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Die Rhone Lebensader des guten Geschmacks

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Im Oberwallis heisst die <strong>Rhone</strong> Rotten. Als Wildbach beginnt er seine Reise Richtung Westen und rauscht durchs Goms.<br />

ohne Mörtel gebaut worden.<br />

<strong>Die</strong>se Technik beherrscht heute<br />

fast niemand mehr. <strong>Die</strong> Mauern<br />

müssen elastisch sein, denn sie<br />

sollen nicht nur die Terrasse halten<br />

und Bodenerosion verhindern,<br />

sondern auch helfen, das<br />

Wasser zu regulieren. Im Rebberg<br />

Cotzette bei Sion steht eine 18<br />

Meter hohe Trockensteinmauer.<br />

Durch Wallis und Waadt bis in<br />

den Genfersee rauscht die <strong>Rhone</strong><br />

in zumeist reguliertem Lauf. Im<br />

Talgrund wird Obst angebaut,<br />

Äpfel, Birnen und Aprikosen, an<br />

gewissen Stellen auch Weisser<br />

Spargel. Der Wein wächst an den<br />

Hängen und auf Schuttkegeln,<br />

die durch Ablagerungen von Felsstürzen<br />

entstanden sind, zum Beispiel<br />

in Salgesch. Im wuchtigen<br />

Längstal herrschen unterschiedliche,<br />

oft mediterrane Klimaverhältnisse<br />

mit heissem, trockenem<br />

Sommer und ausgedehntem<br />

Herbst – das ist einer der Gründe,<br />

warum im Wallis hervorragende<br />

Weine und Lebensmittel produziert<br />

werden können.<br />

6<br />

«Ich wollte die<br />

Welt verändern»<br />

Gespräch mit Madeleine Gay, der Önologin<br />

für Spezialitätenweine bei Provins Valais.<br />

Provins Valais ist der grösste<br />

einzelne Weinproduzent der<br />

Schweiz. <strong>Die</strong> Genossenschaft<br />

verarbeitet einen Viertel der Walliser<br />

Reben, was einem Zehntel der gesamtschweizerischen<br />

Traubenmenge<br />

entspricht. <strong>Die</strong> Angebotspalette von<br />

Provins enthält das ganze Spektrum –<br />

vom einfachen Basiswein bis zur Exklusivität<br />

eines Domaine-Weins, von<br />

einem Halbeli Fendant für 6.50 bis zu<br />

einer Flasche Domaine Tourbillon für<br />

fast das Zehnfache.<br />

Seit gut zehn Jahren verkörpert<br />

vor allem der Name Madeleine Gay<br />

das neue Image von Provins. <strong>Die</strong> Genossenschaft<br />

hat das Angebot von<br />

Spezialitätenweinen forciert, Gay hat<br />

sich mit ihrer Reihe Maître de Chais<br />

einen Namen als Spitzenönologin geschaffen,<br />

den Interessierte in der<br />

ganzen Schweiz kennen.<br />

Madeleine Gay ist auf der «Schattenseite»<br />

von Sion aufgewachsen, auf<br />

einem Bauernhof am Waldrand oberhalb<br />

der linken <strong>Rhone</strong>seite. <strong>Die</strong> Familie<br />

war Selbstversorger, baute<br />

Äpfel und Aprikosen an und besass<br />

zwei Kühe. Madeleine besuchte die<br />

Bauernschule, dann Changins. «Aber<br />

Winzerin wollte ich nie werden», erzählt<br />

sie, «ich wollte reisen, in Afrika<br />

den Menschen helfen. Ich wollte die<br />

Welt verändern.»<br />

Das hat sie – wenn auch nicht in<br />

Afrika. Aber wer nach bald drei Jahr-<br />

zehnten kontinuierlicher Aufbauarbeit<br />

heute von den konservativsten<br />

Walliser Rebbesitzern, den hartnäckigsten<br />

Macho-Winzern als «notre<br />

œnologue» bezeichnet wird, hat<br />

tatsächlich eine Welt verändert. Sie<br />

mag nicht so gross sein wie im<br />

Traum von einst, aber Madeleine<br />

Gays Weine sind ein kleines Weltreich<br />

an Geschmack und Finesse.<br />

Madeleine Gay, bedeutet Ihnen<br />

Fendant denn gar nichts?<br />

Madeleine Gay: Gewiss doch, ich trinke<br />

gerne Fendant, nur gab es vor<br />

30 Jahren davon schon ausreichende<br />

Mengen. Dabei war Chasselas bis<br />

1850 im Wallis nicht präsent, bis zur<br />

Ankunft der Eisenbahn. Vorher<br />

pflanzten die Leute ihre lokalen Rebsorten,<br />

die mit verschiedenen Migrationswellen<br />

gekommen waren. Es<br />

gab sogar Rebsorten aus der Zeit vor<br />

den Römern. Chasselas baute man<br />

vor 1850 vor allem rund um den<br />

Genfersee an, Austausch kannte man<br />

kaum. Im Wallis gabs Resi, La Rèse,<br />

Petite Arvine und Humagne Blanc,<br />

weiter die alten Landroten.<br />

Nach 1850 begannen die Leute öfters<br />

das Wallis zu verlassen und<br />

sahen Trauben, die viel grösser als<br />

ihre eigenen waren. <strong>Die</strong> Ertragsaussichten<br />

waren besser und regelmässiger<br />

als etwa bei Petite Arvine, einer<br />

zwar alten, aber ertragsarmen Sorte<br />

mit sehr kleinen Beeren, die ausserdem<br />

spät reifend und somit sehr heikel<br />

ist.<br />

Mit Chasselas entdeckte man, wie<br />

grössere Trauben und somit auch<br />

höhere Erträge zu gewinnen sind.<br />

<strong>Die</strong> Bahn dürfte aber auch den Markt<br />

übers Wallis hinaus geöffnet haben.<br />

Genau. Mit dem Zug konnte man<br />

den Wein nach Zürich verkaufen.<br />

Vorher nicht.<br />

Man trank den ganzen<br />

Walliser Wein im Wallis?<br />

Ja, beinahe. Es gab einen Austausch<br />

über die Berge. Nach Italien zum<br />

Beispiel, auf dem Rücken von Maultieren.<br />

Der Weinberg, der am nächsten am<br />

<strong>Rhone</strong>gletscher liegt, gedeiht im<br />

Schlossgarten <strong>des</strong> Stockalperpalastes<br />

in Brig. Den Heida, der dort wächst,<br />

vinifizieren Sie?<br />

Im Auftrag der Stockalper-Stiftung.<br />

Früher bestimmte die Familie Stockalper<br />

unsere Wirtschaft, sie besass<br />

das Salzmonopol. In Gondo auf der<br />

Simplonroute gibt es einen Turm, in<br />

dem die Stockalpers damals ein Lebensmittellager<br />

unterhielten. <strong>Die</strong> Bevölkerung<br />

lebte damals ziemlich eigenständig,<br />

war Selbstversorger –<br />

was fehlte und von Wert war, war<br />

Salz. Es gibt von Brig bis zum Genfersee<br />

immer noch einen Kanal, auf<br />

Brigerbad, am Fuss der südexponierten Lötschbergbahn-Rampe: Hier und in Brig wachsen<br />

die ersten Reblagen im Wallis, gut 50 Kilometer unterhalb <strong>des</strong> <strong>Rhone</strong>gletschers.<br />

7<br />

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