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BODENSEE<br />

Literatur Bodensee 24 x 32 cm<br />

Thomas Bichler | 25 s/w Fotografien | 24 zeitgenössische Autoren vom Bodensee<br />

Literatur<br />

Bodensee<strong>2018</strong><br />

24 zeitgenössische Autoren vom See<br />

25 schwarz-weiß Fotografien<br />

2-Wochen-Kalendarium<br />

Der Kalender zeigt auf jeweils zwei Wochen die<br />

unterschiedlichsten Stimmungen am See.<br />

Festgehalten in schwarz-weißer Bildsprache des<br />

Fotografen Thomas Bichler.<br />

Sie gehen mit den zum größten Teil unveröffentlichten<br />

Texten der 24 zeitgenössischen Autoren eine<br />

sprachliche Einheit ein.<br />

Um nur einige Autoren zu nennen:<br />

_Ulrike Blatter<br />

_Peter Blickle<br />

_Bruno Epple<br />

_Gaby Hauptmann<br />

_Jochen Kelter<br />

_Hermann Kinder<br />

_Ulrike Längle<br />

_Walter Neumann<br />

_Peter Salomon<br />

_Monika Taubitz<br />

PETER SALOMON<br />

Angler am See<br />

Im Morgengrau der See, grau in grau<br />

Kleine Wellen und Fetzen Nebel drüber<br />

Alles drängt und schiebt zur Brücke, zum Fluß.<br />

Ein leichter Regen mit kalten Tropfen<br />

Mittendrin Vogelgepiepe, ziemlich matt.<br />

Laub fl iegt durch die Gegend, die rauchige Luft.<br />

Jetzt riecht die Luft nach Meer, ölig und faulig.<br />

Bewegungslos schweben die Fische im Eimer.<br />

Ein Angler angelt von der Brücke, das ist neu!<br />

Juli<br />

Enten und Schwäne lauern unten auf Brot.<br />

Möwen zischen um seinen Kopf.<br />

Wie sanft das Wasser durch den Trichter rauscht –<br />

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355<br />

Rückwand<br />

ART.-NR. 747<br />

……um 9Uhr10 die „Austria“, um nach Lindau auf den Markt zu fahren. Der Morgen<br />

war frisch. Über dem Pfänder weidete eine Herde grau-weißer Schäfchenwolken, die<br />

der Sonne kein Durchkommen erlaubten. Anna Katharina trug ihren fellgefütterten<br />

Ledermantel und setzte sich auf einen der kalten Metallstühle am Bug. Außer ihr befand<br />

sich nur noch ein älterer grauhaariger Passagier im Freien. Auf halber Strecke zwischen<br />

Bregenz und Lindau schaffte es die Sonne, mit ihren Strahlenkrallen die Schäfchenwolkenherde<br />

auseinanderzuschieben. Bregenz versank in einem silbergrauen Dunstschleier,<br />

der See spannte sein hellblaues Tuch aus und kräuselte es in leichten Wellen.<br />

Als sie sich der Hafeneinfahrt näherten, der bekannten Zweiergruppe aus Leuchtturm<br />

und bairischem Löwen, hatte sie den Eindruck, dass Lindau auf großen Pfählen erbaut<br />

war: Die beiden Kirchtürme, der Leuchtturm und der Sockel des Löwen bohrten ihre<br />

leicht verzerrten Spiegelbilder wie Säulen in die Tiefe des Sees.<br />

Im Hafen ging sie von Bord. Am Anlegeplatz 2 lag die „Stuttgart“, die auf die Insel<br />

Mainau fahren würde. Anna Katharina ließ ihre Einkaufspläne fallen und beschloss<br />

weiterzufahren. Sie setzte sich wieder vorne an den Bug. Das Schiff war fast leer, nur<br />

der grauhaarige Passagier war wieder da. Bad Schachen konnten sie nicht anfahren,<br />

da der Wasserstand zu niedrig war; in Wasserburg mussten sie seitlich anlegen. Aber<br />

dort erlebte sie eine angenehme Überraschung: Auf dem Seezeichen Nr. 54 saß der<br />

erste Reiher des Jahres, ein silbergraues Prachtexemplar mit gelbem Schnabel.<br />

September<br />

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2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

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2<br />

3<br />

4<br />

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5<br />

ULRIKE LÄNGLE<br />

Aus der unveröffentlichten Fortsetzung des Romans „Seesucht“<br />

An einem Samstag im April bestieg Anna Katharina Matt …<br />

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15<br />

JOCHEN KELTER<br />

Die Trauer der Dinge<br />

Der Hafen liegt verlassen<br />

Gurren und Geschrei der Möwen<br />

Enten gedämpft wie Widerhall<br />

vom letzten Jahr vergangen<br />

die Platanen auf der Mole sind<br />

zurückgestutzt beschnitten ringsum<br />

die Hecken alle Raine Märzsonne<br />

wärmt und in den Schattenecken<br />

friert der Winter noch Gebein<br />

durch dünne Jacken Totholz brennt<br />

mit hohem Faden in den Himmel<br />

Moose werden weggeschält Mauern<br />

geschlämmt Läden angestrichen<br />

ins Fenster sticht ein kurzer blinder<br />

Sonnenstrahl das Winterland wird<br />

ausgeräumt die Katze trollt sich ohne<br />

Witterung über die leere Strasse mit<br />

einem Eimer kommt der Mann mit<br />

einem Besen geht die Frau Ordnung<br />

im März ist der Dinge alte Trauer<br />

6<br />

7<br />

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November<br />

GABY HAUPTMANN<br />

Stille.<br />

Es ist, als hielten alle den Atem an, …<br />

… die Natur, die Tiere, der Mensch. Der Tag ist verhangen. Nur in der<br />

Ferne kreist das kleine Licht der Sturmwarnung, aufgeregt, kaum zu sehen.<br />

Alles wartet. Wartet worauf?<br />

Auf die noch kältere Nacht? Auf den Sturm, der zu schläfrig ist, um sich zu<br />

erheben? Auf die diesige Sonne, die sich hinter den grauen Hügeln verbirgt?<br />

Nichts bewegt sich, nur die Wellen rollen leise ans Ufer. Langsam. Durchgefroren,<br />

wie es scheint. Noch ein paar frostige Tage und sie werden ein eisiges<br />

Kleid tragen. Dann sammeln sich die Schwäne, die Enten und Blesshühner<br />

im freien Wasserloch, vom Eis zusammengedrängt.<br />

Egal, ob die einheimischen Arten oder die fremden aus dem Norden mit den<br />

roten Köpfen. Das Eis schweißt sie zusammen.<br />

Der Mensch steht am Ufer. Frierend. Angewiesen auf Feuer und Kleidung.<br />

Er schlägt seinen Kragen hoch, denn seine bloße Haut wärmt ihn nicht. Und<br />

erkennt, dass er klein ist.<br />

Klein gegen die Natur, klein gegen den Sturm, klein gegen den Frost, klein<br />

gegen die, die den Winter draußen überleben. Einfach so.<br />

Und trotzdem denkt er: Wie schön ist diese winterliche Stille, diese Leere,<br />

die Einsamkeit der Landschaft.<br />

Dann sieht er hin zu den Schwänen, Enten und Blesshühnern.<br />

Bald werden sie friedlich zusammenrücken. Und er fragt sich:<br />

Wieso können wir das nicht?<br />

Dezember<br />

16 17 18 19 20 21 22 23<br />

24 25 26 27 28 29 30 31<br />

08 | STADLER KALENDER

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