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MT-Journal 22 - Hochschule für Musik und Theater Felix ...

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4 B E R I c H T E a u ß e r h a l b 4<br />

<strong>Musik</strong>erlebnis mit. Ungewöhnlich war<br />

zudem, dass die ausführenden <strong>Musik</strong>er<br />

nicht von einem Dirigenten, sondern<br />

von der Interpretin rosalie (der in der Partitur<br />

ausnotierten Lichtstimme) angeleitet<br />

wurden. Sie steuerte mit einem<br />

Computer illuminierte Plastikeimer, die<br />

die vier Wände zu Tausenden bestückten.<br />

Bevor wir wieder die Heimreise antraten,<br />

hörten wir im nahen Münster von<br />

Villingen ein Chorkonzert des freibur-<br />

Ger voKalensembles mit Stücken von<br />

Bruckner, Brahms <strong>und</strong> Tippett <strong>und</strong> kamen<br />

ins Staunen darüber, wie „neu“ <strong>für</strong><br />

unsere Ohren „vertrautere“ Klanggefilde<br />

nach drei Tagen intensiver Beschäftigung<br />

mit neuester, vorher nie gehörter <strong>Musik</strong><br />

wirkten.<br />

Stefan Beyer, Bernd Hobe, Fabian Singler<br />

(alle 7. Fachsemester der FR Schulmusik)<br />

„W<strong>und</strong>erbar, dass es<br />

noch Rätsel gibt“<br />

Zu den Donaueschinger<br />

<strong>Musik</strong>tagen 2006 vier Fragen<br />

an Claus-Steffen Mahnkopf,<br />

seit 2005 Professor <strong>für</strong><br />

Komposition an unserer<br />

<strong>Hochschule</strong>, Mitherausgeber<br />

<strong>und</strong> -gründer der Zeitschrift<br />

<strong>Musik</strong> & Ästhetik<br />

Herr Mahnkopf, was bleibt bei Ihnen haften<br />

vom Jahrgang 2006 der Donaueschinger<br />

<strong>Musik</strong>tage?<br />

C.-S. M. Viele altbekannte Gesichter,<br />

viele Noten, viele CDs, angenehmes<br />

Wetter, ein aufschlussreiches Konzert.<br />

Beim Eröffnungskonzert kamen Werke von<br />

Nicolaus Richter de Vroe (Les cases conjugées),<br />

Adriana Hölszky (Flugmanöver), Richard<br />

Ayres (No. 37b) <strong>und</strong> Brian Ferneyhough<br />

(Plötzlichkeit) zur Uraufführung. Beispielhaft<br />

<strong>für</strong> das ganze Festival bot dieses Konzert eine<br />

erstaunlich kontrastreiche Palette zeitgenössischer<br />

<strong>Musik</strong>. Wie empfanden Sie diese Vielfalt?<br />

Bei der Generalprobe<br />

von Georg<br />

Friedrich Haas’<br />

„Hyperion“ mit<br />

der Lichtinstallation<br />

von rosalie<br />

34 J O U R N A L No <strong>22</strong><br />

Januar 2007<br />

unten:<br />

Claus-Steffen<br />

Mahnkopf<br />

C.-S. M. Besucht habe ich nur dieses eine<br />

Konzert. Die ersten drei Stücke haben<br />

mich enttäuscht: Eines war viel zu lang in<br />

Anbetracht der exponierten musikalischen<br />

Idee. Ein anderes wollte dem Hörer<br />

unbedingt zeigen,<br />

dass die Welt<br />

hässlich ist <strong>und</strong> deswegen<br />

auch die<br />

<strong>Musik</strong> hässlich sein<br />

müsse. Ich habe daraufhin<br />

beschlossen,<br />

nur noch schöne<br />

<strong>Musik</strong> zu hören.<br />

Ein anderes war ein<br />

Streich eines unreifen<br />

Buben, leider auch viel zu lang.<br />

Vielleicht hätte ich von diesen drei Stücken<br />

einen anderen Eindruck, wenn sie<br />

kürzer gewesen wären. Webern <strong>und</strong><br />

Kurtág wussten bzw. wissen, warum sie<br />

sich kurz fassen.<br />

Sie waren selbst Schüler von Brian Ferneyhough<br />

<strong>und</strong> bezeichnen ihn sogar als eines Ihrer<br />

Vorbilder. Zwei Jahre hat er an seinem neuen<br />

Orchesterwerk Plötzlichkeit, das in Donaueschingen<br />

zur Uraufführung kam, gearbeitet.<br />

Wie war Ihr Eindruck?<br />

C.-S. M. Es ging mir wie Johannes Menke,<br />

der neben mir saß – man hatte bereits<br />

nach wenigen Sek<strong>und</strong>en den Eindruck,<br />

in eine andere Welt versetzt zu sein. Eine<br />

klare, transparente, durchgehörte, stilsichere<br />

<strong>und</strong> formal absolut bündige <strong>Musik</strong>,<br />

die heute selten ist. Natürlich war ich gespannt,<br />

wenn Ferneyhough nach fast 30<br />

Jahren wieder ein Orchesterstück schrieb.<br />

Es ist ein Alterswerk, nachdenklich, einsam<br />

fast, zumindest richtet es sich nicht<br />

an ein Kollektiv, sondern an Einzelne.<br />

Ferneyhough ist der letzte Komponist<br />

seiner Generation, der noch nicht verstanden<br />

wird, sprich: Für den es noch<br />

keine adäquate Beschreibungssprache gibt.<br />

So hörte man ein Werk, das kaum einer<br />

versteht. Ein Rätsel. Etwas zum Sich-<br />

Abarbeiten. W<strong>und</strong>erbar, dass es noch<br />

Rätsel gibt.<br />

Wir drei sind Studenten der FR Schulmusik.<br />

Im Hinblick auf die Hörer von morgen: Haben<br />

Sie den Eindruck, dass Neue <strong>Musik</strong> in der<br />

Schule angemessen vermittelt wird? Was<br />

wären Ihre Wünsche?<br />

C.-S. M. Ich habe leider den Eindruck,<br />

dass in der Schule von heute, oder soll ich<br />

sagen, in der heutigen Schule in Deutschland,<br />

kaum etwas von dem gelehrt wird,<br />

worauf es ankäme: Bildung <strong>und</strong> Wissen.<br />

Der <strong>Musik</strong>unterricht in allen Schulen hat<br />

die dringliche Aufgabe, das zu vermitteln<br />

<strong>und</strong> verständlich zu machen, was nicht<br />

(selbst)verständlich ist. Und das ist die<br />

Kunstmusik der letzten 1000 Jahre. Wozu<br />

auch die neue, gerade die neue gehört.<br />

Die Schüler, egal welchen Alters, müssen<br />

an das herangeführt werden, was heute<br />

pauschal klassische <strong>Musik</strong> heißt. Denn<br />

wenn nicht das Elternhaus einen Zugang<br />

zu ihr bietet, werden diese Menschen in<br />

den meisten Fällen keinen Zugang finden,<br />

<strong>und</strong> damit entgeht ihnen eines der<br />

größten Geschenke an die Menschheit.<br />

Das Interview führten Stefan Beyer,<br />

Bernd Hobe <strong>und</strong> Fabian Singler

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