Interview zum Thema Koi mit Martina Steger-Siess
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DAS MAGAZIN DES BANK AUSTRIA PRIVATE BANKING<br />
01 | JÄNNER 2017<br />
MARKT „Ein schwaches Pfund ist nicht nur schlecht“ 06<br />
SERVICE Risiko-Ertrags-Analyse: Sind Ihre Risiken es wert? 15<br />
SERVICE Vorsorgevollmacht: Die Kontrolle behalten 16<br />
Risiko – mein<br />
(neuer) Freund<br />
Sind höhere Risiken tatsächlich der blanke<br />
Horror oder doch auch eine Chance?
12<br />
MARKT<br />
Portfolio 04<br />
Fokus UK & US<br />
„Ein schwaches Pfund ist nicht nur schlecht“,<br />
glaubt Invescos Chefvolkswirt John Greenwood 06<br />
Gastkommentar von Peter Filzmaier:<br />
Brexit, was nun? 08<br />
Monitor: Was bedeutet der Sieg von Donald Trump? 09<br />
Fokus Risiko<br />
Infografik: Chancen und Gefahren 10<br />
Risiko – mein (neuer) Freund: Sind höhere Risiken<br />
tatsächlich der blanke Horror? 12<br />
SERVICE<br />
Sind Ihre Risiken es wert?<br />
Die neue Risiko-Ertrags-Analyse der Bank Austria 15<br />
Expertise: Die Kontrolle behalten<br />
Warum sich eine Vorsorgevollmacht lohnt 16<br />
Meine Devise: „Wertpapier-Menschen<br />
sind offene Menschen“<br />
Gabriele Groll berät die Berater 18<br />
LEBEN<br />
Mehrwert 20<br />
Wert & schön: „Ein <strong>Koi</strong> ist mehr als<br />
ein Fisch, nämlich ein Haustier“<br />
Was die japanischen Karpfen so teuer macht 22<br />
Kunstwerk 24<br />
02<br />
PERSPEKTIVEN 01|2017
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen<br />
und Leser,<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: UniCredit Bank Austria AG,<br />
Schottengasse 6–8, 1010 Wien<br />
Chefredaktion: Evelyn Grangl,<br />
Marion Morales Albiñana- Rosner,<br />
Pia Pumberger<br />
Redaktionsteam dieser Ausgabe:<br />
Stefan Bruckbauer, Winfried Blum, Peter<br />
Filzmaier, Ursula Rischanek, Florian Sedmak,<br />
Florian Streb, Julia Thiem<br />
Fotos: Coverbild: shutterstock/bizvector/<br />
Montage Egger & Lerch, wenn nicht anders<br />
angegeben UniCredit Bank Austria AG<br />
Gestaltung und Produktion:<br />
Elisabeth Ockermüller, Egger & Lerch,<br />
Vordere Zollamtsstraße 13, 1030 Wien<br />
Druck: Druckerei Samson<br />
Verlagsort: Wien<br />
Impressum und Offenlegung gemäß §§ 24,<br />
25 MedienG sind auf der Website der<br />
UniCredit Bank Austria AG unter<br />
http://impressum.bankaustria.at zu finden.<br />
Vorbehaltlich Satz- und Druckfehler<br />
Allgemeine Hinweise:<br />
Das vorliegende Kundenmagazin stellt keine<br />
Anlageberatung oder Anlageempfehlung dar.<br />
Insbesondere ist es kein Angebot und keine<br />
Aufforderung <strong>zum</strong> Abschluss einer Veranlagung.<br />
Es dient nur der Erstinformation und<br />
kann eine auf die individuellen Verhältnisse<br />
und Kenntnisse der Anlegerin bzw. des<br />
Anlegers bezogene Beratung nicht ersetzen.<br />
Jede Kapitalveranlagung ist <strong>mit</strong> einem Risiko<br />
verbunden. Wert und Rendite einer Anlage<br />
können plötzlich und in erheblichem Umfang<br />
steigen oder fallen und können nicht garantiert<br />
werden. Auch Währungsschwankungen<br />
können die Entwicklung des Investments<br />
beeinflussen. Es besteht die Möglichkeit, dass<br />
die Anlegerin bzw. der Anleger nicht die<br />
gesamte investierte Summe zurückerhält,<br />
unter anderem dann, wenn die Kapitalanlage<br />
nur für kurze Zeit besteht. Je länger der<br />
Anlagehorizont, umso geringer fallen kurzfristige<br />
Schwankungen ins Gewicht. Ihre<br />
Betreuerin bzw. Ihr Betreuer steht Ihnen<br />
gerne bei der Er<strong>mit</strong>tlung der für Sie passenden<br />
Veranlagungsstrategie zur Verfügung.<br />
wenn es um finanzielle Belange geht, sind die Österreicher<br />
als äußerst risikoscheu bekannt. Das ist sicherlich <strong>mit</strong> ein<br />
Grund, warum Anleger hier im internationalen Vergleich nur<br />
bescheidene Renditen erzielen. Nun, wo die Zinsen seit Jahren<br />
im Keller sind, befinden sich viele in der Zwickmühle: Sollen<br />
sie weiterhin konservativ anlegen und auf Rendite weitgehend<br />
verzichten oder sich aus ihrer Komfortzone bewegen und<br />
mehr riskieren?<br />
Wir wollen einen Ausweg aus der Zwickmühle bieten,<br />
indem wir die Komfortzone erweitern. Gefahren sind<br />
weniger beängstigend, wenn man sie rational analysieren<br />
und bewerten kann. Deshalb bieten wir Ihnen ab sofort<br />
eine Risiko-Ertrags-Analyse an und da<strong>mit</strong> professionelles<br />
Risikomanagement für jedes einzelne Private Banking<br />
Depot. Zur Einstimmung beschäftigt sich auch die aktuelle<br />
Titelgeschichte der „perspektiven“ <strong>mit</strong> der <strong>Thema</strong>tik.<br />
<strong>Thema</strong> in der aktuellen Ausgabe sind außerdem zwei<br />
Unsicherheitsfaktoren für die Entwicklung der Weltwirtschaft.<br />
Was bedeutet das Brexit-Votum und was der Ausgang der<br />
US-Wahl? Wir haben Experten um ihre Einschätzung gebeten.<br />
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen<br />
Robert Zadrazil<br />
CEO UniCredit Bank Austria AG<br />
Wichtige rechtliche Information –<br />
bitte lesen:<br />
Dies ist ein Kundenmagazin. Es dient lediglich<br />
der Information und ersetzt nicht eine<br />
individuelle, auf die persönlichen Verhältnisse<br />
abgestimmte Beratung. Es wurde von der<br />
UniCredit Bank Austria AG, Schottengasse 6–8,<br />
1010 Wien, nach bestem Wissen gestaltet.<br />
Sämtliche Angaben erfolgen trotz sorgfältiger<br />
Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der<br />
Autoren, der Herausgeber sowie des Verlages<br />
ist ausgeschlossen.<br />
03
MARKT<br />
PORTFOLIO<br />
„Ohne Risiko wird<br />
keine große und<br />
denkwürdige Tat<br />
vollbracht.“<br />
Terenz (2. Jahrhundert vor Christus), römischer Dichter<br />
12,2 Milliarden<br />
Franken kostete der im Sommer<br />
eröffnete Gotthard-Basistunnel.<br />
57 Kilometer<br />
ist er lang und so<strong>mit</strong> der längste<br />
Bahntunnel der Welt.<br />
Arbitrage<br />
[arbitrasch e ; frz.] die; -n: risikolose<br />
Ausnutzung von Preis-, Zinsoder<br />
Kursunterschieden an<br />
verschiedenen Handelsplätzen<br />
<strong>mit</strong> dem Zweck, einen Gewinn zu<br />
erzielen. Das führt dazu, dass diese<br />
Unterschiede kleiner werden.<br />
Arbitrageobjekte können <strong>zum</strong><br />
Beispiel Wertpapiere, Gold,<br />
Forderungen oder Handelswaren<br />
sein — Immobilien sind dagegen<br />
wegen Transaktionshemmnissen<br />
(z. B. Grundbucheintragung)<br />
ungeeignet.<br />
45 Minuten<br />
schneller kann man durch ihn<br />
die Schweizer Alpen queren.<br />
04<br />
PERSPEKTIVEN 01|2017
MARKT<br />
Valletta zieht nicht<br />
nur Touristen an,<br />
sondern auch Banken<br />
und Glücksspiel-<br />
Unternehmen.<br />
© shutterstock/Mikael Damkier<br />
Staatsfonds erobern<br />
Finanz- und<br />
Immobilienmärkte<br />
In den 1970ern tauchten erste<br />
Fonds auf, die im Auftrag eines<br />
Staates Vermögen anlegen, seit der<br />
Jahrtausendwende sind ihre Zahl<br />
und ihr Volumen massiv gewachsen.<br />
Typischerweise sind es Länder <strong>mit</strong><br />
hohen Rohstoffeinnahmen, die diese<br />
Fonds betreiben – <strong>zum</strong> Beispiel als<br />
Schutz vor Preisschwankungen, als<br />
Reserve für die Zeit nach dem Öl<br />
oder um die eigene Währung zu<br />
stabilisieren. Der größte solche<br />
Fonds ist der Norwegische Staatsfonds<br />
NBIM <strong>mit</strong> rund 900 Milliarden<br />
Dollar Anlagevolumen. Zum Vergleich:<br />
Apple ist <strong>mit</strong> rund 600 Mrd.<br />
Dollar Marktwert das wertvollste<br />
börsennotierte Unternehmen der<br />
Welt, Norwegens BIP liegt bei rund<br />
500 Mrd. Dollar. In den letzten Jahren<br />
setzte ein Trend Richtung Immobilieninvestments<br />
ein. So will etwa<br />
der NBIM seinen Immo-Anteil von<br />
unter 3 auf 10 Prozent erhöhen.<br />
MALTA<br />
Inselparadies für Konzerne<br />
Der kleinste Mitgliedsstaat der EU, der<br />
Anfang 2017 die Ratspräsidentschaft<br />
übernimmt, hat sich von der Finanzkrise<br />
vergleichsweise rasch erholt.<br />
Bereits im Jahr 2013 übertraf Maltas<br />
reales BIP <strong>mit</strong> rund vier Prozent das<br />
Vorkrisen-Niveau. Anzeichen für die<br />
gute gesamtwirtschaftliche Situation<br />
sind die starke Binnennachfrage sowie<br />
die anhaltenden Investmentströme<br />
auf die Insel. Eine dominante Stellung<br />
nimmt seit dem EU-Beitritt 2004 neben<br />
dem traditionell starken Tourismus<br />
der international ausgerichtete<br />
Dienstleistungssektor ein. So sind<br />
die Finanzbranche und der Glücksspiel-Sektor<br />
die neuen Treiber des<br />
Wachstums. Davon profitiert auch der<br />
Arbeitsmarkt. Mit 4,8 Prozent wies<br />
Malta im August hinter Tschechien<br />
und Deutschland die drittniedrigste<br />
Arbeitslosenquote in der EU auf.<br />
Einwohner:<br />
431.000<br />
BIP absolut:<br />
9,4 Milliarden Euro<br />
BIP pro Kopf:<br />
21.800 Euro<br />
BIP Wachstum:<br />
4,1 %<br />
Staatsverschuldung:<br />
62,9 % des BIP<br />
Arbeitslosenquote:<br />
5,1 %<br />
Quelle: WKÖ, Prognose 2016<br />
Auffällig ist in diesem Zusammenhang<br />
allerdings die vergleichsweise<br />
geringe Zahl der Erwerbstätigen.<br />
Beliebt ist die Insel im Mittelmeer<br />
dank unternehmensfreundlicher<br />
Steuerregeln bei internationalen<br />
Konzernen. Malta lockt Unternehmen<br />
<strong>mit</strong> Steuerbefreiungen für<br />
Lizenz- und Patenteinnahmen sowie<br />
dem Holdingprivileg zur firmeninternen<br />
Gewinnverlagerung. Eines<br />
der größten Risiken des Landes ist<br />
die vollständige Abhängigkeit von<br />
Energieeinfuhren: Mit 97,7 Prozent<br />
Energieabhängigkeitsquote erreicht<br />
Malta den europäischen Spitzenwert.<br />
Negative Folgen für die Konjunktur<br />
sind in den kommenden Jahren<br />
durch den Brexit zu erwarten.<br />
Zuletzt erreichten die Exporte nach<br />
Großbritannien einen Anteil von<br />
8,4 Prozent des BIP.<br />
ERWERBSTÄTIGENQUOTE<br />
der 20- bis 64-Jährigen, 1. Quartal 2016<br />
Griechenland 51,5 %<br />
Malta 64,7 %<br />
EU-28 66,3 %<br />
Österreich 71,4 %<br />
Schweden 76,2 %<br />
Quelle: Eurostat<br />
05
MARKT<br />
„Ein schwaches Pfund<br />
ist nicht nur schlecht“<br />
Die Märkte werden vom bevorstehenden Ausstieg der Briten aus der<br />
EU nicht unberührt bleiben. Doch letztendlich sei die britische<br />
Wirtschaft flexibel und agil genug, um <strong>mit</strong> den Folgen umzugehen,<br />
glaubt Invescos Chefvolkswirt John Greenwood.<br />
VON JULIA THIEM<br />
Das Timing steht, Ende März wollen die<br />
Briten Artikel 50 des EU-Vertrages aktivieren<br />
und die Austrittsverhandlungen beginnen.<br />
Wo<strong>mit</strong> müssen Anleger rechnen?<br />
John Greenwood: In jedem Fall <strong>mit</strong> volatilen<br />
Phasen. Beide Seiten gehen <strong>mit</strong> politischem<br />
Druck in die Austrittsverhandlungen. Großbritannien<br />
steht unter Druck, die Kontrolle<br />
über die Zuwanderung zurückzugewinnen,<br />
was einer der wichtigsten Gründe dafür war,<br />
dass überhaupt so viele Briten für den Brexit<br />
gestimmt haben. Die EU steht auf der anderen<br />
Seite unter enormem Druck, den Verbund<br />
zusammenzuhalten. Vermutlich wird sie den<br />
Briten den Austritt schwer und nicht allzu<br />
viele Zugeständnisse bei Privilegien und Vorteilen<br />
machen.<br />
Genauso, wie die Briten bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit<br />
keine Zugeständnisse<br />
machen werden?<br />
Für die britische Regierung wird die Zuwanderung<br />
ein zentrales <strong>Thema</strong> werden. Ihr Ziel ist<br />
es, die Kontrolle über die Grenzen wiederzuerlangen.<br />
Lösungen, die dieses Ziel gefährden,<br />
wird sie versuchen zu umgehen. Die Zuwanderungszahlen<br />
in Großbritannien sind sehr<br />
hoch. Wir reden hier von 340.000 Menschen<br />
netto pro Jahr. Das liegt vor allem daran, dass<br />
der britische Arbeitsmarkt der flexibelste in<br />
ganz Europa ist.<br />
John Greenwood ist<br />
Chefvolkswirt bei Invesco und<br />
seit 1998 im Unternehmen. Er<br />
gilt als ausgewiesener Experte<br />
für Notenbankpolitik und sitzt<br />
im Shadow-Board der Bank of<br />
England. Anfang der Achtziger<br />
lebte Greenwood in Hongkong<br />
und schlug damals einen<br />
Currency-Board-Mechanismus<br />
vor, um den Hongkong-Dollar<br />
zu stabilisieren, als dieser<br />
während der Verhandlungen<br />
zwischen Großbritannien und<br />
China über die Zukunft der<br />
Stadt nach 1997 einbrach.<br />
Dieser Mechanismus besteht<br />
noch heute, 33 Jahre später,<br />
<strong>zum</strong> selben HKD/USD-Kurs.<br />
Wird eine solche Abschottung die<br />
britische Wirtschaft schwächen?<br />
Es geht nicht um eine Abschottung, sondern darum,<br />
wieder die Kontrolle darüber zu erlangen,<br />
wer einwandern darf und wer nicht. Das ist ein<br />
großer Unterschied. Denn Großbritannien ist<br />
seit jeher ein großer Verfechter des freien Marktes.<br />
Es ist eher die EU, die sich vergleichsweise<br />
abschottet und bestimmte Bereiche wie den<br />
Agrarsektor oder Finanzdienstleistungen besonders<br />
schützt. Hinzu kommt, dass die britische<br />
Wirtschaft die flexibelste und anpassungsfähigste<br />
in ganz Europa ist. Und diese Tatsache wird<br />
erheblich dazu beitragen, dass die britische<br />
Wirtschaft und auch der Aktienmarkt sich unabhängig<br />
von den Verhandlungen und möglichen<br />
Ergebnissen wieder erheben werden.<br />
Was der Aktienmarkt nach dem Parteitag<br />
der Konservativen Partei in Birmingham<br />
ja bereits gezeigt hat.<br />
Richtig, der britische Aktienmarkt hat <strong>mit</strong><br />
einem neuen Hoch auf die Festlegung des<br />
Brexit-Timings reagiert. Allerdings liegt das<br />
auch daran, dass die meisten der in London<br />
„Wir werden ein Auf und Ab erleben.<br />
Großbritannien wird seinen Freien-Markt-<br />
Ansatz aber nicht aufgeben.“<br />
JOHN GREENWOOD<br />
06<br />
PERSPEKTIVEN 01|2017
MARKT<br />
© shutterstock/Montage Egger & Lerch<br />
gelisteten Unternehmen mehr als 70 Prozent<br />
ihrer Gewinne außerhalb des Landes generieren.<br />
Unternehmen, die ihren Fokus stärker auf<br />
die heimische Wirtschaft legen, schnitten im<br />
Vergleich deutlich schlechter ab.<br />
Für das britische Pfund ging es gleichzeitig<br />
in die andere Richtung.<br />
In der Tat. Und das britische Pfund wird<br />
im Vergleich <strong>zum</strong> Euro und <strong>zum</strong> US-Dollar<br />
schwach bleiben. Möglich wäre sogar eine<br />
Parität zwischen Pfund und US-Dollar, also<br />
ein Wechselkurs im Verhältnis 1:1. Allerdings<br />
ist ein schwaches Pfund nicht nur schlecht. Es<br />
wird beispielsweise die gewerbliche Produktion<br />
in Großbritannien stärken, was wiederum<br />
der Wirtschaft zugutekäme — nur einer der<br />
Vorteile einer flexiblen, anpassungsfähigen<br />
Wirtschaft.<br />
Wie können sich Anleger auf die<br />
Situation einstellen?<br />
Ich würde in jedem Fall jedes Engagement im<br />
britischen Pfund absichern. Hingegen wirkt<br />
die bereits erwähnte Tatsache, dass der Großteil<br />
der in London gelisteten Unternehmen<br />
auch den Großteil ihrer Gewinne anderenorts<br />
generiert, wie eine natürliche Absicherung<br />
gegen jede Abwärtsbewegung des britischen<br />
Pfunds. Und gegen die Volatilität wird man<br />
sich kaum absichern können.<br />
Ein Pfund nicht<br />
mehr wert als<br />
ein Dollar? John<br />
Greenwood hält<br />
das für möglich.<br />
Wird die Attraktivität britischer und europäischer<br />
Aktien unter dem Brexit leiden?<br />
In jedem Fall wird der Brexit während der<br />
Dauer der Verhandlungen für Wolken über<br />
beiden Aktienmärkten sorgen, aus denen es<br />
<strong>mit</strong>unter heftig schütten kann. Wir werden ein<br />
Auf und Ab erleben. Großbritannien wird seinen<br />
Freien-Markt-Ansatz aber nicht aufgeben<br />
und es wird sicher schnell zu Verträgen <strong>mit</strong><br />
einzelnen Handelspartnern kommen.<br />
Werden andere Märkte hiervon profitieren?<br />
Ich sage bereits seit Jahren, dass die USA der<br />
deutlich interessantere Markt ist. Dort haben<br />
die Banken ihre Bilanzen bereits aufgeräumt,<br />
was US-Unternehmen in den letzten fünf Jahren<br />
deutlich attraktiver hat werden lassen als<br />
ihre europäischen Pendants. Das Problem ist<br />
nur, dass US-Aktien <strong>mit</strong> Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis<br />
relativ teuer sind. Allerdings<br />
spiegelt das nur das Niedrigzinsumfeld wider,<br />
in dem wir uns befinden, und trifft dementsprechend<br />
auch auf andere Märkte zu.<br />
07
MARKT<br />
Großbritannien<br />
verlässt die EU –<br />
aber wie weit wird<br />
es sich von ihr<br />
entfernen?<br />
Brexit, was nun?<br />
Politik und Wirtschaft sind so komplex, dass man allzu<br />
einfachen Erklärungen nicht glauben sollte. Das gilt<br />
speziell für den „Brexit“ als Verlassen der EU durch das<br />
Vereinigte Königreich von Großbritannien und<br />
Nordirland. Risiken, Gefahren und Folgen sind nach<br />
vielen Kriterien zu differenzieren. VON PETER FILZMAIER<br />
© A&W<br />
Peter Filzmaier ist<br />
Professor für Politikwissenschaft<br />
an der Donau-<br />
Universität Krems und der<br />
Karl-Franzens-Universität<br />
Graz sowie Geschäftsführender<br />
Gesellschafter<br />
des Instituts für Strategieanalysen<br />
(ISA) in Wien<br />
1. Die Briten haben zu 52 Prozent entschieden,<br />
aus der EU zu gehen. Das ist ihr gutes<br />
Recht, geschah aber ohne Rücksicht auf den<br />
48-prozentigen Rest und die Stimmverteilung:<br />
England und Wales wollten raus. Schottland<br />
will das auch, allerdings womöglich aus Großbritannien<br />
und wieder rein in die EU.<br />
Londoner und Nordiren sind detto mehrheitlich<br />
unter den fast 16 Millionen EU-<br />
Befürwortern. Da die Republik Irland treues<br />
Mitglied bleibt, könnte auf dieser Insel sogar<br />
der Nordirland-Konflikt <strong>mit</strong>samt seiner Gewalt<br />
neu aufleben. Das Land ist also nach der<br />
Abstimmung zerstrittener denn je und steht<br />
vor einer regionalen Zerreißprobe.<br />
2. Überregional stellt sich die Frage, ob sich<br />
nicht auch anderswo Mehrheiten für einen<br />
Austritt finden würden, und warum das so<br />
sein könnte. Weil die Antwort in jedem der<br />
bald 27 Mitgliedsstaaten anders ist, ist man<br />
zersplittert. Wie soll zudem eine gemeinsame<br />
Politik möglich sein, wenn je nach Staat<br />
Wachstum, Einkommen, Inflation, Schulden,<br />
Arbeitslosigkeit sowie Zuwanderung plus<br />
Befürwortung der EU selbst gigantische Unterschiede<br />
aufweisen? Zum Beispiel variieren die<br />
Staatsschulden 2015/16 zwischen unter zehn<br />
und über 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.<br />
3. Was nun? Die EU könnte entweder <strong>mit</strong> den<br />
Briten Teilverträge abschließen, da<strong>mit</strong> sich<br />
wenig ändert. Oder es wird ein Exempel statuiert,<br />
dass alle „Exits“ Nachteile haben. Beide<br />
Varianten sind tückisch: In internationalen<br />
Organisationen bringt man sich ein, weil für<br />
Engagement und Verpflichtungen exklusive<br />
Vorteile — von Förderungen bis Verhandlungssicherheit<br />
— winken. Haben Nicht-Mitglieder<br />
trotz „Brexit“ de facto denselben Status,<br />
machen Mitgliedschaften weniger Sinn.<br />
Umgekehrt gibt es keine Sanktionen gegen die<br />
britische Politik und/oder Wirtschaft, welche<br />
nicht zugleich Probleme für Regierungen und<br />
Bevölkerung in „EU-ropa“ <strong>mit</strong> sich bringen.<br />
Der US-Politikwissenschaftler Arnold Wolfers<br />
hat die globale Politik als Spiel <strong>mit</strong> Billardbällen<br />
bezeichnet. Setzt man eine Kugel in Bewegung,<br />
sind die Reaktionen und das Gesamtbild<br />
danach nicht immer abzuschätzen. „Brexit“ ist<br />
auch nicht Karambolage <strong>mit</strong> nur drei Kugeln,<br />
sondern Snooker. Dementsprechend gefährlich<br />
ist es, unüberlegte Stöße vulgo politische<br />
Ad-hoc-Reaktionen zu setzen.<br />
08 PERSPEKTIVEN 01|2017
MARKT<br />
Was bedeutet der Sieg<br />
von Donald Trump?<br />
Ähnlich wie bei der Brexit-Entscheidung hat der Finanzmarkt relativ lange das<br />
Risiko unterschätzt, dass die Wahl einen unerwarteten Ausgang findet.<br />
VON STEFAN BRUCKBAUER, CHEF-VOLKSWIRT DER BANK AUSTRIA<br />
MONITOR<br />
Entgegen vielen Prognosen versetzte die Wahl<br />
von Trump den Aktienmärkten jedoch keinen<br />
Schock. S&P sowie Dow Jones gewannen in<br />
den ersten Tagen sogar leicht dazu. Die Zinskurve<br />
von US-Staatsanleihen wurde allerdings<br />
deutlich steiler, weil Anleger von Trump große<br />
Infrastrukturinvestitionen und da<strong>mit</strong> eine<br />
steigende Staatsverschuldung erwarten. Die<br />
Reaktion der Märkte auf das Brexit-Votum<br />
hat uns jedoch bereits gezeigt, dass die erste<br />
Entwicklung schnell umschlagen kann.<br />
Mittelfristige Gefahr. Auch wenn man davon<br />
ausgehen kann, dass einige Ankündigungen<br />
Trumps so nicht umgesetzt werden, da sie<br />
im parlamentarischen Prozess verändert<br />
werden, geht man derzeit davon aus, dass<br />
sein Programm kurzfristig Wachstumsimpulse<br />
setzen wird, <strong>mit</strong>telfristig aber das Wachstumspotenzial<br />
in den USA reduzieren wird. So<br />
plant er Infrastrukturausgabenerhöhung,<br />
eine Steuerreform, weniger Regulierung, eine<br />
Reform des Außenhandels und der Energiegewinnung.<br />
Er möchte eine Mauer zu Mexiko<br />
bauen, die Gesundheitsreform von Obama<br />
rückgängig machen und vor allem Veränderungen<br />
beim Handel <strong>mit</strong> China und bei der<br />
Einwanderung („put American workers first“).<br />
könnte zu schweren Einbrüchen in einigen<br />
Branchen (etwa Landwirtschaft, Bau, Freizeit,<br />
aber auch Industrie) führen. Seine Steuerpläne<br />
würden ein riesiges Loch in den US-Haushalt<br />
reißen. Die meisten Analysten gehen davon aus,<br />
dass 2017 netto das Wachstum höher sein wird<br />
wie bisher angenommen, da kurzfristig positive<br />
Effekte die <strong>mit</strong>tel- bis langfristig negativen<br />
Effekte überwiegen könnten. Danach wären<br />
die USA jedoch negativ betroffen.<br />
Obwohl der befürchtete Schock durch die Wahl<br />
Trumps ausblieb, ist <strong>mit</strong>tel- bis langfristig <strong>mit</strong><br />
einer Belastung des Aktienmarktes zu rechnen,<br />
die Zinsen werden aus heutiger Sicht schneller<br />
steigen, auch die erwarteten Fed-Zinserhöhungen<br />
könnten schneller und höher ausfallen. Der<br />
Euroraum könnte kurzfristig vom stärkeren Dollar<br />
und Wachstum profitieren, würde aber <strong>mit</strong>telfristig<br />
von allen Einschränkungen beim Handel<br />
belastet, da die USA der wichtigste Handelspartner<br />
ist. Dementsprechend würden dann auch<br />
die Aktienmärkte in Europa leiden. Am Ende<br />
birgt Präsident Trump aufgrund seiner Person,<br />
seiner Einstellung und Unerfahrenheit die Gefahr<br />
von Überraschungen und da<strong>mit</strong> von stärkerer<br />
Volatilität an den Aktienmärkten in sich.<br />
Einige dieser Maßnahmen könnten das Wachstum<br />
der USA <strong>zum</strong>indest in 2017 um ½ Prozent<br />
erhöhen. Allerdings würden viele Maßnahmen,<br />
etwa die vorgeschlagenen Zölle beim<br />
Handel <strong>mit</strong> China und Mexiko, einen Handelskrieg<br />
heraufbeschwören, der bis zu 5 Millionen<br />
Arbeitsplätze in den USA kosten könnte.<br />
Die Abschiebung aller illegalen Einwanderer<br />
US-Aktienmarkt (S&P 500)<br />
Quelle: www.onvista.de<br />
8. 11.2016 9. 11. 2016 10. 11. 2016 11. 11. 2016 14. 11. 2016 15. 11. 2016<br />
09
MARKT<br />
Chancen und<br />
Gefahren<br />
Risiken und Wahrscheinlichkeiten zu kennen,<br />
ist in finanziellen Angelegenheiten Gold wert.<br />
In Österreich gehen die meisten lieber auf<br />
Nummer sicher – zulasten des Ertrags.<br />
Schweden<br />
Finnland<br />
Norwegen<br />
Abenteuer<br />
Staatsanleihe<br />
Bis vor einigen Jahren galten<br />
die meisten europäischen<br />
Nationen als ausgezeichnete<br />
Schuldner. Heute weisen nur<br />
noch wenige Top-Noten auf,<br />
bei vielen Ländern sehen die<br />
großen Rating agenturen ernstzunehmende<br />
Ausfallrisiken.<br />
Eine Bonität von BB+ und<br />
schlechter auf der Skala von<br />
S&P gilt als „non-investment-grade“,<br />
als spekulative<br />
Anlage. Griechenland liegt<br />
aktuell um fünf Stufen unter<br />
dieser Wertung.<br />
Stand: Ende 2016<br />
AAA<br />
AA+<br />
AA<br />
AA-<br />
A+<br />
A<br />
A-<br />
BBB+<br />
BBB<br />
BBB-<br />
BB+<br />
BB<br />
BB-<br />
B+<br />
B<br />
B-<br />
Irland<br />
Portugal<br />
Dänemark<br />
Großbritannien<br />
Niederlande<br />
Deutschland Polen<br />
Estland<br />
Lettland<br />
Litauen<br />
Weißrussland<br />
Belgien<br />
Tschechische Rep.<br />
Luxemburg<br />
Ukraine<br />
Slowakei<br />
Österreich<br />
Frankreich Schweiz<br />
Ungarn<br />
Slowenien Rumänien<br />
Kroatien<br />
Italien Bosnien Serbien<br />
Montenegro Bulgarien<br />
Mazedonien<br />
Albanien<br />
Spanien<br />
Griechenland<br />
Malta<br />
Zypern<br />
Türkei<br />
Russland<br />
Georgien<br />
7,5 % —<br />
Handyversicherung für ein iPhone 7*<br />
Versicherungskosten 7,5 % – 30 %<br />
des Neupreises pro Jahr<br />
30 %<br />
Versichern<br />
1,3 % —<br />
2,8 %<br />
Vollkaskoversicherung für einen Mercedes C 250*<br />
Versicherungskosten 1,3 % – 2,8 % des Neupreises pro Jahr<br />
* Neupreis 50.000 Euro, Stufe 0, Vergleich auf durchblicker.at <strong>mit</strong> Standardvoreinstellungen;<br />
11 Anbieter von 658,51 bis 1421,54 Euro pro Monat<br />
* Neupreis 800 Euro, <strong>mit</strong><br />
Diebstahlschutz, <strong>mit</strong><br />
Selbst beteiligung, Online-<br />
Vergleich von 9 Anbietern:<br />
60 bis 239,88 Euro pro Jahr<br />
oder riskieren?<br />
Eine Versicherung ist empfehlenswert, wenn man<br />
sich da<strong>mit</strong> von Risiken schützt, die potenziell<br />
existenzgefährdend sind oder den Haushalt <strong>zum</strong>indest<br />
markant belasten. Bei den florierenden Versicherungen<br />
gegen allerlei kleine Alltags schäden, <strong>zum</strong> Beispiel für<br />
Handys, ist das wohl nicht der Fall – zudem liegen die<br />
Tarife dafür oft deutlich über 10 Prozent des Kaufpreises<br />
pro Jahr. Eine Vollkasko-Versicherung fürs Auto<br />
kostet im Verhältnis dazu nur einen Bruchteil. Welches<br />
Risiko man versichert und welches man lieber in Kauf<br />
nimmt, will also gut überlegt sein.<br />
10 PERSPEKTIVEN 01|2017
MARKT<br />
Welche Spar- und Anlageformen gelten als attraktiv?<br />
Frage: „Abgesehen davon, wie Sie selbst gerade sparen oder Geld anlegen,<br />
welche dieser Möglichkeiten, Geld zu sparen oder anzulegen, halten Sie<br />
derzeit für besonders interessant?“ (Auswahl). Quelle: Stimmungsbarometer von GfK Austria<br />
60<br />
* 2007 nicht abgefragt<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Abenteuerlust<br />
in Afrika<br />
Im World Values Survey, der<br />
größten weltweiten Erhebung zu<br />
persönlichen Einstellungen, Werten<br />
und Überzeugungen, wird<br />
auch regelmäßig die Risikofreudig<br />
keit abgefragt – konkret<br />
die Zustimmung zur Aussage<br />
„Abenteuer und Risikobereitschaft<br />
sind wichtig für mich; ich<br />
möchte ein aufregendes Leben<br />
haben“. 90.000 Teilnehmer aus<br />
61 Ländern ( Österreich war nicht<br />
dabei) wurden befragt: Am abenteuerlustigsten<br />
waren Nigerianer,<br />
die geringste Freude am Risiko<br />
zeigte sich in Japan.<br />
Skala von 1 („trifft vollkommen<br />
auf mich zu“) bis 6 („trifft<br />
überhaupt nicht zu“), darauf<br />
eingetragen die Länder:<br />
2,50<br />
2,77<br />
3,09<br />
Nigeria<br />
Ghana<br />
Russland<br />
Marktwertrisiko in %<br />
50<br />
40<br />
Private Anlagevolumen von Einlagen und Wertpapieren<br />
Ausgewählte Finanzprodukte. Bestände Ende Juni 2016<br />
Die Berechnung des Ertrags (Einkommen und Marktwertveränderung)<br />
sowie des Marktwertrisikos (Risiko der Wertänderung<br />
einer Anlage) basiert auf dem Zeitraum 2011 – 2015. Quelle: OeNB<br />
08<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
-2<br />
Bausparvertrag<br />
Sparbuch<br />
30<br />
20<br />
Eigentums wohnung/-haus*<br />
Investmentfonds<br />
Aktien<br />
10<br />
Gold<br />
0<br />
2007 2009 2016/II<br />
Einlagen<br />
230 Mrd. Euro<br />
Aktien<br />
19 Mrd. Euro<br />
Fondsanteile<br />
52 Mrd. Euro<br />
Anleihen<br />
36 Mrd. Euro<br />
0 1 2 3 4<br />
Ertrag in %<br />
3,47<br />
Polen<br />
Österreicher scheuen das Risiko<br />
4<br />
5<br />
3,93<br />
3,94<br />
4,16<br />
4,38<br />
4,83<br />
USA<br />
Schweden<br />
China<br />
Deutschland<br />
Japan<br />
Quelle: World Values Survey, Zyklus 2010–2014<br />
In internationalen Vergleichen fällt immer wieder auf, dass Anleger in<br />
Österreich (und Deutschland) besonders risikoscheu sind und auf<br />
konservative Anlageformen setzen. Für diese Risikoscheu nehmen Anleger<br />
auch geringere Renditen in Kauf.<br />
Mittlerweile hat allerdings die Niedrigzinslandschaft Sparbücher und<br />
Bausparer unattraktiver gemacht. Aufsteiger sind Gold und Eigenimmobilien,<br />
während Wertpapiere noch immer nicht auf das ohnehin bescheidene<br />
Niveau von vor der Finanzkrise zurückgekehrt sind. Bei den tatsächlichen<br />
Anlagevolumina zeigt sich eine noch größere Scheu vor Wertpapieren:<br />
230 Milliarden haben Privatanleger in Einlagen gesteckt, während Anleihen,<br />
Aktien und Fondsanteile gemeinsam auf nicht einmal die Hälfte kommen.<br />
11
MARKT<br />
Risiko – mein<br />
(neuer) Freund<br />
Ohne Risiko keine Rendite, lautet die vielleicht wichtigste Regel<br />
im aktuellen Marktumfeld. Sind höhere Risiken also tatsächlich<br />
der blanke Horror oder nicht doch auch eine Chance? Ein<br />
Annäherungsversuch.<br />
VON JULIA THIEM<br />
Was auf den ersten<br />
Blick waghalsig wirkt,<br />
ist bei professionellem<br />
Vorgehen oft gar<br />
nicht so riskant.<br />
12 PERSPEKTIVEN 01|2017
MARKT<br />
© shutterstock/bizvector/Montage Egger & Lerch<br />
Die Investmentwelt hat sich in den letzten<br />
Jahren stark gewandelt. Das Einzige, was an<br />
den einstigen sicheren Häfen wie Staatsanleihen<br />
aus Österreich, Deutschland oder der<br />
Schweiz heute noch sicher scheint, ist die Tatsache,<br />
dass man am Ende bestenfalls noch das<br />
Geld zurückbekommt, das man ursprünglich<br />
investiert hat. Bei österreichischen Papieren<br />
<strong>mit</strong> zehn Jahren Laufzeit steht gerade noch<br />
so eine schwarze Null vor dem Komma. Will<br />
man <strong>mit</strong> Bundesanleihen ein bisschen Geld<br />
verdienen, muss man sein Geld ganze 15 Jahre<br />
verleihen. Den Schweizern muss man sein Geld<br />
sogar 45 Jahre anvertrauen, um überhaupt<br />
etwas Rendite zu erwirtschaften — und die<br />
Inflation ist dabei noch nicht berücksichtigt.<br />
Kurz: Unterm Strich stehen heute bei nominalen<br />
Anleiherenditen vieler Industrienationen<br />
rote Zahlen.<br />
Die logische Konsequenz für Anleger auf<br />
Renditesuche muss daher lauten, den nächsten<br />
Schritt auf der Risikoleiter jenseits der sicheren<br />
Häfen zu setzen. Dafür muss man sich als Investor<br />
aber erst einmal <strong>mit</strong> dem höheren Risiko<br />
anfreunden, und da<strong>mit</strong> tun sich viele schwer<br />
— zu Unrecht, wie Andreas Beck, Gründer und<br />
Vorstandssprecher des Instituts für Vermögensaufbau<br />
in München, findet. Er hält das<br />
<strong>Thema</strong> Risiko bei der Kapitalanlage sogar für<br />
ein großes Missverständnis. „Um die Risiken<br />
am Kapitalmarkt besser einordnen zu können,<br />
muss man zunächst die wirtschaftlichen Zusammenhänge<br />
besser verstehen und sollte sich<br />
die fundamentale Frage stellen, warum sich<br />
Geld überhaupt vermehrt“, rät der Experte.<br />
Was ist der Sinn eines Wertpapiers? Was<br />
Dr. Beck da<strong>mit</strong> meint, ist die Frage nach dem<br />
Sinn und Zweck eines Wertpapiers. Denn<br />
oftmals wird es so dargestellt — in den Medien,<br />
aber auch auf den Bilanzpressekonferenzen<br />
oder Investorentagen vieler Unternehmen –,<br />
dass die Rendite für die Anleger ihr einziger<br />
Zweck sei. Dabei sollen Wertpapiere eigentlich<br />
die Wirtschaft <strong>mit</strong> Kapital versorgen. Mein Geld<br />
vermehrt sich also, wenn ich es jemand anderem<br />
gebe und dafür entlohnt werde. Dieses<br />
Prinzip gilt bei Staatsanleihen genauso wie bei<br />
Aktien. Woher kommen also die Sicherheit, die<br />
eine Staatsanleihe einem Anleger ver<strong>mit</strong>telt,<br />
Andreas Beck<br />
ist Gründer und<br />
Vorstandssprecher<br />
des Instituts für<br />
Vermögensaufbau in<br />
München.<br />
Stephan Meschenmoser,<br />
CFA und<br />
Managing Director bei<br />
BlackRock Solutions<br />
Bonitätsrisiko/Ausfallrisiko – Schuldner<br />
können in Zahlungsverzug kommen<br />
oder sogar zahlungsunfähig werden.<br />
Das gilt für Staaten – Argentinien ist<br />
hier ein prominentes Beispiel aus der<br />
Vergangenheit – ebenso wie für Unternehmen.<br />
Ratings von unabhängigen<br />
Agenturen wie Moody’s, Standard &<br />
Poor’s oder Fitch sollen helfen, die<br />
Bonität eines E<strong>mit</strong>tenten und da<strong>mit</strong><br />
das Ausfallrisiko einzuschätzen.<br />
Währungsrisiko – Nicht alle Wertpapiere<br />
sind in Euro denominiert. Das ist aus<br />
Gründen der Diversifikation einerseits<br />
gut für das Portfolio. Andererseits<br />
können Währungsschwankungen auch<br />
<strong>zum</strong> Risiko werden, wenn die Nominalwährung<br />
gegenüber dem Euro sinkt<br />
und die vermeintliche Unsicherheit, die ein<br />
Aktienengagement verursacht? Sicher, ein<br />
Staat hat ein Steuermonopol und so<strong>mit</strong> ein<br />
solides Einkommen. Doch fließen Steuererträge<br />
nur, wenn Bürger und Unternehmen im<br />
Land gut verdienen und Gewinne erwirtschaften.<br />
Letztendlich sind also auch ein Staat und<br />
da<strong>mit</strong> die von ihm e<strong>mit</strong>tierten Anleihen von<br />
der Wirtschaft abhängig. „Natürlich ist die<br />
Wahrscheinlichkeit einer Unternehmenspleite<br />
höher als die einer Staatspleite“, räumt Beck<br />
ein. „Doch diese Unsicherheit kann ich leicht<br />
reduzieren, indem ich mein Kapital nicht nur<br />
einem, sondern gleich einer ganzen Reihe von<br />
Unternehmen gebe, die im Idealfall über die<br />
ganze Welt verstreut sind. Dann kann ich mein<br />
Geld auch als Eigenkapital in Aktien investieren<br />
und habe dennoch ein überschaubares<br />
Risiko.“ Daher rät er langfristig orientierten<br />
Anlegern auch, vermeintliche Risiken und vor<br />
allem die gängigen Risikokennziffern nicht zu<br />
hoch aufzuhängen.<br />
Angemessene Risiken. Risiken sind geringer,<br />
wenn ich auf das investierte Kapital für<br />
einen gewissen Zeitraum verzichten kann.<br />
Denn wer unter Druck verkaufen muss, weil<br />
er Liquidität benötigt, wird nie den besten<br />
Preis erzielen. Für Stephan Meschenmoser,<br />
CFA und Managing Director bei BlackRock<br />
DIE GRÖSSTEN RISIKEN VON WERTPAPIEREN<br />
und der Anleger dadurch Währungsverluste<br />
erleidet.<br />
Inflationsrisiko – Die reale Rendite eines<br />
Wertpapiers ist die gezahlte Rendite<br />
abzüglich Inflationsrate. Steigt also die<br />
Inflation, sinkt die reale Rendite und<br />
umgekehrt, was Risiko und Chance<br />
gleichermaßen bedeuten kann.<br />
Klumpenrisiko – Viele Portfolios weisen<br />
einen deutlichen Home Bias auf. Das<br />
heißt, Anleger tendieren dazu, Wertpapiere<br />
aus dem eigenen Land zu kaufen,<br />
die sie auch kennen. So entstehen<br />
Klumpenrisiken im Portfolio, die bei<br />
Verlusten etwa des heimischen Aktienmarktes<br />
die eigene Kapitalanlage<br />
entsprechend hart treffen können.<br />
13
MARKT<br />
erziele, das Risiko meines Portfolios insgesamt<br />
aber ebenfalls im definierten Budget bleibt.<br />
Dafür muss ich natürlich die unterschiedlichen<br />
Risiken kennen, für die ich entlohnt werde.<br />
Das sind <strong>zum</strong> Beispiel das sogenannte Term<br />
Premium, also die Entlohnung für die Zeit, in<br />
der ich auf mein Geld verzichte, Kredit- und<br />
Konjunkturrisiken sowie politische Risiken.<br />
Risiken verändern<br />
sich, weshalb auch<br />
das Risikomanagement<br />
dynamisch<br />
sein sollte.<br />
Solutions, lautet daher die alles entscheidende<br />
Frage: „Ist das Risiko für mein Ziel und meine<br />
aktuelle Situation angemessen?“ Normalerweise<br />
betreut Meschenmoser institutionelle<br />
Investoren wie Pensionskassen oder Versicherer<br />
und weiß daher, dass die wenigsten<br />
Investoren wirklich einen langen Zeithorizont<br />
haben. „Es gibt immer kurzfristige Verpflichtungen,<br />
denen ich nachkommen muss, und<br />
auch institutionelle Investoren müssen im<br />
jährlichen Reporting ihre Risiken im Blick<br />
haben.“ Das tun sie in der Regel <strong>mit</strong> einem<br />
aktiven und dynamischen Risikomanagement,<br />
das auch für Privatanleger sinnvoll sein kann.<br />
„Wer Renditen jenseits der risikofreien Rate<br />
erzielen will, muss Risiken eingehen. Doch<br />
nicht alle Risiken werden auch entlohnt.<br />
Der Schlüssel <strong>zum</strong> Erfolg ist, die Risiken, die<br />
entlohnt werden, breit zu streuen, und jene,<br />
die nicht entlohnt werden, zu eliminieren. Das<br />
ist Risikomanagement. Leider sind die Märkte<br />
nicht statisch. Risiken verändern sich, weshalb<br />
auch das Risikomanagement dynamisch sein<br />
sollte“, fasst Meschenmoser zusammen.<br />
Risikobudget im Blick. Was meint eine breite<br />
Streuung von Risiken? Wenn mein Risikobudget<br />
beispielsweise bei zehn Prozent liegt,<br />
kann ich es unterschiedlich aufteilen — ich<br />
kann entweder nur sichere, aber renditearme<br />
Investments im Portfolio haben und das ganze<br />
Risikobudget für ein besonders riskantes Engagement<br />
aufbrauchen. Oder aber ich streue<br />
kleinere Risiken breit, die auch kaum <strong>mit</strong>einander<br />
korrelieren, so dass ich am Ende pro<br />
Risikoeinheit eine höhere erwartete Rendite<br />
„Der Schlüssel <strong>zum</strong> Erfolg ist, die<br />
Risiken, die entlohnt werden, breit zu<br />
streuen, und jene, die nicht entlohnt<br />
werden, zu eliminieren.“<br />
STEPHAN MESCHENMOSER<br />
Neue Risiken durch Herdenverhalten. Es gibt<br />
aber auch neue Risiken, die die traditionellen<br />
Risikokennziffern nicht berücksichtigen. „Vor<br />
zehn Jahren konnte man in allen Anleihesegmenten<br />
Renditen über oder um vier Prozent<br />
erwirtschaften, heute geht das allenfalls in<br />
den Schwellenländern oder bei High Yields.<br />
Deshalb müssen Anleger heute ihr Verhalten<br />
ändern und auch in Segmenten investieren,<br />
die sie eigentlich als zu riskant einstufen“, erklärt<br />
Meschenmoser. „Die Konsequenz ist das<br />
sogenannte Crowding. Wenn alle Anleger ähnliche<br />
Sichtweisen und Positionen haben, weil<br />
sie Rendite bei einem Risiko erwirtschaften<br />
müssen, <strong>mit</strong> dem sie sich nicht zu 100 Prozent<br />
wohlfühlen, können schon kleinste Stimmungsschwankungen<br />
zu materiellen Marktbewegungen<br />
führen.“ Das Crowding führe dazu,<br />
dass Strategien und Produkte, die die wesentlichen<br />
Risikotreiber eines Portfolios diversifizieren,<br />
mehr und mehr nachgefragt werden,<br />
glaubt der BlackRock-Experte. Anleger sollten<br />
sich nur fragen, ob Strategien, die in normalen<br />
Märkten gut funktionieren, dies auch in stressigeren<br />
Marktsituationen können.<br />
Kontinuität und Disziplin gefragt. In einem<br />
sind sich beide Experten zudem einig: Der<br />
stete Tropfen höhlt den Stein. Wenn ich kontinuierlich<br />
und diszipliniert investiere, fallen<br />
kurzfristige Risiken und das richtige Timing<br />
weniger ins Gewicht. „Das richtige Timing für<br />
Investments zu finden, führt letztendlich nur<br />
zu Verlusten“, sagt Beck. Und Meschenmoser<br />
ergänzt: „Erfolgreich ist, wer kontinuierlich investiert.<br />
Man sollte sich schlicht nicht verrückt<br />
machen lassen.“<br />
© shutterstock/bizvector/Montage Egger & Lerch Illustration: Egger & Lerch<br />
14 PERSPEKTIVEN 01|2017
SERVICE<br />
Sind Ihre Risiken es wert?<br />
Bei der neuen Risiko-Ertrags-Analyse wird überprüft, welche<br />
Risiken Ihr Portfolio birgt und ob diese in einem gesunden<br />
Verhältnis <strong>zum</strong> erwarteten Ertrag stehen. VON FLORIAN STREB<br />
Nur <strong>mit</strong> steigender Risikobereitschaft steigt<br />
auch die Ertragschance. Aber welche Risiken<br />
sind es wert, eingegangen zu werden,<br />
und welche meidet man lieber? Diese Frage<br />
individuell zu beantworten ist das Ziel der<br />
Risiko-Ertrags-Analyse, die ab sofort im Bank<br />
Austria Private Banking angeboten wird.<br />
„Grundsätzlich bietet eine möglichst breite<br />
Streuung den besten Schutz vor Kursverlusten“,<br />
erklärt Johannes Koller, Head of Investment<br />
Advisory & Products Development.<br />
„Hierbei spielen vor allem die Anlageklassen,<br />
die regionale Streuung und auch die Aufteilung<br />
auf verschiedene Währungen eine Rolle.“<br />
Aber für ein optimales Risikomanagement<br />
reicht es nicht aus, potenzielle Entwicklungen<br />
Daumen mal Pi oder nach Bauchgefühl zu<br />
beurteilen — deshalb gibt es nun eine persönliche<br />
Analyse <strong>mit</strong> individuellem Risikobericht.<br />
Darf’s ein bisschen mehr sein? Wie das<br />
Risiko-Ertrags-Verhältnis Ihres Portfolios<br />
aussieht, kann anhand von finanztechnischen<br />
Kennzahlen und Analysemethoden betrachtet<br />
werden. Könnten Sie möglicherweise <strong>mit</strong><br />
Ihrem Vermögen mehr Ertrag erwirtschaften<br />
— bei gleichem Risiko? Oder bei geringerem<br />
Risiko den gleichen Ertrag erzielen? Oder <strong>mit</strong><br />
geringfügig mehr Risiko deutlich mehr Ertrag<br />
erwarten dürfen?<br />
Für den Risikobericht wird der erwartete<br />
Ertrag Ihres Depots ins Verhältnis <strong>zum</strong><br />
Risiko gesetzt und Ihr Ertrags-Risikoprofil<br />
<strong>mit</strong> einem passenden Modellportfolio<br />
abgeglichen. Darüber hinaus zeigt eine<br />
Value-at-Risk-Analyse das konkrete Gewinn-<br />
und Verlustpotenzial Ihres Depots auf.<br />
Der Value at Risk ist dabei der potenzielle<br />
Verlust, der <strong>mit</strong> einer Wahrscheinlichkeit<br />
von 95 Prozent nicht überschritten wird.<br />
PRAKTISCH<br />
Justine Jung weiß genau, <strong>mit</strong> welchen Anteilen ihres Vermögens<br />
sie wie viel riskieren will. Eine Risiko-Ertrags-Analyse half ihr,<br />
ihr Portfolio dementsprechend zu optimieren.<br />
„ Bis vor Kurzem habe ich noch<br />
gesagt: Ich bin 36, ich habe ein gesichertes<br />
Einkommen, da muss ich<br />
mich um Risiken bei der Geldanlage<br />
wenig sorgen. Aber jetzt differenziere<br />
ich etwas: Ich habe vor Kurzem ein<br />
Haus gekauft und es bot sich an, es<br />
per Kredit zu finanzieren. Die Raten<br />
kann ich zwar problemlos aus meinem<br />
Verdienst als Anwältin bedienen,<br />
aber trotzdem fühle ich mich wohler,<br />
wenn ich einen entsprechenden<br />
Anteil meines Vermögens nicht zu<br />
spekulativ veranlagt habe. Für alles,<br />
was darüber hinausgeht, nehme ich<br />
weiterhin gerne mehr Risiko in Kauf,<br />
wenn es mehr Rendite verspricht.<br />
Deshalb habe ich eine Risiko- Ertrags-<br />
Analyse durchführen lassen. Die<br />
Analyse hat mir unter anderem gezeigt,<br />
wie ich <strong>mit</strong> nur kleinen Umschichtungen<br />
im Depot bei gleicher<br />
Krisenfestigkeit auf eine noch bessere<br />
Performance hoffen darf.<br />
“<br />
„Stresstest“ für Ihr Portfolio. Außerdem<br />
wird errechnet, wie sich Ihr Portfolio in<br />
Krisensituationen verhält. Ein Szenarientool<br />
spielt durch, wie sich das Depot in zwölf<br />
historischen Krisen entwickelt hätte — <strong>zum</strong><br />
Beispiel während der Lehman- Pleite oder der<br />
Staatsschuldenkrise. Und auch potenzielle<br />
zukünftige Szenarien werden simuliert,<br />
<strong>zum</strong> Beispiel ein massiver welt weiter<br />
Zinsan stieg oder eine harte Landung der<br />
chinesischen Wirtschaft <strong>mit</strong> all ihren globalen<br />
Auswirkungen.<br />
„Ich halte es für sinnvoll, das Portfolio <strong>zum</strong>indest<br />
jährlich <strong>mit</strong> der neuen Software zu analysieren“,<br />
meint Johannes Koller, „und darüber<br />
hinaus bei jeder größeren Umschichtung.“<br />
Dabei lasse sich die Risiko-Ertrags-Analyse<br />
auch als Entscheidungshilfe nutzen: Welches<br />
Risiko wird für Variante A prognostiziert,<br />
welches für Variante B? Eine Auswertung lässt<br />
sich auf Knopfdruck erstellen.<br />
15
SERVICE<br />
EXPERTISE<br />
Die Kontrolle behalten<br />
Ob Unfälle oder Altersdemenz – die steigende Lebenserwartung<br />
bringt auch Risiken <strong>mit</strong> sich. Wer für die Zukunft vorsorgen will,<br />
sollte daher über eine Vorsorgevollmacht nachdenken.<br />
VON ELKE WILLI<br />
Sie kennen vermutlich die gute Nachricht:<br />
Unsere Lebenserwartung steigt weiterhin<br />
an. Darüber können wir uns freuen, wir<br />
sollten jedoch da<strong>mit</strong> einhergehende Risiken<br />
nicht vernachlässigen. Denn Faktum ist, dass<br />
dadurch auch die Wahrscheinlichkeit einer<br />
Geschäftsunfähigkeit zunimmt, sei es durch<br />
eine Demenzerkrankung oder einen Unfall.<br />
Daher sollten alle, die sich <strong>mit</strong> dem <strong>Thema</strong><br />
Nachfolgeplanung und Vorsorge auseinandersetzen,<br />
auch über eine Vorsorgevollmacht<br />
nachdenken.<br />
Denn was passiert für gewöhnlich, sollte man<br />
tatsächlich seine Einsichts- und Urteilsfähigkeit,<br />
also seine Geschäftsfähigkeit, verlieren?<br />
Dann bestimmt ein Gericht einen Sachwalter,<br />
der fortan den Geschäftsunfähigen vertritt.<br />
Das Gericht bestimmt auch, in welchen<br />
Bereichen der Sachwalter Entscheidungen<br />
für die betroffene Person treffen kann. Die<br />
Befugnis kann etwa auf die Vertretung vor<br />
Behörden beschränkt sein, sie kann aber auch<br />
sämtliche Lebensbereiche umfassen (außer<br />
höchstpersönliche wie etwa Eheschließung).<br />
Der Sachwalter stammt für gewöhnlich aus<br />
dem Familienkreis, es werden jedoch immer<br />
wieder auch externe Personen, etwa ein Notar<br />
oder ein Rechtsanwalt, bestellt. Denn in manchen<br />
Fällen gibt es keine direkten Familienangehörigen<br />
oder diese leben im Ausland oder<br />
erscheinen dem Gericht nicht geeignet.<br />
Elke Willi ist<br />
Vermögensnachfolgeund<br />
Stiftungsexpertin<br />
im Bank Austria<br />
Private Banking.<br />
Genaue Vorgaben möglich. Sie möchten<br />
nicht von einem Gericht bestimmen lassen,<br />
wer im Fall des Falles an Ihrer statt welche<br />
Entscheidungen trifft? Mittels einer Vorsorgevollmacht<br />
kann jeder selbst seinen Stellvertreter<br />
auswählen — jemanden, dem man<br />
vertraut, und dem man auch fachlich zutraut,<br />
etwa in Vermögensangelegenheiten adäquat<br />
zu agieren. Jedenfalls muss für die Errichtung<br />
einer Vorsorgevollmacht die betroffene<br />
Person noch geschäftsfähig oder einsichtsund<br />
urteilsfähig sein. Die Vorsorgevollmacht<br />
schafft die Möglichkeit, die Kontrolle über<br />
das eigene Leben auch über den Eintritt einer<br />
Geschäftsunfähigkeit hinaus zu behalten.<br />
Denn man kann dem Bevollmächtigten auch<br />
sehr genaue inhaltliche Vorgaben machen.<br />
Auf welche Konten hat er Zugriff? Darf die<br />
Wohnung verkauft werden? Soll die Wohnung,<br />
falls notwendig, behindertengerecht<br />
„Man kann dem Bevollmächtigten sehr<br />
genaue inhaltliche Vorgaben machen.<br />
Auf welche Konten hat er Zugriff? Darf<br />
die Wohnung verkauft werden?“<br />
ELKE WILLI<br />
16 PERSPEKTIVEN 01|2017
SERVICE<br />
Illustration: Egger & Lerch<br />
umgebaut werden? Soll das ganze Vermögen<br />
für mobile Pflege aufgewendet werden, um<br />
nicht ins Pflegeheim übersiedeln zu müssen?<br />
Ein vom Gericht bestellter Sachwalter ist<br />
lediglich ganz allgemein dazu verpflichtet,<br />
<strong>zum</strong> Wohle des Betroffenen zu entscheiden<br />
— was einen großen Spielraum offenlässt.<br />
Mit einer Vorsorgevollmacht behält man<br />
die Fäden bis zu einem gewissen Grad in<br />
der Hand. Ein weiterer Vorteil: Oft wissen<br />
Lebens gefährte oder Kinder gar nicht,<br />
welche Vermögenswerte vorhanden sind.<br />
Sollen sie die Informationen im Fall des<br />
Falles erhalten? Auch das kann in der Vollmacht<br />
festgehalten werden.<br />
Vertrauensfrage. Auf der anderen Seite muss<br />
einem bewusst sein, dass ein vom Gericht<br />
bestellter Sachwalter der Kontrolle durch<br />
ebenjenes Gericht unterliegt und über sämtliche<br />
Ausgaben genau Rechenschaft ablegen<br />
muss. Ein von mir selbst Bevollmächtigter<br />
unterliegt dieser Kontrolle nicht und hat<br />
daher im Rahmen der Vorgaben ein wenig<br />
mehr Freiheiten — deshalb sollte es sich<br />
wirklich um eine Vertrauensperson handeln.<br />
Oder auch um mehrere, denn auch diese<br />
Möglichkeit bietet die Vorsorgevollmacht.<br />
Zum Beispiel können die Bereiche Finanzen<br />
und Vermögensverwaltung einerseits und<br />
Pflege und Gesundheit andererseits zwei<br />
unterschiedlichen Personen anvertraut<br />
werden. Grundsätzlich können auch mehrere<br />
Personen gemeinsam für ein <strong>Thema</strong> verantwortlich<br />
sein — das kann jedoch Konfliktpotenzial<br />
schaffen.<br />
Lieber <strong>mit</strong> Notar. Hat man sich dafür<br />
entschieden, welcher Person man welche<br />
speziellen Befugnisse überträgt, gilt es,<br />
die Formvorschriften zu beachten. Einen<br />
Fehler kann man nämlich bei Errichtung<br />
einer Vorsorgevollmacht begehen: Einfach<br />
das entsprechende Formular aus<br />
dem Internet herunterzuladen und es<br />
auszufüllen, reicht nicht aus. Betrifft die<br />
Vollmacht nämlich Entscheidungen über<br />
dauerhafte Änderungen des Wohnorts,<br />
medizinische Behandlungen oder größere<br />
Vermögensangelegenheiten, so muss sie vor<br />
einem Notar, vor einem Rechtsanwalt oder<br />
bei Gericht errichtet werden. Später kann<br />
die Vollmacht jederzeit wieder geändert<br />
werden, sollten sich <strong>zum</strong> Beispiel größere<br />
Änderungen bei den Vermögenswerten oder<br />
den persönlichen Umständen ergeben.<br />
PRAKTISCH<br />
Alois Anrainer hat definiert, wer ihn im Falle des Falles vertreten soll:<br />
„ Das Schicksal meines Freundes gewesen, sein jüngerer Bruder hätte<br />
Oswald hat mich wachgerüttelt: Er diese Aufgabe übernommen. Der<br />
leidet an Alzheimer, und eines Tages weiß nämlich recht gut, welche Bedürfnisse<br />
Oswald hat und welche<br />
bestellte das Gericht einen Anwalt als<br />
Sachwalter. Ihm wäre wohl lieber Wünsche er ernst nehmen sollte –<br />
für den Sachwalter, der losen Kontakt<br />
hält, ist das kaum möglich. Ich habe<br />
mich deshalb um eine Vorsorgevollmacht<br />
gekümmert: Um gesundheitliche<br />
Fragen, meine Wohn- und Betreuungssituation<br />
und so weiter wird<br />
sich mein ältester Sohn kümmern. Er<br />
ist sehr fürsorglich und ich bin mir<br />
sicher, dass er gute Entscheidungen<br />
treffen wird. Nur für die Verwaltung<br />
meines Vermögens möchte er keine<br />
Verantwortung übernehmen – er ist<br />
kein Zahlenmensch, und das weiß er.<br />
Dafür hat sich meine Nichte bereiterklärt,<br />
die als Controllerin gute<br />
Voraussetzungen <strong>mit</strong>bringt.<br />
“<br />
17
SERVICE<br />
PRIVAT-BOX<br />
Gabriele Groll ist<br />
seit 27 Jahren im<br />
Unternehmen.<br />
REICHTUM BEDEUTET FÜR MICH:<br />
hier in Europa geboren zu<br />
sein und leben zu dürfen<br />
Der wichtigste Wert für mich ist:<br />
Freiheit<br />
Wenn ich <strong>mit</strong> einer berühmten<br />
Persönlichkeit tauschen könnte,<br />
wäre ich gern: Angela Merkel<br />
Drei Eigenschaften, die mich<br />
charakterisieren: Ich bin zuverlässig,<br />
fröhlich, musikalisch<br />
Ich lese derzeit das Buch:<br />
„Der ökologische Jesus“<br />
von Franz Alt<br />
MEINE DEVISE<br />
„Wertpapier-<br />
Menschen sind<br />
offene Menschen“<br />
Gabriele Groll bringt ihre jahrzehntelange<br />
Erfahrung im Veranlagungsgeschäft heute im<br />
Hintergrund ein. Privat engagiert sie sich für<br />
Kinder in Sri Lanka. VON URSULA RISCHANEK<br />
Beraten ist eine der Leidenschaften von<br />
Gabriele Groll: Heute allerdings sind es nicht<br />
mehr die Kunden, sondern die Berater selbst,<br />
denen sie <strong>mit</strong> Rat und Tat zur Seite steht.<br />
Denn seit sechs Jahren ist die gebürtige Deutsche<br />
Projektmanagerin im Private Banking<br />
— Segment Management and Commercial<br />
Initiatives. Da<strong>mit</strong> ist sie unter anderem für die<br />
Weiterentwicklung eines internen, webbasierten<br />
Kundenberatungs-Tools sowie die Durchführung<br />
von Schulungen und die Vertriebsunterstützung<br />
verantwortlich.<br />
Grolls Bankkarriere begann 1989 bei der<br />
Creditanstalt in Wien — und zwar im Special<br />
Assets Management. „Ich bin ein Urgestein“,<br />
sagt sie schmunzelnd. Fünf Jahre<br />
später erfolgte der Wechsel in die Abteilung<br />
Veranlagungen, bald absolvierte Groll auch<br />
die bankinterne Wertpapier-Spezialistenausbildung.<br />
Bis heute blieb sie dem <strong>Thema</strong> treu.<br />
„Wertpapiere machen mir Spaß“, meint sie.<br />
Zum einen, weil sie da<strong>mit</strong> etwas bewegen<br />
18 PERSPEKTIVEN 01|2017
SERVICE<br />
Mit dem Arbeitskreis<br />
Weltkirche<br />
Wr. Neustadt<br />
unterstützt Groll<br />
Bildungsprojekte in<br />
Sri Lanka.<br />
„Die Aufgabe ist<br />
eine Bereicherung<br />
im Leben und<br />
ein Beitrag zu ein<br />
bisschen mehr<br />
Gerechtigkeit und<br />
Glück.“<br />
GABRIELE GROLL<br />
Im Rahmen ihres<br />
Engagements war sie<br />
auch schon vor Ort zu<br />
Besuch.<br />
könne, <strong>zum</strong> anderen weil auch ein bisschen<br />
Risiko dabei sei. „Wertpapier-Menschen sind<br />
offene Menschen“, ist sie überzeugt.<br />
Einsatz für bessere Bildung. Dass die These<br />
<strong>mit</strong> der Offenheit definitiv auf sie zutrifft,<br />
zeigt sich daran, dass Groll seit vergangenem<br />
August als Einsatzleiterin des Arbeitskreises<br />
Weltkirche Wiener Neustadt für ein Vorschulprojekt<br />
in Sri Lanka zuständig ist. „Es handelt<br />
sich um sechs Vorschulen für die Kinder von<br />
Teeplantagenarbeitern im Süden des Landes,<br />
für die wir das Gehalt der Lehrerinnen und<br />
notwendige Renovierungsarbeiten bezahlen“,<br />
erzählt sie. Erst vor einigen Wochen war sie<br />
persönlich zu Besuch. „Die Aufgabe ist eine<br />
Bereicherung im Leben und ein Beitrag zu ein<br />
bisschen mehr Gerechtigkeit und Glück“, ist<br />
Groll überzeugt.<br />
Entspannung findet die Mutter eines erwachsenen<br />
Sohnes darüber hinaus beim Singen.<br />
Sowohl der „Cantus Novus“ als auch der „Chor<br />
im Hemd“ können auf ihre Stimmgewalt zählen.<br />
Seit Kurzem hat Groll ein weiteres musisches<br />
Hobby: Sie bringt sich das Klavierspielen<br />
autodidaktisch bei — für das Herbstsemester<br />
war in der Musikschule kein Platz mehr frei.<br />
„Aber Klavierunterricht steht definitiv auf dem<br />
Programm.“ Und da<strong>mit</strong> nicht nur Finger und<br />
Stimmbänder in Form bleiben, geht Gabriele<br />
Groll ab und zu ins Fitness-Studio.<br />
19
LEBEN<br />
MEHRWERT<br />
Alpinnotruf 140<br />
Wann immer in Österreich jemand in Bergnot gerät,<br />
ist der Österreichische Bergrettungsdienst (ÖBRD)<br />
<strong>mit</strong> seinen rund 12.500 ehrenamtlichen Bergrettern<br />
und Bergretterinnen gefragt.<br />
Die Bergnot zeigt bei den jährlich gut<br />
7.000 Bergrettungseinsätzen viele Gesichter.<br />
Abstürze, Steinschlagtreffer, Brüche und Stauchungen,<br />
Erschöpfung, Orientierungsverlust,<br />
Forst- und andere Unfälle in unwegsamem<br />
Gelände, Lawinenverschüttungen … Worum<br />
es sich auch handelt, zwischen Pfänder und<br />
den Kletterfelsen Wiens genügt ein Notruf<br />
unter der Nummer 140, um die Rettungskette<br />
in Gang zu setzen. Dann werden die Einsatzmannschaften<br />
der Bergrettung über die<br />
nächstgelegene Leitstelle per SMS alarmiert.<br />
Die Bergungen und Sucheinsätze sind nicht<br />
nur <strong>mit</strong> Risiken verbunden, sondern auch<br />
<strong>mit</strong> erheblichen Kosten. Daher ist der Bergrettungsdienst<br />
auf Finanzierung durch die<br />
öffentliche Hand, Wirtschaft sowie private<br />
Unterstützer angewiesen. Ihre Beiträge<br />
machen es möglich, die notwendige Infrastruktur,<br />
Ausrüstung und Ausbildung für die<br />
Rettungsarbeit in den Bergen sicherzustellen.<br />
„Unsere Umwelt und unser Einsatzspektrum<br />
verändert sich stätig. Daher ist es notwendig<br />
unsere Ausrüstung, die Ausbildung, die Infrastruktur,<br />
die Mobilität und unsere Verfahren<br />
permanent an aktuelle Herausforderungen<br />
anzupassen“, sagt ÖBRD-Präsident Franz<br />
Lindenberg. Sollten auch Sie einen Beitrag<br />
zur Sicherheit in den Bergen leisten wollen,<br />
können Sie dies als Förderer der Bergrettung<br />
oder <strong>mit</strong> einer Spende tun.<br />
www.bergrettung.at<br />
Spendenkonto:<br />
IBAN: AT56 1100 0097 5510 5500<br />
© shutterstock/CandyBox Images<br />
Tausende<br />
ehrenamtliche<br />
Bergretter<br />
beeindrucken<br />
<strong>mit</strong> ihrem<br />
Engagement.<br />
20 PERSPEKTIVEN 01|2017
LEBEN<br />
Der traditionelle<br />
Safrananbau in<br />
Niederösterreich<br />
wird derzeit<br />
wiederbelebt.<br />
© shutterstock/GTS<br />
Die Wiederentdeckung<br />
des Safran<br />
Safran kennt man als orientalisches und mediterranes<br />
Gewürz – rund 90 Prozent der weltweiten<br />
Ernte stammt aus dem Iran. Was wenige wissen:<br />
Auch im niederösterreichischen Wein- und Waldviertel<br />
wurde jahrhundertelang Safran hergestellt.<br />
So lobt ein Schriftstück aus dem Jahr<br />
1548: „Der pest Saffran in aller Welt / Wachst<br />
neben traid, wein auff dem velt“. Die Pflanze<br />
dürfte rund ums Jahr 1200 von Kreuzrittern<br />
eingeführt worden sein und wurde hier bis<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts kultiviert. In den<br />
letzten Jahren haben ein paar wenige Betriebe<br />
diese Tradition wiederbelebt und pflanzen den<br />
Krokus, um seine aromatischen Blütenfäden zu<br />
ernten. Als Faustregel gilt dabei: Wo guter Wein<br />
wächst, gefällt es auch dem Safran. Erhältlich ist<br />
der österreichische Safran im Delikatess-Fachhandel<br />
oder online via Suche nach „Weinviertler<br />
Safran“, „Weinviertler Bio-Safran“, „Waldviertler<br />
Safran“ oder „Pannonischer Safran“.<br />
piano forte –<br />
Klaviertalente auf CD<br />
Mit der Initiative piano forte – the next<br />
generation fördert die Bank Austria den<br />
pianistischen Nachwuchs in Österreich,<br />
Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien.<br />
In Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Musikuniversitäten<br />
wurde in jedem Land ein Talent ausgewählt, das<br />
sich voriges Jahr im Rahmen eine Konzertreihe<br />
im Bank Austria Salon des Alten Rathauses in<br />
Wien präsentieren durfte. Die Auftritte von Julia<br />
Kociuban, Peter Nagel, Tim Jancar, Lukas Klansky<br />
und Fülöp Ranki begeisterten das Publikum. Die<br />
Höhepunkte der Konzerte veröffentlichte nun das<br />
renommierte Wiener Klassiklabel Gramola auf<br />
einer Doppel-CD sowie online <strong>zum</strong> Download.<br />
Darauf zu hören sind unter anderem Werke von<br />
Janacek, Bach und Chopin sowie von<br />
zeitgenössischen Komponisten aus den<br />
Heimatländern der Interpreten.<br />
piano forte - the next generation<br />
GRAMOLA, 2 CD<br />
www.gramola.at<br />
© UniCredit Bank Austria<br />
Die in Polen geborene<br />
Julia Kociuban studiert<br />
am Salzburger<br />
Mozarteum.<br />
21
LEBEN<br />
Die Preise für <strong>Koi</strong>s reichen von hundert Euro bis zu fünf-, manchmal auch sechsstelligen Beträgen.<br />
WERT & SCHÖN<br />
„Ein <strong>Koi</strong> ist mehr als ein Fisch —<br />
nämlich ein Haustier“<br />
Für die berühmten japanischen Karpfen kann man ein Vermögen<br />
ausgeben. perspektiven hat <strong>mit</strong> der <strong>Koi</strong>-Händlerin <strong>Martina</strong> <strong>Siess</strong><br />
aus Wildermieming bei Innsbruck gesprochen.<br />
VON FLORIAN SEDMAK<br />
Was macht den Wert eines <strong>Koi</strong>s aus?<br />
<strong>Martina</strong> <strong>Siess</strong>: Ein perfekt gezüchteter <strong>Koi</strong> ist<br />
mehr als ein Fisch — nämlich ein Haustier. Der<br />
entwickelt eine Beziehung zu Ihnen und zu<br />
anderen Haustieren wie Hunden, schwimmt<br />
im Teich an Ihrer Seite und lässt sich von Ihnen<br />
<strong>mit</strong> einer Hand aus dem Wasser nehmen<br />
und <strong>mit</strong> der anderen füttern und streicheln.<br />
Das kann eine Viertelmillion Euro und<br />
mehr wert sein?<br />
So ist es. Einerseits, weil ein fantastisches<br />
Zuchtwissen im Spiel ist, das nur mündlich<br />
von Generation zu Generation weitergegeben<br />
wird. Es genügt nicht, dass sich zwei besonders<br />
schöne Elterntiere fortpflanzen — da<br />
werden viele andere Variablen wie Blutlinien<br />
22 PERSPEKTIVEN 01|2017
LEBEN<br />
<strong>Martina</strong> <strong>Siess</strong> und ihr<br />
Mann Reinhard sind<br />
Exklusiv handelspartner der<br />
renommierten Konishi- <strong>Koi</strong>-<br />
Farm in Hiroshima – und<br />
die einzigen Öster reicher im<br />
Züchterverband Shinkokai.<br />
und der Charakter berücksichtigt. Um dieses<br />
Wissen zu schützen, werden Elterntiere<br />
— wenn überhaupt — immer getrennt auf<br />
verschiedene Kontinente verkauft.<br />
Andererseits?<br />
Andererseits selektieren japanische Spitzenzüchter<br />
extrem streng. Von tausend frisch<br />
geschlüpften <strong>Koi</strong>s kommen höchstens zwei<br />
in den Handel.<br />
Wo liegen die Einsteigerpreise?<br />
Schon bei hundert Euro. Die meisten unserer<br />
Kunden geben tausend bis zweitausend<br />
Euro für einen <strong>Koi</strong> aus. Wir haben aber auch<br />
schon Exemplare im hohen fünfstelligen<br />
Eurobereich verkauft. Auf dem Markt für<br />
solche <strong>Koi</strong>s herrscht allerdings Diskretion.<br />
Wie komme ich zu so einem <strong>Koi</strong>?<br />
Indem Sie unseren Teich <strong>mit</strong> 300 bis<br />
500 Japankois begutachten oder uns im<br />
November auf unserer jährlichen Japanreise<br />
„Von tausend<br />
frisch<br />
geschlüpften<br />
<strong>Koi</strong>s kommen<br />
höchstens zwei<br />
in den Handel.“<br />
MARTINA SIESS<br />
zur Konishi-Farm begleiten und dort den <strong>Koi</strong><br />
Ihrer Wünsche und Preisklasse <strong>mit</strong> uns aussuchen.<br />
Oder indem Sie uns einen Suchauftrag<br />
<strong>mit</strong> Ihren Kriterien für Größe, Aussehen und<br />
Verhalten geben. Wir bleiben <strong>mit</strong> Ihnen in<br />
Kontakt, bis wir den richtigen haben.<br />
Und dann?<br />
Den Winter verbringt Ihr <strong>Koi</strong> noch in Japan.<br />
Im Frühling kommt er dann zu uns. Wenn<br />
wir sicher sind, dass das Tier gesund ist,<br />
liefern wir es persönlich frei Haus. Auch bis<br />
nach Belgien.<br />
Steigt die Nachfrage in Österreich<br />
oder sinkt sie?<br />
Deutschland ist schon im <strong>Koi</strong>-Fieber, bei<br />
uns bricht es gerade aus.<br />
23
© Edward C. Robison III.<br />
KUNSTWERK<br />
Georgia O’Keeffe:<br />
Jimson Weed/White Flower No. 1<br />
Öl auf Leinwand, 1932<br />
Ab dem 7. Dezember und bis 26. März zeigt das Kunstforum<br />
Wien erstmals in Österreich Werke von Georgia O’Keeffe,<br />
einer der Begründerinnen der modernen amerikanischen<br />
Kunst. Ausgestellt werden Gemälde aus sieben Jahrzehnten,<br />
darunter auch dieses – das teuerste Bild, das jemals von<br />
einer Künstlerin versteigert wurde.