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Bediensteten Behörde Mitarbeiter

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LANDESANWALTSCHAFT BAYERN<br />

Landesanwaltschaft Bayern • Postfach 34 01 48 • 80098 München<br />

07.02.2017<br />

Wichtige neue Entscheidung<br />

Informationsfreiheitsrecht: Kein Informationszugang zu Diensttelefonlisten von Jobcentern<br />

auf der Grundlage des IFG<br />

§ 1 Abs. 1 IFG i.V.m. § 44b Abs. 1 SGB II, § 2 Nr. 1 IFG, § 3 Nr. 2 IFG<br />

Diensttelefonliste<br />

Amtliche Information (bejaht)<br />

Ausschlussgrund<br />

Gefährdung der öffentlichen Sicherheit<br />

Ordnungsgemäße behördliche Aufgabenerfüllung<br />

Individualrechtsgüter der <strong>Bediensteten</strong><br />

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.10.2016, Az. 7 C 23.15<br />

Orientierungssatz der LAB:<br />

Einem Anspruch auf Informationszugang zu den dienstlichen Telefonnummern der <strong>Bediensteten</strong><br />

von Jobcentern können sowohl die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der <strong>Behörde</strong><br />

als auch der Schutz der personenbezogenen Daten der <strong>Mitarbeiter</strong>innen und <strong>Mitarbeiter</strong><br />

entgegenstehen.<br />

Hinweis: Diese Entscheidung wird gleichzeitig auf unserer Internetseite eingestellt.<br />

www.landesanwaltschaft.bayern.de<br />

Dienstgebäude Verkehrsverbindung Telefon: 089 2130-280 E-Mail: poststelle@la-by.bayern.de<br />

Ludwigstr. 23 U3 und U6 (Universität) Telefax: 089 2130-399 Internet: http://www.landesanwaltschaft.bayern.de<br />

80539 München Buslinie 53


Hinweise:<br />

Der Kläger begehrte unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) Zugang zu<br />

den Diensttelefonlisten des beklagten Jobcenters. Die <strong>Bediensteten</strong> des Beklagten sind<br />

von ihren Kunden nicht unmittelbar telefonisch erreichbar. Anrufe werden von einem zu<br />

diesem Zweck eingerichteten Service-Center unter einer einheitlichen Telefonnummer<br />

entgegengenommen. Einen entsprechenden Antrag auf Übermittlung der Liste mit den<br />

dienstlichen Durchwahlnummern der <strong>Bediensteten</strong> lehnte der Beklagte ab. Die dagegen<br />

erhobene Klage blieb erfolglos.<br />

Mit der vorliegenden Entscheidung weist das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die<br />

vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des Klägers<br />

gegen das – ebenfalls bereits als „Wichtige neue Entscheidung“ veröffentlichte – Urteil<br />

des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) vom 05.08.2015<br />

(Az. 5 BV 15.160, juris) zurück.<br />

1. Das BVerwG setzt sich zunächst mit der vom BayVGH offengelassenen Frage auseinander,<br />

ob es sich bei der streitgegenständlichen Telefonliste um eine amtliche Information<br />

im Sinne des § 2 Nr. 1 IFG handelt und bejaht dies. Es sei keine Intention des<br />

Gesetzgebers erkennbar, innerdienstliche, nicht auf einen konkreten Verwaltungsvorgang<br />

bezogene Informationen vom Anwendungsbereich des IFG auszuschließen. Ein<br />

solches Verständnis entspreche auch der Zielsetzung des § 2 Nr. 1 IFG, nach der alle<br />

Formen von festgehaltener und gespeicherter Information von dem Begriff der amtlichen<br />

Information umfasst sein sollen.<br />

2. Das BVerwG bestätigt die Auffassung des BayVGH, dass dem Informationsbegehren<br />

die Ausnahmevorschrift des § 3 Nr. 2 IFG entgegensteht. Danach besteht der Anspruch<br />

auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche<br />

Sicherheit gefährden kann. Betroffen sind vorliegend die zum Schutzgut der öffentlichen<br />

Sicherheit gehörende Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen sowie die Individualrechtsgüter<br />

Gesundheit und persönliche Ehre der <strong>Bediensteten</strong> der Beklagten.<br />

Der Senat stellt klar, dass die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen auch die<br />

geordnete Erfüllung der dem Beklagten zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben umfasse,


die unter anderem auf der sachgerechten Ausübung des Organisationsermessens bezüglich<br />

behördeninterner Abläufe aufbaue. Nach den tatsächlichen Feststellungen des<br />

Berufungsgerichts besteht im Falle eines Informationszugangs die konkrete Möglichkeit<br />

nachteiliger Auswirkungen auf den Arbeitsablauf und die Aufgabenerfüllung des Beklagten.<br />

Das BVerwG ist übereinstimmend mit dem BayVGH der Auffassung, dass eine Gefährdung<br />

der öffentlichen Sicherheit unter dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Aufgabenerledigung<br />

nicht erst dann gegeben sei, wenn die informationspflichtige Stelle ihrer<br />

Funktion voraussichtlich überhaupt nicht mehr gerecht werden könne, sondern<br />

schon dann, wenn – wie vorliegend die effektive – Aufgabenerledigung gestört und die<br />

Arbeit der betroffenen <strong>Bediensteten</strong> beeinträchtigt werden könne.<br />

Auch bezüglich der vom BayVGH in tatsächlicher Hinsicht festgestellten möglichen Beeinträchtigungen<br />

der Individualrechtsgüter der <strong>Bediensteten</strong>, namentlich deren Gesundheit<br />

und persönliche Ehre, teilt das BVerwG die Einschätzung des BayVGH, dass eine Gefährdung<br />

der öffentlichen Sicherheit gegeben ist.<br />

Das BVerwG hat die o.g. Rechtsprechung in seiner Parallelentscheidung vom 20.10.2016<br />

(Az. 7 C 20.15) bestätigt. In zwei weiteren Entscheidungen vom 20.10.2016 (Az. 7 C 27.15<br />

und 7 C 28.15), die ebenfalls zu der Herausgabepflicht von Diensttelefonlisten von Jobcentern<br />

ergangen sind, hat es sich darüber hinaus mit der Regelung des § 5 Abs. 1 IFG<br />

befasst und festgestellt, dass bei fehlender Einwilligung der <strong>Bediensteten</strong> ein relativer Vorrang<br />

des Datenschutzes vor dem Informationsinteresse besteht. In den zu entscheidenden<br />

Fällen verneinte das BVerwG ein Überwiegen der von den Klägern geltend gemachten<br />

Interessen am Informationszugang gegenüber dem betroffenen Grundrecht der <strong>Bediensteten</strong><br />

auf informationelle Selbstbestimmung.<br />

Mühlich<br />

Oberlandesanwältin


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT<br />

IM NAMEN DES VOLKES<br />

URTEIL<br />

BVerwG 7 C 23.15<br />

VGH 5 BV 15.160<br />

Verkündet<br />

am 20. Oktober 2016<br />

…<br />

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle<br />

In der Verwaltungsstreitsache<br />

ECLI:DE:BVerwG:2016:201016U7C23.15.0


- 2 -<br />

hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts<br />

auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2016<br />

durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte<br />

und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Keller, Dr. Schemmer<br />

und Böhmann<br />

für Recht erkannt:<br />

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen<br />

Verwaltungsgerichtshofs vom 5. August 2015 wird<br />

zurückgewiesen.<br />

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.<br />

G r ü n d e :<br />

I<br />

1<br />

Der Kläger begehrt Informationszugang zu den aktuellen dienstlichen Telefonnummern<br />

von <strong>Bediensteten</strong> des Beklagten. Diese sind von ihren Kunden nicht<br />

unmittelbar telefonisch zu erreichen. Anrufe werden von einem eigens eingerichteten<br />

Service-Center unter einer einheitlichen Telefonnummer entgegengenommen.<br />

2<br />

Einen entsprechenden Antrag des Klägers lehnte der Beklagte ab. Widerspruchsverfahren,<br />

Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof<br />

hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Dem<br />

begehrten Informationszugang stehe der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 2 IFG<br />

entgegen. Das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit gewährleiste<br />

den Schutz sowohl von Individualrechtsgütern als auch der Unversehrtheit der<br />

Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des<br />

Staates. Eine mögliche Gefährdung dieser Schutzgüter reiche aus, um einen<br />

Anspruch auf Informationszugang auszuschließen, und sei hier zu bejahen. Die<br />

Entscheidung, Namen und Durchwahlnummern der Beschäftigten der Jobcenter<br />

nicht allgemein bekannt zu geben und die telefonische Erreichbarkeit des


- 3 -<br />

Beklagten durch ein speziell dafür zuständiges Service-Center sicherzustellen,<br />

diene dem Schutz der Individualrechtsgüter der <strong>Mitarbeiter</strong>, da Beschimpfungen,<br />

Drohungen und Gewalt gegen Sachen und <strong>Mitarbeiter</strong> bis hin zu Tötungsdelikten<br />

zum beruflichen Alltag in deutschen Jobcentern gehörten. Außerdem<br />

würde auch die Funktionsfähigkeit einer staatlichen Einrichtung gefährdet, wenn<br />

die Durchwahlnummern der Sachbearbeiter Dritten zugänglich gemacht würden.<br />

Zur Erhaltung der aufgabengemäßen Funktionsfähigkeit sei die Verhinderung<br />

und Abwehr äußerer Störungen des Arbeitsablaufs erforderlich. Es sei<br />

Aufgabe der staatlichen Stellen‚ sicherzustellen‚ dass die ihnen zugewiesenen<br />

Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden personellen und sächlichen Mitteln<br />

sachgerecht und effektiv erledigt werden könnten. Angesichts der Vielzahl von<br />

Leistungsempfängern wäre die Funktionsfähigkeit des Beklagten erheblich beeinträchtigt‚<br />

wenn die Telefonnummern seiner Sachbearbeiter Dritten zugänglich<br />

gemacht würden.<br />

3<br />

Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision<br />

trägt der Kläger vor: Durch die Herausgabe der Telefonliste werde die öffentliche<br />

Sicherheit nicht gefährdet. Das ergebe sich schon daraus, dass andere<br />

Jobcenter den entsprechenden Informationszugang gewährten. Emotionale<br />

Ausbrüche könnten durch die Nichtherausgabe der Liste nicht verhindert werden.<br />

Schutzgut des § 3 Nr. 2 IFG sei nicht der Schutz der effektiven Arbeit der<br />

einzelnen Sachbearbeiter.<br />

4<br />

Der Kläger beantragt,<br />

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom<br />

5. August 2015, das Urteil des Verwaltungsgerichts<br />

Ansbach vom 14. November 2014 und den Bescheid des<br />

Beklagten vom 22. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides<br />

vom 25. November 2013 aufzuheben<br />

und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Informationszugang<br />

zu den Diensttelefonlisten mit den Durchwahlnummern<br />

der im Bürgerkontakt tätigen <strong>Mitarbeiter</strong> und<br />

<strong>Mitarbeiter</strong>innen des Beklagten zu gewähren.


- 4 -<br />

5<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

die Revision zurückzuweisen.<br />

6<br />

Er verteidigt das angefochtene Urteil.<br />

7<br />

Die Beteiligte stellt keinen Antrag.<br />

II<br />

8<br />

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf<br />

einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).<br />

9<br />

1. Das beklagte Jobcenter ist nach §§ 6d, 44 Zweite Buch Sozialgesetzbuch<br />

- Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) i.d.F. der Bekanntmachung<br />

vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Art. 2<br />

des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) eine gemeinsame Einrichtung,<br />

gegenüber der sich der Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen<br />

nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes richtet (§ 50 Abs. 4 Satz 2<br />

SGB II).<br />

10<br />

2. Ebenfalls im Einklang mit Bundesrecht qualifiziert das Berufungsgericht die in<br />

Rede stehende Telefonliste als amtliche Information im Sinne des § 2 Nr. 1 Gesetz<br />

zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz<br />

- IFG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. September 2005<br />

(BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom<br />

7. August 2013 (BGBl. I S. 3154). Es handelt sich bei dieser Liste um eine Aufzeichnung,<br />

die amtlichen Zwecken - der Sicherung der behördeninternen<br />

gegenseitigen Erreichbarkeit - dient.<br />

11<br />

a) Die hieran vom Berufungsgericht geäußerten Zweifel knüpfen an die Gesetzesbegründung<br />

zu § 2 Nr. 1 Satz 2 IFG an. Danach macht diese Vorschrift, der<br />

zufolge Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sol-


- 5 -<br />

len, nicht zu den amtlichen Informationen gehören, keine Änderung der Aktenführung<br />

durch Trennung von Unterlagen erforderlich (BT-Drs. 15/4493 S. 9).<br />

Dem hieraus gezogenen Schluss, dass nur konkrete Verwaltungsvorgänge,<br />

nicht aber rein innerdienstliche Aufzeichnungen von dem Begriff der amtlichen<br />

Information erfasst würden, ist nicht zu folgen. Im Wortlaut des Gesetzes findet<br />

sich kein Anhaltspunkt dafür, dass innerdienstliche Vorgänge ohne Bezug zu<br />

einem konkreten Verwaltungsverfahren vom Informationszugang ausgenommen<br />

sein sollen. Auch der Gesetzgebungsgeschichte kann dies nicht entnommen<br />

werden. Selbst wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen sein sollte,<br />

dass sich Informationszugangsbegehren in der Regel auf konkrete Verwaltungsvorgänge<br />

beziehen, lässt sich gleichwohl keine damit verbundene Intention<br />

feststellen, innerdienstliche Informationen vom Anwendungsbereich des<br />

Informationsfreiheitsgesetzes auszuschließen; vielmehr betrachtet die Gesetzesbegründung<br />

die - ebenfalls rein innerdienstlichen - Geschäftsverteilungspläne<br />

ohne Weiteres als amtliche Information (BT-Drs. 15/4493 S. 16). Ein solches<br />

Verständnis entspricht auch der Zielsetzung der Regelung, nach der alle Formen<br />

von festgehaltener und gespeicherter Information von dem Begriff der amtlichen<br />

Information umfasst sein sollen (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 8 f.), ohne dass<br />

es auf ihre Zuordnung zu bestimmten Verwaltungsvorgängen ankäme.<br />

12<br />

b) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht geht das Berufungsurteil davon aus, dass<br />

das Begehren des Klägers nicht auf eine Informationsbeschaffung gerichtet ist,<br />

zu der das Informationsfreiheitsgesetz eine <strong>Behörde</strong> nicht verpflichtet (vgl.<br />

BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 37).<br />

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, an die der Senat nach<br />

§ 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, steht fest, dass die begehrte Telefonliste<br />

beim Beklagten vorhanden ist. Die Notwendigkeit ihrer der Sache nach lediglich<br />

redaktionellen Überarbeitung durch Teilschwärzung oder -löschung führt nicht<br />

dazu, dass die Informationen, um die es dem Kläger geht, erst generiert oder<br />

beschafft werden müssten.<br />

13<br />

3. Keinen bundesrechtlichen Bedenken unterliegt die entscheidungstragende<br />

Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dem Informationsbegehren stehe § 3<br />

Nr. 2 IFG entgegen. Nach dieser Ausnahmevorschrift besteht der Anspruch auf


- 6 -<br />

Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche<br />

Sicherheit gefährden kann.<br />

14<br />

a) § 3 Nr. 2 IFG nimmt mit der "öffentlichen Sicherheit" einen Begriff des Gefahrenabwehrrechts<br />

auf (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 Gesetz über die Bundespolizei<br />

i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. Oktober<br />

1994 , zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom<br />

26. Juli 2016 und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften;<br />

vgl. zum nordrhein-westfälischen Landesrecht ebenso OVG Münster,<br />

Urteil vom 6. Mai 2015 - 8 A 1943/13 - DVBl 2015, 1133 Rn. 62 ff.). Daran anknüpfend<br />

umfasst die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 3 Nr. 2 IFG ausweislich<br />

der Gesetzesbegründung die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der<br />

grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates sowie von Gesundheit,<br />

Ehre, Freiheit, Eigentum und sonstigen Rechtsgütern der Bürger (vgl.<br />

BT-Drs. 15/4493 S. 10).<br />

15<br />

aa) Zu diesen Schutzgütern gehört auch die Funktionsfähigkeit der staatlichen<br />

Einrichtungen. Dabei geht es um die Erfüllung der einer staatlichen Einrichtung<br />

jeweils zugewiesenen Aufgaben, die ihrerseits von geordneten verwaltungsinternen<br />

Abläufen abhängt (vgl. Schirmer, in: BeckOK Informations- und Medienrecht,<br />

§ 3 IFG Rn. 121). Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Funktionsfähigkeit<br />

der staatlichen Einrichtungen im Informationsfreiheitsrecht gegenüber<br />

dem sonstigen Verständnis dieses Begriffs einengend zu interpretieren wäre,<br />

ergeben sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus sonstigen Umständen.<br />

Die Erwähnung "sensibler" Abläufe und Strukturen in der Gesetzesbegründung<br />

(BT-Drs. 15/4493 S. 10) benennt nur ein Beispiel herausgehobener Schutzwürdigkeit,<br />

hat aber im Wortlaut des § 3 Nr. 2 IFG keinen Niederschlag gefunden<br />

und lässt daher nicht den Schluss zu, die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen<br />

sei nur hinsichtlich bestimmter Abläufe vom Anwendungsbereich des<br />

Ausschlussgrundes erfasst.<br />

16<br />

Diesen zutreffenden rechtlichen Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht<br />

- anders als die Revision meint - auch nicht dahingehend fehlinterpretiert, dass<br />

aus seiner Sicht Schutzgut des § 3 Nr. 2 IFG allein schon das Organisations-


- 7 -<br />

ermessen bezüglich der behördeninternen Abläufe wäre, dessen Zuordnung zur<br />

öffentlichen Sicherheit teilweise kritisch beurteilt wird (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl.<br />

2016, § 3 Rn. 158 m.w.N.). Geschützt wird vielmehr die geordnete Erfüllung der<br />

dem Beklagten gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, die unter anderem auf der<br />

sachgerechten Ausübung des Organisationsermessens durch den Beklagten<br />

aufbaut, welches damit lediglich ein Element des Schutzgutes darstellt.<br />

17<br />

bb) Diese die ordnungsgemäße behördliche Aufgabenerfüllung einschließende<br />

Interpretation des § 3 Nr. 2 IFG steht im Einklang mit der Systematik und dem<br />

Sinn und Zweck der zwischen Zugangsverschaffungs- und Veröffentlichungspflichten<br />

differenzierenden Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes (vgl.<br />

hierzu auch Schoch, IFG, § 11 Rn. 39). Nach § 11 Abs. 2 IFG sind Organisations-<br />

und Aktenpläne ohne Angabe persönlicher Daten allgemein zugänglich<br />

zu machen. Geschäftsverteilungspläne, die Namen, dienstliche Rufnummer und<br />

Aufgabenbereich der <strong>Bediensteten</strong> enthalten, sind von dieser Veröffentlichungspflicht<br />

nach dem Willen des Gesetzgebers nicht erfasst und als sonstige<br />

amtliche Information vorbehaltlich etwaiger Ausnahmetatbestände nur auf Antrag<br />

mitzuteilen; dies dient unter anderem dem behördlichen Interesse an einer<br />

ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung (vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 16).<br />

18<br />

Zu den Regelungszielen des Informationsfreiheitsgesetzes gehört daher auch<br />

die Gewährleistung einer geordneten Erfüllung der dienstlichen Aufgaben der<br />

informationspflichtigen Stellen. Die Berücksichtigung dieses Anliegens als Bestandteil<br />

der öffentlichen Sicherheit nach § 3 Nr. 2 IFG steht mithin im Bereich<br />

des antragsgebundenen Informationszugangs mit dem Gesetzeszweck im Einklang.<br />

19<br />

b) Ohne Verstoß gegen revisibles Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis<br />

gelangt, dass der beantragte Informationszugang zu einer Gefährdung<br />

der öffentlichen Sicherheit führen kann.<br />

20<br />

aa) Eine Gefährdung liegt vor, wenn aufgrund einer auf konkreten Tatsachen<br />

beruhenden prognostischen Bewertung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu<br />

erwarten ist, dass das Bekanntwerden der Information das Schutzgut beein-


- 8 -<br />

trächtigt (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012 - 7 C 1.12 - Buchholz<br />

404 IFG Nr. 10 Rn. 38 ff. und vom 27. November 2014 - 7 C 18.12 - Buchholz<br />

404 IFG Nr. 13 Rn. 17). Die Feststellung der konkreten Möglichkeit nachteiliger<br />

Auswirkungen setzt voraus, dass die informationspflichtige Stelle Tatsachen<br />

darlegt, aus denen sich im jeweiligen Fall eine Beeinträchtigung des Schutzgutes<br />

ergeben kann. Diese Einschätzung kann insbesondere bei Vorgängen,<br />

die eine typisierende Betrachtungsweise ermöglichen, auch auf allgemeinen<br />

Erfahrungswerten beruhen (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012 - 7 C<br />

1.12 - Buchholz 404 IFG Nr. 10 Rn. 41). Das Vorliegen des Ablehnungsgrundes<br />

hängt dabei nicht von der Person des konkreten Antragstellers ab; maßgeblich<br />

ist, ob das Bekanntwerden der Information objektiv geeignet ist, sich nachteilig<br />

auf das Schutzgut auszuwirken (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C<br />

12.13 - BVerwGE 150, 383 Rn. 37).<br />

21<br />

bb) In Anwendung dieses Maßstabs ist eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit<br />

unter dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Aufgabenerledigung nicht<br />

erst dann zu bejahen, wenn die informationspflichtige Stelle ihrer Funktion voraussichtlich<br />

überhaupt nicht mehr gerecht werden könnte, sondern schon dann,<br />

wenn die effektive Aufgabenerledigung gestört und die Arbeit der betroffenen<br />

<strong>Bediensteten</strong> beeinträchtigt werden kann. Bereits ein derartiger Geschehensablauf<br />

ist geeignet, sich nachteilig auf die Funktionsfähigkeit des Beklagten auszuwirken.<br />

Für eine Gefährdung von Individualrechtsgütern der Beschäftigten<br />

reichen - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht bereits fernliegende<br />

Befürchtungen aus; vielmehr müssen konkrete Umstände oder allgemeine<br />

Erfahrungswerte eine hinreichende Wahrscheinlichkeit von Beeinträchtigungen<br />

begründen.<br />

22<br />

c) Auf der Grundlage dieser bundesrechtlich zutreffenden Auffassung ist das<br />

Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle eines Informationszugangs<br />

des Klägers die konkrete Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen auf den<br />

Arbeitsablauf und die Aufgabenerfüllung des Beklagten besteht. Hiergegen ist<br />

revisionsrechtlich nichts zu erinnern.


- 9 -<br />

23<br />

Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger nicht mit<br />

Verfahrensrügen angegriffen, so dass der Senat daran gebunden ist (§ 137<br />

Abs. 2 VwGO). Die rechtlichen Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung<br />

(vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juli 2006 - 4 C 2.05 - BVerwGE 126, 233 )<br />

überschreitet das Berufungsurteil nicht; namentlich ist kein Verstoß gegen allgemeine<br />

Erfahrungssätze oder gar gegen die Denkgesetze ersichtlich. Ein allgemeiner<br />

Erfahrungssatz, der den Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichtshofs<br />

entgegenstünde, besteht entgegen der Auffassung der Revision<br />

nicht. Einen nach allgemeiner Erfahrung unzweifelhaft geltenden und von keiner<br />

Ausnahme durchbrochenen Satz (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Oktober 1991<br />

- 1 C 24.90 - BVerwGE 89, 110 und vom 27. November 2014 - 7 C<br />

20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 45) zu den Auswirkungen von Telefonanrufen bei<br />

den <strong>Bediensteten</strong> von Jobcentern gibt es nicht. Es erscheint vielmehr plausibel,<br />

dass sowohl die schriftliche Erledigung von Verwaltungsvorgängen als auch<br />

Beratungsgespräche mit persönlich anwesenden Kunden durch Anrufe erheblich<br />

beeinträchtigt werden, da diese zu einer Störung der Konzentration und<br />

dadurch zu einer Verminderung von Qualität und Quantität der Aufgabenerledigung<br />

führen. Dies steht im Einklang mit dem Befund, dass die Einrichtung eines<br />

Service-Centers generell eine spürbare Entlastung der Jobcenter mit sich bringt<br />

(vgl. BT-Drs. 18/735 S. 9).<br />

24<br />

d) Das Berufungsurteil steht ferner insoweit mit Bundesrecht im Einklang, als<br />

der Verwaltungsgerichtshof eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Hinblick<br />

auf die Individualrechtsgüter der <strong>Bediensteten</strong> des Beklagten, namentlich<br />

deren Gesundheit und persönliche Ehre, bejaht hat. Für diese Rechtsgüter begründete,<br />

wie sich aus der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Tatsachenfeststellung<br />

und -würdigung des Berufungsgerichts ergibt, die Gewährung<br />

des beantragten Informationszugangs ebenfalls die konkrete Möglichkeit von<br />

Beeinträchtigungen.


- 10 -<br />

25<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.<br />

Dr. Nolte Brandt Dr. Keller<br />

Dr. Schemmer<br />

Böhmann

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