier<br />

Wochen wurden nahezu 100 Prozent der Barzahlungen<br />

in Euro abgewickelt. So waren bereits weit vor


dem Ende der offiziellen Übergangszeit die Vorläuferwährungen<br />

des Euro größtenteils eingezogen. Mit<br />

dem 28. 2. 2002 verloren die nationalen Währungen<br />

ihre Gültigkeit als gesetzliches Zahlungsmittel in allen<br />

Ländern des Euro-Währungsgebietes.<br />

3. Das Geld: Die Euro-Scheine zeigen Zeitalter und<br />

Stile in Europa. Jeder der sieben Scheine steht für<br />

eine Epoche der europäischen Zeitgeschichte. In die<br />

Banknoten, die es in den Stückelungen 5, 10, 20, 50,<br />

100, 200 und 500 Euro gibt, wurden zum Schutz vor<br />

Fälschungen eine Reihe von Sicherheitsmerkmalen<br />

eingearbeitet. Die acht Münzen unterteilen sich in 1,<br />

2, 5, 10, 20 und 50 Euro-Cent sowie 1 und 2 Euro<br />

(1 Euro = 100 Cent). Auf der gemeinsamen Vorderseite<br />

ist der Münzwert vor dem Hintergrund verschieden<br />

stilisierter europäischer Landkarten und<br />

der zwölf Sterne der Europäischen Union zu sehen.<br />

Ab 2007 sollen darauf auch die inzwischen beigetretenenStaatenzusehensein.DieRückseitenderMünzen<br />

sind von Land zu Land individuell gestaltet und<br />

jedes Mitgliedsland verwendet eigene, nationale<br />

Symbole. Das Recht zur Prägung eigener Münzen<br />

haben auch das Fürstentum Monaco, die Republik<br />

San Marino und der Staat Vatikanstadt, die den Euro<br />

aufgrund einer formalen Regelung mit der EG als gesetzliches<br />

Zahlungsmittel verwenden. Ohne formale<br />

RegelungwirdderEuroinAndorra,Monteneground<br />

im Kosovo verwendet.<br />

Die deutschen Münzen tragen auf den Ein-, Zweiund<br />

Fünf-Cent-Stücken – in Anlehnung an die Pfennige<br />

– einen Eichenzweig. Auf den 10-, 20-, und<br />

50-Cent-Münzen ist das Brandenburger Tor abgebildet.<br />

Die beiden Euro-Münzen zeigen den deutschen<br />

Adler als Hoheitssymbol.<br />

4. Konvergenzkriterien – Eintrittsbedingungen zur<br />

Währungsunion: Für die Teilnahme an der Währungsunion<br />

sind im Maastrichter Vertrag verbindliche<br />

Bedingungen festgelegt. Staaten, die der EWU<br />

beitreten, müssen wirtschaftlich konvergent sein,<br />

d. h. bestimmte, wichtige Ergebnisse ihrer Wirtschaftsleistung<br />

und die Leitlinien ihrer Haushaltspolitik<br />

müssen übereinstimmen. Bei diesen sog. �Konvergenzkriterien<br />

handelt es sich um Referenzwerte<br />

für statistisch berechenbare ökonomische bzw. fiskalische<br />

Größen. Hierzu gehören eine niedrige Inflationsrate,<br />

ein niedriger Zinssatz für Staatsanleihen,<br />

die Entwicklung des Wechselkurses der Währung<br />

sowie – als Forderung an die Haushaltspolitik – solide<br />

Staatsfinanzen, gemessen an der jährlichen Neu-<br />

Euro<br />

verschuldung der öffentlichen Hand (höchstens 3<br />

Prozent) und der Gesamtverschuldungsrate (nicht<br />

mehr als 60 Prozent) im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP). Die Inflationsrate darf maximal<br />

1,5ProzentpunkteundderlangfristigeZinssatznicht<br />

mehr als 2 Prozentpunkte über dem Wert der drei<br />

preisstabilsten Länder der Währungsunion liegen.<br />

Der 1992 vereinbarte Zeitplan für die WährungsunionwirktesichanfangsinkaumfürmöglichgehaltenemMaßedisziplinierendundpositivaus.DieEinführung<br />

des Euro wurde von allen im Deutschen<br />

Bundestag vertretenen Parteien (Ausnahme: PDS)<br />

befürwortet.<br />

DerMaastrichterVertragsahvor,dassdasEWI(jetzt<br />

EZB) und die Europäische Kommission jährlich<br />

Konvergenzberichte abgeben, in denen zur Erfüllung<br />

der oben aufgeführten Konvergenzkriterien<br />

durch die einzelnen Mitgliedstaaten Stellung genommen<br />

wird. Am 25. 3. 1998 legte die Europäische<br />

Kommission abschließend die BeschlussempfehlungfürdieTeilnahmedereinzelnenMitgliedstaaten<br />

an der Währungsunion vor (s. Tab. S. 823).<br />

Auf Grundlage dieser Berichte und Empfehlungen<br />

beschlossen Anfang Mai 1998 zunächst die Wirtschafts-<br />

und Finanzminister, sodann die Staats- und<br />

Regierungschefs der Mitgliedstaaten, dass folgende<br />

elf EU-Länder an der dritten Stufe der Währungsunion<br />

ab dem 1. 1. 1999 teilnehmen: Belgien,<br />

Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien,<br />

Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal<br />

und Spanien. Großbritannien und Dänemark hatten<br />

sich schon im Maastricht-Vertrag das Recht erbeten,<br />

unabhängig davon, ob sie die Konvergenzkriterien<br />

erfüllen, an der dritten Stufe zunächst nicht teilzunehmen.<br />

Schweden erfüllte einerseits nicht das Kriterium<br />

der stabilen Wechselkurse und hatte andererseits<br />

seine Vorbehalte gegen eine Teilnahme an der<br />

Währungsunion zum 1. 1. 1999 deutlich gemacht.<br />

Schließlich legten ebenfalls Anfang Mai die Finanzminister<br />

der EU die bilateralen Umrechnungskurse<br />

der Währungen (EWS) der an der Währungsunion<br />

teilnehmenden elf Staaten untereinander unwiderruflich<br />

fest. Griechenland trat am 1. 1. 2000 als<br />

zwölftes Mitglied der Währungsunion bei. Die neuen<br />

Mitgliedstaaten der EU durchlaufen ein ähnliches<br />

Verfahren.<br />

5. Stabilität als oberstes Ziel der unabhängigen Europäischen<br />

Zentralbank: Mit Beginn der dritten Stufe<br />

der Währungsunion am 1. 1. 1999 ging die Zustän-<br />

203


Eurobarometer<br />

digkeit für die Geldpolitik von den nationalen Zentralbanken<br />

der teilnehmenden Staaten auf die EZB<br />

über. Diese ist gem. dem Maastricht-Vertrag, der<br />

sich insoweit am Gesetz über die Deutsche Bundesbank<br />

orientiert hat, unabhängig von politischen Weisungen<br />

vonseiten der Regierungen der Mitgliedstaaten<br />

und in erster Linie dem Ziel der Erhaltung der<br />

Geldwertstabilität verpflichtet. So ist z. B. in völkerrechtlich<br />

verbindlicher Form zwischen den Mitgliedstaaten<br />

vereinbart, dass eine Finanzierung von<br />

Haushaltsdefiziten in den Mitgliedstaaten durch<br />

Kredite der EZB ausgeschlossen ist. Anders als das<br />

Bundesbankgesetz kann das Statut der EZB (und damit<br />

z. B. auch dieses Verbot) nicht durch einfachen<br />

Mehrheitsbeschluss der Mitgliedstaaten oder eines<br />

Parlaments aufgehoben werden.<br />

Um dauerhaft sicherzustellen, dass ein einmal erreichter<br />

tragbarer Stand der Defizite öffentlicher<br />

Haushalte nach Eintritt in die Währungsunion nicht<br />

durch steigende Defizite wieder gefährdet wird, haben<br />

die Mitgliedstaaten Mitte 1997 den �Stabilitätsund<br />

Wachstumspakt geschlossen. Dieser enthält ein<br />

schnell wirksames Überwachungs- und Sanktionssystem,<br />

das bei Überschreiten des Drei-Prozent-<br />

Grenzwerts der jährlichen Neuverschuldung die<br />

Hinterlegung beträchtlicher Einlagen durch den betreffenden<br />

Mitgliedstaat mit sich bringt, die unwiderruflich<br />

dem Haushalt der Gemeinschaft zufallen,<br />

wenn der Mitgliedstaat keine Maßnahmen zur VerringerungdesDefizitsergreift.VordemHintergrund<br />

der anhaltenden Wachstumsschwäche in Europa hat<br />

der Europäische Rat im März 2005 die strenge Handhabung<br />

der Regeln geändert (vgl. �Stabilitäts- und<br />

Wachstumspakt).<br />

6. Über Europa hinaus: Das Gebiet des Euro erstreckt<br />

sich neben den zunächst zwölf EU-Staaten<br />

auch auf die überseeischen Länder und Gebiete, die<br />

zu einem Euro-Staat gehören oder ihm assoziiert<br />

sind: Guadeloupe, Französisch Guayana, Martinique,<br />

Mayolle, Réunion, Saint-Pierre et Miquelon sowie<br />

die französischen Süd- und Antarktisgebiete. 15<br />

Staaten in Schwarzafrika, meistens ehemalige französische<br />

Kolonien mit ca. 80 Mio. Einwohnern, waren<br />

mit ihrer Währung, dem CFA-Franc, durch ein<br />

Währungsabkommen mit Frankreich an den französischenFrancgebundenundsindesjetztandenEuro.<br />

Frankreich ist dabei allein für die Aufrechterhaltung<br />

des Wechselkurses für die sog. Franc-Zone in Afrika<br />

verantwortlich.<br />

204<br />

Nach dem US-Dollar steht der Euro als Reservewährung<br />

und bei internationalen Transaktionen an zweiter<br />

Stelle. Der Erfolg des Euro zeigt sich auch daran,<br />

dass das Euro-Gebiet als Ganzes, viel mehr als die<br />

einzelnen Länder, eine immer stärkere Beachtung im<br />

Rest der Welt erfährt und die Währung eine hohe Akzeptanzgenießt.<br />

I. T.<br />

Literatur:<br />

Aktionsgemeinschaft Euro (Bundesregierung, Europäische<br />

Kommission, Europäisches Parlament): Ratgeber Euro – Die<br />

20 wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Geld.<br />

Juni 2001 3<br />

Europäische Kommission, Generaldirektion Wirtschaft und<br />

Finanzen: The euro area in the world economy – Developments<br />

in the first three years. Nummer 46, Juli 2002<br />

Dies.: Texte zum Euro Nr.41: Mitteilung der Kommission,<br />

Praktische Aspekte des Euro: Aktueller Stand und künftige<br />

Aufgaben. Brüssel, 12. 7. 2000<br />

Dies.: Der rechtliche Rahmen für die Verwendung des Euro.<br />

In: Europäische Wirtschaft, Beiheft A, Wirtschaftsanalysen,<br />

Nr. 2, Brüssel, Februar 1997<br />

Eurobarometer<br />

1. Begriffserklärung: Die öffentliche Meinung in der<br />

Gemeinschaft wurde von der Europäischen Kommission<br />

vor 1973 in unregelmäßigen Abständen und<br />

wird seit 1973 in regelmäßigen Abständen mit ihrem<br />

Umfrageinstrument Eurobarometer ermittelt. Das<br />

heutige Referat „Analysen der öffentlichen Meinung“<br />

der Kommission ist in der Generaldirektion<br />

Presse und Kommunikation in Brüssel angesiedelt.<br />

Halbjährlich veröffentlicht das Referat seine Frühjahrs-<br />

bzw. Herbstanalysen im Standard-Eurobarometer,<br />

kurze Zusammenfassungen der wichtigsten<br />

Ergebnisse erscheinen vorher.<br />

Detaillierte Tabellen und Grafiken ergeben ein vielschichtiges<br />

Bild der Stimmung in den Mitgliedsländern<br />

der Union (seit Herbst 2004 in 25 Mitgliedstaaten<br />

sowie in vier Ländern, die Beitrittsverhandlungen<br />

mit der EU führen – Bulgarien, Kroatien, Rumänien,dieTürkei–sowieimNordteilvonZypern).Ein<br />

neuer Umfragetypus ergänzt seit 1989 das traditionelle<br />

Eurobarometer: das Flash-Eurobarometer. Daneben<br />

wurden von 1991 bis 1998 regelmäßig im Eurobarometer<br />

Mittel- und Osteuropa (CEEB) die Umfrageergebnisse<br />

aus diesen Staaten veröffentlicht<br />

und qualitative Studien durchgeführt. Das CEEB<br />

wurde 2000 bis 2004 ersetzt durch das Eurobarometer<br />

der Kandidatenländer (CCEB). Zwischen 1994<br />

und 1997 wurden zusätzlich kurze Eurobarometer-Umfragen<br />

monatlich erhoben und in der Reihe<br />

„Europinion“ publiziert.


2. Statistische Erhebungsmethode<br />

2. 1 Das Standard-Eurobarometer: Es stützt sich auf<br />

eine Stichprobe von je 1000 Befragten im Alter von<br />

mindestens 15 Jahren in jedem Mitgliedstaat, die<br />

nach einem Zufallsverfahren (random root) ausgesucht<br />

und überall mit dem gleichen Fragebogen interviewt<br />

werden. Einzige Ausnahmen sind Luxemburg<br />

und das Vereinigte Königreich: Während im<br />

kleinen Luxemburg lediglich 600 Leute befragt werden,<br />

sind es im Vereinigten Königreich 1 300 (1000<br />

in Großbritannien und 300 zusätzlich in Nordirland).<br />

Um die Integration der fünf ostdeutschen Länder in<br />

die EU zu beobachten, werden seit Herbst 1990 500<br />

Personen in Ost- und 1000 Personen in Westdeutschland<br />

befragt. Die Umfragen führt jetzt das TNS Opinion&Social,einvonTaylorNelsonSofresundEOS<br />

Gallup Europe gebildetes Konsortium durch (in<br />

Deutschland: TNS Infratest).<br />

Die Interviewfragen sind hauptsächlich geschlossen<br />

– d. h. Antwortvorgaben werden angeboten – und<br />

werden im persönlichen Gespräch zwischen InterviewtemundInterviewerbeantwortet.Diefürdiegesamte<br />

Union aufgeführten Durchschnittszahlen sind<br />

analog der Erwachsenenbevölkerung eines jeden<br />

Landes gewichtet. Einige Fragen werden bei jedem<br />

der halbjährlichen Interviews wiederholt, z. B.: über<br />

persönliche Rahmenbedingungen (Zufriedenheit,<br />

Erwartungen, Ängste), über Einstellungen zur EU,<br />

über die �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

oder zur �Erweiterung. Immer dabei sind auch<br />

Fragen, die sich auf aktuelle Themen der vergangenen<br />

Monate beziehen, so z. B. zum �Euro. Die Daten<br />

der Eurobarometer-Erhebungen sind im Internet<br />

über den Europa-Server der Europäischen Institutionen<br />

im PDF-Format abrufbar (Adresse s. u.).<br />

2.2 Sonderausgaben: Besondere Umfragen werden<br />

im allgemeinen im Auftrag der verschiedenen Generaldirektionen<br />

durchgeführt. Seit 1989 gibt es das<br />

Flash-Eurobarometer,eineUmfrage,diedanneingesetzt<br />

wird, wenn die Einstellung der Unionsbevölkerung<br />

zu einem aktuellen Thema rasch bekannt sein<br />

muss oder wenn zielgruppenspezifische Umfragen<br />

durchgeführt werden. Sie erfolgt über Telefoninterviews<br />

und liefert schon nach drei Wochen erste Ergebnisse.<br />

Themen 2004 u. a.: Einführung des Euro in<br />

den neuen Mitgliedstaaten; Europäischer Verfassungsvertrag;<br />

Jugendliche und Drogen.<br />

Darüber hinaus werden sog. qualitative Analysen<br />

durchgeführt, die in der Regel sehr umfangreich sind<br />

Eurocontrol<br />

und auf ein bestimmtes Thema oder eine Zielgruppe<br />

abzielen. Beispiel 2003: Einstellung der Verbraucher<br />

zu öffentlichen Diensten.<br />

Von Anfang an werden auch Sonderausgaben des<br />

Eurobarometer zu speziellen Themen veröffentlicht,<br />

wobei einige sich in verschiedenen Jahren wiederholen<br />

und Vergleiche ermöglichen. Beispiele 2004:<br />

Unionsbürger und Sport; Finanzen und Finanzdienstleistungen;<br />

Einstellung zu Betrügereien zu<br />

Lasten des EU-Haushalts; Europäische Beschäftigungs-<br />

und Sozialpolitik. Themen aus früheren Jahren:Blutspenden;Biotechnologie;Entwicklungshilfe;<br />

Gemeinsame Agrarpolitik. Im Gegensatz zum<br />

Standard-Eurobarometer werden hierzu sog. offene<br />

Interviews geführt.<br />

Andere Studien reichen über den geographisch begrenzten<br />

Raum der Mitgliedstaaten hinaus. Von<br />

2001 bis 2004 wurden z. B. die Einstellungen der<br />

Bürger in den 13 Kandidatenländern zur EU erfragt<br />

und jährlich jeweils im März im Eurobarometer der<br />

Kandidatenländer veröffentlicht (CCEB). Zuvor<br />

wurde von 1990 bis 1998 jährlich ein Eurobarometer<br />

Mittel- und Osteuropa (CEEB) mit Meinungsumfragenin19Staatenveröffentlicht.<br />

J. L.-B./Red.<br />

Anschrift: Europäische Kommission, GD X/A 2, Rue de<br />

Trèves 120, B–1049 Brüssel.<br />

Internet-Adresse: http://europa.eu.int//comm/public_opinion<br />

mit weiteren Hinweisen<br />

Eine ausführliche Suchfunktion aller bisher erschienenen<br />

Ausgaben von Eurobarometer bietet das Zentralarchiv für<br />

empirische Sozialforschung der Universität Köln unter<br />

www.gesis.org/ZA<br />

Eurocities ist ein Netzwerk von Großstädten in den<br />

25 Mitgliedstaaten der EU und den 3 Beitrittskandidaten<br />

Bulgarien, Rumänien und Türkei zur transnationalen<br />

Kooperation, auch im Hinblick auf die Förderung<br />

urbaner Aufgaben durch die EU (z. B. durch<br />

die �Wiener Erklärung vom November 2004) und<br />

auf den Zugang zu Fördermitteln der Europäischen<br />

Gemeinschaft.<br />

Eurocontrol (European Organisation for the Safety<br />

of Air Navigation). 1960 von 6 europäischen Staaten<br />

gegründete Europäische Organisation zur Lenkung<br />

und Überwachung der zivilen und militärischen<br />

Luftfahrt mit gegenwärtig 34 Mitgliedstaaten aus<br />

Europa und Sitz in Brüssel. EUROCONTROL ist<br />

keine Einrichtung der Europäischen Gemeinschaft,<br />

die ihr aber beigetreten ist. �Flugsicherheit<br />

205


Eurodac<br />

Eurodac-System ermöglicht den Vergleich von<br />

Fingerabdrücken von Asylbewerbern und Personen,<br />

die illegal die Außengrenzen der EU überschritten<br />

haben. Zweck ist die effektive Anwendung des �Dubliner<br />

Abkommens. Das gemeinschaftliche System<br />

wurde mit Rats-Verordnung 2725/2000 eingerichtet<br />

(ABl.L316/2000).Eurodacbestehtauseinervonder<br />

Kommission verwalteten Zentraleinheit, einer computergestützten<br />

Datenbank für Fingerabdrücke sowie<br />

Einrichtungen zur elektronischen Übertragung<br />

zwischen den Mitgliedstaaten und der zentralen Datenbank.<br />

Eurodicautom ist eine Datenbank zur Unterstützung<br />

und Vereinheitlichung der Übersetzungen von<br />

Dokumenten und anderen Texten der Europäischen<br />

Union. Sie enthält rund 5 Millionen Begriffe aus der<br />

Terminologie der Gemeinschaften sowie feststehende<br />

Formulierungen aus dem Primär- und Sekundärrecht<br />

der EU mit ihren Übersetzungen in alle amtlichen<br />

Sprachen. Eurodicautom untersteht der Generaldirektion<br />

Übersetzung der Europäischen Kommission.<br />

Die Datenbank ist öffentlich zugänglich unter:<br />

http://europa.eu.int/eurodicautom.<br />

EUROFOR (European Rapid Operational Force)<br />

und EUROMARFOR (European Maritime Force)<br />

wurden 1995 von den �WEU-Staaten Frankreich,<br />

Italien, Portugal und Spanien als Einsatzverbände<br />

der Land- bzw. Seestreitkräfte aufgestellt. EURO-<br />

FOR ist seit Juni 1998 einsatzbereit und verfügt über<br />

ein ständiges Kommando in Florenz. Die übrigen<br />

Kräfte werden je nach Auftrag und Lage zusammengestellt.<br />

EUROFOR sind vorwiegend leichte Infanteriekräfte<br />

unterstellt und kann für friedenserhaltende<br />

und humanitäre Aufgaben eingesetzt werden,<br />

aber nur begrenzt zur Durchsetzung des Friedens mit<br />

militärischen Mitteln. Auf Beschluss des Rates<br />

2003/563/GASP vom 29. 7. 2003 hat EUROFOR am<br />

1. 10. 2003 das Hauptquartier der EU-Militäroperation<br />

CONCORDIA in Mazedonien übernommen.<br />

Eurogruppe (auch Euro-12-Gruppe bzw. Euro-12-Rat<br />

genannt) ist jener Teil des �Ecofin-Rates,<br />

der sich aus den Ministern der Mitgliedstaaten zusammensetzt,<br />

die den Euro als gesetzliche Währung<br />

eingeführt haben. Die Gruppe wurde vom EuropäischenRatinLuxemburg(12./13.12.1997)insLeben<br />

206<br />

gerufen und trat erstmals am 4. 6. 1998 zusammen<br />

(noch als Euro-11-Gruppe). Sie tagt informell ohne<br />

Beschlussfähigkeit. Auch die Kommission und ggf.<br />

der Präsident der �EZB werden eingeladen. Die Minister<br />

der nicht an der 3. Stufe der Währungsunion<br />

teilnehmenden Länder sind nur dabei, wenn Fragen<br />

von gemeinsamem Interesse beraten werden. Die<br />

Eurogruppe tagt gewöhnlich am Vorabend einer Sitzung<br />

des Ecofin-Rates. Seit 1. 1. 2005 wählt die Eurogruppe<br />

aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden für die<br />

Dauer von 2 Jahren.<br />

Euro Info Centres (EIC) sind Beratungsstellen für<br />

Unternehmen, insbes. für kleine und mittlere Unternehmen<br />

(�KMU, englische Abkürzung: SME). Sie<br />

wurden 1987 von der Europäischen Kommission ins<br />

Leben gerufen und sind durch ein EIC-Netz in 42 europäischen<br />

Staaten miteinander verbunden. In<br />

Deutschland gibt es 35 EIC, die meisten sind Industrie-<br />

und Handelskammern, Handwerkskammern,<br />

Landesgewerbeanstalten oder Banken angeschlossen.<br />

EIC informieren über Ausschreibungen und<br />

Förderprogramme (vor allem in den Bereichen Forschung<br />

und Entwicklung), Richtlinien und Normen<br />

(z. B. im Umwelt- oder Verbraucherschutz), vermitteln<br />

Partner in Europa, organisieren Beteiligungen<br />

an Messen im Ausland und anderes.<br />

Für die zunehmende Verwendung elektronischer<br />

Kommunikationsmittel im Geschäftsverkehr (eCommerce)<br />

wird kleinen und mittleren Unternehmen seit<br />

2001 über das Netzwerk eLogistik (www.ec-elogistik.de)HilfebeiderAbwicklunglogistischerProzesse<br />

und bei der Optimierung von Geschäftsbeziehungen<br />

angeboten.<br />

Euro-Jargon. Halbamtlich, inoffiziell oder umgangssprachlich<br />

verwendete Begriffe aus den Tätigkeitsbereichen<br />

der EU. Eine Übersicht solcher Begriffe<br />

findet sich im Internet unter:<br />

http//europa.eu.int/abc/eurojargon/index_de.htm<br />

Eurojust. Der Vertrag von Nizza begründete diese<br />

Europäische Stelle für justitielle Zusammenarbeit,<br />

um im grenzoffenen �Schengen-Europa eine effizientere<br />

Verbrechensbekämpfung zu ermöglichen.<br />

Eurojust wurde auf der Grundlage einer Vereinbarung<br />

des Europäischen Rates in Tampere (Finnland)<br />

im Herbst 1999 mit Beschluss des Rates der Europäischen<br />

Union vom 28. 2. 2002 geschaffen und ist eine


Einrichtung der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit.<br />

Sämtliche Mitgliedstaaten entsenden eigene<br />

Staatsanwälte,Richterbzw.Polizeibeamte.Aufgabe<br />

von Eurojust ist es, in Zusammenarbeit mit �Europol<br />

und �OLAF im Rahmen der justitiellen Zusammenarbeit<br />

in Strafsachen (vgl. Art. 29 EU bzw. Art. I-42,<br />

Art.III-257ff.desEU-Verfassungsvertrags2004)zu<br />

einer sachgerechten Koordinierung der nationalen<br />

Behörden bei strafrechtlichen Ermittlungen beizutragen.<br />

Zudem leistet Eurojust auf EU-Ebene Unterstützerdienste<br />

bei Ermittlungsarbeiten bezüglich<br />

schwerer, grenzüberschreitender, namentlich organisierterKriminalität.SchließlichversuchtEurojust,<br />

die Erledigung von Rechtshilfe- und Auslieferungsersuchen<br />

innerhalb der EU zu erleichtern.<br />

Da sich ein Großteil der Arbeit von Eurojust auf die<br />

Sammlung, Auswertung und Weitergabe sensibler<br />

Daten bezieht, sind in den Beschluss zur Errichtung<br />

vonEurojustumfangreicheDatenschutzbestimmungen<br />

aufgenommen worden. So sind bspw. Regelungen<br />

zur Sperrung von Daten und zur Datensicherheit<br />

enthalten, ebenso Auskunftsansprüche der Betroffenen<br />

über die sie betreffenden personenbezogenen<br />

Daten. Auch wurde eine gemeinsame Kontrollinstanz<br />

geschaffen, deren Entscheidungen bindenden<br />

Charakter haben. Diese Instanz setzt sich aus Richtern<br />

oder Personen, die aufgrund des ihnen verliehenen<br />

Amtes eine vergleichbare Unabhängigkeit besitzen,zusammen.<br />

J. M. B./M. K.<br />

Euro-Korps. Aus der deutsch-französischen Brigade<br />

seit 1992 („Bericht von La Rochelle“) entwickelter<br />

Verband zur Stärkung der militärischen Zusammenarbeit<br />

in Europa. Mitglieder des Euro-Korps<br />

sind neben Deutschland und Frankreich Belgien<br />

(1993), Spanien (1994) und Luxemburg (1996). Das<br />

Hauptquartier des Verbands steht in Straßburg. Das<br />

Euro-Korps wurde 1993 als „Modell“ einer engeren<br />

militärischen Zusammenarbeit in Europa zunächst<br />

der �Westeuropäischen Union (WEU) als Großverband<br />

zugeordnet. Seit 1999 steht es der EU im Rahmen<br />

von Einsätzen im Spektrum der �„Petersberg-Aufgaben“<br />

zur Verfügung. 2001 erfolgte die<br />

Umwandlung des Euro-Korps in ein „schnelles Reaktionskorps“.DerEinsatzimRahmenderNATOist<br />

seit 1993 geregelt („SACEUR-Abkommen“). 2000<br />

wurde das Euro-Korps von der NATO mit der Leitung<br />

des KFOR-Hauptquartiers im Kosovo betraut.<br />

Mit der Öffnung für andere NATO-Mitgliedstaaten<br />

Eurokratie<br />

im Jahre 2002 kann das Euro-Korps-Hauptquartier<br />

auch als Krisenreaktionshauptquartier der NATO<br />

zumEinsatzkommen. U. S.<br />

Anschrift: Maanweg 174, NL-2516 AB Den Haag<br />

Internet: www.eurojust.eu.int<br />

Eurokratie<br />

1. Begriff: Die Skepsis vieler Bürgerinnen und Bürger<br />

gegenüber der Europäischen Union ist Ausdruck<br />

einer Sorge vor einem „europäischen Überstaat“, in<br />

dem eine anonyme Superbürokratie (�Beamte und<br />

Bedienstete der EU) fernab in Brüssel im Namen der<br />

�Integration alle aus den nationalen Traditionen erwachsenen<br />

Unterschiede nivelliert und den Menschen<br />

mit einer Fülle von Direktiven zentralistisch in<br />

alle Lebensbereiche hineinregiert. Schlagwörter in<br />

der Diskussion sind Bürokratismus, bürokratische<br />

Regelungswut und der detailbesessene Perfektionismus.<br />

WersinddieEurokraten?Grundsätzlichgilt,dassdie<br />

Union immer nur das leistet, was ihr die nationalen<br />

Regierungen abverlangen. Die Macht in der Union<br />

sitzt dementsprechend zuerst bei den nationalen Regierungen,<br />

die über den Rat möglichst viel EU-<br />

Macht zu Gunsten des jeweiligen Landes aktivieren<br />

wollen. Es existieren gegenwärtig auf Ratsebene<br />

über 200 Arbeitsgruppen. Ein Großteil der Mitarbeiter<br />

(ca. 80 %) sind nationale Beamte aus den<br />

EU-Staaten.<br />

Die zweite Machtebene bildet die Europäische KommissionmitihrerBürokratie,diemeistZielobjektder<br />

Bürokratiekritik ist, da sie von ihrem Initiativrecht<br />

Gebrauch macht, um die Europapolitik voranzutreiben<br />

und umzugestalten, die �Rechtsakte überwacht,<br />

die europäischen Politikbereiche koordiniert und<br />

über 90 % des EU-Haushaltes verwaltet.<br />

Die europäische Bürokratie umfasst begrifflich die<br />

für die Union typische, integrationspolitisch (nicht<br />

staatlich) organisierte Form der europäischen Administration(Eurokratie),dieaufgrundihrerstrukturellen<br />

Anlage einen vermeintlich zu starken Einfluss<br />

aufdiepolitischeAusgestaltungderUnionausübt.<br />

Es liegt die Frage nahe, ob die Kommission nicht ein<br />

extrem uneffektiver Verwaltungsapparat ist. Sitzen<br />

da nicht zu viele „Eurokraten“?<br />

In dieser Frage liegt ein Vorurteil, das häufig gegen<br />

die Bürokratie der Union vorgebracht wird und nicht<br />

zu halten ist: Sie ist keineswegs so stark aufgebläht,<br />

wiegerneunterstelltwird.EinVerwaltungsanteilder<br />

207


Eurokratie<br />

Kommission von 4 % am Haushalt der EU ist nicht<br />

übertrieben. Dies gilt auch für den Gesamtanteil von<br />

etwa 5,5 % aller EU-Organe. Dennoch ist der EUweite<br />

Abbau der Bürokratie ein wichtiges Anliegen<br />

in der �Lissabon-Strategie für mehr Wachstum und<br />

Beschäftigung.<br />

Im Rahmen dieser Strategie die EU-Gesetzgebung<br />

durch den Abbau von Überregulierungen verbessert<br />

werden soll. Ziel ist eine Vereinfachung der Rechtsetzung.<br />

Die Kommission setzt beim Bürokratieabbau<br />

auf drei Qualitätsparameter: Verbesserte Folgenabschätzung<br />

bereits im Gesetzgebungsverfahren,<br />

eine stärkere Vereinfachung vorhandener<br />

EU-Regelungen und eine kontinuierliche Umsetzung<br />

des Bürokratieabbaus über jährliche Aktionspläne.<br />

Um das Potenzial der EU voll auszuschöpfen, hat die<br />

Europäische Kommission 2005 ein Maßnahmepaket<br />

für bessere Rechtsetzung vorgelegt. Es soll dazu dienen,<br />

langwierige und komplizierte Verfahren zu verkürzen<br />

und somit das EU-Recht zu vereinfachen und<br />

den Verwaltungsaufwand zu verringern. Um der<br />

Überregulierung und der unnötigen Bürokratie ein<br />

Ende zu setzen, schlägt die Kommission vor, die Folgenabschätzungzuverbessernundschnellerüberdie<br />

vielen hundert Kommissionsvorschläge, die dem<br />

Parlament und dem Rat vorliegen, zu entscheiden.<br />

Viele Maßnahmen, durch die Bürokratie verringert<br />

werdenkann,fallenindenZuständigkeitsbereichder<br />

Mitgliedstaaten. Die Kommission empfiehlt ihnen<br />

daher, auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Verbesserung<br />

der Rechtsetzung zu ergreifen, zu denen auch<br />

Folgenabschätzungssysteme und Vereinfachungsprogramme<br />

gehören sollten.<br />

2. Dimensionen der Eurokratie<br />

2.1 Der Zentralismus: Die Kommission hat die Aufgabe<br />

und das Recht, die Grundlagen für europäische<br />

Regelungen zu erarbeiten. Mit dem fortschreitenden<br />

Integrationsniveau nimmt der Bürokratisierungsgrad<br />

zu. So hat z. B. das Binnenmarktprojekt eine<br />

Fülle von Rechtsakten zur Folge gehabt, die zunehmend<br />

von Auslegungsentscheidungen des Europäischen<br />

Gerichtshofes flankiert werden. Intensivster<br />

Bürokratiekomplex ist der landwirtschaftliche Sektor<br />

mit der überwiegend zentralistisch ausgerichteten<br />

�Gemeinsamen Agrarpolitik.<br />

2.2 Der Lobbyismus: Durch Stellungnahmen, Gutachten<br />

und Gespräche beeinflussen (schätzungsweise<br />

20 000) Lobbyisten den Prozess der Vorschlagser-<br />

208<br />

arbeitung der europäischen Behörden und Politiker.<br />

Sie wollen auf die Ausgestaltung der Unions-Gesetze<br />

und Politiken und die Normensetzung Einfluss<br />

nehmen. Sie wollen Fördergelder aus dem 106 Mrd.<br />

Euro Unionshaushalt (Zahlungsermächtigungen<br />

2005) akquirieren. Und nicht zuletzt wollen sie die<br />

EU-Wettbewerbsbehörde von den Anliegen ihrer<br />

Klientel überzeugen. Sie repräsentieren Konzerne,<br />

Verbände,ParteienoderöffentlicheKörperschaften.<br />

Eine wachsende Rolle spielen die rund hundert Beratungsunternehmen<br />

(Public Affairs Agenturen). Sie<br />

betreiben nach angelsächsischem Muster für feste<br />

Auftraggeber oder zeitlich befristet professionelles<br />

Lobbying. Auch für die Nationalstaaten versuchen<br />

Fachbeamte, so früh wie möglich auf Entscheidungen<br />

der europäischen Ebene Einfluss zu bekommen<br />

(�Europäische Verbände/Lobbyismus). Hinzu kommen<br />

mehr als 100 europäische Regionen, die in Brüssel<br />

mit einem eigenen Büro vertreten sind.<br />

2.3 Der nationale Egoismus auf Ratsebene: Die Eurokratie<br />

scheint sich immer mehr über den Rat zu entwickeln.<br />

Die Zahl der dort angesiedelten Arbeitsgruppen<br />

ist ansteigend. So sind im Kern der Eurokratie<br />

die nationalen Beamten zu nennen, da der Rat (in<br />

FormderRessortminister)inderPraxiseuropäischer<br />

Entscheidungsabläufe weniger präsent ist. Ca. 80 %<br />

der Rechtsakte werden von den nationalen Beamten<br />

in den Arbeitsgruppen ausgehandelt und im �Ausschuss<br />

der Ständigen Vertreter (EU-Botschafter =<br />

nationale Diplomaten) verabschiedet.<br />

2.4 Die Deregulierung der Komplexität und Unübersichtlichkeit<br />

der Entscheidungsprozesse: Die Entscheidungsprozesse<br />

der EU sind trotz fortlaufender<br />

Demokratisierungsbemühungen wenig transparent.<br />

Nach wie vor sind die einschlägigen Verfahren zu<br />

zahlreich und zu kompliziert, wenngleich die Befugnisse<br />

des Europäischen Parlaments bis zum Verfassungsvertrag<br />

2004 kontinuierlich erweitert wurden.<br />

Nimmt man die seit dem Vertrag von Nizza geltenden<br />

Beteiligungsmöglichkeiten und die Abstimmungsmodalitäten<br />

des Rates in allen drei Säulen der<br />

EU sowie die Beteiligungsmöglichkeiten und die<br />

Abstimmungsmodalitäten des EP und kombiniert<br />

diese entsprechend den Vertragsbestimmungen, so<br />

erhält man mindestens 38 verschiedene Verfahrensvarianten.<br />

Die Lichtung dieses Verfahrensdschungels war eines<br />

der wesentlichen Ziele des �Verfassungsvertrages<br />

2004. Die mit dem Amsterdamer Vertrag grund-


legendfestgelegtendreiRechtsetzungsverfahrender<br />

Zustimmung, der Mitentscheidung (mit dem Rat)<br />

und der Anhörung wurden vereinfacht. Wenn der<br />

Verfassungsvertrag in Kraft tritt, ist das �Mitentscheidungsverfahren<br />

als „ordentliches Gesetzgebungsverfahren“<br />

mit der Ausdehnung qualifizierter<br />

Mehrheitsentscheidungen die Regel (�Gesetzgebungsverfahren).<br />

Der Verfassungsvertrag dehnt den<br />

Anwendungsbereich für Mitentscheidungsrechte<br />

des EP von 45 auf 84 fallspezifische Handlungsermächtigungen<br />

aus.<br />

2.5 Förderprogramme und Antragswesen: Die Zahl<br />

der EU-Förderprogramme wird auf insgesamt 170<br />

geschätzt. Offizielle Zahlen oder gar eine Zusammenstellung<br />

aller Förderprogramme seitens der<br />

Kommission gibt es nicht. Zur Unübersichtlichkeit<br />

der Fördertatbestände kommt die häufig kurzfristige<br />

Programminformation durch die Kommission hinzu.<br />

Der Aufruf der Europäischen Kommission zur<br />

Einreichung von Vorschlägen umschreibt das Antragsverfahren<br />

auf finanzielle Hilfen im Rahmen der<br />

Programme und Ausschreibungen. Der Antragsteller<br />

hat umfassende Formulararbeiten zu leisten, deren<br />

Komplexität ein solches Maß angenommen hat,<br />

dass es vielfach ohne spezielle „Consultants“ (Berater)<br />

nicht mehr geht. Bemerkenswert ist, dass die<br />

Kommission vielfach den Antragstellern bereits in<br />

den Programmrichtlinien empfiehlt, sich von einem<br />

namentlichgenanntenBerater-Privatbüroberatenzu<br />

lassen. Zur Bewertung der Förderanträge beauftragt<br />

die Kommission auch vielfach solche Consultants,<br />

d. h. Berater urteilen über die Anträge von Beratern<br />

unddamitüberfinanzielleDienstleistungen.Auchdie<br />

Projektdurchführung wird vielfach den Beratern<br />

überlassen. Mit den Consultants ist eine neue Profession<br />

entstanden, die die Komplexität der Fördermöglichkeiten<br />

vielfach so beherrschen, dass sich eine<br />

zweite mächtige „Bürokraten- und Lobbyebene“ herausgebildet<br />

hat. Die erforderlichen Antragsunterlagensindteilweisesoumfangreich(z.B.25SeitenProgrammrichtlinien<br />

und 25 Antragsseiten beim Phare-<br />

�Lien-Programm), dass es oftmals zu einem krassen<br />

MissverhältniszwischenAufwandbeiderAntragstellung<br />

und bewilligter Zuschusshöhe kommt.<br />

3. Bürgerrecht auf gute Verwaltung: Die Charta der<br />

Grundrechte der Union, Teil des Verfassungsvertrags<br />

2004, enthält als Bürgerrechte zwei bemerkenswerte<br />

Regelungen: Artikel II-101 regelt das<br />

Recht auf eine gute Verwaltung; Art. II-102 das<br />

Eurokratie<br />

Recht auf Zugang zu Dokumenten der Europäischen<br />

Union.<br />

Artikel II-101 räumt jedem Menschen das Recht ein,<br />

dass seine Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen,<br />

Ämtern und Agenturen der EU unparteiisch,gerechtundinnerhalbeinerangemessenenFrist<br />

behandelt werden. Dieses Bürgerrecht wird spezifiziert<br />

als Anhörungsrecht und Aktenzugangsrecht;<br />

hinzu kommt die Pflicht der Verwaltung, ihre Entscheidung<br />

zu begründen (Begründungspflicht). Ferner<br />

existieren ein Schadensersatzanspruch gegenüber<br />

dem (fehlerhaften) Verwaltungshandeln der<br />

Union und ein Sprachenrecht. Jeder Mensch kann<br />

sich in einer der Sprachen der Verfassung an die Organe<br />

der Union wenden und muss eine Antwort in<br />

derselben Sprache erhalten.<br />

4. Fazit: Das Harmonisierungsbestreben der Eurotechnokraten<br />

nahm auf allen Ebenen wenig Rücksicht<br />

auf politische Ziele, nationale Werte und Befindlichkeiten,<br />

war aber auch bedingt dadurch, dass<br />

der Rat sich erst 1984 entschließen konnte, statt<br />

�Harmonisierung �gegenseitige Anerkennung als<br />

Prinzip des �Binnenmarktes zu akzeptieren. Technokratie<br />

als Bestandteil der Eurokratie bedeutet hier,<br />

dass nicht politische Ziele, sondern die Wege und<br />

Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung den Maßstab<br />

für politisches Denken und Handeln abgeben.<br />

Unbestritten ist, dass ein Projekt wie die europäische<br />

Integration, die immer mehr einzelstaatliche Politikbereiche<br />

und Kompetenzen an sich zieht, neue Politikgestaltungsfunktionen<br />

auslöst und Verfahren entwickelt,<br />

die einen Bedarf an bürokratischer Lenkung<br />

haben. Die Gefahr besteht, dass die bürokratischen<br />

Eliten über mehr und mehr Herrschaftswissen und<br />

-techniken verfügen. Verordnungen und Richtlinien<br />

sind oftmals nicht mehr das Werk von politisch Verantwortlichen,<br />

sondern das von Bürokraten. Hinzu<br />

kommt die unkontrollierbare Praxis der Lobbyisten.<br />

Nationale Parlamente und das EP können dies teilweise<br />

nicht nachvollziehen.<br />

Der Europäische Rat hat 2004 erneut darauf hingewiesen,<br />

dass das Bewusstsein der Bürger für die Bedeutung<br />

der Arbeit der Union gestärkt werden muss.<br />

Für ihn stehen die Politiker auf nationaler und europäischer<br />

Ebene in der Verantwortung, die Europäer<br />

durch öffentliche Debatten und aktiven Bürgersinn<br />

andenEntscheidungenderEUteilhabenzulassen.<br />

Eine weitere Dimension des Bürokratieabbaus sind<br />

die elektronischen Dienste. Eine der Zielsetzungen<br />

209


Euro-Mediterrane Partnerschaft<br />

des „Aktionsplans �eEurope 2005“ war es, die<br />

grundlegenden öffentlichen Dienste – öffentliche<br />

Verwaltung, Gesundheitswesen, Bildungswesen<br />

und Justiz – ab 2005 online zugänglich zu machen.<br />

Dieses Ziel wurde weitgehend erreicht. Das eGovernment<br />

hat noch weitere Vorteile: Es trägt zur SteigerungderTransparenzderöffentlichenVerwaltungbeiundhilftsomitbeiderBekämpfungvonKorruption<br />

und der besseren Umsetzung von öffentlichen<br />

Maßnahmen. Außerdem spart es Zeit und Geld, steigert<br />

die Effizienz und so die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Wirtschaft im Allgemeinen.<br />

L. U.<br />

Literatur:<br />

Club de Bruxelles/Stern, A.: European Lobbying. Brüssel 1992<br />

Van Schendelen, M. (Hg.): National Public und Private EC<br />

Lobbying. Dartmouth Publishing Company 1993<br />

Vedder, C. (Hg.): EU-Verfassung. Baden-Baden 2005<br />

Euro-Mediterrane Partnerschaft(EMP).DieEntwicklungszusammenarbeit<br />

im Mittelmeerraum – die<br />

auch als �„Barcelona-Prozess“ benannte Euro-Mediterrane<br />

Partnerschaft (EMP) – erstreckt sich auf<br />

alle Mittelmeerdrittländer (sog. MDL) mit der bisherigen<br />

Ausnahme Libyens: Marokko, Tunesien, Algerien,<br />

Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Syrien,<br />

Türkei, Zypern, Malta und – obwohl noch kein Staat<br />

– die Palästinensische Autonomiebehörde. In den<br />

letzten zehn Jahren stellte die EG hierfür rund 7 Mrd.<br />

Euro zur Verfügung, mit denen insbes. die politische<br />

Stabilität und Demokratie dieser Mittelmeerpartner<br />

gestärkt bzw. eine Politische und Sicherheitspartnerschaft,<br />

eine Wirtschafts- und Finanzpartnerschaft<br />

sowieeinePartnerschaftimkulturellen,sozialenund<br />

menschlichen Bereich herbeigeführt werden sollte.<br />

Bis 2010 soll zudem eine euro-mediterrane Freihandelszone<br />

errichtet werden. Im gewerblichen Bereich<br />

besteht im Rahmen der EMP bereits eine nahezu<br />

vollständige Zollfreiheit; im Agrarbereich werden<br />

wegen der unmittelbaren Konkurrenz zu den südlichen<br />

EU-Mitgliedstaaten nur teilweise Vorteile gewährt.<br />

Für die Umsetzung der EMP ist der sog. Euro-Med-Ausschuss<br />

zuständig. Probleme bereitet<br />

hierbei insbesondere die negative Entwicklung des<br />

Friedensprozesses im Nahen Osten sowie die mangelnde<br />

Kooperationsbereitschaft vieler MDL untereinander.�Mittelmeerpolitik<br />

J. M. B.<br />

Europa-Abkommen (Europa-Verträge). Bezeichnung<br />

für Assoziierungsabkommen der EG mit Staa-<br />

210<br />

ten Mittel- und Osteuropas, die über die bisherigen<br />

Kooperationsabkommen hinausgehen (z. B. in der<br />

Präambel die Perspektive auf einen Beitritt zur Europäischen<br />

Union eröffnen). Rechtsgrundlage ist Art.<br />

310 EGV.<br />

Die ersten, schon im Dezember 1991 unterzeichneten<br />

Abkommen zwischen der EG, Polen und Ungarn<br />

traten Anfang 1994 als sog. Europa-Verträge in<br />

Kraft, am 1. 2. 1995 die Abkommen mit Tschechien,<br />

der Slowakei, Rumänien und Bulgarien, 1996 mit<br />

Slowenien. Sie sollten den Rahmen für freien Handelsaustausch<br />

und die Errichtung von Freihandelszonen<br />

sowie für regelmäßige politische Konsultationen<br />

und kulturelle Zusammenarbeit bilden. Ziel der<br />

Verträge war es, die ost(mittel)europäischen Reformstaaten<br />

auf ihre EU-Vollmitgliedschaft vorzubereiten.<br />

1995 wurden entsprechende Abkommen<br />

mit den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen<br />

unterzeichnet.<br />

Die EU verpflichtete sich zum Abbau von Einfuhrhemmnissen<br />

für Industriegüter und zur Erleichterung<br />

der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse,<br />

ferner zu einer Liberalisierung des Dienstleistungsaustauschs<br />

und des Kapitalverkehrs. Den Reformstaaten<br />

wurde gestattet, ihre eigenen Märkte langsamer<br />

zu öffnen; ihr Wirtschafts- und Sozialrecht solltensieandieEUanpassen.<br />

W.M.<br />

Europa à la carte, Europa mit variabler Geometrie<br />

und andere Integrationskonzepte.<br />

1. Begriff. Hinter den Begriffen verbergen sich verschiedene<br />

europapolitische Konzepte differenzierter<br />

Integration (�abgestufte Integration). Sie waren<br />

Mitte der 1990er Jahre von besonderer Brisanz, als<br />

die Diskussion um die Einführung einer allgemeinen<br />

Flexibilitätsklausel in die Gründungsverträge aktuell<br />

war. Sie sind geprägt von unterschiedlichen Zielvorstellungen<br />

über die politische Finalität einer erweiterten<br />

Europäischen Union.<br />

a) Unter dem Sammelbegriff Europa unterschiedlicher<br />

Geschwindigkeiten sind solche Konzepte zu<br />

verstehen, welche der abgestuften Integration lediglich<br />

die Bedeutung einer Zwischenetappe auf dem<br />

Weg zu einem einheitlichen Integrationsstand in allen<br />

Mitgliedstaaten beimessen. Eine differenzierte<br />

Integration kann in Gestalt einer befristeten Ausnahmeregelung<br />

zugunsten eines Mitgliedstaates erfolgen,<br />

der aufgrund nationaler Besonderheiten eine<br />

längere Übergangszeit zur Anpassung an neue ge-


meinschaftsrechtliche Standards benötigt. Der gleiche<br />

Integrationsstand könnte allerdings auch ohne<br />

Zeitvorgaben erreicht werden, wenn eine intensivierte<br />

Zusammenarbeit zunächst nur zwischen einigen<br />

Mitgliedstaaten stattfindet, aber den Anschluss<br />

derübrigenMitgliedstaatennachsichzieht.DieVorreiterrolle<br />

kann dabei einem festen Kreis besonders<br />

integrationswilliger Staaten im Sinne eines Kerneuropa<br />

zukommen – aber auch mehreren jeweils nach<br />

Interessenschwerpunkten zusammengeschlossenen<br />

Staatengruppen für die verschiedenen Politikbereiche,<br />

so dass ein Europa konzentrischer Kreise entsteht.<br />

Wenn die übrigen Mitgliedstaaten sich in der<br />

Folgezeit der verstärkten Zusammenarbeit nach und<br />

nach anschließen, herrscht am Ende wieder der gleiche<br />

Integrationsstand innerhalb der Union.<br />

b) Die Grenzen zum Konzept eines Europa variabler<br />

Geometrie sind fließend. Denn es steht den nichtbeteiligten<br />

Mitgliedstaaten schließlich frei, sich der<br />

verstärkten Zusammenarbeit nicht anzuschließen,<br />

wenn sie die eingeschlagene politische Entwicklung<br />

nicht billigen. Nach diesem Modell wird ein dauerhaft<br />

differenziertes Integrationsniveau innerhalb der<br />

Union in Gestalt eines Kerneuropas oder eines Europas<br />

konzentrischer Kreise akzeptiert, solange bestimmte<br />

Politiken als „integrationspolitischer Kernbereich“<br />

nach wie vor von allen Mitgliedstaaten gemeinsam<br />

betrieben werden.<br />

c)NochdifferenzierterwäreeinEuropaàlacartegestaltet:<br />

Jeder Mitgliedstaat dürfte aus dem Angebot<br />

des Unionsrechts frei auswählen, welche Regelungen<br />

er für sich anerkennen möchte. Ein Mindeststandard<br />

an Integration wäre in einem solchen Modell<br />

nicht erforderlich.<br />

2. Gegenwärtiger Stand. Formen abgestufter IntegrationsindinderEUschonWirklichkeit.Sichtbarstes<br />

Beispiel ist die Geltung des �Euro als gemeinsamerWährunginnur12Mitgliedstaaten:währenddas<br />

Vereinigte Königreich, Dänemark und Schweden<br />

momentan keine Beteiligung wünschen, müssen die<br />

Beitrittstaaten bestimmte Kriterien erst noch erfüllen.<br />

Die Einführung einer allgemeinen Flexibilitätsklausel<br />

in Art. 43 EUV ermöglicht die verstärkte Zusammenarbeit<br />

in weiteren Politikfeldern der Gemeinschaft,<br />

so dass eine differenzierte Integration vorgezeichnet<br />

ist.<br />

3.Ausblick.SkeptikersehenindenTendenzenzudifferenzierter<br />

Integration die Gefahr einer Zersplitte-<br />

Europa der Bürger<br />

rung der EU und fürchten eine letztlich desintegrative<br />

Wirkung. Allerdings ist festzuhalten, dass die gegenwärtige<br />

Rechtslage eine Zersplitterung im Sinne<br />

eines Europa à la carte nicht erlaubt, welches tatsächlich<br />

wenig mit einer „immer enger werdenden Union<br />

der Völker Europas“ im Sinne des Art. 1 Abs. 2 EUV<br />

gemein hätte. Zudem haben die bisherigen Formen<br />

abgestufter Integration keinesfalls zum Auseinanderdriften<br />

der Union geführt. Vielmehr ermöglichten<br />

sie stets die weitere Entwicklung des Unionsrechts<br />

– wenn auch in einem kleineren Kreis – trotz<br />

fehlendem Konsens unter den Mitgliedstaaten in Bezug<br />

auf die Fortführung gemeinsamer Politiken. Außerdem<br />

ist nicht auszuschließen, dass Bedenken der<br />

Nichtteilnehmer letzten Endes durch Erfolge der intensivierten<br />

Zusammenarbeit ausgeräumt werden<br />

und sich auch diese dem neuen Integrationsschritt<br />

anschließen, so dass in unterschiedlichen Geschwindigkeiten<br />

doch noch ein einheitlicher Stand erreicht<br />

würde.<br />

Indes ist fraglich, ob die verstärkte Zusammenarbeit<br />

immer eine Sogwirkung auf die übrigen Mitgliedstaaten<br />

wird entfalten können. Denn in einer Union<br />

mit 25 Mitgliedern von unterschiedlicher wirtschaftlicher<br />

Leistungskraft und unterschiedlichem politischen<br />

Integrationswillen ist ein Konsens für umwälzende<br />

Neuerungen nur sehr schwer zu finden. Die<br />

Fortentwicklung des Unionsrechts wird daher um<br />

eine Flexibilisierung nicht umhin kommen, wobei<br />

das Endziel eines einheitlichen Integrationsstandes<br />

in allen Mitgliedstaaten wohl nicht immer zu erreichen<br />

sein wird. Realistisch erscheint daher die Zukunftsvision<br />

eines Europas variabler Geometrie.<br />

J. I.<br />

Literatur:<br />

Ehlermann, C. D.: Engere Zusammenarbeit nach dem<br />

Amsterdamer Vertrag: Ein neues Verfassungsprinzip.<br />

In EuR 1997, 362 ff.<br />

Hall, P.: Flexibilität. In: Bergmann/Lenz, Der Amsterdamer<br />

Vertrag. Köln/Stuttgart 1998, Kap. 20<br />

Europa-Armee �Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />

(EVG)<br />

Europa der Bürger<br />

1. Begriffserklärung. Jean Monnet wies immer wieder<br />

darauf hin: „Wir einigen keine Staaten, wir bringen<br />

Menschen zusammen.“ In seinen Erinnerungen<br />

brachte der Gründer und erste Präsident der Montanunion<br />

sein Selbstverständnis europäischer Gemeinschaft<br />

zum Ausdruck: „Habe ich deutlich gemacht,<br />

211


Europa der Bürger<br />

dass die von uns gegründete Gemeinschaft kein<br />

Selbstzweck ist? Sie ist ein Umwandlungsprozess,<br />

der sich an die geschichtlich gewachsenen Formen<br />

des nationalen Lebens anschließt. Wie gestern unsere<br />

Provinzen, so müssen heute unsere Völker lernen,<br />

nach gemeinsamen Regeln und unter gemeinsamen,<br />

frei verfassten Institutionen zusammenzuleben,<br />

wenn sie die für ihren Fortschritt und für die Beherrschung<br />

ihres Schicksals erforderliche Dimension erreichen<br />

wollen.“ (Jean Monnet: Erinnerungen eines<br />

Europäers, S. 662)<br />

Jedoch erst in den 1970er Jahren wurde das „Europa<br />

der Bürger“ zu einem politischen Ziel und ist seitdem<br />

eng verbunden mit den Plänen und Realisierungsstadien<br />

der Europäischen Union. Zwar prägen sich bei<br />

den Bürgern Konturen eines europäischen �Bewusstseins<br />

heraus, aber angesichts eines Integrationsprozesses,<br />

der ein von wirtschaftlichen Zielen<br />

bestimmtes, technokratisches und bürokratisches<br />

Europa beinhaltet, zeichnet sich, wie es der ehemalige<br />

Kommissionspräsident Delors ausdrückte, ein<br />

wenig bürgernahes Bild. Delors verband diese Feststellung<br />

mit der Frage, wie man Europa bauen könne,<br />

wenn es in den Augen junger Menschen keine Vorstellung<br />

ihrer eigenen Zukunft beinhalte.<br />

Als primär politischer Begriff steht „Europa der Bürger“<br />

für alle Maßnahmen in den verschiedenen Politikbereichen,<br />

die unmittelbar auf den Bürger einwirken.<br />

Der Begriff taucht offiziell erstmals im Bericht<br />

Leo Tindemans an den Europäischen Rat (�Tindemans-Bericht)<br />

und danach ab den 1980er Jahren explizitz.B.beiEntscheidungendesRatesauf.Soheißt<br />

es u. a. in der Annahme des ersten Erasmus-Programms<br />

(�Bildungsprogramme), Ziele seien, „das<br />

Zusammenwirken der Bürger der einzelnen Mitgliedstaaten“zustärkenund„denBegriffeinesEuropas<br />

der Bürger zu festigen“.<br />

2. Dimensionen eines Europas der Bürger. Einerseits<br />

geht es um die Rechte und den Einfluss der Bürger<br />

auf Gemeinschaftsaktionen der EU, andererseits<br />

um die Wirkungen von europäischen Aktivitäten auf<br />

den Bürger:<br />

a) politisch-institutionell: Wahlen zum Europäischen<br />

Parlament, Wahlsystem, Teilhabe- und Einflussmöglichkeiten<br />

von Interessenverbänden und<br />

einzelnen Bürgern, Kompetenzen des Europäischen<br />

Parlaments (Demokratiedefizit), Schutz der Menschenrechte<br />

und der Bürgerfreiheiten, Verhältnis<br />

zwischen den Organen der EU und den Mitgliedstaa-<br />

212<br />

ten, Subsidiaritätsprinzip, Bürgerbeauftragter, Petitionsrecht.<br />

b) Freiheitsrechte: Freizügigkeit, Niederlassungsfreiheit,<br />

Unionsbürgerschaft, Wahlrecht im Wohnsitzland,<br />

diplomatische Schutzrechte.<br />

c) Soziale Komponente: Wirkungen auf die konkreten<br />

Lebens- und Arbeitsbedingungen.<br />

d) Transparenz des Beziehungsgeflechts der EU und<br />

verständliche und sachorientierte Information.<br />

e) Kulturelle Dimension Europas: kulturelle Einheit<br />

und Vielfalt, pluralistische Denkweisen und Traditionen,<br />

religiöse Prägung und grundlegende Werte<br />

(Bewusstsein einer europäischen Identität).<br />

Diese ineinandergreifenden Dimensionen des Konzepts<br />

eines „Europas der Bürger“ spiegeln sich ab<br />

Mitte der 1970er Jahre in Berichten an den Europäischen<br />

Rat wider. Sie finden ab Mitte der achtziger<br />

Jahre ihren Niederschlag in den Vertragswerken und<br />

in Gemeinschaftsaktionen der Gemeinschaft.<br />

3. Initiativen<br />

3.1 Tindemans-Bericht. Leo Tindemans, der frühere<br />

belgische Ministerpräsident, legte im Dezember<br />

1975 den EG-Staats- und Regierungschefs einen Bericht<br />

vor, in dem er nach Befragen von Politikern,<br />

Wissenschaftlern, Verbänden und Interessengruppen<br />

in den einzelnen Mitgliedstaaten die Vorstellung<br />

einer weiteren europäischen �Integration entwickelte.<br />

Er führte u. a. aus: „Die Öffentlichkeit in unseren<br />

Ländern wünscht kein technokratisches Europa. Die<br />

Europäische Union muss im täglichen Leben fühlbar<br />

werden und bürgernah sein. Die Notwendigkeit, die<br />

Vorteile und die schrittweise Verwirklichung eines<br />

solchen Vorhabens müssen von allen erkannt und<br />

empfunden werden, damit die Anstrengungen und<br />

die notwendigen Opfer auf freiwilliger Basis erfolgen.<br />

Europa muss bürgernah sein.“ Diese nüchterne<br />

Analyse und die hieraus gezogenen pragmatischen<br />

Schlüsse blieben lange Zeit ohne erkennbare Wirkungen.<br />

3.2 Adonnino-Bericht. Erst der 1984 vom Europäischen<br />

Rat eingesetzte �Ad-hoc-Ausschuss „Europa<br />

der Bürger“ (�Adonnino-Ausschuss) unter Leitung<br />

des Italieners Pietro Adonnino führte zur umfassenden<br />

Bestandsaufnahme aller Möglichkeiten, wie<br />

man dem Bürger die Gemeinschaft im Alltag erfahrbar<br />

machen könnte. Der Ausschuss prüfte verschiedene<br />

Maßnahmen und schlug Aktionsfelder vor:<br />

a) Steigerung der Mobilität der Bürger u. a. durch ErweiterungderFreizügigkeit(VereinfachungderPer-


sonenkontrollen an den Grenzen, europäischer<br />

Pass), freien Warenverkehr (einschl. der Beförderungsdienste),<br />

Abbau von Verwaltungsformalitäten<br />

(Verkehr im Grenzbereich);<br />

b) Bürgerrechte: aktives und passives Wahlrecht für<br />

alle Gemeinschaftsbürger, einheitliches Wahlsystem<br />

für das Europäische Parlament, grenzüberschreitendes<br />

Anhörungsrecht, Vereinfachung von<br />

Rechtsakten, einheitlicher Führerschein, konsularische<br />

Hilfe im Ausland durch jeden Mitgliedstaat;<br />

c) Aktionen in verschiedenen Politikbereichen, z. B.<br />

Europäisierung der Medienpolitik, Bildungsprogramme<br />

(Fremdsprachen, Austausch, Kooperation),<br />

gemeinsame Forschung auf den Gebieten Gesundheitswesen,<br />

soziale Sicherheit, Drogenbekämpfung,<br />

einheitlicher Notfall-Gesundheitspass, Förderung<br />

von Städtepartnerschaften.<br />

ZurAusprägungeinereuropäischen�Identitätsollen<br />

europäische Symbole (�Europäische Flagge, �Europäische<br />

Hymne, Briefmarkenmotive) beitragen.<br />

Den vom Adonnino-Ausschuss vorgelegten Vorschlägen<br />

stimmte der Europäische Rat Ende Juni<br />

1985 zu und beauftragte die Kommission sowie die<br />

Mitgliedstaaten, diesen Plan durchzuführen: „Der<br />

Europäische Rat hält es für unerlässlich, dass die Gemeinschaft<br />

die Erwartungen der Völker Europas erfüllt,<br />

indem sie Maßnahmen trifft, durch die ihre<br />

Identität gegenüber den europäischen Bürgern und<br />

der Welt gestärkt und gefördert wird und durch die<br />

sie an Prestige gewinnt.“<br />

Zwischenzeitlich wurden durch die Einführung neuer<br />

gemeinschaftlicher Aktionen in der �Einheitlichen<br />

Europäischen Akte und in den EU-Verträgen<br />

diese Aspekte aufgegriffen und weitgehend realisiert.<br />

4. Regelungen im Vertragswerk der Gemeinschaft.<br />

Erst mit der Verabschiedung des EU-Vertrags wurden<br />

in den EG-Vertrag Aussagen über die Stellung<br />

des Bürgers aufgenommen. Artikel 17 EGV führt<br />

eine �Unionsbürgerschaft für jeden Staatsangehörigen<br />

eines Mitgliedstaates ein. Im Amsterdamer Vertrag<br />

heißt es explizit: „Die Unionsbürgerschaft ergänzt<br />

die nationale Bürgerschaft, ersetzt sie aber<br />

nicht.“(Art.17Abs.1EGV)Zugleichwerdendessen<br />

Rechte und Pflichten konkretisiert: Jeder Bürger hat<br />

das Recht, sich in allen Mitgliedstaaten der Union<br />

frei zu bewegen und aufzuhalten. Falls er einen<br />

Wohnsitz in einem Mitgliedsland hat, dessen Staatsangehörigkeit<br />

er nicht besitzt, hat er dort die gleichen<br />

Europa der Bürger<br />

aktiven und passiven Wahlrechte bei Kommunalwahlen<br />

und Wahlen zum Europäischen Parlament<br />

wie die Angehörigen des betreffenden Staates. Entsprechend<br />

wurde mit Wirkung vom 21. 12. 1992 Art.<br />

28 des Grundgesetzes bezüglich der Wahlen in Kreisen<br />

und Gemeinden geändert.<br />

Jeder Unionsbürger genießt in �Drittländern, sofern<br />

dort sein Staat nicht vertreten ist, den diplomatischen<br />

und konsularischen Schutz eines jeden anderen, dort<br />

vertretenen Mitgliedstaates der Union. Außerdem<br />

besitzterdasinArt.194EGVformulierte �Petitionsrecht<br />

beim EP; d. h. er kann in Angelegenheiten, die<br />

in die Tätigkeitsbereiche der Gemeinschaft fallen<br />

und ihn unmittelbar betreffen, eine Petition an das<br />

Parlament richten. Der Vorschlag, einen europäischen<br />

�Bürgerbeauftragten (Ombudsmann) einzuführen,<br />

fand mit dem Maastrichter Vertrag über Art.<br />

195 Eingang in den EGV. Danach kann sich jeder<br />

Bürger – wie auch jede juristische Person – mit Beschwerden<br />

an den Bürgerbeauftragten wenden. Jeder<br />

Bürger hat außerdem das Recht, sich schriftlich<br />

in einer der 20 offiziellen Sprachen (�Amtssprachen)<br />

an jedes Organ oder jede Einrichtung zu wenden<br />

(Art. 314 EGV). Die primärrechtliche Verankerung<br />

des Petitionsrechts und die Anrufung des BürgerbeauftragtensindinsofernfürdieEntwicklungeines<br />

„Europas der Bürger“ wesentlich, als nunmehr<br />

der Unionsbürger als eine Persönlichkeit im traditionellen<br />

Sinne mit Rechten und Pflichten aufgefasst<br />

wird. Zugleich wollte man damit die oftmals beklagte<br />

Bürgerferne und das Demokratiedefizit der Europäischen<br />

Gemeinschaften abbauen. Nunmehr können<br />

die Bürger bei zwei Gemeinschaftseinrichtungen,<br />

dem Parlament und dem Bürgerbeauftragten,<br />

ihre Anliegen vorbringen. Die Bürger können über<br />

das Petitionsrecht auch außerhalb von Wahlen mit<br />

dem EP in Kontakt treten. Die Rolle des Parlaments<br />

bzw. der Parlamentarier als „Fürsprecher“ der Bürger,<br />

als demokratisch gewählte Ansprechpartner,<br />

wird im EGV auch in Art. 191 EGV angesprochen,<br />

der ausdrücklich die politischen Parteien als wichtigen<br />

Integrationsfaktor bezeichnet: „Sie tragen dazu<br />

bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden<br />

und den politischen Willen der Bürger der Union<br />

zum Ausdruck zu bringen.“<br />

Zur Stärkung der Rolle des Bürgers tragen weiterhin<br />

die �Schengen-Regelungen bezüglich des freien<br />

Personenverkehrs, des Asyls und der Einwanderung<br />

bei, die mit dem Amsterdamer Vertrag eine Rechts-<br />

213


Europa der Bürger<br />

grundlage im neuen Titel IV (Art. 61 – 69 EGV) finden.<br />

Artikel 153 EGV gewährleistet den Verbraucherschutz<br />

(Schutz der Gesundheit, der Sicherheit<br />

undderwirtschaftlichenInteressenderVerbraucher)<br />

und fördert das Recht auf Information, Erziehung<br />

und Bildung von Vereinigungen zur Wahrung der Interessen<br />

der Verbraucher.<br />

Mit dem Amsterdamer Vertrag wird die Gleichstellung<br />

von Männern und Frauen (Art. 2 EGV) ebenso<br />

neu in den EG-Vertrag aufgenommen wie das Diskriminierungsverbot<br />

aus Gründen des Geschlechts,<br />

der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion,<br />

einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen<br />

Ausrichtung (Art. 13 EGV). Der Schutz von personenbezogenen<br />

Daten durch eine unabhängige Kontrollinstanz<br />

ist im EGV garantiert (Art. 286 EGV).<br />

5. Europa erfahren. Der Bürger wird zunehmend mit<br />

den Aktivitäten der EU konfrontiert. Jede Verordnung<br />

oder Richtlinie der EU (�Rechtsakte) hat – teilweise<br />

unbedachte oder unerwartete – Folgen für die<br />

Institutionen der Mitgliedstaaten und für die Bürger.<br />

Der Umfang der Aktivitäten der Gemeinschaft<br />

wächstständig,trotzdemmüssensichdiejenigen,die<br />

auf EU-Ebene Entscheidungen fällen, kaum direkt<br />

gegenüber dem Bürger verantworten, der seinerseits<br />

auch nach dem Inkrafttreten des Vertrages über die<br />

Europäische Union nur geringe direkte Möglichkeiten<br />

hat, solche Entscheidungen zu kontrollieren oder<br />

zu beeinflussen.<br />

Zur Weckung und Vertiefung des europäischen Bewusstseins<br />

der Bürger sucht die EU möglichst umfassend<br />

zu informieren. Mit Ausnahme von einigen<br />

wenigen vertraulichen Informationen werden alle<br />

Dokumente der Kommission der Öffentlichkeit zugänglichgemacht.Verstärktwerdenauchaudiovisuelle<br />

Technologien eingesetzt. Gleichzeitig soll über<br />

einen wirkungsvolleren Einsatz der regionalen<br />

EU-Büros die Verbreitung der Informationen dezentralisiert<br />

werden. In einem neuen Artikel ist im Amsterdamer<br />

Vertrag ausdrücklich das Recht eines jeden<br />

Unionsbürgersfestgehalten,freienZugangzuDokumenten<br />

des Europäischen Parlaments, des Rates und<br />

der Kommission zu erhalten (Art. 255 EGV). Über<br />

�Eurostat, das seit 1993 sein statistisches Jahrbuch<br />

als CD-ROM herausgibt, werden dem Bürger Wirtschafts-,<br />

Finanz- und Sozialdaten aus allen Bereichen<br />

der Statistik (auf EU-Ebene und im Vergleich<br />

zu USA und Japan), Regionaldaten, Außenhandelsdaten<br />

(geographisch gegliedert nach Warensystema-<br />

214<br />

tiken zur Messung der Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten<br />

und/oder Drittländern) zugänglich gemacht.<br />

Die mit der EU eingeleitete Vollendung des Binnenmarktes<br />

wird für den Bürger schrittweise direkt erfahrbar<br />

durch den Abbau technischer Hemmnisse<br />

(z. B. Normen für Geräte), die Beseitigung der Zölle<br />

und Beschränkungen im grenzüberschreitenden<br />

Binnenverkehr, die Harmonisierung der indirekten<br />

Steuern (Mehrwert- und Verbrauchsteuern), den gemeinschaftlichen<br />

Verbraucherschutz usw. VerbraucherkönnenWarenfürdenprivatenBedarfüberallin<br />

der EU kaufen und ohne weitere Besteuerung und<br />

Anmeldung in ihr Heimatland einführen. Nach der<br />

europäischen Pauschalreiseregelung gelten für alle<br />

Bürger unionsweit gleiche Rechte. Im Juli 1996 ist<br />

die Richtlinie über den europäischen �Führerschein<br />

inKraftgetreten,derzeitlichunbegrenztinallenMitgliedstaaten<br />

gilt.<br />

Dem Bürger tritt die Gemeinschaft auch in vielen anderen<br />

Fällen – oft unbewusst – über Aktionsprogramme<br />

oder Fördermaßnahmen entgegen, z. B. im<br />

Umweltsektor, durch sozialpolitische Maßnahmen,<br />

Bildungsprogramme, auf dem Mediensektor oder<br />

bei der freien Berufswahl und -ausübung in den Mitgliedstaaten<br />

der EU. So ist nach den sozialversicherungsrechtlichenGrundsätzenderEUeinArbeitnehmer<br />

in dem Land versichert, in dem er arbeitet. Er hat<br />

entsprechend auch gleiche Ansprüche und Rechte<br />

(z. B. bei Arbeitslosigkeit). Dieses gilt auch für andere<br />

Felder der Sozialpolitik wie Krankenversicherung,<br />

Pflegeversicherung, Kindergeld oder Sozialhilfe.<br />

6. Bürgerbeteiligung. Trotz erheblicher Fortschritte<br />

ist die Bürgerbeteiligung auf der institutionellen sowie<br />

der praktisch-politischen Ebene noch eingeschränkt.<br />

Einen ersten Ansatz bietet das Europäische<br />

Parlament, dessen Kompetenzen schrittweise erweitert<br />

wurden, das aber als Form repräsentativer Teilhabe<br />

dem Bürger ziemlich abstrakt erscheint. Die<br />

Einrichtung des Bürgerbeauftragten, das Petitionsrecht<br />

und die Grundrechtsklage vor dem Europäischen<br />

Gerichtshof sind weitere Schritte, die noch zusätzlicher<br />

inhaltlicher Ausgestaltung bedürfen. Eine<br />

größere Bürgerbeteiligung würde der Verfassungsvertrag2004ermöglichen,derinArt.I-47Abs.4eine<br />

Bürgerinitiative vorsieht: „Unionsbürgerinnen und<br />

Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine MillionbetragenundbeidenenessichumStaatsangehöri-


ge einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten<br />

handelnmuss,könnendieInitiativeergreifenunddie<br />

Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse<br />

geeignete Vorschläge zu unterbreiten, zu denen es<br />

nach Meinung der Bürgerinnen und Bürgern eines<br />

Rechtsakts der Union bedarf, um die Verfassung umzusetzen.“<br />

Ein solche Initiative erhält gegenüber der<br />

Kommission dasselbe Initiativrecht, wie es das EP<br />

und der EU-Ministerrat bereits haben.<br />

7. Perspektiven. Seit dem Adonnino-Bericht sind die<br />

meisten der in den Verträgen angestrebten Ziele realisiert<br />

worden. Die Bürger in den Mitgliedstaaten<br />

profitieren in zunehmendem Maße von den Vorzügen<br />

des Binnenmarktes. Die Bestimmungen zur Förderung<br />

der Freizügigkeit, der Berufsausübung in den<br />

Staaten der Europäischen Union, der gegenseitigen<br />

Anerkennung von Ausbildungsgängen und Berufsabschlüssen<br />

haben ebenso wie die Bildungsprogramme<br />

dazu beigetragen. Die Charta der �Grundrechte<br />

der Europäischen Union garantiert die bürgerlichen,<br />

politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />

Grundrechte der EU-Bürger.<br />

Auf der anderen Seite erschwert der hoch komplexe<br />

europäische Integrationsprozess dem Bürger den<br />

Zugang zu Europa. Hinzu kommen die komplizierte<br />

Fachterminologie und das schwer nachvollziehbare<br />

Ineinandergreifen der europäischen Institutionen<br />

und Entscheidungsfindungen, die fernab vom Bürger<br />

vollzogen werden. Den meisten europäischen<br />

EntscheidungenmangeltesausderSichtdesBürgers<br />

an demokratischer Legitimität. Die Funktion des Europäischen<br />

Parlaments als Mitgestalter von Politik<br />

wird von ihm kaum wahrgenommen. Für den Bürger<br />

sinddieEuropawahlennachwievorsekundär;erentscheidetaußerdemausnationalstaatlicherPerspektive.<br />

Obwohl die Befugnisse des EP zugenommen haben,<br />

bleibt der Kontakt zu den Bürgern defizitär, wie<br />

derBekanntheitsgraddesParlamentsunddieimVerhältnis<br />

zu nationalen niedrigere Wahlbeteiligung belegen.<br />

Der Verfassungsvertrag dürfte wenig dazu beitragen,<br />

die Distanz zu Europa abzubauen. Denn es<br />

bleibtdieFragezunächstoffen,obnachseinerRatifizierungderBürgerleichternachvollziehenkann,wie<br />

Europa funktioniert, und ob die Europawahlen in der<br />

politischen Praxis an Gewicht gewinnen. Solange<br />

die Entscheidungsprozesse in der Union nicht transparent<br />

und in ihren Auswirkungen für den Bürger<br />

nachvollziehbar gestaltet sind, solange nicht bei den<br />

Europa-Flagge<br />

Bürgern ein europäisches �Bewusstsein fest verankert<br />

ist, bleibt ein Europa der Bürger weiterhin eine<br />

noch zu realisierende Perspektive einer �Politischen<br />

Union. U. M.<br />

Literatur:<br />

Conrad, S.: Europa der Bürger – Perspektiven einer Vision.<br />

In: Zs. f. Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch 8/1995, S. 449–469<br />

Giannoulis, Ch.: Die Idee des „Europa der Bürger“ und ihre<br />

Bedeutung für den Grundrechtsschutz. Saarbrücken 1992<br />

Kadelbach, St.: Unionsbürgerschaft. In: von Bogdandy, A.<br />

(Hg.): Europäisches Verfassungsrecht. Berlin 2003<br />

Magiera, S. (Hg.): Das Europa der Bürger in einer Gemeinschaft<br />

ohne Binnengrenzen. Baden-Baden 1990<br />

Niedobitek, M.: Pläne und Entwicklung eines Europas der<br />

Bürger. Speyer 1989<br />

Europa der Vaterländer ist ein von dem französischen<br />

Staatspräsidenten Charles de �Gaulle (1890 –<br />

1970)nachGründungderEWGgeprägterBegrifffür<br />

daspolitischeOrdnungskonzepteineskünftigenvereinigten<br />

Europas, in dem die Mitgliedstaaten und<br />

insbes. Frankreich gegenüber den supranationalen<br />

Organen eine dominierende Rolle behalten (Staatenbund<br />

statt Bundesstaat). Heute u. a. auch verwendet<br />

zur Beschreibung einer Europäischen Union, in der<br />

die Mitgliedstaaten ihre nationale Identität bewahren<br />

(können).<br />

Europa-Flagge. Offizielle Flagge der Europäischen<br />

Union. Im �Verfassungsvertrag von 2004 ist<br />

sie als eines der Symbole der Union festgelegt (Art<br />

I-8 VVE).<br />

Heraldische Beschreibung: Ein Kranz von zwölf<br />

goldenen fünfzackigen Sternen auf azurblauem<br />

Grund. Die Spitzen der Sterne berühren sich nicht,<br />

alle Sterne stehen senkrecht, d. h., ein Zacken weist<br />

nach oben. Die Breite des Rechtecks beträgt das Eineinhalbfache<br />

der Höhe.<br />

Sinnbildliche Beschreibung: Vor dem Hintergrund<br />

des blauen Himmels bilden die zwölf Sterne einen<br />

Kreis als Zeichen der Einheit. Die Anzahl der Sterne<br />

ist unveränderlich, da die Zahl Zwölf als Symbol der<br />

Vollkommenheit gilt. Die Sterne sind wie die Stunden<br />

auf dem Zifferblatt einer Uhr angeordnet.<br />

Ursprung: Die Beratende Versammlung des �Europarats<br />

hat am 8. 12. 1955 nach langwierigen, sich<br />

überJahrehinziehendenDiskussionendenKreisvon<br />

zwölf goldenen Sternen vor blauem Hintergrund als<br />

Symbol angenommen. Die Flagge wurde am 13. 12.<br />

1955 zum ersten Mal offiziell vor dem Europaratsgebäude<br />

in Straßburg gehisst. Der Europarat forderte<br />

215


Europahymne<br />

die anderen europäischen Institutionen auf, dieses<br />

Symbol ebenfalls zu übernehmen.<br />

Dieser Aufforderung kam am 11. 4. 1983 das Europäische<br />

Parlament nach. 1985 nahm der Europäische<br />

Rat den Sternenkreis als offizielles Emblem der Gemeinschaft<br />

an. Die Flagge wird seit 26. 5. 1986 offiziell<br />

von allen europäischen Einrichtungen verwendet.<br />

Sie ist das einzige Emblem der Europäischen<br />

Kommission, während andere Organe und Einrichtungen<br />

der EU zusätzlich eigene Embleme verwenden.<br />

Das Emblem „Flächenfüllendes grünes E auf weißem<br />

Grund“, häufig als frühe Form der Europa-Flagge<br />

bezeichnet, wurde von der 1948 in Den Haag gegründeten<br />

�Europäischen Bewegung als ihr Zeichen<br />

geschaffen und galt vor 1955 inoffiziell auch als<br />

Symbol für die europäische Integration. Seit 1993<br />

verwendet auch die Europäische Bewegung die<br />

blaue Europaflagge mit goldenen Sternen.<br />

Europahymne. Die Melodie der Hymne ist der<br />

Neunten Symphonie Ludwig van Beethovens von<br />

1823 entnommen. In ihrem letzten Satz ist die „Ode<br />

an die Freude“ von Friedrich von Schiller aus dem<br />

Jahr 1785 vertont. Sie enthält die idealistische Vision,<br />

dass alle Menschen Brüder werden.<br />

Der Europarat hat 1972 Beethovens „Ode an die<br />

Freude“ als eigene Hymne angenommen und den Dirigenten<br />

Herbert von Karajan beauftragt, drei Instrumentalfassungen<br />

(ohne Worte) für Klavier, Blasund<br />

Symphonieorchester zu arrangieren.<br />

1985 wurde sie vom Europäischen Rat als offizielle<br />

HymneauchderEUangenommen.SiesolldieNationalhymnen<br />

der Mitgliedstaaten nicht ersetzen. Im<br />

�Verfassungsvertrag von 2004 wird sie als eines der<br />

Symbole der Union benannt (Art. I-8 VVE).<br />

Europa im Unterricht (KMK-Beschluss). Die gesamtdeutsche<br />

Kultusministerkonferenz (KMK) verabschiedete<br />

am 7. 12. 1990 einstimmig (wie alle Beschlüsse<br />

und Empfehlungen der KMK) ihren Beschluss<br />

„Europa im Unterricht“, eine Neufassung<br />

des gleichlautenden Beschlusses vom 8. 6. 1978. Darin<br />

hat die KMK die vielfältigen bildungspolitischen<br />

Anregungen seitens der Ländererlasse, der Erziehungsministerkonferenz<br />

des �Europarats, der Bildungsministerkonferenz<br />

der EG/EU sowie des Nordischen<br />

Rates und der UNESCO konstruktiv aufgegriffen<br />

und deren Repräsentanz im (Schul-)Unter-<br />

216<br />

richt, in den Lehrplänen/Richtlinien und Schulbüchern<br />

der sozialwissenschaftlichen Fächer (mit je<br />

nach Bundesland unterschiedlichen rezeptionsmethodisch<br />

bedingten curricularen Anteilen, integrationspolitischen<br />

Akzentsetzungen, inhaltlichen<br />

Schwerpunkten, operationalen Hinweisen und dergleichen)<br />

gefestigt.<br />

Der KMK-Beschluss stellt eine gemeinsame Absichts-<br />

und Willenserklärung dar, die den Unterrichtspraktikern,<br />

Curriculumexperten und Lehrbuchautoren,<br />

Wissenschaftlern, Lehrerbildnern und<br />

-fortbilden sowie den Schülern (und ihren Eltern) die<br />

europäische Thematik mit Forderungscharakter vorstellt.<br />

Er ist in vier Teile eingeteilt. In einer „Vorbemerkung“<br />

wird auf die „positive Weiterentwicklung<br />

der Zusammenarbeit der Staaten in Europa und der<br />

europäischen Integration in der Europäischen Gemeinschaft“<br />

verwiesen, insbes. a) politisch auf die<br />

von der �Einheitlichen Europäischen Akte (1986)<br />

neueröffnetenPerspektiven(Umweltschutz,Sicherheitsfragen,<br />

parlamentarische Mitwirkung bei internationalen<br />

Verträgen, Mehrheitsprinzip bei Abstimmungen,<br />

Institutionalisierung des Europäischen Rates),<br />

auf die jüngsten Entwicklungen in Mittel- und<br />

Osteuropa, auf die Pariser KSZE-Charta (1990) und<br />

schließlich b) pädagogisch-curricular auf die Entschließung<br />

der EG-Bildungsminister „Zur europäischen<br />

Dimension im Bildungswesen“ (1988). (�Bildungspolitik,<br />

�Kulturpolitik)<br />

Als allgemeine Lernziele werden genannt:<br />

„Um diese europäische Dimension in Bildung und<br />

Erziehung zu verwirklichen, muss die Schule Kenntnisse<br />

und Einsichten vermitteln über<br />

– die geographische Vielfalt des europäischen Raumes<br />

mit seinen naturräumlichen, sozialen und wirtschaftlichen<br />

Strukturen,<br />

– die politischen und gesellschaftlichen Strukturen<br />

Europas,<br />

– die prägenden geschichtlichen Kräfte in Europa,<br />

vor allem die Entwicklung des europäischen<br />

Rechts-, Staats- und Freiheitsdenkens,<br />

– die Entwicklungslinien, Merkmale und Zeugnisse<br />

einer auch in ihrer Vielfalt gemeinsamen europäischen<br />

Kultur,<br />

– die Vielsprachigkeit in Europa und den darin liegenden<br />

kulturellen Reichtum,<br />

– die Geschichte des europäischen Gedankens und<br />

die Integrationsbestrebungen seit 1945,<br />

– denInteressenausgleichunddasgemeinsameHan-


deln in Europa zur Lösung wirtschaftlicher, ökologischer,<br />

sozialer und politischer Probleme,<br />

– die Aufgaben und Arbeitsweisen der europäischen<br />

Institutionen.“<br />

Die besondere Akzentuierung liegt auf der dezidierten<br />

Herausstellung der politischen und gesellschaftlichen<br />

Strukturen Europas, der Betonung der gemeinsamen<br />

europäischen Kultur, der Vielsprachigkeit,<br />

der ökologischen Probleme und der europäischen<br />

Institutionen, d. h. in einer politisch-kulturellen<br />

(Gegenwarts- und Zukunfts-) Orientierung. Die<br />

ebenfalls aufgelisteten mehr verhaltensorientierten<br />

Lernziele betreffen:<br />

„– die Bereitschaft zur Verständigung, zum Abbau<br />

von Vorurteilen und zur Anerkennung des Gemeinsamen<br />

unter gleichzeitiger Bejahung der europäischen<br />

Vielfalt,<br />

– eine kulturübergreifende Aufgeschlossenheit, die<br />

die eigene kulturelle Identität wahrt,<br />

– die Achtung des Wertes europäischer Rechtsbindungen<br />

und Rechtsprechung im Rahmen der in Europa<br />

anerkannten Menschenrechte,<br />

– die Fähigkeit zum nachbarschaftlichen Miteinander<br />

und die Bereitschaft, Kompromisse bei der Verwirklichung<br />

der unterschiedlichen Interessen in Europa<br />

einzugehen, auch wenn sie Opfer zugunsten anderer<br />

einschließen,<br />

– das Eintreten für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte,GerechtigkeitundwirtschaftlicheSicherheit,<br />

– den Willen zur Wahrung des Friedens in Europa<br />

undinderWelt.“ W. M.<br />

Literatur:<br />

Mickel, W.: Der neue KMK-Beschluss „Europa im Unterricht“.<br />

In: Geschichte–Erziehung–Politik 2 (1991), S. 342 – 347<br />

Mickel, W.: Europa in Unterricht und Bildung.<br />

Grevenbroich/Stuttgart 2002<br />

Europa in der Schule. „Europa in der Schule“ ist<br />

ein Netzwerk zur Förderung der europäischen �Bewusstseinsbildung<br />

in derzeit 32 europäischen Staaten.<br />

Die Aktion geht zurück auf einen Aufruf zu einem<br />

„Europäischen Schultag“ im Jahr 1953 auf französische<br />

Initiative. An diesem Tag sollten in möglichst<br />

allen Schulen (West-)Europas die Themen Europa<br />

und Europäische Integration den Unterricht bestimmen.<br />

Die Idee wurde zunächst in den sechs<br />

Gründerstaaten der �EGKS aufgegriffen, weitete<br />

sich aber bis 1975 auf alle 20 Mitgliedstaaten des<br />

�Europarates aus. Der „Europäische Schultag“ wurde<br />

nun in �„Europäischer Wettbewerb“ umbenannt<br />

Europa-Institute<br />

undfandunterdemDachvon„EuropainderSchule–<br />

Europäischer Wettbewerb“ (Europe at School – European<br />

Competition; L’Europe à l’Ecole – Concours<br />

Européen) statt. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs<br />

beteiligten sich auch die mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten an der Aktion. Derzeit nehmen<br />

Schulen aus 32 Ländern daran teil.<br />

Europa in der Schule soll<br />

– Interesse an europäischen Fragen wecken,<br />

– Kenntnisse über den Prozess der europäischen Integration<br />

vermitteln,<br />

– �interkulturelles Lernen und die Beachtung der<br />

Menschenrechte fördern,<br />

– die Begegnung und den Austausch von Schülerinnen<br />

und Schülern sowie von Lehrkräften unterstützen.<br />

Der Europäische Wettbewerb wird seit 1998 ergänzt<br />

durch das Internet Award Scheme, einen transnationalen<br />

Wettbewerb für Gruppen oder Klassen, die gemeinsam<br />

ein Projekt zu europäischen Themen im Internet<br />

vorstellen. Europa in der Schule organisiert rd.<br />

15 internationale Jugendbegegnungen pro Jahr und<br />

veranstaltet in Zusammenarbeit mit der Europäischen<br />

Kommission und dem Europarat Lehrerseminare.<br />

Europa in der Schule wird gefördert vom Europarat,<br />

dem Europäischen Parlament, der Europäischen<br />

Kommission und der Europäischen Kulturstiftung<br />

(Amsterdam). In jedem Teilnehmerstaat übernimmt<br />

ein Nationalkomitee die Aufgabe, die Umsetzung<br />

der internationalen Aktion zu organisieren. In<br />

Deutschland ist es das Deutsche Komitee des Zentrums<br />

für Europäische Bildung.<br />

Anschrift: Bachstraße 32, 53115 Bonn.<br />

Europa-Institute sind i. d. R. an europäischen Universitäten<br />

eingerichtete (interdisziplinäre, fakultätsunabhängige)<br />

Zentren für Lehre und Forschung oder<br />

außeruniversitäre Forschungseinrichtungen bzw.<br />

Vereine mit Bindung an Universitäten.<br />

Institute an Universitäten bieten (Master-)Studiengänge<br />

(überwiegend für Graduierte) mit Diplomabschlüssen<br />

(Magister des Europarechts, LL.M., Master<br />

of Advanced European Studies) und dem Schwerpunkt<br />

„europäische Integration“, ihren Instrumenten<br />

und Methoden. Die Lehrveranstaltungen umfassen<br />

juristische, historische, politische und ökonomische<br />

Bereiche. Europa-Institute fördern auch den internationalen<br />

Austausch von Dozenten und Studierenden<br />

217


Europäisch-arabischer Dialog<br />

im Rahmen des �Sokrates-Programms der EU. Universitäre<br />

und außeruniversitäre Europainstitute bieten<br />

außerdem Weiterbildungsseminare für Unternehmen,<br />

Anwälte und Behörden und fertigen Expertisen<br />

an.<br />

Europa-Institute in Vereinsform (mit Bindung an<br />

Universitäten) veranstalten Symposien zu Fragen<br />

der europäischen Verfassungs-, Rechts- und Wirtschaftspolitik.<br />

Europäisch-arabischer Dialog (EAD). Der EAD<br />

geht auf den Yom-Kippur-Krieg Ägyptens und mehrerer<br />

arabischer Staaten gegen Israel zurück (1973).<br />

DanachwurdeaufInitiativederarabischenErdölförderländer<br />

(OPEC) ein Ölboykott gegen die westlichen<br />

Industrieländer verhängt. Daraufhin beschlossen<br />

1973 die neun EG-Staaten und die Staaten der<br />

Arabischen Liga (zu der seit 1976 die Palästinensische<br />

Befreiungsorganisation PLO gehört), langfristig<br />

einen Interessenausgleich herbeizuführen – unter<br />

Einschluss Israels. Dies führte zu Experten- und Botschaftertreffen<br />

in der sog. Allgemeinen Kommission<br />

des EAD. Ägypten schloss mit Israel unter amerikanischer<br />

Vermittlung den Friedensvertrag von Camp<br />

David (März 1979). Durch die Anerkennung Israels<br />

(VerlustdesSinai)wurdeÄgyptenimarabischenLager<br />

isoliert, bis zu dessen Wiederaufnahme in die<br />

Arabische Liga 1989. Wegen innerarabischer Spannungen<br />

in den 1980er Jahren erlahmte der EAD.<br />

Die EG/EU hat finanzielle Hilfe für den nach dem<br />

zwischen Israel und der PLO ausgehandelten Gaza-Jericho-Abkommen<br />

von 1993 (palästinensische<br />

Autonomie in diesen Gebieten) erfolgenden wirtschaftlichen<br />

und administrativen Aufbau geleistet.<br />

Die sechs Mitglieder des Golf-Kooperationsrates<br />

(GCC1981:Saudi-Arabien,Kuwait,Katar,Bahrain,<br />

Oman, Vereinigte Arabische Emirate) arbeiten mit<br />

der EG/EU zusammen. Ein erstes umfassendes wirtschaftliches,<br />

technologisches und umweltpolitisches<br />

Kooperationsabkommen konnte 1988 abgeschlossen<br />

werden – mit einem sich jährlich treffenden<br />

Gemeinsamen Rat auf Ministerebene.<br />

Bewährt hat sich die Zusammenarbeit während der<br />

Golfkrise 1990/91 durch erhebliche EG-Hilfsmaßnahmen<br />

für die Kriegsflüchtlinge.<br />

Die fünf Staaten des Maghreb (Marokko, Algerien,<br />

Tunesien, Libyen, Mauretanien) haben 1989 eine<br />

Union des Arabischen Maghreb (UMA) gegründet.<br />

Sie wollen eine gemeinsame industrielle, landwirt-<br />

218<br />

schaftliche und soziale Entwicklung vorantreiben.<br />

Ihre Integrationsziele sind als Antwort auf die Herausforderung<br />

durch den Binnenmarkt der EU zu<br />

verstehen. Die Maghreb-Staaten tätigen je über 50<br />

Prozent ihres Außenhandels mit der EU.<br />

1991 verabschiedete der Ministerrat der EU eine<br />

neue �Mittelmeerpolitik für die Zeit von 1992 bis<br />

1996. Dabei sollten u. a. bi- und multilaterale Kooperationsansätze<br />

zwischen den einzelnen Mittelmeerländern<br />

und der EU gefördert werden. Aufgrund ihrer<br />

intensiven Handelsbeziehungen kann die EU auf<br />

die Verhältnisse in den arabischen Mittelmeerstaaten<br />

einwirken. Die arabischen Staaten des östlichen<br />

Mittelmeerraumes (sog. Maschrik: Ägypten, Jordanien,<br />

Libanon, Syrien) sind in den EAD mit einzubeziehen,<br />

ergänzt durch die Sonderbeziehungen der<br />

EUzuIsraelundderTürkei. W. M.<br />

Europäische Agentur für den Wiederaufbau<br />

(EAR) mit Sitz in Thessaloniki und operativen Zentren<br />

in Belgrad, Pristina, Podgorica und Skopje wurde<br />

durch Ratsverordnung 2454/99 (ABl. L 299/<br />

1999) errichtet und arbeitet seit Februar 2000. Sie<br />

verwaltet die EU-Hilfsprogramme für die Republik<br />

Serbien, den Kosovo, die Republik Montenegro und<br />

die Republik Mazedonien. Durch Verordnung<br />

2666/2000wurdeeineinheitlicherRechtsrahmenfür<br />

die EU-Hilfen für Albanien, Bosnien und Herzegowina,<br />

Kroatien, die Bundesrepublik Jugoslawien<br />

(seit 4. 2. 2003 Föderation Serbien und Montenegro)<br />

sowie die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien<br />

geschaffen.<br />

Anschrift: Egnatia 4, GR–54626 Thessaloniki;<br />

Postanschrift P.O.Box 10177, GR–54110 Thessaloniki<br />

Internet: www.ear.eu.int<br />

Europäische Agentur für die Sicherheit des<br />

Seeverkehrs (EMSA) mit Sitz in Brüssel wurde<br />

durch Verordnung 1406/2002 (ABl. L 208/2002) errichtet<br />

(als Reaktion auf die Havarie des Öltankers<br />

„Erika“ vor der bretonischen Küste im Dezember<br />

1999). Sie hat Anfang 2003 ihre Arbeit aufgenommen.<br />

�Seeverkehr.<br />

Anschrift: rue de Genève 12, B–1140 Brüssel<br />

Internet: www.emsa.eu.int<br />

Europäische Agentur für Flugsicherheit<br />

(EASA) mit Sitz in Köln wurde errichtet auf Grundlage<br />

der Verordnung 1592/2002 (ABl. L 240/2002);<br />

sie hat im September 2003 ihre Arbeit aufgenom-


men, zunächst provisorisch in Brüssel, seit November<br />

2004 in Köln. Die Aufgaben der Agentur sind<br />

noch eingeschränkt auf die Zulassung von Luftfahrzeugen<br />

und von Organisationen und Personen, die an<br />

ihrer Herstellung und Instandhaltung beteiligt sind.<br />

Sie sollen durch Verordnungen erweitert werden auf<br />

alle Bereiche der Sicherheit und der Umweltverträglichkeit<br />

der zivilen Luftfahrt. �Flugsicherheit<br />

Anschrift: Ottoplatz 1, D–50679 Köln;<br />

Postanschrift: Postfach 10 12 53, D–50452 Köln<br />

Internet: www.easa.eu.int<br />

Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit<br />

(ENISA) wurde errichtet durch<br />

Verordnung 460/2004 (ABl. L 77/2004) mit vorläufigem<br />

Sitz in Brüssel, ab September 2005 in Heraklion<br />

(Griechenland). Die Agentur soll als Fachzentrum<br />

für die Fragen der Netz- und Informationssicherheit<br />

allen Mitgliedstaaten und den EU-Organen<br />

zur Verfügung stehen.<br />

Vorläufige Anschrift: Rue Belliard 7, 02/56, B–1049 Brüssel<br />

Internet: www.enisa.eu.int<br />

Europäische Agentur für operative Zusammenarbeit<br />

an den Außengrenzen (VO 2007/2004<br />

(ABl. L 349/2004) �Außengrenzen<br />

Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />

am Arbeitsplatz (EU-OSHA)<br />

mit Sitz in Bilbao wurde durch Ratsverordnung<br />

2062/94 (ABl. L 216/1994) errichtet, zuletzt geändert<br />

durch Ratsverordnung 1643/95 (ABl. L<br />

156/1995). Sie erhebt, analysiert, bündelt und verbreitet<br />

sachdienliche Informationen und unterhält<br />

ein umfangreiches Netz von Websites zum Thema<br />

Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.<br />

Im Verwaltungsrat der Agentur sind die Gewerkschaften,<br />

die Arbeitgeberverbände, die nationalen<br />

Regierungen und die Kommission vertreten.<br />

Anschrift: Gran Via 33, E–48009 Bilbao<br />

Internet: http://agency.osha.eu.int<br />

Europäische Akademien (EA)<br />

1. Gesellschaft der Europäischen Akademien<br />

(GEA): Die Mitgliedseinrichtungen der GEA sind<br />

autonome Bildungsstätten der außerschulischen Jugend-<br />

und Erwachsenenbildung und zumeist als gemeinnütziger,<br />

eingetragener Verein organisiert. Sitz<br />

der Geschäftsstelle ist die Europäische Akademie<br />

Nordrhein-Westfalen in Bonn.<br />

Europäische Akademien<br />

Gemeinsames Ziel dieser Akademien und Europahäuser<br />

ist die Förderung der europäischen Einigung.<br />

IndenBildungsmaßnahmensollendieBedeutungeines<br />

geeinten Europas bewusst gemacht und seine<br />

Notwendigkeit, seine Chancen und Probleme in den<br />

Mittelpunkt einer kritischen Auseinandersetzung<br />

gerückt werden. Im Rahmen dieser gemeinsamen<br />

Aufgabenstellung haben die Akademien zusätzlich<br />

besondere Schwerpunkte entwickelt: die deutschfranzösische<br />

Zusammenarbeit, die deutsche Frage in<br />

ihrer europäischen Dimension, die Annäherung an<br />

Mittel- und Osteuropa, die Beziehungen Europas zur<br />

Dritten Welt sowie betonte Zielgruppenarbeit mit<br />

Lehrern, Journalisten, Landwirten, Arbeitnehmern,<br />

Frauen, Soldaten, Auszubildenden, Schülern.<br />

Während die Europäische Union und der Europarat<br />

mangels Kompetenz oder finanzieller Ausstattung<br />

die europäische Bildungsarbeit nur in geringem Umfang<br />

fördern, ist dieser Arbeitsbereich im nationalen<br />

Rahmen als förderungswürdig anerkannt. Dennoch<br />

besteht – wie bei allen freien Trägern – das Problem<br />

der ausreichenden Finanzmittel für Unterhaltung der<br />

Häuser, Programme und Projekte.<br />

Neben dem Angebot mehrtägiger Seminare mit bestimmten<br />

Zielgruppen führen die Akademien und<br />

Europahäuser auch Kolloquien und Fachkonferenzen<br />

durch und beteiligen sich an multilateralen Projekten<br />

zur europäischen Bildung. Schließlich werdenvonderGEAgemeinsamebildungspolitischeInteressen<br />

sowie die Vertretung gegenüber nationalen<br />

wie europäischen Behörden und Institutionen wahrgenommen.<br />

Themenkreise wie Grundlagen der europäischen Einigungsidee,<br />

Prinzipien einer freiheitlichen und demokratischen<br />

europäischen Gesellschaft, Bedeutung<br />

eines gemeinsamen Rechts in Europa und der<br />

Menschenrechte in der Welt, das politisch, wirtschaftlich<br />

und sozial geeinte Europa, Organisationsstrukturen<br />

eines föderalen Europa, die Politische<br />

Union in Europa und die verschiedenen Formen europäischer<br />

Kooperation und Integration finden in<br />

den Bildungsangeboten Berücksichtigung: die Geschichte<br />

der Europäischen Gemeinschaft, deren<br />

Zielsetzung eine politische, wirtschaftliche und soziale<br />

Union ist; der Europarat, der sich auf intergouvernementale<br />

Zusammenarbeit konzentriert; die Gesamtheit<br />

der europäischen Staatenordnung.<br />

In der Bildungsarbeit sollen wirklichkeitsbezogene<br />

LeitbilderfürdieZukunftdereuropäischenVölkerin<br />

219


Europäische Akademien<br />

Einheit und Vielfalt entwickelt werden. Daher richten<br />

sich die Angebote vorwiegend an Multiplikatoren<br />

aus Bildung, Wirtschaft, Medien, Verwaltung<br />

und Politik. Eine kritische und nüchterne Analyse<br />

der Europapolitik ist Grundlage der Bildungsarbeit.<br />

Die europäische Integration als am weitesten fortgeschrittener<br />

Einigungsprozess ist nach Überzeugung<br />

der EA dann zu befürworten, wenn durch sie eher als<br />

durch nationalstaatliche Politik Freiheit, Frieden,<br />

Wohlstand und Gerechtigkeit gesichert werden.<br />

Gleichzeitig wird die EU als offene Gemeinschaft<br />

pluralistischer Gesellschaften verstanden, die allen<br />

demokratischen Staaten Europas offen steht. DanebenstehtdieSolidaritätmitallenRegionenderWelt.<br />

Die Bildungsstätten und Informationszentren sind<br />

personell und materiell sehr unterschiedlich ausgestattet<br />

und arbeiten selbständig. Sie sind durch private<br />

Initiativen gegründet und – wie alle europäischen<br />

Bildungseinrichtungen – überparteilich und überkonfessionell<br />

ausgerichtet.<br />

Zahlreiche Seminare, Fachtagungen, Kolloquien<br />

und Exkursionen werden in internationaler, nationaler<br />

oder regionaler Zusammensetzung durchgeführt<br />

und behandeln Europa in seinen verschiedenen Dimensionen.<br />

Die institutionalisierte Zusammenarbeit<br />

mit dem �Institut für europäische Politik in Berlin<br />

dient der Verbindung von Bildungsarbeit mit europapolitischer<br />

Forschung.<br />

2. Die Europäischen Akademien/Europahäuser<br />

Europäische Akademie Bayern, gegründet 1976;<br />

Durchführung von Seminaren und Konferenzen zur<br />

Förderung der Einheit Europas auf föderativer<br />

Grundlage; landesweite Einzelveranstaltungen und<br />

internationale Kooperation mit besonderen Kontakten<br />

zu südeuropäischen Ländern.<br />

Anschrift: Hirtenstraße 16, 80335 München<br />

Europäische Akademie Berlin, gegründet 1964; Einwöchige<br />

Informations- und Arbeitstagungen zu Themen<br />

der europäischen Integration und der Beziehungen<br />

zu Mittel- und Osteuropa. Tagungsstätte mit<br />

überwiegend internationalen Gästen; Dokumentationszentrum<br />

und Bibliothek; Simultan-Dolmetschanlage<br />

für vier Sprachen. Angegliedert eine Europäische<br />

Akademie für städtische Umwelt.<br />

Anschrift: Bismarckallee 46 – 48, 14193 Berlin<br />

Europäische Akademie Hessen, gegr. 1976; Seminare<br />

und Kurzveranstaltungen zur Förderung der europäischen<br />

Einigung, Vermittlung von Referenten.<br />

Anschrift: Luisenplatz 2, 64283 Darmstadt.<br />

220<br />

Europäische Akademie Nordrhein-Westfalen, zunächst<br />

als Europäische Bildungs- und Aktionsgemeinschaft<br />

1953 gegründete Einrichtung mit Veranstaltungen<br />

u. a. in Bonn, Berlin, Brüssel, Straßburg,<br />

Stettin, Paris.<br />

Anschrift: Weberstraße 118, 53113 Bonn<br />

Europäische Akademie Otzenhausen, gegründet<br />

1954; seit 1968 mit angegliedertem Institut für Rhetorik<br />

und Methodik der politischen Bildung; Tagungsstätte<br />

für Jugend- und Erwachsenenbildung<br />

mit dem Ziel der Verbreitung des europäischen Gedankens<br />

und übernationaler Zusammenarbeit; Simultan-Dolmetschanlage<br />

für drei Sprachen.<br />

Anschrift: Europahausstraße, 66620 Nonnweiler<br />

Europäische Akademie Schleswig-Holstein, gegründet<br />

1977; hervorgegangen aus der Europäischen<br />

Akademie Husum mit dem Ziel, durch Veranstaltungen<br />

und Studienreisen die Einigung Europas zu fördern;<br />

Tagungsstätte mit besonderen Kontakten zu<br />

den skandinavischen Ländern.<br />

Anschrift: 24988 Sankelmark.<br />

Europahaus Marienberg, gegründet 1951 als erste<br />

Einrichtung; Tagungsstätte im Westerwald zur Information<br />

und Bildung für übernationale und europäische<br />

Zusammenarbeit; Seminare, Begegnungen<br />

undStudienreisenfürErwachseneundJugendliche.<br />

Anschrift: Europastraße 1, 56470 Bad Marienberg<br />

Europa-Zentrum Baden-Württemberg, gegründet<br />

1976 als Institut und Akademie für Europafragen;<br />

Seminare, Vorträge, Kolloquien und offene Kulturarbeit,<br />

Studienfahrten und Referentendienst.<br />

Anschrift: Nadlerstraße 4, 70173 Stuttgart.<br />

Auslandsgesellschaft Nordrhein-Westfalen,<br />

22 deutsch-ausländische Gesellschaften und mehrere<br />

Institute; vermittelt in Seminaren, Jugendaustausch<br />

und Partnerschaften politisch-gesellschaftliches<br />

Verständnis im Rahmen internationaler Beziehungen.<br />

Anschrift: Steinstraße 48, 44147 Dortmund<br />

Europa-Haus Aurich. Schwerpunkt der Bildungsarbeit<br />

sind grenzüberschreitende Maßnahmen.<br />

Sitz: Von-Ihering-Str.35, 26603 Aurich.<br />

Informations- und Bildungszentrum Schloss Gimborn<br />

Anschrift: Schloßstr.10, 51709 Marienheide.<br />

Fridtjof-Nansen-Akademie für politische Bildung<br />

Anschrift: Wilhelm-Leuschner-Straße 61, 55218 Ingelheim.<br />

Internationales Haus Sonnenberg,<br />

Anschrift: Clausthaler Straße 11, 37444 St. Andreasberg.


Neugründungen nach 1990 in den neuen Bundesländern:<br />

Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft<br />

Anschrift: Schulstraße 8b, 14439 Potsdam<br />

Europahaus Leipzig<br />

Anschrift: Katharinenstraße 11, 04109 Leipzig.<br />

EuropäischeAkademieMecklenburg-Vorpommern<br />

Anschrift: Am Eldenholz 23, 17192 Waren/Müritz.<br />

Europa-Haus Görlitz<br />

Anschrift: Untermarkt 9, 02826 Görlitz.<br />

Internet der Gesellschaft Europäischer Akademien (GEA):<br />

www.gea-deutschland.de G. R.<br />

Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea,<br />

SE)<br />

1. Entwicklung und Zweck: Neben der Angleichung<br />

der nationalen Rechtsregeln für Gesellschaften ist es<br />

seit 1970 das Bestreben der Europäischen Union,<br />

auch ein einheitliches europäisches Statut einer Aktiengesellschaft<br />

zu schaffen.<br />

ImZugedesProgrammszurVollendungdesBinnenmarkts<br />

betrieb die Europäische Kommission mit<br />

Nachdruck die Verwirklichung dieses Vorhabens<br />

und legte 1989 einen Verordnungsvorschlag für ein<br />

Statut vor, der jedoch insbes. aufgrund großer Unterschiede<br />

in der Frage der Beteiligung der Arbeitnehmer<br />

an der Gesellschaftsführung lange nicht verabschiedet<br />

werden konnte. Erst am 8. 10. 2001 verabschiedete<br />

der Rat die Verordnung 2157/2001 über<br />

das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft<br />

(SE-VO) und die Richtlinie 2001/86 zur Ergänzung<br />

des Statuts hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer<br />

(beide ABl. L 294/ 2001). Ziel der SE ist es,<br />

grenzüberschreitend tätigen Unternehmen ein InstrumentandieHandzugeben,dasihnendenZusammenschluss<br />

über die Grenzen erleichtern soll.<br />

– Neben Aktiengesellschaften nach nationalem<br />

Recht können auch GmbHs und andere Kapitalgesellschaften<br />

eine SE gründen. Natürliche Personen<br />

sind von der Gründung einer SE allerdings ausgeschlossen.<br />

– Die SE muss grenzüberschreitend tätig sein; ihre<br />

Tätigkeit muss sie in mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten<br />

entfalten. Artikel 8 Abs. 3 der Verordnung<br />

macht die Eintragung der Europäischen Aktiengesellschaft<br />

davon abhängig, dass zuvor ein Modell für<br />

die �Mitbestimmung der Arbeitnehmer vereinbart<br />

worden ist.<br />

Europäische Aktiengesellschaft<br />

Die SE kann auf fünf Arten gegründet werden:<br />

(a) durch Verschmelzung mehrerer nationaler Aktiengesellschaften<br />

(Art. 2 Abs. 1, 17 SE-VO),<br />

(b) mehrere Kapitalgesellschaften (AG oder GmbH)<br />

gründen eine Holdinggesellschaft in Form einer SE<br />

(Art. 2 Abs. 2, 32 ff. SE-VO),<br />

(c) mehrere nationale Gesellschaften gründen eine<br />

gemeinsame Tochtergesellschaft in Form einer SE<br />

(Art. 2 Abs. 3, 35 ff. SE-VO),<br />

(d) eine Aktiengesellschaft mit Tochtergesellschaft<br />

oder Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat<br />

kann sich in eine SE umwandeln (Art. 2 Abs. 4, 37 ff.<br />

SE-VO),<br />

(e)einebereitsexistierendeSEgründeteineTochtergesellschaft<br />

in Form einer SE (Art. 3 Abs. 2,35f.<br />

SE-VO).<br />

Das Mindestkapital der SE beträgt 120 000 Euro.<br />

Artikel 38 der SE-Verordnung macht die Eintragung<br />

der SE davon abhängig, dass die Wahl zwischen dem<br />

dualistischen Verwaltungssystem (getrenntes Leitungsorgan<br />

und Aufsichtsorgan; z. B. Vorstand und<br />

Aufsichtsrat wie in der deutschen AG) und dem monistischen<br />

Verwaltungssystem mit einem einheitlichen<br />

Leitungsorgan (z. B. „Board of Directors“, wie<br />

es insbes. der angloamerikanische Rechtskreis<br />

kennt) getroffen wird.<br />

Die Wahl eines Sitzes in einem Mitgliedstaat innerhalb<br />

der EU ist ebenfalls Gründungsvoraussetzung.<br />

Von Vorteil ist es, dass die SE ihren Sitz innerhalb<br />

der EU frei verlegen kann, ohne sich auflösen und<br />

neu gründen zu müssen.<br />

Was die Beteiligung der Arbeitnehmer angeht, so ist<br />

die SE-Verordnung von ihrer ursprünglichen Forderung<br />

abgewichen, die Wahl eines Beteiligungsmodells<br />

zur Voraussetzung für die Gründung der SE zu<br />

machen. Zwar regelt die SE-Arbeitnehmer-Beteiligungsrichtlinie,<br />

dass vor Gründung der SE die Unternehmungsleitung(en)miteinemzudiesemZweck<br />

gegründeten „besonderen Verhandlungsgremium“<br />

der Arbeitnehmer Verhandlungen geführt werden<br />

mit dem Ziel, Regeln über die Beteiligung der Arbeitnehmer,<br />

und zwar einerseits auf Betriebsebene<br />

(insbes. über den SE-Betriebsrat) und andererseits<br />

im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung zu<br />

vereinbaren. Dies soll innerhalb von sechs bzw (falls<br />

einvernehmlich verlängert) zwölf Monaten geschehen<br />

sein. Erst wenn eine Einigung nicht zustande<br />

kommt, treten Auffangregelungen hinzu (Europäischer<br />

�Betriebsrat).<br />

221


Europäische Arzneimittelagentur<br />

2. Bewertung: Die vorliegenden Vorschläge versuchen,<br />

den Besonderheiten der nationalen Gesellschaftsrechte<br />

Rechnung zu tragen. Doch ist zu befürchten,<br />

dass durch die verschiedenen Wahlmöglichkeiten<br />

in Bezug auf Führung und Mitbestimmung<br />

der Gesellschaft, die von den Mitgliedstaaten<br />

vorgeschrieben werden können, der Wert der einheitlichen<br />

Gesellschaftsform aufgehoben wird.<br />

So wird es wohl weiter dabei bleiben, dass Sitz und<br />

Gesellschaftsform eines internationalen Unternehmens<br />

nach ergänzenden Rechtsregeln wie Steuerund<br />

Insolvenzrecht, Arbeits- und Sozialrecht, Wettbewerbs-<br />

und Kartellrecht ausgewählt werden.<br />

Literatur:<br />

M. K.<br />

Europäische Kommission (Hg.): Die Angleichung des<br />

Gesellschaftsrechts in der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Luxemburg 1990<br />

Jannott, D./Frodermann, J. (Hg.): Handbuch der Europäischen<br />

Aktiengesellschaft – Societas Europaea. Eine umfassende und<br />

detaillierte Darstellung für die Praxis unter Berücksichtigung<br />

sämtlicher EU-Mitgliedstaaten. Heidelberg 2005<br />

Ganske, J.: Das Recht der Europäischen Wirtschaftlichen<br />

Interessenvereinigung. München 1988<br />

Kersting, M.: Die Europäische Aktiengesellschaft – Stand und<br />

Entwicklung. In: EG-spezial 18–19/91, Freiburg<br />

Ders.: Neue Gesellschaftsformen in der Diskussion.<br />

In: EG-spezial 10/93, 12/93, 13/93, Freiburg<br />

Klapdor, R.,/Bartone, R.: Die Europäische Aktiengesellschaft<br />

Berlin 2005<br />

Lutter, M.: Genügen die vorgeschlagenen Regelungen für eine<br />

Europäische Aktiengesellschaft? AG 1990, S. 413<br />

Europäische Arzneimittelagentur (EMEA) mit<br />

Sitz in London wurde durch Ratsverordnung 2309/<br />

93 (ABl. L 214/1993) errichtet und begann 1995 mit<br />

ihrer Arbeit. Die vier Ausschüsse der Agentur (für<br />

Human-Arzneimittel, für Tierarzneimittel, für Arzneimittel<br />

gegen seltene Leiden, für pflanzliche Arzneimittel)<br />

erstellen Gutachten, ihre wissenschaftliche<br />

Arbeit stützt sich auf ein Netz von 3500 Sachverständigen<br />

in Europa.<br />

Anschrift: 7, Westferry Circus, Canary Warf,<br />

UK–London E14 4HB; Internet: www.emea.eu.int<br />

Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM /<br />

EAG). Der Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />

Atomgemeinschaft (EURATOM-Vertrag, EAGV)<br />

wurde am 25. 3. 1957 zeitgleich mit dem Vertrag für<br />

die – damals noch als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

bezeichnete – �Europäische Gemeinschaft<br />

(EG) in Rom unterzeichnet. Im Unterschied<br />

zur 1951 gegründeten �Europäischen Gemeinschaft<br />

222<br />

für Kohle und Stahl (EGKS) ist der EURATOM-<br />

Vertrag nicht zeitlich befristet. Wie früher auch der<br />

EGKSV betrifft der EURATOM-Vertrag nur einen<br />

spezifischen sektoriellen und überdies höchst umstrittenen<br />

Ausschnitt der Gemeinschaftspolitiken,<br />

nämlich die Nutzung der Atomenergie und insbes.<br />

die Versorgung der Mitgliedstaaten mit spaltbaren<br />

Stoffen. Aufgabe der Europäischen Atomgemeinschaftistes,„durchdieSchaffungderfürdieschnelle<br />

Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen<br />

Voraussetzungen zur Hebung des Lebensstandards<br />

und zur Entwicklung der Beziehungen mit<br />

den anderen Ländern beizutragen.“ (Art. 1 Abs. 2<br />

EAGV)<br />

1. Die Abtrennung der Energieträger Kohle (in der<br />

EGKS) einerseits und Uran andererseits vom EG-<br />

Vertrag (EGV) unterstreicht die besondere Bedeutung,<br />

die diese Energieträger für die Mitgliedstaaten<br />

in den 1950er Jahren hatten. So war seinerzeit noch<br />

Kohle der wichtigste Energieträger und zusammen<br />

mit Stahl einer der Schlüsselrohstoffe für den Wiederaufbau<br />

der westeuropäischen Industrien nach<br />

dem 2. Weltkrieg. Demgegenüber verband sich mit<br />

dem Ausbau der Atomenergie – ungeachtet der Tatsache,<br />

dass auch spaltbare Materialien importiert<br />

werden müssen (Lieferanten: USA, Kanada, Australien,<br />

Russland) – die Hoffnung, von Erdölimporten<br />

unabhängig werden zu können. Zugleich galt Atomenergie<br />

in den 1950er Jahren als der Energieträger<br />

der Zukunft schlechthin, auf den die Mitgliedstaaten<br />

ihre Hoffnungen richteten. Derzeit decken die Mitgliedstaaten<br />

ca. ein Drittel ihres Elektrizitätsbedarfs<br />

mit Atomstrom, unter den „alten“ Mitgliedstaaten<br />

der Fünfzehner-Gemeinschaft schwankt dabei der<br />

Anteil zwischen ca. 75 % in Frankreich und 4,9 % in<br />

den Niederlanden; Dänemark, Griechenland, Irland,<br />

Italien, Luxemburg, Österreich und Portugal setzen<br />

überhaupt keine Atomenergie ein. Im Übrigen normiert<br />

der EURATOM-Vertrag keine Verpflichtung<br />

der Mitgliedstaaten, den Ausbau oder Beibehalt der<br />

Atomenergienutzung innerstaatlich vorzusehen,<br />

sondern überlässt ihnen die Wahl, ob und in welchem<br />

Umfang sie davon Gebrauch machen wollen.<br />

Die Befürworter der zivilen Nutzung der Atomenergie<br />

stellen heute in erster Linie das Fehlen schädlicher<br />

Treibhausemissionen als entscheidenden Vorteil<br />

gegenüber fossilen Energieträgern dar. Doch das<br />

Bild der Atomenergie als „sauberer Energie“ hat sich<br />

in der Zwischenzeit stark gewandelt. Der Reaktorun-


fall von Tschernobyl im Jahr 1986 hat der breiten Öffentlichkeit<br />

die Risiken der Atomkraftnutzung deutlich<br />

gemacht. Mehr noch als die weiter schwindende<br />

gesellschaftliche Akzeptanz von Atomanlagen war<br />

jedoch für etliche Mitgliedstaaten die nach wie vor<br />

ungelöste und brisante Frage der Endlagerung der<br />

hochradioaktiven Abfallstoffe ausschlaggebend, bis<br />

aufWeiteresjedenfallskeineweiterenAnlagenmehr<br />

in Betrieb zu nehmen bzw. auch weiterhin an ihrem<br />

Verzicht festzuhalten. So haben Schweden, Spanien,<br />

Großbritannien, Deutschland, Belgien entweder die<br />

Absicht, alle laufenden Anlagen zur Elektrizitätsgewinnung<br />

stillzulegen, oder haben zumindest ein Moratorium<br />

für den Bau weiterer Anlagen verhängt.<br />

Von den alten Mitgliedstaaten sprechen sich lediglichFrankreichundFinnlandfüreinenweiterenAusbau<br />

von Atomkraftwerken aus.<br />

Unbestritten ist unter allen Mitgliedstaaten, dass die<br />

Entsorgung der radioaktiven Abfälle in der derzeitigen<br />

Debatte die Achillesferse und das größte Hindernis<br />

für einen weiteren Ausbau dieser Form der<br />

Stromerzeugung bedeutet. Kein Mitgliedstaat hat<br />

bislang eine technische und gesellschaftspolitisch<br />

überzeugende Antwort auf die Probleme bei Transport<br />

und Endlagerung der Abfälle gefunden. Finnland<br />

und Schweden scheinen derzeit bei der Suche<br />

nach zumindest mittelfristigen Lösungen zur Lagerung<br />

auch hochradioaktiver Abfälle am nächsten.<br />

Die Forderung des Europäischen Parlaments, dieses<br />

Problem auf Gemeinschaftsebene zu behandeln,<br />

konnte sich gegenüber den heterogenen nationalen<br />

Interessen in der Atompolitik nicht durchsetzen.<br />

Die jüngste Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften<br />

könnte jedoch mittelfristig auch ein neues<br />

Kapitel in der europäischen Atompolitik bedeuten.<br />

ZugleichstelltendieFragendernuklearenSicherheit<br />

erstmals einen eigenen Gegenstand in den Erweiterungsverhandlungen<br />

dar.<br />

DerbestehendeStreitüberdieZukunfteinereuropäischen<br />

Atompolitik ist auch der wesentliche Grund,<br />

weshalb eine Integration des EURATOM-Vertrags<br />

in den �Vertrag über eine Verfassung für Europa<br />

nicht vorgesehen ist.<br />

2. Der EURATOM-Vertrag ist in seinen Strukturen<br />

mit denen des EGV weitgehend identisch, hat jedoch<br />

weitaus weniger Änderungen erfahren und daher<br />

mehr von seiner ursprünglichen Gestalt aus den<br />

1950er Jahren bewahrt. Auch die EURATOM-Gemeinschaft<br />

besitzt Rechtspersönlichkeit (Art. 184<br />

Europäische Atomgemeinschaft<br />

EAGV). Ihre Organe, d. h. Europäisches Parlament,<br />

Rat, Kommission, Gerichtshof, Rechnungshof,<br />

Wirtschafts- und Sozialausschuss sind seit dem<br />

�„Fusionsvertrag“ von 1967 mit denen der EG identisch;<br />

hinzu tritt lediglich die EURATOM-Versorgungsagentur<br />

in Brüssel (s. u.). Allerdings ist die<br />

Stellung des Europäischen Parlaments im Rahmen<br />

des EURATOM-Vertrags deutlich schwächer ausgestaltet.<br />

So werden die rechtlichen Handlungsinstrumente<br />

des EURATOM-Vertrags, d. h. Verordnungen,<br />

Richtlinien, Entscheidungen und Empfehlungen<br />

(Art. 161 EAGV) ausschließlich vom Rat und<br />

der Kommission erlassen, das Parlament findet in<br />

Art. 161 EAGV keine Erwähnung und ist – mit Ausnahme<br />

seiner Budgetrechte (Art. 177 EAGV) – als<br />

Beratungs- und Kontrollorgan konzipiert (Art. 107<br />

EAGV). Auch beim Abschluss von Abkommen mit<br />

dritten Staaten oder internationalen Organisationen<br />

steht dem Europäischen Parlament im Rahmen des<br />

EURATOM-Vertrags unverändert nur ein Anhörungsrecht<br />

zu (Art. 206 EAGV).<br />

Wie bereits angesprochen ist eine Integration des<br />

EAGVindenVertragübereineVerfassungfürEuropa<br />

(VVE) nicht vorgesehen. Während mit dem VVE<br />

der EGV und der EUV in einem Vertragswerk zusammengeführt<br />

und in diesem vollständig aufgehen<br />

werden, wird der EAGV unverändert als völkerrechtlich<br />

eigenständiges Abkommen neben dem<br />

VVE weiter bestehen bleiben. Dessen ungeachtet<br />

werden auch in Zukunft die Organe des EAGV (s.o.)<br />

mit denen des VVE identisch sein, und ebenso wie<br />

bisher wird der Beitritt neuer Mitgliedstaaten zum<br />

EAGV einen separaten Rechtsakt erfordern.<br />

3. Der EURATOM-Vertrag zielt auf die Schaffung<br />

einer europaweiten, weitgehend einheitlichen<br />

Atomindustrie ab. Der EURATOM-Vertrag stellt<br />

dazu die „Förderung des Fortschritts auf dem Gebiet<br />

der Kernenergie“ in den Vordergrund und sieht hierfür<br />

die Förderung der Forschung als wichtigstes Mittel<br />

an. Als weitere Mittel hierzu beinhaltet der Vertrag<br />

Regeln zur Verbreitung der Kenntnisse, aber<br />

auchderggf.erforderlichenGeheimhaltung,denGesundheitsschutz,Investitionserleichterungenundermöglicht<br />

schließlich die Gründung von gemeinsamen<br />

EURATOM-Unternehmen (wie z. B. zukünftig:<br />

�ITER).<br />

Dabei sind die „besonderen spaltbaren Stoffe“ im<br />

Sinne des Art. 197 Abs. 1 EAGV, insbes. Plutonium<br />

239 und Uran 233, mit Ausnahme der vorhandenen<br />

223


Europäische Bank für Wiederaufbau<br />

Naturvorkommen,EigentumderGemeinschaft(Art.<br />

86 EAGV). Dieses Eigentumsrecht umfasst alle besonderen<br />

spaltbaren Stoffe, die von einem Mitgliedstaat,<br />

einer Person oder einem Unternehmen erzeugt<br />

oder eingeführt werden. Deren Verwaltung unterstellt<br />

der EAGV einer speziellen Agentur, der bereits<br />

genannten EURATOM-Versorgungsagentur, Art.<br />

52 ff. EAGV. Diese Agentur mit Sitz in Brüssel hat<br />

eigene Rechtspersönlichkeit, untersteht jedoch einer<br />

umfassenden Aufsicht der Kommission. Die Versorgungsagentur<br />

übt sowohl das ausschließliche Bezugsrecht<br />

für Erze, Ausgangsstoffe und besondere<br />

spaltbare Stoffe, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten<br />

erzeugt werden, als auch das ausschließliche<br />

Recht zum Abschluss von Lieferverträgen für Erze,<br />

Ausgangsstoffe und besondere spaltbare Stoffe aus<br />

Staaten innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft<br />

aus.<br />

4. Die Forschungsaktivitäten im Bereich des EURA-<br />

TOM-Vertrags beziehen sich sowohl auf den Bereich<br />

der Kernspaltung als auch auf den Bereich der<br />

Kernfusion. Die Gemeinschaft führt diese Aktivitäten<br />

teilweise direkt durch die �Gemeinsame Forschungsstelle<br />

(GFS), teilweise im Rahmen von indirekten<br />

Aktionen in Zusammenarbeit mit den Forschungsinstitutionen<br />

und der Industrie in den Mitgliedstaaten,<br />

aber auch solchen aus Drittstaaten aus.<br />

Im Rahmen des derzeit laufenden 6. Forschungsrahmenprogramms<br />

2002 – 2006 ist hierfür ein Gesamtvolumen<br />

von 1 230 Mio. Euro vorgesehen. ForschungsschwerpunkteimBereichKernspaltungsind<br />

die Behandlung der radioaktiven Abfälle, Strahlenschutz<br />

sowie sonstige Maßnahmen im Bereich der<br />

nuklearen Sicherheit. Im Bereich der Kernfusion<br />

konzentrieren sich die Bemühungen nun, nach dem<br />

JET (Joint European Torus), auf den internationalen<br />

Fusionsforschungsreaktor ITER (lat.: der Weg) als<br />

nächstem Schritt auf dem Weg der Forschung und<br />

späteren Nutzung der Kernfusion. Letzterer soll nun<br />

nach langem Streit über den Standort in Cadarache<br />

(F) errichtet werden.<br />

5. Das Ziel einer gemeinschaftsweiten gemeinsamen<br />

Atompolitik im Rahmen des EURATOM-Vertrags<br />

haben die Mitgliedstaaten bislang nur sehr unvollkommen<br />

verwirklicht. Am weitesten gediehen ist<br />

diese im Bereich der Fusionsforschung, in dem die<br />

Forschungstätigkeiten der Gemeinschaft und der<br />

Mitgliedstaaten nahezu vollständig ineinander integriert<br />

sind. Soweit hingegen die Elektrizitätsgewin-<br />

224<br />

nung durch Kernspaltung betroffen ist, ist es bei nationalen<br />

Alleingängen und kaum zu vereinbarenden<br />

Gegensätzen zwischen den Mitgliedstaaten geblieben.<br />

Welchen Beitrag die Atomenergie überdies zum Klimaschutz<br />

wird leisten können, ist angesichts der ungelösten<br />

Entsorgungsproblematik offen. Die Kommission<br />

selbst nimmt im Grünbuch zur Zukunft der<br />

Energieversorgungssicherheit an, dass auch zukünftigfossileEnergieträgerfürdieVersorgungmaßgeblich<br />

bleiben werden und der Anteil der Atomenergie<br />

zur Deckung des gesamten Energieverbrauchs von<br />

derzeit ca. 15 % (ausschließlich bezogen auf Elektrizitätserzeugung<br />

beträgt der Anteil ca. 35 %) bis zum<br />

Jahr 2030 auf ca. 6 % sinken dürfte (für die erneuerbarenEnergienprognostiziertdieKommissioneinen<br />

Anstieg von derzeit 6 % auf 8 %). Dabei bleibt offen,<br />

ob und wann jemals der Kernfusion eine ernstzunehmende<br />

Bedeutung für die Energieversorgung zukommen<br />

wird oder ob diese Hoffnung ein Traum der<br />

Wissenschaftlerbleibenwird. S. W.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Grünbuch „Hin zu einer<br />

Europäischen Strategie der Energieversorgungssicherheit“.<br />

29. 11. 2000, KOM (2000) 769<br />

Dies.: Kernenergie: Ja bitte oder nein danke? FTE-Info Nr. 40,<br />

Februar 2004<br />

Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung<br />

(EBWE, European Bank for Reconstruction<br />

and Development, EBRD), kurz Osteuropabank,<br />

mit Sitz in London. Sie wurde am 15. 4. 1991<br />

gegründet, um Kredite und Investitionen von 24<br />

Staaten (G 24) in die mittel(ost)europäischen Länder<br />

(MOE-Länder) zu transferieren. Hauptaufgabe der<br />

Bank ist die Förderung von wettbewerbsfähigen Investitionen<br />

im produktiven Sektor in den Ländern<br />

Zentral- und Osteuropas sowie Zentralasiens, die<br />

ehemals dem Ostblock angehörten, sowie die Hilfe<br />

beim Übergang zu einer marktorientierten Wirtschaft<br />

und demokratischen Regierungsform und die<br />

Beschleunigung der dafür erforderlichen Strukturanpassungen.<br />

Sie will ihre Geschäftstätigkeit stärker<br />

auf kleine und mittlere Unternehmen (�KMU) verlagern<br />

und sich von Projekten fernhalten, die eher entwicklungspolitischen<br />

Charakter haben und den<br />

staatlichen Bereich der osteuropäischen Länder betreffen.<br />

Rund 60 % der Kredite und Bürgschaften<br />

sind dem privaten Sektor vorbehalten.<br />

Grundkapital: 20 Mrd. Euro. 62 Anteilseigener bzw.


Mitglieder (2003), darunter alle EU-Staaten, die Europäische<br />

Investitionsbank, die Europäische Kommission,<br />

alle Länder, in denen die EBWE tätig ist sowie<br />

weitere europäische und außereuropäische Staaten.<br />

Größter Einzelaktionär sind die USA.<br />

Anschrift: One Exchange Square, London EC2A 2JN, United<br />

Kingdom<br />

Internet: www.ebrd.com<br />

Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />

(EFSA), eine �Agentur der EU, wurde nach den<br />

Lebensmittelskandalen in den 1990er Jahren (�BSE,<br />

Dioxin) durch Verordnung 178/2002 (ABl. L 31/<br />

2002) gegründet. Sie berät die Kommission in FragenderLebensmittelsicherheitentlangdergesamten<br />

Lebensmittelkette (von Tierfuttermitteln bis zu Produkten<br />

für Endverbraucher). Ihr Wissenschaftlicher<br />

Ausschuss und ihre 8 wissenschaftlichen Gremien<br />

nehmen Risikobewertungen vor, auch in Bereichen<br />

wie Tiergesundheit, Tierschutz und Pflanzenschutz.<br />

Näheres zu ihren Aufgaben �Lebensmittelrecht Ziff.<br />

5.2<br />

Anschrift: rue de Genève 10, B–1140 Brüssel<br />

Internet: www.efsa.eu.int<br />

Europäische Beobachtungsstelle für audiovisuelle<br />

Medien ist eine dem �Europarat unterstellte<br />

Institution mit Sitz in Straßburg. An der 1992 gegründeten<br />

europäischen Einrichtung des öffentlichen<br />

Rechts sind 35 Staaten und die EG (durch Ratsentscheidung<br />

vom 22. 11. 1999, ABl. 307/1999) beteiligt.<br />

Sie soll der audiovisuellen Fachwelt Informationen<br />

bereitstellen und für Transparenz im audiovisuellen<br />

Bereich (Film, Fernsehen, Video/DVD, neue<br />

Medien) sorgen.<br />

Anschrift: 76 allée de la Robertsau, F–67000 Straßburg<br />

Internet: www.obs.coe.int<br />

Europäische Beobachtungsstelle für Drogen<br />

und Drogensucht (EBDD) mit Sitz in Lissabon,<br />

eine Agentur der EU, errichtet durch Ratsverordnung<br />

302/93 (ABl. L 36/1993), zuletzt geändert<br />

durch Verordnung 3294/94 (ABl. L341/1994). Sie<br />

hat ihre Arbeit 1995 aufgenommen (Aufgabe: Sammeln<br />

und Verbreiten von objektiven, zuverlässigen<br />

und vergleichbaren Informationen über Drogen und<br />

Drogensucht in Europa) und 1996 den ersten Bericht<br />

über die Drogenproblematik in der EU veröffentlicht.<br />

Die EBDD arbeitet mit Interpol und �Europol<br />

zusammen, ebenso mit dem Drogenüberwachungs-<br />

Europäische Charta<br />

programm der UN (UNDCP), der Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO), der Weltzollorganisation<br />

(WZO)undder �„Pompidou-Gruppe“desEuroparates.<br />

Anschrift: Rua da Cruz de Santa Apolónia, 23–25,<br />

PT–1149-045 Lisbon<br />

Internet: www.emcdda.eu.int<br />

Europäische Beschäftigungsstrategie �Luxemburg-Prozess<br />

Europäische Bewegung (Netzwerk Europäische<br />

Bewegung) ist ein überparteilicher internationaler<br />

Zusammenschluss der organisierten Zivilgesellschaft<br />

im Bereich Europapolitik mit 120 privaten Organisationen<br />

aus 41 europäischen Ländern. Sitz ist<br />

Brüssel. Ein Bundesrat konstituiert sich aus den nationalen<br />

Mitgliedsverbänden. Der Europäischen Bewegung<br />

Deutschland (EBD), 1949 in Wiesbaden gegründet,<br />

gehören die großen im Bundestag vertretenen<br />

Parteien und ca. 130 gesellschaftliche Verbände,<br />

Organisationen und Gruppen an.<br />

Die Europäische Bewegung wurde 1948 auf einem<br />

Kongress in Den Haag (�Haager Kongress) gegründet.<br />

Die Mitgliederorganisationen setzen sich für die<br />

Ideen der europäischen Einigung (z. B. durch gemeinsame<br />

Resolutionen zur Europäischen Union,<br />

zum �Vertrag über die Europäische Union, zu Gesamteuropausw.)inderÖffentlichkeiteinundunterstützen<br />

den europäischen Integrationsprozess durch<br />

politische und wissenschaftliche Beiträge sowie<br />

durch kontinuierliche Aufklärungs- und Informationsarbeit.<br />

Die Aktivitäten der Europäischen Bewegung erfolgen<br />

in enger Zusammenarbeit mit den europäischen<br />

Behörden und laufen im Berliner Europa-Zentrum<br />

zusammen; sie werden lokal weitergegeben durch<br />

die Europahäuser, �Europäischen Akademien, Bildungsstätten<br />

für die politische Jugend- und Erwachsenenbildung.<br />

In manchen Bundesländern bestehen<br />

„Landeskomitees“ als regionale Untergliederungen<br />

der EBD. Ebenso wurde eine Frauenkommission<br />

eingerichtet.<br />

Organe: Deutscher Rat der Europäischen Bewegung,Präsidium,Mitgliederversammlung.<br />

W. M.<br />

Anschrift: Europäische Bewegung Deutschland e.V.,<br />

Jean-Monnet-Haus, Bundesallee 22, 10717 Berlin<br />

Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung<br />

�Kommunalpolitik Ziff. 3.1<br />

225


Europäische Charta<br />

Europäische Charta für Kleinunternehmen<br />

�Charta für Kleinunternehmen<br />

Europäische Dimension (im Unterricht)<br />

1. Beschreibung des Gegenstandes: Die Vorstellung<br />

von Europa als einer politischen Einheit ist in der nationalen<br />

und übernationalen Perspektive präsent. Sie<br />

impliziert gemeinsame und bewahrenswerte politische<br />

und kulturelle Werte und tritt insbes. in Gestalt<br />

der EU und der �NATO (als atlantische Gemeinschaft)<br />

sowie im weiteren Sinne als das Gesamteuropades�Europaratsundder�OrganisationfürSicherheit<br />

und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) von ZypernüberdieTürkeiimSüdenbisnachSkandinavien<br />

im Norden sowie die Staaten des ehemaligen Ostblocks<br />

in Erscheinung. Praktisch äußert sie sich in<br />

abgestuften Formen der Zusammenarbeit auf einzelnen<br />

Gebieten und zwischen einzelnen Ländern. Aufgabe<br />

von Schule und sonstigen Lernstätten ist es, einen<br />

so bedeutsamen kulturellen, politischen, wirtschaftlichen,<br />

sozialen, rechtlichen Tatbestand in ihr<br />

curriculares Programm aufzunehmen. Er wird mit<br />

dem Begriff der „Europäischen Dimension“ benannt.<br />

Worauf bezieht er sich?<br />

Die Festlegung seines Inhalts und Umfangs beginnt<br />

mit dem Definitionsproblem in Sachen „Europa“. Er<br />

sollte eine politisch entwicklungsoffene Dimension<br />

wieeinehistorischeundgeografischeDimensionhaben<br />

sowie auf die Bildung eines europäischen �Bewusstseins<br />

und einer europäischen �Identität gerichtet<br />

sein. Dafür wäre ein international-konsensuales<br />

Set von Grundkenntnissen und -einsichten zu wünschen.<br />

Die „Europäische Dimension“, wie immer<br />

man sie definieren und inhaltlich fixieren mag, ist<br />

primär integrationspolitischer Natur. Sie verhilft der<br />

politischen Sozialisation zu einer zusätzlichen Perspektive.<br />

Sie erfordert, dass beizeiten Basisloyalitäten<br />

gegenüber den übernationalen Institutionen in<br />

Gestalt von neuen Solidaritäten, Werten und Normen,<br />

Informationen und Orientierungen gegenüber<br />

supranationalen Organisationen und Autoritäten<br />

größere Chancen im politischen Lernprozess erhalten.<br />

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die „Europäische<br />

Dimension“ im Unterricht der sozialwissenschaftlichen,<br />

sprachlichen und künstlerischen Fächer<br />

präsent sein sollte. Entscheidend für die Bewusstseinsbildung<br />

und Handlungsmotivation ist die<br />

Intensität der Bewusstmachung eines Problems. Die<br />

226<br />

Tatsache also, dass man sich z. B. mit europäischer<br />

Literatur befasst, besagt noch nicht, dass sie vom<br />

Schüler eo ipso in einen europäischen Handlungskontext<br />

aufgenommen wird, sondern kann durchaus<br />

als ein isoliertes Ereignis verstanden werden, es sei<br />

denn,manadaptierteundinterpretiertesieauchunter<br />

sozialwissenschaftlichem, zeitkritischem und einheitspolitischem<br />

Aspekt. Dies gilt ebenso für GeschichteundGeografie.Dazukommt/kommenu.a.:<br />

– derSchulalltag(sozialesundpolitischesLernen),<br />

– die �Europa-Schulen,<br />

– die Betreuung der Kinder ausländischer Arbeitnehmer,<br />

– der �Europäische Schülerwettbewerb,<br />

– die schulischen Aktivitäten (Projekte, Wanderfahrten,<br />

Begegnungen, Ferienkurse, Grenzprojekte),<br />

– die Beziehungen, Patenschaften mit europäischen<br />

bzw. Minderheitenschulen,<br />

– der/die Jugend-/Schüleraustausch, -begegnungen,<br />

-kontakte, -veranstaltungen,<br />

– die Teilnahme an EU-, Europarats-, Unesco-Projekten<br />

(Curriculum, interkulturell),<br />

– die Öffnung zur (europäischen) Gesellschaft und<br />

Kultur.<br />

2. Europäische Dimension nach Auffassung der EG:<br />

Von spürbarer Bedeutung für die Förderung internationaler<br />

didaktischer Studien wurde die Mitteilung<br />

der EG-Kommission an den EG-Ministerrat „Unterricht<br />

mit europäischen Bildungsinhalten: Die Europäische<br />

Gemeinschaft als Unterrichtsgegenstand an<br />

denSchulender Mitgliedstaaten“vom8.6.1978(am<br />

27. 6. 1980 von den EG-Bildungsministern beraten,<br />

aberinfolgedesDissensesüberdieZuständigkeitder<br />

�Römischen Verträge für die Bildungspolitik vor allem<br />

infolge des dänischen Vetos nicht verabschiedet),<br />

ergänzt durch die Mitteilung der Kommission<br />

an den Rat über den „Sprachunterricht in der Gemeinschaft“<br />

vom 22. 6. 1978. Nach einer ungewöhnlichdeutlichenKritikderKommissionanderSituation<br />

des Unterrichts über Europa in den meisten<br />

EG-Ländern werden als wesentliche Inhalte benannt:<br />

„9. Das Unterrichtsfach sollte während der gesamten<br />

Schulzeit die folgenden drei Hauptbereiche umfassen:<br />

a) Die Gemeinschaft in ihrem europäischen Zusammenhang:<br />

historische und politische Zusammenhänge,<br />

die zur Gründung der Gemeinschaft führten; Zie-


le der Gründer; die Rolle der Gemeinschaft im Verhältnis<br />

zu anderen Regierungsebenen (kommunal,<br />

regional,national);dieGemeinschaftalsRahmenfür<br />

gemeinsame Aktionen, bei denen die menschlichen,<br />

kulturellenundnationalenEigenheitengewahrtbleiben;<br />

Beziehungen zu anderen Ländern und Gebieten<br />

Europas.<br />

b) Tätigkeiten der Gemeinschaft; ihre Befugnisse<br />

und Entscheidungsmechanismen; institutionelle<br />

Entwicklungen (einschl. Direktwahlen) und ihre<br />

Auswirkungen; wichtigste Leistungen und Probleme<br />

der Gemeinschaft; Auswirkungen auf das Leben<br />

ihrerBürger;ProblemeihrerkünftigenEntwicklung.<br />

c) Die Gemeinschaft in weltweitem Rahmen; Beziehungen<br />

zu den Supermächten, anderen Industriestaaten<br />

und Entwicklungsländern; ihre Rolle in Bezug<br />

auf die Vereinten Nationen und sonstige internationale<br />

Organisationen; Vergleich mit anderen regionalen<br />

Gruppierungen. [...]<br />

15. Ausgangspunkt für einen ernst zu nehmenden<br />

Versuch, die in diesem Zusammenhang anstehenden<br />

Fragen zu lösen, müsste nach Ansicht der Kommission<br />

eine gemeinsame Handlungsstrategie auf einzelstaatlicher<br />

und Gemeinschaftsebene sein.<br />

16. Diese Strategie sollte hauptsächlich folgendes<br />

umfassen:<br />

a) die systematische Förderung der Einbeziehung<br />

des Unterrichts über die Europäische Gemeinschaft<br />

indieLehrpläneallerSchulenderMitgliedstaaten;<br />

b) ein gemeinschaftliches Lehrplanentwicklungsprogramm<br />

mit dem Ziel, für den Unterricht über die<br />

Europäische Gemeinschaft an den Schulen neue Methoden<br />

auszuarbeiten und sie in einer Reihe von Modellversuchen<br />

zu erproben;<br />

c) Förderung und Entwicklung von Programmen für<br />

die Grund- und berufsbegleitende Lehrerbildung zur<br />

Vorbereitung auf den Unterricht über die Gemeinschaft<br />

in allen Mitgliedstaaten und Unterstützung<br />

der Arbeit der Lehrerbildungsanstalten, die sich auf<br />

diesem Gebiet spezialisieren;<br />

d) VersorgungmitHilfseinrichtungenundLehr-und<br />

Lernmitteln, um Lehrer, die über die Gemeinschaft<br />

unterrichten, mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten.“<br />

Entscheidend wird sein, dass die nationalen RegierungeninihremBereichfüreineUmsetzungder„Europäischen<br />

Dimension“ in die Curricula sowie für<br />

eine intraeuropäische Zusammenarbeit in den o. g.<br />

Punkten sorgen. Inhaltlich reicht ein bloßes „Verste-<br />

Europäische Dimension<br />

hen“ des politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen<br />

Lebens der EU-Mitgliedstaaten und die „Information“überdieZielederEUnichtaus.Eskommt<br />

vielmehr auf eine kritische Analyse der Einigungspolitik<br />

und eine praktisch-politische Beteiligung der<br />

Bürger am Einigungsprozess an (vgl. die Initiativen<br />

und Arbeiten einzelner Institute wie: Institut für europäische<br />

Lehrerbildung an der Europäischen Akademie<br />

Berlin; Interdisziplinäres Institut für europäische<br />

Fragen und Lehrerbildung der Pädagogischen<br />

Fakultät der Universität Bonn; Internationales Institut<br />

für Europäische Bildung, Paderborn; Zentrum für<br />

Europäische Bildung, Bonn; Sussex European Research<br />

Centre, The University of Sussex, Brighton;<br />

Institute of European Education, S. Martin’s College,<br />

Lancaster; Europees Platform voor het Nederlandse<br />

Onderwijs, Alkmaar).<br />

Die EG-Bildungsminister wollen nach ihrer „Entschließung<br />

zur europäischen Dimension im Bildungswesen“<br />

vom 24. 5. 1988 (ABl. C 177/1988) zur<br />

Verwirklichung des „Europas der Bürger“ und zur<br />

Schaffung des Binnenmarktes beitragen, indem sie<br />

als Ziele angeben:<br />

„– das Bewusstsein der jungen Menschen für die europäische<br />

Identität zu stärken und ihnen den Wert der<br />

europäischenKulturundderGrundlagen,aufwelche<br />

die Völker Europas ihre Entwicklung heute stützen<br />

wollen,nämlichinsbes.dieWahrungderGrundsätze<br />

der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der<br />

AchtungderMenschenrechte[...],zuverdeutlichen;<br />

– die junge Generation auf ihre Beteiligung an der<br />

wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gemeinschaft<br />

und an der Erzielung konkreter Fortschritte<br />

zur Verwirklichung der Europäischen Union<br />

gemäß der Einheitlichen Europäischen Akte vorzubereiten;<br />

[...]<br />

– den jungen Menschen eine bessere Kenntnis der<br />

Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten in ihren historischen,<br />

kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen<br />

Aspekten zu vermitteln und ihnen die Bedeutung der<br />

Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Gemeinschaft<br />

mit anderen Staaten Europas und der<br />

Welt näher zu bringen.“<br />

Als Aktionen zur Zieloperationalisierung werden<br />

angeführt:<br />

– die „ausdrückliche Einbeziehung der europäischen<br />

Dimension in die Lehrpläne aller dafür geeigneten<br />

Fächer, bspw. im Literatur- und Fremdsprachenunterricht,inGeschichte,Erdkunde,Sozialkun-<br />

227


Europäische Dokumentationszentren<br />

de, Wirtschaftskunde und in den künstlerischen Fächern“;<br />

– die Erstellung entsprechender Lehrmaterialien;<br />

– die Lehreraus- und -fortbildung;<br />

– der Lehrer- und Schüleraustausch, Schulpartnerschaften;<br />

– die Förderung des Informationsaustauschs;<br />

– dieNutzungderEG-Programme(�ARION,�Erasmus)<br />

u. dgl.<br />

Die Umsetzung dieser Vorschläge bleibt den nationalen<br />

Bildungssystemen überlassen (vgl. Deutschland:<br />

KMK-Beschluss). �Europa im Unterricht<br />

W. M.<br />

Literatur:<br />

Europäische Kommission: Grünbuch zur europäischen Dimension<br />

des Bildungswesens (abgedruckt in Zs. für internationale<br />

erziehungs- und sozialwissenschaftliche Forschung 1/1994)<br />

Luchtenberg, S./Nieke, W. (Hg.): Interkulturelle Pädagogik und<br />

Europäische Dimension. Münster 1994<br />

Mickel, W.: Der Begriff der „europäischen Dimension“ im<br />

Unterricht. In: Aus Politik und Zeitgeschichte Bd. 41/84,<br />

S. 25 – 37<br />

Mickel, W.: Europa in Unterricht und Bildung. Ausgewählte<br />

Schriften zur europäischen Erziehungs-, Bildungs- und<br />

Kulturpolitik. Grevenbroich/Stuttgart 2002<br />

Europäische Dokumentationszentren (EDZ)<br />

sindein1963errichtetesNetzwerkderEUzurFörderung<br />

des Studiums, der Lehre und der Forschung auf<br />

Hochschulebene. Die Einrichtungen (Spezialbibliotheken)<br />

erhalten sämtliche Dokumente, periodische<br />

und nichtperiodische Veröffentlichungen der<br />

EG/EU und fungieren ebenso als Depositarbibliotheken<br />

und/oder Referenzzentren der EU (ca. 500<br />

weltweit). Die deutschen EDZ befinden sich in der<br />

Regel an Universitäten mit Fachbereichen, die europäische<br />

Studien anbieten, oder an Universitätsbibliotheken,<br />

darüber hinaus u. a. an der Europäischen<br />

AkademieBerlin,beiderDeutschenGesellschaftfür<br />

Auswärtige Politik Berlin, beim Deutschen Institut<br />

für Internationale Politik und Sicherheit, Berlin, bei<br />

der Bibliothek des Deutschen Bundestages Berlin,<br />

bei der Deutschen Bibliothek in Frankfurt/M., am<br />

Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches<br />

Recht und Völkerrecht in Heidelberg, am Institut für<br />

Weltwirtschaft Kiel, an der Bayerischen Staatsbibliothek<br />

München, an der Württembergischen LandesbibliothekStuttgart.<br />

W. M.<br />

Europäische Eisenbahnagentur, gegründet<br />

durch Verordnung 881/2004 des Europäischen Par-<br />

228<br />

lamentes und des Rats vom 29. 4. 2004 (ABl. L<br />

164/2004, berichtigt ABl. L 220/2004). Technische<br />

und betriebliche Unterschiede zwischen den EisenbahnsystemenderMitgliedstaaten(u.a.unterschiedliche<br />

Spurweiten, nicht untereinander kompatible<br />

nationale Vorschriften) haben bisher die Verwirklichung<br />

eines europäischen Eisenbahnraums ohne<br />

Grenzen behindert, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen<br />

dafür schon weitgehend geschaffen sind,<br />

insbes. durch die Richtlinien 91/440 (Öffnung des<br />

Güterschienenverkehrsmarktes), 95/18 (EU-weite<br />

GenehmigungfürEisenbahnunternehmen),2001/14<br />

(Nutzung der Eisenbahninfrastruktur gegen Entgelt).<br />

Um auch die technische Nutzung der unterschiedlichen<br />

Eisenbahnsysteme (ihre Interoperabilität) zu<br />

verbessern, wurden die Richtlinien 96/48 (Transeuropäisches<br />

Hochgeschwindigkeitsbahnsystem) und<br />

2001/16 (Interoperabilität des konventionellen<br />

transeuropäischen Eisenbahnsystems) erlassen. Zusätzlich<br />

sieht die Richtlinie 2004/49 (Eisenbahnsicherheit)dieEntwicklunggemeinsamerSicherheitsstandards<br />

vor.<br />

Die Koordinierung, Überwachung und Verbesserung<br />

einer sicheren transeuropäischen Nutzung des<br />

Schienennetzes ist Aufgabe der unabhängigen Europäischen<br />

Eisenbahnagentur, die ihren Sitz in Valenciennes<br />

(Frankreich) hat. Die Agentur kann Empfehlungen<br />

und Stellungnahmen an die Kommission<br />

richten. Sie greift auf Vorarbeiten und Erfahrungen<br />

derEuropäischenVereinigungfürdieInteroperabilität<br />

im Bereich der Bahn (AEIF) zurück, der Fahrzeughersteller,<br />

Fahrwegbetreiber und Eisenbahnunternehmen<br />

angehören.<br />

Internet:<br />

http://europa.eu.int/comm/transport/rail/era/index_de.htm<br />

Europäische Elternorganisation �EPA (European<br />

Parents Association)<br />

Europäische Frauenlobby (EFL)<br />

1. Wer ist die EFL: Die Europäische Frauenlobby<br />

(EFL) ist die größte Frauenorganisation in der EU.<br />

Sie wurde 1990 von Frauenorganisationen aus allen<br />

Ländern der EU gegründet und ist seitdem ständig<br />

gewachsen. Derzeit vertritt sie über 4000 Mitgliedsorganisationen<br />

aus den 25 EU-Ländern. Dabei berücksichtigt<br />

sie die gesamte Bandbreite von Lebenssituationen<br />

und Erfahrungen von Frauen. Die EFL


vertritt u. a. Gewerkschafterinnen, Bäuerinnen, Migrantinnen,<br />

konfessionell und berufsständig organisierte<br />

Frauen, Frauenrechtsorganisationen, Frauen<br />

mit Behinderungen etc., die sich auf europäischer<br />

odernationalerEbenezusammengeschlossenhaben.<br />

Die EFL ist eine demokratische Organisation mit<br />

transparenten Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen.<br />

Höchstes Organ ist die Mitgliederversammlung.SietritteinmalimJahrzusammenund<br />

wählt alle zwei Jahre einen Vorstand. Dieser wiederum<br />

wählt einen fünfköpfigen geschäftsführenden<br />

Vorstand. Das Sekretariat mit Sitz in Brüssel koordiniert<br />

und unterstützt die Lobbyarbeit der Mitgliedsverbände<br />

auf europäischer Ebene.<br />

Die EFL erhält 80 Prozent ihres Budgets von der Europäischen<br />

Kommission, 20 Prozent setzen sich aus<br />

Mitgliedsbeiträgen und anderen, unabhängigen Finanzquellen<br />

zusammen. Die EFL hat Beobachterstatus<br />

im Wirtschafts- und Sozialrat (�ECOSOC) der<br />

Vereinten Nationen.<br />

2. Ziele und Aufgaben der EFL: Oberstes Ziel der<br />

EFL ist es, darauf hinzuwirken, dass Gleichberechtigung<br />

und Menschenrechte von Frauen in allen Politikbereichen<br />

der EU berücksichtig werden und alle<br />

Formen der Diskriminierung von Frauen verschwinden.<br />

Großen Wert legt die EFL dabei auch auf die<br />

Rechte und den Schutz von Migrantinnen, ethnischen<br />

Minderheiten und anderen besonders gefährdeten<br />

Randgruppen in der EU. Die EFL macht sich<br />

stark für eine europäische Sozialpolitik und dafür,<br />

dass Frauen einbezogen werden in die Kooperationen,<br />

die die EU mit anderen, vor allem mit osteuropäischen<br />

Ländern unterhält.<br />

Aufgabe der EFL ist es, die Interessen ihrer Mitgliedsorganisationen<br />

gegenüber den europäischen<br />

Institutionen zu vertreten. Sie beobachtet EU-Gesetzesvorhaben<br />

und arbeitet auf die umfassende BerücksichtigungundUmsetzungvonGeschlechtergerechtigkeithin.Darüberhinausplantundführtsiezusammen<br />

mit ihren Mitgliedern Kampagnen durch.<br />

Dabei steht es jeder Mitgliedsorganisation frei, sich<br />

einer solchen Kampagne anzuschließen oder nicht.<br />

3. Wichtige Themen: Folgende Themen haben die<br />

EFL in den vergangenen Jahren besonders beschäftigt:<br />

der Europäische Verfassungsvertrag, die ErweiterungderEuropäischenUnion,dieneueEU-Gleichstellungsrichtlinie,<br />

10 Jahre Pekinger Aktionsplattform,<br />

der Kampf gegen Gewalt an Frauen.<br />

3.1.DerEuropäischeVerfassungsvertrag2004:Seit<br />

Europäische Frauenlobby<br />

2002 hat die EFL die Arbeit des Konvents zur Zukunft<br />

Europas aus nächster Nähe beobachtet, kommentiert<br />

und kritisiert. Die EFL stellte allen Konventsmitgliedern<br />

regelmäßig Positionspapiere und<br />

Änderungsvorschläge zur Verfügung und blieb in<br />

engem Kontakt mit den weiblichen Konventsmitgliedern.<br />

Sie informierte ihre Mitgliedsorganisationen,<br />

beriet sich mit ihnen und unterstützte Aktionen<br />

auf nationaler Ebene. Als Reaktion auf zahlreiche<br />

Proteste gegen die eklatante Unterrepräsentanz von<br />

Frauen im Konvent wurde zumindest der Jugendkonvent<br />

geschlechterparitätisch besetzt. Der erste<br />

Verfassungsentwurf enthielt nicht einen einzigen<br />

Hinweis auf die Gleichberechtigung von Frauen und<br />

Männern. Darauf haben seit Ende 2002 alle Mitglieder<br />

der EFL in einer konzertierten Aktion reagiert.<br />

Im Vergleich zur Ausgangssituation ist der vom<br />

Konvent verabschiedete Entwurf ein guter frauenpolitischer<br />

Erfolg. Die Gleichberechtigung von Frauen<br />

und Männern ist im Kapitel „Ziele der EU“ verankert<br />

und das �Gender Mainstreaming auf alle Bereiche<br />

der EU-Politik, einschl. der Außen-, Sicherheits-,<br />

Justiz- und Innenpolitik ausgedehnt worden.<br />

3.2. Die Erweiterung der Europäischen Union: Dem<br />

Beitritt von 10 Ländern am 1. 5. 2004 war ein langwieriger<br />

Erweiterungsprozess vorausgegangen. In<br />

dieser Zeit haben sich Frauenorganisationen auf europäischer<br />

und nationaler Ebene dafür eingesetzt,<br />

dass der für den EU-Beitritt erforderliche Gesetzesrahmen<br />

zur Gleichberechtigung zwischen Frauen<br />

und Männern vollständig umgesetzt wird. Parallel<br />

dazu baute die EFL ihre Kontakte zu und ihre Zusammenarbeit<br />

mit Frauenorganisationen in den neuen<br />

EU-Staaten und zukünftigen Beitrittsländern weiter<br />

aus und nahm neue Mitgliedsorganisationen aus diesen<br />

Ländern in ihren Reihen auf.<br />

3.3. Die neue EU-Gleichstellungsrichtlinie: Seit<br />

2002 hat sich die EFL intensiv für eine umfassende<br />

Antidiskriminierungsrichtlinie außerhalb des Bereiches<br />

„Arbeitsmarkt und Beschäftigung“ eingesetzt<br />

und erstmalig im Vorfeld eines EU-Kommissionsentwurfes<br />

eine eigene umfangreiche „Schattenrichtlinie“<br />

ausgearbeitet. Ihr zentrales Anliegen war, weg<br />

von einer bloßen Vermeidung von Diskriminierung<br />

hin zu einer Förderung der Gleichberechtigung zu<br />

kommen.<br />

Noch bevor ein Richtlinienvorschlag der Kommission<br />

auf dem Tisch lag, begann im Sommer 2003 eine<br />

Pressekampagne dagegen. Triebkräfte waren vor al-<br />

229


Europäische Frauen-Union<br />

lem die Versicherungslobby, die sich keine Unisex-<br />

Tarife für ihre Leistungen verordnen lassen wollte,<br />

und die (Boulevard-)Medien, die sich vor Klagen gegen<br />

Sexismus in redaktionellen Beiträgen und Anzeigen<br />

fürchteten.<br />

Bei einer öffentlichen Anhörung im September<br />

2003, die vom Frauenrechtsausschuss des Europäischen<br />

Parlaments organisiert wurde, mobilisierte die<br />

EFL ihre Mitglieder und machte die breite Unterstützung<br />

für das neue Gesetz deutlich. Der Richtlinienvorschlag,<br />

der schließlich im November 2003 von<br />

der Europäischen Kommission angenommen wurde,<br />

schließt lediglich „die gleiche Behandlung von Frauen<br />

und Männern im Zugang und Angebot von Gütern<br />

und Dienstleistungen“ ein. Bereiche wie „Bildung“<br />

und „Medien und Werbung“ fielen weg. Die Richtlinie<br />

wurde so vom EU-Ministerrat am 4. 10. 2004 bei<br />

einer Enthaltung durch Deutschland angenommen<br />

(RL 2004/113, Abl. L 373/2004).<br />

Diese Richtlinie bleibt deutlich hinter der europäischen<br />

Antidiskriminierungs-Richtlinie zurück, die<br />

im Jahr 2000 angenommen wurde und auch die Bereiche<br />

Sozialschutz, Gesundheitsschutz und Ausbildung<br />

umfasst. Daher kann die neue Richtlinie „zur<br />

Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung<br />

von Frauen und Männern beim Zugang und bei<br />

der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“<br />

nur ein erster Schritt sein, um nach und nach die Diskriminierung<br />

von Frauen in allen Bereichen gesetzlich<br />

zu unterbinden.<br />

3.4. Zehn Jahre Pekinger Aktionsplattform: Auf der<br />

UN-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking wurde<br />

eine Aktionsplattform verabschiedet, die Maßnahmen<br />

benennt zur Beseitigung von Benachteiligungen,<br />

Diskriminierung und Gewalt, denen Frauen<br />

weltweit ausgesetzt sind. Im Jahr 2005 soll auf internationaler<br />

und nationaler Ebene Rechenschaft abgelegt<br />

werden über den Stand der Implementierung.<br />

Die EFL hat einen alternativen Bericht erstellt, der<br />

die gesamten EU-Politiken (Aktionen, Programme,<br />

Gesetzgebung) darauf hin untersucht, inwieweit sie<br />

in den vergangenen zehn Jahren der Pekinger Aktionsplattform<br />

gerecht geworden sind. In Kurzform<br />

lautet das Resümee: Auf Gesetzesebene hat es hinsichtlich<br />

Gleichberechtigung in der EU einen echten<br />

Fortschritt gegeben, auch hat der Anteil von Frauen<br />

in Führungspositionen zugenommen, außerdem ist<br />

das Bewusstsein bzw. die Sensibilität gestiegen gegenüber<br />

Fragen, die mit Gewalt gegen Frauen ver-<br />

230<br />

bunden sind. Gleichzeitig hat eine Wirtschaftspolitik,<br />

die die Marktfreiheit, die Privatisierung und den<br />

Wettbewerb forciert und einer sozialen Agenda<br />

kaum Beachtung schenkt, den Gleichberechtigungsprozess<br />

verlangsamt. Die Kürzungen im öffentlichen<br />

Sektor haben Frauen unverhältnismäßig getroffen,<br />

haben die Frauenarmut erhöht und die Sozialstaatsmodelle<br />

in Europa geschwächt. Sorge bereitet<br />

auchdasErstarkenextremkonservativerundreligiös<br />

fundamentalistischer Kräfte, die besonders das<br />

Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung<br />

von Frauen bedrohen.<br />

3.5. Der Kampf gegen Gewalt an Frauen: Die EFL<br />

hat ein Aktionszentrum gegen Gewalt an Frauen ins<br />

Leben gerufen und einen „Think Tank“ gegründet, in<br />

dem Vertreterinnen von Frauenorganisationen, europäischen<br />

Institutionen und Wissenschaftlerinnen<br />

europäische Politik im Bereich Gewalt gegen Frauen<br />

diskutieren. Die EFL verfolgt die Entwicklung der<br />

europäischen Gesetzgebung in Sachen Frauenhandel<br />

und strebt eine gesetzliche Grundlage gegen Gewalt<br />

an Frauen auf europäischer Ebene an.<br />

4. Ausgewählte Projekte der EFL: Verstärkte Einmischung<br />

in die EU-Beschäftigungspolitik, um Geschlechtergerechtigkeit<br />

auf dem Arbeitsmarkt einzufordern;<br />

Mobilisierung der MitgliedsorganisationenfürdieEU-StrategiengegensozialenAusschluss<br />

und Armut; Aufmerksamkeit und Engagement von<br />

Frauenorganisationen wecken im Zusammenhang<br />

mit der Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrags<br />

und der geplanten Referenden; Verstärkung der Zusammenarbeit<br />

mit Frauenorganisationen in den neuen<br />

EU-Mitglieds- und weiteren Beitrittsinteressenten<br />

wie Bulgarien, Rumänien, Kroatien und der Türkei;<br />

Intensivierung des Kampfes gegen jegliche GewaltanFrauen,VerbesserungdesKontakteszuFrauenorganisationen<br />

in Ost- und Mitteleuropa, die auf<br />

diesem Gebiet arbeiten, verstärkte Lobbyarbeit für<br />

eine europäische Antigewalt-Gesetzgebung, Kampagne<br />

für ein „Europäisches Jahr gegen Gewalt an<br />

Frauen“.<br />

5. Deutsche Mitglieder der EFL: Der Deutsche Frauenrat<br />

(www.frauenrat.de) ist Gründungsmitglied der<br />

EFL und hat als nationale Mitgliedsorganisation einen<br />

Sitz im Vorstand. Darüber hinaus gibt es eine<br />

Reihe von Frauenverbänden in Deutschland, die der<br />

EFLassoziiertsind. U. H.<br />

Anschrift: 18 Rue Hydralique, B–1210 Bruxelles<br />

Internet: www.womenlobby.org


Europäische Frauen-Union (EFU). European<br />

Union of Women/Union Européenne Féminine),<br />

gegr. 1953 in Salzburg. Überparteilicher Zusammenschluss<br />

von weiblichen Abgeordneten des Europaparlaments,<br />

der Bundes-, Landes- und Kommunalparlamente<br />

und von Frauen des öffentlichen Lebens.<br />

Sie gehören christlich-demokratischen, konservativen<br />

u. ä. Parteien oder ihnen verwandten Organisationen<br />

aus 15 Ländern (Belgien, Dänemark,<br />

Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland,<br />

Großbritannien, Italien, Luxemburg, Malta, Norwegen,<br />

Portugal, Österreich, Schweden und der<br />

Schweiz) an (Kontakte mit Island und Spanien).<br />

Ziele:„DieEFUkämpftinZusammenarbeitmitpolitischen<br />

Parteien und Verbänden des freien Europas,<br />

die die geistigen und moralischen Werte christlicher<br />

Grundprinzipien vertreten, für die Verteidigung der<br />

menschlichenWürde,fürdieFreiheitunddenSchutz<br />

des kulturellen Erbes von Europa sowie für den ökonomischen,<br />

liberalen und sozialen Fortschritt unter<br />

Wahrung der Rechte des Individuums.<br />

Die EFU setzt sich für den Frieden ein und gründet<br />

ihre Handlungsprinzipien auf Gerechtigkeit und der<br />

freien Zusammenarbeit der Völker Europas und der<br />

Welt.“ (Statuten, Art. II)<br />

„Diese Grundprinzipien müssen durch eine VerstärkungdesEinflussesderFrauenaufdaspolitischeund<br />

öffentliche Leben in den europäischen Nationen und<br />

in den europäischen Organisationen verwirklicht<br />

werden. Die Schaffung von Kontakten zwischen<br />

Frauen der freien europäischen Nationen ist eine besondere<br />

Aufgabe der EFU.“ (Statuten, Art. III)<br />

Struktur: Die Generalversammlung und der Rat bestimmen<br />

die Grundlinien der Verbandsarbeit, der<br />

Vorstand führt sie aus. Er steht in ständiger Verbindung<br />

mit den internationalen Organisationen und Institutionen.<br />

Dabei unterstützen ihn Fachkommissionen.<br />

W. M.<br />

Internet: www.frauen-union.de<br />

Europäische Freihandelsassoziation(European<br />

Free Trade Association, EFTA)<br />

1. Gründung, Vertragsgrundlage: Die Europäische<br />

Freihandelsassoziation, zumeist „Europäische Freihandelszone“<br />

genannt, wurde nach dem Scheitern<br />

der Pläne für eine gesamt-(west-)europäische Freihandelszone<br />

am 4. 1. 1960 von Dänemark, Großbritannien,<br />

Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden<br />

und der Schweiz in Stockholm gegründet. Das Ab-<br />

Europäische Freihandelsassziation<br />

kommen über die Errichtung der EFTA (EFTA-<br />

Konvention oder „Konvention von Stockholm“) trat<br />

am 3. 5. 1960 in Kraft. Island wurde 1970 Mitglied;<br />

Finnland, seit 1961 assoziiert, wurde 1986 Vollmitglied.<br />

Liechtenstein, zunächst von der Schweiz vertreten,<br />

ist seit 1991 Mitglied.<br />

SechsderEFTA-MitgliedersindmittlerweilezurEU<br />

übergewechselt (vgl. Ziff. 4). Seit 1995 besteht die<br />

EFTA nur mehr aus den vier Staaten Island (0,29<br />

Mio. Einw.), Liechtenstein (0,03 Mio.), Norwegen<br />

(4,6 Mio.) und der Schweiz (7,3 Mio.). Für Island,<br />

Liechtenstein und Norwegen bildet die EFTA zugleich<br />

die Grundlage für die Teilnahme am �Europäischen<br />

Wirtschaftsraum (EWR) zwischen EFTA<br />

und EU. Die Schweiz gehört nicht zu den sog. „EF-<br />

TA-EWR-Staaten“, hat allerdings mittlerweile verschiedene<br />

bilaterale sektorielle Abkommen mit der<br />

EU abgeschlossen, um eine mögliche Isolation zu<br />

verhindern (�Schweiz – EU).<br />

Am 21. 6. 2001 unterzeichneten die EFTA-Mitgliedstaaten<br />

in Vaduz ein Abkommen, mit dem die EFTA-<br />

Konvention aus dem Jahre 1960 vollständig überarbeitet<br />

wurde. Mit dem Abkommen von Vaduz wurden<br />

u. a. Regelungen zur Personenfreizügigkeit, für<br />

den Handel mit Dienstleistungen, den Kapitalverkehr<br />

und den Schutz des geistigen Eigentums in die<br />

EFTA-Konvention aufgenommen. Hintergrund dafür<br />

war die Anpassung der Konvention an die<br />

EWR-Vereinbarungen und die 1995 etablierte Welthandelsorganisation<br />

�WTO.<br />

Das Abkommen zur Änderung der EFTA-Konvention<br />

ist am 1. 6. 2002 in Kraft getreten, zeitgleich mit<br />

den sieben sektoriellen Abkommen zwischen der<br />

Schweiz und der EU aus dem Jahre 1999. Die EF-<br />

TA-Konvention wird seither regelmäßig angepasst,<br />

vor allem um den Entwicklungen bei den bilateralen<br />

Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU<br />

Rechnung zu tragen. Ziel ist eine möglichst parallele<br />

Weiterentwicklung der Vertragsbeziehungen zwischen<br />

den EFTA-Staaten untereinander und zwischen<br />

den EFTA-Staaten und der EU.<br />

2. Ziele, Arbeitsweise: Nachdem es Ende der 1950er<br />

Jahrenichtmöglichwar,imRahmender�OEECeine<br />

gesamt-(west-)europäische Freihandelszone zu errichten<br />

(Maudling-Verhandlungen), und die an<br />

Wirtschaftsintegration interessierten Staaten die<br />

�Römischen Verträge unterzeichnet hatten, entschieden<br />

sich die verbleibenden, lediglich an Freihandel<br />

interessierten Staaten, mit der EFTA ein Ge-<br />

231


Europäische Freihandelsassoziation<br />

gengewicht zur 1957 gegründeten EWG zu schaffen.<br />

Großbritannien wollte damals aus Rücksicht auf seine<br />

engen Bindungen mit den Commonwealth-Partnern<br />

nicht Mitglied der EWG werden; Österreich<br />

durftewegenderimStaatsvertrag(1955)mitdenvier<br />

Siegermächten des Zweiten Weltkriegs enthaltenen<br />

NeutralitätsklauselnichtderEWGbeitreten;Schweden<br />

und die Schweiz fürchteten, durch einen EWG-<br />

Beitritt ihr traditionelles Neutralitätsprinzip zu verletzen;<br />

andere Gründungsmitglieder der EFTA waren<br />

wegen ihrer engen wirtschaftlichen Bindungen an<br />

Großbritannien von dessen Verhalten abhängig.<br />

Ziel der EFTA war es u. a., durch den Abbau der Binnenzölle<br />

und anderer Handelshemmnisse zwischen<br />

den Mitgliedstaaten (�Außenhandelspolitik, �Binnenmarkt)<br />

den grenzüberschreitenden Warenverkehr<br />

mit gewerblichen Erzeugnissen zu erweitern,<br />

die Wirtschaftstätigkeit auszuweiten, Vollbeschäftigung<br />

zu sichern, die Produktivität zu steigern, faire<br />

Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und zur harmonischen<br />

Entwicklung und Erweiterung des Welthandels<br />

beizutragen. Dahinter stand nicht zuletzt das<br />

Bestreben, den als Folge der EWG-Gründung befürchteten<br />

relativen Rückgang des Handels mit den<br />

EWG-Staaten auszugleichen.<br />

Im Gegensatz zu einer �Zollunion, wie sie das Kernstück<br />

der EWG/EG/EU bildet, kennt eine �FreihandelszonewiedieEFTAkeinengemeinsamenAußenzolltarif,<br />

vielmehr liegt die Handelspolitik gegenüber<br />

Drittstaaten in der Hand der einzelnen Mitglieder.<br />

Jedes EFTA-Mitglied kann im Warenverkehr<br />

mit Drittstaaten Zölle und Mengenbeschränkungen<br />

individuell festlegen. Die EFTA-interne Liberalisierung<br />

erstreckt sich aber nur auf den grenzüberschreitenden<br />

Handel mit Industrie- und gewerblichen Produkten;<br />

wegen der großen Unterschiede in der Landwirtschaft<br />

zwischen den Mitgliedstaaten gilt sie mit<br />

Ausnahme einiger industriell verarbeiteter landwirtschaftlicher<br />

Erzeugnisse nicht für Agrarprodukte.<br />

Um zu verhindern, dass aus EFTA-Staaten mit niedrigen<br />

Außenzolltarifen Importgüter in andere EFTA-<br />

Staaten mit hohen Außenzöllen reexportiert werden,<br />

legt die EFTA-Konvention fest, dass für Waren, für<br />

welche die Zollfreiheit der EFTA in Anspruch genommen<br />

wird, ein mindestens 50-prozentiger Wertzuwachs<br />

in der Freihandelszone nachgewiesen werden<br />

muss. Folglich sind für den grenzüberschreitenden<br />

Warenverkehr innerhalb der EFTA �Ursprungszeugnisse<br />

erforderlich.<br />

232<br />

3. Organe und Institutionen. Der EFTA-Rat ist das<br />

zentraleEntscheidungsorganderFreihandelsorganisation.<br />

Der Vorsitz rotiert halbjährlich zwischen den<br />

Mitgliedstaaten. Der EFTA-Rat setzt sich aus je einem<br />

Vertreter pro Mitgliedstaat zusammen (je 1<br />

Stimme). Er tagt in der Regel monatlich auf der EbeneständigerDelegierter;zweimaljährlichfindenTagungen<br />

auf Ministerebene im Land des jeweiligen<br />

EFTA-Vorsitzes statt. Als oberstes Organ besitzt der<br />

EFTA-Rat uneingeschränkte politische Entscheidungsbefugnisse,<br />

jedoch müssen Beschlüsse in der<br />

Regel einstimmig erfolgen. Der Rat ist auch für die<br />

Beilegung von Streitfragen zwischen den Mitgliedstaaten<br />

zuständig.<br />

Zur Umsetzung der EWR-Verpflichtungen haben<br />

die EFTA-EWR-Staaten 1992 eine EFTA-Aufsichtsbehörde<br />

(EFTA Surveillance Authority, ESA,<br />

Sitz: Brüssel) und einen EFTA-Gerichtshof (Sitz:<br />

Luxemburg) eingerichtet. Jeder der daran teilnehmenden<br />

EFTA-Mitgliedstaaten entsendet einen<br />

Richter.<br />

Zur Durchführung der EFTA-Konvention und für<br />

Verwaltungsaufgaben wurden vom Rat verschiedene<br />

Ständige Komitees und Expertengruppen aus Beamten<br />

eingesetzt, die aber keine rechtlich bindenden<br />

Entscheidungentreffenkönnen.Danebenbestehtein<br />

Konsultativ-Komitee,dassichausVertreternderSozialpartner<br />

(Wirtschaft, Gewerkschaften und anderen<br />

gesellschaftlichen Gruppierungen) zusammensetzt,<br />

sowie ein Parlamentarier-Komitee, das viermal<br />

jährlich tagt.<br />

Das EFTA-Sekretariat ist auf vier Orte verteilt: Am<br />

EFTA-Hauptsitz in Genf werden unter Leitung des<br />

Generalsekretärs vor allem institutionelle Fragen<br />

und Drittlandbeziehungen behandelt; das Brüsseler<br />

EFTA-Büro, in dem mittlerweile zwei Drittel der<br />

rund 60 Mitarbeiter beschäftigt sind (Stand 2004),<br />

bearbeitet die EWR-relevanten Arbeiten; zudem unterhält<br />

die EFTA in Luxemburg seit 1991 ein Büro<br />

zur statistischen Zusammenarbeit (SAO) mit �Eurostat<br />

auf der Basis des �EWR-Abkommens und in<br />

Paris eine Verbindungsstelle zu �Eurocustoms.<br />

4. Erste Erfolge: Das Kernziel der EFTA-Konvention,<br />

der vollständige Abbau der Handelszölle zwischen<br />

den Mitgliedstaaten, wurde schrittweise bereitsam31.12.1966,dreiJahrefrüheralsgeplant,erreicht.<br />

In Anlehnung an die EWG nahm auch die<br />

EFTA eine Fristverkürzung vor. Mit dem Beitritt Islands<br />

1970 als 8. Vollmitglied erreichte die EFTA


ihre größte Ausdehnung. Ende 1972 schieden Großbritannien<br />

und Dänemark aus der EFTA aus und traten<br />

– zusammen mit Irland – der EG bei.<br />

Nach einer Phase der relativen Distanz in den 1960er<br />

Jahren (vergeblicher Versuch eines „Brückenschlags“<br />

der EFTA zur EG) entwickelte sich seit Beginn<br />

der 1970er Jahre eine immer stärkere Annäherung<br />

an die EG, wodurch die verbliebenen EFTA-<br />

Staaten zunehmend wirtschaftliche Wachstumsimpulse<br />

erhielten. Seit 1970 wurde auch der Abbau<br />

technischer Handelshemmnisse betrieben. Er führte<br />

in vielen Bereichen zur Anerkennung von �Normen<br />

und zur Vereinfachung von Prüfungen und Inspektionen.<br />

Die Verstärkung des Freihandels innerhalb der<br />

EFTA blieb trotz leichter Verbesserungen schon wegen<br />

deren geographischer Zersplitterung begrenzt.<br />

Dagegen nahm der Verflechtungsgrad zwischen<br />

EFTA und EG im Lauf der Jahrzehnte deutlich zu.<br />

Der Austritt Großbritanniens und Dänemarks (1972)<br />

aus der EFTA war ebenso wie der Wechsel von Portugal(1985)undSchweden,FinnlandundÖsterreich<br />

(1994) zur EG bzw. EU von der Erwartung getragen,<br />

an deren Wachstumsdynamik teilhaben zu können.<br />

Dass aber auch die Staaten der Rest-EFTA, die<br />

durchweg zu den wohlhabendsten Staaten Europas<br />

zählen, aus den mittlerweile intensivierten Verflechtungen<br />

mit der EU profitieren, zeigt deren hoher Lebensstandard<br />

(vgl. �Europäischer Wirtschaftsraum,<br />

EWR).<br />

5. Beziehungen EFTA–EU: Aus den ursprünglich<br />

distanzierten Beziehungen zwischen EFTA und EU<br />

hatsichseitAnfangder1970erJahreeinimmerenger<br />

werdendes Verflechtungsverhältnis entwickelt:<br />

5.1. Freihandelsabkommen: Um keine neuen Handelsschranken<br />

in Europa zu errichten, schloss die EG<br />

nach dem Wechsel Großbritanniens und Dänemarks<br />

mit den verbleibenden EFTA-Staaten 1972 bzw.<br />

1973 (bilaterale) Freihandelsabkommen ab, die für<br />

alle EFTA-Mitglieder die gleichen Grundelemente<br />

aufweisen. Sie erstrecken sich auf alle industriellen<br />

und gewerblichen Erzeugnisse, die im Bereich von<br />

EFTA bzw. EG ihren Ursprung haben. Agrarprodukte<br />

sind, ähnlich wie innerhalb der EFTA, prinzipiell<br />

vom Freihandel ausgenommen.<br />

Über diese sektoriellen und bilateralen Vereinbarungen<br />

hinausgehend gelang den EFTA-Staaten zunächstkeineweitereAnnäherungandieEuropäische<br />

Gemeinschaft. Größere Vereinbarungen, wie ein er-<br />

Europäische Freihandelsassoziation<br />

hofftes Rahmenabkommen im Forschungsbereich,<br />

stießen damals bei der EG auf kein entsprechendes<br />

Interesse.<br />

5.2. Zusatzvereinbarungen: Erst in der Folge einer<br />

EG-EFTA-Ministerkonferenz im April 1984 in Luxemburg<br />

anlässlich des Abbaus letzter Zollschranken,<br />

bei der erstmals vom Ziel eines „Europäischen<br />

Wirtschaftsraums“ zwischen EG und EFTA gesprochen<br />

wurde, intensivierten beide Staatengruppen<br />

ihre Zusammenarbeit. Es begann eine intensive,<br />

„pragmatische“ Zusammenarbeit mit über zwanzig<br />

Expertengruppen. Durch das Binnenmarktprojekt<br />

der EG, gegenüber dem die EFTA nicht zurückfallen<br />

wollte, erhielt der �„Luxemburger (Folge-)Prozess“<br />

zusätzliche Impulse. In den 1980er Jahren wurden<br />

mehr als 280 bilaterale und multilaterale Vereinbarungen<br />

zwischen der EG und den EFTA-Staaten getroffen.<br />

Über den Bereich des Abbaus der Zölle und der mengenmäßigen<br />

Beschränkungen hinaus erstrecken sich<br />

dieBeziehungenzwischenEFTAundEGsoauchauf<br />

die Abschaffung �nichttarifärer Handelshemmnisse,<br />

auf die Vereinheitlichung technischer Normen<br />

und die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit.<br />

5.3. EWR-Abkommen: Die konsequente Weiterentwicklung<br />

der engen handels-, wissenschafts- und<br />

technologiepolitischen Zusammenarbeit zwischen<br />

EFTA und EG/EU ist schließlich in die Schaffung<br />

des einheitlichen �Europäischen Wirtschaftsraumes<br />

(1994) eingemündet.<br />

6. Veränderte Rolle der EFTA: Durch den Wegfall<br />

des Ost-West-Konflikts und die Beitrittswünsche<br />

der mittel- und osteuropäischen Staaten zur EG/EU<br />

zeichnete sich spätestens zu Beginn der 1990er Jahre<br />

eine deutliche Relativierung der bisher herausgehobenen<br />

Stellung der EFTA-Staaten zur EG ab. Sie galt<br />

in der Folge allenfalls noch als „EU-Wartezimmer“<br />

für die verbleibenden Staaten, für Drittstaaten mit<br />

EU-Beitrittsperspektive hat sie keine erkennbare Attraktivität<br />

entfalten können: Eine allfällige EFTA-<br />

Mitgliedschaft oder eine EWR-Beteiligung bietet<br />

diesennurgeringePerspektivenundistdaherkeinerstrebenswertes<br />

Modell für eine Integration in europäische<br />

Strukturen. Die EU ist das Kraftzentrum der<br />

europäischen Integration.<br />

7. Drittstaatsbeziehungen: Nach 1990 schlossen die<br />

EFTA-Staaten mit den meisten mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten �Kooperationsabkommen (Zu-<br />

233


Europäische Fusionskontrolle<br />

sammenarbeitserklärungen) und Freihandelsabkommen,<br />

allerdings konnten durch die Erweiterung<br />

der EU im Jahr 2004 auf 25 Staaten acht dieser Freihandelsabkommen<br />

wieder aufgehoben werden. Die<br />

Freihandelsabkommen mit Rumänien, Bulgarien,<br />

Mazedonien und Kroatien bestehen bis auf weiteres<br />

fort.<br />

Im Kontext des �Barcelona-Prozesses hat die EFTA<br />

zur Förderung der �euro-mediterranen Wirtschaftszusammenarbeit<br />

mit inzwischen sieben Staaten des<br />

Mittelmeerraums Freihandelsabkommen abgeschlossen;<br />

mit weiteren Staaten wie Ägypten wird<br />

darüber verhandelt bzw. es bestehen Zusammenarbeitserklärungen.<br />

Vor dem Hintergrund der weltweit zunehmenden<br />

Tendenz zum Abschluss von regionalen bzw. regionenübergreifenden<br />

Freihandelsabkommen haben<br />

die EFTA-Staaten in den letzten Jahren begonnen,<br />

ihre Freihandelspolitik auch auf andere Partner auszudehnen.<br />

So bestehen Abkommen mit Mexiko, Singapur<br />

und Chile; mit Kanada, Südkorea und den<br />

SACU-Staaten (Southern African Customs Union:<br />

Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika und Swaziland)<br />

wird verhandelt, mit Thailand, Südkorea, den<br />

USA und dem Golf-Kooperationsrat (GCC) wurden<br />

exploratorische Gespräche aufgenommen.<br />

Die EFTA-Abkommen mit Mexiko, Singapur und<br />

Chile sind umfassende Freihandelsabkommen (sog.<br />

„Freihandelsabkommender2.Generation“).SieenthaltenüberdieBereicheWarenverkehrundgeistiges<br />

Eigentum hinaus zusätzlich substantielle Verpflichtungen<br />

für den Handel mit Dienstleistungen, für Investitionen<br />

und für das öffentliche Beschaffungswesen.<br />

Wegen der unklaren Erfolgsaussichten der laufenden<br />

�WTO-Verhandlungen sind für die EFTA-<br />

Staaten Freihandelsabkommen mit ausgewählten<br />

Handelspartnern auch weiterhin ein unverzichtbares<br />

InstrumentzurErhaltungundStärkungihrerWettbewerbsfähigkeitundStandortattraktivität.<br />

B. K. S.<br />

Dokumente:<br />

44 th Annual Report of the European Free Trade Association<br />

2004. Genf/Brüssel 2005<br />

Internet: www.efta.int<br />

Literatur:<br />

Senti, R.: EG, EFTA, Binnenmarkt. Organisation, Funktionsweise,<br />

Perspektiven. Zürich 2000<br />

Steppacher, B.: Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) – ein<br />

Modell für Mittel- und Osteuropa? Sankt Augustin 1994<br />

Tschäni, H./Tuusvuori, O. (Hrsg.): Principles and Elements of<br />

Free Trade Relations. 40 Years of EFTA Experience.<br />

Genf 2000<br />

234<br />

EuropäischeFusionskontrolle�Fusionskontrolle<br />

Europäische Gegenseitigkeitsgesellschaft<br />

(Mutualité Européenne, ME). Nach einem (noch<br />

nicht verabschiedeten) Verordnungs-Vorschlag der<br />

Kommission vom 18. 12. 1991 (ABl. C 99/1992) entspricht<br />

die ME einer Versicherung auf Gegenseitigkeit,<br />

die ihre Tätigkeit in mehreren EU-Staaten ausübt.<br />

Sie ist definiert als Personenvereinigung, die ihren<br />

Mitgliedern gegen Beitragszahlung die vollständige<br />

Begleichung der eingegangenen vertraglichen<br />

Verbindlichkeiten garantiert. Zu ihren Tätigkeiten<br />

zählen insbes. soziale Fürsorge, Versicherung, Hilfe<br />

im Gesundheitsbereich und Kredit.<br />

Die Gründung einer ME soll nicht die in einigen Mitgliedstaaten<br />

von Fürsorgeeinrichtungen auf Gegenseitigkeit<br />

verwalteten Basis-Pflichtsysteme der sozialen<br />

Sicherheit berühren. Außerdem sollen die<br />

Mitgliedstaaten frei darüber entscheiden können, ob<br />

und unter welchen Bedingungen sie die Verwaltung<br />

dieser Systeme an ME übertragen.<br />

Die Gegenseitigkeitsgesellschaften sollen nach dem<br />

Recht eines Mitgliedstaats gegründet werden und ihren<br />

satzungsmäßigen Sitz und ihre Hauptverwaltung<br />

in verschiedenen Mitgliedstaaten haben.<br />

Europäische Gemeindepartnerschaften �Gemeindepartnerschaften<br />

Europäische Gemeinschaft(en)<br />

1. Begrifflichkeit. „Europäische Gemeinschaften“<br />

ist die amtliche Sammelbezeichnung für die Europäische<br />

Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die �Europäische<br />

Atomgemeinschaft (EAG) und die Europäische<br />

Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS);<br />

der EGKS-Vertrag ist am 23. 7. 2002 ausgelaufen.<br />

Mit dem Inkrafttreten des �Maastrichter Vertrages<br />

über die Europäische Union wurde die EWG in „Europäische<br />

Gemeinschaft“ umbenannt. Sie besitzt<br />

eine eigene Rechtspersönlichkeit. Die drei bzw. ab<br />

Juli 2002 zwei Gemeinschaften beruhen auf getrennten<br />

Gründungsverträgen, haben seit 1967 gemeinsame<br />

Organe und wirtschaften nach einem gemeinsamen<br />

Haushalt.<br />

Auf der politischen Ebene, auch gegenüber Drittländern<br />

und in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit,<br />

treten die Gemeinschaften zumeist als eine Europäische<br />

Gemeinschaft in Erscheinung. Im Sprachgebrauch<br />

hatte es sich schon seit langem eingebürgert,


dass man mit Europäischer Gemeinschaft im allgemeinem<br />

die EWG bezeichnete, die im Mittelpunkt<br />

aller Integrationsentwicklungen steht. Seit dem InkrafttretenderMaastrichterVerträge(1.11.1993)ist<br />

die einheitliche Bezeichnung „Europäische Union“<br />

(EU).<br />

2.Vertragsgrundlagen.DierechtlicheGrundlagefür<br />

die Europäischen Gemeinschaften bilden die drei<br />

Gründungsverträge, deren Änderung durch die<br />

�Einheitliche Europäische Akte und die Verträge<br />

von Maastricht, Amsterdam und Nizza. Der Vertrag<br />

zur Gründung der EWG wurde durch Artikel G EUV<br />

(in der Maastricht-Fassung vom 7. 2. 1992) in „Vertrag<br />

zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“<br />

(EG) geändert. Die Verträge zur Gründung von<br />

EGKS und EURATOM beinhalten im Unterschied<br />

zur EWG/EG eine partielle wirtschaftliche Integration.<br />

Alle Gründungsverträge wurden von den sechs<br />

ursprünglichen Mitgliedstaaten geschlossen. Diese<br />

Rechtsgrundlagen wurden durch den �Beitritt neuer<br />

Mitgliedstaaten erweitert, jedoch nicht in ihrer Substanz<br />

verändert (�Gemeinschaftsrecht).<br />

Gemäß Art. 1 Abs. 3 EUV bilden die zwei Europäischen<br />

Gemeinschaften eine der Grundlagen der Europäischen<br />

Union, die bislang keine eigene Rechtsfähigkeit<br />

besitzt. Diese wird im Europäischen Verfassungsvertrag<br />

2004 vorgeschlagen (Artikel I-7).<br />

Die durch den Vertrag von Maastricht gegründete<br />

und durch die Verträge von Amsterdam und Nizza<br />

reformierte Europäische Union bildet die rechtliche<br />

und politische Klammer für drei verschiedene PolitikbereicheaufeuropäischerEbene,dabeisindinden<br />

beiden Europäischen Gemeinschaften die Politikbereiche<br />

der sog. ersten Unionssäule gebündelt. Daneben<br />

bestehen die Handlungsfelder �Gemeinsame<br />

Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und intergouvernementale<br />

�polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit<br />

in Strafsachen (PJZS). Alle drei<br />

Handlungsfelder sind durch den EUV miteinander<br />

verknüpft (Art. 47 EUV), ohne jedoch eine übergreifende<br />

Rechtspersönlichkeit zu schaffen; d. h. die Europäische<br />

Union ersetzt nicht die beiden Europäischen<br />

Gemeinschaften.<br />

DurchdenVerfassungsvertrag2004sollendiebisherigen<br />

Verträge (EU-Vertrag, EG-Vertrag, Beitrittsverträge,<br />

Änderungsverträge) ersetzt werden (Art.<br />

IV-437VVE).AusgenommenistdavondieEAG,die<br />

zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise modernisiert<br />

wird.<br />

Europäische Gemeinschaften<br />

3. Phasen der Integration. Die Gründung der EGKS<br />

1952 bildete die erste Stufe auf dem Weg zu einer<br />

(Teil-)Integration in Europa mit dem Ziel, einen<br />

�Gemeinsamen Markt zu schaffen. Sie war die erste<br />

supranationale europäische Organisation mit legislativen,<br />

administrativen und judikativen Befugnissen.<br />

Der nächste Schritt erfolgte 1958 mit der EWG<br />

und der EAG, die mit gleichen Befugnissen wie die<br />

EGKS ausgestattet sind. Gründungsmitglieder waren<br />

jeweils Belgien, die Bundesrepublik Deutschland,<br />

Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande.<br />

Der Vertrag zur Gründung der EWG wurde zusammen<br />

mit dem EURATOM-Vertrag (�Römische Verträge)<br />

am 25. 3. 1957 abgeschlossen; beide traten am<br />

1. 1. 1958 in Kraft. Der EWG-Vertrag beinhaltete die<br />

Schaffung einer �Zollunion durch Beseitigung der<br />

Zölle, eine gemeinsame �Außenhandelspolitik gegenüber<br />

�Drittländern, die Beseitigung der Hemmnisse<br />

für den freien Personen-, Dienstleistungs- und<br />

Kapitalverkehr, �Gemeinsame Agrarpolitik und<br />

�Verkehrspolitik, gemeinsame Wettbewerbsregeln,<br />

eine Koordinierung der �Wirtschaftspolitik, die Angleichung<br />

der Rechtsvorschriften, die Gründung einer<br />

�Europäischen Investitionsbank und eines Europäischen<br />

Sozialfonds (�Fonds der EU). Mit der<br />

Gründung von EWG und EURATOM wurden das<br />

�Europäische Parlament (ursprünglich „Versammlung“,Art.137ff.EWGV)undder�EuropäischeGerichtshofalsgemeinschaftlicheOrganeeingerichtet.<br />

Am 1. 7. 1967 trat der �Fusionsvertrag in Kraft. Ein<br />

gemeinsamer Rat und eine gemeinsame Kommission<br />

aller drei Gemeinschaften wurden eingerichtet.<br />

Die Hohe Behörde der EGKS ging in die Kommission<br />

ein. Die Fusion sollte zur Rationalisierung und<br />

Koordinierung der Verwaltung führen, um das politische<br />

Gewicht der Gemeinschaftseinrichtungen zu<br />

stärken.JedochwurdendurchdiesenSchrittnichtdie<br />

drei Gründungsverträge verschmolzen. Unberührt<br />

blieb auch die Aufteilung der Institutionen auf die<br />

Städte Brüssel, Luxemburg und Straßburg.<br />

Die Europäischen Gemeinschaften wurden seit 1973<br />

in fünf Etappen von sechs auf 25 Mitglieder erweitert<br />

(�Beitritt, �Erweiterung). Mit der Vereinigung<br />

Deutschlands am 3. 10. 1990 wurde die ehemalige<br />

DDR in die EG eingegliedert. Den Gründungsverträgen<br />

der drei Gemeinschaften wurde 1986 die �Einheitliche<br />

Europäische Akte (am 1. 7. 1987 in Kraft<br />

getreten)hinzugefügt,inderdieKompetenzendurch<br />

235


Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />

neue Tätigkeitsbereiche in Ausrichtung des Integrationsprozesses<br />

auf eine Europäische Union erweitert<br />

wurden.<br />

Der Vertrag zur Gründung der EU (nach der förmlichen<br />

Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten seit<br />

1.11.1993inKraft)schufdierechtlichenundinstitutionellen<br />

Grundlagen für die Verwirklichung einer<br />

�Wirtschafts- und Währungsunion. Er ergänzt die<br />

bestehendenVerträge,vertieftdiepolitischeIntegration<br />

durch den Einstieg in eine �Gemeinsame Außen-<br />

und Sicherheitspolitik und führt neue Formen<br />

der Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik<br />

ein (�Tempelstruktur). Nach Art. 3 EUV verfügt die<br />

EU über einen �einheitlichen institutionellen Rahmen,<br />

der die Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen<br />

zur Erreichung und Ziele sicherstellt.<br />

Auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in<br />

Amsterdam am 16. 6. 1997 wurden die bestehenden<br />

Verträge ergänzt. Der �Amsterdamer Vertrag hat die<br />

gemeinschaftlichen Elemente der EU weiter gestärkt,<br />

insbes. in der Innen- und Rechtspolitik. Auch<br />

nach den Vertragsrevisionen von Amsterdam und<br />

Nizza legitimieren nach wie vor – bis zur Ratifizierung<br />

des Verfassungsvertrages – die Gründungsverträge<br />

der beiden Europäischen Gemeinschaften alle<br />

innerhalbderUnionangesiedeltenKompetenzen.<br />

U. M.<br />

Literatur:<br />

Beutler, B. u. a.: Die Europäische Gemeinschaft.<br />

Rechtsordnung und Politik. Baden-Baden 1987 3<br />

Fischer, Th./Schley, N.: Europa föderal organisieren – Ein<br />

neues Kompetenz- und Vertragsgefüge für die Europäische<br />

Union. Gütersloh 1999<br />

Hrbek, R. (Hg.): Die Reform der Europäischen Union. Positionen<br />

und Perspektiven anlässlich der Regierungskonferenz.<br />

Baden-Baden 1997<br />

Müller-Graff, P.-Chr.: Die Kompetenzen in der Europäischen<br />

Union. In: W. Weidenfeld (Hg.), Europahandbuch, Bd. 1,<br />

S. 141 – 165, Gütersloh 2004 3<br />

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />

(EGKS)<br />

1. Begriff. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle<br />

und Stahl war eine supranationale Organisation<br />

(�Supranationalität), die – im Unterschied zur EWG<br />

– eine partielle wirtschaftliche Integration der Partnerländer<br />

beinhaltete. Die Gemeinschaft wurde auch<br />

Montanunion genannt. Der Vertrag zur Gründung<br />

der EGKS – nach seinem Schöpfer auch als Schuman-Plan<br />

bezeichnet – ist am 23. 7. 2002 ausgelaufen.<br />

236<br />

2.Vorgeschichte.DerdamaligefranzösischeAußenministerRobert�Schumanlegteam9.5.1950aufder<br />

Außenministerkonferenz in Paris einen Plan vor,<br />

dessen geistiger Vater sein Mitarbeiter Jean �Monnet<br />

war:<br />

„Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen<br />

und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung:<br />

Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen,<br />

die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. Die<br />

Vereinigung der europäischen Nationen erfordert,<br />

dass der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen<br />

FrankreichundDeutschlandausgelöschtwird....Die<br />

französische Regierung schlägt vor, die Gesamtheit<br />

der französisch-deutschen Kohle- und StahlproduktionuntereinegemeinsameHoheBehördezustellen,<br />

in einer Organisation, die den anderen europäischen<br />

Ländern zum Beitritt offen steht. Die Zusammenlegung<br />

der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die<br />

Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche<br />

Entwicklung sichern – die erste Etappe<br />

der europäischen Föderation – und die Bestimmung<br />

jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung<br />

von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer<br />

sie gewesen sind.“<br />

Mit dem Schuman-Plan wurde der Bundesrepublik<br />

Deutschland die Möglichkeit eingeräumt, gleichberechtigt<br />

an einem künftigen europäischen Einigungsprozess<br />

mitzuwirken. Aus französischer Sicht<br />

sollte das wirtschaftlich aufstrebende Westdeutschland<br />

an Frankreich und damit an den Westen gebunden<br />

werden. Diese Intentionen deckten sich weitgehend<br />

mit der Politik �Adenauers (Westintegration).<br />

Dieser Plan markiert zugleich den Anfang der Europäischen<br />

Gemeinschaft. Im Unterschied zum Europarat,<br />

der nur Absprachen zwischen weiterhin uneingeschränkt<br />

souveränen Staaten beinhaltet, sollten<br />

nunmehr nationale Befugnisse an eine supranationale<br />

Organisation übertragen werden, deren Entscheidungen<br />

für die Mitgliedstaaten bindende Wirkung<br />

haben. Im Konzept der Montanunion wurden föderalistische<br />

Ideen der Europabewegung aufgegriffen<br />

und mit der funktionalistischen Theorie der Politik<br />

der kleinen Schritte in einem Teilsektor verbunden.<br />

Am 18. 4. 1951 unterzeichneten die Gründerstaaten<br />

Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich,<br />

Italien, Luxemburg und die Niederlande in Paris den<br />

EGKS-Vertrag (Pariser Vertrag), der am 23. 7. 1952<br />

in Kraft trat.<br />

3. Entwicklung. In der Präambel des Vertrags wurde


ausdrücklich festgehalten, dass die Montanunion ein<br />

erster Schritt sei auf dem Weg zur Errichtung einer<br />

wirtschaftlichen Gemeinschaft, „für eine weitere<br />

und vertiefte Gemeinschaft“.<br />

Auf mehreren Konferenzen der Länder der Montanunion<br />

wurden auf Initiative des belgischen Außenministers<br />

Paul Henri �Spaak die Grundlagen zur<br />

Schaffung von EURATOM und EWG gelegt. Die<br />

EGKS blieb neben diesen beiden Europäischen Gemeinschaften<br />

als selbständige Organisation bestehen.<br />

Die Gemeinsame Versammlung und der Gerichtshof<br />

der EGKS gingen in den entsprechenden<br />

gemeinsamen Gremien der drei europäischen Organisationen<br />

auf. 1967 wurden auch die Exekutivorgane<br />

zusammengelegt (�Europäische Gemeinschaften,<br />

�Fusionsvertrag). Jedoch fällten die beiden neuen<br />

Gremien, Kommission und Rat, ihre Entschlüsse<br />

und Entscheidungen weiterhin nach den ursprünglichen<br />

Abkommen; d. h. der EGKS-Vertrag bestand<br />

weiterbiszumvereinbartenAblaufnachfünfzigJahren<br />

am 23. 7. 2002.<br />

4. Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft für<br />

Kohle und Stahl<br />

4.1OrganisatorischeStruktur.MitgliederderEGKS<br />

sind alle Mitgliedstaaten der EG. Vertragsgrundlage<br />

sind der EGKS-Vertrag vom 18. 4. 1951 und die<br />

nachfolgenden Ergänzungen sowie Änderungen infolge<br />

der �Einheitlichen Europäischen Akte und des<br />

�Vertrages über die Europäische Union.<br />

Organe sind die Hohe Behörde (seit 1967 Kommission<br />

der EG), der Besondere Ministerrat (seit 1967 Rat<br />

der EG), die Gemeinsame Versammlung (seit 1958<br />

Versammlung, später Europäisches Parlament), der<br />

Gerichtshof und der Beratende Ausschuss. Der institutionelle<br />

Aufbau der Montanunion war Vorbild für<br />

die später gegründeten Europäischen Gemeinschaften.<br />

Die Hohe Behörde (erster Präsident: Jean Monnet)<br />

ist das eigentliche Exekutivorgan der EGKS. Sie hat<br />

die Aufgabe, „für die Erreichung der in diesem Vertrag<br />

festgelegten Zwecke zu sorgen“.<br />

Die Hohe Behörde ist ein supranationales Organ,<br />

dessen Mitglieder im Einvernehmen der Mitgliedsländer<br />

bzw. durch Hinzuwahl bestimmt werden. Die<br />

Mitglieder der Hohen Behörde üben ihre Tätigkeit<br />

unabhängig im „allgemeinen Interesse der Gemeinschaft“<br />

aus. Die Behörde kann Rechtsakte (Entscheidungen<br />

und Empfehlungen) mit bindender Wirkung<br />

erlassen, und sie kann Stellungnahmen abgeben.<br />

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />

Der Ministerrat vertritt die Mitgliedstaaten und hat<br />

die Aufgabe, die Tätigkeit der Hohen Behörde und<br />

derRegierungenderMitgliedstaatenaufeinanderabzustimmen.<br />

Er kann die Hohe Behörde auffordern,<br />

Vorschläge und Maßnahmen zu prüfen, und er kann<br />

Stellungnahmen für die Hohe Behörde abgeben.<br />

Die Gemeinsame Versammlung (nach Inkrafttreten<br />

der �Römischen Verträge die Versammlung der Europäischen<br />

Gemeinschaften bzw. das Europäische<br />

Parlament) erörtert den Jahresbericht der Hohen<br />

KommissionundkannbeidieserGelegenheitdieBehörde<br />

zur Verantwortung ziehen. Sie richtet Fragen<br />

an die Hohe Behörde und gibt Stellungnahmen für<br />

den Rat ab.<br />

DerGerichtshof–seit1958einegemeinsameInstitution<br />

der Europäischen Gemeinschaften – „sichert die<br />

Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung<br />

dieses Vertrags und der Durchführungsvorschriften“.<br />

Für die Befugnisse, die er auf dem Gebiet<br />

der EGKS ausübt, gelten besondere Vorschriften. So<br />

besitzt er die generelle Zuständigkeit für die Auslegung<br />

des Montanvertrags und hat bei Vertragsrevision<br />

beratende Funktion.<br />

4.2 Inhalte und Ziele des EGKS-Abkommens. Mit der<br />

Montanunion verzichten die Mitgliedsländer im Bereich<br />

von Kohle und Stahl auf Souveränitätsrechte.<br />

Die Kohle- und Stahlproduktion wurde der staatlichen<br />

Kontrolle entzogen und in einen �Gemeinsamen<br />

Markt übergeführt mit dem Ziel, zur Ausweitung<br />

der Wirtschaft, Steigerung der Beschäftigung<br />

und Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten<br />

beizutragen.<br />

Zu diesem Zwecke sollen die Erzeugung auf höchstem<br />

Leistungsstand rationell verteilt und Störungen<br />

im Wirtschaftsleben vermieden werden. Zu den Aufgaben<br />

der EGKS zählen neben der Sicherstellung der<br />

Versorgung auch die Kontrolle der Preisgestaltung<br />

(Festsetzung von Höchst- und Minderpreisen innerhalb<br />

des Gemeinsamen Marktes) und die Förderung<br />

des zwischenstaatlichen Austauschs. Bei einem<br />

Rückgang der Nachfrage kann die Hohe Behörde unter<br />

bestimmten Bedingungen ein System der Erzeugungsquoteneinführenbzw.beiNachfrageüberhang<br />

über Verwendungsprioritäten entscheiden und Produktionsprogramme<br />

aufstellen.<br />

Das �Diskriminierungsverbot untersagt strikt Zölle<br />

und mengenmäßige Beschränkungen, benachteiligende<br />

Preis- und Lieferbedingungen, �Subventionen<br />

der Mitgliedstaaten und andere wettbewerbsver-<br />

237


Europäische Genossenschaft<br />

zerrende Praktiken, um den Wettbewerb im �Gemeinsamen<br />

Markt zu gewährleisten. Die Gemeinschaft<br />

kann ihrerseits Umlagen auf die Erzeugung<br />

von Kohle und Stahl erheben, Anleihen aufnehmen<br />

und Kredite für Investitionen bereitstellen. Die Montanunion<br />

versteht sich als eine partielle Zollunion.<br />

Ein wichtiges sozialpolitisches Ziel ist die Verbesserung<br />

der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten<br />

und die Einführung der Mitbestimmung<br />

der Arbeitnehmer im Montanbereich. Der Vertrag<br />

berührt nicht die Festsetzung von Löhnen und Sozialleistungen.<br />

Beschäftigungsbeschränkungen aufgrund<br />

der Staatsangehörigkeit sind aufgehoben.<br />

Zwischen 1976 und 1989 wurden nicht rückzahlungspflichtige<br />

Anpassungsbeihilfen für 660 000<br />

Arbeiter im Kohle- und Stahlsektor gewährt (Umschulungen,<br />

Vorruhestands- und Überbrückungsgelder,<br />

Förderung der Mobilität, Bau von 200 000<br />

Sozialwohnungen usw.). Die Finanzierung erfolgte<br />

durch Umlagen der Unternehmen.<br />

4.3RollederMontanunion.BeiGründungderEGKS<br />

bestanden Mängel in der Kohleversorgung. Die Diskriminierungsverbote<br />

und die HöchstpreisvorschriftentrugenmaßgeblichzurgleichmäßigenVerteilungindenMitgliedstaatenbei.MitdemAnstiegderKohleförderung,<br />

dem Import von Kohle und dem EinströmenvonHeizölindenEnergiemarktüberstiegab<br />

1958 die Kohleproduktion die Nachfrage, und es<br />

kam zu Absatzschwierigkeiten. Die auf den Kohlesektor<br />

beschränkte Montanunion konnte die selbst<br />

gestellten Ziele nicht mehr verwirklichen.<br />

Der Strukturwandel auf dem Energiesektor (neue<br />

Energieträger) und die Stahlkrisen haben seit den<br />

1970er Jahren dazu geführt, dass die Montanindustrie<br />

an gesamtwirtschaftlicher Bedeutung verloren<br />

hat. Sie hat in den 1970er und 1980er Jahren durch<br />

die rigide Begrenzung der Erzeugerquoten, durch<br />

Beihilfen und Überwachung des Außenhandels vorübergehend<br />

wesentlich zur Eindämmung der Stahlkrise<br />

in der Gemeinschaft beigetragen.<br />

Der Europäische Rat hat am 16. 6. 1997 in seiner<br />

„Entschließung über Wachstum und Beschäftigung“<br />

erklärt, dass nach dem Auslaufen des EGKS-Vertrages<br />

dessen Finanzmittel in einen Forschungsfonds<br />

zugunstendesMontansektorsfließen. U. M.<br />

Literatur:<br />

Fontaine, P.: Eine neue Ordnung für Europa – Vierzig Jahre<br />

Schuman-Plan. Luxemburg 1990<br />

Kasten, H.: Die europäische Wirtschaftsunion. München 1978<br />

238<br />

Schwabe, K. (Hg.): Die Anfänge des Schuman-Plans.<br />

Baden-Baden 1988<br />

Europäische Genossenschaft – Societas Cooperativa<br />

Europaea (SCE)<br />

Entwicklung und Zweck: Neben den rein wirtschaftlichen<br />

Gesellschaftsformen erkannte man auch im<br />

gemeinwirtschaftlichen Bereich einen Bedarf,<br />

grenzüberschreitend tätig zu sein, was durch rein nationale<br />

Gesellschaftsformen erschwert wird, so dass<br />

eine grenzüberschreitend tätige Gesellschaft in anderen<br />

Ländern Muttergesellschaften nach deren<br />

Rechtsordnung gründen musste.<br />

Für die Genossenschaft, die als eigenständige und<br />

freiwillige Vereinigungen von Personen der Wahrnehmung<br />

gemeinsamer wirtschaftlicher, gesellschaftlicher<br />

und kultureller Interessen und Bedürfnisse<br />

mittels eines in Gemeineigentum befindlichen<br />

unddemokratischgelenktenUnternehmensdefiniert<br />

wird, ist der Rechtsrahmen für die Gründung einer<br />

europaweiteinheitlichenGenossenschaftdurchVerordnung<br />

1435/2003 vom 22. 3. 2003 und durch die<br />

Richtlinie 2003/72 des Rates vom selben Tage erlassen,<br />

die bis Juli 2006 umgesetzt sein soll, so dass ab<br />

dann diese Gesellschaftsform zur Verfügung stehen<br />

wird.<br />

Eine unabdingbare Voraussetzung für die Gründung<br />

einer Europäischen Genossenschaft ist eine grenzüberschreitende<br />

Zusammenarbeit im Gegensatz zu<br />

bloßgrenzüberschreitenderTätigkeitwiez.B.Lieferung<br />

in ein anderes Land. Erst wenn die Genossenschaft<br />

bspw. zusammen mit Landwirten oder Genossenschaften<br />

anderer EU-Staaten eine neue Genossenschaft<br />

gründen will, kann sie auf das Statut zurückgreifen<br />

und eine SCE gründen.<br />

DabeiistHauptzweckderSCE,denBedarfihrerMitglieder<br />

zu decken und/oder deren wirtschaftliche<br />

und/oder soziale Tätigkeiten zu fördern; sie tut dies<br />

insbes. durch den Abschluss von Vereinbarungen<br />

mit ihren Mitgliedern über die Lieferung von Waren<br />

oder die Erbringung von Dienstleistungen oder die<br />

Durchführung von Arbeiten im Rahmen der Tätigkeiten,<br />

die die SCE ausübt oder ausüben lässt.<br />

Die SCE kann auf fünf Arten gegründet werden:<br />

durchmindestensfünfnatürlichePersonenodermindesten<br />

fünf Personen und Gesellschaften, oder lediglich<br />

von mehreren Gesellschaften, die ihren WohnsitzoderSitzinmindestenszweiEU-Mitgliedstaaten<br />

haben. Daneben ist eine Gründung der SCE durch


Verschmelzung bestehender Genossenschaften oder<br />

durch Umwandlung einer Genossenschaft möglich,<br />

die seit mindestens zwei Jahren eine Niederlassung<br />

in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat.<br />

Der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Ausgestaltung<br />

des Genossenschaftswesens in den einzelnen<br />

Mitgliedstaaten wurde dadurch Rechnung getragen,<br />

dass das Statut als Rahmengesetz geschaffen wurde,<br />

das im Zweifel auf das nationale Recht verweist.<br />

SomussdasMindestkapitalderSCE 30000Eurobetragen,<br />

wobei nationale Vorschriften, die für Genossenschaften<br />

in bestimmten Geschäftsfeldern (z. B.<br />

Banken) ein höheres Mindestkapital vorschreiben,<br />

auch auf die nach diesem Recht gegründete SCE<br />

übertragen werden kann.<br />

Die SCE muss eine Satzung haben, die die Firmenbezeichnung<br />

mit dem Zusatz „SCE“, Zweck, Sitz, Regeln<br />

über Aufnahme, Ausschluss und Kündigung<br />

von Mitgliedern, deren Rechte und Pflichten sowie<br />

die Organe die SCE enthalten muss.<br />

DerSitzderSCEkannineinenanderenMitgliedstaat<br />

verlegt werden, ohne dass dies zur Auflösung der<br />

SCEoderzurGründungeinerneuenjuristischenPerson<br />

führt. Im Staat, wo sie ihren Sitz hat, ist sie mit<br />

den dortigen Genossenschaften rechtlich gleich zu<br />

behandeln.<br />

Was die Organstruktur der SCE angeht, so kann sie<br />

wählen zwischen Generalversammlung und einem<br />

Leitungs- und einem Aufsichtsorgan (dualistisches<br />

System) oder einem Verwaltungsorgan (monistisches<br />

System). Im dualistischen System führt das<br />

Leitungsorgan die Geschäfte der SCE. Das Mitglied<br />

oder die Mitglieder des Leitungsorgans vertreten die<br />

SCE rechtsverbindlich gegenüber Dritten und vor<br />

Gericht; sie werden vom Aufsichtsorgan bestellt und<br />

abberufen. In einer SCE dürfen die Funktionen eines<br />

Mitglieds des Leitungsorgans und eines Mitglieds<br />

desAufsichtsorgansnichtgleichzeitigausgeübtwerden.ImmonistischenSystemführtdasVerwaltungsorgan<br />

die Geschäfte der SCE. Das oder die Mitglieder<br />

des Verwaltungsorgans sind befugt, die SCE<br />

rechtsverbindlich gegenüber Dritten und vor Gericht<br />

zu vertreten. Das Verwaltungsorgan kann einem<br />

oder mehreren seiner Mitglieder nur die Geschäftsführung<br />

der SCE übertragen.<br />

Wie auch bei der Europäischen �Aktiengesellschaft<br />

(SE)wirddieVerordnungüberdasStatutderSCEergänzt<br />

durch eine Richtlinie über die Beteiligung der<br />

Arbeitnehmer. Vor Gründung der SCE mit minde-<br />

Europäische Idee<br />

stens 50 Arbeitnehmern führen die Unternehmungsleitung(en)<br />

mit einem zu diesem Zweck gegründeten<br />

„besonderen Verhandlungsgremium“ der Arbeitnehmer<br />

Verhandlungen mit dem Ziel, Regeln über<br />

die Beteiligung der Arbeitnehmer, und zwar einerseits<br />

auf Betriebsebene (insbes. über den SCE-<br />

Betriebsrat) und andererseits im Rahmen der Unternehmensmitbestimmung<br />

zu vereinbaren. Dies soll<br />

innerhalb von sechs bzw (falls einvernehmlich verlängert)<br />

zwölf Monaten geschehen sein. Erst wenn<br />

eine Einigung nicht zustande kommt, treten Auffangregelungen<br />

entsprechend der Richtlinie in Kraft<br />

(�Europäischer Betriebsrat). Bei einer SCE mit wenigeralsfünfzigArbeitnehmernverweistdieRichtlinie<br />

auf die nationalen Mitbestimmungs- und Betriebsverfassungsregelungen<br />

der beteiligten Mitgliedstaaten.<br />

Bewertung: Die vorliegenden Vorschläge versuchen,<br />

den Besonderheiten der nationalen Genossenschaftsrechte<br />

Rechnung zu tragen. Doch ist zu befürchten,<br />

dass durch die verschiedenen Wahlmöglichkeiten<br />

in Bezug auf Führung und Mitbestimmung<br />

der Gesellschaft, die von den Mitgliedstaaten<br />

vorgeschrieben werden können, der Wert der einheitlichen<br />

Gesellschaftsform aufgehoben wird. Es<br />

werden mindestens so viele nationale Besonderheiten<br />

der SCE entstehen, wie es Mitgliedstaaten gibt.<br />

Doch liegen die wirtschaftlichen Vorteile für eine<br />

Gesellschaft klar auf der Hand, die nicht gezwungen<br />

ist, Tochtergesellschaften nach nationalem Recht<br />

anderer Staaten zu gründen und ihren Sitz frei verlegenzukönnen,ohnesichzuvorauflösenzumüssen.<br />

M. K.<br />

Literatur:<br />

Schulze, R. (Hg.): Handbuch der Europäischen Genossenschaft.<br />

Baden-Baden 2004<br />

Europäische GNSS-Aufsichtsbehörde (GNSS =<br />

Globales Satellitennavigationssystem), errichtet<br />

durch Verordnung 1321/2004 (ABl. L 246/2004).<br />

Die Behörde überwacht die Errichtungs- und Betriebsphase<br />

der europäischen Satellitennavigationsprogramme<br />

(�GALILEO), sie verwaltet und kontrolliert<br />

den Einsatz der Gemeinschaftsmittel. Ihr<br />

vorläufiger Sitz ist Brüssel.<br />

Europäische Idee. Die Europäische Idee basiert im<br />

Wesentlichen auf fünf Hauptgedanken, die sich<br />

durch die Geschichte der europäischen Einigung wie<br />

rote Fäden ziehen und sowohl das europäische �Be-<br />

239


Europäische Informationsstellen<br />

wusstsein als auch die �europäische Identität mitbestimmen.<br />

Wichtigster Hauptgedanke ist der Gedanke<br />

der<br />

– Friedenssicherung. Die europäische Einigung soll<br />

zu stabilem Frieden unter den Mitgliedstaaten und<br />

zur gemeinsamen Abwehr nach außen führen. Nach<br />

der 1954 gescheiterten �EVG wird nunmehr seit einigen<br />

Jahren mit der �GASP bzw. der �ESVP insoweit<br />

ein neuer Anlauf unternommen. Eng verbunden<br />

mit dem Gedanken der Friedenssicherung steht die<br />

Überwindung der Nationalstaaterei, der Gedanke<br />

der<br />

– Supranationalität. Ein europäischer Integrationsverbund<br />

mit eigenen Organen und eigener Rechtsetzungskompetenz<br />

soll der uneingeschränkten Souveränität<br />

der Mitgliedstaaten ein Ende bereiten und den<br />

Bürger mit neuen Rechten und Freiheiten ausstatten.<br />

Hieraus folgt der Gedanke der<br />

– Handels- und Verkehrsfreiheit, der zur Steigerung<br />

und Sicherung des allgemeinen Wohlstands beitragensoll.Durchdiehierdurchentstehendewirtschaftliche<br />

und soziale Verflechtung der Mitgliedstaaten<br />

soll die europäische Integration erreicht werden,<br />

aber auch die<br />

– Machterhaltung Europas. Dieser Gedanke der Erhaltung<br />

der geschichtlichen Sonderstellung spielt<br />

eine oft unausgesprochene, aber doch nicht unwesentliche<br />

Rolle beim Ausbau der Europäischen<br />

Union. Er zeigt sich heute bspw. bei der Wirtschaftsund<br />

Währungsunion mit dem Euro, die auch zur<br />

Schaffung einer – gegenüber Dollar und Yen –<br />

schlagkräftigen Währung gegründet wurde. Die geschichtliche<br />

Sonderstellung spielt schließlich eine<br />

Rolle beim Gedanken des Europas als<br />

– Wertegemeinschaft. Die Mitgliedstaaten eint derzeit<br />

die gemeinsame christlich-abendländische Kultur,<br />

die als „Einheit in der Vielfalt“ bezeichnet werdenkann.<br />

J. M. B.<br />

Europäische Informationsstellen �Info-Points<br />

Europäische Investitionsbank (EIB)<br />

1. Aufgaben und Aufbau: Die EIB ist eine Finanzierungsinstitution<br />

der EU. Sie wurde nach Art. 129<br />

EWGV gegründet, nahm 1958 in Brüssel ihre TätigkeitaufundhatihrenSitzseit1968inLuxemburg.<br />

Die EIB besitzt Rechtspersönlichkeit. Sie ist eine<br />

nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete öffentlich-rechtliche<br />

Institution. Die EIB ist finanziell au-<br />

240<br />

tonom und verfügt innerhalb der Gemeinschaften<br />

übereinegetrennteVerwaltungundeigeneEntscheidungsorgane.<br />

Ihre Mitglieder sind die Mitgliedstaaten<br />

der EU. Sie stellen das Eigenkapital der Bank und<br />

beschicken ihre leitenden Organe. Hierzu gehören<br />

insbes. der Rat der Gouverneure, der Verwaltungsrat<br />

und das Direktorium. Rechte und Pflichten der Organe<br />

sowie andere grundlegende Vorschriften über Organisation<br />

und Tätigkeit der EIB (Kapitalausstattung,<br />

Stimmrechte, Zusammenarbeit mit anderen Finanz-<br />

und Bankinstituten) sind in einem Satzungsprotokoll<br />

festgelegt, das den Römischen Verträgen<br />

als Anhang beigegeben ist.<br />

Der Rat der Gouverneure besteht aus den von den<br />

Mitgliedstaaten ernannten Ministern. Er erlässt die<br />

allgemeinen Richtlinien für die Kreditpolitik der<br />

Bank, insbes. hinsichtlich der Ziele, die bei der<br />

schrittweisen Verwirklichung des Gemeinsamen<br />

Marktes jeweils anzustreben sind. Darüber hinaus<br />

entscheidet er über die Erhöhung des gezeichneten<br />

Kapitals, genehmigt den vom Verwaltungsrat ausgearbeiteten<br />

Jahresbericht und die Jahresbilanz sowie<br />

die Ertragsrechnung, ernennt die Mitglieder des Verwaltungsrates<br />

(auf Vorschläge der Mitgliedstaaten)<br />

und des Direktoriums (auf Vorschlag des Verwaltungsrats).ZudemisterfürdieGenehmigungderGeschäftsordnung<br />

der Bank zuständig und befugt, im<br />

Rahmen des EGV und der Satzung, einstimmig alle<br />

Entscheidungen über die Einstellung der Tätigkeit<br />

der Bank und ihre etwaige Liquidation zu treffen.<br />

Der Verwaltungsrat setzt sich aus 26 ordentlichen<br />

und16stellvertretendenMitgliedernzusammen.Die<br />

ordentlichen Mitglieder werden für 5 Jahre vom Rat<br />

der Gouverneure bestellt, wobei die einzelnen Mitgliedstaaten<br />

und die Kommission jeweils ein ordentliches<br />

Mitglied benennen. Der Verwaltungsrat sorgt<br />

für die ordnungsgemäße Verwaltung der Bank und<br />

gewährleistet, dass die Führung der Geschäfte der<br />

Bank mit den Bestimmungen des EGV und der Satzung<br />

sowie mit den allgemeinen Richtlinien des Rates<br />

im Einklang stehen. Er hat die ausschließliche<br />

Entscheidungsbefugnis für die Gewährung von Darlehen<br />

und Bürgschaften (einschl. Zinssätze und Provisionen)<br />

sowie die Aufnahme von Anleihen.<br />

Das Direktorium besteht aus einem Präsidenten und<br />

8 Vizepräsidenten, die vom Rat der Gouverneure auf<br />

Vorschlag des Verwaltungsrates für 6 Jahre bestellt<br />

werden, wobei ihre Wiederbestellung zulässig ist.<br />

Der Präsident ist der Vorgesetzte der Bediensteten


der Bank. Das Direktorium nimmt unter Aufsicht des<br />

Präsidenten und der Kontrolle des Verwaltungsrates<br />

dielaufendenGeschäftederEIBwahr.Esbereitetdie<br />

Entscheidungen des Verwaltungsrates vor, insbes.<br />

hinsichtlich der Aufnahme von Anleihen sowie der<br />

Gewährung von Darlehen und Bürgschaften.<br />

Die Aufgaben der EIB bestehen gem. Art. 267 EGV<br />

darin, zu einer „ausgewogenen und reibungslosen<br />

Entwicklung des Gemeinsamen Marktes“ beizutragen.IndiesemZusammenhanggewährtsieDarlehen<br />

und Bürgschaften<br />

a) zur Erschließung weniger entwickelter Gebiete,<br />

b) zur Modernisierung oder Umstellung von Unternehmen<br />

oder zur Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten,<br />

die sich aus der Errichtung des Gemeinsamen<br />

Marktes ergeben,<br />

c) für Projekte, die von gemeinsamem Interesse für<br />

mehrere Mitgliedstaaten sind, wegen ihrer Art oder<br />

ihres Umfangs aber nicht allein von den betreffenden<br />

Mitgliedstaaten finanziert werden können.<br />

Darüber hinaus erleichtert sie die Finanzierung von<br />

Investitionsprogrammen im Rahmen der Strukturfonds<br />

und anderer Finanzierungsprogramme der Gemeinschaft.<br />

Hierzu zählen auch Projekte außerhalb<br />

der EU (Art. 18 (1) EIB-Statut). Die Rechnungseinheit<br />

der Bank ist der Euro. Das gezeichnete Kapital<br />

beträgt 2005 163,7 Mrd. Euro (vor der Erweiterung<br />

150 Mrd.).<br />

Die EIB besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende<br />

Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die juristischen<br />

Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkanntwerden.Siekannbeweglichesundunbewegliches<br />

Vermögen erwerben und veräußern. Auch ist<br />

sie vor Gericht aktiv und passiv legitimiert. Über<br />

Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank einerseits<br />

und ihren Gläubigern, Kreditnehmern und dritten<br />

Personen andererseits entscheiden in der Regel die<br />

zuständigenGerichtedereinzelnenMitgliedstaaten.<br />

2. Tätigkeiten: Im Jahr 2004 vergab die EIB Darlehen<br />

in Höhe von 43,2 Mrd. Euro.<br />

NachRegionengliedertsichderBetragfürdieDarlehensvergabe<br />

wie folgt:<br />

– 35,9 Mrd. Euro in der EU-15<br />

– 3,8 Mrd. Euro in den neuen Mitgliedstaaten<br />

– 119 Mio. Euro in Bulgarien und Rumänien<br />

– 2,2 Mrd. Euro in den Partnerländern des Mittelmeerraums<br />

– 461 Mio. Euro in den westlichen Balkanländern<br />

– 440 Mio. Euro in den Ländern Afrikas, des karibi-<br />

Europäische Investitionsbank<br />

EIB-Darlehen* 2000 – 2004 nach Regionen<br />

Europ. Union 179 039,5<br />

Beitrittsländer** 3 575,7<br />

Mittelmeerländer 8 484,4<br />

AKP-Staaten u.a. 2 132,6<br />

Südafrika 700,0<br />

Balkanländer 1 731,0<br />

Asien / Lateinamerika 1 821,4<br />

GUS 25,0<br />

insgesamt 197 509,6<br />

* in Mio. Euro<br />

** einschl. Vorbeitrittsfazilität nach Art. 18 der<br />

EIB-Satzung<br />

schen Raums und des Pazifischen Ozeans (AKP-<br />

Staaten und ÜLG)<br />

– 100 Mio. Euro in Südafrika<br />

– 233 Mio. Euro in den Ländern Asiens und Lateinamerikas<br />

Die Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts<br />

der EU stand dabei auch 2004 im Mittelpunkt<br />

der Bank. 28,5 Mrd. Euro (rd. 72 % der im<br />

Jahr 2004 in der EU vergebenen Einzeldarlehen) waren<br />

für Projekte bestimmt, die ihren Standort in den<br />

Fördergebieten haben und einen Beitrag zur Regionalentwicklung<br />

leisten; rd. 40 % davon betrafen Investitionen<br />

im Bereich �Transnationale Netze. ZugunstenvonumweltbezogenenProjektenhatdieEIB<br />

10,9 Mrd. Euro an Einzeldarlehen unterzeichnet.<br />

Unter spanischer Präsidentschaft wurde im Oktober<br />

2002 eine Mittelmeerfazilität (FEMIP) als KompromisszudervonSpaniengefordertenMittelmeerbank<br />

eingerichtet (Darlehensvolumen von 2003 – 2010:<br />

17,5 Mrd. Euro). Ziel ist die Förderung der Entwicklung<br />

des Privatsektors in den EU-Partnerländern im<br />

Mittelmeerraum, um ein stärkeres wirtschaftliches<br />

Wachstum zu ermöglichen und Arbeitsplätze für die<br />

wachsendeBevölkerungindenLändernzuschaffen.<br />

Im Rahmen der Politik der Europäischen Union für<br />

„Ein größeres Europa – Neue Nachbarschaft“ (�Europäische<br />

Nachbarschaftspolitik ENP) stellt die EIB<br />

außerdem bis Januar 2007 Darlehen an Russland und<br />

die WNUS (Westliche Neue Unabhängige Staaten)<br />

inHöhevon500Mio.Eurobereit.DieseMittelsollen<br />

vor allem für die Bereiche Umwelt, Verkehr, Telekommunikation,<br />

und Energieinfrastruktur eingesetzt<br />

werden.<br />

241


Europäische Jugendzentren<br />

Künftig wird sich die EIB verstärkt an der im Dezember<br />

2003 vom Europäischen Rat beschlossenen europäischenWachstumsinitiativebeteiligen.ZieldieserInitiativeistes,durchhöhereInvestitionenindenBereichen<br />

Transeuropäische Verkehrs-, Telekommunikations-<br />

und Energienetze (TEN), Innovation sowie<br />

Forschung und Entwicklung (FuE) einschl. Umwelttechnologie<br />

das langfristige Wachstumspotenzial<br />

Europas zu stärken. Allein im Rahmen der<br />

TEN-Investitionsfazilität können bis 2010 Darlehen<br />

im Gesamtumfang von 50 Mrd. Euro vergeben werden.<br />

Zur Unterstützung der Klimaschutzpolitik hat die<br />

Bank 2004 eine mit 500 Mio. Euro ausgestattete Klimaschutz-Finanzierungsfazilität<br />

eingerichtet; unterstützt<br />

werden europäische Unternehmen, die an<br />

dem im Januar 2005 angelaufenen Europäischen<br />

�Emissionshandelssystem teilnehmen.<br />

ImVertragvonMaastrichtwurdendieAufgabenund<br />

Anforderungen an die EIB weiter ausgedehnt. So<br />

kann der Rat nach dem neuen Art. 104 Abs. 11 EGV<br />

die EIB ersuchen, ihre Darlehenspolitik gegenüber<br />

einem Mitgliedstaat zu überprüfen, der Empfehlungen<br />

des Rates zum Abbau eines übermäßigen Budgetdefizits<br />

nicht befolgt. Ebenso wurde die Bank in<br />

die Arbeit des �Kohäsionsfonds eingeschaltet. Daneben<br />

ist die EIB seit 1994 Mitgesellschafter des Europäischen<br />

Investitionsfonds zur Finanzierung von<br />

Infrastrukturprojekten in der EU.<br />

Die EIB arbeitet streng nach bankwirtschaftlichen<br />

Grundsätzen. Zwar handelt sie nicht gewinnorientiert,<br />

hat jedoch „auf die wirtschaftlich zweckmäßigste<br />

Verwendung ihrer Mittel im Interesse der Gemeinschaft“<br />

zu achten (Art. 20 Abs. 1 EIB-Statut).<br />

Ihre Zinssätze und Provisionen sollen „den jeweiligen<br />

Bedingungen des Kapitalmarktes angepasst“<br />

und so bemessen sein, dass die Erträge die Verpflichtungen<br />

und Kosten decken und die Anlage eines Reservefonds<br />

erlauben. Eine sorgfältige Darlehenspolitik<br />

und eine sachgerechte, verantwortungsbewusste<br />

Führung aller Tätigkeitsbereiche der Bank ist<br />

wichtig für ihr internationales Kreditstanding, das<br />

über Möglichkeiten und Bedingungen des Zugangs<br />

zu nationalen und internationalen Kapitalmärkten<br />

entscheidet.<br />

3. Inanspruchnahme der Leistungen der EIB: Darlehens-<br />

und Bürgschaftsanträge können der Bank entweder<br />

über die Kommission oder über denjenigen<br />

Mitgliedstaat zugeleitet werden, in dessen Hoheits-<br />

242<br />

gebiet das Vorhaben durchgeführt wird. Sie können<br />

von Unternehmen, aber auch unmittelbar bei der<br />

Bank eingereicht werden. Anträge für DarlehensundBürgschaftsvergabewerdenstetsderKommission<br />

und dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsbereich<br />

sich das Vorhaben befindet, für eine Stellungnahme<br />

zur Kenntnis gegeben. Der Verwaltungsrat beschließt<br />

über die ihm vom Direktorium vorgelegten<br />

Darlehens- und Bürgschaftsanträge (vgl. Art. 20 und<br />

21EIB-Statut). S. F.<br />

Anschrift: 100, Boulevard Konrad Adenauer,<br />

L–2950 Luxembourg<br />

Internet: http://www.eib.org<br />

Europäische Jugendzentren (EJZ) sind Einrichtungen<br />

des �Europarates in Straßburg (1972) und<br />

Budapest (1995). Sie bieten Jugendlichen in Zusammenarbeit<br />

mit europäischen Jugendorganisationen<br />

Bildungskurse und Kurzlehrgänge (mit Unterbringung)<br />

an, u. a. auch zur Verbesserung der Sprachkenntnisse.<br />

�Nichtregierungsorganisationen (NRO/<br />

NGO) und staatliche Organisationen können die Jugendzentren<br />

auf Basis der Selbstfinanzierung für<br />

Aktivitäten nutzen.<br />

Anschriften: Europäisches Jugendzentrum,<br />

30, rue de Pierre Coubertin, F-67000 Strasbourg.<br />

Internet www.coe.int/youth<br />

Europäisches Jugendzentrum, Budapest, Zivatar utca 1–3,<br />

H-1024 Budapest.<br />

Internet www.eycb.coe.int<br />

Europäische Kommission �Kommission der Europäischen<br />

Gemeinschaften<br />

Europäische Korrespondenten sind Beamte in<br />

den Außenministerien der Mitgliedstaaten, die im<br />

Rahmen der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) die Verbindung zur Europäischen<br />

Kommission und zwischen den Außenministerien<br />

herstellen. Sie sind untereinander und mit der<br />

Kommission durch das Kommunikationsnetz<br />

�COREU verbunden.<br />

Europäische kriminalpolizeiliche Zentralstelle<br />

�Europol<br />

Europäische Krisenreaktionstruppe �ESVP<br />

Europäische Kulturhauptstadt (Kulturstadt Europas).<br />

Auf Initiative der damaligen griechischen<br />

Kulturministerin Melina Mercouri beschloss der Rat


der Kulturminister am 13. 6. 1985, auf Basis der zwischenstaatlichen<br />

Zusammenarbeit jährlich (anfänglich<br />

ohne Wettbewerb) mindestens eine Kulturstadt<br />

Europas auszurufen, um die kulturelle Vielfalt, das<br />

kulturelle Erbe und die Gemeinsamkeiten Europas<br />

einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.<br />

Das Auswahlverfahren wurde durch Ratsbeschluss<br />

vom28.5.1999ineingemeinschaftlichesumgewandelt<br />

und die Kulturstadt Europas in Europäische Kulturhauptstadt<br />

umbenannt. Nach einem Rotationsprinzip<br />

können nun einzelne Mitgliedstaaten für ein<br />

bestimmtes Jahr einen oder mehrere Kandidaten vorschlagen,der(die)auseinemnationalenWettbewerb<br />

hervorgegangen ist (sind). Eine Jury aus zwei Mitgliedern<br />

des Europäischen Parlaments, zwei des Rates,<br />

zwei der Kommission und einem des �Ausschusses<br />

der Regionen gibt eine Empfehlung ab. Die NominierungerfolgtdurchdenRatmindestensvierJahre<br />

vor dem Ereignis. Dieser Beschluss ist 2005 in<br />

Kraft getreten.<br />

Erste Kulturstadt Europas war Athen 1985, es<br />

folgten Florenz 1986, Amsterdam 1987, Berlin<br />

1988, Paris 1989, Glasgow 1990, Dublin 1991, Madrid<br />

1992, Antwerpen 1993, Lissabon 1994, Luxemburg<br />

1995, Kopenhagen 1996, Thessaloniki 1997,<br />

Stockholm 1998, Weimar 1999. Für die Jahrtausendwende<br />

2000 wurden neun Städte benannt: Avignon,<br />

Bergen, Bologna, Brüssel, Helsinki, Krakau, Prag,<br />

Reykjavik, Santiago de Compostela. Es folgten 2001<br />

Porto und Rotterdam, 2002 Brügge und Salamanca,<br />

2003 Graz, 2004 Genua und Lille. Des weiteren Cork<br />

2005,Patras2006,eineStadtinLuxemburg2007,Liverpool<br />

2008.<br />

Ab 2009 werden für zehn Jahre jeweils zwei Städte<br />

benannt, eine in den alten, eine in den neuen Mitgliedstaaten.<br />

2009 sind Österreich und Litauen an der Reihe. Für<br />

2010 gibt Deutschland, neben Ungarn, im 3. Quartal<br />

2005 die Bewerbung zur Wahl der Europäischen<br />

Kulturhauptstadt ab (aus den Bewerbungen der 16<br />

deutschen Bundesländer hat der Deutsche Bundesrat<br />

die Europastadt Görlitz/Zgorzelec neben Essen als<br />

deutsche Bewerber ausgewählt).<br />

2011: Finnland und Estland. 2012: Portugal und Slowenien.<br />

2013: Frankreich und die Slowakei. 2014:<br />

Schweden und Lettland. 2015: Belgien und Tschechien.<br />

2016: Spanien und Polen. 2017: Dänemark<br />

und Zypern. 2018: Niederlande und Malta. 2019: Italien.<br />

Europäische Kulturstiftung<br />

Europäische Kulturkonvention. Am 19. 12. 1954<br />

vom Europarat verabschiedet und im Mai 1955 in<br />

Kraft getreten. Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten<br />

(49 Staaten Europas), ihr kulturelles Erbe zu<br />

schützen und weiter zu entwickeln. Die Konvention<br />

fordert die Staaten auf, Studium und Kenntnis der<br />

Sprachen, der Geschichte und Kultur anderer europäischerStaatenundVölkerzufördern.Siebildetdie<br />

Grundlage für die Zusammenarbeit der Staaten in<br />

den Bereichen Bildung, Kultur, Denkmalpflege,<br />

Sport und Jugend.<br />

Europäische Kulturstiftung (I) (European Cultural<br />

Foundation, ECF), 1954 auf private Initiative von<br />

Denis de �Rougemont und Robert �Schuman (erster<br />

Präsident der Stiftung) gegründete gemeinnützige<br />

Organisation. Sitz zunächst Genf, seit 1960 Amsterdam.<br />

Die Stiftung wird aus Spenden finanziert sowie<br />

aus öffentlichen Mitteln der Niederlande, aus Projektbeiträgen<br />

europäischer Regierungen sowie der<br />

Europäischen Kommission (im Rahmen von Programmen<br />

wie �Tempus, �Erasmus oder �Eurydice).<br />

Sie unterhält Nationalkomitees in 20 Ländern und<br />

hat eigene Institute. .<br />

Ziele: Sie will der wirtschaftlichen Integration eine<br />

kulturelle, „menschlichere“ Dimension verleihen,<br />

u. a. durch Jugendarbeit; sie veranstaltet wissenschaftliche<br />

Diskussionen (Kolloquien, Forschungsarbeiten),fördertVorhaben,dieihrenZielenentsprechen<br />

und arbeitet in Medien mit.<br />

Die ECF hat 1987 zusammen mit dem Europarat den<br />

Fernsehwettbewerb Prix Europa gegründet und organisiert<br />

ihn seit 1990. Inzwischen gehören auch das<br />

Europäische Parlament und die Europäische KommissionzurTrägerschaftdesWettbewerbs.<br />

W. M.<br />

Europäische Kultur Stiftung (II), gemeinnützige<br />

Organisation mit Sitz in Bonn. Ziele: europäische<br />

KunstundKulturalsMittelderVölkerverständigung<br />

zu nutzen. Aufgabe: Förderung zeitgenössischer<br />

Künstler durch Auftragsarbeiten sowie durch Organisation<br />

von Ausstellungen. Finanzierung durch private<br />

Spenden.<br />

Europäische Kulturstiftung (III) Pro Europa,<br />

1993 in Basel gegründet. Aufgabe ist die Förderung<br />

des Kulturaustauschs zwischen europäischen Staaten<br />

und Regionen und Verdeutlichung der kulturellen<br />

Vielfalt Europas. Sie führt kulturelle Veranstal-<br />

243


Europäische Kulturstiftung<br />

tungen durch, vergibt Förderpreise und Stipendien<br />

an junge Künstler, unterstützt innovative Projekte<br />

auf kulturellem Gebiet, ermöglicht Ausstellungen<br />

und Konzertauftritte.<br />

Europäische Kulturstiftung (IV), auch Bezeichnung<br />

der „Europäischen Stiftung“ (für eine europäische<br />

Außenkulturpolitik), deren Gründung (auf Anregung<br />

des �Tindemans-Berichts) scheiterte, u. a.<br />

wegen Ablehnung im EP. Sie sollte in Zusammenarbeit<br />

mit bestehenden Organisationen helfen, die Völkerverständigung<br />

zu fördern und das europäische<br />

Kulturerbe zu bewahren.<br />

Europäische Kulturzentren (ECC). Zielgruppen<br />

sind Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II<br />

aus allen europäischen Ländern. Sie sollen im Kontakt<br />

untereinander (z. B. in 14-tägigen Sessions) die<br />

europäische Identität und Solidarität erleben. Das<br />

erste Europäische Kulturzentrum entstand 1989 in<br />

der ehemaligen Abtei von Saint-Jean-d’Angély in<br />

Südwestfrankreich am Pilgerweg nach Santiago de<br />

Compostela. Erstes ECC in Deutschland ist das 1991<br />

gegründete Europäische Kulturzentrum Baden-<br />

Baden.<br />

Europäische Menschenrechtskonvention<br />

(EMRK). Die Europäische Konvention zum Schutz<br />

der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische<br />

Menschenrechtskonvention, EMRK) ist das<br />

wichtigste Abkommen des �Europarates. Sie wurde<br />

am 4. 11. 1950 in Rom unterzeichnet und trat am 3. 9.<br />

1953 in Kraft. Sie wurde von insgesamt 45 europäischen<br />

Staaten ratifiziert (Stand 2. 6. 2004). Die<br />

EMRKentstandunterdemEinflussderSchrecknisse<br />

des europäischen Faschismus. Sie ist stark von der<br />

�Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der<br />

Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 beeinflusst<br />

worden.<br />

Die Europäische Menschenrechtskonvention hatte<br />

von Anfang an folgende wesentliche Inhalte: Sie<br />

schützt das Recht auf Leben (Art. 2), verbietet Folter<br />

undunmenschliche,erniedrigendeBehandlung(Art.<br />

3), verbietet die Zwangsarbeit (Art. 4), schützt die<br />

Freiheit der Person (habeas corpus; Art. 5), gewährt<br />

in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und in<br />

Strafsachen Verfahrensgarantien (fair trial, Art. 5),<br />

schützt den Grundsatz nulla poena sine lege (keine<br />

Strafe ohne Gesetz, Art. 7), das Privat- und Familien-<br />

244<br />

leben (Art. 8), die Glaubens- (Art. 9) und die Meinungsfreiheit<br />

(Art. 10) sowie die Versammlungsund<br />

Vereinigungsfreiheit (Art. 11), garantiert das<br />

Recht auf Heirat (Art. 12) und gewährt ein Diskriminierungsverbot<br />

im Hinblick auf die Ausübung der<br />

vorstehenden Rechte. Durch weitere Zusatzprotokolle<br />

(ZP) wurde die EMRK später ergänzt: Artikel 1<br />

des 1. ZP schützt das Eigentum, Art. 2 des 1. ZP gewährleistet<br />

das Recht auf Bildung und Art. 3 des 1.<br />

ZP garantiert das Recht aus freie Wahlen (�Matthews).<br />

Artikel 1 des 4. ZP verbietet die Freiheitsentziehung<br />

wegen Schulden, Art. 2 des 4. ZP garantiert<br />

die Freizügigkeit innerhalb eines Staatsgebiets, Art.<br />

3 des 4. ZP verbietet die Ausweisung eigener Staatsangehöriger<br />

und Art. 4 des 4. ZP die Kollektivausweisung<br />

von Ausländern. Durch das 6. ZP wird die<br />

Todesstrafeabgeschafft,fürKriegszeitensiehtArt.2<br />

des 6. ZP Ausnahmen vor. Durch das 7. ZP sollte die<br />

EMRK weiter an den Internationalen Menschenrechtspakt<br />

der Vereinten Nationen vom 16. 12. 1966<br />

angepasst werden. Artikel 1 des 7. ZP enthält verfahrensrechtliche<br />

Schutzvorschriften bezüglich der<br />

Ausweisung von Ausländern, Art. 2 des 7. ZP garantiert<br />

Rechtsmittel in Strafsachen, Art. 3 des 7. ZP gewährleistet<br />

das Recht auf Entschädigung bei Fehlurteilen,<br />

Art. 4 des 7. ZP verbietet die Doppelbestrafung<br />

wegen der derselben Tat und Art. 5 des 7. ZP garantiert<br />

die Gleichberechtigung der Ehegatten. Mit<br />

dem am 4. 11. 2000 unterzeichneten, noch nicht in<br />

Kraft getretenen 12. ZP soll die EMRK um ein allgemeines<br />

Diskriminierungsverbot ergänzt werden<br />

(von Deutschland bislang nicht ratifiziert) und mit<br />

dem 13. ZP vom 3. 5. 2002 um ein allgemeines Verbot<br />

der Todesstrafe ergänzt werden. Die übrigen ZP<br />

enthalten verfahrensrechtliche Änderungen und Ergänzungen<br />

der EMRK (�Europäischer Gerichtshof<br />

für Menschenrechte).<br />

Über die Einhaltung der vorgenannten Menschenrechtsgarantien<br />

der EMRK wachen der �Europäische<br />

Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit<br />

Sitz in Straßburg und das Ministerkomitee des Europarates.<br />

Etwaige Verletzungen der Menschenrechtsgarantien<br />

der EMRK können sowohl von den Vertragsstaaten<br />

der EMRK im Wege der Staatenbeschwerde<br />

als auch von Einzelpersonen, die sich im<br />

Hoheitsbereich dieser Staaten aufhalten bzw. im<br />

Zeitpunkt der Verletzung aufgehalten haben, im<br />

Wege der Individualbeschwerde geltend gemacht<br />

werden. Das Recht der Individualbeschwerde ist im


internationalen Menschenrechtsschutz einzigartig<br />

und stellt eine Durchbrechung des völkerrechtlichen<br />

Grundsatzes der Nichteinmischung in die inneren<br />

Angelegenheiten eines Staates dar. Während die<br />

Konventionsstaaten – schon aus diplomatischen<br />

Gründen – von ihrem Beschwerderecht nur höchst<br />

vereinzelt und in Fällen schwerer Menschrechtsverletzungen<br />

Gebrauch machen, weist die Zahl der beim<br />

EGMR erhobenen Individualbeschwerden mit ca.<br />

8 400 registrierten Beschwerden im Jahr 1999 und<br />

ca. 16 000 registrierten Beschwerden im Jahr 2000<br />

exponentielles Wachstum auf. Das 14. ZP zur<br />

EMRKvom13.5.2004siehtdaheru.a.strengereZulässigkeitskriterien<br />

sowie die Möglichkeit, Einzelrichterentscheidungen<br />

zu treffen, vor.<br />

Wichtigste Zulässigkeitsvoraussetzung einer Individualbeschwerde<br />

ist neben der Einhaltung einer<br />

Sechs-Monats-Frist ab Zustellung der endgültigen<br />

innerstaatlichen Entscheidung die Erschöpfung des<br />

innerstaatlichen Rechtswegs. Für Beschwerden gegen<br />

die Bundesrepublik Deutschland bedeutet dies,<br />

dass zunächst eine Verfassungsbeschwerde beim<br />

Bundesverfassungsgericht(BVerfG)zuerhebenist.<br />

Die meisten europäischen Staaten verfügen jedoch<br />

über kein der deutschen Verfassungsbeschwerde<br />

vergleichbares Rechtsinstitut. Für diese Staaten hat<br />

sich der EGMR in der Praxis quasi zu einem Verfassungsgericht<br />

für Grundrechtsfragen entwickelt.<br />

Die�EuropäischenGemeinschaften(EG,EAG)zählen<br />

nicht zu den Vertragsparteien der EMRK. Deren<br />

Beitritt wird zwar seit Jahrzehnten gefordert, scheiterte<br />

aber stets am politischen Widerstand einiger<br />

Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass nach der Auffassung<br />

des �Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften<br />

(EuGH) eine vorhergehende Ergänzung<br />

des �EGV erforderlich ist. Es sind jedoch alle<br />

EU-Mitgliedstaaten zugleich auch Vertragsparteien<br />

der EMRK; die Ratifizierung der EMRK und ihrer<br />

Zusatzprotokolle zählt seit den 1980er Jahren zu den<br />

zwingenden politischen Voraussetzungen für einen<br />

Beitritt zur Europäischen Union. Nach der Rechtsprechung<br />

des EuGH findet die EMRK lediglich mittelbare<br />

Anwendung als Bestandteil der allgemeinen<br />

Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts. Diese<br />

Rechtsprechung hat Eingang in Art. 6 Abs. 2 EUV<br />

gefunden, nachdem sich die Europäische Union verpflichtet,<br />

die Grundrechte zu achten, wie sie durch<br />

die EMRK gewährleistet werden und wie sie sich aus<br />

den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der<br />

Europäische Nachbarschaftspolitik<br />

Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts<br />

ergeben. Ebenso verweisen auch<br />

Art. II-112 Abs. 3 und Art. II-113 des Verfassungsvertrags<br />

2004 (Europäische �Grundrechtecharta)<br />

auf die EMRK und das durch die EMRK vermittelte<br />

materiellrechtlicheSchutzniveau.MitArt.I-9Abs.2<br />

des Verfassungsvertrags 2004 wird nach dessen Inkrafttreten<br />

der Beitritt der Europäischen Union zur<br />

EMRK angestrebt.<br />

Umgekehrt hat der EGMR bereits begonnen, das abgeleitete<br />

Gemeinschaftsrecht am Maßstab der<br />

EMRK zu überprüfen. Dies bestätigt, dass sich die<br />

EG-Mitgliedstaaten beim Vollzug des Gemeinschaftsrecht<br />

nicht ihren Verpflichtungen aus der<br />

EMRK entziehen können. Die weitergehende Frage<br />

hingegen, ob eine Zuständigkeit des EGMR auch für<br />

Beschwerden gegen Maßnahmen der Organe der Europäischen<br />

Gemeinschaften zulässig ist, hat der<br />

EGMR bislang bewusst offen gehalten, so zuletzt in<br />

seiner Entscheidung �Senator Lines ./. 15 Mitgliedstaaten<br />

vom 10. 3. 2004 (dt. Übersetzung in EuGRZ<br />

2004,279).�Cantoni;�Matthews). S. W.<br />

Literatur:<br />

Frowein, J. A./Peukert, W.: Europäische Menschenrechtskonvention<br />

(Kommentar). Kehl/Straßburg/Arlington 1996 2<br />

Meyer-Ladewig, J.: Handkommentar EMRK.<br />

Baden-Baden 2003<br />

Grabenwarter, Ch.: Europäische Menschenrechtskonvention.<br />

München 2003<br />

Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP).<br />

Grundlagen: Die Erweiterung der EU nach Osten<br />

und ins östliche Mittelmeer hat entscheidende Anstöße<br />

zu einer aktiven und systematischen Politik der<br />

EU gegenüber den neuen und alten Nachbarn gegeben.<br />

2003 legte die EU Kommission die Mitteilung<br />

„Größeres Europa – Nachbarschaft: Ein neuer Rahmen<br />

für die Beziehungen der EU zu ihren östlichen<br />

und südlichen Nachbarn“ (KOM 2003/104 endg.)<br />

vor, die sie im Mai 2004 in einem „Strategiepapier<br />

zur Europäischen Nachbarschaftspolitik“ (ENP)<br />

(KOM 2004/373 endg.) fortentwickelte und darüber<br />

hinaus um Vorschläge für die Schaffung eines Finanzinstruments<br />

für die Europäische Nachbarschaftspolitik<br />

(KOM 2004/628 endg. vom 29. 9.<br />

2004) ergänzte. Es soll ab 2007 an die Stelle der Programme<br />

�MEDA und �TACIS (nur für die ENP-<br />

Länder) treten. Besonders förderungswürdig sind<br />

grenzüberschreitende und transnationale Aktivitäten,<br />

die von EU und ENP-Ländern gemeinsam<br />

245


Europäische Nachbarschaftspolitik<br />

durchgeführt werden. Die Kommission schlägt ein<br />

Volumen von 14,929 Mrd. Euro für den Zeitraum<br />

von 2007 bis 2013 vor.<br />

Länder: Unter der Formel ENP werden sehr unterschiedliche<br />

Regionen und Länder zusammengeführt.<br />

Sie reichen von Osteuropa über den südlichen<br />

Kaukasus bis nach Marokko. Die EU ist mit den 16<br />

ENP-Ländern bereits durch Assoziierungsabkommen<br />

bzw. den �Barcelona-Prozess (Algerien, Ägypten,<br />

Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko,<br />

Palästinensische Autonomiebehörde, Syrien, Tunesien)<br />

oder Partnerschafts- und Kooperationsabkommen<br />

(Ukraine, Moldau, Armenien, Aserbaidschan,<br />

Belarus, Georgien) verbunden. Russland ist nicht<br />

einbezogen, ebenso nicht die Länder des westlichen<br />

Balkans, die als potentielle Beitrittskandidaten gelten.<br />

Die ENP soll einen gemeinsamen Rahmen für<br />

die Weiterentwicklung der Beziehungen schaffen.<br />

Ziele und Inhalte: Die ENP resultiert aus dem generellen<br />

Interesse der EU an einer Stabilisierung des<br />

Nachbarschaftsraums. Zudem soll sie als eine Alternative<br />

zur Erweiterungspolitik bzw. zum EU-Beitritt<br />

Zugkraft entwickeln, denn die ENP-Länder erhalten<br />

(derzeit) keine Mitgliedschaftsperspektive. Unmittelbar<br />

geht es darum, mögliche negative Effekte für<br />

die Nachbarn der neuen Mitgliedstaaten vor allem in<br />

den Grenzregionen zu kompensieren und neue Trennungslinien<br />

zu vermeiden oder abzumildern.<br />

Der Verfassungsvertrag 2004 sieht einen eigenen Titel<br />

(I-VIII VVE) „Die Union und ihre Nachbarn“ vor,<br />

wonachdieEU„besondereBeziehungenzudenLändern<br />

ihrer Nachbarschaft“ entwickelt, „um einen<br />

Raum des Wohlstands und der guten Nachbarschaft<br />

zu schaffen“ (I-57 Abs. 1 VVE). Er soll „auf den<br />

Werten der Union“ aufbauen und sich durch „enge,<br />

friedliche Beziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit“<br />

auszeichnen. Die EU kann dazu<br />

„spezielle Übereinkünfte“ mit gegenseitigen Rechten<br />

und Pflichten und der Möglichkeit zu gemeinsamem<br />

Vorgehen (I-57 Abs. 2 VVE) mit den Ländern<br />

ihrer Nachbarschaft schließen.<br />

Bislang sind die in Aussicht gestellten Europäischen<br />

Nachbarschaftsabkommen, die an die Stelle der<br />

�Partnerschafts- und �Kooperationsabkommen bzw.<br />

�Assoziierungsabkommen treten können, jedoch inhaltlich<br />

noch nicht präzisiert worden.<br />

Die ENP verfolgt einen bilateralen und länderspezifischen<br />

Ansatz, der mit Anreizen für regionale Kooperation<br />

(Barcelona-Prozess) verbunden wird. Die<br />

246<br />

bereits existierenden, aber häufig nur schleppend<br />

umgesetzten Kooperations- und Assoziierungsverträge<br />

sollen belebt und durch eine Fokussierung auf<br />

prioritäre Aktionsfelder konkrete Fortschritte erzielt<br />

werden. Als Leitfaden für diese funktionale Kooperation<br />

dienen in erster Linie Aktionspläne, die jeweils<br />

zwischen der EU und dem Nachbarschaftsland<br />

ausgehandelt werden. Darin werden Maßnahmen<br />

und Zeitpläne für deren Umsetzung festgelegt. Der<br />

Zeitrahmen beträgt drei bis fünf Jahre. Die Umsetzung<br />

der Aktionspläne wird von den gemeinsamen<br />

Kooperations- und Assoziierungsinstitutionen überwacht.<br />

Sie werden EU-intern vom Rat verabschiedet<br />

und von den gemeinsamen Assoziierungs- bzw. Kooperationsräten<br />

jeweils förmlich angenommen. Im<br />

Dezember 2004 präsentierte die Kommission die<br />

ersten Aktionspläne mit Moldau, der Ukraine, Marokko,<br />

Tunesien, Jordanien, Israel und der Palästinensischen<br />

Behörde.<br />

Themenfelder der ENP und der Aktionspläne sind:<br />

politischer Dialog und Reform; regionale und internationale<br />

Probleme, Kooperation in der Außen- und<br />

Sicherheitspolitik (�GASP), �Nichtverbreitung von<br />

Massenvernichtungswaffen und Abrüstung, Konfliktprävention<br />

und Krisenmanagement; wirtschaftliche<br />

und soziale Reformen und Entwicklung; soziale<br />

Situation, Armutsbekämpfung; Handel und Vorbereitung<br />

auf die schrittweise Teilhabe am Binnenmarkt<br />

(Rechtsharmonisierung); Justiz und Inneres;<br />

Energie, Verkehr, Informationsgesellschaft und<br />

Umwelt; Forschung und Innovation; Sozialpolitik<br />

und Kontakte der Bevölkerung. Die Aktionspläne<br />

messen diesen Feldern je nach Land unterschiedliches<br />

Gewicht bei und unterscheiden sich auch im<br />

Ehrgeiz der gesteckten Ziele. Die Aktionspläne sind<br />

Fahrpläne für Transformation und Modernisierung<br />

in den ENP-Ländern und stellen für diese eine Art<br />

Lastenheft dar. Die Gegenleistungen der EU müsstenbeiderMarktöffnung,derKreditvergabeoderder<br />

Visa- und Einwanderungspolitik liegen. Insgesamt<br />

kommt der Förderung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit,<br />

good governance und ArmutsbekämpfungnebenderKonfliktpräventioneinhoherStellenwertzu.DieENP-Instrumente(z.B.regelmäßigeSupervision<br />

und Evaluation, Richtgrößen, Differenzierung<br />

nach Leistung, Hilfe) sind denen der EU-�Heranführungsstrategie<br />

nachgebildet, sollen aber ohne<br />

den großen Anreiz der Mitgliedschaftsperspektive<br />

funktionieren.


Durch die ENP will die EU ihrerseits erreichen, dass<br />

die Partnerländer wesentliche außen- und sicherheitspolitische<br />

Ziele und Aktivitäten der GASP/<br />

ESVP unterstützen (Konfliktmanagement, Post-<br />

Konflikt-Stabilisierung, global governance, Schutz<br />

gegenüber �softsecurityRisiken).DerpolitischeDialog<br />

ist deshalb ein zentrales Element der ENP. Der<br />

Kernanreiz für die ENP-Länder soll die Teilhabe am<br />

Binnenmarkt darstellen, obwohl dieses Ziel für<br />

einige ENP-Länder derzeit fiktiv ist (etwa Moldau<br />

oder Libyen) und andere dafür keine ENP benötigen<br />

(Israel). Der Ansatz könnte bis hin zu einem EWR II<br />

oder einer Mitgliedschaft im existierenden EWR<br />

führen, auch wenn die EU diese Formel meidet. Die<br />

Mitgliedschaftsperspektive will die EU im GegensatzzueinigenENP-Ländernbewusstausklammern,<br />

alle darunter liegenden Kooperations- und Integrationsformen<br />

jedoch ermöglichen („alles außer Institutionen“).<br />

Im Zuge der ENP könnten sich neue Beteiligungsmöglichkeiten<br />

für Drittstaaten am EU-<br />

Entscheidungsprozess und in den Institutionen entwickeln,dieüberVorformenwiedenpolitischenund<br />

strukturierten Dialog, die gemeinsamen Assoziierungsinstitutionen<br />

oder die Einbeziehung in Gemeinschaftsprogramme<br />

hinausgehen.<br />

Ausblick: Intern hat die Nachbarschaftspolitik den<br />

Zweck, die variierenden geographischen Präferenzen<br />

und unterschiedlich intensiven Interessen und<br />

Verbindungen der EU-Mitgliedstaaten auszubalancierenundeineneinheitlichenRahmenfürdieBeziehungenzudenNachbarländernzubieten.Esstehtaußer<br />

Zweifel, dass die EU auch angesichts einer Erweiterungsmüdigkeit<br />

ein starkes Interesse an der<br />

Stabilisierung ihrer Nachbarschaft durch Politikangebote<br />

unterhalb des Beitritts hat. Fraglich ist, ob das<br />

bislang herangereifte Konzept der ENP eine entsprechende<br />

Attraktivität und Zugkraft entwickeln kann.<br />

Der ENP fehlt es bis dato an einer packenden Vision,<br />

klaren politischen und wirtschaftlichen Anreizen<br />

und einem erkennbaren zusätzlichen Nutzen gegenüber<br />

dem Status quo, so dass die von der EU gewünschten<br />

Fortschritte bei der Demokratisierung,<br />

der Konfliktprävention und Einbindung in einen effektiven<br />

kooperativen Multilateralismus sowie bei<br />

der wirtschaftlichen Entwicklung der Nachbarn erzieltwerdenkönnen.<br />

B. Li.<br />

Literatur :<br />

Hummer, W.: Die Union und ihre Nachbarn – Nachbarschaftspolitik<br />

vor und nach dem Verfassungsvertrag.<br />

In: integration, 3/05, Juli 2005, S. 233 – 245<br />

Europäische Parteien<br />

Stratenschulte, E. D.: Ade, Ambiguität! Die neue Nachbarschaftspolitik<br />

der EU. In: Osteuropa. Stuttgart 7/2004, S. 65–75<br />

Europäische Parteien. Im Vorfeld der Europawahlen<br />

2004 wurden erste Gründungsversammlungen<br />

europäischer Parteien abgehalten, im Februar<br />

2004 von Delegierten aus 32 grünen Parteien der<br />

EU-Staaten (Grüne Partei), im Mai 2004 von Delegierten<br />

aus 15 sozialistischen und kommunistischen<br />

Parteien (Partei der Europäischen Linken, EL). Nur<br />

dieELnimmtbisherauchMitgliederauf,dienichteinernationalenParteiangehören.AlleanderenParteien<br />

bevorzugen noch die Bildung von Zusammenschlüssen<br />

(�Europäische Parteienföderationen).<br />

Europäische Parteien(föderationen),<br />

europäische Parteienzusammenschlüsse<br />

1. Begriffserklärung: Bisher spricht man eher von<br />

europäischen Parteienzusammenschlüssen als von<br />

eigenständigen Parteien; sie sind z. B. nicht an der<br />

Aufstellung von Kandidaten für das Europäische<br />

Parlament beteiligt (Rekrutierungsfunktion), bündeln<br />

aber europapolitische Positionen und formulieren<br />

Wahlprogramme. Parteienzusammenschlüsse<br />

spielen eine wichtige Rolle bei der Herstellung einer<br />

europapolitischen Öffentlichkeit, die wiederum<br />

VoraussetzungzurSchaffungvonLegitimationist.<br />

2. Von Parteienzusammenschlüssen zu europäischen<br />

Parteien: Nachdem die Entscheidung zur<br />

Durchführung der Direktwahl zum Europäischen<br />

Parlament (EP) gefallen war, gründeten sich die ersten<br />

Parteienzusammenschlüsse: Bund der Sozialdemokratischen<br />

und Sozialistischen Parteien (5. 4.<br />

1974 in Luxemburg), Europäische Volkspartei – FöderationderChristlich-DemokratischenParteiender<br />

Europäischen Gemeinschaft (29. 4. 1976 in Brüssel)<br />

und Föderation liberaler und demokratischer Parteien<br />

der Europäischen Gemeinschaft (27. 3. 1976 in<br />

Stuttgart), die sich 1977 in „Europäische Liberale<br />

Demokraten“ (ELD) umbenannte.<br />

Die Parteienzusammenschlüsse bilden ein Netzwerk,<br />

Informations- und Abstimmungsgremien, die<br />

als Plattform für den Austausch zwischen den nationalen<br />

Parteipolitikern und ihren europäisch agierenden<br />

Kollegen fungieren sowie Bindeglied zu den<br />

Fraktionen im EP sind. Die Parteienzusammenschlüsse<br />

weisen zudem intensive personelle und organisatorische<br />

Verflechtungen mit den Fraktionen<br />

im EP auf.<br />

247


Europäische Politische Gemeinschaft<br />

Seit dem Maastrichter Vertrag über die Europäische<br />

Union sind Regelungen über europäische Parteien in<br />

das Vertragswerk aufgenommen worden. In Art. 191<br />

EGV heißt es: „Politische Parteien auf europäischer<br />

Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der<br />

Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein<br />

herauszubilden und den politischen Willen<br />

der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen“.<br />

Ähnliche Formulierungen finden sich in der Charta<br />

der Grundrechte der Europäischen Union (Art. II-72<br />

Abs.2VVE2004).Dadurchwurdedeneuropäischen<br />

Parteien eine herausgehobene Rolle zugewiesen.<br />

Der Vertrag von Nizza fügt Art. 191 einen weiteren<br />

Absatz hinzu: „Der Rat legt gemäß dem Verfahren<br />

des Artikels 251 die Regelungen für politische Parteien<br />

auf europäischer Ebene und insbes. die Vorschriften<br />

über ihre Finanzierung fest.“ Dieses Europäische<br />

Parteien-Statut ist Anfang Februar 2004 in<br />

Kraft getreten (�Regelungen für die politischen Parteien<br />

auf europäischer Ebene).<br />

1992habensichdieSozialdemokraten/Sozialistenin<br />

Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) umbenannt.<br />

In der Europäischen Volkspartei (EVP) sind<br />

seit 1993 persönliche (beitragspflichtige) Mitgliedschaften<br />

möglich, wobei Voraussetzung ist, dass der<br />

Antragsteller auf nationaler Ebene einer EVP-Mitgliedspartei<br />

angehört.<br />

3. Strukturen: Die Parteienzusammenschlüsse verfügen<br />

über ähnliche Strukturen wie Parteien: Ein<br />

Vorsitzender oder Präsident repräsentiert den Parteienzusammenschluss<br />

nach außen und koordiniert die<br />

Arbeit nach innen. Präsidium, Arbeitsgruppen und<br />

Kommissionen bereiten die Arbeit vor. Im Abstand<br />

von ein oder zwei Jahren werden Kongresse veranstaltet,<br />

auf denen Wahlen stattfinden (können) oder<br />

Grundsatzbeschlüsse zu politischen Fragestellungen<br />

gefasst werden.<br />

Politisch wichtig sind die Treffen der Parteispitzen<br />

und der Regierungschefs der im EP vertretenen Parteien.<br />

Sie bemühen sich im Vorfeld europapolitischer<br />

Entscheidungen um gemeinsame Positionen.<br />

4. Kritische Wertung: Europäische Parteienzusammenschlüsse<br />

sind in Arbeitsweise, Funktionen und<br />

Struktur nicht mit nationalen Parteien gleichzusetzen,siesindaberauchnichtnureineArtDachorganisation<br />

nationaler Parteien. Vielmehr sind sie Abbild<br />

der Zwitterrolle der EU zwischen intergouvernementalundsupranational-föderalistischerStruktur:<br />

Die europäischen Parteien weisen eine im nationalen<br />

248<br />

Kontextnichtübliche,intensivepersonelleundorganisatorische<br />

Verflechtung mit den Fraktionen im Europäischen<br />

Parlament auf. Europäische Parteien sind<br />

auch Sammelbecken für Parteien aus den Beitrittsstaaten;<br />

das Interesse der europäischen Parteien liegt<br />

darin, ihre Macht möglichst weit auszudehnen und<br />

überdieParteizusammensetzungauchdieFraktionszusammensetzung<br />

und damit -größe im Europäischen<br />

Parlament auszubauen. Die Meinungsbildung<br />

in der europäischen Partei wird mit den nationalen<br />

Parteistrukturen rückgekoppelt, denn dort werden<br />

letztlich die Weichen für politische Entscheidungen<br />

gestellt; dies wird besonders dann sehr augenfällig,<br />

wenn es um Entscheidungen über strittige Punkte<br />

geht, die eine Rückwirkung auf die nationale Politik<br />

haben. Die Positionsentwicklung verläuft also eher<br />

hierarchisch von der nationalen Parteiebene zur europäischen<br />

– die nationalen Parteien verfügen über<br />

einen föderalen Aufbau über den die Meinungsbildung<br />

von unten nach oben betrieben wird; die europäischen<br />

Parteien fungieren hier eher als Dachorganisationen,<br />

die dann die Positionen der nationalen<br />

Parteien nur noch bündeln. Natürlich gibt es auch<br />

Einflussnahmen in die andere Richtung; aber Realität<br />

ist, dass zahlenmäßig eher wenige Europaabgeordnete<br />

einer eingespielten, hierarchisch durchstrukturierten<br />

nationalen Parteiorganisation gegenüberstehen.Demstehtnichtentgegen,dasseinzelne,<br />

machtvolle Europapolitiker ein gewichtiges Wort<br />

bei der Formulierung europapolitischer Positionen<br />

aufnationalerParteiebenemitsprechen. M. P.<br />

Anschriften:<br />

Europäische Föderation Grüner Parteien, Rue Belliard 97–113,<br />

B–1047 Bruxelles<br />

Europäische Liberale, Rue Belliard 97, B–1047 Bruxelles<br />

Europäische Union Christlicher Demokraten (EUCD),<br />

Rue d’Arlon 67, B–1040 Bruxelles<br />

Europäische Volkspartei, Rue d’Arlon 67, B–1040 Bruxelles<br />

Sozialdemokratische Partei Europa, Rue Belliard 79,<br />

B–1047 Bruxelles<br />

Literatur:<br />

Buhr, C.-C.: Europäische Parteien. Die rechtliche Regelung<br />

ihrer Stellung und Finanzierung. Berlin 2003<br />

Deinzer, G.: Europäische Parteien. Begriff und Funktion in<br />

einem europäischen Integrationsensemble. Baden-Baden 1999<br />

Papadopoulou, T.: Politische Parteien auf europäischer Ebene.<br />

Auslegung und Ausgestaltung von Art. 191 EGV.<br />

Baden-Baden 1999<br />

Europäische Politische Gemeinschaft (EPG).<br />

Der Vertrag über die Gründung einer �Europäischen<br />

Verteidigungsgemeinschaft (EVG, unterzeichnet


am 27. 2. 1952) sah in Art. 38 die Gründung einer EuropäischenPolitischenGemeinschaft(EPG)vor.Als<br />

sich im Verlauf des Ratifizierungsverfahrens<br />

Schwierigkeiten in der französischen Nationalversammlung<br />

abzeichneten, beschloss der Ministerrat<br />

der �EGKS am 10. 9. 1952, die Gemeinsame Versammlung<br />

der Montanunion damit zu beauftragen,<br />

ein Statut für eine EPG auszuarbeiten, gewissermaßenimVorgriffaufArt.38desnochnichtinKraftgetretenen<br />

EVG-Vertrags.<br />

Die Gemeinsame Versammlung berief einen �Adhoc-Ausschuss<br />

unter Vorsitz ihres Präsidenten, des<br />

ehemaligen belgischen Außenministers Paul-Henri<br />

�Spaak,ein.DerAusschussarbeitetedenEntwurfeines<br />

Vertrags zur Gründung einer EPG aus. Sie sollte<br />

das Ziel haben, die Menschenrechte zu wahren, die<br />

Beschäftigung zu steigern, die Wirtschaft auszuweiten<br />

sowie den Bestand und die Sicherheit der Mitgliedstaaten<br />

zu garantieren. Als Organe waren vorgesehen:<br />

ein Exekutivrat, ein Ministerrat, ein Parlament,<br />

ein Gerichtshof und ein Wirtschafts- und Sozialrat.<br />

Nach dem Scheitern des EVG-Vertrags in der französischen<br />

Nationalversammlung am 8. 8. 1954 wurde<br />

der Vertragsentwurf über die Gründung der EPG<br />

nicht mehr in den Parlamenten der 6 EGKS-Staaten<br />

beraten.<br />

EuropäischePolitischeZusammenarbeit(EPZ)<br />

1. Zum Begriff: Die Mitglieder der E(W)G hatten<br />

sich ab 1970 in der EPZ zusammengeschlossen, um<br />

sich–inderDefinitiondesArt.30der �Einheitlichen<br />

Europäischen Akte (EEA) von 1986 – zu bemühen,<br />

„gemeinsam eine europäische Außenpolitik auszuarbeiten<br />

und zu verwirklichen“. Unter Wahrung ihres<br />

Besitzstandes ging die EPZ mit Inkrafttreten des<br />

Vertrages über die Europäische Union (Vertrag von<br />

Maastricht) am 1. 11. 1993 in die �Gemeinsame Außen-<br />

und Sicherheitspolitik (GASP) in der Ausgestaltung<br />

durch den Vertrag von Amsterdam (unterzeichnet<br />

am 2. 10. 1997) über. Das Ziel der EPZ war,<br />

durch fortlaufende Angleichung der nationalen<br />

Standpunkte und Herausbildung gemeinsamer<br />

Grundauffassungen in der Außenpolitik ein möglichst<br />

geschlossenes Auftreten in den Beziehungen<br />

zu Drittländern, in internationalen Organisationen<br />

und auf internationalen Konferenzen zu erreichen.<br />

DamitsollteEuropaseinerStimmeinderWeltpolitik<br />

angemessenes Gehör verschaffen, in den internatio-<br />

Europäische Politische Zusammenarbeit<br />

nalen Beziehungen seine Interessen wahren und seineZieleverwirklichenkönnen.DadieEPZimUnterschied<br />

zur supranationalen Zusammenarbeit der EG<br />

(�Supranationalität) auf zwischenstaatlicher (intergouvernementaler)<br />

Zusammenarbeit beruhte, galt<br />

das Konsensprinzip: Formale Beschlüsse bedurften<br />

der Einstimmigkeit. Weder die Rechtsaktformen des<br />

Gemeinschaftsrechts (z. B. Verordnung und Richtlinie)<br />

noch das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts<br />

fanden Anwendung. Klagen vor dem<br />

EuGH waren nicht zulässig.<br />

2.Entwicklung:DieZusammenarbeitinderEPZhatte<br />

sich pragmatisch und schrittweise über politische<br />

Absichtserklärungen der beteiligten Mitgliedsregierungen<br />

in den Berichten der Außenminister von Luxemburg<br />

(27. 10. 1970, �Luxemburger Bericht), Kopenhagen<br />

(23. 7. 1973) und London (13. 10. 1981)<br />

entwickelt. Erst Art. 30 EEA brachte 1986/87 eine<br />

völkervertragsrechtliche Festschreibung der Ziele<br />

und Verfahren und eine gewisse Verknüpfung mit<br />

der EG. Die Pflicht zur Konsultation in allen wichtigen<br />

Feldern der Außenpolitik und die Berücksichtigung<br />

der Haltung der Partner bei der Formulierung<br />

und Durchführung der eigenen Außenpolitik wurde<br />

fortlaufend erweitert, die praktische Zusammenarbeit<br />

verdichtet und die Rolle des Vorsitzenden, vor<br />

allem auch im Außenverhältnis, gestärkt. Institutionellwurden1970regelmäßigeTreffenderAußenminister<br />

mindestens alle sechs Monate, die Übereinstimmung<br />

des Vorsitzes im Rat und in der EPZ, die<br />

Einsetzung eines Politischen Komitees (bestehend<br />

aus den Politischen Direktoren der Außenministerien<br />

der Mitgliedstaaten) zur Unterstützung der Außenminister<br />

sowie eine allerdings noch eher rudimentäre<br />

Beteiligung von Kommission und Europäischem<br />

Parlament verabredet.1973 wurde die Zahl<br />

der EPZ-Ministertreffen von zwei auf vier erhöht<br />

und ab 1981 die Behandlung von EPZ-Themen am<br />

Rande der monatlichen Ratstagungen (Allgemeiner<br />

Rat)dieRegel.SeiteinemersteninformellenTreffen<br />

der Außenminister in Gymnich 1974 veranstaltet jeder<br />

Ratsvorsitzende eine solche Begegnung, die der<br />

informellen Diskussion (ohne Beamte) längerfristiger<br />

Probleme und Konzepte dient. Ferner wurden<br />

1973<br />

– die Gruppe der dem Politischen Komitee zuarbeitenden�EuropäischenKorrespondentengeschaffen,<br />

– Arbeitsgruppen aus Vertretern der Arbeitsebene<br />

der Außenministerien der Mitgliedstaaten und der<br />

249


Europäische Politische Zusammenarbeit<br />

KommissionzuregionalenundthematischenFragen<br />

gebildet,<br />

– das Kommunikationssystem �COREU (Correspondance<br />

Européenne) eingerichtet und<br />

– eine engere Zusammenarbeit der �Delegationen in<br />

Drittländern und bei internationalen Organisationen<br />

vereinbart.<br />

1981 wurde der Dialog mit Drittstaaten institutionalisiert<br />

und ein mobiler Arbeitsstab zur Unterstützung<br />

des Vorsitzes aus Vertretern der Außenministerien<br />

der jeweiligen Troika eingesetzt, der 1986 als EPZ-<br />

Sekretariat in Brüssel angesiedelt und von drei auf<br />

sechsBeamteerweitertwurde.Ab1981wurdeferner<br />

die Kommission der EG auf allen Ebenen voll an der<br />

EPZ beteiligt und 1986 gleichberechtigt in die EPZ<br />

(jedoch ohne Vorschlagsmonopol wie in der EG)<br />

einbezogen. Vorsitz und Kommission oblag es seither,<br />

für die Kohärenz der Außenbeziehungen der EG<br />

und im Rahmen der EPZ Sorge zu tragen; deshalb<br />

wurden die Vertreter der Kommission in Drittstaaten<br />

(Delegierte) bei Demarchen (Vorsprachen von Diplomaten)<br />

gegenüber der jeweiligen Gastregierung<br />

in die �Troika einbezogen. Mit der Feierlichen Deklaration<br />

des Europäischen Rats von Stuttgart wurde<br />

1983 die Sicherheitspolitik erstmals Gegenstand der<br />

EPZ, allerdings beschränkt auf ihre politischen und<br />

wirtschaftlichen Aspekte, um die Zusammenarbeit<br />

in NATO und �WEU nicht zu beeinträchtigen (Politische<br />

Union).<br />

3. Gegenstand der EPZ: Die EPZ hatte (ebenso wie<br />

die GASP heute) die internationalen Beziehungen in<br />

ihrer Gesamtheit zum Gegenstand. Dabei standen<br />

naturgemäß krisenhafte Entwicklungen und Konflikte,<br />

welche die Interessen der damals Zwölf bzw.<br />

später Fünfzehn berührten, im Mittelpunkt: z. B.<br />

1991IraksAngriffaufKuwait,derKriegimehemaligen<br />

Jugoslawien, aber auch die Entwicklung in der<br />

Russischen Föderation und der Gemeinschaft Unabhängiger<br />

Staaten (GUS).<br />

Das Engagement für die Beendigung der Apartheid<br />

in Südafrika und den Friedensprozess im Nahen Osten<br />

bildeten über viele Jahre einen deutlichen<br />

Schwerpunkt. Immer größere Bedeutung kam der<br />

Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen, der Organisation<br />

über Sicherheit und Zusammenarbeit in<br />

Europa (OSZE) und anderen internationalen Foren<br />

zu, wobei das Eintreten für die Menschenrechte und<br />

die Demokratisierungsprozesse in aller Welt ebenso<br />

wie die Abrüstung und die Ausgestaltung der sicher-<br />

250<br />

heitspolitischen Zusammenarbeit im Vordergrund<br />

standen.<br />

4. Instrumente, Struktur und Verfahren der EPZ, die<br />

auch für die praktische Zusammenarbeit im Rahmen<br />

der GASP noch von Bedeutung sind<br />

4.1 Instrumente: Zur Umsetzung ihrer Ziele bedienten<br />

sich die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten<br />

verschiedenster Instrumente:<br />

– Formelle Erklärungen verdeutlichten nicht nur den<br />

betroffenen Staaten die Haltung der Gemeinschaft<br />

und ihrer Mitgliedstaaten, sondern bildeten für DrittstaatenzunehmendeineReferenzebenezurOrientierung<br />

für ihr eigenes Vorgehen.<br />

– Demarchen der Troika (deren Zusammensetzung<br />

seit Nizza jedoch nicht mehr aus dem vorherigen, gegenwärtigen<br />

und nachfolgenden Vorsitz besteht) in<br />

einem Drittland dienten der Unterrichtung der Gastregierung<br />

über die Einschätzung einer Situation<br />

durch die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten,<br />

übermittelten häufig Appelle (vor allem, wenn es um<br />

den Schutz von Menschenrechten und die Förderung<br />

von Demokratisierungsprozessen ging), aber auch<br />

Warnungen, die bis zur Androhung von Sanktionen<br />

reichen konnten. Sie erfolgten vertraulich, wenn die<br />

„stille Diplomatie“ erfolgversprechender erschien,<br />

ihre Durchführung und ihr Inhalt konnte aber auch<br />

veröffentlicht werden.<br />

– Entsendung von Missionen zur Beobachtung von<br />

Demokratisierungsprozessen und Wahlen (z. B. die<br />

ECOMSA in Südafrika), aber auch von Waffenstillständen<br />

(ursprüngliche Aufgabe der EG-Monitoren<br />

im ehemaligen Jugoslawien).<br />

– Abstimmung von Erklärungen, aber auch des<br />

Stimmverhaltens und zunehmend auch der Kandidatenaufstellung<br />

bei internationalen Konferenzen und<br />

in internationalen Organisationen.<br />

4.2 Strukturen und Verfahren: Die Erarbeitung und<br />

Verwirklichung einer europäischen Außenpolitik<br />

vollzog sich seit der Endphase der EPZ auf vier Ebenen:<br />

a) Die Arbeitsebene der Mitgliedstaaten und der<br />

Kommission tauschten täglich Informationen, Meinungen<br />

und Analysen aus, die der Bildung eines<br />

�Gemeinsamen Standpunktes dienten, der wiederum<br />

die Referenzebene für das eigene außenpolitische<br />

Handeln bildete. Dazu bediente sich der Vorsitz,<br />

von dem die meisten Initiativen ausgingen, aber<br />

auch die Mitgliedstaaten, die Kommission und das<br />

EPZ-Sekretariat des abgeschirmten COREU-Sys-


tems, das sternförmig direkt und gleichzeitig allen<br />

Teilnehmern verschlüsselte Fernschreiben übermittelte.<br />

Vertreter der Arbeitsebene trafen sich außerdem<br />

ein- bis sechsmal im Halbjahr in mehr als 25 Arbeitsgruppen,<br />

um im unmittelbaren Gespräch die<br />

Meinungsbildung abzurunden und dem Politischen<br />

Komitee (s. u.) Beschlussempfehlungen zu geben.<br />

Neben den sieben Arbeitsgruppen mit regionaler ZuständigkeitwurdeinanderenArbeitsgruppendieZusammenarbeit<br />

in den Vereinten Nationen, der OSZE<br />

und in den verschiedenen Abrüstungsbereichen abgestimmt.<br />

Neben weiteren Gruppen mit Querschnittsaufgaben<br />

standen solche, die sich mit der<br />

praktischen Zusammenarbeit der Auslandsvertretungen<br />

und der Außenministerien in Drittstaaten befassten.<br />

b) Das Politische Komitee, das sich aus den Politischen<br />

Direktoren (Leitern der oder einer der Politischen<br />

Abteilungen) der Außenministerien und der<br />

Kommission zusammensetzte, billigte bei seinen<br />

monatlichen Zusammenkünften die in den Berichten<br />

der Arbeitsgruppen enthaltenen Vorschläge und beschloss<br />

auf deren Grundlage Maßnahmen (z. B. Erklärungen,<br />

Demarchen etc.). Im Vordergrund standen<br />

jedoch zumeist die Behandlung aktueller Krisen<br />

und darauf bezogene Vorschläge für die im (Allgemeinen)<br />

Rat tagenden Außenminister.<br />

c) Die Außenminister hatten sich bei den vier jährlichen<br />

EPZ-Ministertreffen, seit Ende der 1980er Jahre<br />

aber praktisch am Rande jedes monatlichen Treffens<br />

des Rates (für Allgemeine Angelegenheiten)<br />

mit außenpolitischen Fragen befasst, Grundsatzfragen<br />

diskutiert und Entscheidungen getroffen, für die<br />

beim Politischen Komitee kein Konsens erzielt werden<br />

konnte.<br />

d) Obwohl der Europäische Rat formal kein Organ<br />

der EPZ war, hatte er sich seit seiner ersten Sitzung<br />

1974 zunehmend mit besonders wichtigen außenpolitischen<br />

Fragen befasst und entscheidende Impulse<br />

nicht nur für die Außenbeziehungen, sondern auch<br />

für die Weiterentwicklung der EPZ gegeben (zuletzt<br />

durch Einsetzung der Konferenz über die Politische<br />

Union am 15. 12. 1990 in Rom).<br />

e) Die Zusammenarbeit in der EPZ/GASP war nicht<br />

völlig auf sich selbst bezogen, ihr Erfolg und ihr Ansehen<br />

in der Welt waren in hohem Maße auch vom<br />

unmittelbaren Kontakt mit der „Außenwelt“ abhängig.<br />

Der „politische Dialog“, der mit sieben Staatengruppen<br />

und mit Staaten im Rahmen der EPZ/GASP<br />

Europäische Politische Zusammenarbeit<br />

vereinbart wurde, diente nicht nur der gegenseitigen<br />

UnterrichtungunddemMeinungsaustausch.Erführte<br />

zunehmend zu einer Abstimmung von Haltungen<br />

und Maßnahmen in Einzelfällen über den Kreis der<br />

EG/EU-Mitgliedstaaten hinaus, was nicht nur dem<br />

besseren gegenseitigen Verständnis diente, sondern<br />

die Einwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten auf<br />

die internationalen Beziehungen zumeist merklich<br />

erhöhte.<br />

5. Einfluss auf andere Regionalorganisationen: Die<br />

Strukturen der EU wurden von der Afrikanischen<br />

Union (Gründung 2002) und der Gemeinschaft Südamerikanischer<br />

Staaten (Gründung 2004, umschließt<br />

Mercosur und die Andengemeinschaft) im<br />

ersten Fall umfassend, im zweiten Fall in Ansätzen<br />

nachgebildet. Die AU hat sogar einen Friedens- und<br />

Sicherheitsraterrichtet,dervorallemimKonfliktum<br />

die Darfur-Provinz im Sudan aktiv wurde. Die ASE-<br />

AN-Staaten schufen 2004 eine „ASEAN Security<br />

Community“ und vereinbarten eine engere Kooperation<br />

in Sicherheitsfragen. Dennoch ist es bisher – soweit<br />

ersichtlich – nicht zu einer regelmäßigen, strukturierten<br />

Zusammenarbeit der Außenministerien der<br />

jeweiligen Mitgliedsstaaten gekommen, die, dem<br />

Vorbild der EPZ oder der GASP folgend, von unten<br />

Schritt für Schritt und den tatsächlichen Erfordernissen<br />

entsprechend aufgebaut würde und eine kontinuierliche<br />

Abstimmung des außen- und sicherheitspolitischen<br />

Vorgehens zum Ziel hätte.<br />

6. Wertung: Die EPZ hatte sich organisch entwickelt<br />

und dabei eine Dichte der außenpolitischen Zusammenarbeit<br />

erzeugt, die schon beim Übergang von der<br />

EPZ zur GASP 1993 weltweit ihresgleichen suchte.<br />

Da sie als zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf<br />

Konsensfindung angewiesen war, wurde ihr vorgehalten,<br />

dass sich ihre Kraft und Kreativität vielfach<br />

darin erschöpfte, den kleinsten gemeinsamen Nenner<br />

zu finden, so dass Maßnahmen geringe Wirkung<br />

inderSacheerzeugtenundhäufigzuspätkamen.Dabei<br />

wurde jedoch übersehen, dass diese Abstimmung<br />

auf einem immer höheren Niveau gemeinsamer<br />

Überzeugungen erfolgte, was den Abstimmungsprozess<br />

in der großen Mehrzahl der Fälle beschleunigte<br />

und selbst dort zu einem weitgehend übereinstimmendenVerhaltenführte,woeinnachaußensichtbarer<br />

oder formaler Konsens schließlich doch nicht erreichtwerdenkonnte.<br />

H.-W. B.<br />

Literatur: Kaufmann-Bühler, W./Meyer-Landrut, N.: Kommentierung<br />

zu Artikel J. In: Grabitz./Hilf: Kommentar zum EUV<br />

251


Europäische Polizeiakademie<br />

Pijpers, A. u. a.(Hg.): Die EPZ in den 80er Jahren. Eine<br />

gemeinsame Außenpolitik für Westeuropa? Bonn 1989<br />

Regelsberger, E.: Die EPZ. In: Weidenfeld, W./Wessels, W.<br />

(Hg.): Jahrbuch der Europäischen Integration. Bonn 1987 ff.<br />

Europäische Polizeiakademie (EPA, Collège Européen<br />

de Police, CEPOL). Die Polizeiakademie<br />

wurde auf Empfehlung des Europäischen Rats von<br />

Tampere (15./16. 10. 1999) durch Beschluss der Justiz-<br />

und Innenminister vom 22. 12. 2000 (2000/<br />

820/JI, ABl. L 336/2000) gegründet. Die Akademie<br />

ist konstituiert als Netz der nationalen Polizeischulen<br />

für hochrangige Führungskräfte und bietet AusbildungskurseaufgemeinsamenStandardsan.Sieist<br />

Teil der Maßnahmen zur Verwirklichung des<br />

�Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.<br />

Sitz des Sekretariats der EPA ist Bramshill in Großbritannien.<br />

Anschrift: Bramshill House, Hook, Hampshire RG27 OJW,<br />

U.K.<br />

Internet: www.cepol.net<br />

Europäische Rechnungseinheit(ERE;European<br />

Unit of Account). 1960 als „Rechnungseinheit“ (RE)<br />

eingeführte Verrechnungsgröße zum Vergleich und<br />

zur Umrechnung von Geldbeträgen der (seit 1958<br />

konvertiblen) Währungen in den Mitgliedstaaten der<br />

OEEC (heute OECD), die 1955 das �Europäische<br />

Währungsabkommen unterzeichnet hatten (ab 27.<br />

12. 1958 Nachfolger der 1950 geschaffenen �Europäischen<br />

Zahlungsunion EZU). Ursprünglich identisch<br />

mit dem Wert des US-Dollars im Jahre 1960<br />

(0,88671 g Gold), seit 1971 mit dem Wert eines Sonderziehungsrechtes<br />

(SZR) des Internationalen Währungsfonds.<br />

Ab 1975 als „Europäische Rechnungseinheit“<br />

(ERE; Beschluss 75/250/EWG) die Verrechnungswährung<br />

der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft<br />

(EWG) und definiert als Korbwährung<br />

aus den Währungen der (damals neun) Mitgliedstaaten.<br />

Nach Errichtung des �Europäischen Währungssystems<br />

(EWS) 1979 wurde die ERE ersetzt durch<br />

die Währungseinheit �ECU (European Currency<br />

Unit), die ihrerseits mit Beginn der Währungsunion<br />

1999 im Verhältnis1:1durch den �Euro ersetzt worden<br />

ist.<br />

Europäische Rechtsakademie Trier (ERA), öffentliche<br />

Stiftung des Privatrechts, gegründet 1992.<br />

Fortbildungs- und Diskussionsstätte für Juristen aus<br />

ganz Europa. Sie gibt eine thematisch geordnete<br />

252<br />

Schriftenreihe sowie die europarechtliche Fachzeitschrift<br />

ERA-Forum heraus.<br />

Anschrift: ERA, Metzer Allee 4, D-54295 Trier.<br />

Internet www.era.int<br />

Europäische Rechtsakademie des Nordens.<br />

Abteilung der Europäischen Akademie Schleswig-<br />

Holstein. Fortbildungsseminare für Rechtsanwälte<br />

und Kanzleimitarbeiter.<br />

Anschrift: 24988 Sankelmark (bei Flensburg)<br />

Europäische Rektorenkonferenz(Confederation<br />

of European Rectors Conferences, CRE). Nach zunächst<br />

bi- und multilateralen Treffen der nationalen<br />

Rektorenkonferenzenwurde1959inDijondieGründung<br />

einer Europäischen Rektorenkonferenz beschlossen<br />

und 1964 in Göttingen vollzogen.<br />

Ziel ist es, die Kommunikation unter den Hochschulen<br />

zu fördern und auf Basis umfassender Zusammenarbeit<br />

nach Lösungen gemeinsamer Probleme<br />

zu suchen.<br />

CRE und die �Konföderation der Rektorenkonferenzen<br />

der EU haben sich im März 2001 in Salamanca<br />

zur �European University Association (EUA) zusammengeschlossen.<br />

Die EUA vertritt die Universitäten<br />

bei der Umsetzung des Bologna-Programms<br />

(�Bologna-Prozess). Ihr gehören 759 der rd. 1000<br />

Universitäten in Europa an (Stand Januar 2005).<br />

W. M.<br />

Europäische Schulen werden gemeinsam von den<br />

Regierungen der EU-Staaten als öffentlich-rechtliche<br />

Einrichtungen gegründet. Grundlage ihrer Arbeit<br />

ist die „Satzung der Europäischen Schulen“, die<br />

am 12. 4. 1957 von den 6 Gründerstaaten der EWG<br />

unterzeichnet worden ist. Die Schulen nehmen im<br />

Kindergarten Kinder ab 4 Jahren auf und führen in 12<br />

Jahren (5 Jahre Primarstufe, 7 Jahre Sekundarstufe)<br />

zum Abitur, das in allen EU-Staaten anerkannt wird.<br />

Der Unterricht wird in verschiedenen �Amtssprachen<br />

der Europäischen Union abgehalten (z. B. in 7<br />

Sprachen in der Primarstufe der Europäischen Schule<br />

in München).<br />

Schülerinnen und Schüler sind vor allem Kinder von<br />

Beamten europäischer Organe und Institutionen.<br />

Gegen Bezahlung können auch Kinder anderer Eltern<br />

aufgenommen werden, sofern Plätze frei sind.<br />

2005 gibt es 13 Schulen mit rd. 16 000 Schülerinnen<br />

und Schülern.


Europäische Sicherheitsstrategie (ESS)<br />

Begriff:Vom �EuropäischenRat(ER)am12./13.12.<br />

2003 beschlossenes außen- und sicherheitspolitisches<br />

Grundsatzkonzept zur längerfristigen Ausrichtung<br />

der �GASP einschl. der �ESVP. Die Strategie,<br />

die in der maßgeblichen Verantwortung des<br />

�Hohen Vertreters (HR) erarbeitet wurde, geht davon<br />

aus, dass eine EU mit 25 Mitgliedstaaten und einer<br />

Bevölkerung von 450 Millionen Menschen, die<br />

mehralseinVierteldesWeltbruttosozialproduktserwirtschaften,<br />

zwangsläufig ein „globaler Akteur“<br />

ist. Erstmals nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />

1989/90 und den terroristischen Anschlägen<br />

gegen die USA im September 2001 definiert die EU<br />

mit der ESS in einem umfassenden Sinne ihre außenund<br />

sicherheitspolitischen Interessen und Ziele und<br />

stellt sie in Zusammenhang mit dem ihr zur Verfügung<br />

stehenden Handlungsinstrumentarium. Die<br />

ESS weist Europa den Weg von der weitgehend auf<br />

die (reaktive) Verteidigung territorialer Interessen<br />

ausgerichteten Außen- und Sicherheitspolitik der<br />

Ära des Kalten Kriegs und der Zeit bis zum Fall der<br />

Berliner Mauer (1989) zur Notwendigkeit einer (aktiven)<br />

Antwort auf die neuen „asymmetrischen“,<br />

nicht mehr allein von Staaten ausgehenden Bedrohungen<br />

und Herausforderungen der neuen „globalen“<br />

Weltordnung, die auf der Suche nach ihrem neuen<br />

Gleichgewicht ist. Nach der unterschiedlichen<br />

Bewertung der Notwendigkeit eines Engagements<br />

im „Irak-Krieg“ (2004) fanden die EU-Mitgliedstaaten<br />

mit der ESS erstmals wieder zu einer einheitlichenStimmeinderGASP.DieESSplädiertfüreine<br />

aktivere �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP). Sie spricht sich für den gezielten Einsatz<br />

desgesamtenderEUzurVerfügungstehendenSpektrums<br />

von diplomatischen über handels- und entwicklungspolitische<br />

Instrumenten bis hin zum militärischen<br />

Einsatz als letztem Mittel aus, um zu mehr<br />

Sicherheit und Stabilität in der Welt beizutragen.<br />

Ausdrücklich bekennt sich die EU in der ESS dazu,<br />

bei Gefahr im Verzug handeln zu müssen. Die ESS<br />

geht dabei von einem umfassenden Sicherheitsbegriffaus,derpolitischeundwirtschaftlicheGesichtspunkte<br />

ebenso umfasst, wie zivile und militärische<br />

Aspekte. Als Hauptbedrohungen macht die ESS den<br />

Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen,<br />

regionale Konflikte, staatliche Instabilität<br />

und Staatsversagen und die organisierte Kriminalität<br />

aus. Ziele der EU sind die Abwehr dieser Be-<br />

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

drohungen, die Stärkung der Sicherheit der EU v. a.<br />

in ihrer Nachbarschaft bis in den Nahen Osten und<br />

den Mittelmeerraum, sowie der Aufbau einer Weltordnung<br />

auf der Grundlage eines „wirksamen Multilateralismus“.<br />

Auf diese Weise führt die ESS unter<br />

dem Titel „Ein sicheres Europa in einer besseren<br />

Welt“ die außen- und sicherheitspolitischen Interessen<br />

der EU mit den gewachsenen politisch-ethischen<br />

Überzeugungen der EU zusammen. Die ESS steht in<br />

erkennbarem Gegensatz zur „Nationalen Sicherheitsstrategie“<br />

der USA vom September 2002, die<br />

den militärischen Ansatz in den Vordergrund stellt<br />

unddasinternationaleVölkerrechtunddieVereinten<br />

Nationen als „Option“ ihres Handlungsinstrumentariums<br />

versteht. Demgegenüber legt die ESS den<br />

Schwerpunkt auf das „präventive Engagement“ und<br />

hebt die Bedeutung der Wahrung und der Weiterentwicklung<br />

des Völkerrechts sowie die Achtung der<br />

ChartaderVereintenNationenhervor. U. S.<br />

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

(ESVP)<br />

1. Begriff und Ziele: Die „Europäische Sicherheitsund<br />

Verteidigungspolitik“ (ESVP) ist integraler Bestandteil<br />

der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) der EU. Ziele der GASP, die für<br />

die ESVP von hervorgehobener Bedeutung sind,<br />

sind ausweislich der einschlägigen Bestimmungen<br />

des EUV v. a. die „Stärkung der Sicherheit der Union<br />

in all ihren Formen“ und die „Wahrung des Friedens<br />

und die Stärkung der internationalen Sicherheit entsprechenddenGrundsätzenderChartaderVereinten<br />

Nationen ...“. Damit erfasst die ESVP sämtliche<br />

Aspekte, welche die Sicherheit der Union betreffen,<br />

nicht nur diejenigen, die sicherheits- oder verteidigungspolitische<br />

Gesichtspunkte im engeren Sinne<br />

betreffen (vgl. Art. 11 Abs. 1, Art. 17 EUV). Das Einsatzspektrum<br />

der ESVP ist in den sog. �„Petersberg-<br />

Aufgaben“ näher aufgeschlüsselt (vgl. Art. 17 Abs. 2<br />

EUV). Es umfasst humanitäre und Rettungseinsätze,<br />

friedenserhaltende Aufgaben und Kampfeinsätze<br />

bei der Krisenbewältigung einschl. friedensschaffenderMaßnahmen.ImGefolgederTerroranschläge<br />

in den USA am 11. 9. 2001 sind aufgrund der Entscheidung<br />

des Europäischen Rats (ER) in Sevilla<br />

2002 Aufgaben im Bereich der Terrorismusbekämpfung<br />

hinzugekommen. In der „Erklärung zur Stärkung<br />

der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“desERinKöln1999,derdiepolitische<br />

253


Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

„Geburtsstunde“ der ESVP markiert, verpflichtet<br />

sich die EU dazu, „entschlossen dafür einzutreten,<br />

dass die EU ihre Rolle auf der internationalen Bühne<br />

uneingeschränkt wahrnimmt“. Hierzu sollen der EU<br />

„die notwendigen Mittel und Fähigkeiten an die<br />

Hand (gegeben werden), damit sie ihrer Verantwortung<br />

im Zusammenhang mit einer europäischen Sicherheits-<br />

und Verteidigungspolitik gerecht werden<br />

kann“. Gemäß dem Vertrag von Nizza (2001) gehört<br />

dazu v. a. die schrittweise Übernahme der Rolle und<br />

Aufgaben der �Westeuropäischen Union (WEU)<br />

(vgl. Art. 17 EUV), die ein bis dahin von der NATO<br />

geprägtes und auf sie ausgerichtetes Bündnis war.<br />

Spätestens mit der Erklärung der vollen operationellenEinsatzfähigkeitderESVPdurchdenERinThessaloniki<br />

2003 sowie der bereits 2001 erfolgten Übernahme<br />

des �Satellitenzentrums (EUSZ) und des �Instituts<br />

für Sicherheitsstudien (EUISS) in die EU ist<br />

dieÜbernahmederoperativenAufgabenderWEUin<br />

die EU im Wesentlichen abgeschlossen. Die in der<br />

WEU verbliebene Beistandsklausel (Art. 5 WEU-<br />

Vertrag) soll mit dem Inkrafttreten des Europäischen<br />

�Verfassungsvertrags und der in ihr enthaltenen<br />

Beistandsklausel (Art. I-41 Abs. 7 VVE 2004) hinfällig<br />

werden. Verbliebene Zuständigkeiten im Rüstungsbereich<br />

werden schrittweise von der �Europäischen<br />

Verteidigungsagentur (EVA) übernommen<br />

werden.<br />

Mit der ESVP beschreibt die EU einen historischen<br />

Wendepunkt in ihrer außen- und sicherheitspolitischen<br />

Entwicklung. Zwar bleibt europäische Sicherheits-<br />

und Verteidigungspolitik auch in der ESVP bis<br />

auf weiteres intergouvernemental organisiert. Die<br />

EinsichtderMitgliedstaatenindieNotwendigkeiteines<br />

eng aufeinander abgestimmten gemeinsamen<br />

Handelns und die Strukturen, die hierfür seit dem ER<br />

inKöln1999inBrüsselgeschaffenwordensind,sind<br />

nicht zuletzt auch unter dem Gesichtspunkt der Vertiefung<br />

der europäischen Integration beachtlich. Der<br />

EUV (Nizza) hält ausdrücklich die Perspektive offen,<br />

diese Zusammenarbeit „schrittweise ... (zu) einer<br />

gemeinsamen Verteidigungspolitik“ auszubauen<br />

(Art. 17 Abs. 1).<br />

2. Historische Entwicklung: Der Weg zur ESVP war<br />

„steinig“.DieAngstvoreinemSouveränitätsverlust,<br />

die bereits das Scheitern der �Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />

(EVG) 1954 kennzeichnete,<br />

und die Garantiefunktion der NATO für Stabilität<br />

und Sicherheit in Europa hemmte ungeachtet der<br />

254<br />

rasch voranschreitenden wirtschaftlichen Integration<br />

Europas über Jahrzehnte die Zusammenarbeit in<br />

sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen im<br />

europäischen Rahmen. Erst im Zusammenhang mit<br />

dem Zerfall Jugoslawiens und insbes. mit der Kosovo-Krise<br />

Ende der 1990er Jahre setzte sich unter den<br />

EU-Mitgliedstaaten mit Nachdruck die Erkenntnis<br />

durch,dassdieEUfürStabilitätundSicherheitinund<br />

um Europa selbst die Verantwortung tragen muss.<br />

Damit einher wuchs schrittweise auch die Überzeugung,<br />

dass es hierzu gleichermaßen geeigneter<br />

Strukturen sowie ausreichender Fähigkeiten bedarf.<br />

Damit aber geriet die ESVP unweigerlich in die Auseinandersetzung<br />

über die Zukunft der nach der<br />

Überwindung des Ost- / Westkonflikts ebenfalls unter<br />

Anpassungsdruck stehenden NATO und die längerfristige<br />

Perspektive für das transatlantische Verhältnis,<br />

das im Lichte gewandelter Realitäten seinerseitsneuausgerichtetund-gewichtetwerdenmusste.<br />

Ein entscheidender Meilenstein im Streit zwischen<br />

„Atlantikern“ und „Europäern“ war die Verständigung<br />

zwischen Großbritannien und Frankreich von<br />

St. Malo im Dezember 1998, die eine Annäherung<br />

Frankreichs an die NATO zum Ausdruck brachte,<br />

aber auch die gewachsene Überzeugung Großbritanniens<br />

widerspiegelte, dass zur Übernahme einer größeren<br />

sicherheits- und verteidigungspolitischen<br />

Verantwortung der EU auch (militärische) Fähigkeiten<br />

notwendig waren. Eine weitere Annäherung<br />

brachte der Abschluss der �EU-NATO Dauervereinbarungen<br />

im März 2003 (kurz „Berlin Plus“ gen.),<br />

mitdenendieEUfürvonihrgeführteOperationeneinen<br />

gesicherten Rückgriff auf NATO-Mittel und<br />

-Fähigkeitenerhielt,ohnedassdieNATOfürsichein<br />

Erstentscheidungsrecht für ein Tätigwerden in einer<br />

Krise beanspruchte.<br />

Heute baut die Entwicklung der ESVP nach allgemeinem<br />

Verständnis auf der Überzeugung auf, dass<br />

sich ESVP und NATO in ihrem Streben nach Gewährleistung<br />

oder Herstellung internationaler Sicherheit<br />

ergänzen, was allerdings das „Aufbrechen“<br />

alter Streitlinien nicht ausschließt und weitere Anpassungen<br />

und Abstriche auf beiden Seiten – in der<br />

EU und auch des Atlantiks – erfordern wird, sollen<br />

die gewünschten Synergien zwischen ESVP und<br />

NATO in vollem Umfang erzielt und dauerhaft abgesichert<br />

werden. Mit Blick auf die festgefahrenen<br />

„formalen“ Positionen in der Erweiterungsproblematik<br />

(Türkei /Zypern) sollen in Zukunft vermehrt


auch informelle EU/NATO-Ministertreffen dazu<br />

dienen die Handlungsfähigkeit im „Sicherheitsdreieck“<br />

EU–NATO–USA (CDN) langfristig sicherzustellen.<br />

Ziel der ESVP bleibt bei alledem, die GASP<br />

auch durch die Bereitstellung einer „autonomen“,<br />

d. h. von der NATO losgelösten militärischen Handlungsfähigkeit<br />

zu stärken und die Integration der EU<br />

andernochoffenen„Flanke“derAußen-undSicherheitspolitik<br />

zielstrebig voranzutreiben. Je zielstrebiger<br />

und nachhaltiger der Ausbau der ESVP gelingt,<br />

umso effektiver kann die EU bspw. im Rahmen der<br />

Vereinten Nationen, im Zusammenwirken mit der<br />

OSZE oder bei der Unterstützung regionaler Partner<br />

wie der Afrikanischen Union ihren Beitrag zu internationaler<br />

Sicherheit und Stabilität leisten. Dabei<br />

wird es im Vergleich mit anderen Partnern im internationalen<br />

Krisenmanagement der „komparative<br />

Vorteil“ der EU bleiben, dass sie ungeachtet ihrer<br />

wachsendenmilitärischenFähigkeitenübereinweitreichendes<br />

Instrumentarium vor allem an zivilen<br />

Handlungsinstrumenten, und hier insbes. auch im<br />

Bereich der Konfliktprävention verfügt. Auf die<br />

Spannbreite dieses Instrumentariums angesichts eines<br />

nachhaltig veränderten internationalen Bedrohungspotentials<br />

macht nicht zuletzt die �Europäische<br />

Sicherheitsstrategie (ESS) aufmerksam, mit der<br />

die EU 2003 im Lichte der terroristischen Anschläge<br />

auf das World Trade Center in New York und das<br />

Pentagon erstmals in einem umfassenden Sinne ihre<br />

außen- und sicherheitspolitischen Interessen und<br />

Ziele festgelegt hat.<br />

3. Strukturen: Die Strukturen, die für eine effektive<br />

ESVP notwendig sind, hat die EU nach den entsprechenden<br />

Grundsatzbeschlüssen des ER Köln 1999<br />

zunächst interimistisch eingerichtet, mit deren Bestätigung<br />

durch den ER in Nizza 2000 dann aber zügig<br />

auf eine dauerhafte Grundlage gestellt. Zentrales<br />

politisches Steuerungs- und (in eingeschränktem<br />

Maße) Entscheidungsgremium in der ESVP unterhalb<br />

der Ebene des �Rats ist dabei das �Politische<br />

und Sicherheitspolitische Komitee (PSK). Das PSK<br />

nimmt im Rahmen der ESVP unter der Verantwortung<br />

des Rats die politische Kontrolle und strategische<br />

Leitung von Operationen wahr, und kann vom<br />

Rat in diesem Zusammenhang ermächtigt werden,<br />

im konkreten Fall auch geeignete Beschlüsse zu fassen.<br />

Dem PSK steht als Arbeitsarm auf der militär-politischen<br />

Seite die �Politisch-militärische Arbeitsgruppe<br />

(PMG) und auf der zivilen Seite der sog.<br />

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

�Ausschuss für nichtmilitärische Aspekte des Krisenmanagements<br />

(CivCom) zur Verfügung. Höchstes<br />

militärisches Gremium der EU ist der �Militärausschuss<br />

(EUMA), in dem die Chefs der Stäbe, regelmäßig<br />

vertreten durch ihre Delegierten, in Brüssel<br />

zusammentreten. Auch der EUMA wird durch<br />

eine Arbeitsgruppe unterstützt (EU-Military Committee<br />

Working Group/ EUMCWG). Im Ratssekretariat<br />

sind neben der Generaldirektion Außenbeziehungen<br />

(DGE), die Untergliederungen sowohl für<br />

die zivile (darunter eine sog. „Polizei-Einheit“), als<br />

auch für die militärische ESVP unterhält, v. a. der<br />

�Militärstab der EU (EUMS), einschl. der �zivil-militärischen<br />

Zelle mit Fragen der ESVP befasst.<br />

Die �Strategieplanungs- und Frühwarneinheit (kurz<br />

„Politikeinheit“ gen.) ist aufgrund ihrer horizontalen<br />

Ausrichtung regelmäßig mit übergeordneten Aspekten<br />

der GASP/ESVP betraut, während das �EU-<br />

Lagezentrum im Rahmen der ESVP v. a. als „Rundum-die-Uhr“-Frühwarninstanz<br />

sowie zur Bewertung<br />

krisenhafter Entwicklungen und in konkreten<br />

Kriseneinsätzen zur Geltung kommt. Das �SatellitenzentrumderEU(EUSZ)trägtzurESVPmitInformationen<br />

bei, die im Wesentlichen aus satellitengestützten<br />

Aufnahmen sowie relevanten Zusatzinformationen<br />

gewonnen werden, während das �Institut<br />

für Sicherheitsstudien der EU (EUISS) auch kurzfristig<br />

Analysen mit akademischem Hintergrund anbieten<br />

kann. Mit der 2004 in Vorwegnahme eines<br />

entsprechenden Auftrags des Europäischen Verfassungsvertrags<br />

gegründeten sog. �Europäischen Verteidigungsagentur<br />

(EVA) hat sich die EU eine dauerhafte<br />

Struktur zur Koordinierung und Verbesserung<br />

ihrer Fähigkeiten im militärischen Bereich geschaffen.<br />

Hier kommt den Verteidigungsministern der<br />

Mitgliedstaaten der EU eine herausgehobene Bedeutung<br />

zu, die ansonsten, insbesondere auf der Ebene<br />

desRats,bisherlediglich„Rücken-an-Rücken“bzw.<br />

gemeinsam mit den Außenministern in der Formation<br />

des Rats „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“<br />

tagen. Welche Auswirkungen die<br />

mit dem Inkrafttreten des Europäischen �Verfassungsvertrages<br />

zu vollziehende Schaffung des Amts<br />

des �Europäischen Außenministers (EU-AM), der<br />

zugleich der vermeintliche „Verteidigungsminister“<br />

derEUseinwird,aufdieESVPhabenwird,bleibtabzuwarten.<br />

4. Fähigkeiten: Die Frage der Entwicklung ausreichender<br />

militärischer wie auch ziviler Fähigkeiten<br />

255


Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

stand – nicht zuletzt auch mit Blick auf die Glaubwürdigkeit<br />

der GASP insgesamt – von Anfang an im<br />

Mittelpunkt der Entwicklung der ESVP.<br />

a) Maßgeblicher Gesichtspunkt im militärischen Bereichsinddabeiauchwegendernurbegrenztvorhandenen<br />

personellen und sachlichen („one single set of<br />

forces“) sowie finanziellen Ressourcen Abstimmung<br />

und Interoperabilität mit den Streitkräften, die<br />

durch und für die NATO vorgehalten werden. Der<br />

ER Helsinki hatte 1999 ein militärisches „Planziel“<br />

(Helsinki Headline Goal) aufgestellt, das bis 2003<br />

die Schaffung einer �„Schnellen Eingreiftruppe“ für<br />

den Einsatz über die gesamte Bandbreite der „Petersberg<br />

Aufgaben“ vorsah. Hierzu sollten 50 000 bis<br />

60 000 Soldaten innerhalb von 60 Tagen verlegbar<br />

und mindestens für ein Jahr im Einsatz haltbar sein.<br />

Der ER Laeken konnte bereits 2001 eine erste Einsatzfähigkeit<br />

der ESVP feststellen. Der ER in Thessaloniki<br />

2003 stellte die volle operationelle Einsatzfähigkeit<br />

fest, wobei seine Aussage vor allem die<br />

quantitativen Ziele betraf. Neben einzelnen qualitativen<br />

Zielen sind auch die im Helsinki-Planziel ebenfalls<br />

enthaltenen sog. kollektiven Fähigkeitsziele<br />

noch nicht erreicht, die im Wesentlichen die Bereiche<br />

Streitkräfteführung, strategischer Transport und<br />

Aufklärung betreffen. Um die Entwicklung der Fähigkeiten<br />

laufend zu überprüfen und die Schnittstellen<br />

zu den Planungsmechanismen der NATO zu bestimmen<br />

und zu nutzen, wurde ein sog. „Mechanismus“<br />

eingerichtet (Capability Development Mechanism/CDM).DerimNovember2001vondenVerteidigungsministern<br />

der EU aufgestellte Europäische<br />

AktionsplanzudenFähigkeiten(EuropeanCapabilityActionPlan/ECAP)sollausgemachteLückenaufspüren<br />

und zu ihrer weiteren zielstrebigen Beseitigung<br />

beitragen. Ein Beitrag zur Schließung der FähigkeitslückewurdedurchdieEnde2004begonnene<br />

Aufstellung von �Gefechtsfeldverbänden geleistet.<br />

Weitere Abhilfe erhofft man sich durch die Maßnahmen<br />

zur Harmonisierung und Förderung der militärischen<br />

Fähigkeiten der Europäischen Verteidigungsagentur<br />

(EVA), deren Aufbau der Rat im November<br />

2004 beschlossen hat. Mit dem vom ER im Juni 2004<br />

gebilligten „Planziel 2010“ wird der Aufbau der Fähigkeiten<br />

weiter vorangetrieben, wobei die Anforderungen,<br />

die mit der Verabschiedung der Europäischen<br />

Sicherheitsstrategie und jenen des EU-Verfassungsvertrages<br />

hinzu gekommen sind, berücksichtigt<br />

werden.<br />

256<br />

b) Im zivilen Bereich prägten die ER in Feira 2000<br />

und Göteborg 2001 die Ambitionen der EU. In der<br />

Öffentlichkeit häufig weniger prominent wahrgenommen<br />

als militärische Einsätze, haben die bisherigen<br />

Erfahrungen deutlich gemacht, dass gerade die<br />

Leistungsfähigkeit der EU im zivilen Bereich notwendig<br />

und nachgefragt ist. In Feira verständigte<br />

sich die EU auf die Stärkung der zivilen Krisenmanagementfähigkeiten<br />

insbes. im Bereich der Polizei. In<br />

Göteborg wurde das Handlungsspektrum auf die Bereiche<br />

Rechtsstaatlichkeit, Zivilverwaltung und Zivilschutzerweitert.AlskonkreteZielewurdeninden<br />

genannten Bereichen festgelegt, dass bis zum Jahre<br />

2003 5000 Polizisten, 200 Richter, Staatsanwälte<br />

und sonstige Rechtsexperten kurzfristig zu einem<br />

Pool zusammenstellbar und entsendbar sein müssen.<br />

Darüber hinaus sollten sog. Evaluierungsteams, die<br />

innerhalb von drei bis sieben Stunden entsendbar<br />

sein müssen, und kurzfristig einsetzbare Interventionsteams<br />

von bis zu 2000 Personen aufgebaut werden.<br />

Bereits ein Jahr später waren die Ziele durch die<br />

Beitragszusicherungen der Mitgliedstaaten deutlich<br />

übertroffen. 2004 wurden die Schwerpunktbereiche<br />

um die Aspekte Unterstützung für EU-�SonderbeauftragteundÜberwachung(„monitoring“)ergänzt.<br />

5. Operationen: Die EU hat sich im Bereich der<br />

ESVP, nimmt man Überwachungsmissionen wie die<br />

im ehemaligen Jugoslawien (EU Monitoring Mission/EUMM)<br />

und Krisenmanagementübungen aus, in<br />

bisher elf Operationen engagiert, wovon sieben Einsätze<br />

dem „zivilen“ und drei Operationen dem militärischen<br />

Krisenmanagement zuzuordnen sind; eine<br />

Mission ist „gemischter“ Natur. Ausgangspunkt bildete<br />

die 2003 begonnene Polizeimission in Bosnien<br />

und Herzegowina (EU Police Mission/EUPM), mit<br />

der die EU die Internationale Polizeieinsatztruppe<br />

der Vereinten Nationen (International Police Task<br />

Force/IPTF) durch vielseitige Beratungs-, Überwachungs-<br />

und Kontrolltätigkeit mit dem Ziel einer<br />

weiteren Stabilisierung der Lage vor Ort ablöste.<br />

2003 kam – in Nachfolge der NATO-Operation „Allied<br />

Harmony“ – die erste militärische Operation zur<br />

Absicherung des Verfassungsprozesses in Mazedonien<br />

hinzu („Ohrid-Abkommen“).<br />

Diese CONCORDIA genannte Operation erfolgte<br />

unter Rückgriff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten<br />

(�„Berlin Plus“), wodurch die EU gleich zu Beginn<br />

der operativen militärischen ESVP deutlich machte,<br />

dass sie an einer engen Weiterentwicklung der trans-


atlantischen Sicherheitspartnerschaft interessiert<br />

war. 2003 führte die EU zur Überbrückung eines<br />

temporären Defizits bei den VN-Streitkräften im<br />

Nordosten des Kongo (MONUC) eine auf wenige<br />

MonatebeschränkteOperation(gen.ARTEMIS)zur<br />

Stabilisierung des Sicherheitsumfelds und der Verbesserung<br />

der humanitären Lage in der Provinz Ituri/Bunia<br />

durch. Auf die Durchführung dieser Operation<br />

hatte vor allem Frankreich, aber auch Belgien<br />

gedrängt, um möglichst im frühen Stadium der Entwicklung<br />

der ESVP auch die „autonome“, d. h. von<br />

der NATO unabhängige Handlungsfähigkeit der militärischen<br />

ESVP unter Beweis zu stellen. Die Führung<br />

der Operation lag dabei wegen der bis dato nicht<br />

vorhandenen eigenen Kommando- und Führungsstrukturen<br />

der EU in den Händen der „Führungsnation“<br />

Frankreich. 2004 wurde mit Auslaufen der<br />

EU-Militäroperation CONCORDIA eine Polizeimission<br />

(genannt PROXIMA) in Mazedonien installiert,<br />

die sicherstellen sollte, dass der staatliche Konsolidierungsprozess<br />

durch den Abzug der Militärmission<br />

nicht ins Stocken geriet und die verdeutlichte,<br />

wie breit angelegt und eng verzahnt die einzelnen<br />

Handlungsinstrumente der ESVP zum Einsatz gelangen<br />

können. Mit der ebenfalls 2004 begonnenen<br />

und inzwischen erfolgreich abgeschlossenen Operation<br />

EUJUST THEMIS in Georgien, die im Wesentlichen<br />

aus Experten aus dem Justizbereich besteht,<br />

schuf die EU im Bereich der zivilen ESVP einen neuen<br />

„Typus“ von Mission. Zur „Nachbereitung“ dieser<br />

Mission wurde vorübergehend das Team des<br />

�EU-Sonderbeauftragten für den Südlichen Kaukasus<br />

personell verstärkt, wodurch dieses Vertragsinstrument<br />

der GASP über sein bisher im Kern „politisch“<br />

bestimmtes Mandat operativ erweitert wurde.<br />

Inzwischen sind als weitere reine Beratungsmissionen<br />

im Bereich der nicht-militärischen ESVP die<br />

Justiz- und Polizeimission EUJUST LEX für den<br />

Irak sowie die beiden Missionen für den Bereich Polizei<br />

bzw. den Sicherheitssektor des Kongo, EUPOL<br />

KinshasaundEUSECKongo,installiertworden.Mit<br />

der („gemischten“) Unterstützungsmission zum<br />

Aufbau der AMIS II-Mission der Afrikanischen<br />

Union im Sudan, die sowohl zivile als auch militärische<br />

Komponenten enthält und der Beobachtermission<br />

zur Überwachung des Friedensabkommens<br />

zwischenRebellenundderindonesischenRegierung<br />

inAceh,diebeideMitte2005aufgenommenwurden,<br />

betritt die ESVP jeweils weiteres Neuland. Die bis-<br />

Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik<br />

lang (Stand Mitte 2005) letzte militärische ESVP-<br />

Operation, die zugleich auch die bisher quantitativ<br />

wie qualitativ anspruchsvollste ist, wurde mit der<br />

Nachfolgemission für die NATO-SFOR Mission in<br />

Bosnien und Herzegowina zum Jahresende 2004 begonnen.<br />

Diese ALTHEA genannte Operation findet<br />

erneut unter Zuhilfenahme von NATO-Mittel und<br />

-Fähigkeiten statt. Angesichts der zahlreichen KrisenherdeunddesBedarfsanMaßnahmenimBereich<br />

der Konfliktprävention bspw. im Mittleren und Nahen<br />

Osten (Irak, Nahost-Friedensprozess), aber auch<br />

im Osten Europas (bspw. Ukraine, Moldau, Süd-<br />

Ossetien,Georgien,Berg-Karabach)sowieinAfrika<br />

(bspw. Somalia, Kongo, Elfenbeinküste) wird die<br />

EU auch in der nahen und mittleren Zukunft durch<br />

Einsätze im Bereich der ESVP zivil wie militärisch<br />

gefordert bleiben. Der �Gemeinsame Standpunkt<br />

der EU zur Stärkung afrikanischer Krisenmanagementfähigkeiten<br />

aus dem Jahre 2001, der ausdrücklich<br />

auch den Einsatz operativer Mittel aus dem Bereich<br />

der ESVP im Einzelfall und wo erforderlich in<br />

Aussicht stellt, macht dabei deutlich, dass sich die<br />

EU in diesem Zusammenhang in besonderer Weise<br />

auch der Stärkung der Eigenverantwortung des afrikanischen<br />

Kontinents zuwenden wird.<br />

6. Finanzierung: Der EUV stellt mit Art. 28 eine nur<br />

begrenzt aussagekräftige Berufungsgrundlage für<br />

die Finanzierung der ESVP zur Verfügung. Für das<br />

zivile Krisenmanagement gilt gem. Art. 28 die Regel,<br />

dass die Ausgaben einer Operation grundsätzlich<br />

dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaft<br />

zur Last fallen. Von dieser Regel kann der Rat einstimmig<br />

Ausnahmen treffen (Art. 28 Abs. 3 Unterabs.<br />

1). Für die militärische ESVP sieht der EUV<br />

(Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2) als Regel vor, dass alle<br />

operativenAusgabenvondenMitgliedstaatenzutragen<br />

sind, wobei für die Verteilung der Kosten als Regel<br />

der Bruttosozialprodukt-Schlüssel maßgeblich<br />

ist. Für beide Kostenkategorien hat der Rat Richtlinien<br />

erlassen. Kosten ziviler Krisenmanagementoperationen<br />

werden danach regelmäßig sowohl aus<br />

dem EG-Haushalt (�GASP-Haushalt) als auch – wegen<br />

der begrenzten Ausstattung der GASP-Linie –<br />

von den Mitgliedstaaten getragen. Dabei werden die<br />

Dienstbezüge für Personal, das zu Operationen entsandt<br />

wird, grundsätzlich von den Mitgliedstaaten<br />

getragen werden, während alle anderen Kosten nach<br />

Möglichkeit dem EG-Haushalt belastet werden sollen.<br />

Eine weitergehende Kostentragung durch die<br />

257


Europäische Sozialcharta<br />

Mitgliedstaaten kommt nach der Richtlinie nur in<br />

Betracht, wenn eine Kostentragung durch die EG<br />

(bspw. durch Mittelübertragung oder die Inanspruchnahme<br />

der sog. „Soforthilfereserve“) nicht<br />

möglich ist. Für die operativen Kosten militärischer<br />

Operationen gilt gem. der Richtlinie in Abweichung<br />

vonderRegel,dassdieKostendortzutragensind,wo<br />

sie anfallen („costs-lie-where-they-fall“-Prinzip).<br />

Für die besonders kostenträchtigen Ausgaben wie<br />

bspw. Transport, Unterkunft und Verpflegung der<br />

Truppen muss der Rat im Einzelfall entscheiden, ob<br />

sie von den Mitgliedstaaten gemeinsam oder von<br />

dem gestellenden Mitgliedstaat jeweils allein getragenwerdensollen.Fürdiesog.Gemeinkosten,zudenen<br />

auch die Kosten für Übungen zählen, wurde mit<br />

Beschluss des Rats vom Februar 2004 ein sog. (Verwaltungs-)„Mechanismus“<br />

(gen. ATHENA) eingerichtet.<br />

Der Mechanismus verpflichtet die teilnehmenden<br />

Staaten, bereits in der Anlaufphase einer<br />

Operation Beiträge an den Mechanismus zu leisten<br />

(Vorfinanzierung). Einer dauerhaften Regelung<br />

noch zugeführt werden muss dabei die Zuordnung<br />

von Kosten für Einsätze bzw. Leistungen der EU im<br />

Rahmen der ESVP, die nicht Operationen im „klassischen“<br />

Sinne sind. Hier scheidet eine Finanzierung<br />

aus EG-Mitteln (GASP-Linie) wegen des militärischenBezugsebensoaus,wiemangelsEinordnungsmöglichkeit<br />

als „Operation“ im engeren Sinne eine<br />

Finanzierung aus dem „Mechanismus“.<br />

7. Beziehungen zur NATO: �Strategische Partnerschaft<br />

EU/NATO, �EU/NATO-Dauervereinbarungen.<br />

U. S.<br />

Europäische Sozialcharta (des Europarats)<br />

1. Grundsätzliches. Die Europäische Sozialcharta<br />

schützt 19 grundlegende soziale und wirtschaftliche<br />

Rechte. Soziale Grundrechte im engeren Sinne umfassen<br />

die Rechte, die materielle staatliche Leistungen<br />

an die einzelnen Bürger zur sozialen Sicherung<br />

gegen persönliche Lebensrisiken beinhalten (Recht<br />

auf eine Mindestgarantie von Einkommen, Ausbildung,<br />

medizinischer Versorgung, Wohnen, Mindestsicherung<br />

gegen Altersarmut und häufig auch<br />

Recht auf Arbeit). Diese sozialen Grundrechte unterliegen<br />

der Einschränkung, dass der Staat in der Lage<br />

seinmuss,solcheLeistungenzuerbringen.Esistumstritten,obsieineinenKatalogvonGrundrechtengehören<br />

oder letztlich nur Sozialstaatsziele sein können.<br />

Im weiteren Sinne versteht man unter sozialen<br />

258<br />

Grundrechten diejenigen, bei denen es um den<br />

Schutz des Bürgers gegenüber dem Staat und gegenüber<br />

anderen gesellschaftlichen Akteuren handelt:<br />

Recht auf Schutz vor Diskriminierung, auf Gleichstellung<br />

von Frau und Mann, auf Freizügigkeit, auf<br />

Freiheit der Berufswahl, auf freien Zugang zur Bildung,<br />

auf kollektive Organisation und Verhandlung,<br />

auf Schutz der Individual- und Familiensphäre. SolchesozialenGrundrechtesindnachallgemeinenKriterien<br />

nicht von (staats-)bürgerlichen, politischen,<br />

wirtschaftlichen oder kulturellen Rechten abzugrenzen.<br />

Häufig werden soziale und wirtschaftliche<br />

Rechte zusammengefasst. Ebenso schwierig ist eine<br />

Hierarchisierung der Rechte, d. h. zu bestimmen,<br />

welche internationalen rechtlichen Normen zum<br />

Schutz der Person als „Grundrechte“ oder „Menschenrechte“<br />

zu bezeichnen sind.<br />

Bei Ausarbeitung der �Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

(1950) des �Europarats wurden<br />

soziale und wirtschaftliche Rechte weitgehend ausgeklammert.<br />

Nach langwierigen Beratungen unterzeichneten<br />

am 18. 10. 1961 in Turin 13 Mitgliedstaaten<br />

des Europarates die Europäische Sozialcharta,<br />

die am 26. 2. 1965 (nach Ratifizierung durch fünf<br />

Staaten) in Kraft trat und zwischenzeitlich von 26<br />

Mitgliedsländern ratifiziert und weiteren sechs Staaten<br />

unterzeichnet wurde (Stand Januar 2005).<br />

2. Inhalte. Die Sozialcharta nennt 19 „Rechte und<br />

Grundrechte“:<br />

1. Recht auf Arbeit; 2. Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen;<br />

3. Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen;<br />

4. Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt;<br />

5. Vereinigungsrecht; 6. Recht auf Kollektivverhandlungen;<br />

7. Recht der Kinder und Jugendlichen<br />

auf Schutz; 8. Recht der Arbeitnehmerinnen<br />

auf Schutz; 9. Recht auf Berufsberatung; 10.<br />

Recht auf berufliche Ausbildung; 11. Recht auf<br />

Schutz der Gesundheit; 12. Recht auf soziale Sicherheit;<br />

13. Recht auf soziale Fürsorge; 14. Recht auf Inanspruchnahme<br />

sozialer Dienste; 15. Recht der körperlich,<br />

geistig oder seelisch Behinderten auf berufliche<br />

Ausbildung, berufliche und soziale (Wieder-)Eingliederung;<br />

16. Recht der Familie auf sozialen,<br />

gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz; 17.<br />

Recht der Mütter und Kinder auf sozialen und wirtschaftlichen<br />

Schutz; 18. Recht auf Ausübung einer<br />

Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien;<br />

19. Recht der Wanderarbeitnehmer<br />

und ihrer Familien auf Schutz und Beistand.


Die Sozialcharta wurde mit dem am 5. 5. 1989 unterzeichneten<br />

Zusatzprotokoll um vier Artikel erweitert:<br />

Recht auf Chancengleichheit und Gleichbehandlung<br />

in Beruf und Beschäftigung ohne Diskriminierung<br />

aufgrund des Geschlechts; Recht der Arbeitnehmer<br />

auf Unterrichtung und Anhörung im Unternehmen;<br />

Recht auf Beteiligung an der Festlegung<br />

und Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der<br />

Arbeitsumwelt; Recht älterer Menschen auf sozialen<br />

Schutz. Die revidierte Fassung der Sozialcharta gewährt<br />

als zusätzliche Garantien die Rechte auf<br />

Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz,<br />

auf unentgeltlichen Primar- und Sekundarschulunterricht<br />

sowie auf Schutz vor Armut und sozialen<br />

Ausschluss. Diese revidierte Sozialcharta ist von 16<br />

Staaten ratifiziert worden (Stand Ende 2004).<br />

Die in Teil I der Sozialcharta aufgelisteten 19 Rechte<br />

werden in Teil II konkretisiert durch 72 staatliche<br />

Verpflichtungen, welche die Gewährleistung der<br />

Rechte ermöglichen sollen. Die aufgeführten Rechte<br />

können nur dann eingeschränkt werden, wenn dieses<br />

zum „Schutze der Rechte und Freiheiten anderer<br />

oder zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und<br />

Ordnung, der Sicherheit des Staates, der Volksgesundheit<br />

und der Sittlichkeit notwendig“ (Art. 31,1)<br />

ist. Auf der Turiner Konferenz von 1991 wurden erste<br />

Schritte zur Erneuerung der Charta mit einem Protokoll<br />

eingeleitet, das die Kontrollmechanismen verändert<br />

und dem Ministerkomitee dabei größeren<br />

Spielraum einräumt. Seit 1993 spricht das Ministerkomitee<br />

regelmäßig Empfehlungen an die Adresse<br />

von Mitgliedstaaten aus, die Verpflichtungen der<br />

Charta nicht erfüllen.<br />

3. Verpflichtungen der Vertragsparteien und Überwachung<br />

der Einhaltung. Mit Rücksicht auf die verschiedenen<br />

Rechtssysteme, sozialen Traditionen<br />

und den Grad der Industrialisierung können Staaten<br />

auch dann der Charta beitreten, wenn sie mindestens<br />

fünf der sieben Artikel, die den „Kern“ ausmachen<br />

(Art. 1, 5, 6, 12, 13, 16, 19), als bindend anerkennen<br />

und zusätzlich noch so viele Artikel oder Einzelbestimmungen,<br />

dass die Gesamtzahl mindestens zehn<br />

Artikel oder 45 Einzelbestimmungen beträgt. Von<br />

dieser Wahlmöglichkeit haben bis auf Belgien, Italien,<br />

Spanien und die Niederlande alle Vertragsstaaten<br />

(auch Deutschland) Gebrauch gemacht. Bezüglich<br />

des Zusatzprotokolls verpflichten sich die Vertragsparteien,<br />

einen oder mehrere Artikel als für sich<br />

bindend anzusehen.<br />

Europäische Sozialcharta<br />

Die Vertragsstaaten senden alle zwei Jahre einen Bericht<br />

an den Generalsekretär des Europarates bezüglich<br />

der innerstaatlichen Anwendung von BestimmungenderSozialcharta.DieserBerichtwirdvoneinem<br />

siebenköpfigen, unabhängigen Sachverständigenausschuss<br />

geprüft, an dessen Sitzungen ein Vertreter<br />

der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)<br />

der Vereinten Nationen beratend teilnimmt. Die Berichte<br />

der Vertragsparteien und die Beratungsergebnisse<br />

des Sachverständigenausschusses werden<br />

dann einem Unterausschuss des Regierungssozialausschusses<br />

des Europarats zur Prüfung vorgelegt,<br />

der seinerseits dem Ministerkomitee die Ergebnisse<br />

vorlegt. Es fehlen aber die Möglichkeit formaler<br />

Staatsklagen und das Recht individueller Beschwerden<br />

bei Verletzung der Sozialcharta.<br />

4. Bedeutung der Sozialcharta. Die Sozialcharta<br />

war,alssie1961unterzeichnetwurde,fürdiedamaligen<br />

Verhältnisse vorbildlich vor allem wegen der<br />

Breite der fixierten Rechte. Von verschiedenen Seiten<br />

wurde immer wieder Kritik am normativen Gehalt<br />

(Minimalkonsens) und an den Kontrollmechanismen<br />

geübt. Trotzdem eignet sich auch heute noch<br />

die Mehrzahl der Normen als Grundlage für die Errichtung<br />

eines sozialen Europas. Der wesentliche<br />

Schwachpunkt der Sozialcharta liegt darin, dass aus<br />

Kontrolle und Prüfung keine verbindliche Rechtsprechung<br />

hervorgeht.<br />

Die EG hat die Charta als eine Grundlage für ihre<br />

�Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der<br />

Arbeitnehmer (1989) bezeichnet. Sie ist eine der<br />

Grundlagen für das �Abkommen über Sozialpolitik<br />

zum Vertrag von Maastricht. Dies ist in der Präambel<br />

des EUV von Amsterdam bestätigt. Die EU ist der<br />

Sozialcharta nicht beigetreten. Jedoch hat der Europäische<br />

�Gerichtshof sie wiederholt bei der Auslegung<br />

des Gemeinschaftsrechts herangezogen.<br />

Die Charta der Grundrechte der EU, die in Nizza als<br />

Deklaration verabschiedet wurde und Bestandteil<br />

des Verfassungsvertrags 2004 ist, enthält im Kap. IV<br />

„Solidarität“ einige dieser sozialen Grundrechte. Artikel<br />

28 der Grundrechtecharta (II-88 VVE) regelt<br />

Tarifautonomie und Streik im Anschluss an Art. 6<br />

Ziffer 4 der Sozialcharta. Es fehlen jedoch u. a. das<br />

Recht auf Arbeit, die betriebliche Mitbestimmung<br />

odereineSozialpflichtigkeitdesEigentums. U. M.<br />

Literatur:<br />

Schmuck, O. (Hg.): Vierzig Jahre Europarat. Bonn 1990<br />

Wiebringhaus, H.: Internationaler Schutz wirtschaftlicher und<br />

sozialer Grundrechte, Arbeitswelt und Sozialstaat. In:<br />

259


Europäische Staatsanwaltschaft<br />

Festschrift für G. Weienberg. Wien/München/Zürich 1983,<br />

S. 229 ff.<br />

Internet: http://conventions.coe.int<br />

Europäische Staatsanwaltschaft. In Ergänzung<br />

der EU-Institutionen �Eurojust, �Europol und<br />

�OLAF sieht der �Verfassungsvertrag 2004 in<br />

Art. III-274 die Einsetzung einer „Europäischen<br />

Staatsanwaltschaft“ vor, die für schwere, mehrere<br />

Mitgliedstaaten betreffende Straftaten sowie für<br />

Straftaten zum Nachteil der finanziellen EU-Interessen<br />

zuständig sein wird; ihre Aufgaben soll sie vor<br />

den nationalen Strafgerichten wahrnehmen. Im Zusammenhang<br />

insbes. mit Europol und Eurojust, das<br />

zukünftig gem. Art. III-273 Abs. 1 lit. a VVE Strafverfolgungsmaßnahmen<br />

auch selbst wird einleiten<br />

können, entsteht so Schritt für Schritt der Ansatz einereffizientenEU-Strafgewalt.<br />

J. M. B.<br />

Europäische Staatsbürger-Akademie (ESTA),<br />

Tagungshotel und Bildungsstätte des Europa-Instituts<br />

Bocholt, gegründet 1961 als gemeinnützige<br />

Einrichtung der politischen Weiterbildung. ESTA<br />

kooperiert mit der �Europa-Union Deutschland und<br />

dem �Institut für Europäische Politik, Berlin. Sie<br />

veranstaltet außerschulische Seminare und Informationsveranstaltungen<br />

mit hauptamtlichen Pädagogen<br />

für jedermann zu Themen der europäischen Integration,<br />

der Europapolitik, des Europarechts. Angeschlossen<br />

ist die Europäische Senioren-Akademie<br />

(ESA). Tagungshotels befinden sich auch in Berlin<br />

und Cursdorf Krs. Neuhaus (Thüringen). Weitere<br />

Europa-Institute in Berlin und Marienheide. Weitere<br />

Staatsbürgerakademien: ESTA Brandenburg (Werbellinsee),<br />

ESTA Sachsen (Höckendorf bei Dresden)<br />

und ESTA Thüringen (Cursdorf Krs. Neuhaus).<br />

Ein weiterer Zweig ist das 1982 gegründete ESTA<br />

Bildungswerk e. V. zur beruflichen Weiterbildung,<br />

Zentrale in Bad Oeynhausen.<br />

Anschrift: Adenauer-Allee 59, 46399 Bocholt<br />

Internet: www.esta-edu.org<br />

Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit (European<br />

Monitoring Centre on Racisme and Xenophobia,<br />

EUMC). Eine �Agentur der EU mit Sitz in Wien, errichtet<br />

durch Verordnung 1035/97 (ABl. L 151/<br />

1997). Sie arbeitet seit 1998. Das EUMC sammelt<br />

Daten über rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische<br />

Erscheinungen auf europäischer Ebene<br />

260<br />

und baut ein europäisches Informationsnetz auf. Das<br />

EUMCuntersuchtdieDaten,analysiertGründe,FolgenundAuswirkungensolcherPhänomeneunderarbeitet<br />

Strategien für ihre Bekämpfung aus.<br />

Anschrift: Rahlgasse 3, A–1060 Wien<br />

Internet: www.eumc.eu.int<br />

Europäische Stiftung für Berufsbildung (European<br />

Training Foundation, ETF) in Turin, eine durch<br />

Ratsverordnung (EWG) Nr. 1360/90 vom 7. 5. 1990<br />

geschaffenerechtlichselbständige�AgenturderEG.<br />

Sie unterstützt in Partnerländern der EU die Anpassung<br />

der beruflichen Bildung an neue Erfordernisse<br />

der Arbeitsmärkte. Das geschieht u. a. im Rahmen<br />

der im Bereich der Außenbeziehungen initiierten<br />

EU-Programme �PHARE (mittel- und osteuropäische<br />

Länder), �TACIS (Gemeinschaft Unabhängiger<br />

Staaten, GUS), �CARDS (Westbalkan, ehemaliges<br />

Jugoslawien) und �MEDA (Mittelmeerländer,<br />

Mittlerer Osten). Die Stiftung arbeitet mit mehr als<br />

40 Ländern in Europa, Nordafrika, dem Nahen Osten<br />

undZentralasienzusammen. W. M.<br />

Adresse: Villa Gualino, Viale Settimio Severo 65, I–10133 Torino<br />

Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens-<br />

u. Arbeitsbedingungen (EUROFOUND),<br />

eine autonome �Agentur der EU, gegründet durch<br />

Ratsverordnung 1365/75 (ABl. L 139/1975), geändert<br />

durch VO 1947/93 (ABl. L 181/1993).<br />

Ziele: Beitrag zur Planung und Durchsetzung einer<br />

besseren Lebensqualität und besserer Arbeitsbedingungen.<br />

Zielgruppe: Sozialpartner. Arbeitsschwerpunkte<br />

(auch mittels international gestreuter Forschungsaufträge):<br />

Beschäftigung, Mensch und Arbeit<br />

(work-life balance), Beziehungen zwischen Industrie<br />

und Partnern, sozialer Zusammenhalt.<br />

Hauptaufgaben: Beobachtung des sozialen und beruflichen<br />

Wandels, Forschung und Erprobung von<br />

Lösungen,AustauschvonIdeenundErfahrungen.<br />

Das achte Vierjahresprogramm der Stiftung (2005 –<br />

2008) hat vor allem die Verwirklichung der Ziele der<br />

�Lissabon-StrategiealsSchwerpunkt. W. M.<br />

Sitz: Wyattville Road, Loughlinstown, Dublin 18<br />

Europäische Symbole �Symbole der EU<br />

Europäische Umweltagentur (EUA)<br />

1. Einrichtung und Aufgaben. Die EUA ist eine für<br />

die Umsetzung der Ziele des Umweltschutzes und


des Naturschutzes bedeutende wissenschaftliche<br />

Einrichtung der EU. Der Beschluss zur Einrichtung<br />

der Europäischen Umweltagentur wurde 1990 verabschiedet<br />

und trat 1993 in Kraft. Die Agentur ist in<br />

Kopenhagen angesiedelt. Die Arbeit wurde 1994<br />

aufgenommen.<br />

Ziel ist es, eine nachhaltige Entwicklung zu fördern<br />

und zu einer deutlich messbaren Verbesserung der<br />

Umweltsituation in Europa beizutragen. Hierfür<br />

werden sachdienliche und themenspezifische Informationen<br />

für Entscheidungsträger und für die Öffentlichkeit<br />

über die Umweltsituation in der EU und<br />

anderen EUA-Mitgliedsländern aufbereitet und bereitgestellt.<br />

Im weitesten Sinne ist die EUA in<br />

Deutschland mit dem Umweltbundesamt (UBA,<br />

Berlin, Dessau) und dem Bundesamt für Naturschutz<br />

(BfN, Bonn) vergleichbar<br />

2. Organisation. Grundsätzlich ist die EUA auch für<br />

Länder offen, die nicht Mitglied der EU sind. Derzeit<br />

(2005) zählt die EUA 31 Mitgliedstaaten. Der Verwaltungsrat<br />

setzt sich aus jeweils einem Vertreter der<br />

jeweiligenMitgliedstaaten,2VertreternderKommission<br />

und zwei vom EP benannten Wissenschaftlern<br />

zusammen. Der Verwaltungsrat verabschiedet das<br />

Mehrjahresprogramm, die jährlichen Arbeitsprogramme,<br />

die Jahresberichte. Er ernennt den Exekutivdirektor<br />

und die Mitglieder des wissenschaftlichen<br />

Beirats. Der Exekutivdirektor ist gegenüber dem Verwaltungsrat<br />

für die Umsetzung der Arbeitsprogramme<br />

verantwortlich. Der wissenschaftliche Beirat besteht<br />

aus derzeit (2005) 20 Wissenschaftlern, die vom<br />

Verwaltungsrat benannt werden; er berät den VerwaltungsratunddenExekutivdirektor.<br />

C. P. H.<br />

Internet: http://local.de.eea.eu.int<br />

Europäische Union<br />

1. Begriffserklärung: Der Begriff Europäische Union<br />

ist bisher nicht eindeutig definiert; seine Vieldeutigkeit<br />

ist eher von Vorteil: Er kann mehrere Leitbilder<br />

in sich vereinen. Einer der unter dem �Maastrichter<br />

Vertrag (1. 11. 1993) zusammengefassten Verträge<br />

trägt den Titel „Vertrag über die Europäische<br />

Union“; dieser bildet den „Rahmenvertrag“ für die<br />

anderen europäischen Verträge (Vertrag über die<br />

Gründung der Europäischen Gemeinschaft für KohleundStahl,VertragzurGründungderEuropäischen<br />

Atomgemeinschaft, Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />

Gemeinschaft). Die Europäische Union hat<br />

dadurch eine inhaltliche Präzisierung erfahren, die<br />

Europäische Union<br />

mit dem Amsterdamer und dem Nizza-Vertrag weiterausgebautwurde.DiekonkreteAusgestaltungder<br />

europäischen Einigung im Sinne einer endgültigen<br />

Zieldefinition wird damit aber nicht beschrieben.<br />

Im Sprachgebrauch wird seit Inkrafttreten des Maastrichter<br />

Vertrages „Europäische Union“ oft anstelle<br />

des Begriffs „Europäische Gemeinschaft“ verwandt<br />

– obwohl es nach wie vor die Europäische Gemeinschaft<br />

gibt, aber eben als Teil der Europäischen<br />

Union.<br />

2. Historische Entwicklung.: Der Begriff „Europäische<br />

Union“ wurde im Oktober 1972 von den Staatsund<br />

Regierungschefs auf der Pariser Gipfelkonferenz<br />

als Zielvorgabe für den Integrationsprozess eingeführt.<br />

Die Gipfelteilnehmer beschlossen, „die Gesamtheit<br />

der Beziehungen der Mitgliedstaaten in<br />

eine Europäische Union umzuwandeln“ (bis 1980).<br />

Schon vorher gab es eine Reihe von Initiativen, eine<br />

organisatorische und institutionelle Form der politischen<br />

Einheit Westeuropas zu erreichen (1953: �Europäische<br />

Politische Gemeinschaft, 1961/62: Vertrag<br />

über die Gründung einer Union der Europäischen<br />

Völker, �Fouchet-Pläne). 1974 beauftragten<br />

die Staats- und Regierungschefs den damaligen belgischen<br />

Premierminister Leo Tindemans, einen Reformbericht<br />

zur Ausgestaltung der Europäischen<br />

Union auszuarbeiten. Dieser �Tindemans-Bericht<br />

verschwand allerdings in der Schublade. 1981 fand<br />

sich der Begriff „Europäische Union“ in einer gemeinsamen<br />

Initiative des deutschen und des italienischen<br />

Außenministers wieder (�Genscher-Colombo-Plan),<br />

die das Ziel hatte, eine Europäische Union<br />

in einer Europäischen Akte zu fixieren. Aber auf die<br />

in diesem Papier niedergelegten weitgesteckten Ziele<br />

konnten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen und<br />

verabschiedeten am 19. 6. 1983 auf dem Stuttgarter<br />

Gipfel bloß eine rechtlich unverbindliche �Feierliche<br />

Erklärung zur Europäischen Union. Auch das<br />

Europäische Parlament arbeitete fast zeitgleich einen<br />

Vertrag zur Gründung der Europäischen Union<br />

aus. Während alle anderen Initiativen erfolglos geblieben<br />

waren, gingen Elemente dieser beiden Initiativen<br />

in die �Einheitliche Europäische Akte (1986)<br />

ein, und die Europäische Union wurde als Ziel in der<br />

Präambel festgehalten. Eine weitere Ausgestaltung<br />

fand der Begriff durch den Vertrag über die Europäische<br />

Union sowie durch die �Grundrechtecharta der<br />

EuropäischenUnion,welcheaufdemGipfelinNizza<br />

(2000) feierlich angenommen wurde.<br />

261


Europäische Union<br />

Agenturen<br />

der 2. und<br />

3. Säule<br />

262<br />

Harmonisierungsamt<br />

für<br />

den Binnenmarkt<br />

Alicante<br />

Europäische<br />

Verteidigungs-<br />

Agentur<br />

Brüssel<br />

Der institutionelle Aufbau der Europäischen Union<br />

Europäische<br />

Agentur für die<br />

Sicherheit des<br />

Seeverkehrs<br />

Lissabon<br />

Institut der<br />

EU für<br />

Sicherheitsstudien<br />

Paris<br />

Europäische Europäische<br />

Agentur für Agentur für<br />

Flugsicherheit den Wieder-<br />

Köln<br />

aufbau<br />

Thessaloniki<br />

Satellitenzentrum<br />

der EU<br />

Torrejón de<br />

Ardoz<br />

Europäisches<br />

Polizeiamt<br />

(Europol)<br />

Den Haag<br />

Europäische<br />

Stelle zur<br />

Beobachtung<br />

von Rassismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit<br />

Wien<br />

Europäisches<br />

Zentrum für<br />

die Prävention<br />

und Kontrolle<br />

von Krankheiten<br />

Solna<br />

Europäisches Europäische<br />

Organ zur Polizeiakademie<br />

Stärkung der Bramshill<br />

justitiellen<br />

Zusammenarbeit<br />

(Eurojust)<br />

Den Haag


3.Gegenstandsbeschreibung:SeitdemMaastrichter<br />

Vertrag erscheint der Begriff „Europäische Union“<br />

erstmals im Gemeinschaftsrecht. Der Vertrag über<br />

die Europäische Union fasst sowohl die bisherigen<br />

Pariser und Römischen Verträge (einschl. Wirtschafts-<br />

und Währungsunion) sowie Regelungen<br />

über eine �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(GASP) und über die �Zusammenarbeit in den<br />

Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) zusammen.<br />

�Subsidiarität, �Föderalismus und �Solidarität werden<br />

als Strukturprinzipien festgeschrieben. Er führt<br />

weitere Politikbereiche im Rahmen der EU ein:<br />

�Kultur, �Gesundheitswesen, �Verbraucherschutz,<br />

Industrie u. a. Das institutionelle Gefüge wird weiterentwickelt<br />

(�Europäische Zentralbank, �Ausschuss<br />

der Regionen, Ausbau der Rechte des �Europäischen<br />

Parlaments etc.), eine �Unionsbürgerschaftwirdverankert.DamitisteinePräzisierungder<br />

Inhalte (Politikbereiche) und Strukturen der Europäischen<br />

Union erfolgt. Der Vertrag über die Europäische<br />

Union bildet eine Art rechtlicher Rahmen für<br />

daseuropäischeVertragswerkundbegründetedieim<br />

Nizza-Vertrag fortentwickelte �Tempelstruktur.<br />

4. Kritische Wertung.: Das Spezifische des europäischen<br />

Integrationsprozesses wurde bis zum Maastrichter<br />

Vertrag mit dem Begriff „Europäische Gemeinschaft(en)“<br />

beschrieben. Nicht nur, dass sich<br />

der Begriff „Gemeinschaft“ ohne VerständnisproblemeinandereSprachenderEUübersetzenließ,die<br />

„Gemeinschaft“ stand auch für die Einzigartigkeit<br />

dereuropäischenEinigung.FürvieleBürgerinEuropa<br />

ist nicht mehr durchschaubar, dass es die Europäische<br />

Gemeinschaft natürlich auch nach dem Maastrichter<br />

Vertrag noch gibt. Sie ist zu einem – wenn<br />

auch dem wichtigsten – Teil der Europäischen Union<br />

geworden. Mit dem �Vertrag von Amsterdam und<br />

dem �Vertrag von Nizza wurde auch der „Vertrag<br />

über die Europäische Union“ weiterentwickelt. Die<br />

nächste angestrebte Stufe der Integration ist die<br />

„Verfassung für Europa“ (�Verfassungsvertrag), in<br />

welcher die Charta der Grundrechte der EuropäischenUnionintegrierterTeilist.<br />

M. P.<br />

Literatur:<br />

Bieber, R.: Die Europäische Union. Baden-Baden 2005<br />

Bruha, T./ Schäfer, W./Graf Wass von Czege, A.: Die<br />

Europäische Union. Baden-Baden 2004<br />

Groeben, H. v. d. (Hg.): Die Europäische Union als Prozess.<br />

Baden-Baden 1980<br />

Herzog, R.: Die Europäische Union auf dem Weg zum<br />

verfassten Staatenverbund. Perspektiven der europäischen<br />

Verfassungsordnung. München 2004<br />

Europäische Verbände<br />

Pfetsch, F. R./Beichelt, T.: Die Europäische Union. Eine Einführung.<br />

Geschichte, Institutionen, Prozesse. Stuttgart 2001<br />

Sander, G. G./ Maryska: Die Europäische Union vor neuen<br />

Herausforderungen. Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Wien 2005<br />

Europäische Verbände / Lobbyismus. Europäische<br />

Verbände sind Zusammenschlüsse nationaler<br />

Verbände. Sie unterhalten vielfach eigene Büros in<br />

Brüssel, wo sie Informationen über Vorhaben der<br />

Gemeinschaft sammeln, die sie an die nationalen<br />

Verbände weitergeben; darüber hinaus tauschen sie<br />

Erfahrungen aus und beraten gemeinsam, um ggf.<br />

auf Entscheidungen der EU-Organe Einfluss zu nehmen.<br />

Zu europäischen Verbänden schließen sich insbes.<br />

diejenigen nationalen Verbände zusammen, die von<br />

den Entscheidungen auf EU-Ebene besonders betroffen<br />

sind (z. B. in den Bereichen Landwirtschaft,<br />

Handel, Dienstleistungen; Unternehmer-, Industrieund<br />

Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Kirchen).<br />

Die Einflussmöglichkeiten europäischer Verbände<br />

reichen von informellen Kontakten (traditioneller<br />

Lobbyismus) bis hin zu institutionalisierter Interessenwahrnehmung<br />

in „Beratenden Ausschüssen“<br />

(z. B. im �Wirtschafts- und Sozialausschuss). Hier<br />

nehmen die Verbände aber nicht nur ihre eigenen Interessen<br />

wahr, sondern bringen auch ihr Sachwissen<br />

ein und sind den Entscheidungsträgern kompetente<br />

Berater. Zudem haben sie häufig die Funktion eines<br />

Barometers, das anzeigt, welche Verordnungen,<br />

Richtlinien oder Entscheidungen in der EU<br />

(�Rechtsakte) durchsetzbar sind.<br />

Europäische Kommission: Die Zahl der Verbände,<br />

Unternehmensvertretungen, Länderbüros, Nichtregierungsorganisationen,<br />

Anwaltskanzleien, Beratergremien<br />

u. dgl. in Brüssel wird auf 3 500–4000<br />

(mit 15 000 Beschäftigten) geschätzt. Eine formale<br />

Registrierungspflicht (wie beim Deutschen Bundestag)<br />

besteht nicht. Die Kommission hat einen „Minimal-Verhaltenskodex“<br />

für Interessenvertreter formuliert.<br />

Im Dezember 2002 hat sie „Allgemeine<br />

Grundsätze und Mindeststandards für die Konsultation<br />

betroffener Parteien durch die Kommission“<br />

verabschiedet.<br />

Europäisches Parlament: Im Mai 1997 beschloss<br />

das EP einen 10-Punkte-Verhaltenskodex für Interessenvertreter<br />

(Anhang IX GO des EP). Sie müssen<br />

sich in ein Register eintragen und offen legen, für<br />

wen oder für was sie sich engagieren. Sie erhalten ei-<br />

263


Europäische Verfassung<br />

nen Jahresausweis für den Zutritt zu allen öffentlichenSitzungendesPlenumsundderAusschüsse.Sie<br />

dürfen sich bei ihren Geschäften nicht auf eine formelle<br />

Beziehung zum Parlament berufen und dürfen<br />

sich Informationen nicht erschleichen. Zurzeit sind<br />

ca. 4 000 ständige Zutrittskarten an Lobbyisten ausgegeben.DieListederregistriertenInteressenvertreter<br />

nach Namen und Organisationen ist unter<br />

http.//europarl.eu.intabrufbar. W. M.<br />

Literatur:<br />

Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG (Hg.): Verzeichnis<br />

der Verbände in der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Brüssel 1992<br />

Europäische Verfassung �Verfassungsvertrag<br />

2004<br />

Europäische Verteidigungsagentur (EVA)<br />

1. Rechtsgrundlage: Vom Rat mit �Gemeinsamer<br />

Aktion vom 12. 7. 2004 begründete Einrichtung „zur<br />

Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten der EU<br />

im Bereich der Krisenbewältigung“ und zur „dauerhaften<br />

Unterstützung der �ESVP“. Ihre vollständige<br />

Bezeichnung lautet „Europäische Agentur für die<br />

Entwicklung der militärischen Fähigkeiten, Forschung,<br />

Beschaffung und Rüstung“. Die „Europäische<br />

Verteidigungsagentur“ (EVA) ist in der Rechtsform<br />

einer EU-�Agentur verfasst. Ungeachtet der<br />

damit verbundenen eigenen Rechtspersönlichkeit ist<br />

die EVA eng an den einheitlichen institutionellen<br />

Rahmen der EU angebunden (s. auch �Institut für Sicherheitsstudien<br />

der EU, �Satellitenzentrum der<br />

EU). Mit der Gründung der EVA wurde ein entsprechender<br />

Auftrag des Europäischen �Verfassungsvertrages<br />

2004 und damit der erste konkrete Anwendungsfall<br />

einer gezielten („verstärkten“) Zusammenarbeit<br />

einzelner Mitgliedstaaten im Bereich der<br />

nicht ausschließlichen Zuständigkeiten der EU vorweggenommen<br />

(Art. I-41 Abs. 3 und Art. III-311<br />

VVE 2004).<br />

2. Organe: Die Arbeit der EVA wird von einem Lenkungsausschuss<br />

überwacht, dem unter dem Vorsitz<br />

des �Hohen Vertreters (HR) mit Ausnahme von Dänemark<br />

alle Mitgliedstaaten der EU sowie ein (nicht<br />

stimmberechtigter) Vertreter der Kommission angehören<br />

(Dänemark genießt aufgrund seines besonderen<br />

Status im Bereich der militärischen ESVP eine<br />

Sonderstellung;vgl.hierzuArt.6desProtokollsüber<br />

die Position Dänemarks zum EUV/EGV). Der Lenkungsausschuss<br />

tagt regelmäßig in der Besetzung<br />

264<br />

der Verteidigungsminister, kann aber auch in anderer<br />

Formation zusammentreten (bspw. Rüstungsdirektoren).DiepolitischeAufsichtüberdieEVAwird<br />

vom Rat ausgeübt. Das �Politische und Sicherheitspolitische<br />

Komitee (PSK), ggf. auch andere zuständige<br />

Ratsgremien, nehmen eine beratende Funktion<br />

wahr. Sitz der Europäischen Verteidigungsagentur<br />

ist Brüssel.<br />

3. Arbeitsbereiche: Aufgabenschwerpunkte der<br />

EVA sind die Entwicklung von militärischen Fähigkeiten<br />

im Bereich der Krisenbewältigung, die Förderung<br />

und Verbesserung der Europäischen Rüstungszusammenarbeit,<br />

Maßnahmen zur Schaffung eines<br />

international wettbewerbsfähigen europäischen<br />

Markts für Verteidigungsgüter sowie die Verbesserung<br />

der Effektivität der Europäischen Verteidigungsforschung<br />

und -technologie.<br />

4. Ausblick: Die Agentur wird in der Aufbauphase<br />

v. a. Anlauf- und Koordinierungsstelle für die bestehenden<br />

Formen der europäischen Rüstungszusammenarbeit<br />

sein und den Rat bei der Umsetzung des<br />

Europäischen Aktionsplans zu den militärischen Fähigkeiten<br />

(European Capability Action Plan/ECAP)<br />

unterstützen. In einer zweiten Phase wird es dann um<br />

die Abstimmung der operativen Anforderungen aus<br />

dem Bereich der ESVP an den Erwerb und die Entwicklung<br />

der konkreten Fähigkeiten gehen. In dieser<br />

Phase wird die Agentur die einschlägigen Komponenten<br />

bestehender Vereinbarungen und Formen der<br />

Zusammenarbeit im Rüstungsbereich integrieren<br />

bzw. übernehmen (OCCAR, Letter of Intent-Rahmenabkommen,WEAG/WEAO).<br />

U. S.<br />

Europäische Verteidigungsgemeinschaft<br />

(EVG). Nach dem Aufbau von �Westeuropäischer<br />

Union und �NATO sollte verhindert werden, dass<br />

sich – fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg – ein<br />

militärpolitisches Vakuum in Westdeutschland entwickelte.<br />

Das Problem ist im Zusammenhang mit<br />

dem „Kalten Krieg“, der Auseinandersetzung zwischen<br />

den Supermächten UdSSR und USA unterhalb<br />

der Ebene eines „heißen“ Krieges, zu sehen, seit<br />

1950 insbes. als Folge des Korea-Krieges (1950 –<br />

1953). Damals mussten die Amerikaner einen erheblichen<br />

Teil ihrer Kampftruppen aus der besetzten<br />

Bundesrepublik Deutschland abziehen.<br />

Seinerzeit entstand der Gedanke eines westdeutschen<br />

Verteidigungsbeitrags im Rahmen einer europäischen<br />

Armee. Dafür setzte sich Winston �Chur-


chill am 11. 8. 1950 vor dem �Europarat ein, besonders<br />

aber der französische Premierminister René<br />

�Pleven in einer Regierungserklärung über die<br />

Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft<br />

(EVG) vom 24. 10. 1950. Zu einer integrierten<br />

europäischen Armee sollten auch die Deutschen<br />

nationale Militäreinheiten zur Verfügung stellen,<br />

ohne dass man ihnen ein eigenes Verteidigungsministerium,<br />

eine eigene Armee mit Generalstab zubilligen<br />

wollte. Die europäische Armee sollte soweit<br />

wie möglich integriert und einer einheitlichen politischen<br />

und militärischen Autorität unterstellt werden<br />

(�Pleven-Plan). Der deutsche Bundeskanzler Adenauer<br />

antwortete – im Gegensatz zum SPD-Oppositionsführer<br />

Kurt Schumacher – positiv im Hinblick<br />

auf einen deutschen Wehrbeitrag in einer geplanten<br />

Europa-Armee. In der Regierungserklärung vom 8.<br />

11. 1950 stellte er seine Bedingung, u. a.: „Voraussetzung<br />

für die Leistung eines solchen Beitrags ist<br />

die völlige Gleichberechtigung Deutschlands in dieser<br />

Abwehrfront mit den übrigen teilnehmenden<br />

Mächten...“. Der EVG-Vertrag wurde von den sechs<br />

EGKS-Staaten am 27. 5. 1952 in Paris unterzeichnet<br />

und von fünf Staaten ratifiziert, scheiterte jedoch in<br />

der französischen Nationalversammlung am 30. 8.<br />

1954. Die Idee wird heute in der �GASP bzw. der<br />

�ESVP fortgesetzt. In Art. 38 sah der EVG-Vertrag<br />

die Gründung einer �Europäischen Politischen Gemeinschaftvor.<br />

W. M.<br />

Europäische Währungseinheit (ECU)<br />

1. Begriffserklärung: Die Bezeichnung ECU leiteten<br />

dieInitiatorendes �EuropäischenWährungssystems<br />

(EWS) von unterschiedlichen Vorstellungen ab. Für<br />

den damaligen französischen Staatspräsidenten ValéryGiscardd’EstaingsolltemitdemNamenECUan<br />

eine bereits im 13. Jh. von Ludwig d. Hl. eingeführte<br />

und in Europa in Umlauf gebrachte Goldmünze angeknüpft<br />

werden. Die britischen und deutschen Vertreter<br />

leiteten den Namen dagegen von den Initialen<br />

„European Currency Unit“ ab.<br />

2. Gegenstandsbeschreibung: Die ECU war definiert<br />

als eine Korbwährung, die sich aus (vom Rat<br />

einstimmig) festgelegten Anteilen der Währungen<br />

der EWS-Mitgliedstaaten errechnete. Die ECU war<br />

zentraler Bestandteil des EWS. Sie diente dort als<br />

BasisundBezugsgrößefürdieErrechnungderBandbreiten<br />

zwischen den Gemeinschaftswährungen.<br />

Die ECU war darüber hinaus Rechengröße für For-<br />

Europäische Währungseinheit<br />

derungenundVerbindlichkeitenundwurdezumSaldenausgleich<br />

sowie als Währungsreserve der nationalen<br />

Notenbanken verwandt.<br />

Der �Haushalt der EU wurde in ECU erstellt. Alle<br />

Außenzölle und ähnliche Einfuhrabgaben an den<br />

Außengrenzen der EU wurden in ECU erhoben. Gewährte<br />

die EU Zuschüsse oder Darlehen, wurden sie<br />

in ECU ausgedrückt. Die einheitlichen Agrarpreise<br />

im Gemeinsamen Agrarmarkt wurden ebenso in<br />

ECU festgesetzt wie die Leistungen der EU an die<br />

Entwicklungsländer. Die �Europäische Investitionsbank,<br />

aber auch Staaten und Unternehmen legten<br />

öffentliche Anleihen in ECU auf, Zentralbanken<br />

hielten ECU als Devisenreserven. Trotzdem war die<br />

ECU weder gesetzliches Zahlungsmittel, noch gab<br />

es sie in Form von Banknoten und Münzen.<br />

3. Vom ECU zum Euro: Der �Maastrichter Vertrag<br />

knüpft zwar an die bestehende Korb-ECU an (z. B.<br />

ex-Art. 109g EGV, jetzt 118 EGV) und nennt die<br />

neue EU-Währung ebenfalls ECU, aber der Vertrag<br />

sieht auch vor, bei der Gestaltung der künftigen<br />

Banknoten Gepflogenheiten der Länder soweit wie<br />

möglich zu berücksichtigen.<br />

Mit Beginn der Endstufe der WWU zum 1. 1. 1999<br />

wurde der amtliche ECU-Korb abgeschafft. Der EuropäischeRatderStaats-undRegierungschefshatim<br />

Dezember 1995 in Madrid den Namen für die europäische<br />

Währung entschieden. Sie heißt �Euro. Dieser<br />

Name ist den Bürgern in Deutschland vertrauter<br />

als die technische Abkürzung ECU. Erstens kann der<br />

Name Euro in allen Ländern gleich geschrieben und<br />

nahezu gleich ausgesprochen werden. Darüber hinaus<br />

bringt er die europäische Identität zum Ausdruck.<br />

Der Euro wurde am 1. 1. 1999 mit Beginn der 3. Stufe<br />

der WWU eingeführt. Zuvor beschlossen bei ihrer<br />

Tagung vom 1. – 3. Mai 1998 in Brüssel die StaatsundRegierungschefsderEU,dasself<br />

EU-Länderdie<br />

Anforderungen für die Beteiligung am Euro erfüllten.<br />

Die endgültigen Wechselkurse zwischen den<br />

teilnehmenden Währungen wurden fixiert (z. B.<br />

1 Euro = 1,95583 DM, vgl. Tab. S. 202). Der Euro ist<br />

damit eine eigenständige Währung. Am 4. 1. 1999<br />

notierte der erste Wechselkurs des Euro bei 1,18<br />

US-Dollar,imMärz2005bei1,33US-Dollar.<br />

B. H.<br />

Literatur:<br />

Fischer, K. H.: Konvent zur Zukunft Europas. Texte und<br />

Kommentare, einschl. CD-ROM mit Gesamtdokumentation.<br />

Baden-Baden 2003<br />

265


Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />

Läufer, T. (Hg.): Verfassung für Europa. Entwurf des Europäischen<br />

Konvents vom 18. 7. 2003. Lizenzausgabe für die<br />

Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 427,<br />

Bonn 2004<br />

Ders.: Vertrag von Nizza. Die EU der 25. BpB, Bd. 444,<br />

Bonn 2004<br />

Weidenfeld, W./Wessels, W. (Hg.): Jahrbuch der Europäischen<br />

Integration 2002/2003. Bonn 2003<br />

Wessels, W. u.a.: Der Entwurf der Europäischen Verfassung:<br />

Die Ergebnisse des Konvents auf dem Prüfstand (mit Einzelanalysen<br />

zu allen Reformfeldern). Schwerpunkt „integration“<br />

Nr. 4/2003, IEP Bonn 2003<br />

Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />

(EWIV)<br />

1. Zweck: Durch die EWIV, die durch EG-Verordnung<br />

Nr. 2137/85 (EWIV-VO, ABl. L 199/1985) ins<br />

Lebengerufenwurde,sollinsbes.kleinenundmittleren<br />

Unternehmen (�KMU) sowie Freiberuflern die<br />

grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtert<br />

werden. Im Gegensatz zu den bisher bekannten Gesellschaftsformen<br />

kommt der EWIV nur Hilfscharakter<br />

zu. Eigene, unmittelbare unternehmerische<br />

Tätigkeit zu entfalten ist nicht ihr Sinn. Vielmehr soll<br />

dieEWIVdiewirtschaftlicheTätigkeitihrerMitglieder<br />

erleichtern oder entwickeln und die Ergebnisse<br />

dieser Tätigkeit verbessern oder steigern.<br />

Im Normalfall werden also die Mitglieder einer<br />

EWIV dieser einen Teilbereich ihrer Tätigkeit als eigene<br />

Aufgabe übertragen. So können die ZusammenlegungvonForschungs-undEntwicklungstätigkeit,<br />

gemeinsame Vertriebs- oder Beschaffungstätigkeiten,<br />

Markt- und Meinungsforschungsgemeinschaften,<br />

gemeinsame Interessenvertretung, Zusammenarbeit<br />

in Aus- und Fortbildung, gemeinsame<br />

Nutzung von Marken als mögliche Hilfstätigkeiten<br />

angesehen werden.<br />

Denkbar ist aber auch der zeitlich befristete Zusammenschluss<br />

von Unternehmen zur Durchführung eines<br />

gemeinsamen Projekts (Planungs- und Bau-Arbeitsgemeinschaft),<br />

wobei in dieser Zeit das gesamte<br />

Spektrum der Unternehmenstätigkeiten auf die<br />

EWIV verlagert wird.<br />

2. Beschränkungen: Wenngleich diese vorgegebenen<br />

Ziele recht nachgiebig formuliert sind, so dass<br />

eine andere Regelung nicht gleich zur Rechtswidrigkeit<br />

der EWIV führen wird, so gibt es einige ausdrücklicheBeschränkungeninderVerordnung,die–<br />

auf Antrag eines Beteiligten oder der zuständigen<br />

Behörde – zur gerichtlichen Auflösung der EWIV<br />

führen:<br />

266<br />

Die EWIV darf z. B. weder unmittelbar noch mittelbar<br />

Leitungs- oder Kontrollmacht über die eigenen<br />

Tätigkeiten ihrer Mitglieder oder die Tätigkeit anderer<br />

Unternehmen ausüben. Dieses Konzernleitungsverbot<br />

soll verhindern, dass nationale Mitbestimmungsregeln<br />

dadurch ausgehöhlt werden, dass Entscheidungskompetenzen<br />

auf Unternehmen verlagert<br />

werden, die nicht mitbestimmt sind.<br />

Ein ähnliches Ziel verfolgt die Beschränkung der<br />

möglichen Zahl der Arbeitnehmer einer EWIV auf<br />

500. Auch hier spielte die Sorge um die Aushöhlung<br />

insbes. der deutschen Mitbestimmungsregeln die<br />

entscheidende Rolle.<br />

Die EWIV darf weder unmittelbar noch mittelbar<br />

AnteileoderAktienaneinemMitgliedsunternehmen<br />

halten. Zulässig ist jedoch das Halten von Anteilen<br />

an anderen Unternehmen, soweit es notwendig ist,<br />

um das Ziel der EWIV zu erreichen und soweit dies<br />

für Rechnung der Mitglieder geschieht.<br />

Der Kreis der möglichen Mitglieder einer EWIV ist<br />

denkbar weit gezogen: Neben wirtschaftlich tätigen<br />

natürlichen Personen dürfen alle juristischen Personen,<br />

also Gesellschaften, Vereine usw., aber auch juristischeEinheitendesöffentlichenRechts(z.B.universitäre<br />

Forschungsstellen) Mitglied einer EWIV<br />

werden. Um den grenzüberschreitenden Charakter<br />

der EWIV sicherzustellen, schreibt die EWIV-VO<br />

lediglich vor, dass mindestens zwei der Mitglieder<br />

der EWIV ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsländern<br />

der EU haben müssen. Der Gründungsvertrag<br />

ist beim zuständigen Register am Sitz der EWIV zu<br />

hinterlegen. Dort ist die EWIV durch den Geschäftsführeranzumelden.ImGeschäftslebenhatdieEWIV<br />

in allen Angaben den Zusatz „EWIV“ zu führen.<br />

3. Bewertung: Es ist sicherlich als Meilenstein in der<br />

Entwicklung des europäischen �Gesellschaftsrechts<br />

zu werten, dass es gelungen ist, mit der Europäischen<br />

Wirtschaftlichen Interessenvereinigung eine einheitliche<br />

europäische Gesellschaftsform zu schaffen.<br />

Trotzdem ist die Anwendbarkeit dieses Statuts durch<br />

verschiedene Faktoren stark eingeschränkt. Die Beschränkung<br />

u. a. auf Hilfstätigkeiten seiner Mitglieder<br />

macht die EWIV zu einem Instrument, das nicht<br />

den Gesellschaftsverträgen, sondern vielmehr Kooperationsverträgenähnelt.<br />

M. K.<br />

Dokumente:<br />

ABl. L 199/1985; ABl. L 247/1985; ABl. L 124/1990<br />

Zur Teilnahme von EWIVs an öffentlichen Aufträgen und<br />

Gemeinschaftsprogrammen: ABl. C 285/1997


Literatur:<br />

Europäische Kommission: Die EWIV als Instrument der<br />

grenzübergreifenden Kooperation. Praktisches Handbuch für<br />

die KMU. Brüssel 1998 2 (Dok. 23/0331/98-DE)<br />

Zahorka, H.-J.: Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung<br />

(EWIV), die einzige transnationale Unternehmensform<br />

für Kooperationen in Europa. Sindelfingen 2000<br />

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG),<br />

1957 zusammen mit �EURATOM durch die �Römischen<br />

Verträge gegründet. �Europäische Gemeinschaft(en)<br />

Europäische Wissenschaftsstiftung (EWS, European<br />

Science Foundation, ESF). Ein Verband von<br />

78 Mitgliedsorganisationen in 30 europäischen Ländern,diesichderwissenschaftlichenForschungwidmen.<br />

Anschrift: 1, quai Lezay Marnésia, BP 90015,<br />

F–67080 Straßburg<br />

Internet: www.esf.org<br />

Europäische Wissenschafts- und Technologieversammlung<br />

(European Science and Technology<br />

Assembly, ESTA), ein 1994 gegründetes wissenschaftspolitisches<br />

Beratungsgremium der Kommission<br />

im Bereich der �FTE-Politik (ABl. L 98/1994).<br />

Ihm gehören rd. 100 renommierte Wissenschaftler<br />

aus Universitäten und der Industrie an.<br />

Europäische Zahlungsunion (EZU), 1950 von<br />

den �OEEC-Staaten durch Abkommen gegründete<br />

Institution mit Sitz in Paris. Sie diente in der Nachkriegszeit,<br />

in der die meisten Währungen noch nicht<br />

konvertibel waren, der Verrechnung (dem Clearing)<br />

von bilateralen Guthaben und Schulden der Mitgliedsländer<br />

über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich<br />

(BIZ) in Basel. Das Abkommen über<br />

die EZU wurde Ende 1958 abgelöst vom �Europäischen<br />

Währungsabkommen.<br />

Europäische Zentralbank (EZB)<br />

1.Allgemeines:DieEZBistderzentraleKompetenzträger<br />

für die �Geldpolitik in der Europäischen<br />

�Währungsunion. Sie ist eine selbständige Einrichtung<br />

der Europäischen Gemeinschaft und bildet zusammen<br />

mit den Nationalen �Zentralbanken der<br />

Mitgliedstaaten (NZBen) das �Europäische System<br />

der Zentralbanken (ESZB). Als Bestandteil des<br />

ESZB ist sie mit der Erfüllung der grundlegenden<br />

Zentralbankaufgaben betraut und auf das Primat der<br />

Europäische Zentralbank<br />

Preisstabilität verpflichtet. Die Organisationsstruktur<br />

und die Kompetenzen der EZB sowie die Ziele<br />

und Aufgaben des ESZB sind im Vertrag zur Gründung<br />

der Europäischen Gemeinschaft festgelegt<br />

(Art. 4, Art. 8, Art. 105 – Art. 113 EGV) und werden<br />

im primärrechtlichen Protokoll über die Satzung des<br />

Europäischen Systems der Zentralbanken und der<br />

Europäischen Zentralbank (ESZB-Satzung) im Einzelnen<br />

erläutert.<br />

Die Errichtung einer Europäischen Zentralbank ist<br />

nach Art. 8 EGV seit dem Vertrag von Maastricht ein<br />

institutioneller Grundsatz der Europäischen Gemeinschaft,<br />

der mittlerweile erfüllt ist. Unmittelbar<br />

nach der Ernennung des ersten EZB-Direktoriums<br />

zum1.6.1998wurdendasESZBunddieEZBerrichtet<br />

und nahmen ihre Tätigkeit auf. Die EZB löste dabei<br />

das �Europäische Währungsinstitut (EWI) ab,<br />

das liquidiert wurde, und übernahm seine Aufgaben.<br />

Die Kompetenzen in der Geldpolitik gingen schließlich<br />

mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion<br />

– am 1. 1. 1999 – von den Teilnehmerstaaten auf die<br />

Bestandteile des ESZB über. Sitz der EZB ist Frankfurt<br />

a. M.<br />

2. Rechtsform und Finanzverfassung: Die EZB ist<br />

eine juristische Person internationalen Rechts. Sie<br />

hat nach Art. 107 Abs. 2 EG Rechtspersönlichkeit<br />

und besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende<br />

Rechts- und Geschäftsfähigkeit, so dass sie Vermögen<br />

erwerben und vor Gericht klagen und verklagt<br />

werden kann. Die EZB stellt eigene Jahresabschlüsse<br />

auf, die extern geprüft werden. Die NZBen<br />

sinddiealleinigenZeichnerundInhaberdesKapitals<br />

der EZB, das derzeit 5,56 Mrd. Euro beträgt – von<br />

dem 4 Mrd. Euro einbezahlt sind. Die Anteile bemessen<br />

sich jeweils hälftig nach der Größe der Bevölkerung<br />

und des Bruttoinlandsprodukts der Mitgliedstaaten.<br />

Sie dürfen – außer bei einer Kapitalanpassung<br />

– nicht übertragen werden und sind nicht verpfändbar.<br />

Die Finanzmittel der EZB werden nicht in<br />

den Gemeinschaftshaushalt einbezogen. Haftungsmasse<br />

für das Handeln der EZB bildet daher nur ihr<br />

Vermögen. Durch diese Konzeption wird die finanzielle<br />

Unabhängigkeit der EZB gewahrt.<br />

Zugleich können so die monetären Einkünfte des<br />

ESZB über die NZBen den Teilnehmerstaaten der<br />

Währungsunion zugeordnet werden. Einkünfte der<br />

nationalen Zentralbanken aus der Erfüllung der währungspolitischen<br />

Aufgaben des ESZB werden<br />

grundsätzlich nach den Anteilen am gezeichneten<br />

267


Europäische Zentralbank<br />

Kapital unter den NZBen verteilt. Nach dem gleichen<br />

Maßstab werden auch die Nettogewinne der<br />

EZB ausgeschüttet, nachdem ein bestimmter Betrag,<br />

der 20 v. H. des Nettogewinns nicht übersteigen darf,<br />

einem allgemeinen Reservefonds zugeführt wurde.<br />

Der Fonds dient dazu, einen Fehlbetrag auszugleichen,<br />

wenn die EZB einen Verlust erwirtschaften<br />

sollte.<br />

Entsprechend den Anteilen am gezeichneten Kapital<br />

statten die NZBen die EZB außerdem mit Währungsreserven<br />

bis zu einem Gegenwert von 50 Mrd. Euro<br />

aus.<br />

3. Organisationsstruktur: Die Beschlussorgane der<br />

EZB sind der EZB-Rat und das Direktorium der<br />

EZB, die nach dem Kollegialitätsprinzip handeln.<br />

Die Mitglieder der Beschlussorgane tragen eine gemeinsame<br />

Verantwortung. Die Rechenschaftspflicht<br />

trifft das Beschlussorgan, nicht das einzelne<br />

Mitglied.<br />

Dem Direktorium gehören neben dem Präsidenten<br />

und dem Vizepräsidenten der EZB vier weitere Mitglieder<br />

an. Seine Mitglieder werden von den Regierungen<br />

der Mitgliedstaaten auf der Ebene der Staatsund<br />

Regierungschefs aus dem Kreis der in Währungs-<br />

und Bankfragen anerkannten und erfahrenen<br />

Persönlichkeiten ernannt. Ihr Mandat ist auf acht<br />

Jahre begrenzt und – im Sinne persönlicher Unabhängigkeit<br />

– nicht erneuerbar. Jedes persönlich anwesende<br />

Mitglied hat bei Abstimmungen eine Stimme.<br />

Eine einfache Mehrheit genügt grundsätzlich.<br />

Die Mitglieder des Direktoriums haben im Grundsatz<br />

eine gleichrangige Stellung. Insbesondere hat<br />

der EZB-Präsident kein Weisungsrecht gegenüber<br />

den anderen Direktoriumsmitgliedern. In der Praxis<br />

tagt das Gremium mindestens einmal wöchentlich.<br />

Das Direktorium hat weit reichende Exekutivbefugnisse.<br />

Es führt die laufenden Geschäfte der EZB. Es<br />

bereitet die Sitzungen des EZB-Rates vor und führt<br />

die Geldpolitik nach den Richtlinien und EntscheidungendesRatesaus.DasGremiumistindiesemZusammenhang<br />

gegenüber den NZBen weisungsbefugt.<br />

Der EZB-Rat kann ihm darüber hinaus bestimmte<br />

Befugnisse übertragen. Das Direktorium erstellt<br />

den Jahresabschluss der EZB und die konsolidierte<br />

Bilanz des ESZB.<br />

Der EZB-Rat setzt sich aus dem Direktorium sowie<br />

denNZB-PräsidentenderTeilnehmerstaatenzusammen.<br />

Der EZB-Präsident sitzt dem EZB-Rat vor, der<br />

mindestens zehnmal im Jahr zusammentritt. Der<br />

268<br />

EZB-Rat entscheidet in der Regel mit einfacher<br />

Mehrheit. Jedes Mitglied des EZB-Rates hat grundsätzlich<br />

eine Stimme, so dass die NZB-Präsidenten –<br />

jedenfalls von der Stimmenzahl her – das Gremium<br />

dominieren. Gegenwärtig stehen den sechs Direktoriumsmitgliedern<br />

zwölf NZB-Präsidenten gegenüber.<br />

Für Beschlüsse über die Kapitalausstattung<br />

und die Gewinnverwendung werden jedoch die<br />

Stimmen im EZB-Rat entsprechend der Anteile der<br />

NZB am gezeichneten Kapital der EZB gewogen.<br />

Die Stimmen der Direktoriumsmitglieder haben<br />

dannkeinGewicht.DerEZB-Raterlässtalszentrales<br />

Beschlussorgan des ESZB die Leitlinien und Entscheidungen,<br />

die zur Erfüllung der Aufgaben des<br />

ESZB notwendig sind. Insbesondere legt das Gremium<br />

die innere Währungspolitik der Gemeinschaft<br />

fest, indem er über die geldpolitischen Zwischenziele,<br />

die Leitzinsen und die Bereitstellung von Zentralbankgeld<br />

im ESZB entscheidet. Darüber hinaus trifft<br />

der EZB-Rat auch die grundlegenden Organisationsentscheidungen<br />

der EZB, vor allem gibt er der EZB<br />

ihre Geschäftsordnung. Er übt die Beratungs- und<br />

Konsultationsfunktionen der EZB aus und bestimmt<br />

im Zuständigkeitsbereich des ESZB über die Zusammenarbeit<br />

im internationalen Währungswesen. Gegenüber<br />

den NZBen nimmt er Leitungs- und Aufsichtsbefugnisse<br />

wahr. Er entscheidet für die EZB,<br />

den Gerichtshof anzurufen. Der EZB-Rat ist schließlich<br />

für Beschlüsse im Rahmen der Kapitalausstattung<br />

und Gewinnverwendung der EZB und des<br />

ESZB zuständig.<br />

Neben den beiden vorgenannten Gremien hat die<br />

EZB noch ein drittes Beschlussorgan, den Erweiterten<br />

Rat der EZB, dem auch die NZB-Präsidenten der<br />

Nichtteilnehmerstaaten angehören. Es hat lediglich<br />

beratende und koordinierende Funktionen. Der Erweiterte<br />

Rat nimmt Aufgaben im Zusammenhang<br />

mit dem Wechselkursmechanismus II (EWS II)<br />

wahr.DarüberhinausisterbeiderHeranführungvon<br />

Nichtteilnehmerstaaten an die Währungsunion tätig.<br />

Im Übrigen wirkt er bei verschiedenen internen Entscheidungsprozessen<br />

der EZB mit.<br />

Die EZB wird von ihrem Präsidenten – rechtlich als<br />

auch politisch – nach außen vertreten, der sowohl im<br />

EZB-Rat als auch im Direktorium den Vorsitz innehat.<br />

Herrscht in einem der Gremien Stimmengleichheit,<br />

gibt er den Ausschlag. Im Übrigen hat er die<br />

Rechte und Pflichten eines Mitglieds des Direktoriums.


Eine wichtige Rolle spielen in der internen Organisationsstruktur<br />

der EZB außerdem die �Ausschüsse<br />

des ESZB, die vom EZB-Rat eingesetzt werden, um<br />

seine Arbeit vorzubereiten.<br />

4. Aufgaben: Nach der europäischen Währungsordnung<br />

ist grundsätzlich das ESZB und nicht die EZB<br />

unmittelbarer Adressat der gemeinschaftsrechtlichen<br />

Aufgabenzuweisung. Da das ESZB selbst aber<br />

keine Rechtspersönlichkeit hat und ihm keine Kompetenzen<br />

zugewiesen sind, haben seine integralen<br />

Bestandteile die Aufgaben des Systems zu erfüllen.<br />

DerEZBkommendaher–zusammenmitdenNZBen<br />

– die grundlegenden Aufgaben des ESZB zu, die<br />

Geldpolitik der Gemeinschaft im Euro-Währungsgebiet<br />

festzulegen und auszuführen, Devisengeschäfte<br />

im Rahmen der �Wechselkurspolitik durchzuführen,<br />

die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten<br />

zu verwalten, die Zahlungssysteme zu<br />

fördern und bei der Bankenaufsicht mitzuwirken.<br />

Grundsätzlich können sowohl die EZB als auch die<br />

NZBen die Aufgaben des ESZB erfüllen. Der EZB<br />

kommt dabei aber im Verhältnis zu den NZBen nach<br />

Art. 9.2 ESZB-Satzung die Letztverantwortung zu.<br />

Dementsprechend verfügt die EZB, die gegenüber<br />

den NZBen weisungsbefugt ist, über die Organisationskompetenz<br />

für die Aufgabenerfüllung innerhalb<br />

des Zentralbankensystems. Sie besteht aber<br />

nicht uneingeschränkt. Zum einen muss die EZB die<br />

NZBen–demPrinzipderDezentralitätentsprechend<br />

– mit Exekutivaufgaben betrauen, wenn dies zweckmäßigist.ZumanderenkönnenbestimmteAufgaben<br />

nur von der EZB wahrgenommen werden. Insbesondere<br />

besteht eine Organkompetenz des EZB-Rates<br />

fürdieFestlegungderGeldpolitik,diedieAufgabenerfüllung<br />

durch die EZB voraussetzt.<br />

Darüber hinaus nimmt die EZB die Aufgabe der<br />

Geldversorgung wahr. Die EZB hat das ausschließliche<br />

Recht, die Ausgabe von Banknoten und Münzen<br />

zu genehmigen, wobei zur Ausgabe von Banknoten<br />

EZB und NZBen, zur Ausgabe von Münzen die Mitgliedstaaten<br />

berechtigt sind. Schließlich ist die EZB<br />

berichtendtätig,wennneueTeilnehmerstaatenindie<br />

Währungsunion aufgenommen werden sollen.<br />

5. Kompetenzen: Die EZB handelt – wie alle Gemeinschaftsinstitutionen<br />

– nach dem �Prinzip der<br />

begrenzten Einzelermächtigung. Rechtsetzungsakte<br />

von Gemeinschaftsinstitutionen sind nur dann rechtmäßig,<br />

wenn sie auf einer vertraglichen Ermächtigungsgrundlage<br />

beruhen.<br />

Europäische Zentralbank<br />

Die EZB hat innerhalb des ESZB die Kompetenz zur<br />

Außenrechtsetzung inne. Sie kann Verordnungen<br />

und Entscheidungen erlassen, um die Aufgaben des<br />

ESZB zu erfüllen, sowie Empfehlungen und Stellungnahmen<br />

abgeben. Diese Rechtsetzungsbefugnis<br />

ist unabhängig ausgestaltet. Eine Funktionsteilung<br />

findet nur innerhalb der EZB zwischen Direktorium<br />

und EZB-Rat statt. Im Gegensatz zu den allgemeinen<br />

Rechtsetzungsverfahren stehen den Organen gem.<br />

Art. 7 EG keine Beteiligungsrechte zu. Die Rechtsakte<br />

der EZB werden im Übrigen in Amtsblatt L veröffentlicht<br />

und als Akte der Gemeinschaft bezeichnet.<br />

6. Ziele: Die EZB ist als integraler Bestandteil des<br />

�ESZB auf dessen Ziele verpflichtet. Die EZB unterliegt<br />

daher dem Primat der Preisstabilität. Andere<br />

wirtschafts- und währungspolitische Ziele darf das<br />

ESZB nur unterstützen, soweit das Ziel der Preisstabilität<br />

dadurch nicht beeinträchtigt wird.<br />

Demgemäß sieht die europäische Währungsordnung<br />

ein Verbot monetärer Finanzierung vor. Die EZB<br />

darf nicht zur Finanzierung öffentlicher Schulden<br />

herangezogen werden. Überziehungs- oder andere<br />

Kreditfazilitäten bei der EZB oder den NZBen für<br />

Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen,<br />

regionale oder lokale Gebietskörperschaften,sonstigeEinrichtungendesöffentlichen<br />

Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten<br />

sind ebenso verboten wie der unmittelbare<br />

Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB<br />

oder die NZBen.<br />

7. Unabhängigkeit: Dem Ziel stabiler Preise entsprechend<br />

nimmt die EZB – wie auch die NZBen – eine<br />

unabhängige Stellung innerhalb der Europäischen<br />

Gemeinschaft ein. Je nach Ausgestaltung ihrer Organisationsstruktur<br />

kann auf eine Zentralbank auf unterschiedliche<br />

Art und Weise von außen Einfluss genommen<br />

werden. Die Unabhängigkeit der EZB wird<br />

daher institutionell, funktionell, finanziell und persönlich<br />

gewährleistet. Hervorzuheben sind dabei die<br />

Weisungs- und Beeinflussungsverbote nach Art.<br />

108 EGV. Weder die EZB noch ein Mitglied ihrer<br />

Beschlussorgane dürfen Weisungen von Organen<br />

oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen<br />

der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen<br />

oder entgegennehmen. Zugleich sind die Gemeinschaftsinstitutionen<br />

und die Regierungen der Mitgliedstaaten<br />

auf diesen Grundsatz verpflichtet. Sie<br />

dürfen die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB<br />

269


Europäische Zentralbank<br />

oder der nationalen Zentralbanken auch nicht tatsächlich<br />

beeinflussen. Darüber hinaus sichern zahlreiche<br />

weitere Vorkehrungen die Unabhängigkeit<br />

der EZB ab. So hat die EZB als zentraler geldpolitischer<br />

Kompetenzträger eigene Rechtspersönlichkeit.<br />

Sie besitzt als juristische Person eigene Organe,<br />

deren Mitglieder durch die Ausgestaltung des Amtsverhältnisses<br />

persönlich unabhängig sind. Außerdem<br />

genießt sie im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten<br />

die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen<br />

Vorrechte und Befreiungen. Von besonderer Bedeutung<br />

für ihre Unabhängigkeit ist schließlich, dass die<br />

EZB mit eigenen Finanzmitteln – außerhalb des Gemeinschaftshaushalts<br />

– ausgestattet ist.<br />

Nach der �Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

ist die eingeschränkte demokratische<br />

Legitimation der unabhängigen EZB im Übrigen<br />

nur gerechtfertigt, weil die Geldpolitik dem Primat<br />

der Preisstabilität unterworfen ist.<br />

8. Kontrolle: Dem Begriff der „Unabhängigkeit“<br />

wohnt eine gewisse Unschärfe inne. Auch die unabhängige<br />

Zentralbank löst sich nicht aus der staatlichen<br />

Organisation. Demgemäß sieht die europäische<br />

Währungsordnung nachträgliche Kontrollen der<br />

EZB vor. Die EZB unterliegt daher als zentraler<br />

Kompetenzträger des ESZB Berichts- und Rechenschaftspflichten.<br />

Sie hat mindestens vierteljährlich<br />

Berichte über die Tätigkeit des ESZB und wöchentlich<br />

einen konsolidierten Ausweis des ESZB zu veröffentlichen.<br />

Mit einem Jahresbericht, den sie dem<br />

Europäischen Parlament, dem Rat, der Kommission<br />

und dem Europäischen Rat unterbreiten muss, legt<br />

sie über die Tätigkeit des ESZB und die Geld- und<br />

Währungspolitik des vergangenen und laufenden<br />

Jahres Rechenschaft ab. Den beiden Erstgenannten<br />

legt der EZB-Präsident im Sinne einer demokratischen<br />

Rechenschaftspflicht den Bericht vor, ohne<br />

aber persönlich verantwortlich zu sein. Das EuropäischeParlamentkannaufdieserGrundlageeineallgemeine<br />

Aussprache führen. In der Rechtspraxis bewertet<br />

das Parlament in einer Entschließung die Aufgabenerfüllung<br />

im ESZB. Neben der allgemeinen<br />

Aussprache können die Direktoriumsmitglieder auf<br />

Ersuchen des Parlaments oder auf eigene Initiative<br />

von den zuständigen Ausschüssen des EP angehört<br />

werden. Der EZB-Präsident legt viermal im Jahr Rechenschaft<br />

vor dem Ausschuss für Wirtschaft und<br />

Währung des Europäischen Parlaments ab. Die Protokolle<br />

der Anhörungen werden im Internet auf der<br />

270<br />

Website des Ausschusses veröffentlicht. Darüber<br />

hinaus ist eine wirtschaftliche Kontrolle der EZB-<br />

Verwaltung vorgesehen, die der Rechnungshof<br />

durchführt.<br />

Nicht zuletzt ist das währungspolitische Handeln der<br />

EZB grundsätzlich justiziabel und kann auf Antrag<br />

überprüft werden. Die gerichtliche Kontrolle der<br />

EZB durch den EuGH ist im EGV und der ESZB-<br />

Satzung umfassend geregelt. In diesem Zusammenhang<br />

ist jedoch zu beachten, dass die Geldpolitik auf<br />

das Primat stabiler Preise ausgerichtet ist. Der<br />

Rechtsbegriff der Preisstabilität ist unbestimmt und<br />

der Auslegung zugänglich. Der EZB kommt daher<br />

insofern ein – gewisser, wenn auch nicht unbegrenzter<br />

– Beurteilungsspielraum zu.<br />

9. Wirtschaftspolitische Koordinierung: Die Unabhängigkeit<br />

der EZB ist auch insofern berührt, als eine<br />

erfolgreiche Wirtschafts- und Währungspolitik der<br />

Koordinierung bedarf. Dies gilt gerade in der Europäischen<br />

�Wirtschafts- und Währungsunion, die<br />

eine asymmetrische Struktur aufweist. Das ESZB ist<br />

deshalb in ein Koordinationsgeflecht eingebettet.<br />

Der Präsident des Ecofin-Rates und ein Kommissionsmitglied<br />

können in diesem Sinn an Sitzungen<br />

des EZB-Rates ohne Stimmrecht teilnehmen. Der<br />

Präsident des Ecofin-Rates hat jedoch ein Antragsrecht.<br />

Die EZB entsendet wiederum Mitglieder in<br />

den �Wirtschafts- und Finanzausschuss, in dem die<br />

Vertreter aller bedeutenden wirtschafts- und währungspolitischen<br />

Entscheidungsträger versammelt<br />

sind.AußerdemistdieEZBmiteinemDirektoriumsmitglied<br />

in der informellen �Eurogruppe vertreten.<br />

Zu beachten ist aber, dass die Weisungs- und Beeinflussungsverbote<br />

nach Art. 108 EG auch in diesem<br />

Zusammenhang gelten.<br />

10. Internationale Beziehungen: Die EZB ist ein abgeleitetes,<br />

gekorenes Völkerrechtssubjekt. Die völkerrechtliche<br />

Handlungsfähigkeit der EZB ist vom<br />

Umfangheraberfunktionellaufihrenwährungspolitischen<br />

Kompetenzbereich beschränkt. Ihr steht u. a.<br />

die Befugnis zu, sich an internationalen WährungseinrichtungenzubeteiligensowiemitZentralbanken<br />

von Drittstaaten und internationalen Organisationen<br />

Beziehungen aufzunehmen.<br />

11.EinordnungindieOrganisationsstrukturderGemeinschaft:<br />

Aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit<br />

ist die EZB kein Organ der Gemeinschaft im<br />

Sinne des Art. 7 EGV. Sie ist aber – wie bereits<br />

Art. 8 EGV nahe legt – als Einrichtung der Gemein-


schaft zu qualifizieren, mit deren währungspolitischen<br />

Aufgaben sie betraut ist. Die Rechtspersönlichkeit<br />

der EZB und ihre mitgliedstaatliche Rechtsund<br />

Geschäftsfähigkeit sind gemeinschaftsrechtlich<br />

begründet. Ihre Beschlussorgane und die Entscheidungsverfahren<br />

– mit Teilnahmerechten von Mitgliedern<br />

des Rates und der Kommission – sind primärrechtlichausgestaltet.DieEZBverfolgtdieZiele<br />

der Gemeinschaft, und ihr Handeln unterliegt der<br />

nachträglichen Kontrolle durch Gemeinschaftsorgane.<br />

Auch wenn die EZB selbst eine juristische Person<br />

des internationalen Rechts ist, kann sie deshalb ihre<br />

Zugehörigkeit zur Gemeinschaft nicht verleugnen.<br />

Die Vertragsstaaten von Maastricht haben die<br />

Rechtsperson EZB in die der Gemeinschaft integriert.<br />

Hiervon geht auch der EuGH aus (vgl. EuGH<br />

v. 10. 7. 2003, Rs. C-11/00, Kommission/EZB,<br />

Rdnr. 64). Im Innenverhältnis der Gemeinschaft hat<br />

die Rechtspersönlichkeit der EZB somit keine eigenständige<br />

rechtliche Bedeutung. Die EZB bildet einen<br />

integrierenden Teil des Gemeinschaftsrechtsrahmens.<br />

Sie ist dem Gemeinschaftsrecht – soweit es<br />

sich mit ihrer Unabhängigkeit vereinbaren lässt –<br />

voll unterworfen.<br />

Der Qualifizierung als Einrichtung der Gemeinschaft<br />

steht im Übrigen nicht entgegen, dass die EZB<br />

finanziell den Zentralbanken der Mitgliedstaaten zugeordnet<br />

ist. Diese finanzielle Organisationsstruktur,<br />

mit der sich die EZB privatrechtlichen Organisationsformen<br />

annähert, verläuft parallel neben der hoheitlichen<br />

und beeinträchtigt diese nicht.<br />

Im Unterschied zu den Gemeinschaftsorganen gem.<br />

Art. 7 EGV beschränken sich die Kompetenzen der<br />

EZB auf einen Sachbereich. Um die Unabhängigkeit<br />

der Geldpolitik herzustellen, sind der EZB zusammen<br />

mit den NZBen in diesem Ausschnitt aber sowohl<br />

die entscheidenden Legislativ- als auch die relevanten<br />

Exekutivbefugnisse zugeordnet. Die Organisationsstruktur,<br />

die in der Gemeinschaft grundsätzlich<br />

– im institutionellen Gleichgewicht – zwischen<br />

EP, Rat und Kommission besteht und zu einer<br />

effektiven Machtverteilung führen soll, wird im Bereich<br />

der Währungspolitik durch das ESZB ersetzt.<br />

Allein der EuGH und der Rechnungshof behalten als<br />

nachträglich kontrollierende Gewalten ihre Stellung<br />

inne.DasPrimatderPreisstabilität,dasdieUnabhängigkeit<br />

der Geldpolitik fordert, rechtfertigt diese außerordentliche<br />

Organisationsstruktur auch vor dem<br />

Demokratieprinzip. U. P.<br />

Europäischer Außenminister<br />

Anschrift: Kaiserstraße 29, 60311 Frankfurt am Main;<br />

Postfach 16 03 19, 60066 Frankfurt am Main<br />

Internet: www.ecb.int<br />

Literatur:<br />

Amtenbrink, F.: The Democratic Accountability of Central<br />

Banks. Oxford 1999<br />

Hahn, H. J.: Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche<br />

Übereinkunft und Verfassung. Baden-Baden 1992<br />

Palm, U.: Kommentierung zu Art. 8 EG. In: Grabitz/Hilf<br />

(Hg.), Das Recht der Europäischen Union. 24. ErgL..<br />

München September 2004<br />

ders.: Kommentierung zu Art. 112, Art. 113 EG, in Grabitz/Hilf<br />

(Hg), Das Recht der Europäischen Union, 21. ErgL.,<br />

München April 2003<br />

Seidel, M.: Im Kompetenzkonflikt: ESZB versus EZB,<br />

EuZW 2000, S. 552<br />

Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds<br />

für die Landwirtschaft (EAGFL) �Fonds der EU<br />

Europäischer Außenminister (EU-AM)<br />

1. Rechtsgrundlage: Im�Verfassungsvertrag 2004<br />

vorgesehenes Amt, das die bestehenden Funktionen<br />

des �Hohen Vertreters (HR) und des Kommissars für<br />

Außenbeziehungen unter einem „Doppelhut“ zusammenführen<br />

soll (Art. I-28, III-296 VVE). Damit<br />

soll bei grundsätzlicher Beibehaltung der jeweiligen<br />

Zuständigkeiten und Verfahren von Rat und Kommission<br />

der entscheidende Schritt getan werden, um<br />

die starre „Säulenstruktur“ der EU zu überwinden<br />

und – auch mit Blick auf die Umsetzung der �Europäischen<br />

Sicherheitsstrategie (ESS) – zu einem tatsächlich<br />

gemeinsamen effektiven Außenhandeln der<br />

EU zu gelangen. Erst die institutionelle Praxis wird<br />

dabei zeigen, wie die Zuständigkeiten des EU-AM<br />

sinnvoll von den Aufgaben des Vorsitzenden des Europäischen<br />

Rats abgegrenzt werden können, dem<br />

nach dem Verfassungsvertrag ebenfalls ZuständigkeiteninderEU-Außenvertretungzugeordnetsind.<br />

2. Aufgaben gem. Verfassungsvertrag: Der Europäische<br />

Außenminister (EU-AM) leitet die �Gemeinsame<br />

Außen- und Sicherheitspolitik der Union<br />

(GASP), einschl. der �Europäischen Sicherheitsund<br />

Verteidigungspolitik (ESVP). Er trägt durch seineVorschläge–rechtlicheinentscheidendesNovum<br />

gegenüber dem Vertrag von Nizza – zur Festlegung<br />

dieser Politik bei und führt sie im Auftrag des Rates<br />

durch. Der EU-AM führt den Vorsitz im Rat „Auswärtige<br />

Angelegenheiten“. Er ist einer der Vize-Präsidenten<br />

der Kommission. Er sorgt für die Kohärenz<br />

desauswärtigenHandelnsderUnion.Eristinnerhalb<br />

der Kommission mit deren Zuständigkeiten im Be-<br />

271


Europäischer Auswärtiger Dienst<br />

reich der Außenbeziehungen und mit der Koordinierung<br />

der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns<br />

der Union betraut (Art. I-28 VVE). Der EU-AM vertritt<br />

die EU im Bereich der GASP. Er führt (statt wie<br />

bisher die �Troika) im Namen der Union den Politischen<br />

Dialog mit Drittstaaten und vertritt den Standpunkt<br />

der EU in internationalen Organisationen und<br />

auf internationalen Konferenzen (Art. III-296). Er<br />

trägt für die Koordinierung der Aktionen der Mitgliedstaaten<br />

der Union in den internationalen Gremien<br />

Sorge. Soweit die EU einen Gemeinsamen<br />

Standpunkt zu einem Thema festgelegt hat, das auf<br />

der Tagesordnung des Sicherheitsrats der Vereinten<br />

Nationen steht, trägt der EU-AM diesen Standpunkt<br />

vor (Art. III-305).<br />

3. Ernennungsverfahren: Der EU-AM soll vom �Europäischen<br />

Rat (ER) – mit Zustimmung des PräsidentenderKommission–mitqualifizierterMehrheit<br />

ernannt werden (Art. I-28). Der ER kann das Mandat<br />

des EU-AM nach dem gleichen Verfahren beenden.<br />

Im Falle eines erfolgreichen Misstrauensantrags des<br />

Europäischen Parlaments (EP) muss der EU-AM aus<br />

der Kommission ausscheiden, bleibt aber, in erwarteter<br />

Bildung einer neuen Kommission, Vorsitzender<br />

des Rats (Auswärtige Angelegenheiten).<br />

4.EuropäischerAuswärtigerDienst:GemäßVerfassungsvertrag<br />

stützt sich der EU-AM in der Wahrnehmung<br />

seiner Aufgaben auf einen einheitlichen Europäischen<br />

Auswärtigen Dienst (Art. III-296 VVE). In<br />

diesensollendieDelegationenderEuropäischenGemeinschaft<br />

und des Rats als ein einheitliches Netzwerk<br />

vollständig integriert werden. Der Dienst soll<br />

sich aus Beamten der einschlägigen Dienststellen<br />

des Ratssekretariats, der Kommission sowie abgestellten<br />

Beamten der nationalen diplomatischen<br />

Dienste der Mitgliedstaaten zusammensetzen. Er<br />

soll mit den nationalen auswärtigen Diensten der<br />

Mitgliedstaaten eng zusammenarbeiten. Von der engen<br />

Teilnahme und Teilhabe der Mitgliedstaaten<br />

wird es abhängen, ob der EAD, der über die politischen<br />

Strukturen der GASP kontrolliert werden<br />

wird,denEU-AMerfolgreichwirdunterstützenkönnen.<br />

U. S.<br />

Europäischer Auswärtiger Dienst s. �Europäischer<br />

Außenminister Ziff. 4<br />

Europäischer Betriebsrat (EBR) �Betriebsrat,<br />

Europäischer<br />

272<br />

Europäischer Bürgerbeauftragter �Bürgerbeauftragter,<br />

Europäischer<br />

Europäischer Bürgerberatungsdienst �ECAS<br />

Europäischer Entwicklungsfonds (EEF)<br />

1. Vertragsgrundlage und Aufgaben: Dem EWGV<br />

wurde 1957 ein Durchführungsabkommen beigefügt,<br />

das die Modalitäten während der fünfjährigen<br />

Übergangszeit für die Assoziierungspolitik (�Assoziierung)<br />

der EWG regelte. Zur Verwirklichung der<br />

AssoziierungspolitikwurdedieEinrichtungdesEEF<br />

beschlossen. Er hat seit 1958 seinen Sitz in Luxemburg<br />

und dient der Finanzierung der Maßnahmen zur<br />

Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung<br />

der mit der E(W)G assoziierten �AKP-<br />

Staaten. Die Fonds haben jeweils eine Laufzeit von<br />

fünf Jahren. Ihr Volumen wird in den jeweiligen AbkommenmitAKP-Staaten(�Jaunde,<br />

�Lomé, �Cotonou)<br />

ausgehandelt und vom Rat festgelegt. Die<br />

Fonds-Mittel finden Verwendung als Zuschüsse für<br />

Projekt- und Programmhilfen, u. a. für Strukturanpassungshilfen,<br />

Soforthilfemaßnahmen (�Nahrungsmittelhilfe,<br />

�Katastrophenhilfe), für Zinsvergünstigungen<br />

und für nationale und regionale Programme.<br />

Außerdem werden Zuschüsse zur Stabilisierung<br />

der Ausfuhrerlöse der AKP-Staaten durch<br />

das STABEX-System und das SYSMIN-System<br />

(�Lomé-Abkommen, Ziff. 2) bereitgestellt. Der<br />

Kommission, die den Fonds verwaltet, steht ein Ausschuss<br />

aus Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten,<br />

der sog. EEF-Ausschuss, zur Seite.<br />

Der EEF wird durch das Interne Finanzierungsabkommen<br />

von den Mitgliedstaaten finanziert. Die<br />

Verwaltung der Mittel obliegt unter Beachtung der<br />

vorgesehenen Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten<br />

der Kommission. Die Aufbringung der<br />

Mittel durch die Mitgliedstaaten erfolgt nach einem<br />

vorher festgelegten Schlüssel. Die Modalitäten der<br />

Mittelvergabe und -verwaltung werden durch das Interne<br />

Finanzierungsabkommen im Rahmen des jeweiligen<br />

AKP-Abkommens geregelt.<br />

2.EntwicklungdesEEF:DerEEFwarvonAnfangan<br />

das wichtigste Finanzierungsmittel der Entwicklungspolitik<br />

der EG. In größerem Umfang wurde er<br />

zum ersten Male im Jaunde-I-Abkommen eingesetzt<br />

(2. EEF: 1964 – 1970), das 1963 mit damals 18 Entwicklungsländern<br />

abgeschlossen wurde und für die<br />

Laufzeit ein Volumen von 730 Mio. Rechnungsein-


heiten (RE; �Europäische Rechnungseinheit) umfasste.<br />

Von 828 Mio. RE des 3. EEF (1970 – 1975)<br />

unter dem Jaunde-II-Abkommen stiegen die Fondsmittelauf13Mrd.ECUdes8.EEF(1995<br />

– 2000)unter<br />

dem Lomé-IV-Abkommen und nunmehr 71 Entwicklungsländern.<br />

Auch der 8. EEF hatte eine fünfjährige<br />

Laufzeit.<br />

Auf die bis dahin üblichen, zu besonders günstigen<br />

KonditionenvergebenenSonderdarlehenwurdevöllig<br />

verzichtet; die entsprechenden Beträge wurden<br />

als Zuschüsse zur Verfügung gestellt. Die Mittel für<br />

STABEX und SYSMIN brauchen nicht mehr an die<br />

Gemeinschaft zurückgezahlt zu werden. Damit stieg<br />

der Anteil der (nicht rückzahlbaren) Zuschüsse am<br />

EEF von rund 75 % (6. EEF) auf 92 % (8. EEF) an.<br />

AuchdieKonditionenfürDarlehenausEigenmitteln<br />

der EIB (�Europäische Investitionsbank) wurden<br />

verbessert.<br />

Im9.EEF(2002–2005/07)sindHaushaltsmittelvon<br />

13,5 Mrd. Euro veranschlagt worden. Hinzu kommen1,7Mrd.EuroinFormvonDarlehen,diedieEIB<br />

aus Eigenmitteln gewährt. Außerdem werden beträchtliche<br />

Restmittel (ca. 9,9 Mrd. Euro) aus früheren<br />

Fonds in den 9. EEF übertragen.<br />

3. Der 9. EEF im Rahmen des Cotonou-Abkommens:<br />

Im Gegensatz zu den Lomé- Abkommen fasst ein<br />

vereinfachtesFinanzierungssystemdes9.EEFnahezu<br />

alle Finanzmittel in einem Titel zusammen. Lediglich<br />

eine auf Wirtschaftsförderung gerichtete,<br />

von der EIB verwaltete Investitions-Fazilität in<br />

Höhe von bis zu 2,2 Mrd. Euro ist als neues Instrument<br />

hinzugekommen. Die gesamte Außenhilfe der<br />

Kommission,alsoauchdieMitteldesEEF,wirdvom<br />

Amt für Zusammenarbeit �EuropeAid verwaltet.<br />

Bis zu 13,8 Mrd. Euro des 9. EEF stammen aus Beiträgen<br />

der EU-Mitgliedstaaten, und zwar (in Mio.<br />

Euro):<br />

Belgien 540,96 Italien 1730,52<br />

Dänemark 295,32 Luxemburg 40,02<br />

Deutschland 3223,68 Niederlande 720,36<br />

Finnland 204,24 Österreich 365,70<br />

Frankreich 3353,40 Portugal 113,86<br />

Großbritann. 1751,22 Schweden 376,74<br />

Griechenland 172,50 Spanien 805,92<br />

Irland 85,56<br />

Davon werden 13,5 Mrd. Euro den AKP-Staaten,<br />

175 Mio. Euro den Überseeischen Gebieten und 125<br />

Mio. Euro der Europäischen Kommission zur Deckung<br />

der mit der Durchführung verbundenen Kosten<br />

Europäischer Entwicklungsfonds<br />

des 9. EEF zugewiesen. Von den den AKP-Ländern<br />

vorbehaltenen Finanzmitteln werden diesen bis zu<br />

10 Mrd. Euro in Form von (nichtrückzahlbaren) Zuschüssen,<br />

bis zu 1,3 Mrd. Euro für die Unterstützung<br />

der regionalen Zusammenarbeit und Integration der<br />

AKP-Staaten und bis zu 2,2 Mrd. Euro für die InanspruchnahmederInvestitionsfazilitätzurVerfügung<br />

gestellt. Von der Gesamtsumme wird jedoch 1 Mrd.<br />

Euro erst nach einer Leistungsüberprüfung durch<br />

den Europäischen Rat zugewiesen.<br />

Kriterien für die Mittelvergabe an die einzelnen<br />

AKP-Staaten und Regionen sind die gemeinsam vereinbarten<br />

Schwerpunktziele Armutsbekämpfung,<br />

Stärkung der Eigenverantwortung (ownership),<br />

Durchführung politischer und institutioneller Reformen<br />

sowie Fortschritte beim Kapazitäten- und Kompetenzaufbau,<br />

die Einbeziehung geschlechtsspezifischer<br />

Fragen, insbes. die Gleichberechtigung von<br />

Mann und Frau in Entwicklungsmaßnahmen und die<br />

Beachtung der Grundsätze nachhaltiger Entwicklung.<br />

Damit tritt an die Stelle automatischer Mittelvergabe<br />

eine die Eigenverantwortung stärkende flexiblere<br />

und effizientere Nutzung der vorhandenen<br />

Mittel. Wo es spürbare Fortschritte in der Armutsbekämpfung,<br />

bei der Förderung der �Zivilgesellschaft<br />

und beim Aufbau demokratischer staatlicher Strukturen<br />

gibt, können entsprechende Leistungen durch<br />

zusätzliche Unterstützung honoriert werden. Wo dagegen<br />

schwere Vertragsverletzungen auftreten,<br />

kann es zu einer Unterbrechung oder gar zum Abbruch<br />

der Zusammenarbeit kommen.<br />

Kriterien für die Freigabe der Restmittel von 1 Mrd.<br />

Euro (2004) sind die Qualität der Entwicklungszusammenarbeit<br />

und der Grad der tatsächlichen InanspruchnahmederFondsmittelzudiesemZeitpunkt.<br />

Vor Ende der Laufzeit des 9. EEF erfolgt eine Prüfung<br />

des Standes der Mittelbindungen und Auszahlungen.<br />

Sie bilden die Grundlage für die Neubewertung<br />

des Gesamtbetrages der Mittel und die Festlegung<br />

neuer Mittel für die weitere Zusammenarbeit<br />

(10. EEF).<br />

Nach dem Willen der EU-Kommission soll der EEF<br />

ab 2006 in den allgemeinen Haushalt der Gemeinschaft<br />

integriert werden. Damit wird die Mittelbereitstellung<br />

und -vergabe unter die parlamentarische<br />

Kontrolle durch das EU-Parlament gestellt. Andererseits<br />

besteht die Gefahr, dass Fondsmittel für andere<br />

außenpolitische Ziele Verwendung finden<br />

könnten. K. E.<br />

273


Europäischer Flüchtlingsfonds<br />

Literatur:<br />

BMZ: Entwicklungspolitik. Materialien Nr. 82. Lomé IV.<br />

Bonn 1991<br />

Dass.: Das Abkommen von Cotonou – Neue Wege in der<br />

AKP-EG-Partnerschaft. Bonn 2002<br />

Kappel, R.: Europas Entwicklungspolitik im Wandel? Gibt es<br />

eine Zukunft für die Kooperation zwischen der Europäischen<br />

Union und den AKP-Staaten? In: Nord-Süd aktuell 2/1996,<br />

S. 268 – 275<br />

Wolf, S.: Begrenzter Erfolg des Lomé-Abkommens.<br />

Frankfurt/M. 1996<br />

Europäischer Flüchtlingsfonds. Im Rahmen der<br />

Europäischen �Asylpolitik werden u. a. gem. Art. 63<br />

EGV Maßnahmen beschlossen, die die Gewährung<br />

von Asyl, die Aufnahme von Flüchtlingen, die Einwanderung<br />

in einen Mitgliedstaat und die Freizügigkeit<br />

der Drittstaatsangehörigen in einen gemeinsamen<br />

Kontext fassen. Hintergrund ist zum einen, dass<br />

auch der eigentlich nur vorübergehend gewährte<br />

Aufenthalt von Schutzsuchenden in der Praxis oft<br />

mehrere Jahre andauert. Zum anderen drängt insbes.<br />

Deutschland im Asyl- und Einwanderungsbereich<br />

auf einheitliche Kriterien und Verfahren, weil es in<br />

der EU nach wie vor eines der Hauptaufnahmeländer<br />

ist.ImRahmendiesesangestrebten„burdensharing“<br />

errichtete die Gemeinschaft – gestützt auf Art. 63 Nr.<br />

2 b EGV – durch Entscheidung 2000/596 (ABl. L<br />

252/2000; ergänzt durch die Durchführungsbestimmungen<br />

2001/275) für den Zeitraum 1. 1. 2000 bis<br />

31. 12. 2004 einen neuen Europäischen Flüchtlingsfonds<br />

und stattete diesen zunächst mit insg. 216 Mio.<br />

Euro aus. Diese Fördermittel wurden insbes. in den<br />

Bereichen „Aufnahmebedingungen und Zugang zu<br />

Asylverfahren, Integration von Flüchtlingen und<br />

Vertriebenen sowie freiwillige Rückkehr“ eingesetzt.<br />

In Deutschland wird der Fonds vom Bundesamt<br />

für Migration und Flüchtlinge betreut. Die Kommission<br />

hat 2004 einen Vorschlag zur Errichtung eines<br />

Europäischen Flüchtlingsfonds 2005 – 2010<br />

(KOM 2004/102 endg.) mit einer schrittweisen AufstockungderMittelab2008vorgelegt.<br />

J. M. B.<br />

Europäischer Fonds für regionale Entwicklung<br />

(EFRE) �Fonds der EU, �Regionalpolitik<br />

Europäischer Fonds für währungspolitische<br />

Zusammenarbeit (EFWZ). Mit Verordnung<br />

907/73 (ABl. L 89/1973) errichteter Fonds mit eigener<br />

Rechtspersönlichkeit. Seine Aufgabe war u. a.<br />

der Saldenausgleich zwischen den Zentralbanken im<br />

274<br />

Rahmen des Interventionsmechanismus des �Europäischen<br />

Währungssystems. Der Fonds führte seine<br />

Konten in ECU.<br />

Europäischer Forschungsbeirat (European Research<br />

Advisory Board, EURAB). Hochrangiges unabhängiges<br />

Komitee aus 45 von der Kommission für<br />

ein Mandat von 3 Jahren berufenen Mitgliedern aus<br />

Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen<br />

aus EU- und anderen Staaten (EURAB 1<br />

2001 – 2004, EURAB 2 2004 – 2007). Gegründet<br />

durch Entscheidung der Kommission vom 27. 6.<br />

2001 (2001/531). Aufgabe ist die Beratung der Kommission<br />

bei der Planung und Verwirklichung der Gemeinschaftspolitik<br />

im Bereich Forschung und technologische<br />

Entwicklung im Hinblick auf die VerwirklichungeinesEuropäischenForschungsraums.<br />

Europäischer Forschungsraum (EFR) �Forschungs-<br />

und Technologiepolitik Ziff. 3.1<br />

Europäischer Führerschein �Führerschein<br />

Europäischer Gerichtshof (EuGH) �Gerichtshof<br />

der Europäischen Gemeinschaften<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

(EGMR). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte<br />

mit Sitz in Straßburg ist das Rechtsprechungsorgan<br />

der �Europäischen Konvention zum<br />

Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

(Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK),<br />

Art. 19 ff. EMRK. Der EGMR setzt sich aus je einem<br />

Richter je Konventionsstaat zusammen, d. h. bei derzeit<br />

46 Staaten aus 46 Richtern (Stand 1. 4. 2005).<br />

Nicht erforderlich ist, dass der Richter auch die<br />

Staatsangehörigkeit (s)eines Konventionsstaates<br />

hat. Die Richter werden auf Vorschlag der Konventionsstaaten<br />

von der Parlamentarischen Versammlung<br />

des Europarats für die Dauer von sechs Jahren<br />

mit der Möglichkeit der Wiederernennung gewählt.<br />

Hierfür stellen die Konventionsstaaten eine Liste mit<br />

je drei Kandidaten auf, die jeweils „ein hohes sittliches<br />

Ansehen genießen“ und entweder die für ein hohes<br />

innerstaatliches Richteramt erforderlichen Voraussetzungen<br />

erfüllen oder Rechtsgelehrte von anerkanntem<br />

Ruf sind (Art. 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 EMRK).<br />

DerEGMRverkündetseineUrteileinenglischerund<br />

französischer Sprache, den beiden Amtssprachen


des Europarates. Seit Inkrafttreten des 11. Zusatzprotokolls<br />

am 1. 11. 1998 tagt der EGMR als ständiger<br />

Gerichtshof, zugleich wurde das Alter der Richter<br />

auf 70 Jahre begrenzt.<br />

Mit der Verfahrensreform durch das 11. Zusatzprotokoll<br />

(ZP) zur EMRK wurden sowohl der EGMR als<br />

auch die Rechtsstellung der jeweiligen Beschwerdeführer<br />

gestärkt. Die frühere Europäische KommissionfürMenschenrechte(EKMR)istalsVorprüfungsinstanz<br />

ersatzlos weggefallen; die Zuständigkeit des<br />

Ministerkomitees wurde auf die Überwachung der<br />

Durchführung der Urteile des EGMR beschränkt<br />

(Art. 46 Abs. 2 EMRK). Seitdem können sich die Beschwerdeführer<br />

mit ihrer Beschwerde direkt an den<br />

EGMR wenden. Seit der Reform fällt der EGMR seine<br />

Entscheidungen, je nach Bedeutung der Beschwerde,inAusschüssenmitdreiRichtern,inKammern<br />

mit sieben Richtern oder durch die Große Kammer<br />

mit siebzehn Richtern. Dabei wirkt stets derjenige<br />

Richter am Verfahren mit, gegen dessen Staat die<br />

Beschwerde gerichtet ist (Art. 27 Abs. 2 EMRK).<br />

Seine Aufgabe hierbei ist es, gewissermaßen als<br />

Sachverständiger für die Rechtsordnung des beklagtenStaateszurVerfügungzustehenundzudeninnerstaatlichen<br />

Hintergründen wie zu den rechtlichen<br />

Umständen des Beschwerdefalles Auskunft zu geben.<br />

Eine Beschwerde wegen Verletzung der EMRK<br />

beim EGMR ist zulässig, wenn der Beschwerdeführer<br />

alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft hat,<br />

sie innerhalb von sechs Monaten nach der endgültigen<br />

innerstaatlichen Entscheidung eingelegt wird,<br />

nicht anonym ist, nicht mit einer früheren BeschwerdeidentischistundnichtunvereinbarmitderEMRK,<br />

offensichtlich unbegründet oder gar missbräuchlich<br />

ist. Die Zulässigkeitskriterien stellen insbes. klar,<br />

dass der Schutz der EMRK subsidiär ist, d. h. den innerstaatlichen<br />

Rechtsschutz ergänzen, nicht aber ersetzen<br />

soll.<br />

EinebeimEGMRgegeneinenKonventionsstaateingelegte<br />

Beschwerde wird zunächst von der Kanzlei<br />

vorab geprüft. Die Kanzlei weist den Beschwerdeführer<br />

auf etwaige Mängel seiner Beschwerde hin<br />

und fordert diesen ggf. auf, z. B. die notwendigen Belege<br />

für die Erschöpfung des innerstaatlichen<br />

Rechtswegs(vgl.Art.35Abs.1EMRK)vorzulegen.<br />

Anschließend prüft ein Dreier-Ausschuss des<br />

EGMR zunächst die Zulässigkeit der Beschwerde.<br />

Unzulässige oder offensichtlich unbegründete Be-<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

schwerden werden vom Ausschuss durch einstimmigen<br />

Beschluss (decision) zurückgewiesen.<br />

Ergeht keine Unzulässigkeitsentscheidung durch<br />

den Ausschuss oder liegt eine – der seltenen – Staatenbeschwerden<br />

vor, entscheidet die Kammer über<br />

Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde<br />

(Art. 29 EMRK); wirft die Beschwerde schwerwiegende<br />

Auslegungsfragen auf oder möchte die Kammer<br />

von der bestehenden Rechtsprechung abweichen,<br />

so kann sie das Verfahren jederzeit an die Große<br />

Kammer abgeben (Art. 30 EMRK). Daneben ist<br />

die Große Kammer für Beschwerden gegen Urteile<br />

der Kammer zuständig (Art. 31 EMRK).<br />

ImVerfahrenvordemEGMR,gilt–wennauchinabgeschwächter<br />

Form – der Amtsermittlungsgrundsatz,<br />

d. h. der EGMR ermittelt den Sachverhalt von<br />

Amts wegen und ist an den Vortrag und die Beweisanträge<br />

der Beteiligten nicht gebunden. Er stützt sich<br />

dabei auf den Inhalt der vorgelegten Akten und die<br />

Sachverhaltsfeststellungen im staatlichen Urteil; er<br />

weicht i. d. R. von diesen nur aus besonderen, wenn<br />

nicht zwingenden Gründen ab. Eigene Beweisermittlungen<br />

des EGMR, insbes. die Vernehmung von<br />

Zeugen und Sachverständigen oder gar Ortsbesichtigungen,<br />

sind daher ausgesprochen selten.<br />

SoweitsichdieBeteiligtennichtgütlicheinigen(Art.<br />

39EMRK),entscheidetderEGMRdurchUrteil(Art.<br />

42, 43 Abs. 3 EMRK). Im Urteil stellt der EGMR ggf.<br />

die Verletzung (bzw. Nicht-Verletzung) der EMRK<br />

fest und kann dem verletzten Beschwerdeführer ggf.<br />

eine gerechte Entschädigung zusprechen, soweit<br />

dies notwendig ist (Art. 41 EMRK). Sobald das Urteil<br />

endgültig ist (Art. 44 EMRK), wird es zudem veröffentlicht.<br />

Das Urteil bindet die Beteiligten; der beteiligte<br />

Konventionsstaat ist verpflichtet, das endgültige<br />

Urteil zu befolgen (Art. 46 Abs. 1 EMRK);<br />

�Bindungswirkung von EGMR-Entscheidungen.<br />

In materieller Hinsicht hat der EGMR mit seiner<br />

Rechtsprechung immer wieder das innerstaatliche<br />

Recht beeinflusst und die Konventionsstaaten zur<br />

Weiterentwicklung ihrer Rechtsnormen gezwungen.DabeihatsichderSchwerpunktseinerEntscheidungen<br />

deutlich verschoben. In der Anfangszeit lag<br />

ein deutlicher Rechtsprechungsschwerpunkt im Bereich<br />

des Strafrechts bzw. des Strafprozessrechts,<br />

seine Tätigkeit erstreckt sich mittlerweile auf praktisch<br />

alle Bereiche staatlicher Normsetzung, insbes.<br />

auch das Ausländer- oder das Familienrecht, das<br />

Steuer- oder das Umweltrecht. Auch zahlreiche Re-<br />

275


Europäischer Geschichtslehrerverband<br />

gelungen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung<br />

sind zwischenzeitlich auf seinen Prüfstand geraten,<br />

gleich ob es sich um den Schießbefehl an der innerdeutschen<br />

Grenze, Rentenansprüche ehemaliger<br />

Stasi-Mitarbeiter oder Fragen der Bodenreform handelte.<br />

Zugleich ist die Zahl der Verfahren der beim EGMR<br />

anhängigen Beschwerden exponentiell gestiegen.<br />

Bis 1970 lagen gerade einmal zwölf Urteile vor, zu<br />

Beginn der 1980er Jahre verkündete der EGMR ca.<br />

10UrteileimJahr,inden1990erJahrenstiegdieZahl<br />

der Urteile auf ca. 100 pro Jahr. Im Jahr 2004 verkündete<br />

der EGMR 718 Urteile, wobei er in 588 Fällen<br />

eine Verletzung der EMRK feststellte. Ebenfalls<br />

2004erklärtederEGMR20348Beschwerdenfürunzulässig.<br />

Um der drohenden Überlast Rechnung zu<br />

tragen, sieht das 14. ZP zur Europäischen Menschenrechtskonvention<br />

vom 13. 5. 2004 eine weitere StraffungdesVerfahrensunddieMöglichkeitvonEinzelrichterentscheidungenvor.<br />

S. W.<br />

Europäischer Geschichtslehrerverband<br />

EUROCLIO, gegründet 1993. Neben dem Vorstand<br />

gibt es eine Assemblée Generale; Verbandssprachen<br />

sind Englisch und Französisch (wie im Europarat).<br />

Ziele: Stärkung des Geschichtsunterrichts in Europa<br />

unter vermehrter Einbeziehung der �europäischen<br />

Dimension; Verbesserung der Kommunikation unter<br />

den europäischen Geschichtslehrerverbänden;<br />

Gründung neuer Verbände in den dem Europarat angehörenden<br />

Ländern, in denen es noch keine Geschichtslehrerverbändegibt.<br />

W. M.<br />

Anschrift: Stichting Euroclio-VGN,<br />

Juliana van Stolberglaan 41, NL–2595 CA Den Haag.<br />

Internet: www.eurocliohistory.org<br />

Europäischer Gewerkschaftsbund EGB (European<br />

Trade Union Confederation ETUC, Confédération<br />

Européenne des Syndicats CES), gegründet<br />

1973. Dem EGB (Sitz in Brüssel) gehören 76 Gewerkschaftsbünde<br />

aus 34 europäischen Ländern mit<br />

60 Mio. Mitgliedern an (aus Deutschland der DGB)<br />

sowie 11 Zusammenschlüsse von Branchengewerkschaften<br />

(�Europäischer Gewerkschaftsverband für<br />

den Öffentlichen Dienst, �Europäischer Metallgewerkschaftsbund).<br />

Organe: Der Kongress ist das höchste Organ und tritt<br />

alle 4 Jahre zusammen (zuletzt 2003 in Prag). Er<br />

wählt die Mitglieder des Exekutivausschusses, den<br />

Präsidenten, den Generalsekretär und die 2 deputier-<br />

276<br />

ten Generalsekretäre. Der Exekutivausschuss tritt<br />

viermal jährlich zusammen. Ein Lenkungsausschuss,<br />

der aus 21 Mitgliedern des Exekutivausschusses<br />

besteht, führt die Entscheidungen des Exekutivausschusses<br />

aus.<br />

Der EGB führt den �„Sozialen Dialog“ mit den Arbeitgebern<br />

(�UNICE, �CEEP, �UEAPM); die Sozialpartner<br />

können seit Inkrafttreten des Sozialprotokolls<br />

von Maastricht (1. 11. 1993) vertragliche<br />

Vereinbarungen treffen, die auf Antrag der Parteien<br />

zu rechtskräftigen Beschlüssen des Rats führen. Der<br />

EGB nimmt am jährlichen Frühjahrs-Sozialgipfel<br />

(�Tripartiter Sozialgipfel) im Rahmen der �Lissabon-Strategie<br />

teil, er ist beteiligt am Entwurf von<br />

Richtlinien zu Arbeitnehmerrechten (wie zur Teilzeitarbeit<br />

oder zum Elternurlaub).<br />

Der EGB tritt für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen<br />

der Arbeitnehmer ein sowie für grundlegende<br />

Werte wie sozialer Fortschritt, Solidarität, Demokratie<br />

und Frieden.<br />

Ziele: „Der EGB setzt sich insbes. ein:<br />

– für die Ausweitung und Festigung der politischen<br />

Freiheiten;<br />

– für die Einhaltung der Menschen- und Gewerkschaftsrechte;<br />

– für Abschaffung aller Formen von Diskriminierung<br />

und für Förderung der Chancengleichheit...;<br />

– für die geographisch ausgewogene und umweltverträgliche<br />

Wirtschaftsentwicklung;<br />

– für eine frei gewählte und produktive Beschäftigung<br />

für alle;<br />

– für die Demokratisierung der Wirtschaft;<br />

– für eine ständige Verbesserung der Lebens- und<br />

Arbeitsbedingungen;<br />

– für eine auf Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität<br />

beruhende europäische Gesellschaft.“ (Satzung<br />

EGB 1991, Präambel).<br />

Der EGB nimmt qua Resolutionen, Papieren usw.<br />

Stellung zu allen einschlägigen Politikbereichen der<br />

EU, z. B. zu Beschäftigungs- und Steuerfragen, zu<br />

den sozialen Grundrechten, zur EU-Sozialcharta<br />

(�Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte),<br />

zur Sicherheit am Arbeitsplatz, zu Fragen der Mitbestimmung<br />

(Europäischer �Betriebsrat), zur �Sozialpolitik,<br />

zum (Jugend-)Arbeitsschutz, zu europäischen<br />

Tarifverhandlungen, zur sozialen Dimension<br />

der Berufsausbildung, zu den �Abkommen der EU,<br />

zur �Verbraucherpolitik, zum �Binnenmarkt, zu den<br />

sozialen Rechten der Arbeitnehmer, zur Europäi-


schen Aktiengesellschaft (�Gesellschaftsrecht), zu<br />

Weiß- und Grünbüchern der Kommission usw.<br />

Weitere Einrichtungen des EGB: Europäisches Gewerkschaftsinstitut<br />

(European Trade Union Institute,<br />

�ETUI), Europäische Gewerkschaftsakademie<br />

(European Trade Union College, �ETUCO), Institut<br />

für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz<br />

(�TUTB),seitApril2005zusammengefasstzumEuropäischenGewerkschaftsinstitutfürForschung,Erziehung,<br />

Gesundheit und Sicherheit (European Trade<br />

Union Institute for Research, Education and<br />

HealthandSecurity, ETUI-REHS). W. M.<br />

Anschrift: European Trade Union House,<br />

Boulevard Roi Albert II, 5, B–1210 Brüssel<br />

Internet: www.etuc.org<br />

Literatur:<br />

Mückenberger, U. u. a. (Hrsg.): Die Modernisierung der<br />

Gewerkschaften in Europa. Münster 1996<br />

Europäischer Gewerkschaftsverband für den<br />

Öffentlichen Dienst (EGÖD) Ist ein Verband von<br />

ca.220unabhängigenGewerkschaftsorganisationen<br />

für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in 35 Ländern<br />

Europas. Der EGÖD ist der größte Einzelverband<br />

innerhalb des �Europäischen Gewerkschaftsbundes<br />

(EGB) und verfügt über 2 Sitze im Exekutivausschuss<br />

des EGB.<br />

Anschrift: 45 rue Royale, Box 1, B–1000 Brüssel<br />

Internet: www.epsu.org<br />

Europäischer Haftbefehl. Der Europäische Haftbefehl<br />

ist eine justitielle Entscheidung, die in einem<br />

EU-Mitgliedstaat ergangen ist und die Festnahme<br />

und Übergabe einer gesuchten Person durch einen<br />

anderen EU-Mitgliedstaat zur Strafverfolgung oder<br />

zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe bezweckt.<br />

Der Europäische Haftbefehl ist eine Maßnahme im<br />

Rahmen der �PJZS und beruht auf dem Rahmenbeschluss<br />

der EU vom 13. 6. 2002. Der Rahmenbeschluss<br />

bedarf der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten<br />

in das jeweilige nationale Recht (Art. 34<br />

Abs. 2 lit. b EUV). Die Bundesrepublik Deutschland<br />

hat den Rahmenbeschluss durch das Europäische<br />

Haftbefehlsgesetz (EuHbG) vom 21. 7. 2004 (s. unten),<br />

die Republik Österreich durch das Bundesgesetz<br />

über die justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen<br />

mit den Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union vom 16. 4. 2004 (EU-JZG) umgesetzt.<br />

Der Haftbefehl besteht entweder aus einem Dokument,<br />

mit dem der ausstellende Mitgliedstaat den<br />

Europäischer Haftbefehl<br />

vollstreckenden Mitgliedstaat um die Festnahme<br />

und Überstellung einer bestimmten Person ersucht,<br />

oder – in der Praxis die Regel – in der Fahndungsausschreibung<br />

einer Person im �Schengener Informationssystem<br />

(SIS). Der Anwendungsbereich dieses<br />

neuen Strafverfolgungsinstruments ist für Handlungen<br />

eröffnet, die nach den Rechtsvorschriften des<br />

Ausstellungsmitgliedstaats mit einer Freiheitsstrafe<br />

von mindestens 12 Monaten bedroht sind, oder – bei<br />

einer Verurteilung im konkreten Fall – mit mindestens<br />

vier Monaten Freiheitsstrafe bestraft wurden.<br />

Als Grundregel gilt, dass die Mitgliedstaaten jeden<br />

Europäischen Haftbefehl nach dem Grundsatz der<br />

gegenseitigen Anerkennung und gemäß den Bestimmungen<br />

des Rahmenbeschlusses vollstrecken müssen;<br />

unter engen Voraussetzungen kann das Ersuchen<br />

abgelehnt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen<br />

wird für eine der 36 Deliktsgruppen die<br />

klassische Regel der beiderseitigen Strafbarkeit,<br />

wonach sich die verfolgte Person sowohl im ausstellenden<br />

als auch im vollstreckenden Mitgliedstaat jeweils<br />

nach dem nationalen Recht strafbar gemacht<br />

haben muss, aufgegeben.<br />

Mit dem Europäischen Haftbefehl soll das zwischen<br />

den Mitgliedstaaten geltende klassische System der<br />

Auslieferung auf der Grundlage völkerrechtlicher<br />

Verträge ersetzt werden. Die Justizbehörden der<br />

MitgliedstaatensollenineinendirektenKontaktmiteinander<br />

treten, um das gegen eine gesuchte Person<br />

eingeleitete Verfahren mit der geringstmöglichen<br />

Zeitverzögerung auf Grund des Auslandsbezugs<br />

durchführen zu können. Dabei wird das Differenzierungskriterium<br />

der Staatsangehörigkeit der verfolgtenPersonweitgehendaufgegebenunddurchdasTatortprinzip<br />

ersetzt, d. h. jede Straftat in der EU soll an<br />

dem Ort strafrechtlich verfolgt und abgeurteilt werden,andemsiebegangenwurde.Folglichwerdendie<br />

Mitgliedstaaten verpflichtet, auch eigene Staatsangehörige<br />

auszuliefern. In Deutschland ist mit Blick<br />

auf den Europäischen Haftbefehl und die völkerrechtliche<br />

Pflicht zur Überstellung von Personen an<br />

internationale Strafgerichtshöfe bereits im Jahr 2000<br />

das Grundgesetz geändert worden (Art. 16 Abs. 2<br />

Satz 2 GG).<br />

Der Europäische Haftbefehl ist ein Baustein in dem<br />

politischen Konzept der EU zur Errichtung eines europäischen<br />

Rechtsraumes (�„Raum der Freiheit, der<br />

Sicherheit und des Rechts“, Art. 29 EUV). Obwohl<br />

das Rechtsinstrument bereits in dem vom Europäi-<br />

277


Europäischer Investitionsfonds<br />

schen Rat in Tampere 1999 beschlossenen Programm<br />

vorgesehen ist, konnte erst nach den veränderten<br />

politischen Rahmenbedingungen in Folge des<br />

Terrorangriffs in den USA am 11. 9. 2001 eine Einigung<br />

unter den Mitgliedstaaten hergestellt werden.<br />

Der zeitliche Zusammenhang mit der Bekämpfung<br />

des Terrorismus darf allerdings nicht darüber täuschen,<br />

dass der Europäische Haftbefehl auch auf<br />

zahlreiche Delikte der mittleren Delinquenz (bspw.<br />

Betrug und Diebstahl) anwendbar ist.<br />

Gegen die Gesamtkonzeption und einzelne Regelungen<br />

des Europäischen Haftbefehls sind erhebliche<br />

rechtsstaatliche Bedenken geäußert worden. Dies<br />

betrifft Rechte der verfolgten Person auf ein faires<br />

Verfahren und eine angemessene Verteidigung sowie<br />

die Geltung des Rückwirkungsverbots und die<br />

teilweise Abkehr vom Schuldprinzip. Das BundesverfassungsgerichthatmitUrteilvom18.7.2005das<br />

EuHbG wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m.<br />

Art. 20 Abs. 3, Art. 16 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG<br />

fürnichtigerklärt. F. Sch.<br />

Dokumente:<br />

Rahmenbeschluss des Rates über den Europäischen Haftbefehl<br />

und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten vom<br />

13. 6. 2002 (2002/584/JI, ABl. L 190/2002)<br />

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische<br />

Parlament vom 2. 6. 2004: Raum der Freiheit, der Sicherheit<br />

und des Rechts: Bilanz des Tampere-Programms und Perspektiven<br />

(KOM (2004) 401 endg.)<br />

Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen<br />

Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den<br />

Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz<br />

– EuHbG) vom 21. 7. 2004, BGBl I S. 1748<br />

Bundesverfassungsgericht, Beschluss des Zweiten Senats vom<br />

24. 11. 2004 – 2 BvR 2236/04, EuGRZ 2004, S. 667<br />

Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten Senats vom<br />

18. 7. 2005 – 2 BvR 2236/04<br />

Literatur:<br />

Heintschel-Heinegg B. von / Rohlff, D.: Der Europäische Haftbefehl.<br />

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 150 (2003), S. 44<br />

Rinio, C.: Die Auslieferung eigener Staatsangehöriger.<br />

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 108 (1996),<br />

S. 354<br />

Schünemann, B.: Fortschritte und Fehltritte in der Strafrechtspflege<br />

der EU. Goltdammer’s Archiv für Strafrecht 151<br />

(2004), S. 193<br />

Uhle, A.: Auslieferung und Grundgesetz – Anmerkungen zu<br />

Art. 16 II GG. NJW 2001, S. 1889<br />

Europäischer Investitionsfonds (EIF) mit Sitz in<br />

Luxemburg, 1994 gegründet mit eigener Rechtspersönlichkeit<br />

und Finanzautonomie, ausgestattet mit 2<br />

Mrd. Euro Kapital. 59,15 % des Kapitals hält die<br />

�Europäische Investitionsbank (EIB), 30 % die Eu-<br />

278<br />

ropäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission,<br />

10,85 % sind im Besitz von Banken aus<br />

EU-Staaten. Eine Reform im Jahr 2000 hat den EIF<br />

mit der EIB zur EIB-Gruppe verbunden.<br />

Der Fonds beteiligt sich an Risikokapitalfonds (venture<br />

capital) und vergibt Bürgschaften (Garantien);<br />

er erleichtert damit die Fremdfinanzierung kleiner<br />

und mittlerer Unternehmen (�KMU) insbes. im<br />

Technologiebereich.<br />

Die Organe des EIF sind die jährliche Generalversammlung,<br />

der Aufsichtsrat und der Finanzausschuss,deraus3Mitgliedernbesteht(jeeinervonder<br />

EIB, der Kommission und den Banken) und den<br />

Fonds managt.<br />

Europäischer Konvent zur Zukunft Europas<br />

Änderungen der europäischen Verträge wurden seit<br />

Bestehen der Europäischen Gemeinschaften stets<br />

durch Regierungskonferenzen „hinter verschlossenen<br />

Türen“ vorbereitet. Die Unterzeichnung erfolgte<br />

jeweils durch die Staats- und Regierungschefs auf einem<br />

Europäischen Rat (so in Maastricht, Amsterdam,<br />

Nizza).<br />

Erstmals wurde auf Vorschlag der deutschen Regierung<br />

auf dem Europäischen Rat in Köln im Juni 1999<br />

einanderesVerfahrengewählt,zurErarbeitungeiner<br />

Grundrechtecharta.EswurdeeinKonvent(vonlateinisch<br />

convenire = zusammenkommen) einberufen.<br />

Dieser tagte unter dem Vorsitz des früheren deutschen<br />

Bundespräsidenten Roman Herzog und entwickelte<br />

den Entwurf einer Grundrechtecharta. Diese<br />

wurde zunächst nur feierlich proklamiert, ohne Bindungswirkung<br />

zu erlangen.<br />

Nachdem das Konventsverfahren sich bei der<br />

Grundrechtecharta als erfolgreich erwiesen hatte,<br />

entschied sich der Europäische Rat von Laeken am<br />

14./15. 12. 2001, einen „Europäischen Konvent zur<br />

Zukunft Europas“ einzuberufen mit der Aufgabe,<br />

Änderungen der Verträge, auf denen die Union beruht,<br />

vorzubereiten.<br />

Zum Vorsitzenden wurde der frühere französische<br />

Präsident Valéry Giscard d’Estaing ernannt. Der<br />

Konvent hatte 105 Mitglieder. Neben dem Vorsitzenden<br />

und zwei Vizepräsidenten gehörten ihm je<br />

ein Vertreter der nationalen Regierungen und je zwei<br />

Mitglieder jedes mitgliedstaatlichen Parlaments sowie<br />

16 Vertreter des Europäischen Parlaments und<br />

zwei Vertreter der Kommission an. Die Beitrittsländer<br />

waren in gleicher Weise beteiligt. Für Deutsch-


land waren im Konvent: zunächst Peter Glotz als<br />

Vertreter der Bundesregierung, später Außenminister<br />

Joschka Fischer, Ministerpräsident Erwin Teufel<br />

(Baden-Württemberg) für den Bundesrat, Jürgen<br />

Meyer für den Bundestag.<br />

Der Konvent tagte vom 28. 2. 2002 bis zum 10. 7.<br />

2003. Er beendete seine Arbeit mit dem Entwurf eines<br />

„Vertrages über eine Verfassung für Europa“<br />

(�Verfassungsvertrag).<br />

– Der Konvent hat insbes. eine bessere Aufteilung<br />

der Zuständigkeiten der Union und der Mitgliedstaaten<br />

vorgeschlagen;<br />

– er empfahl, die bisherigen vier Vertragswerke von<br />

Union und Gemeinschaften zusammenzufassen und<br />

dieneueEUmitRechtspersönlichkeitauszustatten;<br />

– er schlug vor, die Grundrechtecharta in das neue<br />

Vertragswerk aufzunehmen;<br />

– er arbeitete verschiedene Handlungsinstrumente<br />

der EU aus;<br />

–erschlugMaßnahmenfürmehrDemokratie,Transparenz<br />

und Effizienz in der EU vor;<br />

– er arbeitete Maßnahmen aus, die zur Verbesserung<br />

der Struktur und zur Stärkung der Rolle aller drei Organe<br />

der Union erforderlich sind.<br />

Das in Art. 48 EUV festgelegte Verfahren zur Änderung<br />

der Verträge sieht die Einberufung einer Konferenz<br />

von Vertretern der Regierungen vor, um die vorzunehmenden<br />

Änderungen zu vereinbaren. Der Entwurf<br />

des Konvents bildete die Basis für die Arbeit<br />

dieser sich anschließenden Regierungskonferenz.<br />

Sie hat die Ergebnisse des Konvents überwiegend<br />

übernommen. Die Verfassung wurde am 29. 10.<br />

2004 feierlich in Rom von den Staats- und Regierungschefs<br />

unterzeichnet. Nun muss sie in allen Mitgliedstaaten<br />

ratifiziert werden. In mehreren Staaten<br />

wirddazueinReferendumdurchgeführt.InDeutschland<br />

wird das Zustimmungsgesetz von Bundestag<br />

und Bundesrat beschlossen. (Über den Stand der Ratifizierung:<br />

�Ratifizierungsverfahren des Verfassungsvertrags)<br />

H. D.-K.<br />

Europäischer Mehrwert<br />

bezeichnet<br />

a) ein übergeordnetes Prinzip der Förderpolitik der<br />

EU mit dem Ziel, bei Teilnehmern zusätzlich zur Erfüllung<br />

des unmittelbaren Zwecks der Förderung<br />

auch das „europäische �Bewusstsein“ zu bilden, die<br />

„europäische Idee“ zu verbreiten;<br />

b) den zusätzlichen Nutzen für die Mitgliedstaaten,<br />

Europäischer Qulaifikationsrahmen<br />

der durch gemeinschaftliche statt einzelstaatlicher<br />

Maßnahmen entsteht, insbes. für kleine und mittlere<br />

Staaten und in Bereichen wie Forschung und Technologie,<br />

Umwelt.<br />

Europäischer Metallgewerkschaftsbund<br />

(EMB, European Metalworkers Federation, EMF)<br />

mit Sitz in Brüssel wurde im Juni 1971 von acht nationalen<br />

Metallarbeitergewerkschaften mit drei Millionen<br />

Mitgliedern gegründet. Ihm gehören heute 65<br />

Gewerkschaften aus 30 Ländern mit zusammen 6,5<br />

Millionen Mitgliedern an. Der Europäische Metallgewerkschaftsbund<br />

ist Mitglied im �Europäischen<br />

Gewerkschaftsbund.<br />

Anschrift: Rue Royale 35, bte 2, B–1000 Brüssel<br />

Internet: www.emf-fem.org<br />

Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR). Der<br />

Europäische Qualifikationsrahmen soll in Folge der<br />

�Lissabonstrategie gem. der Festlegung im Europäischen<br />

Rat vom 23. 3. 2005 eine zunehmende Transparenz<br />

und gegenseitiges Vertrauen im Bereich der<br />

Qualifikationen unterstützen und die Vergleichbarkeit<br />

in Bildung, Berufsbildung und lebenslangem<br />

Lernen ermöglichen. Aufbauend auf einem umfassendenKonsultationsprozesssolldemEuropäischen<br />

Parlament und dem Rat im Frühjahr 2006 eine Empfehlung<br />

zu seiner Einführung vorgelegt werden.<br />

1. Zielrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens:<br />

Der Europäische Qualifikationsrahmen<br />

soll einen gemeinsamen Referenzpunkt für die Lernergebnisse<br />

und Kompetenzniveaus festlegen. Außerdem<br />

wird er allgemeine Referenzniveaus und<br />

Deskriptoren feststellen, um die Vielfalt der auf nationaler<br />

und sektoraler Ebene bestehenden Qualifikationen<br />

abzudecken und eine Unterscheidung nach<br />

verschiedenen Niveaus zu ermöglichen. Er soll ein<br />

Übersetzungssystem sein, welches die PositionierungunddenVergleichverschiedenerLernergebnisse<br />

auf europäischer, aber auch auf nationaler, regionaler<br />

und sektoraler Ebene erlaubt. So soll er es dem<br />

einzelnen Bürger ermöglichen, innerhalb der unterschiedlichen<br />

Bildungssysteme in Europa seine eigenen<br />

Lernergebnisse einzuschätzen und ein direktes<br />

Unterstützungsangebot für Bildungs- und Ausbildungsbehörden<br />

sowie -einrichtungen und andere<br />

Anbieter darstellen, damit diese ihre Lernangebote<br />

anHandeinerinEuropaallgemeinen,verständlichen<br />

Referenz vergleichen können. Er soll jedoch keine<br />

279


Europäischer Rat<br />

detaillierten Beschreibungen bestimmter Qualifikationen,<br />

Ausbildungswege oder Zugangsbedingungen<br />

umfassen und auch kein Verfahren zur Definition<br />

neuer Qualifikationen darstellen. Er hat nicht die<br />

Aufgabe, Äquivalenzen von Qualifikationen im Einzelnen<br />

zu definieren. Er erfüllt keine gesetzgeberischen,<br />

rechtlichen, lohnpolitischen oder Qualität sichernden<br />

Aufgaben. Er entscheidet nicht über die<br />

endgültige Anerkennung von Abschlüssen.<br />

2. Inhalt des Europäischen Qualifikationsrahmens:<br />

GrundlagedesEuropäischenQualifikationsrahmens<br />

istseineFreiwilligkeit;erenthältkeinerleirechtliche<br />

Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten. Sein Kernstück<br />

bilden acht Referenzniveaus, die auf der<br />

Grundlage von Lernergebnissen festgelegt werden.<br />

Diese Lernergebnisse beruhen auf dem sog. informellen<br />

und nichtformalen Lernen sowie formalen<br />

Bildungsabschlüssen. Die Beschreibungen für jedes<br />

der acht Niveaus geben Kompetenzen in den Bereichen<br />

Kenntnisse, Fähigkeiten und persönliches und<br />

berufsbezogenes Können wieder. Dabei werden die<br />

Beschreibungen, welche für die drei Zyklen der<br />

Hochschulbildung entwickelt wurden (vgl. hierzu<br />

auch den �Bologna-Prozess), mit neuen Deskriptoren<br />

für die Berufsbildung verbunden.<br />

Diese Referenzniveaus werden von einer Reihe gemeinsamer<br />

Grundsätze und Verfahren unterstützt<br />

undergänzt,welchedieRolledesEuropäischenQualifikationsrahmens<br />

für die Zusammenarbeit steuern<br />

sollen. Jeder Mitgliedstaat soll einen nationalen<br />

Qualifikationsrahmen erstellen und einen Prozess in<br />

Gang setzen, in dem die bestehenden Qualifikationsstrukturen<br />

und -systeme mit dem Europäischen Qualifikationsrahmen<br />

verbunden werden. Für den Bürger<br />

stehen ergänzende Instrumente zur Verfügung,<br />

wie der Europass sowie Datenbanken für Lernangebote.<br />

Außerdem soll ein integriertes europäisches<br />

Anrechnungs- und Akkumulierungssystem für lebenslanges<br />

Lernen mit Hilfe von Kreditpunkten entwickelt<br />

werden.<br />

3. Bewertung: Grundsätzlich ist die Initiative für<br />

mehr Transparenz und Mobilität im Bereich der Abschlüsse<br />

im Europa zu begrüßen. Allerdings besteht<br />

zu befürchten, dass mit der Einführung des Europäischen<br />

Qualifikationsrahmen auch eine Reform der<br />

nationalen Bildungssysteme angestrebt wird, welche<br />

sich an den Vorgaben des Europäischen Qualifikationsrahmens<br />

ausrichten soll. Eine besondere<br />

Schwierigkeit wird die Validierung des informellen<br />

280<br />

Lernens darstellen. Die Verbindung zur europäischen<br />

Richtlinie zur Anerkennung der gegenseitigen<br />

Diplome und Berufsqualifikationen in den reglementierten<br />

Berufen ist noch unklar. Auch muss die<br />

Entwicklung mit dem Bologna-Prozess stärker verzahnt<br />

werden. Inwieweit die Unterschiedlichkeit der<br />

Bildungssysteme in der Europäischen Union ein derartiges<br />

einheitliches Qualifikationsgebäude zulässt,<br />

bleibtabzuwarten. I. B.-M.<br />

Europäischer Rat<br />

1. Begriff: Europäischer Rat (ER) ist die Bezeichnung<br />

für das oberste Entscheidungsgremium der EU.<br />

Er tagt in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs<br />

der Mitgliedstaaten und des Präsidenten<br />

der Europäischen Kommission. Unterstützt wird<br />

er von den Außenministern der Mitgliedstaaten sowie<br />

einem weiteren Mitglied der Kommission. Der<br />

ER ist aus den �Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschef<br />

hervorgegangen und ist, obwohl in dieser<br />

Form in den Gründungsverträgen ursprünglich nicht<br />

vorgesehen, zu einem festen Bestandteil des institutionellen<br />

Gefüges der Gemeinschaft geworden.<br />

Nach dem Vertrag von Nizza (Art. 4 EUV) gibt der<br />

ER der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen<br />

Impulse und legt die allgemeinen politischen<br />

Zielvorstellungen dafür fest. Dies gilt auch für die<br />

Festlegung der Grundsätze und allgemeinen Leitlinien<br />

der �Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

(Art. 13 EUV) und zwar auch bei Fragen mit verteidigungspolitischen<br />

Bezügen. Dem ER kommt somit<br />

eine Richtlinienkompetenz in wichtigen europapolitischen<br />

Fragen zu. Um diese auszufüllen, tritt er<br />

mindestens zweimal im Jahr unter dem Vorsitz des<br />

Mitgliedstaates zusammen, der zu diesem Zeitpunkt<br />

die �Präsidentschaft im Rat innehat. Der �Verfassungsvertrag<br />

2004 sieht eine Reihe von Neuerungen<br />

vor (Art. I-21, Art. I-22 VVE). Danach sollen an den<br />

Sitzungen des Europäischen Rates neben den Staatsund<br />

Regierungschefs der Mitgliedstaaten, den �Präsidenten<br />

des Europäischen Rates und der Kommission<br />

auch der �Außenminister der Union teilnehmen.<br />

Bei Bedarf kann dieser Kreis auf die Außenminister<br />

der Mitgliedstaaten sowie ein weiteres Kommissionsmitglied<br />

erweitert werden.<br />

Der ER tritt „mindestens zweimal jährlich“ (Art. 4<br />

EUV) zusammen, in der Regel aber viermal. Vierteljährliche<br />

Treffen sieht auch der Verfassungsvertrag<br />

vor (Art. I-21, Abs. 3 VVE). Der ER trifft Entschei-


dungen gewöhnlich im Konsens; das sieht auch der<br />

Verfassungsvertrag vor (Art. I-21, Abs. 4), soweit in<br />

der Verfassung nichts anderes festgelegt ist. Den<br />

Vorsitz führt das Land, das in der EU die Präsidentschaft<br />

für ein halbes Jahr innehat. Die Verfassung<br />

sieht vor, dass der ER mit qualifizierter Mehrheit einen<br />

ständigen Präsidenten für eine Amtszeit von<br />

zweieinhalb Jahren wählt. Dieser Präsident führt<br />

dann den Vorsitz bei den Arbeiten des Europäischen<br />

Rats, sorgt für die Zusammenarbeit mit der Kommission<br />

und nimmt unbeschadet der Befugnisse des Außenminister<br />

die Außenvertretung der Union in Fragen<br />

der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik<br />

wahr.<br />

2. Entstehungsgeschichte: Die Einrichtung des ER<br />

ging auf eine Initiative des französischen Staatspräsidenten<br />

Giscard d’Estaing zurück. Auf der Pariser<br />

�Gipfelkonferenz am 9./10. 12. 1974 wurde beschlossen,<br />

die seit 1969 in unregelmäßigen Abständen<br />

stattfindenden Treffen der Staats- und Regierungschefs<br />

der Gemeinschaft als ER zu institutionalisieren<br />

(erstmals am 10./11. 03.1975 in Dublin). Damit<br />

sollte ein Rahmen für regelmäßige Orientierungsdebatten<br />

über die Leitlinien europäischer Politik<br />

geschaffen und der Gemeinschaft zugleich politische<br />

Impulse verliehen werden. Anfänglich bestanden<br />

Befürchtungen, dass der ER ein Eigenleben außerhalb<br />

der Gemeinschaftsinstitutionen führen, intergouvernementale<br />

Tendenzen verstärken und damit<br />

insbes. die Rolle der Europäischen Kommission<br />

als Initiativorgan schwächen würde. Bestärkt wurden<br />

diese Befürchtungen zusätzlich dadurch, das der<br />

ER durch Ansätze zur Koordinierung der außenpolitischen<br />

Zusammenarbeit im Rahmen der �Europäischen<br />

Politischen Zusammenarbeit (EPZ) Felder besetzte,dienichtdurchdieGemeinschaftsverträgeabgedeckt<br />

waren und für die somit keine formalisierten<br />

Verfahren bestanden. Erst mit der �Einheitlichen<br />

EuropäischenAkte(EEA,1986)wurdedieseunklare<br />

Rechtsstellung bereinigt und der ER in das Institutionengefüge<br />

integriert. Der Maastrichter Vertrag über<br />

die Europäische Union (1992) hat die Aufgabenstellung<br />

des ER als politisches Lenkungsorgan bekräftigt<br />

und gleichzeitig die institutionelle Verklammerung<br />

mit den übrigen Organen der EU unterstrichen.<br />

Neben der Kommission, die in die Tagungen unmittelbar<br />

einbezogen ist, statuiert der Vertrag regelmäßigeBerichtspflichtengegenüberdemEuropäischen<br />

Parlament (EP) im Anschluss an jede Tagung und<br />

Europäischer Rat<br />

Gipfeltreffen (Staats- und Regierungschefs)<br />

Dezember 1969 Den Haag; Oktober 1972 Paris;<br />

Dezember 1973 Kopenhagen; Dezember 1974 Paris<br />

Treffen der Staats- und Regierungschefs als<br />

Europäischer Rat<br />

1975: März Dublin (1. Treffen als ER); Dezember Rom<br />

1976: April Luxemburg; Juli Brüssel;<br />

November Den Haag<br />

1977: März Rom; Juni London; Dezember Brüssel<br />

1978: April Kopenhagen; Juli Bremen;<br />

Dezember Brüssel<br />

1979: März Paris; Juni Straßburg, November Dublin<br />

1980: April Luxemburg; Juni Venedig;<br />

Dezember Luxemburg<br />

1981: März Maastricht; Juni Luxemburg;<br />

November London<br />

1982: März Brüssel; Juni Brüssel;<br />

Dezember Kopenhagen<br />

1983: März Brüssel; Juni Stuttgart; Dezember Athen<br />

1984: März Brüssel; Juni Fontainebleau;<br />

Dezember Dublin<br />

1985: März Brüssel; Juni Mailand;<br />

Dezember Luxemburg<br />

1986: Juni Den Haag; Dezember London<br />

1987: Juni Brüssel; Dezember Kopenhagen<br />

1988: Februar Brüssel; Juni Hannover;<br />

Dezember Rhodos<br />

1989: Juni Madrid; Dezember Straßburg<br />

1990: April Dublin; Juni Dublin; Oktober Rom (Sondertagung);<br />

Dezember Rom<br />

1991: April Luxemburg (informell); Juni Luxemburg;<br />

Dezember Maastricht<br />

1992: Juni Lissabon; Oktober Birmingham;<br />

Dezember Edinburgh<br />

1993: Juni Kopenhagen; Oktober Brüssel;<br />

Dezember Brüssel<br />

1994: Juni Korfu; Dezember Essen<br />

1995: Juni Cannes; Dezember Madrid<br />

1996: März Turin; Juni Florenz; Oktober Dublin<br />

(Sondertagung); Dezember Dublin<br />

1997: Juni Amsterdam; November Luxemburg (Sondertagung<br />

Beschäftigung); Dezember Luxemburg<br />

1998: Juni Cardiff; Dezember Wien<br />

1999: März Berlin; Juni Köln; Oktober Tampere;<br />

Dezember Helsinki<br />

2000: März Lissabon; Juni Santa Maria da Feira;<br />

Oktober Biarritz; Dezember Nizza<br />

2001: März Stockholm; Juni Göteborg; September<br />

Brüssel; Oktober Gent (Informell); Dezember Laeken<br />

2002: März Barcelona; Juni Sevilla; Oktober Brüssel;<br />

Dezember Kopenhagen<br />

2003: Februar Brüssel (außerordentlich); März Brüssel;<br />

April Athen (informell); Juni Thessaloniki;<br />

Oktober Brüssel; Dezember Brüssel<br />

ab 2004 nur noch in Brüssel<br />

281


Europäischer Rechnungshof<br />

sieht alljährlich einen schriftlichen Bericht über die<br />

Fortschritte der Union vor.<br />

3. Arbeitsweise: Die zumeist zweitägigen Treffen<br />

der Staats- und Regierungschefs verlaufen nach einem<br />

festen Ritual. Während die Arbeitssitzung in<br />

Anwesenheit der Außenminister und deren FachbeamtensowiederKommissionstattfindet,beginntder<br />

informelle Teil des ER mit einem gemeinsamen Arbeitsessen.<br />

Der Teilnehmerkreis ist auf die StaatsundRegierungschefsbeschränkt,diezum„zwanglosen“<br />

Meinungsaustausch zusammentreffen. Damit<br />

soll eine vertrauensvolle Atmosphäre geschaffen<br />

und die Lösung schwieriger Fragen erleichtert werden.<br />

Der ER endet üblicherweise mit einem Schlusskommuniqué,<br />

das von den Delegationen erarbeitet<br />

wird. Es fasst die „Schlussfolgerungen des Vorsitzes“<br />

zusammen, enthält Leitlinien für zukünftige<br />

Aktivitäten und oftmals konkrete Arbeitsaufträge an<br />

die Europäische Kommission. Aufgrund ihres Rahmencharakters<br />

kommt den Schlussfolgerungen des<br />

Ratsvorsitzes große Bedeutung zu. Sie sind der Referenzrahmen,<br />

auf den sich nicht nur die weiteren Aktivitäten<br />

der Gemeinschaft stützen, sondern der auch<br />

zur Legitimation einzelstaatlicher Forderungen herangezogenwird.AusdiesemGrundwirdderRedaktion<br />

dieses Dokuments große Bedeutung beigemessen.<br />

Es muss von allen Teilnehmer genehmigt werden.<br />

Am Ende eines jeden ER steht eine Pressekonferenz,<br />

auf der das Vorsitzland gemeinsam mit dem<br />

Präsidenten der Europäischen Kommission die Ergebnisse<br />

des Treffens erläutert. Die übrigen Staatsund<br />

Regierungschefs unterrichten die nationalen<br />

Pressevertreter in jeweils getrennten Pressekonferenzen.<br />

Gängige Praxis ist, dass sich der Europäische<br />

Rat vor jeder Tagung mit dem Präsidenten des<br />

Parlaments bespricht.<br />

4. Bewertung. Die anfänglichen Befürchtungen, der<br />

Europäische Rat könnte weitere Integrationsfortschritte<br />

der Gemeinschaft hemmen, haben sich in der<br />

Praxisnichtbestätigt.ImGegenteil.Zwaristmitdem<br />

ER ein „Superorgan“ geschaffen worden, das gegenüber<br />

den Fachministerräten eine herausgehobene<br />

Position besitzt, dies hat sich bei der Lösung schwieriger<br />

Gemeinschaftsprobleme jedoch häufig als hilfreich<br />

erwiesen. Durch Themenbündelung und politische<br />

Kompromissfindung ist dem ER oftmals ein<br />

Durchbruch gelungen, wenn auf der Ebene des Fachministerräte<br />

in bestimmten Sachfragen keine Einigung<br />

erzielt werden konnte. Vom ER sind für die Ge-<br />

282<br />

meinschaftsentwicklung entscheidende Impulse<br />

ausgegangen. Bei allen politisch bedeutsamen Vorhaben<br />

der EU gingen die Anstöße vom Europäischen<br />

Rat aus: von der ersten Direktwahl des EP, dem �Europäischen<br />

Währungssystem, der �GASP bis hin zu<br />

den EU-Erweiterungsrunden. Auch bei der EU-Finanzausstattung<br />

nimmt der ER eine dominante Rolle<br />

ein. Durch seine Medienwirksamkeit hat er es sehr<br />

viel stärker als etwa die Fachministerräte vermocht,<br />

das Interesse der europäischen Öffentlichkeit auf<br />

sich zu ziehen. Dadurch ist zugleich der öffentliche<br />

Erwartungsdruck gestiegen. Auch wenn die politischen<br />

Lösungen nicht immer befriedigen konnten,<br />

überwiegen dennoch die positiven Impulse, die vom<br />

Europäischen Rat ausgehen, bei weitem. Bisher hat<br />

es der Europäische Rat immer vermocht, bei politisch<br />

kontroversen Fragen eine Lösung zu finden und<br />

der Gemeinschaftspolitik neue Anregungen zu verleihen.<br />

Im Zuge der EU-Erweiterungen dürfte das<br />

Gewicht des Europäischen Rates tendenziell weiter<br />

steigen. Ch. H.<br />

Europäischer Rechnungshof �Rechnungshof<br />

der Europäischen Gemeinschaften<br />

Europäischer Schülerwettbewerb. Wettbewerb<br />

(in Form von Aufsätzen und künstlerischen Arbeiten)<br />

an Schulen in zur Zeit 27 europäischen Ländern<br />

mit dem Ziel der Förderung eines europäischen �Bewusstseins<br />

bei Schülerinnen und Schülern. Die Maßnahme<br />

geht zurück auf die französische Initiative<br />

„CampagnedelaJeunesseeuropéenne“ausdemJahre<br />

1953; sie wurde 1954 unter die Schirmherrschaft<br />

des�Europaratsgestellt.HeutestehtderWettbewerb<br />

untergemeinsamerSchirmherrschaftvonEuroparat,<br />

Europäischem Parlament, Kommission und �Europäischer<br />

Kulturstiftung (Amsterdam). Anfangs wurde<br />

der Wettbewerb einmal im Jahr am 5. Mai (Europatag)<br />

abgehalten; heute erstreckt er sich über das<br />

ganze Jahr (2005: 52. Wettbewerb).<br />

Die Themen des Wettbewerbs, an dem jährlich zwischen<br />

500 000 und 700 000 Schüler/innen teilnehmen,<br />

richten sich nach den jeweils aktuellen Entwicklungen<br />

in Europa (2005: Europa im Wandel –<br />

und wir mittendrin). Den Gewinnern winken neben<br />

Sachpreisen Einladungen zu den jährlichen Siegertreffen<br />

in einem europäischen Land. Finanziert werden<br />

die Wettbewerbe zum größten Teil von nationalen<br />

Komitees sowie über Zuwendungen des Europa-


ats, der Kommission und der Europäischen Kulturstiftung.<br />

Koordiniert werden die Wettbewerbe vom<br />

�Zentrum für europäische Bildung als deutscher Organisationvon�EuropainderSchule.<br />

W. M.<br />

Europäischer Sozialfonds �Fonds der EU<br />

Europäischer Sozialraum. �Sozialpolitik ist nach<br />

wie vor grundsätzlich Angelegenheit der Mitgliedstaaten.<br />

Der Binnenmarkt andererseits wird weitgehend<br />

von gemeinschaftlichen Regelungen geprägt<br />

und eröffnet mit seinen �vier Freiheiten Möglichkeiten,<br />

Wettbewerbsvorteile auszunutzen, die sich aufgrund<br />

unterschiedlicher nationaler Normen im Bereich<br />

der Sozialpolitik ergeben können. Damit Wettbewerb<br />

im Binnenmarkt nicht dazu führt, dass soziale<br />

Errungenschaften einem Land Nachteile gegenüber<br />

anderen Staaten mit geringerem Sozialstandard<br />

bringen, hat der Europäische Rat in Hannover 1988<br />

erklärt, der Binnenmarkt brauche begleitende Maßnahmen<br />

im Bereich der Sozialpolitik; das Ziel sei ein<br />

„europäischer Sozialraum“ mit möglichst geringen<br />

sozialen Unterschieden. Dabei soll ein möglichst hohes<br />

gemeinsames Schutzniveau für Arbeitnehmer in<br />

allen Mitgliedstaaten gewährleistet sein.<br />

1. Sozialvorschriften des EG-Vertrages: Zu den „traditionellen“<br />

Sozialvorschriften des EG-Vertrages<br />

gehören in erster Linie:<br />

– die Verwirklichung der �Freizügigkeit der Arbeitnehmer<br />

bei Sicherung erworbener sozialer Rechte<br />

(Art. 39, 40, 42);<br />

– dieFörderungdesAustauschsjungerArbeitskräfte<br />

(Art. 41);<br />

– die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />

der Arbeitskräfte (Art. 136);<br />

– die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in sozialen<br />

Fragen (Art. 136, 140);<br />

– die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Arbeitsentgelts<br />

für Männer und Frauen (Art. 141);<br />

– dieEinrichtungeinesSozialfonds(Art.146–148);<br />

– die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für eine<br />

gemeinsame Berufsausbildungspolitik (Art. 150);<br />

– die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheit<br />

der Arbeitnehmer (Art. 137);<br />

– der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf europäischer<br />

Ebene (Art. 139).<br />

2. Soziale Grundrechte: Eine zunehmend existentielle<br />

Rolle für die europäischen Arbeitnehmer spielte<br />

im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnen-<br />

Europäischer Sozialraum<br />

marktes die Erhaltung und Erweiterung sozialer<br />

Grundrechte. Die Forderung nach ihrer europäischen<br />

Verankerung wurde von den Gewerkschaften<br />

nachdrücklich erhoben. Sie befürchten, dass international<br />

operierende Unternehmen sich dort etablieren<br />

könnten, wo die sozialen Rechte der Arbeitnehmer<br />

geringer sind als z. B. in der darin fortschrittlichen<br />

Bundesrepublik Deutschland.<br />

Deshalb hat der Europäische Rat auf Drängen des<br />

�Europäischen Gewerkschaftsbundes und des EuropäischenParlamentsam9.12.1989inStraßburgeine<br />

(nur deklaratorische) �Gemeinschaftscharta der sozialen<br />

Grundrechte – ohne Zustimmung der Briten<br />

(1997 von der neuen Labour-Regierung nachgeholt)<br />

– verabschiedet. Darin werden eine Harmonisierung<br />

der sozial- und arbeitsrechtlichen Regelungen (die<br />

Verbesserung der sozialen Leistungssysteme) sowie<br />

berufliche Aus- und �Weiterbildung, ferner das<br />

Recht auf Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, die<br />

Garantie angemessener Arbeitsbedingungen, bezahlter<br />

Mindesturlaub, Kündigungs-, Mutter-, Jugend-<br />

und Schwerbehindertenschutz, Mitnahme sozialerVersicherungsrechteusw.verlangt.Alsinhaltlicher<br />

Vorläufer kann die �Europäische Sozialcharta<br />

des �Europarats (1961) betrachtet werden. Des Weiteren<br />

gelten in vielen Ländern die Vorschriften der<br />

InternationalenArbeitsorganisation(ILO)inGenf.<br />

In Maastricht haben elf EG-Staaten (Ausnahme:<br />

Großbritannien, 1997 nachgeholt) im Dezember<br />

1991einAbkommenüberdie�Sozialpolitik(in:Protokoll<br />

über die Sozialpolitik) verabschiedet.<br />

Für die zukünftige europäische Gesellschaft ergibt<br />

sich das Leitbild einer in sozialen Chancen und in sozialer<br />

Verantwortung angenäherten Gemeinschaft.<br />

Daher sind folgende Forderungen aufzustellen:<br />

– Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte,<br />

– VerbesserungdesBildungssystemsundSchaffung<br />

von Voraussetzungen für Fort- und Weiterbildung,<br />

– gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung,<br />

– Ausgleich regionaler Ungleichgewichte,<br />

– Demokratisierung des Arbeitslebens im Sinne von<br />

Mitbestimmung der Arbeitnehmer,<br />

– Schaffung einer europäischen Tarifpolitik,<br />

– wirksamer Umwelt- und Gesundheitsschutz.<br />

Eine Sozialunion (gleiche Bedingungen in allen Mitgliedstaaten)<br />

ist (noch) nicht durchsetzbar. Sie würde<br />

zu (Sozial-)Migrantenströmen in jene Länder mit<br />

den höchsten sozialen Standards führen.<br />

283


Europäischer Wirtschaftsraum<br />

3. Arbeitnehmervertretung: Eine Vertretung der Arbeitnehmer<br />

in Unternehmensorganen ist in 18 von 25<br />

EU-Staaten in irgend einer Form vorgeschrieben.<br />

Doch sind die Mitbestimmungs- und Vertretungsrechte<br />

unterschiedlich geregelt. Verbindliche europäische<br />

Standards für die Mitwirkungen von Arbeitnehmern<br />

gibt es nicht.<br />

Welches Mitbestimmungsmodell soll bei multinationalen<br />

Zusammenschlüssen gelten: das Modell der<br />

deutschen Mitbestimmung (Euro-Betriebsräte in<br />

multinationalen Unternehmen wie VW, Bayer, Unilever,<br />

Allianz-Versicherung) oder eine verbesserte<br />

Version des französischen oder italienischen Modells<br />

mit erweiterten Befugnissen für die Betriebsräte,<br />

oder das schwedische Modell, d. h. Tarifverhandlungen<br />

auf Branchenebene usw.?<br />

4. Arbeitslosigkeit: Vordringlichstes arbeitsmarktpolitisches<br />

Problem in der Europäischen Union ist<br />

die Arbeitslosigkeit (2004: ca. 20 Mio. Menschen).<br />

Der Europäische Rat billigte auf seinem Brüsseler<br />

Treffen im Dezember 1993 das von der Kommission<br />

vorgelegte �Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Beschäftigung mit einem Aktionsplan.<br />

Er diente dem Verhalten der Mitgliedstaaten<br />

wie dem der Tarifparteien. Mit Hilfe dieses „Aktionsplans“<br />

sollte kurzfristig eine Trendwende eingeleitetundbis2000dieZahlderArbeitslosenerheblich<br />

verringert werden.<br />

Voraussetzung für ein beschäftigungsintensives<br />

Wachstum sind danach eine stabile Wirtschafts- und<br />

Währungspolitik, offene Märkte sowie eine „solidarische<br />

Wirtschaft“. Dazu zählen die Staaten vor allem<br />

die Lohnmäßigung mit dem Ziel, einen Teil des<br />

Produktivitätszuwachses vorrangig neuen Arbeitsplätzen<br />

und Investitionen vorzubehalten. Die Mitgliedstaaten<br />

wurden aufgerufen, folgende Maßnahmen<br />

in Betracht zu ziehen: verbesserte Aus- und<br />

Weiterbildung,flexiblereArbeitsorganisation,niedrigere<br />

Lohnnebenkosten und Senkung der Abgabenlast<br />

für die Unternehmen.<br />

Das Ziel, die Arbeitslosigkeit wenigstens einzudämmen,<br />

wurde bis zum Jahrhundertende nicht erreicht.<br />

Auf seinem Gipfel in Lissabon im März 2000 hat der<br />

Europäische Rat eine neue Strategie des Wachstums<br />

und der Verringerung der Arbeitslosigkeit mit einer<br />

Zielsetzung bis 2010 ins Leben gerufen: die �Lissabon-Strategie.<br />

Eine Bewertung zur Halbzeit im Jahr<br />

2005fielernüchterndaus. W. M.<br />

�Beschäftigungspolitik<br />

284<br />

Europäischer Wirtschaftsraum (EWR)<br />

1. Errichtung von Freihandelszonen. Nachdem die<br />

Freihandelsabkommen zwischen EG- und �EFTA-<br />

Staaten von 1972 und 1973 ihre volle Wirkung entfaltet<br />

hatten und in Europa die größte Freihandelszone<br />

der Welt entstanden war, bekräftigten EG und<br />

EFTA die Absicht, ihre Zusammenarbeit auszubauen.<br />

Diese Bemühungen fanden ihren Niederschlag in<br />

dergemeinsamenErklärungvonLuxemburg(vom9.<br />

4. 1984), in der die Minister der EG-Staaten und der<br />

EFTA-Länder sowie die Kommission der EG erstmals<br />

auf die Notwendigkeit hinwiesen, einen die EG<br />

und die EFTA umfassenden EWR zu errichten. Mit<br />

der Realisierung des Gemeinsamen Marktes (Binnenmarktes)<br />

der EG nach der �Einheitlichen Europäischen<br />

Akte von 1986 erhielten die Beziehungen<br />

mit der EFTA neue Akzente.<br />

Um an der EG-Binnenmarktentwicklung teilzuhaben,<br />

strebten die EFTA-Länder eine noch stärkere<br />

Bindung an die EG an. Umgekehrt war auch die EG<br />

aneinerIntensivierungderBeziehungeninteressiert,<br />

zumal damals 22 % aller Warenexporte der EG in die<br />

EFTA flossen und 20 % der Einfuhren aus der EFTA<br />

kamen. 1989 lud der Präsident der EG-Kommission,<br />

Jacques Delors, die EFTA-Staaten zur Aufnahme<br />

von Verhandlungen über die Errichtung des EWR<br />

ein; sie wurden im Juni 1990 aufgenommen und im<br />

Februar 1992 erfolgreich abgeschlossen.<br />

Am 2. 5. 1992 wurde in Porto zwischen den damaligenMitgliedstaatenderEuropäischenGemeinschaft<br />

(EG) und den Mitgliedstaaten der �Europäischen<br />

Freihandelsassoziation (European Free Trade Association,<br />

EFTA) das Abkommen über den Europäischen<br />

Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) geschlossen.<br />

Da die Schweiz (aufgrund eines Votums<br />

ihrer Bürger am 6. 12. 1992) das Abkommen nicht<br />

ratifiziert hatte, musste es angepasst werden, so dass<br />

es erst am 1. 1. 1994 (für Liechtenstein am 1. 5. 1995)<br />

in Kraft treten konnte. Es stellt eine konsequente<br />

Weiterentwicklung der bestehenden Freihandelsabkommen<br />

zwischen EG- und den EFTA-Ländern dar.<br />

Beschränkten sich diese im Wesentlichen auf die Beseitigung<br />

der Zollschranken und der mengenmäßigen<br />

Beschränkungen im Handel mit gewerblichen<br />

Waren,sobegannmitderRealisierungdesEWReine<br />

neue Ära in den Beziehungen zwischen den damals<br />

zwölf Staaten der EU und sechs Staaten der EFTA.<br />

Der EWR bildete mit seinen 18 Staaten und über 375<br />

Mio. Verbrauchern nicht nur den größten integrier-


ten Markt der Welt, er gewährte auch den EFTA-<br />

StaatenÖsterreich,Schweden,Finnland,Norwegen,<br />

Island und Liechtenstein die �„vier Freiheiten“ des<br />

EU-Binnenmarktes: freier Waren-, Dienstleistungs-,<br />

Personen- und Kapitalverkehr und eine engere<br />

Zusammenarbeit in anderen Bereichen (z. B.<br />

Wissenschaft, Bildung, Umwelt, Sozialpolitik).<br />

2. Ziele und Inhalte des EWR-Abkommens. Das Abkommen<br />

schafft einen einheitlichen und dynamischen<br />

Wirtschaftsraum, in dem gemeinsame Regeln<br />

und gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten. Gemeinsame<br />

Anstrengungen zielen auf Förderung und<br />

Konsolidierung der Wirtschaftsdynamik, auf Senkung<br />

der hohen Arbeitslosenrate und auf den Abbau<br />

des wirtschaftlichen und sozialen Gefälles zwischen<br />

den Regionen. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen,<br />

wurden über die bestehenden Freihandelsregelungen<br />

hinaus die �Freizügigkeit (freier Personenverkehr)<br />

sowie der freie Waren-, Dienstleistungs-<br />

und Kapitalverkehr (Binnenmarkt) nach dem<br />

bestehenden Recht der EU vereinbart; in einigen Bereichen<br />

sind Ausnahmen und Übergangsperioden<br />

vorgesehen. Um eine reibungslose Umsetzung der<br />

„vier Freiheiten“ zu gewährleisten, sieht das Abkommen<br />

eine umfassende Zusammenarbeit in verschiedenen<br />

Politikbereichen vor.<br />

Freizügigkeit bedeutet, dass sich die Bürger der<br />

EWR-Länder überall im neuen Wirtschaftsraum frei<br />

bewegen (freier Personenverkehr) und eine Beschäftigung<br />

ausüben können. Diskriminierungen aufgrund<br />

der Staatsangehörigkeit sind in Bezug auf Beschäftigung,<br />

Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen<br />

untersagt (�Diskriminierungsverbot). Das<br />

freie Niederlassungsrecht wird im Abkommen ausdrücklich<br />

anerkannt. Die Koordinierung der verschiedenen<br />

Systeme der sozialen Sicherheit gewährleisten<br />

aufgrund gemeinsamer Regeln für alle Arbeitnehmer,<br />

unabhängig von ihrem Herkunftsland,<br />

ununterbrochenen sozialen Schutz. Diplome und andere<br />

berufliche Befähigungsnachweise werden<br />

wechselseitig anerkannt.<br />

Der freie Warenverkehr im EWR, der aufgrund der<br />

Freihandelsabkommen mit den EFTA-Ländern von<br />

1972 und 1973 im Bereich der Zölle bereits verwirklicht<br />

ist, erfordert die Beseitigung fast aller noch bestehenden<br />

nichttarifären Hindernisse im Warenverkehr.<br />

Verboten sind insbes. alle mengenmäßigen Beschränkungen<br />

und Maßnahmen mit gleicher Wirkung.<br />

Zwecks Beseitigung technischer Handels-<br />

Europäischer Wirtschaftsraum<br />

hemmnisse (�Protektionismus) gelten die Rechtsvorschriften<br />

der EG/EU über �Normen und Standards<br />

mit wenigen Ausnahmen im gesamten EWR.<br />

Darüber hinaus verpflichten sich die EFTA-Staaten,<br />

jede Form der Diskriminierung durch Monopole abzuschaffen<br />

und öffentliche Aufträge auf der Grundlage<br />

des EG/EU-Rechts zu vergeben (�Gemeinschaftsrecht).<br />

Da der EWR keine Zollunion wie die EG/EU ist, gilt<br />

der freie Warenverkehr nur für Waren mit Ursprung<br />

im EWR, nicht aber für aus Drittländern eingeführte<br />

Erzeugnisse. Daher können auch die Kontrollen an<br />

den Grenzen zwischen EU- und EFTA-Staaten nicht<br />

aufgehoben werden; aber sie wurden wesentlich vereinfacht.<br />

Für den Handel mit sensiblen Gütern wie<br />

Agrar- und Fischereierzeugnissen wurden Sonderregelungen<br />

getroffen.<br />

Der freie Dienstleistungsverkehr wird dadurch ermöglicht,<br />

dass die Signatarstaaten allen Angehörigen<br />

der EWR-Staaten die Inländerbehandlung und<br />

damit die Dienstleistungsfreiheit garantieren. Für<br />

Kreditinstitute und Versicherungen (z. B. Lebensversicherungen<br />

und Kfz-Haftpflichtversicherungen)<br />

gilt im ganzen EWR der Grundsatz der einmaligen<br />

Zulassung und der Beaufsichtigung durch das<br />

Ursprungsland. Ferner regelt der EWR-Vertrag auch<br />

die Telekommunikations- und Informationsdienstleistungen<br />

sowie den Alpentransitverkehr zwischen<br />

dem Norden und dem Süden des Wirtschaftsraums<br />

über die Schweiz und Österreich. Für den freien Kapitalverkehr<br />

schafft das Abkommen diskriminierungsfreie<br />

Rahmenbedingungen sowohl für Kapitaltransfers<br />

als auch für grenzüberschreitende Investitionen,<br />

Darlehen usw. Devisenkontrollen und alle<br />

sonstigen indirekten Hindernisse für den Kapitalverkehr<br />

werden abgeschafft.<br />

Die Erreichung des Hauptziels des Abkommens, die<br />

Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen,<br />

wird durch die Übernahme von etwa 80 % der in der<br />

EU geltenden Vorschriften und die Schaffung von<br />

Kontroll- und Überwachungsorganen ähnlich denen<br />

der EU auch in der EFTA gewährleistet.<br />

Die politische Zusammenarbeit zwischen EU und<br />

EFTA-Vertragsparteien soll die Gewährleistung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die<br />

Verwirklichung der „vier Freiheiten“ unterstützen.<br />

Sie erstreckt sich auf die sog. horizontalen Politiken<br />

(�Sozialpolitik, �Umweltpolitik, �Verbraucherpolitik,<br />

�Gesellschaftsrecht usw.) und die flankieren-<br />

285


Europäischer Wirtschaftsraum<br />

den Gemeinschaftspolitiken, z. B. in Form einer Beteiligung<br />

der EFTA-Staaten an Programmen und<br />

Vorhaben der EU in Bereichen wie Forschung, technologische<br />

Entwicklung (Forschungspolitik), berufliche<br />

Bildung und Jugend (Bildungspolitik), Katastrophenschutz<br />

usw. Zum Abbau des wirtschaftlichen<br />

und sozialen Gefälles zwischen den Regionen<br />

trägt die EFTA durch bilaterale Abkommen zur Förderung<br />

des Handels mit bestimmten Erzeugnissen<br />

(z. B. Käse, Wein/Spirituosen, Fleisch, Gartenbauprodukte)<br />

sowie über den Absatz verschiedener Erzeugnisse<br />

aus den weniger entwickelten Regionen<br />

der EU auf den Märkten der EFTA bei. Im EWR-Abkommen<br />

erklärten die EFTA-Staaten sich auch bereit,<br />

einen Finanzierungsmechanismus zu schaffen,<br />

der mit jeweils fünfjähriger Laufzeit finanzielle Hilfen<br />

(Darlehen, Direktzuschüsse) für strukturschwache<br />

Gebiete in Portugal, Spanien, Griechenland, Irland<br />

und Nordirland bereitstellt (entsprechend den<br />

Bedingungen des 1993 geschaffenen �Kohäsionsfonds<br />

der EU). Nach dem Beitritt weiterer Staaten<br />

zur EU 2004 wurde die Anzahl der begünstigten<br />

Staatenauf13erhöht(Griechenland,Spanien,Portugal<br />

und alle zehn Beitrittsländer). Für den Zeitraum<br />

vom 1. 5. 2004 bis 30. 4. 2009 stellt der EWR-Finanzierungsmechanismus<br />

600 Mio. Euro an Zuschüssen<br />

in jährlichen Raten von 120 Mio. Euro zur Verfügung,<br />

zusätzlich der Norwegische Finanzierungsmechanismus<br />

567 Mio. Euro in jährlichen Raten von<br />

113,4Mio.Euro,dienurdenzehnBeitrittsstaatenzur<br />

Verfügung stehen.<br />

3. Organe des EWR.. Das Abkommen hat folgende<br />

Organe geschaffen:<br />

– Den EWR-Rat. Er besteht heute aus den Außenministern<br />

der EWR-EFTA-Staaten Liechtenstein, Island,<br />

Norwegen, den Außenministern der amtierenden<br />

und der folgenden EU-Ratspräsidentschaft, dem<br />

EU-Kommissar für Außenbeziehungen sowie dem<br />

Hohen Vertreter für die GASP. Dieses höchste Gremium<br />

tagt mindestens zweimal jährlich. Seine Aufgabe<br />

ist es, politische Impulse für die Durchführung<br />

des Abkommens zu geben und Leitlinien für den Gemischten<br />

EWR-Ausschuss festzulegen. Er kann<br />

auch Vertragsänderungen beschließen.<br />

– Den Gemeinsamen EWR-Ausschuss. Ihm gehören<br />

Botschafter der drei EWR-EFTA-Staaten sowie<br />

Vertreter der Europäischen Kommission und der<br />

EU-Mitgliedstaaten an; er wacht über die wirksame<br />

Durchführung des Abkommens und trifft Entschei-<br />

286<br />

dungen über die Ausdehnung neuer EU-Vorschriften<br />

auf den EWR; sie sind einvernehmlich zwischen<br />

der EU und den EFTA-Vertragsparteien zu treffen<br />

(jeder der drei EWR-EFTA-Staaten hat ein Vetorecht).<br />

Die Gesamtzahl der in das EWR-Abkommen<br />

übernommenen EU-Rechtsakte belief sich Ende<br />

2003 auf 3 786.<br />

– Den Gemischten Parlamentarischen EWR-Ausschuss.<br />

Er besteht aus 12 Mitgliedern des EuropäischenParlamentsund12MitgliedernderParlamente<br />

der EWR-EFTA-Länder; er kann seine Kontrollfunktion<br />

in Form von Berichten und Entschließungen<br />

ausüben und gibt eine Stellungnahme zum JahresberichtdesGemeinsamenEWR-Ausschussesab.<br />

– Ein Beratender EWR-Ausschuss besteht aus je 9<br />

Mitgliedern des Wirtschafts- und Sozialausschusses<br />

derEUunddesBeratendenAusschussesderEFTA.<br />

4. Probleme und Perspektiven. Schwierigkeiten bei<br />

den Verhandlungen zur Errichtung des EWR ergaben<br />

sich vor allem bei der Klärung institutioneller<br />

Fragen, insbes. hinsichtlich Fragen der Mitbestimmung<br />

der EFTA-Länder bei der Verabschiedung von<br />

EU-Richtlinien und Verordnungen (Rechtsakte), da<br />

die EU auf ihre Gesetzgebungsautonomie nicht verzichten<br />

wollte. Der Zwang zur Übernahme aller von<br />

EU-Organen entschiedenen Rechtsakte durch die<br />

EFTA-Staaten veranlasste diese, sich durch zahlreicheAusnahmeregelungenmancherVerpflichtungen<br />

zu entledigen. Im Dezember 1991 entschied der<br />

EuGH, dass die Errichtung eines eigenen EFTA-<br />

Gerichthofs mit dem EWG-Vertrag nicht vereinbar<br />

sei, weil die Rechtsordnung der Gemeinschaft dadurch<br />

gefährdet werde. Folglich einigten sich die<br />

Vertragsparteien darauf, dass die EFTA-Staaten das<br />

EG-/EU-Rechtvorbehaltlosübernehmenunddessen<br />

Auslegung durch den EuGH anerkennen. Die Kompetenzen<br />

des EFTA-Gerichtshofs bleiben auf ausschließlich<br />

die EFTA-Staaten berührende Wettbewerbsangelegenheiten<br />

beschränkt. Die inhaltlich am<br />

meisten problembeladenen Vertragsgegenstände<br />

Landwirtschaft, Fischerei, Alpentransitverkehr<br />

durch Österreich und die Schweiz sowie die Zusammenarbeit<br />

in einigen flankierenden Politikbereichen<br />

(Sozialpolitik,Strukturfonds,Subsidiarität)konnten<br />

z. T. in bilateralen Verhandlungen (Alpentransitverkehr,<br />

Verkehrspolitik) gelöst werden. Relativ unproblematisch<br />

war dagegen die Übernahme der vertragsrelevanten<br />

Rechtsakte des EG-/EU-Rechts<br />

durch die EFTA-Staaten in den Bereichen Waren-


verkehr, Umweltschutz und Wettbewerbsordnung.<br />

Derzeit zählen die 25 Mitgliedstaaten der EU und 3<br />

EFTA-Staaten (Liechtenstein, Island und Norwegen)zumEWR.<br />

K. H. O.<br />

Literatur:<br />

Kommission der EG: Der Europäische Wirtschaftsraum<br />

(Reihe Europa in Bewegung). Brüssel/Luxemburg 1992<br />

Senti, R.: EG, EFTA, Binnenmarkt. Funktionsweise,<br />

Perspektiven. Zürich 1992<br />

Adresse: EFTA-Sekretariat (Hauptquartier),<br />

9–11, rue de Varembé, CH–1211 Genf 20;<br />

Sekretariat in Brüssel : Rue Joseph II, 12–16, B–1000 Brüssel<br />

Internet: http://secretariat.efta.int<br />

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss<br />

�Wirtschafts-undSozialausschuss(WSA)<br />

Europäisches Beschäftigungsobservatorium<br />

(EBO). Eine erste noch informelle Zusammenarbeit<br />

der Kommission und der Mitgliedstaaten im Bereich<br />

der Beschäftigungspolitik führte 1982 zur Einrichtung<br />

eines Informationsnetzwerks zum Austausch<br />

von Informationen der Arbeitsmarktverwaltungen<br />

(�MISEP, Mutual Information System on Employment<br />

Policies in Europe). Ab 1994 war MISEP auch<br />

für die Beobachtung und den Vergleich der Maßnahmen<br />

der Europäischen Beschäftigungsstrategie zuständig.<br />

Als zweites Netzwerk im Bereich der Beschäftigungspolitik<br />

wurde 1989 das Dokumentationssystem<br />

�SYSDEM geschaffen (Community System of<br />

Documentation on Employment), das analysierende<br />

und beratende Aufgaben im Zusammenhang mit der<br />

Europäischen Beschäftigungsstrategie übernommen<br />

hat.<br />

Der Amsterdamer Vertrag von 1997, der das Beschäftigungskapitel<br />

in den EGV einführte, und der<br />

Luxemburger Beschäftigungsgipfel vom Dezember<br />

1997 führten zur Einrichtung des dritten Netzwerks<br />

mit Forschungs- und Beratungsaufgaben: �RES-<br />

NET (Research-Network). Alle drei Netze wurden<br />

einem einzigen Sekretariat unterstellt, dem 1989 gegründeten<br />

Europäischen Beschäftigungsobservatorium.<br />

Anschrift: EBO Secretariat, 30 St Paul’s Square,<br />

Birmingham B3 1QZ<br />

Internet: www.eu-employment-observatory.net<br />

Europäisches Gesetz sollen nach dem �Verfassungsvertrag<br />

2004 (Art. I-33) jene �Rechtsakte der<br />

EU heißen, die im EG-Vertrag (Art. 249) als Verord-<br />

Europäisches Hochschulinstitut<br />

nungen bezeichnet sind. Dabei wird erstmals unterschieden<br />

zwischen Verordnungen mit Gesetzescharakter<br />

(nur sie werden Europäische Gesetze genannt)<br />

und Verordnungen ohne Gesetzescharakter wie<br />

Durchführungsverordnungen. Während die Gemeinschafts-Verträge<br />

von Anfang an zwischen beiden<br />

nicht terminologisch unterschieden haben, kann<br />

dieVerfassungKlarheitschaffen.Verordnungen zur<br />

Bestimmung der Durchführung von Gesetzen werden<br />

dann „Europäische Verordnungen“ heißen.<br />

Europäisches Hochschulinstitut EHI (European<br />

University Institute, EUI) in Florenz, wurde auf der<br />

�Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs<br />

der EG-Staaten im Dezember 1969 in Den Haag beschlossen;<br />

der Gründungsvertrag wurde 1972 unterzeichnet<br />

und ist 1975 in Kraft getreten; das EHI wurde<br />

1976 in Florenz etabliert. Es ist ein postuniversitäres<br />

Forschungsinstitut der EU-Staaten mit Promotionsrecht.<br />

Veranstaltungen finden in sechs EU-<br />

Sprachen statt. Die Mitglieder (Professoren und Forschungsassistenten)<br />

beteiligen sich an Forschungsprojekten<br />

im Rahmen der vier Abteilungen (Departments):<br />

Geschichte und Zivilisation, Wirtschaft,<br />

Recht, Politische und Sozialwissenschaften.<br />

Das postgraduale Studium endet nach ein bis zwei<br />

Jahren mit dem Magistergrad in vergleichendem europäischenundinternationalemRecht(LL.M.),nach<br />

drei Jahren mit einem international anerkannten<br />

Doktorat. Postdoktorale interdisziplinäre Forschungsprojekte<br />

bietet das dem EHI angeschlossene<br />

Robert-Schuman-Zentrum für fortgeschrittene Studien<br />

(Robert Schuman Centre for advanced studies,<br />

RSCAS).<br />

DieHauptorganedesEHIsindderObersteRat(oberstes<br />

Kontrollgremium aus je zwei Regierungsvertretern<br />

der Vertragsstaaten und Vertreter der Europäischen<br />

Kommission: tagt zweimal jährlich und bestimmt<br />

die Grundlinien des Instituts), der AkademischeRat(entscheidetüberAngelegenheitenderLehre<br />

und Forschung; Vorsitz führt der Präsident, Mitglieder<br />

sind der Generalsekretär, alle Lehrkräfte,<br />

Vertreter der Studenten und der Bibliotheksleiter).<br />

Ein Forschungsbeirat (Mitglieder vorwiegend aus<br />

Vertretern auswärtiger akademischer Institutionen)<br />

entscheidet über Mittelvergabe für Projekte und begutachtet<br />

deren Fortschritte und Resultate.<br />

Seit 1986 verwaltet das EHI die durch EG-Ratsverordnung<br />

354/83 (ABl. L 43/1983) der Öffentlich-<br />

287


Europäisches Institut für öffentliche Verwaltung<br />

keitzugänglichenHistorischenArchivederEuropäischenUnion.<br />

W. M.<br />

Anschrift: European University Institute, Badia Fiesolana, Via<br />

die Roccettini 9, I–500 16 San Domenico di Fiesole (Florenz).<br />

Kontakt: Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD),<br />

Kennedyallee 50, 53175 Bonn<br />

Europäisches Institut für öffentliche Verwaltung<br />

(European Institute of Public Administration,<br />

EIPA). 1981 gegründetes unabhängiges Institut, das<br />

öffentliche Verwaltungen und EU-Organe bei<br />

Durchführung ihrer Aufgaben im Bereich der europäischen<br />

Integration durch Fortbildungsseminare<br />

und Konferenzen, Beratung, angewandte Forschung<br />

und Publikationen unterstützt. Es wird z. T. aus dem<br />

EU-Haushalt finanziert. Das Institut verleiht alle<br />

zweiJahredenAlexis-de-Tocqueville-Preis. W. M.<br />

Adresse: O. L. Vrouweplein 22, P.O. Box 1229,<br />

NL-6201 BE Maastricht.<br />

Internet: www.eipa.nl<br />

Europäisches Jahr. Die Europäische Kommission<br />

kann bis zum 30. Juni eines Jahres einen Vorschlag<br />

unterbreiten für einen Beschluss des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates, der das folgende Jahr zu<br />

einem „Europäischen Jahr“ erklärt mit Bezug auf ein<br />

Thema, das besondere Beachtung finden soll. Das<br />

EuropäischeJahrwirdvonAktionenzurInformation<br />

undzurSensibilisierungderÖffentlichkeitbegleitet,<br />

die entweder von der EU voll finanziert oder auf nationaler<br />

Ebene bzw. regionaler Ebene von der EU<br />

mitfinanziert werden. Die Kommission wird mit der<br />

Durchführung beauftragt und verwaltet das dafür bewilligte<br />

Budget.<br />

Auch der Europarat veranstaltet „Europajahre“, derenThemenmitdenendesEuropäischenJahresidentisch<br />

sein können.<br />

1983: Europäisches Jahr für kleine und mittlere Unternehmen<br />

und das Handwerk<br />

1985: Europäisches Musikjahr<br />

1986: Europäisches Jahr der Straßenverkehrssicherheit<br />

1987: Europäisches Umweltjahr<br />

1988: Europäisches Film- und Fernsehjahr<br />

1989: Europäisches Informationsjahr über Krebs<br />

1990: Europäisches Jahr des Tourismus<br />

1992: Europäisches Jahr für Sicherheit, Arbeitshygiene,<br />

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz<br />

1993: Europäisches Jahr der älteren Menschen<br />

1996: Europäisches Jahr des lebenslangen Lernens<br />

1997: Europäisches Jahr gegen Rassismus<br />

288<br />

2001: Europäisches Jahr der Sprachen<br />

2003: Europäisches Jahr der Menschen mit Behinderungen<br />

2004:EuropäischesJahrderErziehungdurchSport<br />

1984, 1991, 1994, 1995, 1998, 1999, 2000, 2002 und<br />

2005wurdenkeineEuropäischenJahreausgerufen.<br />

Europäisches Jugendforum. 1996 gegründet und<br />

seit 1. 1. 1997 tätig, fasst es den Europäischen Jugendrat<br />

(CENYC), das Europäische KoordinierungsbüroderinternationalenJugendorganisationen<br />

(ECB) und das �Jugendforum der EU (YFEU) zusammen.<br />

Das Europäische Jugendforum nimmt<br />

durch Zusammenarbeit mit der Europäischen Union,<br />

dem Europarat und UN-Organisationen die Interessen<br />

der europäischen Jugendlichen wahr und macht<br />

auf deren Standpunkte aufmerksam. Es setzt sich für<br />

eine stärkere Beteiligung der Jugend an der Entwicklung<br />

und Gestaltung Europas ein. Mitglied sind 35<br />

nationale Jugendräte (zwei davon mit Beobachterstatus)<br />

und 58 internationale nichtstaatliche Jugendorganisationen<br />

(8 mit Beobachterstatus).<br />

Anschrift: Europäisches Jugendforum, 120, rue Joseph II, B–<br />

1000 Brüssel.<br />

Internet www.youthforum.org<br />

Europäisches Jugendparlament EJP (European<br />

Youth Parliament / Parlement Européen des Jeunes),<br />

1987 auf private französische Initiative in Fontainebleau<br />

gegründet. Jährliche mehrtägige Sitzung in einem<br />

EU-Land, an der sprachkundige 16- bis 18-jährige<br />

(Ober-)Schüler/innen aus jedem EU-Mitgliedstaat<br />

als „Abgeordnete“ teilnehmen. In mehreren<br />

Fachausschüssen werden Stellungnahmen der jungen<br />

Generation zu aktuellen Fragen der europäischen<br />

Einigungspolitik erarbeitet, formuliert und an<br />

die EU weitergegeben. Der äußere Sitzungsrahmen<br />

orientiert sich am Europäischen Parlament und ermöglicht<br />

dadurch eine praktische Einführung in parlamentarische<br />

Verfahren. Der (gemeinnützige) Verein<br />

zur Förderung des Europäischen JugendparlamentsinDeutschlandunterstütztdieVerbreitungder<br />

Idee des Jugendparlaments und finanziert das nationaleAuswahlverfahren.<br />

W. M.<br />

Anschrift des EJP in Deutschland: Sophienstraße 28–29,<br />

10178 Berlin<br />

Europäisches Jugendwerk (European Youth<br />

Foundation / Fonds Européen pour la Jeunesse).


1972 vom �Europarat gegründet zur Förderung der<br />

internationalen Zusammenarbeit von Jugendorganisationen<br />

aus den Mitgliedstaaten. Das Jugendwerk<br />

(Jahresetat 3 Mio. Euro) bietet finanzielle Unterstützung<br />

für Jugendaktivitäten, die den Zielen des Europarates<br />

entsprechen.<br />

Anschrift: Europäisches Jugendwerk,<br />

30, rue de Pierre Coubertin, F-67000 Strasbourg<br />

Europäisches Justitielles Netz für Strafsachen<br />

�PJZS<br />

Europäisches Kartellrecht �Kartellrecht<br />

Europäisches Markenamt �Harmonisierungsamt<br />

für den Binnenmarkt<br />

Europäisches Netz für Ernährungssicherheit<br />

(Réseau Européen de Sécurité Alimentaire, RE-<br />

SAL),vonderKommissionunterstütztesProgramm,<br />

das bis zum Jahr 2000 für die Verwaltung und Durchführung<br />

der �Nahrungsmittelhilfe zuständig war.<br />

Seit 2000 werden die Aufgaben von �EuropeAid und<br />

von dezentralen Strukturen in den Empfängerländern<br />

wahrgenommen.<br />

Europäisches Netz für Kriminalprävention (European<br />

Crime Prevention Network, EUCPN) �Kriminalitätsprävention<br />

Europäisches Parlament (EP) ist seit der EinheitlichenEuropäischenAkte(EEA,1986)dieoffizielle,<br />

vertraglich festgelegte Bezeichnung für das Parlament<br />

der Europäischen Gemeinschaften bzw. der<br />

Europäischen Union. Das EP ist das einzige direkt<br />

gewählte und somit unmittelbar legitimierte Organ<br />

der Europäischen Union. Es hält von Anfang an seine<br />

Plenarsitzungen in Straßburg ab (seit Ende 1993<br />

auch in Brüssel; dort tagen die Ausschüsse und die<br />

Fraktionen). Nach einer Entscheidung des Europäischen<br />

Rates vom Dezember 1992 ist Straßburg offizieller<br />

Sitz des EP.<br />

1. Entwicklung des Europäischen Parlaments<br />

1.1 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl.<br />

Vorläufer des Europäischen Parlaments war die Gemeinsame<br />

Versammlung der EGKS, die am 10. 9.<br />

1952 erstmals zusammentrat. Diese Versammlung<br />

setztesichaus79vondenMitgliedstaatenentsandten<br />

Parlamentariern zusammen und hatte überwiegend<br />

Europäisches Parlament<br />

beratende Funktionen. Sie konnte jedoch durch<br />

Misstrauensvotum die Hohe Behörde stürzen. Bereits<br />

der EGKS-Vertrag sah die Möglichkeit einer<br />

unmittelbaren Legitimation des Parlaments durch<br />

den Wähler vor: „Die Versammlung besteht aus Abgeordneten,<br />

die einmal jährlich nach dem von jedem<br />

Hohen Vertragschließenden Teil bestimmten Verfahren<br />

von den Parlamenten aus deren Mitte zu ernennenoderinallgemeinendirektenWahlenzuwählen<br />

sind“ (Art. 21). Von der Möglichkeit der Direktwahl<br />

wurde aber kein Gebrauch gemacht.<br />

1.2 Römische Verträge. Mit dem Inkrafttreten des<br />

EWG-Vertrags 1958 wurde zugleich die (parlamentarische)<br />

Versammlung als ein gemeinsames Organ<br />

der drei Europäischen Gemeinschaften (EGKS,<br />

EWG, EAG) geschaffen (Abkommen über gemeinsame<br />

Organe für die Europäischen Gemeinschaften<br />

vom 25. 3. 1957). Die Versammlung bezeichnete<br />

sich selbst lange vor der offiziellen Einführung des<br />

Namens als „Europäisches Parlament“, um damit ihr<br />

über den im EWG-Vertrag festgelegten Status hinausgehendes<br />

Selbstverständnis zum Ausdruck zu<br />

bringen. Die Römischen Verträge übertrugen der<br />

Versammlung die Initiative zur Vorbereitung von<br />

�Direktwahlen (Art. 138 EWGV). Ein erster Entwurf<br />

wurde 1960 vorgelegt, scheiterte aber an der<br />

mangelnden Einstimmigkeit im Rat.<br />

In den 1960er Jahren war der Einfluss des EP auf Rat<br />

und Kommission gering. Seine Mitwirkungsrechte<br />

bestanden zunächst vor allem in der Abgabe von<br />

Stellungnahmen, an die der Rat aber nicht gebunden<br />

war.<br />

1.3. Direktwahl des Parlaments. In seiner Stellungnahme<br />

zur Europäischen Union von 1975 formulierte<br />

das Parlament die Vorüberlegungen seiner künftigen<br />

Rolle. Diese sahen ein Parlament vor, „das Haushalts-<br />

und Kontrollbefugnisse besitzt und zumindest<br />

gleichberechtigt an der Rechtsetzung teilnimmt, wie<br />

es ihm als Vertretung der Völker zukommt“. Zur<br />

Verbesserung des Entscheidungsverfahrens sollte<br />

der Rat auf das Prinzip der Einstimmigkeit verzichten.<br />

Das Parlament konnte zunächst jedoch durch die<br />

Einführung der Direktwahl 1979 seinen Status im Institutionengefüge<br />

der Gemeinschaft verbessern.<br />

Seitdem ist es das einzige Organ, das durch den Bürger<br />

unmittelbar legitimiert ist. An den ersten Wahlen<br />

vom 7. – 10. 6. 1979 beteiligten sich in den damals<br />

neun Mitgliedstaaten rund 62% der Wahlberechtigten.<br />

289


Europäisches Parlament<br />

1.4 Einheitliche Europäische Akte. In der EEA, die<br />

am 1. 7. 1987 in Kraft trat, wurde die Bezeichnung<br />

„Versammlung“ durch „Europäisches Parlament“<br />

ersetzt. Die Funktionen und Kompetenzen des Parlaments<br />

wurden erweitert. Mit der EEA wurde in Art.<br />

251 EGV in bestimmten Politikbereichen das Verfahren<br />

der Zusammenarbeit mit dem Rat eingeführt.<br />

Das EP erhielt Mitentscheidungskompetenzen in<br />

FragenderBeitrittsabschlüsseundAssoziierungsabkommen,<br />

die seither nicht mehr ohne Zustimmung<br />

des Parlaments erfolgen können. Die Fälle obligatorischer<br />

Konsultationen im legislativen Bereich wurden<br />

zwar erweitert, aber das Parlament erhielt noch<br />

keine echte Mitentscheidung.<br />

1.5 Europäische Union. Das EP wirkt seit dem<br />

Maastrichter Vertrag erkennbar an der Gesetzgebung<br />

mit und hat seine Kontrollfunktionen ausweiten<br />

können. Der Vertrag von Amsterdam sieht in Art.<br />

190 Abs. 4 EGV vor, dass das EP einen Entwurf für<br />

allgemeine unmittelbare Wahlen nach gemeinsamen<br />

Grundsätzen ausarbeitet, die im Einklang mit den allen<br />

Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen stehen.AußerdemerhältdasEPdieBefugnis,einAbgeordneten-Statutfestzulegen(�StatutderAbgeordneten),<br />

das die einzelstaatlichen Regelungen ablösen<br />

soll.<br />

In den Bereichen �Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik<br />

und �polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit<br />

bleiben die Kompetenzen des Parlaments<br />

auf Anhörung und Unterrichtung beschränkt. Der<br />

Amsterdamer Vertrag verbesserte insofern die Mitwirkung<br />

des EP, als das Parlament nach Art. 39 EUV<br />

ein formelles Anhörungsrecht im Bereich der polizeilichenundjustitiellenZusammenarbeiterhält,bevor<br />

der Rat die geplante Maßnahme beschließt.<br />

2.ZusammensetzungdesEP.DasEPumfasstseitden<br />

Europawahlen 2004 732 Abgeordnete (entsprechend<br />

der im Nizza-Vertrag festgelegten Obergrenze<br />

für eine EU mit 27 Mitgliedstaaten). Falls Bulgarien<br />

und Rumänien während der laufenden Legislaturperiode<br />

beitreten, steigt die Zahl der Sitze vorübergehend<br />

auf 786 an (18 für Bulgarien und 36 für<br />

Rumänien). Im �Verfassungsvertrag ist vorgesehen,<br />

dass höchstens 736 Sitze degressiv proportional entlang<br />

den Bevölkerungszahlen in den Mitgliedstaaten<br />

verteilt werden müssen.<br />

Die Abgeordneten werden allgemein und unmittelbar<br />

von den Bürgern der Mitgliedstaaten der EU auf<br />

fünf Jahre gewählt, bis 2004 nach unterschiedlichen<br />

290<br />

Wahlsystemen (�Europawahlen). Seither finden die<br />

angepassten nationalen Wahlsysteme für die Europawahlen<br />

Anwendung; sie folgen einem Verhältniswahlsystem.<br />

Mitte der 1970er Jahre, vor der ersten Direktwahl des<br />

EP, haben sich die großen politischen Strömungen –<br />

Sozialisten/Sozialdemokraten, Christdemokraten<br />

und Liberale – zu Föderationen (�Europäische Parteienföderationen)<br />

zusammengeschlossen. Sie bilden<br />

den Überbau für die Fraktionen im EP, deren Bildung<br />

eine wichtige Voraussetzung für die Ausübung<br />

parlamentarischer Rechte ist vor allem hinsichtlich<br />

der Verteilung von Redezeiten, Vertretern in den<br />

Ausschüssen und Berichterstattern. In der Legislaturperiode<br />

1999 – 2004 ist die Möglichkeit der Bildung<br />

einer Fraktion aus einem Mitgliedstaat abgeschafft<br />

worden.<br />

a) Sozialdemokratische Partei Europas (SPE). Diese<br />

Partei hat sich im November 1992 aus dem Bund<br />

der Sozialdemokratischen und Sozialistischen ParteienderEG(1974)konstituiert.Ihrgehörenauchdie<br />

italienischen Eurokommunisten an. Im Vorfeld der<br />

Wahlen zum EP 1994 einigte sich die SPE erstmals<br />

aufeingemeinsamesWahlprogramm,indemsoziale<br />

und umweltpolitische Fragen im Vordergrund standen.<br />

b) Europäische Volkspartei (EVP). Die EVP ist ein<br />

Zusammenschluss christdemokratischer Parteien<br />

(1976). Auf Beschluss der EVP-Fraktion des EP<br />

(1992) können die Mitglieder der „Europäischen Demokraten“(vorallembritischeKonservative)individuell<br />

beitreten. Die EVP ist inhaltlich und organisatorisch<br />

eng mit der Europäischen Union Christlicher<br />

Demokraten verflochten, die auch den Kontakt zu<br />

Schwesterparteien aus Nicht-EU-Staaten aufrecht<br />

erhält. Programmatisch tritt sie für den Aufbau einer<br />

demokratischen EU mit sicherheitspolitischer Komponente<br />

ein. Der EVP schlossen sich die konservativen<br />

Parteien Griechenlands, Spaniens und der skandinavischen<br />

Länder, die ehemals liberale Partei Portugals<br />

und die französischen Liberalen und Gaullisten<br />

an.<br />

c) Föderation liberaler und demokratischer Parteien<br />

der Europäischen Gemeinschaft (ELDR). Die Föderation<br />

der Europäischen Liberalen und Demokraten<br />

wurde 1976 gegründet. Sie hat die Aufgabe, „die<br />

liberalen Parteien der Länder der Gemeinschaft zusammenzuführen,<br />

die auf der Grundlage der liberalen<br />

Ideale zur Schaffung einer Europäischen Union


eitragen wollen“. Im Dezember 1993 wurde sie zur<br />

Europäischen Liberalen und Demokratischen Reform-Partei.<br />

Reformer und Radikale im EP suchten<br />

Anschluss an die ELDR.<br />

d) Die Europäische Föderation Grüner Parteien hat<br />

sich im Sommer 1993 in Helsinki als ein Koordinationsgremium<br />

gebildet. Im Februar 2004 haben die<br />

GrüneninRomalsersteParteieineeinheitlicheeuropäischePartei,dieEuropäischeGrünePartei(EGP),<br />

gebildet.<br />

Neben diesen vier Fraktionen, denen sich in den<br />

Wahlperioden wechselnde Partner aus verschiedenen<br />

nationalen Parteien angeschlossen haben, haben<br />

sich weitere lose Parteienbündnisse zu Fraktionen<br />

unter wechselndem Namen zusammengefunden.<br />

Das EP setzt sich nach den Wahlen 2004 aus sieben<br />

Fraktionen und 29 Fraktionslosen (Stand: Sept.<br />

2005) zusammen, von denen 267 der EVP, 201 der<br />

SPEund89derELDR(AllianzderLiberalenundDemokratenfürEuropa)angehören(s.Tab.S.294).Angesichts<br />

dieser Verteilung sind, wie auch in den vorangegangen<br />

Legislaturperioden i. d. R. die beiden<br />

großen Fraktionen zur Zusammenarbeit gezwungen,<br />

um im Mitentscheidungsverfahren ein Gegenwicht<br />

zum Rat bei der Rechtsetzung bilden zu können.<br />

3. Arbeitsweise. Das Parlament tagt pro Jahr in 13 bis<br />

14 Plenarsitzungen, deren Arbeit in 20 ständigen<br />

�Ausschüssen (Angaben für 2005) vorbereitet wird.<br />

Außerdem kann das Parlament nichtständige Ausschüsse<br />

und Untersuchungsausschüsse einsetzen.<br />

ZweiWochensindfürSitzungenderAusschüsseund<br />

eine Woche für Sitzungen der Fraktionen in Brüssel<br />

reserviert; in dieser Zeit können in Brüssel weitere<br />

Plenarsitzungen stattfinden.<br />

Das Parlament wählt aus seiner Mitte den Präsidenten<br />

sowie die übrigen Mitglieder des Präsidiums (14<br />

Vizepräsidenten und fünf Quästoren für Verwaltungs-<br />

und Finanzaufgaben mit beratender Stimme).<br />

Der Präsident leitet die Sitzungen des Parlaments<br />

und seiner Gremien, übt wichtige Funktionen bei<br />

Aufstellung und Festsetzung des Haushalts aus und<br />

vertritt das Parlament gegenüber anderen Organen<br />

der Gemeinschaft und international. Das Präsidium<br />

ist das administrative Leitungsorgan und zuständig<br />

für den Haushalt des EP sowie für Personal- und Organisationsfragen.<br />

Das politische Leitungsorgan ist<br />

die Konferenz der Präsidenten – Präsident des EP<br />

und die Fraktionsvorsitzenden. Sie legt u. a. die Zuständigkeiten<br />

und die Zahl der Mitglieder der parla-<br />

Europäisches Parlament<br />

mentarischen Ausschüsse fest. Außerdem ist sie für<br />

Tagesordnung der Plenarsitzungen zuständig und<br />

prüft die Empfehlungen der Konferenz der Ausschussvorsitzenden<br />

zu den Arbeiten der Ausschüsse<br />

und zur Tagesordnung der Tagungen. Unter der Leitung<br />

eines Generalsekretärs sind rund 4 000 Beamtinnen<br />

und Beamte im Generalsekretariat der EP beschäftigt.<br />

Sie werden nach Auswahlverfahren in allen<br />

Mitgliedstaaten der Union eingestellt.<br />

Die Ausschüsse sind wichtig für die effektive Arbeit<br />

des Parlaments; denn sie beraten und bereiten vor die<br />

Stellungnahme des Parlaments zu Gesetzgebungsvorhaben.<br />

Die Ausschüsse entwickeln aber auch eigene<br />

Initiativen, mit denen sie auf den Prozess der<br />

Politikgestaltung einwirken.<br />

4. Kompetenzen. Die Funktionen des EP unterscheiden<br />

sich erheblich von denjenigen der Parlamente in<br />

Ständige Ausschüsse des EP<br />

in der 6. Legislaturperiode<br />

Interne Politikbereiche<br />

BUDG Haushalt<br />

CONT Haushaltskontrolle<br />

ECON Wirtschaft und Währung<br />

EMPL Beschäftigung und soziale Angelegenheiten<br />

ENVI Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit<br />

ITRE Industrie, Forschung und Energie<br />

IMCO Binnenmarkt und Verbraucherschutz<br />

TRAN Verkehr und Fremdenverkehr<br />

REGI Regionale Entwicklung<br />

AGRI Landwirtschaft und ländliche Entwicklung<br />

PECH Fischerei<br />

CULT Kultur und Bildung<br />

JURI Recht<br />

LIEBE Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres<br />

AFCO Konstitutionelle Fragen<br />

FEMM Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter<br />

PETI Petitionen<br />

Externe Politikbereiche<br />

AFET Auswärtige Angelegenheiten<br />

DROI Unterausschuss Menschenrechte<br />

SEDE Unterausschuss für Sicherheit und<br />

Verteidigung<br />

DEVE Entwicklung<br />

INTA Internationaler Handel<br />

Nichtständiger Ausschuss<br />

FINP Politische Herausforderungen und Haushaltsmittel<br />

der erweiterten Union 2007– 2013<br />

291


Europäisches Parlament<br />

den Mitgliedstaaten. So gibt es keine europäische<br />

Regierung, die das Parlament einsetzen und kontrollieren<br />

könnte. Ebenso wenig gibt es Regierungsoder<br />

Oppositionsfraktionen. Die Sitzverteilung ist<br />

nicht proportional zur Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten,dadiekleinenStaatenüberrepräsentiert<br />

sind; insofern ist das Parlament auch nur bedingt ein<br />

repräsentatives Organ. Es fehlen ihm aber vor allem<br />

bislang weitgehend die gesetzgeberischen und politischen<br />

Möglichkeiten, um dem eigenen Anspruch<br />

gerecht zu werden, die Interessen der Bürger zu vertreten<br />

und die Politik der EU maßgeblich zu gestalten.<br />

Die Kompetenzen des Parlaments sind im VerlaufdesIntegrationsprozessesangewachsen.Grundsätzlich<br />

kann es über jede Frage der Gemeinschaft<br />

beraten und mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen<br />

Entschließungen fassen und diese den anderen<br />

292<br />

Gemeinschaftsorganen vorlegen. Die Palette der Befugnisse<br />

ist weitgefächert: allgemeine Beratungsund<br />

Kontrollbefugnisse, Mitwirkung bei der Gesetzgebung,<br />

Entscheidungsrechte in Haushaltsfragen,<br />

Fragerechte, Zustimmung bei Beitritts- und Assoziierungsabkommen,<br />

Misstrauensvotum gegenüber<br />

der Kommission, Wahl eines Bürgerbeauftragten<br />

und Beteiligungsformen außerhalb des EGV (Information<br />

über Handels- und Assoziierungsverträge,<br />

Fragerecht gegenüber GASP).<br />

4.1 Gesetzgebung. Die Befugnisse des Parlaments<br />

reichen von der �Anhörung über die �Zusammenarbeit(Art.252EGV)unddieobligatorischeKonsultation<br />

bis zur �Mitentscheidung im Gesetzgebungsverfahren<br />

(Art. 251 EGV). Das EP kann zwar von der<br />

Kommission die Einleitung von Gesetzgebungsverfahren<br />

verlangen (Art. 190 EGV), aber es hat nicht


das Recht zur förmlichen Gesetzgebungsinitiative.<br />

Beim Verfahren der Zusammenarbeit kann das EP –<br />

im Unterschied zur bloßen Anhörung – Gesetzesvorlagen<br />

abändern.<br />

Das Recht der Zusammenarbeit wurde durch die<br />

EU-Verträge weitgehend durch das Mitentscheidungsrecht<br />

(Art. 251 EGV) abgelöst. Die Mitentscheidung<br />

wurde auf Fälle erweitert, welche die<br />

�Freizügigkeit der Arbeitnehmer, freien Dienstleistungs-<br />

und freien Kapitalverkehr (�Binnenmarkt),<br />

den Erlass von Maßnahmen in Bereichen des Verkehrs,<br />

die Angleichung von Rechtsvorschriften, die<br />

Politikbereiche allgemeine Bildung, Gesundheitswesen,<br />

Verbraucherschutz, Beschlussverfahren zur<br />

Forschungspolitik und allgemeine Aktionsprogrammen<br />

im Umweltschutz betreffen. Mit dem Vertrag<br />

von Amsterdam wurde das Verfahren der Zusammenarbeit<br />

zwischen Kommission, Rat und Parlament<br />

bis auf den Bereich der �Wirtschafts- und Währungsunion<br />

in das Mitentscheidungsverfahren überführt;<br />

diese Mitentscheidungsrechte wurden im<br />

Amsterdamer Vertrag um 25 Fälle erweitert. Der<br />

Vertrag von Nizza sieht zusätzliche neun Fälle des<br />

Mitentscheidungsrechts vor, die teilweise erst zu einem<br />

späteren Zeitpunkt oder nach einem einstimmigenBeschlussdesRatinKrafttreten.ImUnterschied<br />

zum Verfahren der Zusammenarbeit, in dem der Rat<br />

die Meinung des Parlaments zur Kenntnis nimmt,<br />

aber letztlich allein entscheidet, ist beim Verfahren<br />

der Mitentscheidung das EP gleichberechtigter Partner<br />

des Rates. Es kann – gestützt auf eine Empfehlung<br />

des zuständigen Ausschusses – mit der absoluten<br />

Mehrheit seiner Mitglieder einen geplanten<br />

Rechtsakt ablehnen. Lehnt der Rat seinerseits Abän-<br />

Europäisches Parlament<br />

derungsanträge des EP ab, tritt ein �Vermittlungsausschuss<br />

zusammen, dem Mitglieder des Rates und<br />

des EP angehören, um zu einer Einigung in Form einesgemeinsamenEntwurfszugelangen.Dieserparitätisch<br />

besetzte Vermittlungsausschuss, an dessen<br />

Arbeiten die Kommission teilnimmt, befasst sich<br />

ausdrücklich „mit dem gemeinsamen Standpunkt<br />

auf der Grundlage der vom Europäischen Parlament<br />

vorgeschlagenen Abänderungen“ (Art. 251 Abs. 4<br />

EGV). Vor dem Amsterdamer Vertrag konnte sich<br />

der Rat darüber hinwegsetzen, wenn er schon vor der<br />

Eröffnung des Vermittlungsverfahrens mit qualifizierter<br />

Mehrheit den gemeinsamen Standpunkt bestätigte<br />

(ex-Art. 189 b EGV). Mit dem Amsterdamer<br />

Vertrag ist das Mitentscheidungsverfahren insofern<br />

gestrafft worden, als die dritte Lesung wegfällt bzw.<br />

im Falle der Einigung von Rat und EP zu Beginn des<br />

Rechtsetzungsprozesses das Verfahren abgekürzt<br />

wird.<br />

4.2 Kontrollfunktionen. Das Parlament übt mit den<br />

EU-Verträgen im weiten Sinne eine Kontrolle über<br />

die Tätigkeit aller Organe der EU einschl. des Europäischen<br />

Rates aus. Das EP spielt eine maßgebliche<br />

Rolle bei der Einsetzung der Kommission. Es billigt<br />

die Ernennung des Kommissionspräsidenten, führt<br />

Anhörungen der designierten Kommissionsmitglieder<br />

durch und entscheidet darüber, ob es der Kommission<br />

insgesamt sein Vertrauen ausspricht. Nach<br />

Art. 201 EGV besitzt das EP das Recht, durch Misstrauensantrag<br />

mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Kommission<br />

zum Rücktritt zu zwingen. In der Praxis hat<br />

das Parlament bisher davon keinen Gebrauch gemacht,<br />

zumal dieser Schritt in seinen Konsequenzen<br />

nichtvergleichbarmitdemRücktritteinerRegierung<br />

293


Europäisches Parlament<br />

auf nationaler Ebene wäre; denn die Kommission der<br />

EU besitzt nur begrenzte Exekutivgewalt, und der eigentliche„Gegenspieler“desParlaments,derRat,ist<br />

hierdurch rechtlich nicht zu treffen.<br />

KontrollrechtegegenüberdemRathatdasParlament<br />

im �Haushaltsverfahren. Die Kontrollfunktion des<br />

EP wurde im Amsterdamer Vertrag auf die Zuverlässigkeitserklärung<br />

des Rechnungshofes ausgedehnt<br />

(Art. 276 Abs. 1 EGV).<br />

DasParlamentrichtetAnfragenandenRatundandie<br />

Kommission;dieOrganesindzurBeantwortungverpflichtet.<br />

Seit dem Amsterdamer Vertrag kann das<br />

Fraktionen im EP – 6. Wahlperiode (Stand: September 2005)<br />

294<br />

27<br />

267<br />

15<br />

201<br />

89<br />

EP auch den �Ausschuss der Regionen (Art. 265<br />

EGV), die �EZB und den �Wirtschafts- und Sozialausschuss(Art.262EGV)anhören.AufAntrageines<br />

Viertels seiner Mitglieder kann es einen Untersuchungsausschuss<br />

einsetzen, der Verstöße anderer<br />

Organe und Institutionen gegen das Gemeinschaftsrecht<br />

oder Missstände bei der Anwendung desselben<br />

prüft (Art. 193 EGV). Eine indirekte Kontrolle übt<br />

das EP durch Beauftragung des Europäischen<br />

�Rechnungshofes zur Abgabe von Stellungnahmen<br />

(Art. 248 EGV) aus. Das EP besitzt weiterhin Klagerechtvordem<br />

Europäischen�Gerichtshof.NachArt.<br />

1<br />

2<br />

10 4<br />

10<br />

36<br />

Quelle: Europäisches Parlament;<br />

www.europarl.eu.int/members/expert/groupAndCountry.do<br />

4<br />

5


194 EGV kann jeder Bürger eine Petition an das Europäische<br />

Parlament richten.<br />

4.3 Haushaltsrechte. Das Parlament ist an der Aufstellung,<br />

Beratung und Verabschiedung des Haushalts<br />

beteiligt. Es bildet zusammen mit dem Rat die<br />

Haushaltsbehörde. Nach Art. 272 EGV kann das Parlament<br />

aus wichtigen Gründen den von der Kommission<br />

vorgelegten Entwurf des Haushaltsplans ablehnen<br />

und die Vorlage eines neuen Entwurfs verlangen.<br />

Diese Kompetenz wird in der Praxis dadurch<br />

eingeengt, dass die Gemeinschaft bis zur Verabschiedung<br />

eines neuen Haushalts mit einem provisorischen<br />

Haushalt (Art. 273 EGV) wirtschaften kann.<br />

Das Parlament hat das Haushaltsbewilligungsrecht<br />

(Änderungsrecht) für nicht zwingend gesetzlich vorgeschriebene<br />

Ausgaben und kann bei �obligatorischen<br />

Ausgaben Änderungen vorschlagen. Nach<br />

Art. 276 Abs. 2 EGV kann das Parlament „vor der<br />

Entlastung der Kommission sowie auch zu anderen<br />

Zwecken im Zusammenhang mit der Ausübung seiner<br />

Haushaltsbefugnisse die Kommission auffordern,<br />

Auskunft über die Vornahme der Ausgaben<br />

oder die Arbeitsweise der Finanzkontrollsysteme zu<br />

erteilen“. Über seinen Haushaltskontrollausschuss<br />

prüft das EP, gestützt auf die Berichte des Europäischen<br />

Rechnungshofs, die Verwendung der Haushaltsmittel.<br />

Gegenwärtig befassen sich EP und Rat in zwei Lesungen<br />

mit dem Haushalt. Nach dem Inkrafttreten<br />

des Verfassungsvertrags wird es nur noch eine Lesung<br />

geben. Außerdem wird die zur Zeit geltende<br />

Unterscheidung zwischen Ausgaben, bei denen des<br />

EP das letzte Wort hat, und solchen, bei denen dies<br />

dem Rat zukommt, abgeschafft. Wie im Gesetzge-<br />

Europäisches Parlament<br />

bungsverfahren ist bei unterschiedlichen Positionen<br />

von Parlament und Rat ein Vermittlungsausschuss<br />

vorgesehen. Die Verabschiedung des Haushalts bedarf<br />

der Zustimmung durch das EP.<br />

4.5 Entscheidungsbefugnisse. Das EP ist nach dem<br />

Amsterdamer Vertrag in Entscheidungsprozesse der<br />

Gemeinschaft durch Anhörung, Mitentscheidung<br />

und Zustimmung eingebunden. Es ist beteiligt an der<br />

Ausarbeitung der Richtlinien, Verordnungen und<br />

Beschlüsse der Gemeinschaft. Nach Art. 251 EGV<br />

kann das Parlament letztlich die Verabschiedung eines<br />

�Rechtsaktes verhindern.<br />

Die Zustimmung des Parlaments ist erforderlich bei<br />

�Erweiterung der Gemeinschaft und bei Abkommen<br />

mit Drittländern, ferner bei Ernennung der Kommission,<br />

bei Rechtsakten zur Freizügigkeit der Unionsbürger<br />

(Art. 18 EGV), zur Aufsicht über Kreditinstitute<br />

(Art. 105 EGV), zur Änderung der Aufgaben der<br />

Strukturfonds (Art. 161 EGV) und für ein einheitliches<br />

Wahlverfahren (Art. 190 EGV). Mit dem AmsterdamerVertragistauchdieZustimmungdesEPbei<br />

der Ernennung des Kommissionspräsidenten (Art.<br />

214 Abs. 2 EGV) und im Falle von Sanktionen bei<br />

Verletzung von Grundrechten durch ein Mitgliedsland<br />

(Art. 7 EUV) erforderlich.<br />

An der Weiterentwicklung der Gemeinschaft ist das<br />

Parlament außerdem über Art. 192 EGV insofern beteiligt,<br />

als es die Kommission auffordern kann, „geeignete<br />

Vorschläge zu Fragen zu unterbreiten, die<br />

nach seiner Auffassung die Ausarbeitung eines Gemeinschaftsakts<br />

zur Durchführung dieses Vertrags<br />

erfordern“.<br />

5. Modelle für die Entwicklung des EP. Die Trans-<br />

European Policy Studies Association (TEPSA), der<br />

Fraktionen im EP 1979–1984 Fraktionen im EP 1984–1989<br />

(Stand: März 1984) (Stand: März 1989)<br />

Sozialistische Fraktion<br />

Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />

(Christlich-demokratische Fraktion)<br />

Fraktion der Europäischen Demokraten<br />

Fraktion der Kommunisten<br />

Liberale und Demokratische Fraktion<br />

Fraktion der Europäischen Demokraten<br />

für den Forschritt<br />

Fraktion für die technische Koordinierung<br />

der unabhängigen Gruppen und<br />

Abgeordneten<br />

Fraktionslos<br />

Insgesamt<br />

124<br />

117<br />

63<br />

48<br />

38<br />

22<br />

12<br />

10<br />

434<br />

Sozialistische Fraktion<br />

Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />

(Christlich-demokratische Fraktion)<br />

Fraktion der Europäischen Demokraten<br />

Fraktion der Kommunisten<br />

Liberale und Demokratische Fraktion<br />

Fraktion der Sammlungsbewegung der<br />

Europäischen Demokraten<br />

Regenbogenfraktion (Grüne)<br />

Fraktion der Europäischen Rechten<br />

Fraktionslos<br />

Insgesamt<br />

166<br />

113<br />

66<br />

48<br />

46<br />

29<br />

20<br />

16<br />

14<br />

518<br />

295


Europäisches Parlament<br />

Forschungsinstitute aus fast allen Mitgliedstaaten<br />

angehören, stellte 1988 vier Modelle vor. Die Studie<br />

orientiertsichandendreiAufgabenbereichen,dieals<br />

Funktion des EP definiert werden können:<br />

– Gestaltung der Politiken der Gemeinschaft durch<br />

Initiativen, Entscheidung und Kontrolle,<br />

– Weiterentwicklung der Gemeinschaft durch Systemgestaltungsfunktionen,<br />

die auf Entscheidungsverfahren<br />

und Neuordnung der Zuständigkeiten abzielen,<br />

um die Gemeinschaft effizienter und demokratischer<br />

zu gestalten,<br />

– Interaktion mit den Wählern durch Artikulation<br />

von Wählerinteressen, Bündelung von Interessen<br />

undMobilisierungderBürgerfürwichtigeAnliegen.<br />

Es bieten sich folgende Modelle an:<br />

a) „Forum“: ein Gesprächsforum, in dem Interessen<br />

artikuliert, Initiativen entwickelt und Lösungsvorschläge<br />

gesucht werden, die dann von anderen Institutionen<br />

umgesetzt werden. Modell eines solchen repräsentativen<br />

Beratungsgremiums ist die Parlamentarische<br />

Versammlung des �Europarats.<br />

b) Beim Modell „Legislative“ ist das Parlament die<br />

gesetzgebende Gewalt in einem gewaltenteiligen<br />

System. Ein Beispiel hierfür liefert der amerikanische<br />

Kongress.<br />

c) Beim Modell „Gubernative“ wählt das Parlament<br />

die Regierung mit Kompetenzen, wie sie der Deutsche<br />

Bundestag besitzt; d. h. Parlamentsmehrheit<br />

und Regierung bilden eine Handlungseinheit bei der<br />

Verfolgung politischer Ziele.<br />

d) Beim Modell „Mitgestalter“ ist das Parlament an<br />

der Entscheidung beteiligt und verfügt insgesamt<br />

übersovieleMachtmittel,dassdieanderenEntscheidungsträgerseineAnliegennichtignorierenkönnen.<br />

296<br />

Die Rolle des EP hat sich seit der EEA in Richtung<br />

auf „Mitgestalter“ entwickelt. Nach dem Inkrafttreten<br />

des Vertrages über die EU und dem Ingangsetzen<br />

der Umstrukturierung in Richtung auf die Wirtschafts-<br />

und Währungsunion sowie dem Kompetenzzuwachs<br />

der Gemeinschaft in vielen Politikbereichen<br />

bedarf die EU zusätzlicher demokratischer<br />

Legitimation. Der Verlust an Kompetenzen und damit<br />

an Demokratie auf nationaler Ebene muss durch<br />

einen Gewinn an Demokratie auf Gemeinschaftsebene<br />

aufgehoben werden. Dies kann vor allem<br />

durch Stärkung des EP gegenüber der Exekutive geschehen.<br />

In der geänderten Fassung des EGV ist dies<br />

nur teilweise geschehen, vor allem durch die Ausweitung<br />

des Mitbestimmungsverfahrens. Jedoch<br />

wurden die Entscheidungsbefugnisse des EP noch<br />

nicht in dem Maße erweitert, dass das aus Parlamentssicht<br />

wichtigste Reformziel der Demokratisierung<br />

der Gemeinschaft bereits verwirklicht werden<br />

konnte. Erste Ansätze in dieser Richtung beinhalten<br />

die �interinstitutionellen Vereinbarungen vom 25.<br />

10.1993,diejedochaufderAmsterdamerKonferenz<br />

noch nicht weiter entwickelt wurden. Einen Impuls<br />

für die Entwicklung von EP und Kommission in<br />

Richtung auf die staatsrechtliche Stellung von Parlament<br />

und Regierung, wie sie in den einzelnen Mitgliedstaaten<br />

gehandhabt wird, stellt die Zustimmung<br />

des EP bei der Ernennung des Kommissionspräsidenten<br />

dar, dessen politische Legitimation dadurch<br />

gestärkt wird, während zugleich die KontrollbefugnissedesEPgegenüberderKommissionaufgewertet<br />

werden.<br />

6. Perspektive. Vorschläge, die in der Vorbereitung<br />

der Regierungskonferenz 1996 formuliert wurden<br />

Fraktionen im EP 1989 – 1994 Fraktionen im EP 1994 – 1999<br />

(Stand: März 1994) (Stand: 16. Juli 1998)<br />

Fraktion der Sozialdemokratischen<br />

Partei Europas<br />

Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />

(Christlich-demokratische Fraktion)<br />

Liberale und Demokratische Fraktion<br />

Fraktion Die Grünen im EP<br />

Fraktion der Sammlungsbewegung der<br />

Europäischen Demokraten<br />

Rogenbogen-Fraktion<br />

Koalition der Linken<br />

Technische Fraktion der Europäischen<br />

Rechten<br />

Fraktionslos<br />

Insgesamt<br />

197<br />

162<br />

44<br />

28<br />

20<br />

16<br />

13<br />

12<br />

16<br />

518<br />

Fraktion der Sozialdemokratischen<br />

Partei Europas<br />

Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />

(Christlich-demokratische Fraktion)<br />

Fraktion Union für Europa<br />

Liberale und Demokratische Fraktion<br />

Konföderale Fraktion der Vereinigten<br />

Linken/Nordische Grüne Linke<br />

Fraktion DIE GRÜNEN im EP<br />

Fraktion der Radikalen Europäischen<br />

Allianz<br />

Fraktion der Unabhängigen für das<br />

Europa der Nationen<br />

Fraktionslos<br />

Insgesamt<br />

214<br />

200<br />

36<br />

41<br />

34<br />

27<br />

20<br />

18<br />

36<br />

626


und die auf eine weitergehende Demokratisierung<br />

und institutionelle Reform der Gemeinschaft abzielten,<br />

fanden im Amsterdamer Vertrag keinen Niederschlag.<br />

So konnte man sich nicht darüber einigen,<br />

dem EP Zustimmungsrechte für die vorläufige Anwendung<br />

oder Aussetzung von internationalen<br />

Übereinkommen (hier wird das EP nach Art. 300<br />

EGV nachträglich informiert) und bei der Reform<br />

des Vertragswerks (Art. 48 EUV) zu gewähren.<br />

AuchderVertragvonNizzabrachtekeineFortschritte.DerheutenochgültigeinstitutionelleAufbauderGemeinschaft<br />

wurde für die ursprünglich sechs Gründerstaaten<br />

und für wesentlich geringere Aufgabenbereiche<br />

entworfen. Er ist zwischenzeitlich durch<br />

mehrere Ergänzungsverträge immer undurchschaubarer<br />

geworden. Um einer drohenden Funktionsunfähigkeit<br />

bei Rat und Kommission angesichts der Erweiterung<br />

der Gemeinschaft auf 25 und künftig 27<br />

oder 28 Mitgliedsländer entgegenzuwirken, hat das<br />

EP erstmals bereits am 17. 11. 1993 gefordert, umfassende<br />

Reformen in Angriff zu nehmen. Der Institutionelle<br />

Ausschuss des Parlaments unter dem Vorsitz<br />

des Belgiers Fernand Herman legte den Entwurf<br />

über eine Verfassung der Europäischen Union vor,<br />

den das EP am 10. 2. 1994 als Diskussionsgrundlage<br />

verabschiedete. Dieses ausgesprochen bürgerfreundliche,<br />

wenn auch noch in vielen Bestimmungen<br />

unvollständige und unklar formulierte Dokument<br />

enthält in 47 Artikeln die Grundsätze und Zuständigkeiten,<br />

den institutionellen Rahmen, die Auf-<br />

gabenundEntscheidungsmechanismenderGemeinschaft<br />

sowie einen Menschenrechtskatalog.<br />

EinegroßeBedeutungkommtdemParlamentbereits<br />

heute für ein �Europa der Bürger zu. Indem die Parteien<br />

im EP klarere politische Profile entwickeln und<br />

die direkt gewählten Parlamentarier dem Bürger das<br />

Gefühl vermitteln, stärker als bisher an Entscheidungsprozessen<br />

beteiligt zu sein, können vom Parlament<br />

wichtige Impulse ausgehen. In diese Richtung<br />

zielen Verfassungsentwürfe und Reformvorschläge<br />

aus den Reihen des Parlaments, die bereits in der Entschließung<br />

vom 14. 3. 1990 aufgelistet sind: Mitentscheidungs-undInitiativrechtbeiderGesetzgebung,<br />

Wahlrecht für den Präsidenten der Kommission, Zustimmungsrecht<br />

zur Ernennung anderer Institutionen<br />

(Kommission, Europäischer Gerichtshof, Europäischer<br />

Rechnungshof), umfassendes Untersuchungsrecht,<br />

Mitentscheidung bei allen wesentlichen<br />

außenpolitischen Verträgen und bei HandelsabkommensowiedasRechtaufRatifizierungkonstitutioneller<br />

Rechtsakte. Diese Vorschläge konnten<br />

bislang nur teilweise umgesetzt werden.<br />

Der �Verfassungsvertrag 2004 für Europa bringt<br />

nach Inkrafttreten insofern Fortschritte bei der Behebung<br />

des häufig beklagten �Demokratiedefizits, als<br />

alle Beratungen des Ministerrates, die Gesetzgebungsfragen<br />

betreffen, wie bereits gegenwärtig die<br />

Sitzungen des Parlaments öffentlich sein werden.<br />

Die gleichberechtigte Mitentscheidung von Parlament<br />

und Ministerrat wird zur Regel im Gesetzgebungsverfahren<br />

(Art. I-33 Abs. 2 und Art. I-34 VVE,<br />

Fraktionen im EP 1999 – 2004* Fraktionen im EP seit 2004<br />

(Stand: 21. Sept. 1999)<br />

*ab 1. 5. 2004: 785 Abgeordnete<br />

(Stand: September 2005)<br />

Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />

Fraktion der Europäischen Volkspartei<br />

(Christdemokraten) und euro-<br />

(Christdemokraten) und europäischer<br />

Demokraten<br />

233<br />

päischer Demokraten<br />

Fraktion der Sozialdemokratischen<br />

Sozialdemokratische Fraktion im<br />

Partei Europas<br />

180<br />

Europäischen Parlament<br />

Fraktion der Liberalen und Demokra-<br />

Fraktion der Allianz der Liberalen und<br />

tischen Partei Europas<br />

50<br />

Demokraten für Europa<br />

Fraktion der Grünen / Freie Europäische<br />

Allianz<br />

48<br />

Fraktion der Grünen / Freie Europäische<br />

Allianz<br />

Konföderale Fraktion der Vereinigten<br />

Konföderale Fraktion der Vereinigten<br />

Europäischen Linken / Nordische<br />

Linken / Nordische Grüne Linke<br />

Grüne Linke<br />

42 Fraktion Unabhängigkeit / Demokratie<br />

Fraktion Union für das Europa der<br />

Fraktion Union für das Europa der<br />

Nationen<br />

30<br />

Nationen<br />

Fraktion für das Europa der Demokra-<br />

Fraktionslos<br />

tien und der Unterschiede<br />

16<br />

Fraktionslos<br />

27<br />

Insgesamt<br />

626 Insgesamt<br />

Europäisches Parlament<br />

267<br />

201<br />

89<br />

42<br />

41<br />

36<br />

27<br />

29<br />

732<br />

297


Europäisches Parlament<br />

„ordentliches Gesetzgebungsverfahren“). Zur Stärkung<br />

von Demokratie und Bürgernähe trägt auch bei,<br />

dass künftig der Kommissionspräsident auf Vorschlag<br />

des Europäischen Rates „unter Berücksichtigung<br />

der Wahlen zum Europäischen Parlament“ und<br />

„im Anschluss an entsprechende Konsultationen“<br />

vom EP mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt<br />

wird (Art. I- 27 Abs. 1 VVE).<br />

Vergleicht man jedoch die Entwicklung der Entscheidungsverfahren<br />

in den Verträgen der EU seit<br />

Maastricht mit dem Verfassungsvertrag 2004 unter<br />

dem Aspekt der Beteiligungsformen des EP, so zeigt<br />

sich, dass die Einflussmöglichkeiten quantitativ<br />

kaum zunehmen: In 68 Einzelbestimmungen des<br />

Verfassungsvertrags fassen Rat und Europäischer<br />

Rat ihre Beschlüsse einstimmig; in 32 dieser Fälle ist<br />

das EP nicht beteiligt, in 24 wird es konsultiert. Bei<br />

Beschlüssen mit �qualifizierter Mehrheit in insgesamt<br />

173 Einzelbestimmungen ist das EP in 78 dieser<br />

Fälle über das Mitentscheidungs- bzw. Gesetzgebungsverfahren<br />

beteiligt, in 10 Fällen muss es zustimmen,<br />

in 19 Fällen wird es angehört und in 51 Fällen<br />

nicht beteiligt. In 90 Fällen kann der Rat Maßnah-<br />

298<br />

Europäisches Parlament vor der Direktwahl:<br />

1958–1960 Robert Schuman<br />

1960–1962 Hans Furler<br />

1962–1964 Gaetano Martino<br />

1964–1965 Jean Duvieusart<br />

1965–1966 Victor Leemans<br />

1966–1969 Alain Poher<br />

1969–1971 Mario Scelba<br />

1971–1973 Walter Behrendt<br />

1973–1975 Cornelis Berkhouwer<br />

1975–1977 Georges Spénale<br />

1977–1979 Emilio Colombo<br />

Europäisches Parlament seit der Direktwahl:<br />

1979–1982 Simone Veil<br />

1982–1984 Pieter Dankert<br />

1984–1987 Pierre Pflimlin<br />

1987–1989 Lord Henry Plumb<br />

1989–1992 Enrique Barón Crespo<br />

1992–1994 Egon Klepsch<br />

1994–1997 Klaus Hänsch<br />

1997– 1999<br />

José María Gil-Robles<br />

1999–2002<br />

Nicole Fontaine<br />

2002–2004 Pat Cox<br />

seit 2004 Josep Borrell Fontelles<br />

men beschließen, ohne das Parlament in irgendeiner<br />

Form zu beteiligen.<br />

Trotz vielfältiger Bemühungen hat das EP weiterhin<br />

Probleme, seine Stellung im institutionellen Gefüge<br />

der EU, seine Funktion, Aufgaben und Arbeitsweise<br />

dem Bürger zu vermitteln, der sich vielmehr einem<br />

immer komplizierteren Vertragswerk gegenübergestellt<br />

sieht. Es ist noch viel zu wenig in das Bewusstsein<br />

des Bürgers gedrungen, dass das EP durchaus<br />

bereitsFunktionendes„Mitgestalters“wahrnimmt.<br />

U. M.<br />

Anschriften:<br />

Allée du Printemps, B.P. 1024/F, F–67070 Strasbourg Cedex;<br />

Rue Wirtz, B–1047 Bruxelles; Plateau du Kirchberg,<br />

B.P. 1601, L–2929 Luxemburg<br />

Internet: http://www.europarl.eu.int<br />

Literatur:<br />

Corbett, R./ Jacobs, F./ Shackleton, M.: The European<br />

Parliament. London 2000 4<br />

Maurer, A./Wessels, W.: Das Europäische Parlament nach<br />

Amsterdam und Nizza. Akteur, Arena und Alibi.<br />

Baden-Baden 2002<br />

Schmuck, O.: Das Europäische Parlament: Vom Gesprächsforum<br />

zum Mitgestalter europäischer Politik. Bonn 1989<br />

Wessels, W.: Das politische System der EU. In: W. Weidenfeld<br />

(Hg.), Europahandbuch, Bd. 1, Gütersloh 2004, S. 83 – 108<br />

Präsidenten des Europäischen Parlaments<br />

Gemeinsame Versammlung der EGKS:<br />

1952–1954 Paul-Henri Spaak<br />

Belgien<br />

1954 Alcide de Gasperi<br />

Italien<br />

1954–1956 Giuseppe Pella<br />

Italien<br />

1956–1958 Hans Furler<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

Frankreich<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

Italien<br />

Belgien<br />

Belgien<br />

Frankreich<br />

Italien<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

Niederlande<br />

Frankreich<br />

Italien<br />

Frankreich<br />

Niederlande<br />

Frankreich<br />

Großbritannien<br />

Spanien<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

Spanien<br />

Frankreich<br />

Irland<br />

Spanien


Europäisches Parteienstatut �Regelungen für<br />

die politischen Parteien auf europäischer Ebene<br />

EuropäischesPatentamt(EPA)<br />

1. Begriffserklärung und Entstehung<br />

1.1 Beschreibung: Das EPA ist das Exekutivorgan<br />

der Europäischen Patentorganisation, deren Mitglieder<br />

die Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens<br />

sind. Seine Hauptaufgabe besteht<br />

in der Erteilung europäischer Patente in einem einheitlichen,<br />

zentralisierten Verfahren. Die europäischen<br />

Patente sollen in jedem der Vertragsstaaten,<br />

für die sie erteilt werden, dieselbe Wirkung haben<br />

und denselben Bedingungen unterliegen wie ein in<br />

dem entsprechenden Staat erteiltes nationales Patent.<br />

Das europäische Patent hat eine Laufzeit von 20<br />

Jahren. Bis zur Erteilung eines Patents vergehen im<br />

Durchschnitt knapp vier Jahre. Das Verfahren<br />

schreibt die Einhaltung bestimmter Fristen vor, die<br />

der Verständigung zwischen Anmelder und Amt dienen.<br />

1.2 Entstehung: Rechtsgrundlage für das Europäische<br />

Patentamt bildet das am 5. 10. 1973 in München<br />

unterzeichnete Europäische Patentübereinkommen.<br />

Es ist mit dem Vertrag über die internationale Zusammenarbeit<br />

auf dem Gebiet des Patentwesens<br />

(PCT) verknüpft, der in über 100 Ländern ein einheitliches,<br />

vereinfachtes Patentanmeldeverfahren<br />

bietet. Im November 2000 fand in München eine<br />

Konferenz der Vertragsstaaten zur Revision des Europäischen<br />

Patentübereinkommens (EPÜ) statt. Die<br />

Revision soll die Handlungsfähigkeit auch nach der<br />

�Osterweiterung der EU sicherstellen, aber auch der<br />

Entwicklung von Recht und Technik in den letzten<br />

30 Jahren Rechnung tragen. Die Ratifikation ist noch<br />

nicht abgeschlossen (April 2005). Das EPÜ tritt voraussichtlich<br />

2006/7 in Kraft.<br />

1.3 Patentierung: Patentierung bedeutet Erfindungsschutz.<br />

Das Patent ist ein Rechtstitel, der dem<br />

PatentinhaberdasausschließlicheRechtverleiht,die<br />

patentierte Erfindung auf einem bestimmten räumlichen<br />

Gebiet für eine befristete Zeit zu nutzen, indem<br />

er andere u. a. von der Herstellung, dem Verkauf und<br />

dem Gebrauch dieser Erfindung ohne seine Zustimmung<br />

ausschließen kann. Voraussetzungen für eine<br />

PatentierbarkeitnachdemEuropäischenPatentübereinkommen<br />

sind:<br />

a)Neuheit(eineErfindunggiltalsneu,wennsienicht<br />

zum Stand der Technik gehört),<br />

Europäisches Patentamt<br />

b) erfinderische Tätigkeit (eine Erfindung gilt als auf<br />

einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie<br />

sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise<br />

aus dem Stand der Technik ergibt),<br />

c) gewerbliche Anwendbarkeit.<br />

Aus einer Patentierung erwächst auch die Pflicht der<br />

vollständigen, öffentlich einsehbaren Dokumentation<br />

des Patentgegenstands. Etwa 80 % alles weltweit<br />

vorhandenen technischen Wissens kann in Patentdokumenten<br />

gefunden werden. Die Kosten für ein<br />

durchschnittliches Europäisches Patent (z. B. gültig<br />

in acht Staaten, Wirkung nach vier Jahren) betragen<br />

ca. 5 000 Euro.<br />

2. Gegenstandsbeschreibung<br />

2.1 Strukturdaten: Das EPA hat seinen Sitz in MünchensowieeineZweigstelleinDenHaagundDienststellen<br />

in Berlin und Wien. Seit 2003 unterhält es ein<br />

Verbindungsbüro zu den EU-Institutionen in Brüssel.<br />

Gegenwärtig sind der Europäischen Patentorganisation<br />

31 Staaten angeschlossen. Zu den Mitgliedstaaten<br />

gehören: Belgien, Deutschland, Dänemark,<br />

Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien,<br />

Liechtenstein, Luxemburg, Monaco, die Niederlande,<br />

Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, die<br />

Schweiz, das Vereinigte Königreich und Zypern.<br />

Der Mitgliederbestand erweiterte sich 2002/3 um<br />

Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Litauen,<br />

Ungarn, Polen, Rumänien, Slowenien, die<br />

Slowakei und Island. Die Türkei wurde 2000 Mitglied,<br />

ebenso Lettland. Mit Malta und Norwegen<br />

wurden Beitrittsverfahren aufgenommen. Das Übereinkommen<br />

steht allen europäischen Staaten zur Ratifizierung<br />

und zum Beitritt offen. Bilateral abgeschlossene<br />

Abkommen ermöglichen es dem Antragsteller,<br />

den Geltungsbereich von Patenten auch auf<br />

Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien,<br />

Lettland, Mazedonien, Serbien und Montenegro zu<br />

erweitern.<br />

Der Gesamtpersonalbestand (2005) des Patentamts<br />

beträgt etwa 5 920; davon arbeiten ca. 3 100 in München,<br />

2 700 in Den Haag, 270 in Berlin und die übrigen<br />

– etwa 100 – in Wien. Was die nationale Zusammensetzung<br />

der Mitarbeiter betrifft, so nimmt<br />

Deutschland mit etwa einem Viertel eine führende<br />

Stellung ein, gefolgt von Frankreich (17 %), den Niederlanden<br />

(11 %) und dem Vereinigten Königreich<br />

(ca. 9 %). Das EPA ist finanziell autonom – im Wesentlichen<br />

durch Einnahmen aus Gebühren der Anmelder<br />

und Patentinhaber, Jahres-, Beschwerdege-<br />

299


Europäisches Patentamt<br />

bühren–undträgtdiebeiderErfüllungseinerAufgaben<br />

anfallenden Ausgaben selbst.<br />

Im Jahr 2003 wurden etwa 160 000 Patentanmeldungen<br />

eingereicht. Es ist ein enormer Anstieg an Anmeldungen<br />

seit 1995 zu verzeichnen. 2003 wurden<br />

knapp 60 000 europäische Patente erteilt (+27 % gegenüber<br />

2002). Medizin- und elektrische Nachrichtentechnik<br />

stellen mit jeweils ca. 10 % die anmeldestärksten<br />

Bereiche dar. Der Haushalt des EPA für<br />

2004 hatte ein Volumen von gut 1,1 Mrd. Euro.<br />

2.2 Aufbau: Dem EPA steht ein Präsident vor. Der<br />

Verwaltungsrat ist das Legislativorgan der Europäischen<br />

Patentorganisation. Er setzt sich aus Vertretern<br />

der Vertragsstaaten zusammen und überwacht<br />

die Durchführung der dem EPA obliegenden Aufgaben.<br />

Der Verwaltungsrat tritt in der Regel zweimal<br />

jährlich zu einer Plenartagung zusammen. Daneben<br />

hat er mehrere Arbeitsgremien, darunter einen Haushalts-<br />

und Finanzausschuss, eine Arbeitsgruppe Statistik<br />

und eine Arbeitsgruppe Technische Information.<br />

Der Verwaltungsrat ist zur Änderung bestimmter<br />

Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens<br />

befugt und legt die Politik der Europäischen<br />

Patentorganisation fest. Er entscheidet über ihren<br />

Haushalt und kann den Präsidenten des Amts ermächtigen,<br />

mit anderen internationalen Organisationen<br />

oder Staaten Abkommen auszuhandeln und zu<br />

schließen. Das EPA gliedert sich in fünf Generaldirektionen:<br />

Recherche und Dokumentation; Prüfung<br />

und Einspruch; Beschwerden; Verwaltung; Recht<br />

und internationale Angelegenheiten.<br />

Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit Japan<br />

und den Vereinigten Staaten, zumal das EPA, das japanische<br />

Patentamt und das Patent- und Markenamt<br />

derVereinigtenStaatenüber90%derweltweitangemeldeten<br />

und angewandten Patentrechte verwalten.<br />

Seit1983unterhaltendiedreiPatentämtereineregelmäßige<br />

Zusammenarbeit, die auch Automatisierungs-<br />

und gemeinsame Datenbank-Projekte mit<br />

einschließt. Die Kooperation des EPA erstreckt sich<br />

darüber hinaus auf fast alle Regionen der Welt:<br />

Asien,Lateinamerika,Afrika,GUS,MOE-Staaten.<br />

Mit der Einführung des europäischen Patentsystems<br />

sind immer mehr Unternehmen dazu übergegangen,<br />

Innovationsschutz durch Patente als Wettbewerbsfaktor<br />

in ihre Firmenstrategie einzubeziehen. Besonders<br />

mit der Einführung des Europäischen �Binnenmarktes<br />

gewinnen die wirtschaftlichen Argumente<br />

für den Patentschutz an Bedeutung. Zu den offen-<br />

300<br />

sichtlichen Vorteilen für Patentanmelder gehören<br />

ein reduzierter Zeit- und Kostenaufwand, die Einheitlichkeit<br />

der Patentfassung für eine Vielzahl von<br />

Vertragsdaten, die Erleichterung der Durchsetzung<br />

der Patentrechte sowie die allgemeine internationale<br />

Anerkennung des europäischen Patents. Auch die<br />

Vertragsstaaten haben deutliche Vorteile, indem<br />

Doppelarbeit vermieden und über eine intensive Zusammenarbeit<br />

auf dem Gebiet der PatentdokumentationeineguteAllgemeinübersichtgeschaffenwird.<br />

Betrachtet man die Anzahl der erteilten Patente nach<br />

Ursprungsländern (2003), so fällt auf, dass mit<br />

22,38 % ein überproportional hoher Anteil an<br />

Deutschland ging, gefolgt von Frankreich (8,01 %),<br />

dem Vereinigten Königreich (4,47 %), der Schweiz<br />

(3,99 %), Italien (3,69 %) und den Niederlanden<br />

(2,89 %). Unter den Nicht-Mitgliedstaaten liegt die<br />

USA mit 25,15 % erteilter europäischer Patente an<br />

der Spitze, gefolgt von Japan mit 17,15 %.<br />

3. Bewertung: Die Integrationsleistung des europäischen<br />

Patentsystems ist unbestritten. Dies gilt sowohl<br />

im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines<br />

gemeinsamen Binnen- und Technologiemarktes in<br />

Europa als auch für die Schaffung von attraktiven<br />

und kostengünstigen Marktpositionen. Mit der zunehmenden<br />

Hinwendung zu neuen ausländischen<br />

Absatzmärkten wird das europäische Patent sowohl<br />

bei der Wahl der Marktstrategie als auch als Schutzinstrument<br />

gegen unerlaubte Imitation als bedeutender<br />

Wettbewerbsfaktor geschätzt. Mit dem europäischen<br />

Patentsystem wurde der europäischen WirtschafteinwirkungsvollesInstrumentandieHandgegeben.<br />

Angesichts der mit der Vollendung des Binnenmarktes<br />

verbundenen Wettbewerbsverstärkung<br />

wird dieses Instrument, durch das �Gemeinschaftspatent<br />

bereichert, noch an Bedeutung zunehmen.<br />

GleichzeitigwerdeninZukunftneueAnforderungen<br />

andiesesSystemundseineBenutzergestelltwerden.<br />

Den Patentämtern wird verstärkt die Aufgabe zufallen,<br />

den europäischen Unternehmen informierend<br />

und beratend zur Seite zu stehen. Die Bereiche Gentechnik<br />

und die aktuelle Debatte um europäische<br />

Softwarepatente zeigen, dass das EPA auch Themen<br />

mit weitreichenden normativen Implikationen und<br />

enormer gesellschaftlicher und politischer Sprengkraftbehandelt.<br />

Ch. R.<br />

Literatur:<br />

Europäisches Patentamt (Hg.): European Patents.<br />

München 2004


Dass. (Hg.): Das europäische Patentamt. München 2004<br />

Dass. (Hg.): Jahresbericht 2003. München 2004<br />

Dass. (Hg.): Fakten und Zahlen. München 2004<br />

Dass. (Hg.): Patente und Wirtschaft. München 1991<br />

Europäische Patentorganisation. In: Jahrbuch der Europäischen<br />

Gemeinschaften, 12. Ausgabe 1992 (Edition DELTA)<br />

Internet: http://www.european-patent-office.org<br />

Europäisches Polizeiamt �Europol<br />

Europäisches Privatrecht �Privatrecht<br />

Europäisches Rahmengesetz sollen nach dem<br />

�Verfassungsvertrag 2004 (Art. I-33) jene �Rechtsakte<br />

der EU heißen, die im EG-Vertrag (Art. 249) als<br />

Richtlinien bezeichnet sind. Europäische Gesetze<br />

und Rahmengesetze bilden danach das ordentliche<br />

Gesetzgebungsverfahren gem. Art. III-396 VVE,<br />

das weitgehend dem Gesetzgebungsverfahren gem.<br />

Art. 251 EGV entspricht.<br />

Europäisches Raumentwicklungskonzept<br />

(EUREK). Auf dem informellen Treffen der für<br />

Raumordnung zuständigen Ministerinnen und Minister<br />

der Mitgliedstaaten gemeinsam mit dem für<br />

Regionalpolitik zuständigen Mitglied der Kommission<br />

am 10./11. 5. 1999 in Potsdam verabschiedetes<br />

Konzept. Es soll den verschiedenen Politikbereichen<br />

der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten einschl.<br />

ihrer Regionen und lokalen Gebietskörperschaften<br />

einen Orientierungsrahmen bieten für Entscheidungen<br />

mit räumlichen Auswirkungen. Dabei sollen<br />

grundlegende Ziele der Gemeinschaftspolitik, nämlich–StärkungdeswirtschaftlichenundsozialenZusammenhalts,<br />

– Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen im<br />

Binnenmarkt,<br />

– nachhaltige Entwicklung zur Erhaltung der natürlichen<br />

Lebensgrundlagen und<br />

– Erhaltung des kulturellen Erbes<br />

miteinander in Einklang gebracht werden. Mit dem<br />

Raumentwicklungskonzept werden keine neuen<br />

Kompetenzen auf EU-Ebene begründet, vielmehr<br />

soll die Zusammenarbeit aller Beteiligten über die<br />

Grenzen hinweg und unter Wahrung des �Subsidiaritätsprinzips<br />

gefördert und unterstützt werden.<br />

Raumentwicklung wird als Prozess verstanden, in<br />

dem bei Entscheidungen für öffentliche und private<br />

Investitionen bereits in frühem Stadium alle räumli-<br />

Europäisches System der Zentralbanken<br />

chen Gegebenheiten und möglichen Auswirkungen<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

Am 3. Juni 2003 hat die Kommission ein ForschungsnetzwerkzurBeobachtungdereuropäischen<br />

Raumentwicklung (ESPON, European Spatial Planning<br />

Observation Network) eingesetzt, zunächst bis<br />

2006 befristet. �Strukturpolitik Ziff. 4<br />

Europäisches System der Zentralbanken<br />

(ESZB)<br />

1. Allgemeines: Das ESZB ist ein zweistufiges Zentralbankensystem,<br />

das den institutionellen Rahmen<br />

für weite Bereiche der Währungspolitik der Europäischen<br />

Gemeinschaft – insbes. der Geldpolitik der<br />

einheitlichen Währung – bildet. Es besteht aus der<br />

�Europäischen Zentralbank (EZB) und den Nationalen<br />

�Zentralbanken der Mitgliedstaaten (NZBen).<br />

Das ESZB selbst hat im Gegensatz zu seinen Bestandteilen<br />

keine Rechtspersönlichkeit. Es ist dennoch<br />

Adressat der gemeinschaftsrechtlichen Zielverpflichtungen<br />

und Aufgabenzuweisungen nach<br />

der europäischen Währungsordnung. Struktur, Ziele<br />

und Aufgaben des sowie die Kompetenzverteilung<br />

im ESZB sind im Vertrag zur Gründung der Europäischen<br />

Gemeinschaft festgelegt (Art. 4, Art. 8,<br />

Art. 105 – 113 EGV) und werden im Protokoll über<br />

die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken<br />

und der Europäischen Zentralbank (ESZB-<br />

Satzung) konkretisiert.<br />

Die Schaffung eines Europäischen Systems der Zentralbanken<br />

(ESZB) – sowie einer Europäischen Zentralbank<br />

(EZB) – gehört aus der Perspektive des<br />

Maastrichter Vertrags nach Art. 8 EGV zu den institutionellen<br />

Grundsätzen der Europäischen Gemeinschaft.<br />

Unmittelbar nach der Ernennung des ersten<br />

EZB-Direktoriums zum 1. 6. 1998 wurden das ESZB<br />

und die EZB errichtet. Die Zuständigkeiten in der<br />

Geldpolitik und in der Wechselkurspolitik sind<br />

grundsätzlich mit Beginn der dritten Stufe der Währungsunion<br />

– dem 1. 1. 1999 – von den Teilnehmerstaaten<br />

auf die Bestandteile des ESZB übergegangen.<br />

2. Struktur: EZB und NZBen bilden zusammen das<br />

ESZB (Art. 107 Abs. 1 EGV, Art. 1.2 S. 1 ESZB-<br />

Satzung). Die NZBen sind zwar „integrale BestandteiledesESZB“(Art.14.3S.1ESZB-Satzung),wahren<br />

aber ihre Eigenständigkeit. Vor allem besitzen<br />

die NZBen – neben der EZB – nach innerstaatlichem<br />

Recht Rechtspersönlichkeit (vgl. § 2 S. 1 BBankG).<br />

301


Europäisches System der Zentralbanken<br />

Das ESZB kann daher grundsätzlich selbst nicht<br />

rechtsfähig sein. Es ist – wie sein Name zum Ausdruck<br />

bringt – ein „System der Zentralbanken“, nicht<br />

das System einer Zentralbank. Die besondere Struktur<br />

des ESZB liegt darin begründet, dass einerseits<br />

eine einheitliche Währung eine zentrale geldpolitische<br />

Institution erforderlich macht, andererseits die<br />

VertragsstaatenvonMaastrichtdieEigenständigkeit<br />

ihrernationalenZentralbankengewahrtwissenwollten.<br />

Hierin besteht auch ein grundlegender Unterschied<br />

zur Deutschen Bundesbank vor der Währungsunion,<br />

die aber in ihrer Unabhängigkeit und<br />

Stabilitätsverpflichtung das maßgebliche Vorbild<br />

für die europäische Währungsordnung war.<br />

Das ESZB wird von den Beschlussorganen der EZB<br />

– dem EZB-Rat und dem Direktorium der EZB – geleitet<br />

(Art. 107 Abs. 3 EGV; Art. 8 ESZB-Satzung).<br />

Die Entscheidungsgewalt des Systems ist demnach<br />

zentralisiert. Eine nicht unerhebliche Rolle in der internen<br />

Organisationsstruktur der EZB spielen im<br />

Übrigen die ESZB-Ausschüsse (�Ausschüsse des<br />

ESZB), die sich regelmäßig aus weisungsgebundenen<br />

Vertretern der EZB und der teilnehmenden<br />

NZBen zusammensetzen.<br />

3. Aufgaben: Dem ESZB kommt die grundlegende<br />

Aufgabe zu, die Geldpolitik der Gemeinschaft im<br />

Euro-Währungsgebiet festzulegen und auszuführen.<br />

Weitere gemeinschaftsrechtlich zugewiesene Aufgaben<br />

betreffen die Durchführung von Devisengeschäften<br />

im Rahmen der Wechselkurspolitik, die<br />

Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der<br />

Mitgliedstaaten und die Förderung der Zahlungssysteme<br />

(Art. 105 Abs. 2 EGV, Art. 3.1 ESZB-Satzung).<br />

Des Weiteren trägt das ESZB zur Bankenaufsicht bei<br />

(Art. 105 Abs. 5 EGV, Art. 3.3 ESZB-Satzung). Die<br />

währungspolitischen Aufgaben sind dem ESZB aber<br />

nicht abschließend zugewiesen. Im Rahmen der<br />

�Wechselkurspolitik nimmt der Rat nach Art.<br />

111 EGV wichtige Aufgaben wahr. Darüber hinaus<br />

gibt es herkömmliche Zentralbankaufgaben, mit denen<br />

weder das ESZB noch eine andere Gemeinschaftsinstitution<br />

betraut sind. Die NZBen können<br />

daher grundsätzlich neben den satzungsmäßigen<br />

Aufgaben noch weitere – außerhalb des ESZB –<br />

wahrnehmen. Der EZB-Rat kann jedoch mit Zweidrittelmehrheit<br />

solchen Tätigkeiten widersprechen,<br />

wennsieZieleundAufgabendesESZBgefährden.<br />

Im Übrigen gewährleisten EZB und NZBen auch die<br />

Versorgung mit Geldzeichen im Euro-Währungs-<br />

302<br />

gebiet, wobei ausschließlich die EZB die Ausgabe<br />

von Banknoten genehmigt.<br />

4. Kompetenzen: Ohne eigene Rechtspersönlichkeit<br />

kann das ESZB keine Kompetenzen innehaben.<br />

Kompetenzträger im System sind daher die rechtsfähigen<br />

Zentralbanken, die allein die Aufgaben des<br />

Systems erfüllen können. Die Letztverantwortung<br />

für die Aufgabenerfüllung trifft nach Art. 9.2 ESZB-<br />

Satzung die EZB. Mit dieser Verpflichtung korrespondiert<br />

die Kompetenz der EZB, Innenrecht gegenüber<br />

den NZBen zu setzen. Die gemeinschaftliche<br />

EZB ist gegenüber den NZBen als mitgliedstaatlichen<br />

Institutionen weisungsbefugt. Die EZB hat es<br />

demnach in der Hand, die NZBen innerhalb des Systems<br />

zu lenken und ihr Handeln zu koordinieren. Das<br />

Weisungsrecht der EZB besteht aber nicht uneingeschränkt.<br />

Zum einen besteht es nur für die systeminternen<br />

Aufgaben. Zum anderen ist die EZB verpflichtet,<br />

die NZBen mit Exekutivaufgaben zu betrauen,<br />

wenn dies zweckmäßig ist. Es besteht aber<br />

auch ein Kernbereich an Aufgaben – wie die Festlegung<br />

der Geldpolitik –, der allein der EZB zugewiesen<br />

ist. Ebenso hat die EZB die Kompetenz zur Außenrechtsetzung<br />

inne. Die EZB ist demnach der zentrale<br />

Kompetenzträger, um die systeminternen Aufgaben<br />

zu erfüllen, wie es auch der leitenden Stellung<br />

ihrer Beschlussorgane entspricht. Die NZBen nehmen<br />

insofern eine weisungsabhängige Kompetenzstellung<br />

ein. Das Kompetenzverhältnis zwischen<br />

EZB und den NZBen wird jedoch durch die Ausgestaltung<br />

der Kompetenzen und Besetzung der<br />

EZB-Organe relativiert. Die NZB-Präsidenten dominieren<br />

zahlenmäßig den EZB-Rat, der als Rechtsetzungsorgan<br />

der EZB das zentrale Beschlussorgan<br />

der Währungsunion bildet. Die NZBen nehmen somitüberihrePräsidentensowieüberihreMitarbeitin<br />

den ESZB-Ausschüssen wiederum Einfluss auf die<br />

weisungsbefugte EZB. An der Entscheidungsfindung<br />

der notwendig einheitlichen Geldpolitik, die in<br />

der zentralen Einrichtung stattfindet, wirken föderative<br />

Kräfte mit. In diesem Sinn kann das ESZB auch<br />

als zweistufiges Zentralbankensystem bezeichnet<br />

werden.<br />

5. Ziele: Nach dem Grundsatz des Art. 4 Abs. 2 EGV<br />

unterliegt die Geld- und Wechselkurspolitik dem<br />

Primat der Preisstabilität (vgl. auch Art. 4<br />

Abs. 3 EGV). Dementsprechend ist das ESZB ausdrücklich<br />

auf das vorrangige Ziel der Preisstabilität<br />

verpflichtet, um die Kaufkraft des Euro zu gewähr-


leisten. Andere wirtschafts- und währungspolitische<br />

ZieledarfdasESZBnurunterstützen,soweitdasZiel<br />

der Preisstabilität dadurch nicht beeinträchtigt wird.<br />

Erst nachrangig soll das ESZB die allgemeine WirtschaftspolitikinderGemeinschaftunterstützen(vgl.Art.105Abs.1EGV,Art.2ESZB-Satzung).DasPrimatderPreisstabilitätwirddadurchebensowenigrelativiert<br />

wie durch den Grundsatz einer offenen<br />

Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, dem das<br />

ESZB ausdrücklich unterliegt. Das Ziel stabilen Geldes<br />

ist damit der bestimmende Auslegungs- und<br />

Handlungsmaßstab in der europäischen Währungsordnung.<br />

Die Vertragsstaaten von Maastricht haben<br />

der wirtschaftspolitischen Überzeugung rechtlichen<br />

Gehalt verliehen, dass stabile Preise Grundvoraussetzung<br />

eines dauerhaften Wirtschaftswachstums<br />

sind. Darüber hinaus wird der Bürger den �Euro als<br />

handgreiflichemSymbolEuropasnurdannakzeptieren,<br />

wenn die einheitliche Währung stabil ist. Die<br />

Verpflichtung der Geldpolitik auf das Primat der<br />

Preisstabilität ist damit auch ein Gebot der europäischen<br />

Integration.<br />

Beim Terminus der Preisstabilität handelt es sich um<br />

einen absoluten Rechtsbegriff. Er ist zwar unbestimmt<br />

und damit selbst der Auslegung zugänglich.<br />

Er unterliegt aber nicht der Definitionsmacht des<br />

ESZB oder seiner Bestandteile. Preisstabilität ist gegeben,<br />

wenn die Volkswirtschaft – der Euro-Währungsraum<br />

– frei von negativen Inflations- und Deflationswirkungenist.DiegegenwärtigeZielsetzung<br />

der EZB, die Inflationsrate unter 2 v. H. zu halten,<br />

entspricht diesen rechtlichen Vorgaben.<br />

Der eindeutige Stabilitätsauftrag an das ESZB begründet<br />

eine außerordentliche Verantwortung seiner<br />

Bestandteile für die innere Stabilität der einheitlichen<br />

Währung. Er kann aber nur erfüllt werden,<br />

wenndieGeldpolitikdurcheinestabilitätsorientierte<br />

Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten unterstützt<br />

wird, die nach der Konzeption der Europäischen<br />

�Wirtschafts-undWährungsunion(EWWU)insbes.<br />

mittels des Haushaltüberwachungsverfahrens nach<br />

Art. 104 EGV in der Ausgestaltung des �Stabilitätsund<br />

Wachstumspakts sichergestellt werden soll.<br />

6. Unabhängigkeit: Die Zielsetzung stabiler Preise<br />

istmitdemOrganisationsprinzipderZentralbankunabhängigkeit<br />

eng verknüpft. Eine Zentralbank kann<br />

das Ziel der Preisstabilität am besten erfüllen, wenn<br />

sie von einer möglichen politischen Einflussnahme<br />

abgeschirmt ist, die auf eine Manipulation der Wäh-<br />

Europäisches System der Zentralbanken<br />

rung zielen könnte. Zugleich ist die eingeschränkte<br />

demokratische Legitimation der unabhängigen Zentralbank<br />

nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Geldpolitik<br />

dem Primat der Preisstabilität unterwirft.<br />

Dementsprechend ist die – institutionelle, funktionelle,<br />

finanzielle und personelle – Unabhängigkeit<br />

des ESZB in der europäischen Währungsordnung<br />

durch zahlreiche Einzelvorschriften abgesichert, die<br />

der asymmetrischen Grundstruktur der EWWU<br />

Rechnungtragen.IhrenspezifischstenAusdruckfindet<br />

sie in Art. 108 EGV. Die Bestimmung enthält<br />

zwei zu differenzierende Weisungs- und Beeinflussungsverbote<br />

gegenüber den Zentralbanken der<br />

Währungsunion und den Mitgliedern ihrer Beschlussorgane<br />

einerseits sowie gegenüber den Gemeinschaftseinrichtungen<br />

und den Regierungen der<br />

Mitgliedstaaten andererseits.<br />

Besondere Bedeutung für die Unabhängigkeit des<br />

ESZB hat darüber hinaus, dass die EZB Rechtspersönlichkeit<br />

besitzt, als juristische Person eigene Organe<br />

hat, finanziell eigenständig ist, über die erforderlichen<br />

währungspolitischen Kompetenzen verfügt<br />

und die Mitglieder ihrer Beschlussorgane in ihrer<br />

persönlichen Stellung abgesichert sind. Desgleichen<br />

müssen auch die NZBen aufgrund einer ausdrücklichen<br />

Verpflichtung der Mitgliedstaaten den<br />

Anforderungen an eine unabhängige Zentralbank<br />

entsprechen (Art. 109 EGV, Art. 14 ESZB-Satzung).<br />

Diese Unabhängigkeit des ESZB ist primärrechtlich<br />

garantiert und kann daher nur im Rahmen einer Vertragsänderung<br />

nach Art. 48 EUV modifiziert werden.<br />

Das Primat der Preisstabilität und die Zentralbankunabhängigkeit<br />

gehörten zu den unabdingbaren Positionen<br />

Deutschlands in den Verhandlungen zum<br />

Vertrag von Maastricht. Beide Elemente sind nach<br />

Art.88S.2GGverfassungsrechtlicheVoraussetzungen<br />

für die gemeinschaftliche Wahrnehmung der<br />

währungspolitischen Kompetenzen, wie das Bundesverfassungsgericht<br />

in seiner Maastricht-Entscheidung<br />

(�Maastricht-Urteil) feststellt.<br />

7. Kontrolle: Die Demokratie als Staats- und RegierungsformunddieZentralbankunabhängigkeitberuhen<br />

auf gegenläufigen Organisationsprinzipien. Die<br />

Entscheidung für ein unabhängiges Zentralbankensystem<br />

schränkt daher die demokratische Legitimation<br />

der Geldpolitik ein. Die Modifikationen des Demokratieprinzips<br />

werden aber durch nachträgliche<br />

Kontrollen der Währungspolitik abgemildert. So ist<br />

303


Europäisches Umweltzeichen<br />

die EZB dem Europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig(Art.113Abs.3EGV).Ihrwährungspolitisches<br />

Handeln ist außerdem grundsätzlich<br />

justiziabel und kann durch den EuGH überprüft<br />

werden. Schließlich kontrolliert der Rechnungshof<br />

die Effizienz der EZB-Verwaltung. Darüber hinaus<br />

ist das ESZB in ein wirtschaftspolitisches Koordinationsgeflecht<br />

eingebettet. Der Ratspräsident und ein<br />

Mitglied der Kommission können an Sitzungen des<br />

EZB-Rates ohne Stimmrecht teilnehmen (Art. 113<br />

Abs. 1 EGV). Die EZB entsendet wiederum Mitglieder<br />

in den �Wirtschafts- und Finanzausschuss<br />

(Art. 114 Abs. 2 EGV).<br />

8. Zentralbanken der Nichtteilnehmerstaaten: Die<br />

Zentralbanken der Nichtteilnehmerstaaten gehören<br />

zwar formal zum ESZB. Diese Mitgliedstaaten haben<br />

aber ihre währungspolitischen Kompetenzen<br />

nicht zur gemeinschaftlichen Wahrnehmung im<br />

ESZB übertragen. Für die Nichtteilnehmerstaaten<br />

und ihre Zentralbanken bestehen daher nach<br />

Art.122EGV,Art.43ESZB-Satzunggrundsätzliche<br />

Ausnahmeregelungen, die sowohl die hoheitliche<br />

Organisationsstruktur des ESZB als auch die Kapitalstruktur<br />

der EZB betreffen. Die Zentralbanken<br />

sind insbes. nicht von der EZB weisungsabhängig<br />

und keine integralen Bestandteile des Systems im<br />

Sinne des Art. 14.3 ESZB-Satzung. Die Präsidenten<br />

dieser Zentralbanken gehören nicht dem EZB-Rat,<br />

sondern nur dem erweiterten Rat der EZB gem.<br />

Art. 45 ESZB-Satzung an, der lediglich beratende<br />

und koordinierende Funktionen hat. Die währungspolitische<br />

Organisationsstruktur ist demnach im<br />

Grunde nicht auf das ESZB, sondern auf seine integralen<br />

Bestandteile ausgerichtet, ohne dass dies in<br />

der Terminologie der europäischen Währungsordnung<br />

seinen Niederschlag gefunden hätte. Die gewählte<br />

Konstruktion soll das Modell verschiedener<br />

Geschwindigkeiten verdecken, das der EWWU zugrunde<br />

liegt, und bringt das Ziel einer einheitlichen<br />

Integration zum Ausdruck. Den Bedürfnissen der<br />

Rechtspraxisentsprichtsieindesnicht.DerEZB-Rat<br />

hat daher den Begriff des �„Eurosystems“ eingeführt,<br />

um die integralen Bestandteile des ESZB zu<br />

bezeichnen. U. P.<br />

Literatur:<br />

Häde, U.: Die Deutsche Bundesbank in der Europäischen<br />

Währungsunion. In: Hahn (Hg.), Die Europäische Währung.<br />

Baden-Baden 1999, S. 103<br />

Hahn, H. J.: Der Vertrag von Maastricht als völkerrechtliche<br />

Übereinkunft und Verfassung. Baden-Baden 1992<br />

304<br />

Palm, U.: Preisstabilität in der Europäischen Wirtschafts- und<br />

Währungsunion. 2000<br />

Ders.: Kommentierung zu Art. 8 EGV. In: Grabitz/Hilf (Hg.),<br />

Das Recht der Europäischen Union. 24. ErgL..<br />

München September 2004<br />

Seiler, Chr.: Das Europäische System der Zentralbanken<br />

(ESZB) als Verantwortungsverbund: systemgebundene Aufgabenerfüllung<br />

durch eigenständige Kompetenzträger.<br />

EuR 2004, S. 52<br />

Smits, R.: The European Central Bank. Den Hague 1997<br />

Stadler, R.: Der rechtliche Handlungsspielraum des Europäischen<br />

Systems der Zentralbanken. Baden-Baden 1996<br />

Weber, M.: Die Kompetenzverteilung im Europäischen System<br />

der Zentralbanken bei der Festlegung und Durchführung der<br />

Geldpolitik. München 1995<br />

Zilioli, Ch. / Selmayr, M.: The Law of the European Central<br />

Bank. Oxford 2001<br />

Internet: http://www.ecb.int<br />

http://www.bundesbank.de<br />

Europäisches Umweltzeichen (Eco-Label). Signet<br />

in Form einer Blume mit einem grünen „E“ in der<br />

Mitte einer aus blauem Sternenkranz gebildeten Blüte<br />

(„Gänseblümchen“). Das gemeinschaftliche System<br />

zur Vergabe eines Umweltzeichens wurde 1992<br />

eingeführt und 2000 revidiert (Verordnung 1980/<br />

2000, ABl. L 237/2000). Das Umweltzeichen soll es<br />

Verbrauchern im Binnenmarkt erleichtern, umweltfreundliche<br />

Produkte (außer Lebensmitteln, Getränken,<br />

Arzneimitteln und Medizinprodukten) und<br />

Dienstleistungen auszuwählen. Derzeit gibt es über<br />

20 verschiedene Produktgruppen (z. B. aus den Bereichen<br />

Heimwerkerbedarf, Haushaltsgeräte, Reinigungsmittel,<br />

Büromaterial) und zwei Dienstleistungsbereiche<br />

(Beherbergungsbetriebe, Campingplätze),<br />

für die Lizenzen erteilt werden können.<br />

Lizenzen können Produkte erhalten, die bestimmte,<br />

vonderKommissionfestgesetzteKriterienüberUmweltfreundlichkeit<br />

(bei der Herstellung, dem Gebrauch<br />

und der Entsorgung) und Gebrauchstauglichkeit<br />

erfüllen. Das Zeichen wird vom Ausschuss für<br />

das Umweltzeichen der Europäischen Union (European<br />

Eco-labelling board, EUEB) verwaltet, dem<br />

Vertreter aus Industrie (UNICE), Handwerk (UE-<br />

APME), Umweltschutzvereinigungen (EUB), Gewerkschaften<br />

(EGB), Handel (EUROCOM-<br />

MERCE) und Verbraucherverbänden (COFACE)<br />

angehören. Der Ausschuss wurde durch Entscheidung<br />

der Kommission vom 10. 11. 2000 eingesetzt<br />

(ABl. L 293/2000).<br />

Europäisches Vergaberecht �Vergaberecht, E.


Europäisches Vertragsrecht �Vertragsrecht, E.<br />

Europäisches Währungsabkommen (EWA)<br />

vom 5. 8. 1955, löste am 27. 12. 1958 das Abkommen<br />

über die �Europäische Zahlungsunion ab. Das Abkommen<br />

wurde von den Mitgliedstaaten der OEEC<br />

(jetzt OECD) unterzeichnet und schuf den institutionellen<br />

Rahmen für die monetäre Zusammenarbeit<br />

der Staaten, deren Währungen voll konvertibel gewordenwaren.SeineAufgaben,denWaren-,Dienstleistungs-<br />

und Kapitalverkehr zu liberalisieren, hat<br />

das EWA nur ungenügend erfüllt. Es trat Ende 1978<br />

außer Kraft und wurde durch den Währungs- und Devisenausschuss<br />

der OECD ersetzt.<br />

Europäisches Währungsinstitut (EWI), zu Beginn<br />

der 2. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion<br />

am 1. 1. 1994 gem. Art. 109 f. des �Maastrichter<br />

Vertrags (117 EGV) geschaffene Institution zur<br />

Vorbereitung auf die 3. Stufe. Das EWI mit Sitz in<br />

Frankfurt a. M. hat den Aufbau der �Europäischen<br />

Zentralbank (EZB) und des �Europäischen Systems<br />

der Zentralbanken (ESZB) technisch und organisatorisch<br />

vorbereitet. Das EWI hat u. a. die Zusammenarbeit<br />

der nationalen Zentralbanken verstärkt, die<br />

Koordination der Geldpolitiken der Mitgliedstaaten<br />

gefördert, das �Europäische Währungssystem<br />

(EWS) überwacht, den �Zahlungsverkehr erleichtert,<br />

die Ausgabe des �Euro vorbereitet. Es hat die<br />

Aufgaben des Europäischen Fonds für währungspolitische<br />

Zusammenarbeit übernommen und fortgeführt,<br />

der mit Gründung des EWI aufgelöst wurde.<br />

Das EWI bestand bis zur Gründung der EZB am 1. 6.<br />

1998.<br />

Europäisches Währungssystem (EWS)<br />

1. Begriffserklärung: Das EWS war das wichtigste<br />

Instrument der währungspolitischen Zusammenarbeit<br />

in der EU und spielte eine bedeutende Rolle bei<br />

der Weiterentwicklung der EU zu einer �Wirtschafts-<br />

und Währungsunion (WWU). Das EWS<br />

sollte im Gemeinsamen Markt eine Zone der StabilitätmitmöglichstgeringenInflationsratenundrelativ<br />

stabilenWechselkursenschaffen.Fernersollteesdie<br />

ökonomische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten<br />

verbessern und die Auswirkungen von außen kommender<br />

(externer) Krisen, wie die immer wieder auftretenden<br />

übermäßigen Schwankungen z. B. des<br />

Dollarkurses, für die einzelnen Mitgliedsländer ab-<br />

Europäisches Währungssytem<br />

mildern. Kern des EWS war die Verpflichtung seiner<br />

Mitgliedstaaten, die Wechselkurse ihrer Währungen<br />

innerhalb begrenzter Schwankungsmargen zu halten.<br />

2. Entwicklung: Bereits in den �Römischen Verträgen,<br />

den Gründungsabkommen über die EWG und<br />

Euratom, hatten sich die Mitgliedstaaten 1957 dazu<br />

verpflichtet, ihre Wirtschaftspolitik einander anzunähern<br />

(Prinzip der �Konvergenz). Dazu legten sie<br />

als gemeinsame Ziele fest: harmonische Entwicklung<br />

des Wirtschaftslebens innerhalb der EWG, ausgewogenes<br />

Wirtschaftswachstum, möglichst hoher<br />

Beschäftigungsstand und stabile Preise.<br />

1970 wurde der erste Stufenplan für eine WWU ausgearbeitet<br />

(�Werner-Plan). Schon damals waren<br />

auch ein europäisches Notenbanksystem und eine<br />

einheitliche Währung vorgesehen. Am 10. 4. 1972<br />

schlossen die �Zentralbanken der EG-Staaten das<br />

Baseler Abkommen über einen Europäischen Währungsverbund<br />

(Europäischer Wechselkursverbund).<br />

Die Mitgliedstaaten verpflichteten sich, ihre WährungsschwankungeninengenBandbreitenzuhalten.<br />

Gemäß dieser Regelung durften die Wechselkurse<br />

zwischen den EG-Währungen nur noch um höchstens2,25Prozentnachobenodernachuntenvoneinander<br />

abweichen. Die Kurse bewegten sich innerhalb<br />

dieser Bandbreiten im Zeitverlauf gewissermaßen<br />

wie eine Schlange, und so wurde der Begriff von<br />

der „Europäischen Währungsschlange“ geboren.<br />

Das feste Wechselkursverhältnis galt für einige Mitgliedstaaten<br />

auch weiter, als ab März 1973 im Zuge<br />

der Dollarkrise die Kurse aller Mitgliedswährungen<br />

gegenüber dem US-Dollar freigegeben wurden, also<br />

„floaten“ konnten. Neue Impulse in den Bemühungen<br />

um eine engere wirtschafts- und währungspolitische<br />

Zusammenarbeit brachte die Gründung des<br />

EWS im Jahre 1979, deren politische Initiatoren der<br />

französische Staatspräsident Giscard d’Estaing und<br />

der deutsche Bundeskanzler Schmidt waren.<br />

3. Gegenstandsbeschreibung: Hauptelemente des<br />

EWS waren:<br />

a) der Wechselkurs- und Interventionsmechanismus,<br />

b) der Kreditmechanismus und<br />

c) die ECU.<br />

Das EWS war ein System fester, aber anpassungsfähiger<br />

Leitkurse der Währungen der Teilnehmerländer<br />

untereinander sowie zur Europäischen Währungseinheit<br />

(European Currency Unit, ECU). Die<br />

305


Europäisches Währungssytem<br />

Mitgliedsländerwarenverpflichtet,dieWechselkurse<br />

ihrer Währungen innerhalb einer Schwankungsbreite<br />

von 2,25 Prozent nach oben und unten zu halten.<br />

Nur für einige ökonomisch bzw. strukturell<br />

schwächere Länder galten vorübergehend Bandbreiten<br />

von 6 Prozent. Verantwortlich für die Einhaltung<br />

der Schwankungsgrenzen waren die nationalen Zentralbanken,<br />

die an den Devisenmärkten schwache<br />

Währungen kauften und starke Währungen verkauften<br />

(Interventionsmechanismus).<br />

Im Mittelpunkt des Systems stand die ECU. Sie war<br />

definiert als ein Korb, in dem alle EG-Währungen<br />

entsprechenddemwirtschaftlichenGewichtderMitgliedsländerenthaltensind.FürjedeWährungwurde<br />

ein ECU-Leitkurs festgelegt. Hieraus konnten dann<br />

die Leitkurse zwischen allen nationalen Währungen<br />

errechnetwerden.AusdiesenbilateralenLeitkursen,<br />

etwa zwischen der Deutschen Mark und dem Französischen<br />

Franc, konnte man jetzt exakt die erlaubte<br />

Abweichung zwischen bilateralem Leitkurs und<br />

Marktkurs von 2,25 Prozent nach beiden Seiten berechnen.<br />

Sobald zwischen zwei Währungen die obere oder untere<br />

Grenze (Interventionspunkt) erreicht war, mussten<br />

die beiden beteiligten nationalen Notenbanken<br />

das Überschreiten der Margen durch Interventionen<br />

am Devisenmarkt verhindern. Dabei verkaufte die<br />

Bank mit der starken Währung ihre eigene Währung<br />

gegen die schwache Partnerwährung, und die Bank<br />

der schwachen Währung nahm diese durch Abgabe<br />

der starken Partnerwährung aus dem Markt.<br />

Für die benötigten Interventionen räumten sich die<br />

beteiligten Notenbanken in unbegrenzter Höhe Kredite<br />

ein, die jedoch nach 45 Tagen, mit einer möglichen<br />

Verlängerung um drei Monate, abgerechnet<br />

werden mussten (Kreditmechanismus). Bilanziert<br />

und abgerechnet wurde über den Europäischen<br />

Fonds für währungspolitische Zusammenarbeit<br />

(EFWZ), der die Konten in ECU führte.<br />

Jede nationale Zentralbank konnte für den Ausgleich<br />

ihrerVerbindlichkeitenu.a.ihreECU-Beständeverwenden,<br />

die ihr beim EFWZ gegen Hinterlegung von<br />

20 Prozent ihrer Gold- und Dollarreserven gutgeschrieben<br />

wurden.<br />

Das EWS verfügte über weitere flexible Instrumente,<br />

um die Währungen stabil zu halten. So konnten<br />

den Mitgliedstaaten im Bedarfsfall innerhalb bestimmter<br />

Quoten kurzfristige Kredite und – außerhalbdesEWS–einmitwirtschaftspolitischenAufla<br />

306<br />

gen versehener mittelfristiger Beistand zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Ein Warnsystem sollte außerdem frühzeitiges Handeln<br />

garantieren. Schon wenn eine Währung 75 Prozent<br />

der erlaubten Kursabweichung gegenüber dem<br />

Durchschnitt aller anderen Währungen erreichte<br />

(Abweichungsindikator), wurde erwartet, dass das<br />

betreffende Land konkrete wirtschaftspolitische<br />

Maßnahmen ergreift. Auch konnten im gegenseitigen<br />

Einvernehmen Wechselkurse neu festgelegt<br />

werden (Paritätsänderungen).<br />

Auf dem Weg der EG-Staaten zu einer WWU spielte<br />

das EWS eine wichtige Rolle. In der Endstufe der<br />

WWU wurden die Wechselkurse der Währungen der<br />

Mitgliedsländer unwiderruflich festgelegt. Danach<br />

hat die europäische Einheitswährung �Euro die nationalen<br />

Währungen ersetzt. Das EWS hatte dann<br />

seine Funktion als Übergangslösung erfüllt. Bis dahin<br />

diente das System dazu, die Schwankungen der<br />

Wechselkurse schrittweise immer mehr zu verringern,<br />

die Angleichung der Wirtschaftspolitiken zu<br />

verstärken und möglichst alle Mitgliedstaaten an den<br />

Wechselkursverbund und dessen Disziplin zu gewöhnen.<br />

4. Das EWS als vorbereitender Schritt zu einer gemeinsamen<br />

Währungspolitik<br />

4.1 Währungspolitische Phasen des EWS:<br />

In der Genese des EWS lassen sich vier Hauptphasen<br />

unterscheiden:<br />

1979 – 1983: Die häufigen Wechselkursanpassungen<br />

(Neufestsetzungen) entwickelten sich von passiven<br />

Reaktionen auf Inflationsunterschiede zu Instrumenten<br />

der Inflationsbekämpfung.<br />

1984 – 1987: Inflation und Inflationsgefälle gingen<br />

stetig zurück; der währungspolitische Konsens kam<br />

zunehmend in konvergierenden wirtschaftlichen Ergebnissen<br />

zum Ausdruck. Die bessere Konvergenz<br />

und die Liberalisierung des Kapitalverkehrs führten<br />

1987 zum Übereinkommen von Basel/Nyborg, in<br />

dem eine ausgewogenere Erfüllung der Wechselkursverpflichtung<br />

durch alle EWS-Teilnehmer vereinbart<br />

wurde. Die Änderungen zielten darauf ab, die<br />

Koordinierung der Wirtschaftspolitik durch ÜberwachungverschiedenerwirtschaftlicherIndikatoren<br />

weiter zu fördern.<br />

1987 – 1992: Diese Phase ist zunächst dadurch gekennzeichnet,dassbeikaumverändertemInflationsgefälle<br />

das Zinsgefälle im kurzfristigen Bereich<br />

stark schrumpft, was für ein größeres Vertrauen der


Märkte in die Stabilität des Europäischen Währungssystems<br />

spricht.<br />

1992/1993: Mit der sich abzeichnenden Rezession<br />

zu Beginn der 1990er Jahre geriet das EWS in die<br />

Krise. Nach Turbulenzen im Sept. 1992 (Ausstieg<br />

Großbritanniens und Italiens) und im August 1993<br />

befindet sich das EWS in einer kritischen Phase.<br />

4.2 EWS-Krise 1992/93 und das schwierige Verhältnis<br />

europäischer und deutscher Währungspolitik:<br />

Deutschland vollzog seit Bestehen des EWS (1979)<br />

eine solide Finanzpolitik und begrenzte die Inflation<br />

erfolgreich. Die DM entwickelte sich zur Leit- und<br />

Ankerwährung innerhalb des EWS. Sie hatte sich im<br />

EWS als Interventionswährung, Transaktionswährung<br />

und Reservewährung etabliert. Die Anpassung<br />

der schwächeren Währungen erfolgte im Regelfalle<br />

über einen Abwertungsmechanismus gegenüber der<br />

DM. Die Folge war eine Abhängigkeit der europäischen<br />

Währungspolitik von der Politik der Deutschen<br />

Bundesbank. Kern des EWS war der Wechselkursverbund:<br />

Zwischen den Währungen wurden<br />

Leitkurse festgelegt; der tägliche Devisenkurs durfte<br />

seit 2. 8. 1993 innerhalb einer Bandbreite von ±15%<br />

(ehemals ±2,25 %) abweichen. Zwischen Deutschland<br />

und den Niederlanden galt die Bandbreite von<br />

±2,25 %. Italien und Großbritannien nahmen nicht<br />

am Wechselkursmechanismus des EWS teil.<br />

4.3 Auswirkungen auf die DM: Offen blieb nach der<br />

Krise von 1993 die währungspolitische Option, die<br />

Bandbreite wieder enger zu fassen und die Leitkurse<br />

einer neuen Entwicklung anzupassen. Die Vorkommnisse<br />

von 1993 zeigten, dass trotz hoher Inflationsrate<br />

in Deutschland die DM bei (ausländischen)<br />

Kapitalanlegern attraktiv bleibt. Die DM blieb „aufwertungsverdächtig“<br />

und war trotz der ökonomischen<br />

Vereinigungsfolgen (Kernproblem war die<br />

deutsche Staatsverschuldung) wertbeständig, da die<br />

Bundesbank eine national ausgerichtete, stabilitätsorientierte<br />

Politik mit dem Ziel verfolgte, eine willkürliche<br />

Ausdehnung der Geldmenge zu verhindern,<br />

um die Inflation zu begrenzen (Stabilität und Wertbeständigkeit<br />

der DM als oberstes Ziel). Im Rahmen<br />

des EWS führte dies zu einem Anpassungsdruck mit<br />

zwei Alternativen: entweder Anpassung an die deutsche<br />

Hochzinspolitik oder Abwertung der Währungen<br />

gegenüber der DM. Der Verzicht der Bundesbank<br />

auf eine Aufwertung der DM und die Rücknahme<br />

der Hochzinspolitik führte 1992/93 angesichts<br />

von Rezession und Arbeitslosigkeit zur Abwertung<br />

Europäisches Währungssytem<br />

der EWS-Währungen (mit Ausnahme des Guldens)<br />

bzw. zum Ausstieg aus dem EWS (Italien und Großbritannien<br />

im September 1992).<br />

5. Fazit und aktuelle Entwicklung: Die Effizienz des<br />

EWS bei der Förderung von Stabilität und Konvergenz<br />

lässt sich konkret nachweisen. Trotz einiger<br />

Spannungen im Wechselkursgefüge gelang es selbst<br />

in der Anfangsphase des EWS, die beteiligten Währungen<br />

zueinander relativ stabil zu halten. So waren<br />

die Kursschwankungen der EWS-Währungen deutlich<br />

geringer als die anderer Weltleitkurse wie z. B.<br />

des US-Dollars oder des japanischen Yen. Die Inflationsraten<br />

der am EWS beteiligten Staaten gingen<br />

insgesamt deutlich zurück, die Unterschiede zwischen<br />

den einzelnen EG-Ländern verringerten sich.<br />

Die Zahl der Neufestsetzungen der Leitkurse, von<br />

denen die erlaubten Schwankungen abgeleitet werden,<br />

wurde immer geringer. So gab es zwischen 1984<br />

und 1987 nur noch zwei Anpassungen (Realignments).<br />

Das Regelwerk des EWS wurde zweimal,<br />

1985 und 1987, verbessert. Das EWS war außerdem<br />

die Keimzelle für die ECU. Sie wurde zusammen mit<br />

dem EWS geschaffen, in dem sie die zentrale Rolle<br />

spielte. Diese Funktion hat dazu beigetragen, dass<br />

die Nutzung der ECU auch auf den privaten Geldund<br />

Kapitalmärkten immer bedeutender wurde.<br />

Trotz aller Unwägbarkeiten und Turbulenzen hat<br />

sich das EWS als Erfolgsmodell erwiesen, zumal es<br />

unter Experten unbestritten ist, dass es kein absolut<br />

sicheres Währungssystem gibt.<br />

Abgesehen von den Turbulenzen im Frühjahr 1995<br />

ist die Wechselkursentwicklung im EWS weitgehend<br />

spannungsfrei verlaufen. Zwar kam es im Sommer<br />

1997 zu einem Anstieg des Dollar-Kurses gegenüber<br />

den europäischen Währungen. Doch führte<br />

dies nicht zu neuerlichen Spannungen im EWS. Mit<br />

Ausnahme des irischen Pfundes, das die Aufwertung<br />

des britischen Pfundes teilweise mit vollzog, blieben<br />

die EWS-Währungen stabil. Abwertungen blieben<br />

aus.<br />

Mit dem Eintritt der Finnmark im Oktober 1996 und<br />

der griechischen Drachme im März 1998 sowie der<br />

Rückkehr der italienischen Lira im November 1996<br />

indenWechselkursmechanismusnahmenbisaufdas<br />

britische Pfund und die schwedische Krone jetzt alle<br />

EU-Währungen am Wechselkursverbund teil. Um<br />

das EWS flexibler zu gestalten und um Überdruck<br />

ausdemSystemzunehmen,wurdenam2.8.1993die<br />

Bandbreiten von 2,5 Prozent auf 15 Prozent in beide<br />

307


Europäisches Wirtschaftsrecht<br />

Richtungen für alle Währungen erweitert. Im Übrigen<br />

blieb das EWS jedoch unverändert. Das zeigt,<br />

dassWechselkursstabilitätauchohnedasKorsettder<br />

engen Bandbreiten möglich ist. Entscheidend für die<br />

Wechselkursstabilität sind weniger die engen Kursstützungen,<br />

als vielmehr die konsequente BereitschaftallerTeilnehmer,ihreGeld-undFinanzpolitik<br />

am Stabilitätsziel auszurichten. Jeder Mitgliedstaat<br />

hatte die Solidität seiner Währung und seiner Finanzen<br />

allein in der Hand.<br />

Mit Beginn der 3. Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion<br />

(WWU) am 1. 1. 1999 ging das EWS in<br />

der WWU auf und der Euro löste den ECU ab. Der<br />

Euro ersetzt nunmehr als eigenständige Währung die<br />

bisherigen nationalen Währungen der Mitgliedstaaten<br />

(Art. 121 Abs. 4 EVG). Ab diesem Zeitpunkt ist<br />

der Euro offizielles Zahlungsmittel in 11 Mitgliedstaaten:<br />

Belgien, Deutschland, Frankreich, Finnland,<br />

Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich,<br />

Portugal und Spanien. Griechenland, das<br />

zunächst die Maastricht-Kriterien nicht erfüllen<br />

konnte, folgte im Jahr 2001.<br />

Als EWS II bezeichnet man einen Wechselkursmechanismus,<br />

dem EU-Länder, die noch nicht Mitglied<br />

der WWU sind, ihre nationale Währung an den Euro<br />

als Leitwährung binden können (�Wechselkursmechanismus<br />

II). Dänemark, Schweden und das Vereinigte<br />

Königreich entschieden sich zunächst dafür,<br />

dem Euro fernzubleiben. Sollten sie sich später für<br />

den Euro entscheiden, müssen sie wie die neuen Mitgliedstaaten<br />

die Maastricht-Kriterien erfüllen.<br />

Fazit: Das EWS kann wirtschafts- und währungspolitisch<br />

als gelungenes Übergangsinstrument in die<br />

Wirtschafts- und Währungsunion bezeichnet werden.<br />

B. H.<br />

Literatur: s. Europäische Währungseinheit<br />

Europäisches Wirtschaftsrecht �Wirtschaftsrecht,<br />

europäisches<br />

Europäisches Zentrum für die Förderung der<br />

Berufsbildung �CEDEFOP<br />

Europakammer (des Deutschen Bundesrates),<br />

nach Gründung der Europäischen Union 1993 als<br />

Nachfolgerin der EG-Kammer gegründet und im<br />

Grundgesetz verankert (Art. 52 Abs. 3 a GG). Jedes<br />

Bundesland entsendet ein Mitglied oder ein stellvertretendes<br />

Mitglied.<br />

308<br />

Die Europakammer kann kurzfristig (binnen einer<br />

Woche oder kürzer) einberufen werden, wenn zu Europäischen<br />

Rechtsetzungsvorhaben eine schnelle<br />

Reaktion des Bundesrates erforderlich ist. Beschlüsse<br />

der Kammer gelten als Beschlüsse des Plenums.<br />

Die Stimmrechte der Länder entsprechen denen der<br />

Plenarsitzungen. Die Europakammer verhandelt öffentlich,<br />

sofern nicht Vertraulichkeit (nach § 45 der<br />

Geschäftsordnung) vereinbart ist. An den Sitzungen<br />

können auch Beauftragte der Bundesregierung oder<br />

der Länder teilnehmen.<br />

Europa-Kolleg (Collège d’Europe / College of Europe)<br />

in Brügge (Belgien), Zweigstelle in Warschau<br />

(seit 1992); ältestes Institut für postuniversitäre europäische<br />

Studien, 1949 auf Initiative der �Europäischen<br />

Bewegung (Salvador de Madariaga, Haager<br />

Kongress 1948) als ein „Etablissement d’utilité publique“<br />

unter belgischem Recht gegründet. Erster<br />

Rektor (1950–1972) war Hendrik Brugmans, Gründungsmitglied<br />

der Europäischen Bewegung, Präsident<br />

des Europäischen Föderalistenverbandes<br />

(UEF) und Karlspreisträger des Jahres 1951.<br />

Der internationale Kurs des rechts-, wirtschafts-,<br />

verwaltungs-undpolitikwissenschaftlichenFachbereichs<br />

dauert ein Jahr (von September bis Ende Juni);<br />

die Finanzierung von Studium und Aufenthalt (16<br />

000 Euro) erfolgt überwiegend (85 % der Studierenden)<br />

durch öffentliche oder private Stipendien (das<br />

Europa-Kolleg vergibt keine Stipendien), die Auswahl<br />

der aus ca. 40 Ländern kommenden Teilnehmer<br />

mit Hochschulabschluss durch nationale Komitees<br />

(rund 275 Studenten in Brügge, 120 in Warschau);<br />

Beherrschung der englischen und französischen<br />

Sprache ist Voraussetzung; Abschlussdiplom<br />

(„Master of Arts in European Studies“), das für eine<br />

Verwendung im Rahmen der europäischen Politik<br />

qualifiziert(„Diplomatenschmiede“). W. M.<br />

Anschrift: Dijver 11, B–8000 Brügge;<br />

ul. Nowoursynowska 84, PL–02/797 Warszawa 78<br />

Auskunft: Europäische Bewegung Deutschland e.V.,<br />

Jean-Monnet-Haus, Bundesallee 22, 10717 Berlin<br />

Eigenpublikation: Collège d’Europe. Institut d’études<br />

européennes postuniversitaires. Bruges, Belgique / College of<br />

Europe. Institute of Postgraduate European Studies.<br />

Bruges, Belgium<br />

Europakompetenz, -fähigkeit. Im Bereich der<br />

Verwaltung und der Wirtschaft bezeichnet Europakompetenz<br />

die Kenntnis des europäischen Rechts<br />

und der europäischen Institutionen, insbes. der euro-


päischen Programme, der Verfahren zur Beantragung<br />

und das Management von EU-Fördermitteln.<br />

Im Bereich des Arbeitslebens bezeichnet Europakompetenz<br />

die Qualifizierung für den europäischen<br />

Arbeitsmarkt, insbes. die Fähigkeit, sich in Sprachen<br />

anderer EU-Staaten verständigen zu können.<br />

Im privaten Bereich kann damit die Fähigkeit bezeichnet<br />

werden, sich in Europa kulturell, politisch,<br />

ökonomisch, historisch usw. zurechtzufinden, d. h.<br />

in den genannten und in anderen Bereichen die erforderlichen<br />

Kompetenzen zu besitzen, um Informationen<br />

zu problemorientierten Einsichten verknüpfen<br />

bzw. zu vernunftgesteuertem Handeln einsetzen zu<br />

können. Dazu gehört u. a. die Fähigkeit zu grenzüberschreitendem,<br />

vernetztem Denken, zum Perspektivenwechsel<br />

als Problemsicht aus dem Blickwinkel<br />

anderer Völker und Nationen.<br />

Europakonferenz. Der Europäische Rat von Luxemburg<br />

hat im Dezember 1997 die Aufnahme von<br />

Beitrittsverhandlungen mit 10 mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten sowie mit Zypern beschlossen. Zugleich<br />

wurde, auf Vorschlag Frankreichs, eine Europakonferenz<br />

der Staats- und Regierungschefs aller<br />

EU-Staaten sowie der beitrittswilligen Staaten einberufen.<br />

Die Türkei, der vom Europäischen Rat noch<br />

keine konkrete Beitrittsperspektive angeboten worden<br />

war, lehnte eine Teilnahme an der Konferenz ab,<br />

nahm aber ab 2000 an den Treffen teil.<br />

Die erste Europakonferenz der Staats- und Regierungschefs<br />

fand am 12. 3. 1998 in London statt, die<br />

erste Außenministerkonferenz am 6. 10. 1998 in Luxemburg.<br />

Auf der Konferenz im März wurden die<br />

Beitrittspartnerschaften verabschiedet sowie die<br />

Beitrittsverhandlungen mit sechs Staaten begonnen<br />

(Estland, Polen, Slowenien, Tschechische Republik,<br />

Ungarn, Zypern). Auf den Konferenzen sollten Themen<br />

von gemeinsamem Interesse aus den Bereichen<br />

�Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Justiz<br />

und Inneres, regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit,<br />

aber keine beitrittsbezogenen Fragen erörtert<br />

werden. Die letzte Europakonferenz, an der nahezu<br />

alle europäischen Staaten teilnahmen, fand am 17. 4.<br />

2003 in Athen anlässlich der Unterzeichnung der<br />

Beitrittsverträge mit 10 Staaten statt. �Osterweiterung<br />

Ziff. 6.1<br />

Europaministerkonferenz (EMK) der deutschen<br />

Länder. In zeitlichem Zusammenhang mit den Ver-<br />

Europapass<br />

handlungen zum Vertrag über die Europäische<br />

Union (�Maastrichter Vertrag) hatten die deutschen<br />

Länder eigene Europaministerien oder Europaabteilungen<br />

in ihren Staatskanzleien eingerichtet. Am 1.<br />

10. 1992 haben sich die Europaminister und -senatoren<br />

in einer Europaministerkonferenz zusammengeschlossen.<br />

In der EMK werden ergänzend zur Meinungsbildung<br />

der Länder gem. Art. 23 und 50 GG (�Zusammenarbeitsgesetz)<br />

die Haltungen der Länder zu generellen<br />

europapolitischen Themen abgestimmt. Im Unterschied<br />

zur Bundesratsbefassung fasst die EMK ihre<br />

Beschlüsse einstimmig. Der Vorsitz wechselt jährlich,<br />

bislang in alphabetischer Reihenfolge (2005/<br />

2006 bei Sachsen). Auf Arbeitsebene wird die EMK<br />

von einer Ständigen Arbeitsgruppe aus den leitenden<br />

Bediensteten der Länder für europapolitische<br />

Grundsatzfragen (StAG EMK) unterstützt. Darunter<br />

gab es bis Ende 2004 noch einzelne Unterarbeitsgruppen<br />

(bspw. zur europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit<br />

oder zum Verfassungsprozess).<br />

Europäische Themen haben in den letzten Jahren für<br />

die Länder zunehmend an Bedeutung gewonnen.<br />

Teilweise berühren sie die Richtlinien der Politik.<br />

Daher befasst sich mit den wesentlichen Themen<br />

vielfach auch die Ministerpräsidentenkonferenz<br />

(MPK). Die EMK bereitet vielfach Beschlüsse der<br />

MPKfachlichvor. H. D.-K.<br />

Europa mit variabler Geometrie �Europa à la<br />

carte<br />

Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten<br />

�Europa à la carte<br />

Europapass wird der seit 1988 in allen EU-Staaten<br />

in prinzipiell gleicher Form, Farbe (weinrot) und<br />

Ausstattung, jedoch in der jeweils nationalen Amtssprache<br />

ausgestellte Reisepass genannt. Der<br />

32-seitige Pass enthält eine eingeheftete Plastikkarte<br />

(Reisepasskarte) mit den persönlichen Daten des Inhabers.<br />

Die in die Passkarte eingetragene Seriennummer<br />

muss seit Januar 2004 maschinenlesbar<br />

sein. Vielreisende können einen Pass mit 48 Seiten<br />

beantragen.<br />

Der maschinenlesbare Teil des Europapasses wird<br />

künftig auch zwei biometrische Daten in digitalisierter<br />

Form enthalten: eine Gesichtsfelderkennung und<br />

(als Chip im Passdeckel eingearbeitet) eine Finger-<br />

309


Europarat<br />

abdruckprobe. Darauf hat sich der Rat der Innenminister<br />

am 26. 10. 2004 im Grundsatz geeinigt. Die<br />

Gesichtsfelderkennung wird spätestens 18 Monate<br />

nach Festlegung der technischen Einzelheiten eingeführt,<br />

der Fingerabdruck nach 36 Monaten (Einführung<br />

in Deutschland: ab November 2005). Eine zentrale<br />

Speicherung der digitalisierten Erkennungsdaten<br />

ist nicht vorgesehen.<br />

Die Regelung gilt zunächst nur für neu ausgestellte<br />

Reisepässe; ab 2007 sollen in Deutschland auch Personalausweise<br />

mit biometrischen Daten versehen<br />

werden.<br />

Die Einführung biometrischer Daten soll Pässe fälschungssicherer<br />

machen. Außerdem entspricht die<br />

EU damit einer Anordnung der USA, wonach ab Oktober2005alleStaatsbürgerausLändern,fürdiekein<br />

Visumzwang herrscht, einen Pass mit mindestens einem<br />

biometrischen Merkmal für die Einreise in die<br />

USA benötigen.<br />

Europarat<br />

1. Begriff und Aufgaben: Der Europarat wurde am<br />

5. 5. 1949 als Folge der Züricher Rede Churchills und<br />

der Initiativen des Haager Kongresses der �Europa-Union<br />

(Mai 1949) gegründet. Er verfolgt das Ziel<br />

einer dauerhaften politischen, wirtschaftlichen und<br />

kulturellen Zusammenarbeit seiner Mitglieder.<br />

In seiner Satzung setzt er sich zur Aufgabe, „eine engere<br />

Verbindung zwischen seinen Mitgliedern zum<br />

Schutze und zur Förderung der Ideale und Grundsätze,<br />

die ihr gemeinsames Erbe bilden, herzustellen<br />

und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt<br />

zu fördern“. Voraussetzung für die Mitgliedschaft<br />

im Europarat ist die Wahrung des Demokratie- und<br />

Rechtsstaatsprinzips sowie die Anerkennung der<br />

�Grund- und Menschenrechte. Der Kreis der Mitglieder<br />

hat sich von ursprünglich zehn auf nunmehr<br />

46 europäische Staaten (2005) erhöht. Sitz des Europarates<br />

ist Straßburg. Arbeitssprachen sind Englisch<br />

und Französisch.<br />

Vom Europarat gingen und gehen wichtige Impulse<br />

aufdenGebietendesMenschenrechtsschutzessowie<br />

der sozialen Schutzrechte, der kulturellen und bildungspolitischen<br />

Zusammenarbeit aus. Unter den<br />

196 Konventionen des Europarates nehmen die Konvention<br />

zum Schutze der Menschenrechte und<br />

Grundfreiheiten (4. 11. 1959) und die Europäische<br />

Sozialcharta (18. 10. 1961) eine herausgehobene<br />

Stellung ein. Daneben hat der Europarat auf aktuelle<br />

310<br />

Entwicklungen mit entsprechenden Konventionen<br />

reagiert, etwa zur Bekämpfung des Menschenhandels,<br />

zu Menschenrechten und Biomedizin, zur Bekämpfung<br />

des Terrorismus und der Datennetzkriminalität.<br />

2. Struktur/Arbeitsweise. Der Europarat umfasst<br />

mehrere Organe:<br />

Das Ministerkomitee ist das Entscheidungsorgan. Es<br />

setzt sich aus den Außenministern (bzw. deren Stellvertretern)<br />

der Mitgliedstaaten zusammen und tagt<br />

mindestens zweimal jährlich. Es kann alle die Mitglieder<br />

interessierenden politischen Fragen – mit<br />

Ausnahme von Verteidigungsfragen – beraten. Unterstützt<br />

wird das Ministerkomitee von den Ständigen<br />

Vertretern der Mitgliedstaaten, die zur Sicherung<br />

der Arbeitskontinuität regelmäßig zusammentreffen<br />

und weitreichende Entscheidungsbefugnisse<br />

haben. Jeweils für ein halbes Jahr hat ein Mitglied<br />

den Vorsitz im Ministerkomitee inne.<br />

Die Parlamentarische Versammlung ist das zweite<br />

Organ des Europarates. Sie setzt sich aus den Delegierten<br />

der nationalen Parlamente entsprechend einem<br />

festgelegten Länderschlüssel (630 Mitglieder)<br />

zusammen.DieParlamentarischeVersammlungtritt<br />

dreimal jährlich zu einer jeweils einwöchigen Sitzungsperiode<br />

zusammen. Sie hat ausschließlich beratende<br />

Funktion, kann ihre Beschlüsse jedoch als<br />

Empfehlungen an das Ministerkomitee richten. Das<br />

Ministerkomitee kann auf dieser Grundlage Beschlüsse<br />

fassen, die die Form einer Empfehlung an<br />

die Regierungen annehmen können. Zur BeschlussfassungisteineZweidrittelmehrheiterforderlich,bei<br />

wichtigen Fragen Einstimmigkeit. Beschlüsse sind<br />

für die Mitglieder erst rechtswirksam, wenn sie gemäß<br />

den innerstaatlichen Verfahren ratifiziert worden<br />

sind. Eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch<br />

nicht.<br />

Sowohl Ministerkomitee als auch Parlamentarische<br />

Versammlung haben eine Reihe von Fachkommissionen<br />

eingerichtet, die spezifische Fragen beraten<br />

und Stellungnahmen vorbereiten, insbes. für die immer<br />

zahlreicheren Fachministerkonferenzen – etwa<br />

der Bildungs-, Gesundheits- oder Justizminister, zu<br />

denen der Europarat regelmäßig einlädt.<br />

Kongress der Gemeinden und Regionen. Der Kongress<br />

hat beratende Funktion für Ministerkomitee<br />

und Parlamentarische Versammlung. Er hat sich auf<br />

Beschluss des Wiener Gipfeltreffens der Staats- und<br />

Regierungschefs 1993 konstituiert und löste die seit


1957 bestehende �Ständige Konferenz der Gemeinden<br />

und Regionen Europas ab. Seit 1994 tritt er einmal<br />

jährlich zusammen und besteht aus zwei Kammern:<br />

einer lokalen und einer regionalen Kammer,<br />

diezahlenmäßiggleichstarksind(313Mitgliedersowie<br />

die gleiche Zahl an Stellvertretern).<br />

Generalsekretariat.MinisterkomiteeundParlamentarische<br />

Versammlung werden bei ihrer Arbeit vom<br />

Generalsekretariat des Europarates unterstützt. An<br />

seiner Spitze steht der für eine fünfjährige Amtszeit<br />

ernannte Generalsekretär. Seit 2004 ist dies der Brite<br />

Terry Davis. Der Personalapparat des Europarates<br />

umfasst ca. 1 800 europäische Beamte. Das Budget<br />

lag 2004 bei ca. 180 Mio. Euro. Finanziert wird es<br />

durch Beiträge der Mitgliedstaaten, als Berechnungsgrundlage<br />

wird ein Bevölkerungsschlüssel herangezogen.<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

(EGMR). Zur Einhaltung der �Menschenrechtskonvention<br />

von 1950, einem der wichtigsten Beiträge<br />

des Europarates zur Erarbeitung eines europäischen<br />

Grundrechtskatalogs, wurde 1954 die �Europäische<br />

Menschenrechtskommission und 1959 der �Europäische<br />

Gerichtshof für Menschenrechte, beide mit<br />

Sitz in Straßburg, eingerichtet. Die von Weisungen<br />

unabhängigen Mitglieder werden – auf Vorschlag<br />

der Parlamentarischen Versammlung – durch das<br />

Ministerkomitee für jeweils sechs bzw. neun Jahre<br />

ernannt. Die Fusion beider Einrichtungen zum ständigen<br />

Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte<br />

wurde 1993 auf Wiener Gipfeltreffen getroffen.<br />

Zugelassen sind seither sowohl Individual- als auch<br />

Staatenbeschwerden.<br />

3. Bewertung. Der Europarat war nach dem Zweiten<br />

WeltkriegdieerstepolitischeOrganisationimdemokratischen<br />

Teil Europas, in dem die Mitgliedstaaten<br />

auf der Grundlage von Rechtsstaatlichkeit und der<br />

Wahrung der Menschen- und Grundrechte zusammenarbeiteten.<br />

Der Rolle eines Motors für die europäische<br />

Einigung, die dem Europarat ursprünglich<br />

insbes. von der �Europäischen Bewegung zugedacht<br />

war, konnte er in der Praxis jedoch nicht gerecht werden.<br />

Mangels Entscheidungs- und Umsetzungskompetenzen<br />

blieb die Wirkung der Europaratsbeschlüsse<br />

gering. Mit der Gründung der �Europäischen<br />

Wirtschaftsgemeinschaft erwuchs dem Europarat<br />

zudem eine starke Konkurrenz. Die EWG entwickelte<br />

sich zum Motor des europäischen Integrationsprozesses<br />

und ist dies mit der Gründung der Europäi-<br />

Europa-Schulen<br />

schen Union bis heute geblieben. Der Europarat hat<br />

sich insbes. Bedeutung als „moralische“ Instanz für<br />

die Achtung von Demokratie und Menschenrechte<br />

erworben. Mit dem Ende des Ost-Westkonflikts hat<br />

auch der Europarat sich als politischer Anker für die<br />

im Transformationsprozess befindlichen Länder<br />

Mittel- und Osteuropas neu positioniert.<br />

Seit 1997 hat er seine Aktivitäten in vier Bereiche gebündelt:<br />

Demokratie und Menschenrechte, sozialer<br />

Zusammenhalt, Sicherheit für den Bürger, demokratische<br />

Werte und kulturelle Vielfalt. Bedeutung hat<br />

der Europarat auch als Vorbereitungsstation für einen<br />

späteren EU-Beitritt erlangt: alle späteren mittel-undosteuropäischenEU-Mitgliederwarenzuvor<br />

Europaratsmitglieder. Auch heute dient der Europarat<br />

als institutionelle Klammer zwischen der EU und<br />

den Europaratsmitgliedern, die keine EU-Beitrittsperspektivehaben.<br />

Ch. H.<br />

Europa-Schulen. Eine Sonderstellung im Rahmen<br />

des Erziehungswesens in Europa nehmen die Europa-Schulen<br />

in Brüssel (3), Luxemburg, Varese/Ispra<br />

(Italien), Mol/Geel (Belgien), Bergen/Letten (Niederlande),Karlsruhe,MünchenundCulham(beiOxford)<br />

ein. Sie sind vorwiegend für die (rd. 21 000)<br />

Kinder der bei den europäischen Einrichtungen tätigen<br />

�Bediensteten konzipiert.<br />

AlsHauptanliegenderEuropa-SchulenhatdasEuropäische<br />

Parlament (EP) in seiner „Entschließung zu<br />

den Europäischen Schulen“ vom 7. 7. 1983 (ABl. C<br />

242/1983) zusammengefasst:<br />

Das EP „hält es für richtig, dass Geschichte wie auch<br />

Geographie und Humanwissenschaften (= Wirtschafts-<br />

und Sozialwissenschaften, W. M.) in der<br />

zweiten Unterrichtssprache unterrichtet werden, ist<br />

aber auch der Ansicht, dass dabei vermieden werden<br />

muss, dass an die Stelle einer mit der Muttersprache<br />

und der Kultur des Herkunftslandes verbundenen nationalen<br />

Auffassung eine nationale Auffassung desjenigen<br />

Staates tritt, in dessen Sprache diese Fächer<br />

unterrichtet werden, oder dass über die tatsächlichen<br />

Ereignisse hinaus zu abstrakt eine ideale Geschichte<br />

Europas gesucht wird“ (L 7).<br />

Insgesamt äußert das EP sich zu den Lehrplänen wie<br />

folgt: „Die Lehrpläne zielen darauf ab, eine Kulturvorstellung<br />

zu überwinden, die sich auf die Idee der<br />

Nation stützt, wobei diese als alleiniger Mittelpunkt<br />

der politischen und kulturellen Geschichte und – in<br />

einem breiteren Rahmen – der historischen Entwick-<br />

311


Europaschulen<br />

lung und der Wechselwirkung zwischen den verschiedenen<br />

nationalen Zivilisationen verstanden<br />

wird: mit diesen Lehrplänen wird das Ziel verfolgt,<br />

andereFaktoreneinzubringen,dieindenverschiedenen<br />

Lehrplänen der höheren Schulen, wie sie bisher<br />

in Europa konzipiert wurden, oft keine Beachtung<br />

fanden.“ So sollen bspw. Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />

gelehrt werden.<br />

DieLehrplänesollenalsonichtdurchmultikulturelle<br />

Zusätze ergänzt werden, sondern die MultikulturalitätzumdurchgängigenPrinziperheben.<br />

W. M.<br />

Literatur:<br />

Vorsmann, N./Wittenbruch, W.: Schulen auf Europa-Kurs.<br />

Bad Heilbrunn/Obb. 1997<br />

Europaschulen, Europa-Schulen. Namenszusatz<br />

für Schulen aller Schularten in Deutschland, der<br />

ihnen auf Antrag von Kultusministerien der Länder<br />

(u. a. Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Niedersachsen, Nordrhein-<br />

Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-<br />

Holstein, Thüringen) für die Dauer von drei Jahren<br />

verliehen wird. Nach der dritten Verleihung in Folge<br />

darf die Schule den Zusatz unbefristet führen, solange<br />

sie die in den Grundsätzen für die Verleihung genannten<br />

Voraussetzungen erfüllt. Die Aktion dient<br />

der Umsetzung der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz<br />

zur „Interkulturellen Bildung und Erziehung<br />

in der Schule“ und zu �„Europa im Unterricht“.<br />

Europa-Schulen fördern den Europagedanken durch<br />

IntegrationeuropäischerThemeninalleUnterrichtsfächer,<br />

erziehen zu Toleranz, beteiligen sich an europäischen<br />

Bildungsprogrammen, Projekten, Wettbewerben<br />

und außerschulischen Fortbildungsmaßnahmen,<br />

führen mit Schulen in anderen Staaten einen europäischen/interkulturellen<br />

Dialog, vermitteln<br />

Mehrsprachigkeit (z. B. in bilingualem Unterricht),<br />

nutzen moderne Medien.<br />

Europass heißt der seit 1. 1. 2005 in allen EU- und<br />

EWR-Staaten einheitliche Bildungsausweis. Er enthält<br />

einen Lebenslauf sowie Auflistungen von Auslandsaufenthalten,<br />

Studienabschlüssen, Sprachkenntnissen<br />

und Ausbildungsinhalten. Bei Bewerbungen<br />

im In- und Ausland können mit dem Europass<br />

Qualifikationen und Fähigkeiten nachgewiesen<br />

werden.<br />

Europatag. Zur Erinnerung an den 9. Mai 1950, an<br />

dem der französische Außenminister Robert Schu-<br />

312<br />

man in Paris den Plan seiner Regierung zur Gründung<br />

einer deutsch-französischen Gemeinschaft für<br />

Kohle und Stahl (�Schumanplan) verkündete, wird<br />

der 9. Mai als Europatag gefeiert. Der �Verfassungsvertrag<br />

2004 für Europa erhebt den 9. Mai als Europatag<br />

zu einem der Symbole der Union (Art. I-8<br />

VVE).<br />

Von der �Europäischen Bewegung wird zur Erinnerung<br />

an die Gründung des Europarats am 5. Mai 1949<br />

der 5. Mai als Europatag begangen.<br />

Europa-Union Deutschland<br />

1.Begriffserklärung:<br />

„Die EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND ist der<br />

deutsche Zweig der Union Europäischer Föderalisten<br />

(UEF) und arbeitet im Rahmen der Europäischen<br />

Bewegung mit anderen Verbänden zusammen, die<br />

eine föderative und demokratisch-rechtsstaatliche<br />

Vereinigung der europäischen Völker anstreben.<br />

Unter voller Wahrung seiner geistigen, politischen<br />

undorganisatorischenUnabhängigkeitistderVerein<br />

tätig,dieöffentlicheMeinung,diepolitischenParteien,<br />

die Parlamente und die Regierungen für die föderative<br />

und demokratisch-rechtsstaatliche Vereinigung<br />

der europäischen Völker zu gewinnen. Der<br />

Verein bekennt sich zum ,Hertensteiner Programm’<br />

vom 21. 9. 1946.“ (Hauptsatzung, § 2 [1])<br />

„Der Verein ist eine überparteiliche und überkonfessionelleOrganisation.EristkeinePartei“(§2[2]).Er<br />

wirbt für europäische Parteien.<br />

2. Historische Entwicklung: Die Mitglieder der<br />

EUROPA-<strong>UNION</strong> wollten nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

aus der Sackgasse, in die die nationale Politik<br />

geraten war, heraus mit der Idee einer engen europäischen<br />

Zusammenarbeit. Man wollte einen anderen<br />

(wirkungsvolleren) Weg gehen als der Völkerbund<br />

(1920 – 1946). Ihre Forderung lautete: Neuordnung<br />

der demokratischen Machtverhältnisse in Europa,<br />

die eines Tages in einer europäischen Föderation<br />

münden sollte.<br />

Vom14.bis21.9.1946trafensichrundzwanzig„Föderalisten“<br />

aus der Schweiz, den Niederlanden,<br />

Frankreich, Italien und Großbritannien im Schweizer<br />

Städtchen Hertenstein auf einer Landzunge im<br />

Vierwaldstätter See, unter ihnen mancher Widerstandskämpfer.<br />

Ihre zwölf Thesen (Hertensteiner<br />

Programm) wurden zur Grundlage der europäischen<br />

Arbeit der Nachkriegsjahre wie auch zum grundlegenden<br />

Programm der EUROPA-<strong>UNION</strong>. Das Her-


tensteiner Programm bekennt sich zu föderalistischenGrundsätzen,dieesder„europäischenVölkergemeinschaft“<br />

(Punkt 2) ermöglichen sollen, sich<br />

von unten nach oben aufzubauen und ihre Streitigkeiten<br />

selbst zu schlichten (Punkt 2). Die „Europäische<br />

Union fügt sich in die Organisation der Vereinten<br />

Nationen ein“ (Punkt 3), sie erklärt die Europäischen<br />

Bürgerrechte (Punkt 6) und sorgt sich um den<br />

Wiederaufbau, um die wirtschaftliche, soziale und<br />

kulturelle Zusammenarbeit und fordert, „dass der<br />

technischeFortschrittnurimDienstederMenschheit<br />

verwendet wird“ (Punkt 8).<br />

Die Europäische Union ist offen für alle „Völker europäischer<br />

Wesensarten“ (Punkt 5), die Mitglieder<br />

„übertragen einen Teil ihrer wirtschaftlichen, politischen<br />

und militärischen Souveränitätsrechte an die<br />

von ihnen gebildete Föderation“ (Punkt 4).<br />

Eine Herausforderung an die Staatsmänner Europas<br />

sowie an die Bürgerinnen und Bürger Europas sollte<br />

die 12. These des Hertensteiner Programms sein:<br />

„Durch den Beweis, dass es seine Schicksalsfragen<br />

im Geiste des Föderalismus selbst lösen kann, soll<br />

Europa seinen Beitrag zum Wiederaufbau und zu einem<br />

Weltbund der Völker leisten.“<br />

Noch während der Hertensteiner Konferenz forderte<br />

Winston Churchill in seiner berühmten Züricher<br />

Rede (19. 9. 1946) die „Schaffung der Vereinigten<br />

Staaten von Europa“. „Der erste Schritt hierzu ist die<br />

Bildung eines Europarats.“ Später erkennt man erst,<br />

dass Churchill die Staaten des Britischen Commonwealth<br />

zwar als „Freunde und Förderer“ Europas<br />

sah, aber nicht als dessen Mitglieder.<br />

Der Europarat, ein freiwilliger Zusammenschluss<br />

der Staaten, wahrte die nationale Souveränität. Im<br />

Nachkriegs-Europa konnten sich also nicht die „Föderalisten“<br />

durchsetzen, die gewisse nationalstaatliche<br />

Rechte abtreten wollten, sondern die „Funktionalisten“:<br />

nur Kooperation in einzelnen Funktionsbereichen<br />

– wobei die Nationalstaaten ihre volle<br />

Kompetenz behalten.<br />

Der früheste Aufruf der Föderalisten zur Schaffung<br />

einer „Union Europas“ (vom Münchener Verleger<br />

Carl Schmitt) ist vom 19. 2. 1946 aktenkundig. Am<br />

9. 12. 1946 wird in Syke bei Bremen die erste EURO-<br />

PA-<strong>UNION</strong> gegründet und vom europäischen Dachverband<br />

UEF (Union Europäischer Föderalisten, am<br />

17. 12. 1946 in Paris gegründet) als gleichberechtigt<br />

anerkannt. Am 22. 6. 1947 findet der Deutsche Europa-Kongress<br />

der EUROPA-<strong>UNION</strong> in Eutin statt.<br />

EUROPA-<strong>UNION</strong><br />

Motto: „Europäer aller Länder vereinigt euch!“ Im<br />

August 1947 findet der erste Kongress der UEF, dem<br />

die EUROPA-<strong>UNION</strong> als deutsche Sektion angehört,<br />

in der Schweiz statt. Man will die beginnende<br />

politische Spaltung Europas in zwei Blöcke nicht<br />

hinnehmen. Am 8. bis 10. 5. 1948 fand in Den Haag<br />

unter dem Vorsitz Winston Churchills ein Kongress<br />

der europäischen Verbände statt, der zur Gründung<br />

der �Europäischen Bewegung führte. Diese konstituiertesicham25.10.1948offiziellalsDachverband<br />

der wichtigsten Europa-Verbände.<br />

Der Deutsche Rat der Europäischen Bewegung wurde<br />

am 13. 6. 1949 in Wiesbaden konstituiert. Der erste<br />

ordentliche Kongress der EUROPA-<strong>UNION</strong> (mit<br />

dem zukunftsweisenden Motto: „Geeintes Deutschland<br />

im geeinten Europa“) fand vom 19. bis 22. 5.<br />

1949 in Hamburg statt. Eugen Kogon wurde der erste<br />

Präsident.<br />

3. Organisatorische Gliederung und Beschreibung:<br />

Dem Präsidium gehören namhafte Politiker, Professoren<br />

und Publizisten an. Der Bundesausschuss ist<br />

zwischen den Kongressen das oberste Organ der<br />

EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND (EUD). Ihr<br />

gehören 15 Landesverbände an.<br />

Die EUROPA-<strong>UNION</strong> setzt sich – nach fünfzig Jahren<br />

– dafür ein, dass der Integrationsprozess weiter<br />

voranschreitet und eine überzeugende politische Gestalt<br />

annimmt. Sie arbeitet deshalb:<br />

– für ein �Europa der Bürger: die EUD will ein bürgernahes<br />

Europa;<br />

– für Europas Einheit in Vielfalt: das Bewusstsein<br />

für das gemeinsame kulturelle Erbe und die Zukunft<br />

in kultureller Vielfalt;<br />

– für ein starkes Europäisches Parlament, das gleichberechtigt<br />

an der Gesetzgebung teilnimmt;<br />

– für eine föderale Verfassung: Menschenrechte,<br />

Grundfreiheiten, Minderheitenrechte;<br />

– für eine innere Reform der Europäischen Union,<br />

um innen- und außenpolitisch handlungsfähig zu<br />

sein;<br />

– für eine wirkliche Politische Union Europas mit einer<br />

voll ausgestalteten Unionsbürgerschaft;<br />

– für die Herausbildung einer europäischen Identität<br />

unter den Bürgern.<br />

Die EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND will Bürgernähe,Transparenz,Solidarität,Föderalismus;die<br />

Bürgerinnen und Bürger Europas sollen am weiteren<br />

Auf- und Ausbau Europas beteiligt werden.<br />

Zu den Mitgliedern zählen Politiker aller Parteien<br />

313


Europa-Universität<br />

und Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen. An<br />

den Bundeskongressen der EUD nehmen neben den<br />

Delegierten zahlreiche Abgeordnete, Minister usw.<br />

teil. Ca. 20 000 Einzelmitglieder sind in den 15 Landesverbänden<br />

(Ausnahme Sachsen) und in ca. 300<br />

Bezirks-, Kreis-, Orts- und Stadtverbänden organisiert.<br />

Jüngere Europäer wirken am europäischen Ziel mit<br />

durch ihre Arbeit in den Landesverbänden der Jungen<br />

Europäischen Föderalisten (JEF) sowie der Jungen<br />

Europäer (JE). Um möglichst viele Jugendliche<br />

für den Europagedanken zu gewinnen, unterstützt<br />

die EUD den jährlich stattfindenden �Europäischen<br />

Schülerwettbewerb. Der Höhepunkt der Öffentlichkeitsarbeit<br />

der EUD ist der Europatag, der 5. Mai.<br />

Die EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND arbeitet<br />

eng zusammen mit den Europa-Häusern und Europäischen<br />

Akademien, die die außerschulische europapolitische<br />

Bildung fördern.<br />

Seit dem Bundeskongress 1999 ist Präsident der<br />

EUD der MdEP Elmar Brok, Vorsitzender des Ausschusses<br />

für auswärtige Angelegenheiten im EuropäischenParlament.<br />

J. Sch.-R.<br />

Anschrift:<br />

EUROPA-<strong>UNION</strong> DEUTSCHLAND, Bachstraße 32,<br />

53115 Bonn<br />

Internet: http://www.europa-union.de<br />

(ebenso: JEF, Junge Europäische Föderalisten,<br />

im Internet: http://www.jef.de)<br />

Literatur:<br />

Koppe, K.-H.: Das grüne E setzt sich durch. 20 Jahre Europa-<br />

Union Deutschland 1946–1966. Köln 1967<br />

Loth, W. (Hg.): Die Anfänge der europäischen Integration<br />

1945–1950. Bonn 1990<br />

Mayne, R. u. a.: Federal Union: The Pioneers. History of<br />

Federal Union. Hound Millo, Macmillian 1990<br />

Europa-Union (Hg.): Charta der Europäischen Identität.<br />

Beschlossen in Lübeck am 28. 10. 1995 vom 41. Ordentlichen<br />

Kongress der Europa-Union Deutschland<br />

Dies.: 50 Jahre Europa-Union Deutschland. Beiträge zur<br />

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der<br />

Europäischen Union 1946–1996. Bonn 1998<br />

Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder,<br />

vom Bundesland Brandenburg 1991 gegründet mit<br />

dem Auftrag, eine Brückenfunktion zwischen Westund<br />

Osteuropa einzunehmen. Die deutsch-polnische<br />

Kooperation bildet den Kern dieser Universität; ein<br />

Drittel sind polnische Studenten. Der Name erinnert<br />

andievon1506bis1811inFrankfurtansässigeAlma<br />

mater Viadrina (lat. „die an der Oder gelegene“). Fa-<br />

314<br />

kultäten: Juristische, Kulturwissenschaftliche und<br />

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät.<br />

Europawahlen.1979wurdendieAbgeordnetendes<br />

Europäischen Parlaments erstmals direkt gewählt<br />

(�Direktwahl zum Europäischen Parlament). Der<br />

fünfjährigen Legislaturperiode entsprechend haben<br />

sich die Europawahlen 1984, 1989, 1994, 1999 und<br />

2004 (zur sechsten Legislaturperiode) wiederholt.<br />

Einheitliches Wahlverfahren für Europawahlen.<br />

Nach Art. 190 Abs. 4 EGV muss das EP einen Entwurf<br />

für allgemeine, unmittelbare Wahlen nach einheitlichem<br />

Verfahren in allen Mitgliedstaaten ausarbeiten.<br />

Die entsprechenden Bestimmungen werden<br />

nach Zustimmung des EP vom Rat einstimmig erlassen<br />

und müssen von den Mitgliedstaaten ratifiziert<br />

werden. Der Akt zu Einführung der direkten Wahlen<br />

zum EP vom 20. 9. 1976 (76/787) sah lediglich einheitliche<br />

Termine für die Wahlen vor und bestimmte<br />

in Art. 7 Abs. 2, dass bis zum Erlass einheitlicher Bestimmungen<br />

in jedem Mitgliedstaat die innerstaatlichen<br />

Vorschriften für Wahlen zum EP gelten.<br />

DiezunächstvomEPvorgelegtenEntwürfescheiterten<br />

lange Zeit an der fehlenden Einstimmigkeit im<br />

Rat.SogaltenbiszurWahlimJahr1999nachwievor<br />

die innerstaatlichen Wahlverfahren, die in Großbritannien<br />

(ohne Nordirland) das Mehrheitswahlrecht,<br />

in allen anderen EU-Staaten das Verhältniswahlrecht<br />

vorsahen.<br />

Nachdem der �Vertrag von Amsterdam für den Entwurf<br />

für Wahlen nicht mehr, wie der Maastrichter<br />

Vertrag, ein einheitliches Verfahren verlangte, sondern<br />

auch ein Verfahren ermöglichte, das „im Einklang<br />

mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen<br />

Grundsätzen“ steht (Art. 190 EGV), hat das EP am<br />

15. 7. 1998 einen neuen Vorschlag verabschiedet.<br />

Auf dieser Basis beschloss der Rat am 25. 6. und 23.<br />

9. 2002 eine Änderung des Direktwahlaktes von<br />

1976(ABl.L283/2002).DienationalenGesetzgeber<br />

(auch in den zehn Beitrittsländern) setzten die Vorgaben<br />

in ihre jeweiligen Wahlgesetze um, wobei sie<br />

einen gewissen Spielraum ausnutzen konnten. Damit<br />

galt für die Europawahl 2004 erstmals ein Verfahren<br />

nach gemeinsamen Grundsätzen: Einheitlich<br />

sind, neben dem Termin, das Verhältniswahlrecht<br />

auf der Grundlage von Listen (Ausnahme: Nordirland<br />

und Irland, wo das Verhältniswahlrecht mit<br />

übertragbaren Einzelstimmen gilt), die Bestimmungen<br />

über die Unvereinbarkeit eines EP-Mandats mit


einem nationalen Mandat (mit einer AusnahmeregelungfürGroßbritannienundIrlandbis2009).Andere<br />

Bestimmungen, z. B. über das Wahlalter, die Wahlpflicht,<br />

die Sperrklauseln (bis zu 5 %) oder die VergabevonVorzugsstimmenkönnenvonStaatzuStaat<br />

variieren. Regionalen Besonderheiten (z. B. der<br />

Existenz sprachlicher Minderheiten) kann durch<br />

Sonderbestimmung Rechnung getragen werden, soweit<br />

diese den Grundsatz der Verhältniswahl nicht in<br />

Frage stellen. Nicht verwirklicht wurde bisher der im<br />

Entwurf des EP enthaltene Vorschlag, dass „ein bestimmter<br />

Prozentsatz der Sitze nach dem Verhältniswahlsystem<br />

im Rahmen eines einzigen, aus dem Gebiet<br />

der Mitgliedstaaten gebildeten Wahlkreises verteilt<br />

werden könnte“. Das EP hat vorgeschlagen, für<br />

die Wahlen 2009 zehn Prozent der Sitze auf diese<br />

Weise zu vergeben.<br />

EuropeAid ist ein am 1. 1. 2001 auf Beschluss der<br />

Kommission geschaffenes Amt für Zusammenarbeit<br />

im Bereich der Außenbeziehungen der EU. Das Amt<br />

verwaltet die aus dem Haushalt der EU und dem �EuropäischenEntwicklungsfonds(EEF)fürdieAußenhilfe<br />

bereitgestellten Finanzmittel und ist für alle<br />

Stufen der einzelnen Programme und Projekte verantwortlich,<br />

von der Auswahl und Prüfung bis zur<br />

Evaluierung. Zuständig sind die GD Außenbeziehungen,<br />

Handel, Entwicklung und Erweiterung der<br />

Kommission. Für Maßnahmen der Soforthilfe bei<br />

Katastrophen und in bewaffneten Konflikten ist<br />

�ECHO zuständig, das Amt für humanitäre Hilfe.<br />

European Banking Industry Committee (EBIC),<br />

im Januar 2004 in Brüssel gegründeter Ausschuss,<br />

der die Interessen der europäischen Kreditwirtschaft<br />

gegenüber EU-Institutionen vertreten will.<br />

European Business Information Centres<br />

(EBIC), von Delegationen der Kommission oder<br />

Handelskammern der EU-Staaten in Asien eingerichtete<br />

Informationszentren für die Wirtschaft.<br />

European Credit Transfer System (ECTS). Europäisches<br />

System zur Anrechnung, Übertragung und<br />

Akkumulierung von Studienleistungen im Rahmen<br />

des �Sokrates-Programms (ursprünglich des Erasmus-Programms).1989eingeführtzurAnerkennung<br />

von Studienaufenthalten an Hochschulen in allen<br />

EU-Staaten. Inzwischen weiter entwickelt zu einem<br />

System der Akkumulierung von Studienleistungen<br />

der Vollzeitstudenten auf Basis eines für Studiengänge<br />

entwickelten, in Zeiteinheiten aufgeteilten<br />

Arbeitspensums(Vorlesungen,Seminare,Selbststudium,<br />

Prüfungen) mit festgelegten Lernergebnissen<br />

und zu erwerbenden Kompetenzen. Für StudienleistungenwerdenKreditpunktevergeben(inderRegel<br />

30 für ein Semester), die von allen am ECTS teilnehmenden<br />

Hochschulen anerkannt werden. �Bologna-Prozess<br />

European Governance �Governance<br />

European Society<br />

European Policy Center (EPC) ist ein unabhängiges,<br />

gemeinnütziges Forschungsinstitut (Think<br />

Tank) für europäische und globale Politik und arbeitet<br />

seit 2002 mit der König-Baudouin-Stiftung<br />

(KBS) zusammen. Allgemeine Ziele der Arbeit sind<br />

das Erreichen demokratischerer und effizienterer<br />

Formen von Governance in der EU, die Entwicklung<br />

einereuropäischenIdentitätunterUnionsbürgernsowie<br />

engere Zusammenarbeit zwischen Entscheidungsträgern<br />

und der �Zivilgesellschaft. Das EPC<br />

und die KBS veranstalten Seminare und Konferenzen,<br />

analysieren und forschen auf dem Gebiet der Politik<br />

und geben Publikationen heraus.<br />

Anschrift: 155 Rue de la Loi, B-1040 Brüssel<br />

Internet: www.theepc.be; König-Baudouin-Stiftung:<br />

www.kbs-frb.be<br />

European Schoolheads Association (ESHA),<br />

Europäische Schulleitervereinigung, 1988 gegründet<br />

mit Unterstützung der EU. Die Mitglieder verfolgen<br />

das Ziel, den Begriff der �Europäischen Dimension<br />

und der �Unionsbürgerschaft in ihren Schulen<br />

zu verwirklichen. Zusammen mit dem European<br />

Schoolnet und der Europäischen Kommission verfolgt<br />

ESHA seit 2000 das Kooperationsprojekt<br />

School Managers Centre, die europäische Plattform<br />

für Schulleiter, im Rahmen des �Sokrates-Programms.<br />

Internet: www.eun.org/sites/esha.org<br />

European Society for Research on the Education<br />

of Adults (ESREA, Europäische Gesellschaft<br />

zur Forschung in der Erwachsenenbildung). Die Gesellschaft<br />

fördert theoretische und empirische Studien<br />

zur Erwachsenenbildung und verbreitet deren<br />

Ergebnisse.<br />

Anschrift: Wassenaarseweg 52, NL–2333 AK Leiden<br />

315


European Space Agency<br />

European Space Agency (ESA/Europäische<br />

Weltraumorganisation)<br />

1. Ziel: Die Organisation will laut Gründungsübereinkommen<br />

die Zusammenarbeit europäischer Staaten<br />

für ausschließlich friedliche Zwecke in der Weltraumforschung,<br />

der Weltraumtechnik und ihren<br />

weltraumtechnischen Anwendungen im Hinblick<br />

auf deren Nutzung für die Wissenschaft und für operationelle<br />

Anwendungssysteme sicherstellen und<br />

entwickeln.<br />

2. Historische Entwicklung<br />

2.1 ESRO (European Space Research Organization):<br />

1964 gründeten zehn europäische Staaten (Belgien,<br />

die Bundesrepublik Deutschland, Dänemark,<br />

Frankreich, Italien, die Niederlande, die Schweiz,<br />

Schweden, Spanien und das Vereinigte Königreich)<br />

die ESRO (Europäische Organisation für Weltraumforschung).<br />

Die ESRO entwickelte erfolgreich zahlreiche Forschungssatelliten.<br />

1971 wurden die Aufgaben der<br />

Organisation erweitert durch die Aufnahme von Anwendungsprogrammen<br />

im Bereich der Meteorologie,<br />

der Telekommunikation und der Aeronautik.<br />

Zwei Jahre später führte ein zweiter �„package deal“<br />

die Entwicklung einer vollkommen neuen Trägerrakete,<br />

der Ariane, eines bemannten Weltraumlabors,<br />

das unter deutscher Federführung entwickelte Spacelab,<br />

sowie des experimentellen Seefunk-Satelliten<br />

MAROTS unter das Dach der ESRO.<br />

2.2 ELDO (European Launcher Development Organization):<br />

Etwa zur gleichen Zeit wie die ESRO<br />

wurde auf Initiative Großbritanniens eine zweite Organisation,dieELDO(EuropäischeOrganisationfür<br />

die Entwicklung und den Bau von Raumfahrzeugträgern)<br />

gegründet, die ihre Tätigkeit im Frühjahr 1964<br />

aufnahm. Ziel der ELDO war die gemeinsame Entwicklung<br />

und der Bau einer europäischen Trägerrakete.<br />

An dieser Organisation beteiligten sich Belgien,<br />

Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland,<br />

Großbritannien, Italien, die Niederlande sowie Australien.<br />

Nach mehreren erfolglosen Startversuchen mit der<br />

Europa-Trägerrakete verloren die an diesem Projekt<br />

beteiligten Regierungen das Vertrauen in das glücklose<br />

Unternehmen. Nach der Liquidation der ELDO-<br />

Programme wurde die Organisation am 31. 5. 1975<br />

mit der ESRO zur heutigen ESA fusioniert.<br />

3. Struktur und Aufgaben der ESA: Der ESA gehören<br />

heute 17 Mitgliedstaaten an: Belgien, Dänemark,<br />

316<br />

Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland,<br />

Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen,<br />

Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien,<br />

Vereinigtes Königreich; mit Kanada besteht ein Kooperationsvertrag,<br />

der eine begrenzte Mitwirkung an<br />

den Programmen und in den Organen der ESA ermöglicht.<br />

Zu diesen Organen zählt der Rat, der aus Vertretern<br />

der Mitgliedstaaten besteht und die Politik der Organisation<br />

bestimmt. Die deutschen Raumfahrtinteressen<br />

werden darin vom Deutschen Zentrum für Luftund<br />

Raumfahrt (DLR) wahrgenommen. Der Rat ernennt<br />

für eine bestimmte Amtszeit einen Generaldirektor;<br />

diesem stehen in der Durchführung seiner<br />

Aufgaben fünf Programmdirektoren in den Bereichen<br />

Wissenschaftsprogramm, Erdbeobachtungsprogramme,<br />

EU- und Industrieprogramme, Raumfahrzeugträgerprogramme,<br />

Programme für bemannte<br />

Raumfahrt, Schwerelosigkeitsforschung und Exploration<br />

sowie vier Unterstützungsdirektoren für<br />

Technisches und Qualitätsmanagement, Ressourcenmanagement,<br />

Betrieb und Infrastruktur sowie<br />

Außenbeziehungen zur Seite.<br />

Der Rat hat zur Formulierung und Kontrolle der Programme<br />

mehrere Programmräte eingerichtet, in die<br />

jedes am betreffenden Programm beteiligte Mitgliedsland<br />

fachkundige Vertreter entsendet. Zur Beratung<br />

programmübergreifender Verwaltungsfragen<br />

hat der Rat zudem einen Verwaltungs- und Finanzausschuss<br />

eingerichtet.<br />

Ein weiterer Ausschuss beschäftigt sich mit industriepolitischen<br />

Fragen.<br />

Die ESA hat ihren Sitz in Paris mit etwa 320 ständigen<br />

Mitarbeitern, die überwiegend Verwaltungsund<br />

Stabsfunktionen wahrnehmen. Daneben hat die<br />

Organisation mehrere Niederlassungen in den Mitgliedsländern.<br />

Das technische Zentrum ESTEC (European<br />

Space Research and Technology Centre) mit<br />

ca. 1100 ständigen Mitarbeitern ist in Noordwijk<br />

(Niederlande) angesiedelt. Hier steuern und überwachen<br />

Wissenschaftler und Ingenieure die Entwicklung<br />

der Projekte in der Industrie, überprüfen die Satelliten<br />

in eigenen großen Testanlagen auf ihre Funktionsfähigkeit<br />

und betreiben Wissenschaft und Forschung.<br />

Das Satellitenkontrollzentrum ESOC (European<br />

Space Operations Centre) hat seinen Sitz in Darmstadt.<br />

Von dort aus werden Bodenstationen auf der<br />

ganzen Welt gesteuert sowie die von den Satelliten


übermittelten Daten gesammelt und an die Benutzer<br />

weitergegeben. ESOC hat bisher 51 Satelliten für die<br />

ESA und später für �Eutelsat, �Eumetsat und �Inmarsat<br />

betrieben. Zur Erfüllung dieser Aufgaben<br />

sind in Darmstadt 235 ständige Mitarbeiter tätig.<br />

Das Informationszentrum ESRIN (European Space<br />

Research Institute) in Frascati bei Rom sammelt, archiviert,<br />

katalogisiert und verteilt die von Erderkundungs-<br />

und Forschungssatelliten aufgenommenen<br />

Daten. Außerdem ist dort das Projektmanagement<br />

fürdieVega-Raketeangesiedelt.InESRINsindetwa<br />

150 ständige Mitarbeiter beschäftigt.<br />

Schließlich unterstützt die ESA die von Frankreich<br />

betriebene Startbasis für Trägerraketen in Kourou<br />

(Französisch-Guayana). Als jüngste Einrichtung<br />

wurde 1990 in Köln-Porz das Europäische Astronautenzentrum<br />

EAC (European Astronaut Centre) errichtet.<br />

Die Aktivitäten der ESA werden größtenteils durch<br />

Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert. Das Budget<br />

(2004) lag bei ca. 2,7 Mrd. Euro. Frankreich zahlt mit<br />

29,7 % am meisten in den ESA-Haushalt. Der Beitrag<br />

Deutschlands beläuft sich mit 22,4 % auf 510<br />

Mio. Euro. An dritter Stelle tragen die Italiener<br />

11,8 % bei. Von den 2,7 Mrd. Euro gehen 85 bis 90 %<br />

als Aufträge für Projekte und technische Entwicklungen<br />

direkt an die europäische Industrie und – in<br />

kleinerem Umfang – auch an nationale Weltraumorganisationen,<br />

Universitäten und Forschungsinstitute.<br />

4. Programme: Es gibt Pflicht- und Wahlprogramme<br />

der ESA. Am Pflichtprogramm, zu dem der allgemeine<br />

Haushalt sowie das Wissenschaftsprogramm<br />

gehören, muss sich jeder Mitgliedstaat mit einem<br />

nach seinem Bruttosozialprodukt bemessenen Beitrag<br />

beteiligen.<br />

Der Anteil des wissenschaftlichen Programms am<br />

Gesamtbudget der ESA liegt bei 14 %. Der Finanzierungsmodus<br />

der fakultativen Programme, zu denen<br />

die Programme im Bereich der Erdbeobachtung, Telekommunikation,<br />

Navigation, Mikrogravitation,<br />

Bemannte Raumfahrt und Trägersysteme gehören,<br />

sieht dagegen vor, dass die Beteiligung der Mitgliedstaaten<br />

gemäß ihren Interessen in beliebiger Höhe –<br />

was auch die Nichtbeteiligung an bestimmten Programmen<br />

einschließt – erfolgen kann.<br />

Im Rahmen der ESA wurden bisher eine Reihe von<br />

wissenschaftlichen Missionen durchgeführt und<br />

mehrere Satelliten für Telekommunikation, Meteo-<br />

Europol<br />

rologie und Fernerkundung erfolgreich gestartet.<br />

Außerdem entwickelte die ESA die europäische Trägerrakete<br />

Ariane (die bei insgesamt 163 Starts 221<br />

Nutzlasten im Orbit platziert hat, Stand: November<br />

2004), das unter deutscher Federführung gebaute<br />

Spacelab sowie die wiederverwendbare Plattform<br />

Eureca(Weltraumpolitik). H. O.<br />

Anschrift: 8–10 rue Mario Nikis, 75738 Paris Cedex 15<br />

Internet: www.esa.int<br />

Europe Direct. EU-weit eingerichtetes Informationsnetz<br />

mit 400 Informationszentren in allen<br />

EU-Staaten. Träger sind in der Regel Handelskammern<br />

oder kommunale Behörden. Europe Direct ersetzt<br />

seit Mai 2005 die bisherigen Informationsstellen<br />

�Info-Points (für städtische Gebiete) und Carrefours<br />

(für den ländlichen Raum). Anfragen werden<br />

mündlich oder schriftlich beantwortet. Gebührenfrei<br />

(vom Festnetz) ist das „Europe Direct Kontaktzentrum“<br />

unter 0800/67891011 aus allen 25 Staaten von<br />

9 bis 18.30 MEZ zu erreichen.<br />

Internet: http://europa.eu.int/europedirect<br />

Europol, Europäisches Polizeiamt. Europol unterstützt<br />

als Datensammlungszentrale die polizeiliche<br />

Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung<br />

schwerwiegender internationaler Kriminalität,<br />

um Europa als �Raum der Freiheit, der Sicherheit<br />

und des Rechts zu verwirklichen (Art. 29<br />

Abs. 2, 1. Spiegelstrich EUV). Von Europol unabhängig<br />

ist das Schengener Informationssystem<br />

(SIS), das im Rahmen der Schengener Verträge entwickelt<br />

wurde.<br />

1. Entwicklung. Im Maastrichter Vertrag wurde die<br />

Einrichtung eines europäischen Polizeiamtes zum<br />

europaweiten Austausch von Daten auf Basis zwischenstaatlicher<br />

Zusammenarbeit beschlossen. Vorläufer<br />

von Europol war die Europäische Antidrogen-Stelle<br />

(EDS), die schon Anfang 1994 ihre Tätigkeit<br />

im Bereich Drogenbekämpfung aufnahm. Die<br />

Mitgliedstaaten richteten mit dem Europol-Übereinkommen<br />

vom 26. 7. 1995 (ABl. C 316/ 1995)<br />

schließlich das Europäische Polizeiamt mit Sitz im<br />

Haag ein, welches am 1. 7. 1999 seine Tätigkeit aufnahm<br />

und die EDS ablöste. Seitdem wurde der Aufgabenbereich<br />

von Europol zunehmend erweitert.<br />

2. Organisation. Europol ist kein Organ der EU, sondern<br />

ein eigenständiges Instrument intergouvernementaler<br />

Zusammenarbeit mit eigener Rechtsper-<br />

317


Europol<br />

sönlichkeit. Jeder Mitgliedstaat errichtet oder ernennt<br />

eine „nationale Stelle“, welche die einzige<br />

Verbindungsstelle zwischen Europol und den zuständigen<br />

nationalen Behörden bei der Europol-Zusammenarbeit<br />

ist (Art. 4 des Übereinkommens).<br />

Die Aufgaben der nationalen Stelle werden in<br />

Deutschland vom Bundeskriminalamt wahrgenommen.<br />

Die Mitgliedstaaten entsenden Verbindungsbeamte<br />

zu Europol, welche für den reibungslosen Informationsaustausch<br />

zwischen der nationalen Kontaktstelle<br />

und Europol sorgen.<br />

3. Aufgaben gem. Art. 30 Abs. 2 EUV und Art. 3 des<br />

Europol-Übereinkommens. Europol ist für den Informationsaustausch<br />

in bestimmten Gebieten der internationalen<br />

Kriminalität zuständig – neben illegalem<br />

Drogenhandel, illegalem Handel mit nuklearen<br />

und radioaktiven Substanzen, Schleuserkriminalität,<br />

Kraftfahrzeugkriminalität, Menschenhandel<br />

einschl. Kinderpornographie, Terrorismus, Geldfälschung<br />

und Geldwäsche auch alle im Anhang zum<br />

Europol-Übereinkommen aufgezählten Formen<br />

schwerer Kriminalität. Europol soll zu diesem<br />

Zweck Informationen sammeln, zusammenstellen<br />

und analysieren, die nationalen Stellen über Straftaten<br />

unterrichten und die Ermittlungen der nationalen<br />

Polizeibehörden unterstützen.<br />

Darüber hinaus unterhält Europol Datenbanken mit<br />

Informationen über Personen, die einer Straftat verdächtig<br />

sind, wegen einer solchen Tat verurteilt sind<br />

oder bei denen die Gefahr der Begehung einer Straftat<br />

besteht (Art. 8 des Übereinkommens). Die Informationen<br />

können sowohl von den Mitgliedstaaten<br />

als auch von Europol in die Datenbank eingespeist<br />

werden.<br />

Über den reinen Informationsaustausch hinaus hat<br />

Europol noch keine operativen Befugnisse. Die Aufgaben<br />

des Europäischen Polizeiamtes werden aber<br />

zunehmend ausgeweitet: Zum einen entwickelt Europol<br />

spezifisches Fachwissen, mit welchem die<br />

Mitgliedstaaten bei Ermittlungen gegen organisierte<br />

Kriminalität unterstützt werden können. Darüber<br />

hinaus ist vorgesehen, dass Europol die Polizeiarbeit<br />

gemeinsamer Ermittlungsgruppen mehrerer Mitgliedstaaten<br />

koordinieren und ggf. sogar durch Teilnahme<br />

eigener Bediensteten unterstützen kann.<br />

4. Würdigung.<br />

a) Datenschutzproblematik. Sowohl die Mitgliedstaaten<br />

als auch Europol sind dem Datenschutz verpflichtet,<br />

welcher in Art 13 ff. des Übereinkommens<br />

318<br />

eine eingehende Regelung erfährt. Wichtig ist, dass<br />

PrivatpersonennachArt.19und20desÜbereinkommens<br />

Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsansprüche<br />

hinsichtlich der sie betreffenden, bei Europol<br />

gespeicherten Daten geltend machen können.<br />

Die Tätigkeit der nationalen Stellen wird von Nationalen<br />

Kontrollstellen überwacht (Art. 23 des Übereinkommens).<br />

Diese Aufgabe nimmt in Deutschland<br />

der Bundesbeauftragte für Datenschutz wahr (Art. 2<br />

§ 6 EuropolG). Gegen seine Entscheidungen steht<br />

der Rechtsweg offen.<br />

Problematisch ist indes die Rechtsaufsicht über die<br />

Tätigkeit von Europol selbst, die von einer aus Vertretern<br />

der nationalen Kontrollinstanzen gebildeten<br />

Gemeinsamen Kontrollinstanz ausgeübt wird (Art.<br />

24 des Übereinkommens). Ihre Entscheidungen über<br />

Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsansprüche<br />

sind gem. Art. 24 Abs. 7 rechtskräftig, also ist dagegen<br />

kein Rechtsweg gegeben. Da die Gemeinsame<br />

Kontrollinstanz aber kein Gericht ist, wurde in diesem<br />

Zusammenhang diskutiert, ob den grundgesetzlichen<br />

Vorgaben aus Art. 23, 79 GG an einen gleichwertigen<br />

Grundrechtsschutz gegen die Tätigkeit von<br />

Europol entsprochen wird.<br />

b) Demokratiedefizit. Die Bediensteten von Europol<br />

genießen Immunität gem. Art. 41 des Übereinkommens<br />

und nach Maßgabe des Immunitätenprotokolls<br />

(ABl. C 316/1997). Hinzu kommt, dass sie nach Art.<br />

30 des Übereinkommens keinen Weisungen im Verhältnis<br />

zu den Organen der Union oder den mitgliedstaatlichen<br />

Regierungen unterliegen. Je einschneidendere<br />

Befugnisse Europol aber erhält, desto notwendigerwirdeineAnbindunganeinedemokratisch<br />

legitimierte Kontrollinstanz. Schon gegenwärtig ist<br />

– durchaus berechtigt – gefragt worden, ob die Rückkoppelung<br />

von Europol an die mitgliedstaatlichen<br />

Parlamente ausreichend ist.<br />

5. Ausblick. Das Europäische Polizeiamt könnte in<br />

Zukunft über eine bloße Datensammlungszentrale<br />

hinaus zu einer europäischen Staatsanwaltschaft<br />

ausgebaut werden. Eine bessere justitielle Einbindung<br />

von Europol ist wünschenswert – und wird mit<br />

zunehmender Erweiterung der Befugnisse im operativen<br />

Bereich zu einer rechtsstaatlichen Notwendigkeit.<br />

J. I.<br />

Literatur:<br />

Frowein, J. A./Krisch, N.: Der Rechtsschutz gegen Europol.<br />

In: JZ 1998, 598<br />

Ostendorf, H.: Europol – ohne Rechtskontrolle?<br />

In: NJW 1997, 3418


Zieschang, F.: Der Austausch personenbezogener Daten<br />

mittels Europol. In: ZRP 1996, 427<br />

Euroregionen �Euregio<br />

Eurostat nennt sich das Statistische Amt der EuropäischenGemeinschaftenmitSitzinLuxemburg,ursprünglich<br />

durch Beschluss der Hohen Behörde der<br />

Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl<br />

vom 1. 10. 1952 gegründet. Das Amt sammelt und<br />

analysiert Daten der europäischen statistischen Ämter,<br />

stellt sie in vergleichbarer und harmonisierter<br />

Form zusammen und veröffentlicht sie unter verschiedenen<br />

thematischen Bereichen und Reihen.<br />

Seit 1. 10. 2004 ist der Zugang zu allen Datenbanken<br />

und elektronischen Publikationen von eurostat kostenlos.<br />

Anschrift: Bâtiment Jean Monnet, Rue Alcide de Gasperi,<br />

L–2929 Luxemburg<br />

Internet: http://epp.eurostat.cec.eu.int<br />

Eurosystem. Der Begriff des Eurosystems bezeichnet<br />

den Verbund aus der �Europäischen Zentralbank<br />

(EZB) und den nationalen �Zentralbanken<br />

(NZBen) der Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union, die den Euro bereits eingeführt haben. Im<br />

�Europäischen System der Zentralbanken (ESZB)<br />

erfüllt das Eurosystem seine grundlegenden Aufgaben,<br />

insbes. die Festlegung und Ausführung der einheitlichen<br />

Geldpolitik im Eurowährungsgebiet. Das<br />

Eurosystem bildet somit den zentralen Teil des<br />

ESZB. Es wird von den Beschlussorganen der EZB,<br />

dem �EZB-Rat und dem Direktorium der EZB geleitet.<br />

Der EZB-Rat führte den Begriff des Eurosystems<br />

ein, um damit die komplexe Struktur des europäischen<br />

Zentralbankwesens in der Öffentlichkeit<br />

leichter verständlich zu machen. Die UnterscheidungzwischenESZBundEurosystemistnotwendig,<br />

solange der Euro nicht in allen EU-Mitgliedstaaten<br />

eingeführtist. J. St./I W.-Sch.<br />

EUROTRA (Programme Européen de Traduction<br />

automatique de conception avancée), von 1982 bis<br />

1994 von der EU gefördertes Forschungsvorhaben<br />

zur Weiterentwicklung von Systemen (wie �Systran)<br />

zur maschinellen Übersetzung natürlicher<br />

Sprachen.<br />

Eurovision. Europäische Rundfunk- und Fernsehanstalten<br />

haben sich im Februar 1950 im Kooperationsverbund<br />

EBU (European Broadcasting Union,<br />

EURYDICE<br />

Union der Europäischen Rundfunkorganisationen)<br />

zwecks Programmaustausch und Veranstaltung von<br />

Gemeinschaftssendungen zusammengeschlossen<br />

(�Medienpolitik). Ziel des Zusammenschlusses ist<br />

die Nutzenmaximierung, d. h. die angeschlossenen<br />

Anstalten haben kostengünstigen Zugang zu Programm-Material,<br />

das in Eigenregie der einzelnen<br />

Sender gar nicht oder nur mit erheblichem Aufwand<br />

zu realisieren wäre. Die Programmkoordination hat<br />

ihren Sitz in Genf, die technische Koordination in<br />

Brüssel, die deutsche Zentrale sitzt in Köln.<br />

Das Eurovisions-Netzwerk der EBU wurde 1954<br />

eingerichtet. Die Erkennungsmelodie stammt aus<br />

dem „Te Deum“ von Marc-Antoine Charpentier. Die<br />

erste Eurovisionssendung wurde am 6. 6. 1954 ausgestrahlt<br />

mit einer Live-Übertragung des Narzissenfestes<br />

in Montreux. Die erste große Gemeinschaftssendung<br />

war im Juni/Juli 1954 die Übertragung der<br />

Fußballweltmeisterschaft aus der Schweiz. Seit<br />

1961 Programmaustausch mit der Intervision, dem<br />

Netzwerk der Internationalen Rundfunk- und Fernsehorganisationen<br />

des damaligen Ostblocks, seit<br />

1993 mit ihr fusioniert. Heute hat die EBU als aktive<br />

Mitglieder 72 Sender in 52 Ländern Europas, Nordafrikas<br />

und des Mittleren Ostens, außerdem 50 assoziierte<br />

Mitglieder in 30 weiter entfernten Ländern.<br />

Die Eurovision überträgt über Eutelsat-Satellit und<br />

mehr als 50 digitale Kanäle permanent Nachrichten<br />

und Live-Programme aus Sport, Kultur und Unterhaltung.<br />

Seit 1956 veranstaltet Eurovision jährlich<br />

den „Grandprix d’Eurovision de la Chanson“, heute<br />

„Eurovision Song Contest“ genannt.<br />

Anschrift: European Broadcasting Union,<br />

17A Ancienne Route, CH-1218 Grand-Saconnex<br />

Internet: www.eurovision.net; www.ebu.ch<br />

Eurozone bezeichnet die Gesamtheit der Mitgliedstaaten<br />

der EU, die an der 3. Stufe der Währungsunion<br />

teilnehmen und den Euro als alleiniges gesetzliches<br />

Zahlungsmittel eingeführt haben. Das sind<br />

Mitte 2005: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich,<br />

Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die<br />

Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien.<br />

EURYDICE ist das Informationsnetz zum Bildungswesen<br />

in Europa. Es besteht seit 1980 und ist seit<br />

1995 Bestandteil des �Sokrates-Programms. Zentrale<br />

ist die Europäische Informationsstelle in Brüssel,<br />

die alle Daten und Informationen koordiniert, die<br />

von nationalen Informationsstellen (Bildungsminis-<br />

319


Eutelsat<br />

terien) aller Staaten gesammelt und analysiert werden,<br />

die am Sokrates-Programm teilnehmen.<br />

AufgabeistderInformationsaustauschüberSysteme<br />

und Maßnahmen im Bildungsbereich, besonders auf<br />

zwei Gebieten: Information zur Bildungspolitik der<br />

Mitgliedstaaten und über den Aufbau der Bildungssysteme<br />

von der Vorschulerziehung bis zur Hochschulbildung<br />

(insbes. der Lehrerbildung) mit vergleichenden<br />

Analysen; Information über die Gemeinschaftspolitik<br />

in den Bereichen allgemeine und<br />

berufliche Bildung. Statistische Daten werden über<br />

die Datenbank Eurybase zur Verfügung gestellt.<br />

Eurydice arbeitet zusammen mit �Cedefop und mit<br />

der�EuropäischenStiftungfürBerufsbildung.Eurydice<br />

unterstützt die Kommission bei der ZusammenarbeitmitOECDundUnesco.<br />

W. M.<br />

Internet: www.eurydice.org<br />

Eutelsat ist ein kommerzielles Unternehmen zur<br />

Übertragung von TV-Programmen über Satelliten.<br />

Eutelsat betreibt eine Flotte von 19 Satelliten in eigener<br />

Regie. �European Space Agency (ESA).<br />

Evolutivklausel. Die Evolutivklausel ist ein vertragliches<br />

Instrumentarium, eine rechtliche Offenheit<br />

für künftige Entwicklungen zu erzielen. Auf die-<br />

320<br />

se Weise soll vermieden werden, dass ein Vertragswerk<br />

mit der Zeit zu einem starren System wird und<br />

mithin „versteinert“. Mit der Evolutivklausel einigen<br />

sich die Vertragsparteien bereits bei Vertragsschluss,<br />

ihren Vertrag ggf. später an bestimmte Entwicklungen<br />

anzupassen. Auch im Europarecht wird<br />

sich immer wieder solcher Klauseln bedient. Beispielsweise<br />

Art. 42 EUV eröffnet im Bereich der Polizeilichen<br />

und Justitiellen Zusammenarbeit die<br />

Möglichkeit einer vereinfachten und schnellen Vertragsänderung,<br />

um einzelne Materien aus der dritten<br />

Unions-Säule in den Bereich der gemeinschaftsrechtlichen<br />

ersten Säule zu überführen, weshalb diese<br />

Norm auch ein Beispiel für eine �„Passerelle“ ist.<br />

J. M. B.<br />

EWG-Klausel. Bevor die Außenhandelspolitik am<br />

1. 1. 1973 zur Gemeinschaftskompetenz geworden<br />

war, konnten Mitgliedstaaten der EWG noch nationale<br />

Handelsabkommen mit Drittstaaten schließen.<br />

Die Abkommen mussten jedoch eine Klausel enthalten,<br />

die eine Änderung des Abkommens zur Folge<br />

hatte, wenn die Gemeinsame Handelspolitik der<br />

EWG dies erfordern sollte. Die Klausel verhinderte<br />

somit ein Abweichen von der Gemeinsamen Handelspolitik.<br />

�Außenhandelspolitik

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