11/06November - NotBZ
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<strong>11</strong>/06 November<br />
PVSt 43318<br />
Beiträge<br />
y Entwicklung und Zukunft des geltenden<br />
Kapitalschutzrechts<br />
Notar Dr. Oliver Vossius, München – S.373<br />
y MoMiG – Ein Überblick über den<br />
aktuellen Diskussionsstand<br />
Notar Dr. Heribert Heckschen, Dresden – S.381<br />
y www.unternehmensregister.de<br />
Notar Dr. Roland Suppliet, Rostock – S.391<br />
y Fälligkeit der Notarkosten (Gebühren und<br />
Auslagen)<br />
Kostenrevisor Leitender Notarmitarbeiter<br />
Karsten Werner, Leipzig – S.392<br />
Herausgeberbeirat: Notar Dr. Matthias Cremer, Dresden; Notar Dr. Heribert<br />
Heckschen, Dresden; Notar a. D. Christian Hertel, LL.M., Geschäftsführer<br />
des Dt. Notarinstituts, Würzburg; Notar Dr. Alfons Hueber, Chemnitz; Notar<br />
Prof. Dr. Stefan Hügel, Weimar; Notar Thomas Krause, Staßfurt; Notar Dr.<br />
Hans-Frieder Krauß, Hof; Notar Dr. Peter Limmer, Würzburg; Notar Dr.<br />
Wolfgang Reetz, Köln; Notar Hagen Stavorinus, Fürstenwalde; Notar Dr. Roland<br />
Suppliet, Rostock; Notar Dr. Oliver Vossius, München; Notar Thomas<br />
Wachter, Osterhofen; JR Notar a. D. Prof. Dr. Hans-Armin Weirich, Ingelheim<br />
Rechtsprechung<br />
Beschränkte Wirkung des gesetzlichen<br />
Löschungsanspruchs<br />
(BGH, Urteil v. 9.3.2006 – IX ZR <strong>11</strong>/05<br />
m. Anm. Krause) – S.395<br />
Beurkundung einer Kettenverschmelzung<br />
(OLG Hamm, Beschluss v. 19.12.2005 –<br />
15 W 377/05) – S.400<br />
Gesamtnichtigkeit einer Nachfolgeregelung<br />
(OLG Oldenburg, Urteil v. 16.3.2006 –<br />
1 U 12/05) – S.402<br />
Verlust der Rechtsperson eines ausländischen<br />
Vereins bei Zuzug<br />
(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 27.9.2005 –<br />
3 W 170/05) – S.405
Herausgeberbeirat: Notar Dr. Matthias Cremer, Dresden; Notar Dr. Heribert<br />
Heckschen, Dresden; Notar a.D. Christian Hertel, LL. M., Geschäftsführer des<br />
Deutschen Notarinstituts, Würzburg; Notar Dr. Alfons Hueber, Chemnitz; Notar<br />
Prof. Dr. Stefan Hügel, Weimar; Notar Thomas Krause, Staßfurt; Notar Dr.<br />
Hans-Frieder Krauß, Hof; Notar Dr. Peter Limmer, Würzburg; Notar Dr. Wolfgang<br />
Reetz, Köln; Notar Hagen Stavorinus, Fürstenwalde; Notar Dr. Roland Suppliet,<br />
Rostock; Notar Dr. Oliver Vossius, München; Notar Thomas Wachter, Osterhofen;<br />
JR Notar a.D. Prof. Dr. Hans-Armin Weirich, Ingelheim<br />
10. Jahrgang Heft <strong>11</strong> November 2006<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Beiträge<br />
Entwicklung und Zukunft des geltenden Kapitalschutzrechts<br />
Notar Dr. Oliver Vossius, München 373<br />
MoMiG – Ein Überblick über den aktuellen<br />
Diskussionsstand<br />
Notar Dr. Heribert Heckschen, Dresden 381<br />
www.unternehmensregister.de<br />
Notar Dr. Roland Suppliet, Rostock 391<br />
Fälligkeit der Notarkosten (Gebühren und<br />
Auslagen)<br />
Kostenrevisor Leitender Notarmitarbeiter<br />
Karsten Werner, Leipzig 392<br />
Kostenrecht<br />
Aus der Praxis der Ländernotarkasse<br />
Unterschriftsbeglaubigung 394<br />
Vertragsaufhebung mit Verzicht auf Schadensersatz<br />
Prof. Friedrich Lappe, Berlin 394<br />
Rechtsprechung<br />
Beschränkte Wirkung des gesetzlichen<br />
Löschungsanspruchs<br />
(BGH, Urteil v. 9.3.2006 – IX ZR <strong>11</strong>/05<br />
m. Anm. Krause) 395<br />
Beanstandung der Satzungsregelung über die<br />
Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils im<br />
Rahmen der Anmeldung einer Satzungsänderung<br />
(KG Berlin, Beschluss v. 18.10.2005 –<br />
1 W 27/05) 398<br />
Ausschluss ohne wichtigen Grund<br />
(OLG Frankfurt, Urteil v. 20.10.2005 –<br />
16 U 3/05) 399<br />
Beurkundung einer Kettenverschmelzung<br />
(OLG Hamm, Beschluss v. 19.12.2005 –<br />
15 W 377/05) 400<br />
Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses<br />
(OLG Jena, Beschluss v. 12.10.2006 –<br />
6 W 452/06) 402<br />
Gesamtnichtigkeit einer Nachfolgeregelung<br />
(OLG Oldenburg, Urteil v. 16.3.2006 –<br />
1 U 12/05) 402<br />
Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot<br />
(OLG München, Beschluss v. 4.5.2006 –<br />
31 Wx 023/06) 405<br />
Verschmelzung einer Limited<br />
(OLG München, Beschluss v. 2.5.2006 –<br />
31 Wx 009/06) 405<br />
Verlust der Rechtsperson eines ausländischen<br />
Vereins bei Zuzug<br />
(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 27.9.2005 –<br />
3 W 170/05) 405<br />
Buchbesprechung<br />
Tim W. Dornis, Kaufpreiszahlung auf Notaranderkonto<br />
Notar a.D. Dr. Adolf Reul,Würzburg 406<br />
Dieser Ausgabe liegen die Prospekte „beck-online Die<br />
Datenbank“, Verlag C.H. Beck, München, und Streck/<br />
Rieck, St. Ivo, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln, bei.<br />
Wir bitten unsere Leser um freundliche Beachtung.<br />
III
Gesetzgebung<br />
y Die Koalition hat sich laut Mitteilung des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Technologie v.<br />
26.10.2006 zum künftigen Energieausweis für Bestandsgebäude<br />
in der zu novellierenden Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) auf folgendes Ergebnis geeinigt:<br />
Bis 31.12.2007 soll eine uneingeschränkte Wahlfreiheit<br />
zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweisen für alle<br />
Gebäude gelten. Alle Bedarfs- und Verbrauchsausweise,<br />
die in der Übergangszeit zwischen Inkrafttreten der novellierten<br />
Verordnung und dem Ablauf 2007 nach den<br />
Anforderungen der EnEV ausgestellt wurden, behalten<br />
zehn Jahre Gültigkeit. Ab 1.1.2008 besteht die Pflicht<br />
zum Bedarfsausweis für Gebäude mit bis zu vier Wohnungen,<br />
die vor 1978 und damit vor Wirksamwerden<br />
der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet wurden.<br />
Ausgenommen von dieser Pflicht seien Wohngebäude,<br />
die in der Zwischenzeit saniert worden sind und mindestens<br />
den energetischen Stand der ersten Wärmeschutzverordnung<br />
erreicht haben; für diese bestehe<br />
Wahlfreiheit. Für alle Wohngebäude, die nach 1978 errichtet<br />
wurden, könne zwischen beiden Ausweisarten<br />
uneingeschränkt gewählt werden. Zum Ganzen s. Bachmayer,<br />
<strong>NotBZ</strong> 2006, 257.<br />
y Laut einer Mitteilung des Bundespresseamts vom<br />
25.10.2006 sollen die folgenden Bestimmungen des geplanten<br />
Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge<br />
auf Antrag (vgl. §37 Abs.4 ErbStG-<br />
Entwurf) bereits für alle Steuerfälle ab 1.1.2007 gelten,<br />
auch wenn das Gesetz voraussichtlich erst im Lauf des<br />
Jahres 2007 in Kraft tritt und noch etwaige Schlussfolgerungen<br />
aus dem erwarteten Verfassungsgerichtsurteil<br />
zur Erbschaftsteuer einzuarbeiten sein werden:<br />
Ergänzung §13 Abs.1 ErbStG:<br />
„Steuerfrei bleiben ...<br />
19. der Erwerb von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen,<br />
Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften<br />
im Sinne des §28a Abs.1, wenn der Wert<br />
dieses Vermögens insgesamt 100.000 Euro nicht übersteigt;<br />
nicht begünstigtes Vermögen ist hierbei nicht abzuziehen.<br />
Die Wertgrenze kann innerhalb von zehn<br />
Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe nur<br />
einmal berücksichtigt werden.“<br />
Neufassung des §28: Stundung und Erlöschen der<br />
Steuer beim Erwerb begünstigten Vermögens<br />
„(1) Gehört zum Erwerb begünstigtes Vermögen im<br />
Sinne des §28a, ist dem Erwerber die darauf entfallende<br />
Steuer bis zum Ende des zehnten Jahres seit Entstehung<br />
der Steuer zinslos zu stunden. (...)<br />
(2) Die nach Abs.1 zu stundende Steuer erlischt vorbehaltlich<br />
Abs.4 zum Ende eines jeden Jahres, das dem<br />
Zeitpunkt der Entstehung der Steuer folgt (Erlöschenszeitpunkt),<br />
in Höhe eines Teilbetrags von einem Zehntel,<br />
wenn der Betrieb des begünstigten Vermögens, bei<br />
Beteiligungen an einer Personengesellschaft und Anteilen<br />
an einer Kapitalgesellschaft der Betrieb der jeweiligen<br />
Gesellschaft, in einem nach dem Gesamtbild der<br />
wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang<br />
fortgeführt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der<br />
Betrieb insbesondere nach dem Umsatz, dem Auftragsvolumen,<br />
dem Betriebsvermögen und der Anzahl der<br />
Arbeitnehmer vergleichbar ist. Wenn Satz1 nicht erfüllt<br />
ist, wird die gestundete Steuer zum Erlöschenszeitpunkt<br />
fällig.<br />
(3) Soweit der Erwerber begünstigtes Vermögen oder<br />
Teile davon oder Beteiligungen an begünstigtem Vermögen<br />
oder Teile davon veräußert (schädliche Verwendung),<br />
endet die Stundung mit dem Zeitpunkt der Veräußerung.<br />
Als Veräußerung gelten auch die Aufgabe<br />
des Betriebs oder eines Teilbetriebs sowie die verdeckte<br />
Einlage der Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Sinne<br />
des §28a Abs.1 Nr.3 in eine Kapitalgesellschaft.<br />
Gleiches gilt, wenn<br />
1. Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert werden,<br />
die der Veräußerer durch eine Sacheinlage (§20<br />
Abs.1 des UmwStG) aus dem Betriebsvermögen im<br />
Sinne des §28a Abs.1 Nr.1 und 2 erworben hat,<br />
2. ein Anteil an einer Gesellschaft im Sinne des §15<br />
Abs.1 Nr.2 und Abs.3 oder §18 Abs.4 des EStG oder<br />
ein Anteil daran veräußert wird, den der Veräußerer<br />
durch eine Einbringung des Betriebsvermögens im Sinne<br />
des §28a Abs.1 Nr.1 und 2 in eine Personengesellschaft<br />
(§24 Abs.1 des UmwStG) erworben hat, oder<br />
3. wenn die Kapitalgesellschaft im Sinne des §28a<br />
Abs.1 Nr.3 innerhalb der Frist aufgelöst oder ihr Nennkapital<br />
herabgesetzt wird oder wenn Vermögen der Kapitalgesellschaft<br />
auf eine Personengesellschaft, eine natürliche<br />
Person oder eine andere Körperschaft (§§3 bis<br />
16 des UmwStG) übertragen wird.<br />
Wird im Fall des §28a Abs.1 Nr.3 Satz2 die Verfügungsbeschränkung<br />
oder die Stimmrechtsbündelung<br />
aufgehoben, endet die Stundung im Zeitpunkt der Aufhebung.<br />
(4) Ist bis zu einem Erlöschenszeitpunkt die nach Abs.1<br />
zu stundende Steuer nach Abs.3 bereits fällig geworden<br />
(...). Die verbleibende gestundete Steuer erlischt in voller<br />
Höhe, wenn das begünstigte Vermögen durch einen<br />
Erwerb von Todes wegen übergeht.<br />
(5) Der Erwerber ist verpflichtet, den nach Abs.2 Satz3<br />
und Abs.3 fälligen Steuerbetrag selbst zu berechnen<br />
(...)<br />
(6) (Säumniszuschläge/Verzinsung)<br />
(7) (nicht inländisches Vermögen)<br />
(8) (Stiftungsvermögen)“<br />
Einfügung §28a ErbStG: Begünstigtes Vermögen<br />
„(1) Begünstigtes Vermögen sind<br />
1. inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen<br />
im Sinne des §141 Abs.1 Nr.1 und 2 des BewG<br />
und selbst bewirtschaftete Grundstücke im Sinne des<br />
§69 des BewG beim Erwerb eines ganzen Betriebs der<br />
Land- und Forstwirtschaft, eines Teilbetriebs, eines Anteils<br />
an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft<br />
oder eines Anteils daran unter der Voraussetzung, dass<br />
es ertragsteuerlich zum Betriebsvermögen eines Betriebs<br />
der Land- und Forstwirtschaft gehört, und ent-<br />
IV (Fortsetzung S. IX)
sprechendes land- und forstwirtschaftliches Vermögen,<br />
das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat der Europäischen<br />
Union oder in einem Staat des Europäischen<br />
Wirtschaftsraums dient. Nicht einzubeziehen sind an<br />
Dritte zur Nutzung überlassene Flächen, die zum Betriebsteil<br />
gehören, Grundstücke, Grundstücksteile,<br />
grundstücksgleiche Rechte und Bauten, soweit es sich<br />
nicht um Betriebswohnungen handelt. Eine Nutzungsüberlassung<br />
an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der<br />
Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb<br />
als auch im nutzenden Betrieb einen einheitlichen<br />
geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte<br />
oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des<br />
§ 13 Abs.7 des EStG den Vermögensgegenstand der<br />
Gesellschaft zur Nutzung überlassen hatte, und diese<br />
Rechtsstellung auf den Erwerber übergegangen ist, soweit<br />
keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten<br />
erfolgt;<br />
2. inländisches Betriebsvermögen (§§95 bis 97 des<br />
BewG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines<br />
Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft im<br />
Sinne des §15 Abs.1 Satz1 Nr.2 und Abs.3 oder §18<br />
Abs.4 des EStG, eines Anteils eines persönlich haftenden<br />
Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf<br />
Aktien oder eines Anteils daran und entsprechendes Betriebsvermögen,<br />
das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat<br />
der Europäischen Union oder in einem Staat<br />
des Europäischen Wirtschaftsraums dient.<br />
Nicht einzubeziehen sind folgende Vermögensgegenstände:<br />
a) Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke,<br />
Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten,<br />
Seeschiffe, Flugzeuge, Konzessionen, gewerbliche<br />
Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen<br />
an solchen Rechten und Werten. Eine Nutzungsüberlassung<br />
an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der<br />
Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb<br />
als auch im nutzenden Betrieb einen einheitlichen<br />
geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte<br />
oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des<br />
§15 Abs.1 Satz1 Nr.2 und Abs.3 oder §18 Abs.4 des<br />
EStG den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zur<br />
Nutzung überlassen hatte, und diese Rechtsstellung auf<br />
den Erwerber übergegangen ist, soweit keine Nutzungsüberlassung<br />
an einen weiteren Dritten erfolgt,<br />
b) Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare<br />
Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften<br />
25 Prozent oder weniger beträgt,<br />
c) Beteiligungen an Gesellschaften im Sinne des §15<br />
Abs.1 Satz1 Nr.2 und Abs.3 oder §18 Abs.4 des EStG<br />
und an entsprechenden Gesellschaften in einem Mitgliedsstaat<br />
der Europäischen Union oder in einem Staat<br />
des Europäischen Wirtschaftsraums sowie Anteile an<br />
Kapitalgesellschaften, die nicht unter Buchstabe b fallen,<br />
soweit zum Vermögen dieser Gesellschaften nicht<br />
begünstigtes Vermögen gehört,<br />
d) Geldbestände, Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten<br />
sowie vergleichbare Forderungen und Wertpapiere,<br />
e) Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche<br />
Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen,<br />
Edelmetalle und Edelsteine,<br />
soweit die Summe ihrer Werte den Wert der Schulden<br />
und sonstigen Abzüge nach den §§103 und 104 des<br />
BewG übersteigt;<br />
3. Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Kapitalgesellschaft<br />
zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz<br />
oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen<br />
Union oder in einem Staat des Europäischen<br />
Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker<br />
am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 Prozent<br />
unmittelbar beteiligt war (Mindestbeteiligung). Ob<br />
der Erblasser oder Schenker die Mindestbeteiligung erfüllt,<br />
ist nach der Summe der dem Erblasser oder<br />
Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der<br />
Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn<br />
der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter<br />
unwiderruflich untereinander verpflichtet sind,<br />
über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich<br />
auf andere derselben Verpflichtung unterliegende<br />
Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht<br />
gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich<br />
auszuüben. Soweit zum Vermögen der Kapitalgesellschaft<br />
Vermögensgegenstände gehören, die nach Nummer<br />
1 Satz2 und Nummer 2 Satz2 nicht in das begünstigte<br />
Vermögen einzubeziehen sind, ist der Teil des Anteilswerts<br />
nicht begünstigt, der dem Verhältnis der Summe<br />
der Werte der nicht einzubeziehenden Vermögensgegenstände<br />
zum Wert des gesamten Vermögens der<br />
Kapitalgesellschaft entspricht.<br />
(2) Überträgt der Erwerber erworbenes begünstigtes<br />
Vermögen im Sinne des Abs.1 aufgrund einer letztwilligen<br />
Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen<br />
Verfügung des Erblassers oder Schenkers<br />
oder in Folge der Teilung des Nachlasses auf einen<br />
Dritten, erhält der Erwerber insoweit nicht die Begünstigung<br />
nach §28. Soweit der Dritte diesem Erwerber im<br />
Rahmen der Teilung des Nachlasses nicht begünstigtes<br />
Vermögen hingibt, das er vom Erblasser erworben hat,<br />
erhöht sich der Wert des begünstigten Vermögens des<br />
Dritten nach Absatz 1 um den Wert des hingegebenen<br />
Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen<br />
Vermögens.“<br />
§13a ErbStG soll entfallen.<br />
Daher weist Frau RA Thonemann, LL.M. (Söffing&Partner,<br />
Rechtsanwälte in Düsseldorf) auf folgendes<br />
hin:<br />
Solange das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, bietet<br />
es sich bei Betriebsvermögen zwischen 100.000 und<br />
225.000 (zzgl. etwaiger persönlichen Freibeträge) für<br />
Unternehmer, die in den letzten zehn Jahren keinen Gebrauch<br />
von §13a ErbStG gemacht haben, grundsätzlich<br />
an, ihr Betriebsvermögen noch in diesem Jahr bzw. bis<br />
zur Verabschiedung des Gesetzes zu übertragen, um in<br />
den Genuss des aktuellen §13a ErbStG zu kommen.<br />
Dies gilt vor allem dann, wenn Grundvermögen oder<br />
weiteres nicht produktives Vermögen enthalten ist.<br />
IX
Veranstaltungen<br />
y Der Notar im System der Rechtsberufe<br />
Fünfte Tagung Berufspolitik des Deutschen Notarvereins<br />
am 26. und 27.1.2007 in Leipzig, Renaissance Hotel.<br />
Das Tagungsprogramm finden Sie abgedruckt im<br />
nächsten Heft oder erhalten Sie mit weiteren Informationen<br />
beim Deutschen Notarverein, Berlin, Kronenstr.<br />
73/74, Tel. 0 30/20 61 57 40, Fax. 0 30/20 61 57 50,<br />
E-Mail: kontakt@dnotv.de. Bitte beachten Sie für Übernachtungswünsche<br />
die bereits am 20.12.2006 endende<br />
Reservierungsfrist des Tagungshotels (begrenztes<br />
Kontingent zu 100 EZ, <strong>11</strong>7 DZ, inkl. Frühstück u.<br />
MwSt; Buchung: Renaissance Leipzig Hotel, Großer<br />
Brockhaus 3, 04103 Leipzig, Tel.: 03 41/1 29 20; Fax:<br />
03 41/1 29 21 25).<br />
y Die Centrale für GmbH – Dr. Otto Schmidt KG<br />
veranstaltet u.a. folgende Seminare:<br />
– Kölner Tage Nonprofit-Organisationen – Zivil- und<br />
steuerrechtliche Beratung und Gestaltung am<br />
23.<strong>11</strong>.2006.<br />
– Reform des Unterhaltsrechts und neueste BGH-<br />
Rechtsprechung, am 29.<strong>11</strong>.2006 in Köln.<br />
– GmbH-Steuer-Highlights 2006/2007, am 29.<strong>11</strong>.2006<br />
in Köln.<br />
– Kölner Tage Familiengesellschaften, am 30.<strong>11</strong>.2006.<br />
Impressum<br />
<strong>NotBZ</strong> – Zeitschrift für die notarielle Beratungsund<br />
Beurkundungspraxis<br />
Herausgeber: Ländernotarkasse Leipzig i.V.m. den Notarkammern<br />
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />
und Thüringen.<br />
Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58,<br />
50968 Köln, Postfach 51 10 26, 50946 Köln, Telefon<br />
0221/9373801, Telefax 0221/93738943. Erfüllungsort und Gerichtsstand<br />
ist Köln.<br />
Schriftleitung: Notarassessor Dr. Dirk-Ulrich Otto (verantw.), Ländernotarkasse<br />
Leipzig, Springerstraße 8, 04105 Leipzig, Telefon:<br />
0341/59081-0; Telefax: 0341/5908166.<br />
Druck: rewi druckhaus, Reiner Winters GmbH,<br />
Wiesenstr. <strong>11</strong>, 57537 Wissen. E-Mail: typo@rewi.de<br />
Anzeigenleitung: Renate Becker, Telefon: (0221) 93738-421 ·<br />
Telefax: 93738-942; E-Mail: becker@otto-schmidt.de<br />
Stadtsparkasse Köln (BLZ 37050198) Konto 30602155 und Postbank<br />
Köln (BLZ 37010050) Konto 53950508<br />
Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 10/2006<br />
ISSN 1433-1780<br />
Abonnement: Die <strong>NotBZ</strong> erscheint einmal im Monat. Der Preis für<br />
das Jahresabonnement beträgt 134 ., Einzelheft 13,40.. Alle Preise<br />
zuzüglich Versandkosten (jährlich 10,90 . im Inland), die Mehrwertsteuer<br />
ist in gesetzlicher Höhe enthalten. Abbestellungen müssen<br />
6 Wochen vor Jahresende erfolgen. Erfüllungsort und Gerichtsstand:<br />
Köln<br />
X<br />
– Unternehmens- und Anteilskauf mit Umstrukturierung,<br />
am 1.12.2006 in Düsseldorf.<br />
– GmbH-Steuer-Highlights 2006/2007, am 6.12.2006 in<br />
Stuttgart.<br />
– Kölner Tage – Das neue Umwandlungssteuergesetz,<br />
am 24.1.2007 in Köln.<br />
– Reform des Unterhaltsrechts und neueste BGH-<br />
Rechtsprechung, am 7.3.2007 in Düsseldorf.<br />
Information und Anmeldung unmittelbar bei der Centrale<br />
für GmbH: www.centrale.de oder Tel: 02 21/9 37<br />
38–655.<br />
y Das DAI – Fachinstitut für Notare – bietet folgende<br />
Seminare an:<br />
– Praktikertagung: Bauträgervertragsrecht (Basty), am<br />
13.1.2007 in Wiesbaden.<br />
– GmbH-Recht in der Kautelarpraxis (Schaub), am<br />
19.1.2007 in Köln und am 20.1.2007 in Kassel.<br />
– Schnittstellen im Zivil- und Steuerrecht (Wälzholz),<br />
am 20.1.2007 in Kiel.<br />
– Intensivkurs Erbrecht (Frenz, Kössinger, Nieder), vom<br />
1.2. bis 3.2.2007 in Oldenburg.<br />
– Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung<br />
(Amann, Everts, Frenz, Hertel), am 9.2. in Kassel und<br />
am 10.2.2007 in Würzburg.<br />
Weitere Information und Anmeldung unmittelbar beim<br />
DAI: Tel. 02 34/9 70 64–0 oder über www.anwaltsinstut.de.<br />
Urheber- und Verlagsrechte: Die Zeitschrift und alle veröffentlichten<br />
Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.<br />
Manuskripte werden nur zur Alleinveröffentlichung angenommen.<br />
Der Autor versichert, über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte<br />
an seinem Beitrag einschließlich aller Abbildungen allein verfügen<br />
zu können und keine Rechte Dritter zu verletzen. Mit Annahme des<br />
Manuskripts geht für die Dauer von vier Jahren das ausschließliche,<br />
danach das einfache Nutzungsrecht vom Autor auf den Verlag über,<br />
jeweils auch für Übersetzungen, Nachdrucke, Nachdruckgenehmigungen<br />
und die Kombination mit anderen Werken oder Teilen daraus.<br />
Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere auch die Befugnis<br />
zur Einspeicherung in Datenbanken sowie zur weiteren Vervielfältigung<br />
und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken im Wege fotomechanischer,<br />
elektronischer und anderer Verfahren einschließlich<br />
CD-ROM und Online-Diensten.<br />
Jede vom Urheberrechtsgesetz nicht ausdrücklich zugelassene Verwertung<br />
bedarf vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlags.<br />
Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung,<br />
Mikroverfilmung und Einspeicherung, Verarbeitung bzw.<br />
Wiedergabe in Datenbanken oder anderen elektronischen Medien<br />
und Systemen. Fotokopien dürfen nur als Einzelkopien für den persönlichen<br />
Gebrauch hergestellt werden.<br />
Hinweise für Einsender: Bitte senden Sie alle Aufsatzmanuskripte,<br />
zum Ausdruck bestimmte Gerichtsentscheidungen und Rezensionen<br />
unmittelbar an die Schriftleitung. Bei der Einsendung von Entscheidungen<br />
sind wir für den Hinweis dankbar, ob sie rechtskräftig sind.<br />
Bitte geben Sie mit der Einsendung Ihre Bankverbindung an. Ihre<br />
Manuskripte senden Sie bitte per Datei oder per E-Mail. Bei der<br />
Übersendung von Disketten bitte wir zusätzlich um Überlassung eines<br />
Ausdrucks des Manuskripts und um Angabe des verwendeten<br />
Systems.
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 373<br />
GESELLSCHAFTSRECHT<br />
Entwicklung und Zukunft des geltenden Kapitalschutzrechts<br />
Das geltende Kapitalschutzrecht greift überwiegend<br />
nur bei massehaltiger Insolvenz. Es prämiert nach Ansicht<br />
des Verf. die masselose Insolvenz, nutzt damit<br />
dem Einzelgläubiger nur marginal und schädigt die<br />
Volkswirtschaft. Der Verf. zeigt anhand einer Genese<br />
des Kapitalschutzrechts, warum dessen Lösungsansätze<br />
mit seinem heutigen Ziel des Gläubigerschutzes<br />
nicht zusammenpassen. Er plädiert für eine vollständige<br />
Neukonzeption, die sich nicht auf den Transfer aus<br />
anderen Rechtsordnungen beschränkt, aber zielgerichteten<br />
Individualschutz bieten soll.<br />
1 OLG Brandenburg DB 2006, 996 ff. Gesellschafterfreundlicher<br />
das KG GmbHR 2004, 1388.<br />
2 BGH, II ZR 75/04, GmbHR 2006, 477; hierzu etwa Bayer/<br />
Lieder, GmbHR 2006, 449. S.a. OLG München, ZIP 2006,<br />
25, hierzu Pentz, ZIP 2006, 781 ff.<br />
3 BGH GmbHR 2005, 229 (230) einerseits und BGH ZIP<br />
2004, 849 = GmbHR 2004, 736 mit Anm. Heidinger andererseits,<br />
letztere wiederum in Aufgabe des mit BGH ZIP<br />
1996, 1466 = GmbHR 1996, 772 sowie BGH ZIP 1995, 28 =<br />
GmbHR 1995, <strong>11</strong>3 geschaffenen richterrechtlichen Sanierungsprivilegs.<br />
4 Zur Kasuistik der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung<br />
jüngst BGH GmbHR 2005, 234 (235) sowie BGH GmbHR<br />
2005, 538 (539) jeweils mit weiteren Nachweisen sowie<br />
OLG Frankfurt GmbHR 2005, 930 zur Inanspruchnahme des<br />
ausgeschiedenen Gesellschafters.<br />
5 Grundlegend hierzu BGH GmbHR 2002, <strong>11</strong>93 (Schütt-aushol-Zurück-Verfahren)<br />
und BGH GmbHR 2003, 1051 (letztere<br />
Entscheidung führte in zahlreichen Fällen wegen der<br />
Anwendung des Grundsatzes der Geschäftseinheit zur Notwendigkeit<br />
einer „Heilung der Heilung“). Zu Folgeproblemen<br />
etwa Lappe/Schefold, GmbHR 2005, 585ff.; Hägele,<br />
GmbHR 2005, 91; Temme/Küperkoch, GmbHR 2004, 1556.<br />
Grundlegend hierzu aus neuerer Zeit Bayer, GmbHR 2004,<br />
445ff.<br />
6 Dazu jüngst KG GmbHR 2005, 929.<br />
7 BGH GmbHR 2003, 227 und BGH GmbHR 2003, <strong>11</strong>25.<br />
8 BGH GmbHR 1999, 9<strong>11</strong>.<br />
9SoMeyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (809). Zur vergleichbaren<br />
Lage im Ausland einschließlich Großbritannien Haas,<br />
GmbHR 2006, 505f., bes. bei Fn.4, 5 und 9.<br />
10 Haas, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Band<br />
I Teil E, 2006, S. E <strong>11</strong>-12.<br />
<strong>11</strong> Haas (Fn.10), S. E 107.<br />
12 Näher hierzu Vossius, notar 2004, 107 (<strong>11</strong>2) (Auswertung<br />
der in der GmbHR veröffentlichten Entscheidungen der Jahre<br />
1991-2003). Etwa 40% der Entscheidungen betreffen Fragen<br />
der Geschäftsführerhaftung, nur der verbleibende Rest<br />
betrifft Satzungsfragen und Anteilsabtretungen.<br />
13 Zu den sozialrechtlichen Haftungsrisiken jüngst Schröder,<br />
GmbHR 2005, 736.<br />
14 Zur ökonomischen Analyse der Stellung des Insolvenzverwalters<br />
Uriel Procaccia, ECFR 2004, 206 (212 f.).<br />
Notar Dr. Oliver Vossius, München<br />
I. Problemstellung<br />
Das in Deutschland geltende Recht der Kapitalaufbringung<br />
und -erhaltung hat zu bemerkenswerten Entwicklungen<br />
geführt.<br />
Da werden Gesellschafter nach Jahren zur nochmaligen<br />
Leistung der Stammeinlage verurteilt, nur weil sie ihre<br />
Bankbelege nicht mehr haben, wenngleich im Jahresabschluss<br />
seit Jahren unbeanstandet keine ausstehenden<br />
Einlagen mehr gebucht waren. 1 Konzerne, die, um legal<br />
Bankzinsen zu sparen, einen zentralen Cashpool eingerichtet<br />
haben, können faktisch keine frisch gegründeten<br />
Tochtergesellschaften mehr in diesen einbeziehen, ohne<br />
in die Falle einer verdeckten Sacheinlage zu tappen. 2<br />
Wehe dem, der noch vor Fassung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses<br />
den Kapitalerhöhungsbetrag einzahlt.<br />
3 Wehe auch dem, der seine Immobilie an eine<br />
Gesellschaft vermietet, an der er mit mehr als 10% beteiligt<br />
ist. 4<br />
Das ist aber noch nicht alles. Man denke an die vielfältigen<br />
Produkte juristischer Kreativität wie die verdeckte<br />
Sacheinlage, 5 die verdeckte Sachkapitalerhöhung, 6 die<br />
wirtschaftliche Neugründung, 7 Finanzplankredite, 8 kapitalersetzende<br />
Darlehen und Bürgschaften bis hin zu –<br />
und das ist eventuell Zukunftsmusik – den möglichen<br />
kapitalschutzrechtlichen Auswirkungen von financial<br />
covenants. All das soll nur einem Ziel dienen, dem<br />
Gläubigerschutz. Doch wen schützt dieses Recht wirklich?<br />
In 50% der Fälle von Zahlungsunfähigkeit kommt es<br />
mangels Masse gar nicht zur Insolvenzeröffnung. 9 An<br />
55% der Gesamtforderungsausfälle sollen GmbH<br />
schuld sein. 10 Nur 5% aller zur Offenlegung ihrer Abschlüsse<br />
verpflichteten Gesellschaften kommen dieser<br />
Pflicht tatsächlich nach. <strong>11</strong> Ist das effektiver Gläubigerschutz?<br />
Andererseits befassen sich fast 50% der Entscheidungen<br />
des Bundesgerichtshofs zum GmbH-Recht<br />
mit Fragen der Kapitalaufbringung und -erhaltung. 12<br />
Die Literatur hierzu füllt ganze Bibliotheken. Warum<br />
ist das so?<br />
Weitere ca. 40% der Entscheidungen zum GmbH-<br />
Recht, in denen es um die persönliche Haftung des Geschäftsführers<br />
geht, steuern daneben auch Kläger aus<br />
dem Bereich der Sozialversicherung oder der Finanzbehörden<br />
bei. 13 Auffallend ist, dass die einzelnen Gläubiger<br />
sonst kaum Prozesse führen. In fast allen Fällen bilden<br />
die Insolvenzverwalter mit ihrem verständlichen<br />
Bemühen, die magere Insolvenzmasse anzureichern,<br />
das Kapitalschutzrecht ständig weiter fort. Aber welchen<br />
Wirkungsgrad und welche Transaktionskosten hat<br />
das Insolvenzrecht eigentlich? 14
Vossius<br />
374 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Kapitalschutzrecht<br />
Ein Zyniker wird dem GmbH-Gesellschafter daher raten,<br />
zwei Regeln zu befolgen: Bezahle erstens immer<br />
Deine Steuern und Deine Sozialabgaben. Und wenn<br />
zweitens Dein Unternehmen in die Krise kommt, dann<br />
mache besser so lange weiter, bis keine Insolvenz mehr<br />
eröffnet werden kann, dann wird auch kein Insolvenzverwalter<br />
nach kapitalschutzrechtlichen „Leichen im<br />
Keller“ suchen. Nach wie vor gilt also der Befund Kilgers:<br />
15 „Der Könner macht nicht einfach Konkurs! –<br />
Der Könner macht masselos Konkurs!“ 16<br />
Denn der einzelne Gläubiger wird kaum gefährlich werden.<br />
Er hat gar nicht die Informationen über Interna,<br />
um eine Klage gegen den Gesellschafter halbwegs<br />
schlüssig darzustellen. Zudem wird er sich fragen, warum<br />
er denn sein gutes Geld dem schlechten hinterher<br />
werfen soll. «Les oiseaux se cachent pour mourir». 17<br />
Und was den generalpräventiven Effekt des Strafrechts<br />
betrifft: Kaum je wurde angeblich so viel gestohlen wie<br />
beim öffentlichen Hängen von Taschendieben.<br />
Dem von der Insolvenz Betroffenen, nämlich dem<br />
Gläubiger, nützt das Kapitalschutzrecht also allenfalls<br />
marginal. Belastbare Anspruchsgrundlagen gegen missbräuchliche<br />
Vermögensverschiebungen gibt es ihm<br />
nicht. Profiteure des Ist-Zustands sind nicht die Gläubiger,<br />
sondern zunächst einmal die Gesellschafter, die Geschäftsführer<br />
und – wegen der interessanten Möglichkeiten<br />
zur Auslastung ihrer Prozessabteilungen – vielleicht<br />
sogar auch die Insolvenzverwalter.<br />
Die ökonomische Prämierung der masselosen Insolvenz<br />
schadet aber der Volkswirtschaft. Rettungschancen in Krisen<br />
werden vertan, Lieferanten und Handwerker drohen<br />
in den Sog des Strudels zu geraten, Arbeitsplätze gehen<br />
verloren, die Expertise der Mitarbeiter wird vergeudet,<br />
wenn eingespielte Teams in alle Winde zerstreut werden.<br />
Angesichts dieser nicht gerade überzeugenden Leistungsbilanz<br />
sind die Nebenwirkungen unseres Kapitalschutzrechts<br />
erheblich. Zum einen bindet die Prüfung der<br />
Kapitalaufbringung im Handelsregisterverfahren gerade<br />
bei Sacheinlagen in erheblichem Maß Rechtspflegeressourcen.<br />
Zum zweiten macht es die Implementierung international<br />
gebräuchlicher Techniken der corporate finance<br />
in unser Kapitalerhaltungsrecht (z.B. up-stream Finanzierung,<br />
debt push down oder asset backed securities)<br />
außerordentlich beratungs- und daher kostenintensiv –<br />
und oft genug kaum möglich. Und drittens richten sich<br />
die harten Sanktionen des Kapitalschutzrechts nicht nur<br />
spezifisch gegen die Bösen, sondern nicht zuletzt auch<br />
gegen die ahnungslosen Guten. Auch wenn der Gesellschafter<br />
kurz nach der Gründung seiner GmbH dieser einen<br />
gebrauchten Pkw zum Schätzpreis nach Gutachten<br />
verkauft, treffen ihn die „katastrophalen“ 18 Folgen der<br />
verdeckten Sacheinlage. Wenn Recht wie asiatische Willkür<br />
empfunden wird, dann verfällt der Laie in fatalistische<br />
Abstumpfung, statt sich an Rechtsnormen zu halten.<br />
Bei diesem Befund bleibt nur Shakespeares Hamlet:<br />
„There is something rotten in the State of Denmark“.<br />
II. Zur Genese des Kapitalschutzrechts<br />
Dieser Rechtszustand war nicht zu allen Zeiten so. Ein<br />
paar Impressionen aus der Ideengeschichte des deut-<br />
schen Gesellschaftsrechts der letzten 150 Jahre können<br />
dies zeigen.<br />
1. Kapital als Aufgriffsschwelle<br />
Nach den holländischen und englischen Kolonialgesellschaften<br />
entstehen Kapitalgesellschaften im Zeitalter<br />
der Industrialisierung zur Finanzierung von Großvorhaben,<br />
vor allem des Eisenbahnbaus. 19<br />
Anfangs können juristische Personen nur durch Hoheitsakt<br />
des Souveräns geschaffen werden. Ein Beispiel hierfür<br />
ist etwa die Royal Bank of Scotland, die keinen<br />
Rechtsformzusatz in ihrer Firma führt, da sie auf einem<br />
ActofParliamentberuht. Diesen Ansatz wird man später<br />
Konzessionssystem nennen. 20 Hier taucht der Gedanke<br />
eines Mindestkapitals erstmals auf. Das Konzept stammt<br />
aus dem Stiftungsrecht und prägt dieses noch heute: die<br />
Staatsverwaltung setzt ihre knappen Ressourcen nur<br />
dann ein, wenn dies im Interesse des Gemeinwesens<br />
liegt. Voraussetzung für die Genehmigung einer Aktiengesellschaft<br />
ist ihre „Gemeinnützigkeit“, d.h. dass ihre<br />
Gründung im Interesse staatlicher Wirtschaftsförderung<br />
liegt. 21 Mit Gläubigerschutz hat das nichts zu tun. 22 Nah<br />
15 So treffend schon vor Jahren Kilger, AnwBl 1987, 424 (425).<br />
16 Zu den Schwächen der deutschen Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung<br />
jenseits des Kapitalschutzrechts eingehend<br />
Haas (Fn. 10), S. E 23- E 51, bes. E. 47-51.<br />
17 So die französische Übersetzung des Romans von Colleen<br />
McCullough, The Thorn Birds, von 1983 (deutsch „Dornenvögel“).<br />
18 So die berühmte Formulierung in Lutter/Hommelhoff,<br />
GmbHG, 14.Aufl. 2004, § 5 Rz. 47.<br />
19 Zum Ganzen Coing, Europäisches Privatrecht, Band II, 1989<br />
§§13-17.<br />
20 In der zeitgenössischen Literatur kommt der Begriff nicht<br />
vor (ebenso wenig wie der Begriff des Systems von Normativbestimmungen),<br />
vgl. nur etwa Windscheid, Lehrbuch des<br />
Pandektenrechts, 4. Aufl. 1875, § 60 oder Dernburg, Pandekten,<br />
1888, § 63 No. 2. In der Diskussion über die Aktienrechtsreform<br />
1884 taucht der Begriffsdualismus aber bereits<br />
auf, vgl. die Beiträge des liberalen Rechtsanwalts und<br />
Reichstagsabgeordneten Dr. Horwitz anlässlich der Beratung<br />
des Aktiengesetzes 1884 am 24.03.1884, Sitzungsprotokolle<br />
des Deutschen Reichstags Band 82, S. 200 (203). Dr. Heinrich<br />
Joseph Horwitz (1824-1899) war Rechtsanwalt und Notar<br />
in Berlin und gehörte dem Reichstag ab 1883 als Mitglied<br />
der Deutschen Fortschrittspartei an (Bernd Haunfelder, Die<br />
liberalen Abgeordneten des Deutschen Reichstags<br />
1877-1918, 2004, S. 210).<br />
21 S. Entwurf der Kommission für die Revision des Handelsrechts,<br />
mit Motiven vom 13.1.1842, Motive, S. 10-<strong>11</strong>, 21-22<br />
(abgedruckt bei Theodor Baums [Hrsg.], Gesetz über die Aktiengesellschaften<br />
für die Preußischen Staaten vom 9. November<br />
1843, Texte und Materialien, 1981, S. 54-55, 65-66<br />
sowie Protokoll der Sitzung des Kgl. Staatsministeriums<br />
vom 20.6.1841, a.a.O., S. 87, Gutachten des Staatsministers<br />
Schön vom 23.12.1841, a.a.O., S.<strong>11</strong>0, des Wirklichen Geheimen<br />
Oberregierungsrats Hoffmann vom 30.12.1841, a.a.O.,<br />
S. 129 (gemeinnützig ist „alles, was die Sicherheit, Bequemlichkeit<br />
und Annehmlichkeit des Lebens vermehrt“) und der<br />
vereinigten Abtheilungen des Königlichen Staatsraths für die<br />
Finanzen und die Justiz vom 16.3.1843, a.a.O., S.139 ff.<br />
22 Hierzu Coing (Fn.19), § 16 (S. 120ff.) und § 17 II 3 (S.128)<br />
sowie Schubert, Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992,<br />
S. 1, 4-7.
Vossius<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 375<br />
Kapitalschutzrecht<br />
sind auch die Parallelen zum Kommanditkapital der KG,<br />
aus der sich – über die KGaA – die Aktiengesellschaft<br />
entwickelt hat. Die AG wird als KG ohne Vollhafter begriffen.<br />
23<br />
Ausgehend von England und Frankreich bahnt sich,<br />
was das Gründungsverfahren betrifft, aber ein anderer<br />
Ansatz seinen Weg, den man später System von Normativbestimmungen<br />
nennen wird. Grund für seinen Erfolg<br />
ist wohl weniger die Ideologie, sondern der enorme Bedarf<br />
wachsender industrieller Wirtschaftssysteme an juristischen<br />
Personen mit Haftungsbeschränkung. Dieser<br />
Ansatz erreicht das Deutsche Reich in Gestalt des Aktienrechts<br />
des HGB von 1870, einer Frucht der kurzen<br />
liberalen Phase um die Reichsgründung (1867-<br />
1878/79). Die freie Gründung von Aktiengesellschaften<br />
wird akzeptiert, 24 das Gesetz enthält ebenso wenig wie<br />
früher 25 ein explizites Mindestkapital. Dieses ergibt<br />
sich nur implizit als Produkt von Mindestnennwert je<br />
Aktie und Mindestzahl der Gründer. 26 In England ist<br />
damals schon das Mindestkapital abgeschafft 27 .<br />
23 Die Parallele zur KG hat schon Staatsminister Friedrich Carl<br />
von Savigny am 14.6.1843 bei den Beratungen zum Preußischen<br />
Gesetz über die Aktiengesellschaften gezogen, siehe<br />
die Protokolle der Sitzungen des königlichen Staatsrats zur<br />
Beratung des Entwurfs eines Aktiengesetzes, abgedruckt bei<br />
Baums, Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Königlich<br />
Preußischen Staaten. Texte und Materialien, 1981,<br />
S. 170f. (Analyse von Baums, a.a.O., S. 31-35). Sichtbar<br />
wird die Parallele weiter im Vergleich von § 32 GmbHG einerseits<br />
und § 172 Abs. 5 HGB andererseits. Auch die AG hat<br />
historisch ihren Ursprung in der Kommanditgesellschaft auf<br />
Aktien, siehe etwa Coing (Fn.19), § 13 III 2 (zum Code de<br />
commerce) und das ADHGB, das die KGaA im selben Abschnitt<br />
als Sonderfall der KG regelt (vgl. Art. 150–172 zur<br />
KG und Art. 173-206 zur KGaA; Art. 207ff. zur AG folgen<br />
in Aufbau und Regelungsgegenstand den Art. 173ff.). Siehe<br />
auch den Vorschlag Levin Goldschmidts, Alte und neue Formen<br />
der Handelsgesellschaft, Vortrag vor der Juristischen<br />
Gesellschaft in Berlin, 1892, in Levin Goldschmidt, Vermischte<br />
Schriften, Band 2, 1901, S. 338 f. („Zubussegesellschaften“).<br />
Kritisch zur HGB-Systematik bereits der Abgeordnete<br />
Dr. Horwitz in der <strong>11</strong>. Sitzung des Reichstags vom<br />
24.3.1884, Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags,<br />
Band 82, S. 201.<br />
24 Siehe Art. 174, 208 HGB i.d.F. des Gesetzes des Norddeutschen<br />
Bundes vom <strong>11</strong>.6.1870 (anders dagegen noch Art. 208<br />
Abs. 1 ADHGB: „Actiengesellschaften können nur mit staatlicher<br />
Genehmigung errichtet werden“).<br />
25 Nach dem Preußischen Aktiengesetz 1843 lag die Höhe des<br />
einzuzahlenden Kapitals im Ermessen der Genehmigungsbehörde.<br />
26 Siehe Art. 173, 175 Nr.6, 207a Abs. 1, 209 Nr.6 HGB i.d.F.<br />
vom <strong>11</strong>.6.1870 (bei Inhaberaktien 100 Vereinsthaler, bei Namensaktien<br />
und der KGaA 50 Vereinsthaler Mindestnennwert,<br />
Mindestzahl der Gründer 3 wegen des aus den Aktionären<br />
zu wählenden Aufsichtsrats: damit 300 bzw. 150 Vereinsthaler,<br />
entspricht 900 bzw. 450 Mark). Damit war der Mindestnennwert<br />
gegenüber der früheren Rechtslage sogar abgesenkt,<br />
so die Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes,<br />
betreffend die KGaA und die AG (von 1884) § 4 Nr.3,<br />
abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, 100 Jahre modernes<br />
Aktienrecht, Sonderheft 4 der ZGR, 1984, S. 420. 1 Vereinsthaler<br />
wurde nach der Reichsgründung in 3 Mark getauscht.<br />
27 Davies in: Gower and Davies’ Principles of Modern Company<br />
Law, 7th ed. 2003, S. 4–5; Mayson, French & Ryan on<br />
Company Law, 20th ed. 2003, chapter 1.3.2.2.<br />
2. Kapital als Zutrittsbarriere<br />
Das neue Recht wirkt stimulierend. 28 Nach dem kurzen,<br />
aber heftigen Boom der Gründerjahre folgen aber 1873<br />
der Börsenkrach und die lange Stagnation der Jahre bis<br />
1890. Zahlreiche Fälle von Gründungsschwindel mit<br />
angeblich wertvollen Sacheinlagen, die sich bei näherer<br />
Prüfung als heiße Luft entpuppen – die Internet-Blase<br />
lässt grüßen – rufen den preußischen Obrigkeitsstaat29 auf den Plan. 30 Der Liberalismus ist um diese Zeit in<br />
die politische Defensive geraten. 31 Apodiktisch formuliert<br />
der Gesetzgeber in der Begründung zur Aktiennovelle<br />
1884 mit Blick auf das englische Recht sein Gegenmodell:<br />
„Grundkapital und Gesellschaftszweck stehen<br />
in einem unauflöslichen Zusammenhange; zeigt es<br />
sich, daß das erstere nicht aufgebracht werden kann, so<br />
ist der letztere meist unerreichbar; die Gründung war<br />
dann völlig verfehlt und die Gesellschaft selbst ohne<br />
Existenzberechtigung.“ 32 Motiv für die härtere Gangart<br />
ist der Schutz des Rechtsverkehrs und des unerfahrenen<br />
Anlegers vor der juristischen Person, 33 nicht der Gläu-<br />
28 Bis Ende 1870 waren in Preußen 203 Aktiengesellschaften<br />
errichtet, in den Jahren 1871-73 entstanden allein 843 neue<br />
(Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend<br />
die KGaA und die AG) § 2, abgedruckt bei Schubert/<br />
Hommelhoff [Fn. 26], S. 408ff.).<br />
29 Siehe etwa die Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes,<br />
betreffend die KGaA und die AG § 2 (abgedruckt bei<br />
Schubert/Hommelhoff [Fn. 26], S. 412ff.).<br />
30 Differenziert die Kritik des „Insiders“ Wilhelm (von) Oechelhäuser<br />
(1820-1902), nationalliberaler Reichstagsabgeordneter<br />
und Unternehmer in der Elektro- und Maschinenbauindustrie,<br />
in „Die Nachtheile des Aktienwesens und die Reform<br />
der Aktiengesetzgebung“, 1878, S. 1-40, bes. etwa<br />
S. 2 f.: „Allein auch für den Gesetzgeber (und hier liegt gerade<br />
dieser Fall vor, da die Aktiengesellschaft ein Geschöpf<br />
der staatlichen Gesetzgebung ist) erscheint es von allerhöchster<br />
Wichtigkeit, in diesen Fragen das wirthschaftliche<br />
Interesse der Allgemeinheit klar zu erkennen, damit die Wege,<br />
welche Kapital und Kraft nach falschen Richtungen führen,<br />
thunlichst verlegt, die richtigen Wege dagegen geebnet<br />
werden. Die Reformen zur Verhütung der enormen Missbräuche<br />
und Auswüchse des Aktienwesens müssen im Blinden<br />
tappen, wenn ihnen diese wirthschaftlichen Fundamental-Erwägungen<br />
nicht als Leitsterne vorgegeben werden.<br />
Praktisch angefasst liegt also hier zunächst die Frage vor: ob<br />
und inwieweit der Erwerbstrieb des Einzelnen, in der fortschreitenden<br />
Ausdehnung des Aktienwesens, auf wirthschaftlich<br />
richtigen Wegen wandelt, sowohl zum eignen Vortheil,<br />
als dem der Gesammtheit?“ Oechelhäusers sehr moderner<br />
(und in seiner grundlegenden Bedeutung wohl heute zu<br />
Unrecht verkannter) Ansatz setzt zum einen an der Bekämpfung<br />
der Spekulation an (a.a.O., S. 18-20, 30, 32-33), zum<br />
anderen am principal-agent-Konflikt zwischen Direktoren<br />
und Aktionären (a.a.O., S.3-6). Insbesondere aus Letzterem<br />
entwickelt er seine Reformvorschläge, a.a.O., S. 85-87.<br />
31 Ausführlich hierzu etwa Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte<br />
1866-1918, Band II, 1992, S.322 ff. (Spaltung der<br />
Nationalliberalen), S.359 ff. (zur liberalen Phase der Bismarckzeit),<br />
S. 382ff. (zur großen Wende der sog. 2. Reichsgründung)<br />
oder Lothar Gall, Bismarck. Der weiße Revolutionär,<br />
1980, S. 526ff.<br />
32 Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend<br />
die KGaA und die AG, § 2 (abgedruckt bei Schubert/<br />
Hommelhoff [Fn. 26], S. 408 [415 f.]).<br />
33 Deutlich wird dies bei der Diskussion über den Mindestnennbetrag<br />
der Aktie in der Aktienrechtsreform 1884, s. die Re-
Vossius<br />
376 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Kapitalschutzrecht<br />
bigerschutz. 34 Die ontologisch aufgeladenen Werturteile<br />
(„unauflöslich“, „völlig verfehlt“, „ohne Existenzberechtigung“)<br />
zeigen bereits den Einfluss des konservativen<br />
Neoidealismus. 35 Die Wirklichkeit wird nicht<br />
erforscht, sondern metaphorisch bildhaft erkannt.<br />
Als Ergebnis der Reform hat die Aktiengesellschaft<br />
deutlich an Attraktivität verloren. 36 Schon damals zeigt<br />
die Wirtschaft mit dem Finger auf die englische Limited,<br />
wie unlängst Jan Thiessen in einem viel beachteten<br />
Vortrag herausgearbeitet hat. 37<br />
Mit dem GmbH-Gesetz von 1892 soll der AG eine weitere<br />
juristische Person zur Seite gestellt werden, die international<br />
ohne Beispiel ist. 38 Im Gegensatz zur AG ist<br />
sie durch weitgehende Gestaltungsfreiheit im Innenverhältnis<br />
gekennzeichnet. Irgendwelche Vorschriften für<br />
die Bewertung von Sacheinlagen existieren nicht; dies<br />
ist den Inferenten und der Geschäftsführung überlassen.<br />
39 Insofern ist das Gesetz sogar liberaler als das<br />
HGB von 1870. 40 Aber das hat seinen Preis in Gestalt<br />
des sehr hohen Mindestkapitals von 20.000 Mark, 41 von<br />
dem immerhin 5.000 Mark einbezahlt werden müssen.<br />
42 Gegenüber der AG 1884 bedeutet das eine Vervierfachung,<br />
gegenüber der AG von 1870 ist das mehr<br />
als das 22fache des Mindestkapitals. Die GmbH von<br />
1892 war also nur eine Rechtsform zur Begrenzung des<br />
Haftungsrisikos für wirtschaftlich bedeutende Unternehmen.<br />
Den kleinen Gewerbetreibenden stand sie<br />
nicht offen. Dennoch hat die neue Rechtsform Erfolg,<br />
was angesichts des Wirtschaftsaufschwungs der Zeit bis<br />
1914 und der dank niedriger Steuersätze hervorragenden<br />
Möglichkeiten zur Eigenkapitalbildung nicht verwundert.<br />
Jedoch ist angesichts des rigiden rechtspolitischen<br />
Kurses die Frage erlaubt, ob die heutige Etablie-<br />
debeiträge der Abgeordneten Dr. Horwitz, Dr. Perrot und Oechelhäuser<br />
in der <strong>11</strong>. Sitzung des Reichstags vom 24.3.1884,<br />
Band 82 der Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags,<br />
S. 202 (218, 221).<br />
34 So die zutreffende Analyse von Escher-Weingart, Reform<br />
durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001,<br />
S. 77ff. Ausgangspunkt der Reform ist das Gutachten des<br />
ROHG vom 31.3.1877 zur Preußischen Denkschrift an den<br />
Bundesrat von 1876, S. 5-6 und 39-63, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff<br />
[Fn.26], S.161 f., das den Verkehrsschutz<br />
im Blick hat. Bezeichnend etwa Art. 207a und 209 HGB:<br />
Mindestnennwert bei Inhaberaktien 1.000 Mark, Mindestzahl<br />
von fünf Gründern (Mindestkapital also 5.000 Mark, d.h.<br />
mehr als das Fünffache im Vergleich zu 1870). Näher hierzu<br />
Vossius, notar 2004, 107, <strong>11</strong>6-<strong>11</strong>9.<br />
35 Siehe auch der Redebeitrag des Staatssekretärs des Reichsjustizamts<br />
Dr. Hermann vom Schelling (1824-1908; Sohn des<br />
Philosophen Friedrich Schelling) in der <strong>11</strong>. Sitzung des<br />
Reichstags vom 24.03.1884, Sitzungsprotokolle des Deutschen<br />
Reichstags Band 82, S. 217: „Sie (= die verbündeten<br />
Regierungen) sind überzeugt, daß ihre Vorschläge nicht dazu<br />
angethan sind der Begründung legitimer (sic!) Gesellschaften,<br />
die einen praktischen (sic!) Zweck verfolgen, in den<br />
Weg zu treten ... Im Gegentheil, die verbündeten Regierungen<br />
glauben die gesunden (sic!) Erzeugnisse zu stärken,<br />
wenn sie nach Möglichkeit die glänzenden Sumpfblumen<br />
ausrotten, die den Unkundigen ins Verderben locken.“ An<br />
dieser Stelle verzeichnet das Protokoll „Bravo! rechts“.<br />
36 Sehr diplomatisch die Bewertung der Reform von 1884<br />
durch Levin Goldschmidt (Fn. 23), S. 321 (337). Erstaunlich<br />
rung der GmbH als Gesellschaft für die breite Masse<br />
nicht eher daran liegt, dass die Geldentwertung der Jahre<br />
1914 bis 1923 die GmbH faktisch für den breiten<br />
Mittelstand öffnete und der Gesetzgeber dieses Rad<br />
dann nicht mehr zurück drehen konnte. 43<br />
Die rechtspolitische Entscheidung des Reichsgesetzgebers<br />
von 1892 bleibt nicht ohne Widerspruch. So äußert<br />
der vormalige Richter am Reichsoberhandelsgerichts,<br />
liberale Reichstagsabgeordnete (1875-77) und<br />
hoch angesehene Handelsrechtler Levin Goldschmidt<br />
(1829-1897) kurz vor der Verabschiedung des GmbH-<br />
Gesetzes mit Blick auf das englische Recht deutlich seine<br />
grundsätzlichen Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieser<br />
Regelung: „Viel gewichtiger ist ein zweites Bedenken.<br />
Es gibt in der That Unternehmungen, für welche<br />
die Vorschriften unseres Aktiengesetzes undurchführbar<br />
oder doch unzweckmässig erscheinen, obwohl diese<br />
Unternehmungen nur unter beschränkter Haftung aller<br />
Betheiligten durchgeführt werden können. ... Im Gegensatz<br />
zu dem vorhin geschilderten englischen Aktiengesetz,<br />
welches thatsächlich die Möglichkeit einer Kapitalserweiterung<br />
wie Kapitalsreduktion nach wechselndem<br />
Bedürfnis zulässt, beruht bekanntlich unser kontinentales<br />
Aktienrecht auf dem starren Grundprinzip<br />
des fixirten, in seiner statutenmässigen Höhe sogleich,<br />
noch vor der Konstituierung durch Zeichnung zu sichernden<br />
Grundkapitals ... Kurz: die mangelnde Elastizität<br />
des ursprünglichen oder erhöhten Grundkapitals<br />
verhindert die kontinentale Aktiengesellschaft, sich völlig<br />
den wechselnden Bedürfnissen des kaufmännischen<br />
Unternehmens anzupassen. Hier scheint eine Aushülfe<br />
angezeigt, indem das System der Zubussegesellschaften<br />
in geeigneter Weise anerkannt wird.“ 44<br />
deutlich aber etwa die Direktion der Deutschen Bank im 15.<br />
Geschäftsbericht für das Jahr 1884, S. 3: „Einerseits haben ...<br />
das Actiengesetz mit seinen für neue Unternehmungen erschwerenden<br />
Anordnungen sich weiter fühlbar gemacht.“<br />
Ebenso im 16. Geschäftsbericht für das Jahr 1885, S. 3: „Die<br />
Actiennovelle hat nach wie vor der Errichtung neuer Anlagen<br />
entgegengewirkt.“<br />
37 Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert –<br />
Export, Import, Binnenhandel, in Duss/Linder u.a. (Hrsg),<br />
Rechtstransfer in der Geschichte, München 2006, S.<br />
S. 446-497.<br />
38 Siehe Levin Goldschmidt (Fn.23), S. 332: „es handelt sich<br />
um eine durchaus neue, noch nirgends in der Welt erprobte<br />
Gesellschaftsform.“<br />
39 § 5 Abs. 4 GmbHG-1892. Grund für diese Abweichung vom<br />
Aktiengesetz 1884 (keine Prüfung der Werthaltigkeit) ist die<br />
geringere Schutzwürdigkeit der Anleger, vgl. Staub-Hachenburg,<br />
GmbHG, 2.Aufl. 1906, § 5 Anm. 13).<br />
40 Siehe Art. 180 Abs. 1, Art. 209b HGB i.d.F. vom <strong>11</strong>.6.1870.<br />
41 § 5 Abs. 1 GmbHG-1892. Der hohe Betrag im Vergleich zum<br />
HGB 1870 zeigt, welcher Preis für die ansonsten liberale<br />
Ausgestaltung der neuen Rechtsform entrichtet werden<br />
musste, um sie mehrheitsfähig zu machen. Zur Genese der<br />
Kapitalziffer Thiessen (Fn.37), S. 454-457, bes. S. 456.<br />
42 § 7 Abs. 2 GmbHG-1892. Das entspricht dem Mindestkapital<br />
der AG nach der Reform 1884.<br />
43 Die Bedeutung der Hyperinflation 1923 für das GmbH-Recht<br />
analysiert Thiessen (Fn.37), S. 455 (461-464).<br />
44 Levin Goldschmidt (Fn.23), S. 337-339.
Vossius<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 377<br />
Kapitalschutzrecht<br />
Goldschmidt plädiert somit für eine der Personengesellschaft<br />
nachgebildete Kapitalisierung, eine Kapitalgesellschaft<br />
mit Beitragspflicht der Gesellschafter. Als alter<br />
1848er Liberaler argumentiert er mit der Empirie<br />
und verzichtet auf die neoidealistische Überhöhung politischer<br />
Positionen. Dieses Argumentationsmuster der<br />
1860er und 70er Jahre ist aber 1892 schon nicht mehr<br />
„mainstream“.<br />
3. Kapitalschutz und Staatswohl<br />
Nach der großen Wende 1878/79 und in der neoidealistischen<br />
Renaissance der Wilhelminischen Zeit wird das<br />
ideologische Umfeld für das liberale Unternehmertum<br />
rauer. Die Kritik am Kapitalismus wächst, und zwar sowohl<br />
von Links seitens der Kathedersozialisten und der<br />
Sozialdemokratie, als auch von Rechts aus dem wertkonservativen<br />
akademischen Bürgertum45 . In letztere<br />
Kritik mischen sich Zukunftsangst und romantische<br />
Rückwärtsgewandtheit mit einem kräftigen Schuss Antisemitismus46<br />
. Diese Stimmen werden tonangebend.<br />
So schreibt vor 1894 Heinrich von Treitschke<br />
(1834-1896), Nachfolger Rankes auf dem Berliner<br />
Lehrstuhl, Reichstagsabgeordneter 1871-1884, bis 1879<br />
Mitglied der nationalliberalen Fraktion, ab 1886 offizieller<br />
preußischer Hofhistoriograph, im 5. Band seiner<br />
Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert, 47 einem<br />
Werk, das vor 100 Jahren zum eisernen Bestand einer<br />
Bibliothek der gebildeten Stände48 gehörte, 49 über das<br />
Börsenfieber im Königreich Preußen der 40er Jahre des<br />
19. Jahrhunderts: 50 „Das Privatcapital in den mittleren<br />
45 Siehe etwa zum BGB Wieacker, Privatrechtsgeschichte der<br />
Neuzeit, 1967, § 25 (aus wertkonservativer Sicht) und Rückert<br />
in HKK, Das BGB und seine Prinzipien, Vor § 1<br />
Rz. 91-101 (grundlegende Neubewertung aus liberaler Sicht).<br />
Konkret auf die Aktiengesellschaften bezogen etwa auch der<br />
konservative Reichstagsangeordnete Franz Fürchtegott Perrot<br />
in der Sitzung des Reichstags vom 24.3.1884, Sitzungsprotokolle<br />
des Deutschen Reichstags. Band 82, S. 218 (220):<br />
„Sollte das (= Pflicht zur Volleinzahlung) die Entwickelung<br />
der Aktiengesellschaft erschweren, dann hat man sich einfach<br />
zu sagen, daß die Einführung gesunder Prinzipien in das<br />
Aktienwesen nicht zu demselben paßt.“ Perrot trat schon<br />
1875 in einer Artikelserie in der Neuen Preußischen Zeitung<br />
(Kreuzzeitung), dem Sprachrohr der preußischen Hochkonservativen,<br />
mit dem Titel „Die ¾ra Bleichröder-Delbrück-<br />
Camphausen“ als scharfer Kritiker des Liberalismus in Erscheinung,<br />
der sich hierbei und zur Verunglimpfung des politischen<br />
Gegners antisemitischer Klischees bediente (siehe<br />
auch seine Diktion gegenüber Ludwig Bamberger und Bethel<br />
Henry Strousberg in derselben Reichstagsdebatte, a.a.O.,<br />
S. 218). In derselben Debatte kennzeichnet ihn der nachfolgende<br />
Redner Wilhelm Oechelhäuser als „auf dem Isolirschemel“<br />
sitzend (a.a.O., S.220).<br />
46 Siehe etwa Andreas Biefang, Der Streit um Treitschkes<br />
„Deutsche Geschichte“ 1882/83. Zur Spaltung des Nationalliberalismus<br />
und der Etablierung eines national-konservativen<br />
Geschichtsbildes, HZ 262 (1996), S. 391-422.<br />
47 Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im neunzehnten<br />
Jahrhundert, 5. Band, Kapitel 6, 1. Aufl. 1879-1894 (zitiert<br />
nach der 4.Aufl. 1899). Man beachte, dass der Text in<br />
den Jahren nach dem Börsenkrach 1873 und der Aktienrechtsreform<br />
1884 entstanden sein muss.<br />
48 Bezeichnend auch der Hinweis des nationalliberalen Reichstagsabgeordneten<br />
Otto Büsing (1837-1916, Rechtsanwalt,<br />
und den westlichen Provinzen zeigte sich gewagten Unternehmungen<br />
nur zu sehr geneigt. Jetzt zum ersten<br />
male wurde Berlin von dem Fieber wüsten Aktienschwindels<br />
ergriffen, das seitdem noch so oft wiederkehren<br />
sollte. Das böse Beispiel gab England ... Von<br />
diesem Uebermaße des Schwindels blieb Preußen freilich<br />
bewahrt, Dank seiner Armuth und der strengeren<br />
Staatsaufsicht. Immerhin ward der Tanz um das goldene<br />
Kalb ganz schamlos. Männer aus allen Ständen, selbst<br />
Offiziere in Uniform, berühmte Künstler und Gelehrte<br />
drängten sich täglich in das winklige Börsengebäude<br />
neben dem Dom um mit den Aktien aller Länder zu<br />
schachern.“<br />
In das Unbehagen mischt sich die Sehnsucht nach der angeblich<br />
guten alten Zeit, z.B. bei Schilderung der Landflucht,<br />
51 der angeblich früher besseren Qualität der Produkte,<br />
52 des Materialismus, 53 des Rollenbildes der Geschlechter54<br />
und nicht zuletzt des Reichtums der Fabrikanten.<br />
55 Ein paar Seiten weiter heißt es: „Man bemerkte<br />
auch bereits die ersten Anfänge einer internationalen Verbindung<br />
zwischen den großen Geldmächten. ... In dieser<br />
gesunden, natürlichen Entwicklung trat nun plötzlich ein<br />
unheilvoller Rückschlag ein. Die Börsenmächte aller<br />
Culturländer begannen sich in aller Stille über das gemeinsame<br />
Geldinteresse zu verständigen, und die neue<br />
internationale Partei des Großkapitals fand ihre natürliche<br />
Stütze an dem vaterlandslosen Judenthum.“ 56<br />
Für den Antisemitismus Treitschkes gibt es leider noch<br />
schlimmere Belege – hierüber wird ihm Levin Goldschmidt<br />
vom Freund zum Antipoden. 57 Letztlich aber –<br />
Notar und Bankdirektor in Schwerin, später Vizepräsident<br />
des Reichstags und 1891-1915 Mitglied des Aufsichtsrats<br />
der Deutschen Bank) in der <strong>11</strong>. Sitzung des Reichstags vom<br />
24.3.1884: „Meine Herren, wohl in keinem anderen Lande<br />
herrscht unter den gebildeten Klassen eine so große Geschäftsunerfahrenheit<br />
und Geschäftsunkenntniß wie in<br />
Deutschland.“ (Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags,<br />
Band 82, S. 208).<br />
49 Zum Einfluss v. Treitschkes in weiten Kreisen der deutschen<br />
Bevölkerung (als wertkonservativer Gegenpol etwa zu Theodor<br />
Mommsen) siehe Frensken in Biografisch-Bibliografisches<br />
Kirchenlexikon, Artikel Treitschke, Heinrich von,<br />
1999. Allein die vier Auflagen des Werks zwischen 1894<br />
und 1899 sprechen für sich.<br />
50 Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert,<br />
4. Aufl., 1899, Band 5, S. 495.<br />
51 Treitschke (Fn.50), S. 507.<br />
52 Treitschke (Fn.50), S. 507.<br />
53 Treitschke (Fn.50), S. 507f.: „Macht der materiellen Interessen“<br />
einerseits und „Idealismus der politischen Einheitskämpfe“<br />
andererseits.<br />
54 Treitschke (Fn.50), S. 508: „Frauen drängten sich mit dilettirender<br />
Geschäftigkeit in männliche Berufe ...“<br />
55 Treitschke (Fn. 50), S. 508 f.: „Unnatürlich früh entstanden,<br />
obgleich der allgemeine Wohlstand noch recht bescheiden<br />
blieb, schon einzelne riesige Vermögen. Der Reichthum des<br />
Hauses Rothschild überbot bei Weitem Alles, was die römische<br />
Kaiserzeit an ungesunden Capitalanhäufungen gesehen<br />
hatte.“<br />
56 Treitschke (Fn.50), S. 509.<br />
57 Siehe der Brief Levin Goldschmidts an Heinrich von<br />
Treitschke vom 4. Mai 1881, abgedruckt in Hugo Sinzheimer,<br />
Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1953<br />
(verfasst in Amsterdam 1937), S. 51, 69-72.
Vossius<br />
378 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Kapitalschutzrecht<br />
und das ist das eigentlich Perfide – ist ihm der Antisemitismus<br />
nur Mittel zur politischen Bekämpfung der<br />
ehemaligen Weggefährten aus der nationalliberalen Partei,<br />
die Bismarcks Hinwendung zu einer nationalkonservativen<br />
Politik nicht mittragen wollen. 58 Das „internationale<br />
Großkapital“ ist „jüdisch“. Antisemitismus<br />
mischt sich mit wertkonservativer Kapitalismuskritik.<br />
Deren Wirkungsmacht wird mit dem rechtspolitischen<br />
Kurswechsel deutlich, den das Gesellschaftsrecht mit<br />
der Aktienrechtsreform 1884 59 und dem GmbHG 1892<br />
im Vergleich zum HGB 1870 genommen hat. Etwas<br />
mokant lässt sich sagen, dass damit auch unser heutiges<br />
Kapitalschutzrecht weniger eine Kulturleistung als eine<br />
zufällige Frucht Bismarckscher Koalitionsarithmetik ist.<br />
Gegen Ende des Kaiserreichs spitzt sich die Ablehnung<br />
der juristischen Person nochmals zu. Ein herausragender<br />
Exponent der damaligen Deutschland-AG, Walther Rathenau,<br />
Sohn des AEG-Mitbegründers, bringt als Verantwortlicher<br />
für die Kriegswirtschaft des Kaiserreichs 1917<br />
mit seiner Schrift „Vom Aktienwesen“ 60 das dumpfe Unbehagen<br />
des deutschen Bürgertums im wilhelminischen<br />
Turbokapitalismus auf den Punkt. Unternehmen haben<br />
dem Staatswohl zu dienen, 61 nicht dem Eigennutz seiner<br />
Eigentümer, der Aktionäre. Im Kontext der Zeitumstände<br />
heißt das: wir müssen und wollen den Krieg gewinnen,<br />
nicht den Profit Einzelner maximieren: 62 „Der Krieg,<br />
mehr ein weltrevolutionäres denn ein politisches Ereignis,<br />
hat den Bau der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung<br />
Europas in so viel Monaten in Trümmer gelegt, als<br />
¾onen von Friedensjahren es vermocht hätten. Aus die-<br />
58 So die Bewertung des sog. Berliner Antisemitismusstreits<br />
von Uffa Jensen in DIE ZEIT vom 13.06.2002, auch in DIE<br />
ZEIT – Das Lexikon, Band 15, S.620 ff., dort vor allem zur<br />
breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der antisemitischen<br />
Thesen.<br />
59 Siehe hierzu die Analyse des nationalliberalen Reichstagsabgeordneten<br />
Otto Büsing in der Sitzung vom 24.03.1884<br />
(Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags Band 82,<br />
S. 205): „Der Wunsch, daß auf dem Gebiete des Aktienwesens<br />
gesetzgeberisch etwas geschehe, ist ein fast allgemeiner,<br />
weniger aus einer genauen Kenntniß des Aktienwesens, als<br />
aus einem unklaren Gefühle der Menge heraus, daß auf diesem<br />
Gebiete ein größerer Schutz des Publikums erforderlich<br />
sei. Dieser unzweifelhaft vorhandenen tief gehenden Strömung<br />
gegenüber kann man sich meines Erachtens nicht ablehnend<br />
verhalten.“ Der Ansatz wird bei ihm sogleich wieder<br />
relativiert durch den Hinweis, „der krankhaft entfesselte Unternehmungsgeist“<br />
sei „längst wieder in ruhigere Bahnen<br />
eingelenkt“ und daher könne man „sine ira et studio“ an die<br />
Aktiennovelle herangehen. Ideologisch profilierter hingegen<br />
der ihm als Redner folgende führende Zentrumspolitiker Peter<br />
Reichensperger (1810-1892; auch Richter am Preußischen<br />
Obertribunal) in der gleichen Sitzung, a.a.O. S. 209:<br />
„Es waren das Missbräuche, meine Herren, welche nicht<br />
bloß den Nationalwohlstand schwer geschädigt, sondern das<br />
Rechtsbewußtsein und die öffentliche Moral tief erschüttert<br />
haben.“ Im Folgenden übt er u.a. Kritik an verwandtschaftlichen<br />
Verbindungen unter Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern,<br />
überhöhten Vorstandsvergütungen und fordert weitergehende<br />
Minderheitenschutzrechte sowie härtere strafrechtliche<br />
Sanktionen. Er repliziert damit auf Otto Büsing,<br />
der (a.a.O., S. 207) vorausschauend vor den Gefahren schikanöser<br />
Ausnutzung von Minderheitsrechten warnte.<br />
60 Walther Rathenau, Vom Aktienwesen: eine geschäftliche Betrachtung,<br />
1917.<br />
sen Trümmern wird weder ein Reich des sozialen Kommunismus<br />
hervorbrechen, noch ein neues Reich frei spielender<br />
wirtschaftlicher Kräfte. Auch dem Wesen der Unternehmung<br />
wird nicht die Verstärkung des privatwirtschaftlichen<br />
Gedankens beschieden sein, sondern die bewußte<br />
Einordnung in die Wirtschaft der Gesamtheit, die<br />
Durchdringung mit dem Geiste der Gesamtverantwortlichkeit<br />
und des Staatswohls.“ 63<br />
„Staatswohl“ ist hier nicht etwa die Förderung wirtschaftlicher<br />
Prosperität, wie dies etwa noch die Väter<br />
des Preußischen Aktiengesetzes 1843 mit dem Begriff<br />
der „Gemeinnützigkeit“ 64 der Aktiengesellschaft gemeint<br />
hatten, sondern das, was der Umsetzung der Ziele<br />
staatlicher Politik dient. Bei Rathenau wird das Unbehagen<br />
des Bürgertums über die juristische Person in<br />
den Dienst der totalen Ausrichtung der deutschen Wirtschaft<br />
auf die Kriegsziele des Kaiserreichs gestellt.<br />
In den Zeitläuften haben sich diese Gedanken als eine der<br />
wirkungsmächtigsten ¾ußerungen zum Kapitalgesellschaftsrecht<br />
erwiesen 65 . Über das ganze politische Spektrum<br />
hinweg sickern sie in das kollektive Bewusstsein<br />
ein, sogar in England erscheinen (andere) wichtige<br />
Schriften Rathenaus in Übersetzung. 66 Ihre Umsetzung<br />
findet sich zum einen im „linken Lager“ im Postulat gesellschaftlicher<br />
Kontrolle des Produktivvermögens im<br />
Betriebsverfassungsrecht der Weimarer Zeit und in<br />
Art.15 Grundgesetz bis hin zur heutigen Unternehmensmitbestimmung,<br />
einem Surrogat staatlicher Intervention<br />
infolge der gründlichen Delegitimierung 67 staatlicher<br />
61 Siehe etwa Rathenau (Fn.60), S. 38f.: „... die Großunternehmung<br />
ist heute überhaupt nicht mehr lediglich ein Gebilde<br />
privatrechtlicher Interessen, sie ist vielmehr, sowohl einzeln<br />
wie in ihrer Gesamtzahl, ein nationalwirtschaftlicher, der Gesamtheit<br />
angehöriger Faktor, der zwar aus seiner Herkunft,<br />
zu Recht oder zu Unrecht, noch die privatrechtlichen Züge<br />
des reinen Erwerbsunternehmens trägt, während er längst<br />
und in steigendem Maße öffentlichen Interessen dienstbar<br />
geworden ist und hierdurch sich ein neues Daseinsrecht geschaffen<br />
hat.“<br />
62 Besonders deutlich etwa Rathenau (Fn.60), S.40 (49f.).<br />
63 Rathenau (Fn.60), S. 61 f.<br />
64 Siehe oben II. 1.<br />
65 Zur Rezeption von Rathenau bereits Flume, Allgemeiner<br />
Teil I/2 Die juristische Person, 1983, § 2 III (S. 37 f.), Escher-<br />
Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht,<br />
2001, S. 77 ff., Hans-Jörg Krämer, Das Unternehmensinteresse<br />
als Verhaltensmaxime der Leitungsorgane<br />
einer Aktiengesellschaft im Rahmen der Organhaftung, Diss.<br />
Bayreuth 2002 (www.tenea_juraweltbd18.pdf), S. 32-34.<br />
Jüngst hierzu Bähr in Bähr/Banken, Wirtschaftssteuerung<br />
durch Recht im Nationalsozialismus, Frankfurt 2006, S. 35<br />
(37f.).<br />
66 Von den Werken Rathenaus erschienen (nach dem Katalog<br />
der British Museum Library) u.a. die Schriften „Von kommenden<br />
Dingen“ und „Die Neue Gesellschaft“ in englischer<br />
Übersetzung (Walther Rathenau, In Days to Come, London<br />
1921 und ders., The New Society, London 1921). Zur Rathenau-Rezeption<br />
in Großbritannien Mayson, French & Ryan,<br />
On Company Law, 20th ed. 2003, S. 16 (chapter 0.2.4) und<br />
S. 170 (chapter 5.3.1 am Ende).<br />
67 Formulierung („general postwar deligitimazation of governmental<br />
authority“) von Hansmann/Kraakman in Kraakman/<br />
Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda, The Anatomy of Corporate<br />
Law, 2004, S. 69 Mitte.
Vossius<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 379<br />
Kapitalschutzrecht<br />
Autorität in Deutschland durch das Dritte Reich und die<br />
nachfolgende Nichtbewältigung der Vergangenheit in der<br />
Adenauerschen Restaurationszeit. Wie die „Heuschreckendebatte“<br />
68 oder die rechtspolitische Diskussion um<br />
das Übernahmerecht mit ihren diffusen Überfremdungsängsten<br />
zeigen, sind diese Gedanken auch heute noch lebendig.<br />
Auch im „rechten Lager“ wird Rathenau rezipiert. Sein<br />
Ansatz, die Großunternehmen in den Dienst des Staatswohls<br />
zu stellen, mischt sich mit der Ablehnung der juristischen<br />
Person. 69 Diese ist „liberal“, „individualistisch“<br />
und „jüdisch“. Das Gesellschaftsrecht gehört<br />
nicht von ungefähr zu den ersten Feldern, auf denen<br />
nach der Machtergreifung die neue Ideologie rechtspolitisch<br />
umgesetzt wird. Der Bogen spannt sich vom<br />
Löschungsgesetz 193470 , das der „Ausmerzung lebensunfähiger<br />
Gesellschaften“ diente71 , über das Umwandlungsgesetz<br />
1934, das dem deutschen Kaufmann den<br />
Weg (zurück) aus der anonymen Kapitalgesellschaft in<br />
die Personenhandelsgesellschaft ebnen sollte72 , bis hin<br />
zur Ersetzung der Unternehmensverfassung des HGB-<br />
Aktienrechts, das dem angelsächsischen Modell des board<br />
mit den ihm formal unterstellten officers viel ähnlicher<br />
war, als man heute meinen möchte, durch das<br />
Führerprinzip des Aktiengesetzes 193773 , einer Anleihe<br />
aus den USA, deren starker CEO Nationalsozialisten<br />
faszinieren musste.<br />
Besonders markant wirkt sich die explosive Mischung<br />
bürgerlicher Kapitalismuskritik mit nationalsozialistischer<br />
Rechtsanwendung im Bereich des Kapitalersatz-<br />
68 So der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering in einem<br />
Vortrag am 22.<strong>11</strong>.2004 („die verantwortungslosen Heuschreckenschwärme“).<br />
Hierzu etwa Robert Leicht, Die Zeit<br />
v. 18.4.2005; Anette Sydow, Berliner Morgenpost v.<br />
30.4.2005; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.4.2005,<br />
Wolffsohn in Rheinische Post v. 3.5.2005.<br />
69 Hierzu ausführlich jetzt Bähr (Fn.65), S. 40 ff. und 52 ff. (zur<br />
Erhöhung des Mindestkapitals) mit dem Fazit, a.a.O., S. 56:<br />
„rigide Marktbereinigung durch Recht.“.<br />
70 Zu dessen Aufhebung Karsten Schmidt, GmbHR 1994,<br />
829ff.<br />
71 So die amtliche Begründung Reichsanzeiger Nr.243 vom<br />
17.10.1934. Ohne erkennbare Distanzierung zitiert noch in<br />
Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8.Aufl. 1995 (!), Anh. § 60<br />
Anm.1 (übernommen aus den Vorauflagen).<br />
72 Siehe die Kommentierung des Gesetzesvorspruchs von Hachenburg,<br />
HGB 3.Aufl., Band III/3 2. Lieferung, 1935 (!),<br />
Anm.1-3. der das Gesetz aus der „veränderten wirtschaftlichen<br />
Lage und der veränderten seelischen (sic !) Einstellung<br />
in Deutschland“ erklärt. Zum Umwandlungsgesetz 1934 jetzt<br />
auch Bähr (Fn. 65), S. 54 (55) mit statistischen Belegen seiner<br />
Wirksamkeit.<br />
73 Instruktiv hierzu Roth, AG 2004, 1, bes. 3 f.; von Hein, ZHR<br />
166 (2002), 464 (472 ff.) und jetzt Bähr (Fn.65), S.45-54.<br />
74 RGZ 156, 23 (32 f.). In der Literatur der Weimarer Zeit wird<br />
Gesellschafterfinanzierung als Problem des § 30 GmbHG gar<br />
nicht behandelt, vgl. etwa Brodmann, GmbHG, 2. Aufl. 1930<br />
oder Staub-Hachenburg, GmbHG 5. Aufl. 1926. Zum Auftauchen<br />
des Problems (nach Vorläufern in Belgien und Jugoslawien)<br />
und seiner intensiven Behandlung in der Akademie<br />
für Deutsches Recht um 1937 grundlegend Thiessen (Fn.37),<br />
S. 475-480. Letztlich handelt es sich beim Eigenkapitalersatz<br />
also um eine Rechtsschöpfung aus der Zeit des Nationalsozialismus.<br />
rechts aus. Hatte das Reichsgericht noch 1935 die Subordination<br />
von Gesellschafterdarlehen in der Krise der<br />
Gesellschaft abgelehnt74 , so schwenkt die höchstrichterliche<br />
Rechtsprechung 1938 um. Ganz auf der Linie der<br />
Rüthersschen „unbegrenzten Auslegung“ 75 begründet<br />
das Reichsgericht die Subordination der Gesellschafterfinanzierung<br />
unter Rückgriff auf die Generalklauseln<br />
des Bürgerlichen Rechts, die im Lichte der „Rechtsauffassung<br />
des neuen Deutschland“ unter Rückgriff auf<br />
das „gesunde Volksempfinden“ 76 und den Grundsatz<br />
„Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ 77 ausgelegt werden.<br />
78 Knapp 100 Jahre später steht damit die alte „Gemeinnützigkeit“<br />
des Preußischen Aktienrechts als „Gemeinnutz“<br />
im Dienste fanatischer Ideologen. Es ist<br />
nicht ohne Tragik, dass mit der Umwertung dieses Begriffs<br />
ausgerechnet Rathenau den Nationalsozialisten in<br />
die Hände gespielt hat.<br />
Auch nach 1945 bleibt in Rechtswissenschaft und<br />
Rechtslehre das dumpfe Unbehagen über die juristische<br />
Person bestehen – es handelt sich hierbei ja auch um<br />
nichts genuin Nationalsozialistisches. Natürlich werden<br />
die bisherigen Begründungsmuster durch neue, politisch<br />
korrekte topoi ausgetauscht. 79 Anstelle des Gemeinnutzes<br />
und des gesunden Volksempfindens bietet<br />
sich nun die Formel vom Gläubigerschutz an. Man<br />
sucht also, den auf das Kollektiv bezogenen Ansatz früherer<br />
Zeiten zu individualisieren.<br />
Ohne die ideengeschichtlichen Prämissen der bisherigen<br />
Ansätze zu reflektieren, bauen Rechtsprechung und<br />
Rechtswissenschaft das Kapitalschutzrecht weiter zum<br />
75 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung. Zum Wandel der Privatrechtsordnung<br />
im Nationalsozialismus, 1968.<br />
76 Zur Umwertung der §§138, 242 BGB im Sinne einer nationalsozialistischen<br />
„Kampfklausel“ instruktiv Rüthers, a.a.O.,<br />
S. 210-270 (zitiert nach der Taschenbuchausgabe, 1973).<br />
77 Hierzu Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen<br />
Recht, 1974, bes. S. 76 ff. (Parteiprogramm der<br />
NSDAP), S. 147ff. (Umsetzung im Wirtschaftsrecht allgemein<br />
und S. 151ff. im Aktienrecht im Besonderen). Hierzu<br />
treffend Hansmann/Kraakman in Kraakman/Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda,<br />
The Anatomy of Corporate Law,<br />
2004, S. 19: „To say that the pursuit of aggregate social welfare<br />
is the appropriate goal of corporate law is not to say, of<br />
course, that the law always serves that goal ... corporate law<br />
everywhere continues to bear the imprint of the historical<br />
path through which it has evolved, and reflects as well various<br />
non-efficiency-oriented intellectual and ideological currents<br />
that have sometimes influenced its formation ...“<br />
78 RG JW 1938, 862 (864); hierzu ausführlich Thiessen<br />
(Fn.37), S. 479 Fn.179. Hervorzuheben an der Entscheidung<br />
ist außerdem der typisch nationalsozialistische Manichäismus<br />
in der Gegensatzbildung zwischen formaler Rechtsposition<br />
(= Liberalismus) und materiellem Zweck des Rechts<br />
(= nationalsozialistische Rechtsauffassung).<br />
79 Paradigmatisch etwa die Kommentierung von Ulmer in Hachenburg,<br />
GmbHG, 7. Aufl. 1979, Anh. § 30 Rz. 35-67 (Unterkapitalisierung)<br />
und Rz. 68-106. Dort wird (Rz. 50 zu<br />
RGZ 158, 302 [310] und Rz. 75 zu RG JW 1938, 862 [864] f.<br />
und zu RGZ 166, 51 [57]) die Haftung mit dem „Missbrauch<br />
der Rechtsform“ bzw. einer sittenwidrigen vorsätzlichen<br />
Schädigung begründet. Die in den zitierten Entscheidungen<br />
verwendeten klar dem Nationalsozialismus entstammenden<br />
topoi („gesundes Volksempfinden“, „Rechtsauffassung des<br />
neuen Deutschland“) werden hingegen nicht erwähnt.
Vossius<br />
380 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Kapitalschutzrecht<br />
zentralen Instrument des Gläubigerschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht<br />
aus. Dennoch kann das Gläubigerschutzkonzept<br />
seine Herkunft aus einem objektivrechtlichen<br />
Verkehrsschutzdenken nicht verleugnen; von daher<br />
kann es dem Individualgläubiger gar keine brauchbaren<br />
Schutzmittel an die Hand geben, was seinen zentralen<br />
Konstruktionsfehler darstellt.<br />
Das Defizit an geschichtsbewusster Reflexion bleibt<br />
nicht ohne Folgen. Als wäre die deutsche Wirtschaft ein<br />
einziges Versuchslabor, werden die verschiedensten Ansätze<br />
ausprobiert.<br />
Ein paar Beispiele: 1980 versuchte der Gesetzgeber,<br />
mit der Kodifikation des Kapitalersatzrechts in §§32a<br />
und 32b GmbHG Rechtssicherheit zu schaffen. Weit gefehlt:<br />
statt des Gesetzesrechts der Novellenregeln haben<br />
wir jetzt das Neben- bzw. Durcheinander80 von Novellenregeln<br />
und BGH-Regeln. 81 Dem neuen Sanierungsprivileg<br />
in §32a Abs.3 Satz3 GmbHG wird es möglicherweise<br />
ähnlich ergehen82 . Der BGH wollte unter<br />
dem Beifall der Wissenschaft mit der Entscheidungsserie<br />
von Autokran83 über Tiefbau84 hin zu Video85 Haftung im GmbH-Konzern an objektive Kriterien anknüpfen,<br />
bis nach Video alle Beteiligten erkennen<br />
mussten, dass sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet<br />
hatten. Es folgte dann die Patenthalse zu TBB. 86 Nach<br />
einigen versenkten Bojen der Rechtssicherheit und einem<br />
wilden Zickzackkurs mit killenden Segeln hat die<br />
dogmatische Regatta ihren vorläufigen Abschluss mit<br />
der Existenzvernichtungshaftung gefunden, 87 einem<br />
Haftungskonzept, die sich allenfalls nur über eine Gesamtanalogie<br />
zu den §§823ff., 138, 242 BGB im zivilistischen<br />
Aktionensystem verorten lässt88 .Überhaupt<br />
scheint das beginnende Jahrhundert das Zeitalter des<br />
Deliktsrechts im Kapitalgesellschaftsrecht zu werden.<br />
Wenn nun im Entwurf eines MoMiG die Subordination<br />
des Gesellschafterdarlehens rechtsformübergreifend insolvenzrechtlich<br />
geregelt werden soll, dann wird eben-<br />
80 Statt aller Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., 2004,<br />
§§32a/b Rz. 1-17, 91-<strong>11</strong>0.<br />
81 So explizit etwa BGH AG 2001, 303 (305). Aus jüngster Zeit<br />
grundlegend hierzu K. Schmidt, GmbHR 2005, 797 ff., der<br />
ausdrücklich (a.a.O., S. 801) feststellt, die Gesetzesregeln<br />
würden „unter Hintanstellung aller methodischer Bedenken“<br />
ignoriert. Zu Ende gedacht bedeutet das die Berufung auf<br />
den nicht unbedenklichen Satz „necessitas non habet legem“.<br />
Hierzu auch Haas (Fn.10), S. E 56.<br />
82 Siehe die restriktiven Tendenzen des BGH GmbHR 2005,<br />
1531 im Anschluss an BGH ZIP 2001, <strong>11</strong>5 = GmbHR 2001,<br />
106.<br />
83 BGHZ 95, 330 = AG 1986, 15.<br />
84 BGHZ 107, 7 = AG 1989, 243.<br />
85 BGHZ <strong>11</strong>5, 187 = AG 1991, 419.<br />
86 BGHZ 122, 123 = AG 1993, 371.<br />
87 BGH GmbHR 2001, 1036 = AG 2002, 43 = BGHZ 149, 10<br />
(Bremer Vulkan); BGH GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002,<br />
1578 (KBV); BGH GmbHR 2005, 1425; BGH GmbHR<br />
2005, 1620; BGH GmbHR 2005, 299. Röhricht, ZIP 2005,<br />
506 (513 f.) sieht in der Existenzvernichtungshaftung den<br />
(derzeitigen) Grundtatbestand des Außenhaftungsrechts des<br />
GmbH-Gesellschafters. Die Halbwertszeit dieses Konzepts<br />
bleibt offen.<br />
88 Überblick über die Irrungen und Wirrungen des deutschen<br />
Konzernrechts bei Döser, AG 2003, 406ff. Bezeichnend ist,<br />
falls eine rechtspolitische Position des Dritten Reichs<br />
umgesetzt. 89 Der offenbar allgemeine Beifall des<br />
Schrifttums hierzu ist bemerkenswert. 90<br />
III. Bilanz<br />
Die Genese des Kapitalschutzrechts zeigt, warum seine<br />
Lösungsansätze und seine Ziele nicht zusammen passen.<br />
Gläubigerschutz ist nicht sein ursprünglicher<br />
Zweck. Letztlich liegt dem Kapitalschutzrecht die romantische<br />
Sehnsucht nach der guten alten Zeit der ehrbaren<br />
Kaufleute und ein tiefes Misstrauen gegen die juristische<br />
Person zugrunde. Haftungsbegrenzung wird<br />
im Grunde als etwas gegen das Gemeinwohl Gerichtetes,<br />
moralisch Verwerfliches begriffen.<br />
Daher stellt das jetzige Kapitalschutzrecht dem Individualgläubiger<br />
auch keine belastbaren subjektiven Rechte<br />
zur Verfügung. 91 Gläubigerschutz ist allenfalls sein<br />
Rechtsreflex, erkauft um den Preis erheblicher Transaktionskosten<br />
bei Gründung und laufender Beratung sowie<br />
deutlicher Senkung der Effektivität des Insolvenzrechts<br />
durch ökonomische Prämierung der masselosen<br />
Insolvenz. Genügt solch ein Recht überhaupt noch den<br />
verfassungsrechtlichen Anforderungen der Geeignetheit,<br />
Erforderlichkeit und Proportionalität eines Eingriffs<br />
in die allgemeine Handlungsfreiheit und die Freiheit<br />
der Berufsausübung? Mit dem übersteigerten Gemeinwohlbezug<br />
hat sich das Kapitalschutzrecht jedenfalls<br />
politisch-ideologisch übernommen.<br />
Unser Kapitalgesellschaftsrecht ist, das zeigt der historische<br />
Rückblick, bis tief in seine ideologischen<br />
Grundlagen hinein ein Anti-Kapitalgesellschaftsrecht.<br />
Im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland<br />
hier auf einem Sonderweg. 92 Dass die Sozialisierung<br />
von Verlusten bei Privatisierung von Gewinnen im<br />
Grundsatz dem Gemeinwohl dient, da sie das unternehmerische<br />
Wagnis als wesentlichen Motor der Innovation<br />
dass Haas (Fn.10), S. E 83-E 86 nur die §§ 66 ff. GmbH, darunter<br />
den im Internet-Zeitalter etwas verzopften § 73 Abs. 1<br />
GmbHG als analog anzuwendende Anspruchsgrundlagen<br />
nennt.<br />
89 Siehe Thiessen (Fn.37), S. 480 unter Hinweis auf Justizstaatssekretär<br />
Schlegelberger, Die Handelsgesellschaften im<br />
Spiegel der neuen Rechtsauffassung. Soziale Praxis 1939,<br />
Sp.5.<br />
90 Siehe etwa Huber/Habersack in Lutter (Hrsg), Kapital in Europa,<br />
ZGR Sonderband 17, 2006, S. 370 (410 f.); K. Schmidt,<br />
GmbHR 2005, 797 (806); Grunewald/Noack, GmbHR 2005,<br />
189 (194); Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1460 f.);<br />
Römermann, GmbHR 2006, 673 (677 f.), Haas (Fn.10), E<br />
64-E 65, E 147.<br />
91 Dies räumt (beiläufig) auch Haas ein (Fn.10, S. E 57 f.), wonach<br />
das Kapitalersatzrecht die „Gläubigergesamtheit“<br />
schützen soll (also gerade nicht den Individualgläubiger).<br />
Die Gläubigergesamtheit aber ist eine positivrechtlich nicht<br />
existente Kategorie und damit kein tauglicher Träger subjektiver<br />
Rechte.<br />
92 Zwar gibt es im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht die<br />
equitable subordination nach der Deep Rock Doctrine (Taylor<br />
v. Standard Gas & Elec. Co. 306 US 307 (1939), diese ist<br />
jedoch an sehr enge Voraussetzungen geknüpft (ähnlich wie<br />
piercing the corporate veil). Im Vereinigten Königreich ist<br />
die equitable subordination nicht bekannt. In Kontinental-
Heckschen<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 381<br />
MoMiG<br />
prämiert, 93 ist in Deutschland allenfalls ein Lippenbekenntnis.<br />
Ebenso wenig wird die Frage gestellt, ob die<br />
allgemeine Handlungsfreiheit nicht auch für das Wie<br />
der Gesellschaftsfinanzierung94 gilt und daher das gesamte<br />
Eigenkapitalersatzrecht unter verfassungsrechtlichem<br />
Rechtfertigungsdruck steht.<br />
Erforderlich ist daher eine Reform des Kapitalschutzrechts<br />
an Haupt und Gliedern, seine vollständige Neukonzeption.<br />
Es muss verhindert werden, dass erneut in<br />
neoidealistischem „Erkennen“ angeblicher vorgesetzlicher<br />
Grundprinzipien die lex scripta in ihrem Anwendungsbereich<br />
marginalisiert wird.<br />
Lösungsansätze für eine grundlegende Reform sind in<br />
der deutschen Rechtsordnung durchaus vorhanden. Es<br />
europa findet eine Subordinierung von Gesellschafterdarlehen<br />
statt in Österreich, Dänemark, Italien, Polen, Portugal<br />
und Slowenien, dort jeweils unter enger gefassten Voraussetzungen.<br />
Die Weiterungen auf Nutzungseinlagen etc. sind<br />
nicht bekannt (vgl. etwa §§ 1, 3, 15 des österreichischen Eigenkapitalersatz-Gesetzes).<br />
Hierzu van Hulle/Gesell, European<br />
Corporate Law, 2006, bei den jeweiligen Länderberichten.<br />
Zu Italien jetzt auch Barth, Die Reform des Rechts der<br />
italienischen GmbH, MittBayNot, 2006, 1 (5, 6). Für das<br />
Recht der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung konzediert<br />
dies auch Haas (Fn.10), S. E 70-E 72, der aber mit<br />
Teilen des übrigen deutschen Schrifttums neben den gänzlich<br />
anders gearteten Voraussetzungen auch den beschränkten<br />
Anwendungsbereich der equitable subordination aufgrund<br />
der geringen Zahl von Gerichtsentscheidungen („cases“)<br />
übersieht (Haas [Fn.10], S. E 65 und Fn. 316).<br />
93 Zu Recht weist auch Haas (Fn.10), S. E 13-14 auf die Grenzen<br />
sinnvollen Gläubigerschutzes hin.<br />
94 Zur statt dessen geführten Diskussion um „Finanzierungsfolgenverantwortung“<br />
des Gesellschafters Haas (Fn.10), S. E<br />
57-58 m.w.N.<br />
95 Kraakman/Hansmann in Kraakman/Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda,<br />
The Anatomy of Corporate Law, 2004,<br />
S. 1 ff., 21 ff. und bes. 215: „By necessity, corporate law in<br />
GESELLSCHAFTSRECHT<br />
bedarf keiner legal transplants. Auf dem Boden unserer<br />
Rechtsordnung sind die potenziellen Konflikte zwischen<br />
Management und Gesellschaftern, Mehrheitsund<br />
Minderheitsgesellschaftern sowie Unternehmen<br />
und Gläubigern/Arbeitnehmern regelbar. 95 Notwendig<br />
sind zielgenauere Anspruchsgrundlagen, die auch dem<br />
Individualgläubiger eine Chance auf effektiven Rechtsschutz<br />
bieten96 und weniger Kollateralschaden anrichten.<br />
Einen entsprechenden Versuch hierzu habe ich im vergangenen<br />
Jahr zusammen mit dem bayerischen Kollegen<br />
Thomas Wachter unternommen. 97<br />
MoMiG – Ein Überblick über den aktuellen Diskussionsstand<br />
Das Bundesministerium der Justiz hat am 29.5.2006<br />
den Referentenentwurf des Gesetzes zur Modernisierung<br />
des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen<br />
(MoMiG) den Bundesressorts zur Stellungnahme<br />
zugeleitet. Mit dem Regierungsentwurf ist laut<br />
der Pressemitteilung des BMJ vom selben Tage erst<br />
Anfang 2007 zu rechnen. Das Gesetz könnte im Herbst<br />
2007/Anfang 2008 in Kraft treten. Der nachfolgende<br />
Beitrag gibt einen Überblick über den derzeitigen Diskussionsstand<br />
um den Referentenentwurf.<br />
1 Kritisch bereits zur 2005 isoliert geplanten Reduzierung i.R.d.<br />
MindestKapG Heckschen in Heckschen/Heidinger, Die GmbH<br />
in der Gestaltungspraxis, 2005, § 14 Rz. 3ff.<br />
Notar Dr. Heribert Heckschen, Dresden<br />
every jurisdiction must deal with three generic agency problems:<br />
the opportunism of managers vis-à-vis shareholders;<br />
the opportunism of controlling shareholders vis-à-vis minority<br />
shareholders; and the opportunism of the firm itself visà-vis<br />
other corporate constituencies, such as corporate creditors<br />
and employees.“<br />
96 Denkbar ist neben deliktsrechtlichen Ansätzen etwa die römisch<br />
rechtliche actio de in rem verso, deren Reste sich in<br />
§ 822 BGB wieder finden. Zur Versionsklage Windscheid,<br />
Lehrbuch des Pandektenrechts, 4.Aufl. 1875, § 483 sowie<br />
Ulp. D. 17, 3, 1, 1; Iav. D. 17, 3, 2. In ihrer ursprünglichen<br />
Form handelt es sich um die Klage des Vertragspartners, der<br />
mit dem einem Sklaven überlassenen Sondervermögen (peculium)<br />
kontrahiert hat, wenn der Sklave mit dem hieraus Erlangten<br />
seinen Herrn bereichert hat, so dass die Klage in das<br />
Sondervermögen (actio de peculio) mangels Haftungsmasse<br />
ins Leere geht. Auch die Bürgschaft mit dem peculium für<br />
den Gewalthaber (vgl. etwa heute die up-stream-Finanzierung)<br />
begründet die Versionsklage, Ulp. D. 17, 3, 10pr. Zur<br />
Entreicherung bei darlehensweiser Rückgewähr des Erlangten<br />
an das Sondervermögen (heute etwa das cash-pooling)<br />
siehe Ulp. D. 17, 3, 10, 8. Zu den weiteren Entwicklungen R.<br />
Zimmermann, The Law of Obligations, 1990, S. 878-884.<br />
97 Abrufbar unter www.gmbhr.de/volltext.htm.<br />
I. Beschleunigung von Unternehmensgründungen<br />
Ein Kernanliegen der GmbH-Novelle ist die Erleichterung<br />
und Beschleunigung von Unternehmensgründungen.<br />
1. Erleichterung der Kapitalaufbringung und der<br />
Übertragung von Geschäftsanteilen<br />
a) Herabsetzung des Mindeststammkapitals<br />
Das Mindeststammkapital der GmbH soll von bisher<br />
25.000 . auf 10.000 . herabgesetzt werden. 1 Von dem<br />
Mindeststammkapital muss die Hälfte, also nur noch<br />
ein Betrag von 5.000 ., vor der Eintragung aufgebracht<br />
werden.
Heckschen<br />
382 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
MoMiG<br />
Als Anpassung an die Praxiserfordernisse wird die beabsichtigte<br />
Senkung der Mindeststammkapitalziffer<br />
teilweise begrüßt. 2 Die Mehrzahl der Neugründungen<br />
sind nämlich nicht mehr Produktionsunternehmen, sondern<br />
Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor (über<br />
85%), die unter Umständen mit relativ geringem Startkapital<br />
gegründet werden könnten. 3<br />
Ob sich allerdings derjenige, der kein Mindestkapital<br />
braucht oder jedenfalls meint, keines zu brauchen, durch<br />
die Herabsetzung des Betrags wirklich dazu animieren<br />
lässt, nun die GmbH zu wählen statt die Ltd., ist zweifelhaft.<br />
4 Die Erfahrung des französischen Gesetzgebers mit<br />
der Ein-Euro-S.A.R.L. sollte aber gezeigt haben, dass die<br />
faktische Abschaffung des Mindestkapitals 5 auch das<br />
Ansehen einer Rechtsform weiter schwächen kann und<br />
nicht zwingend zu einem erhofften Boom an Unternehmensgründungen<br />
führen muss. 6 Es ist weiter stark zu bezweifeln,<br />
dass jedwede seriös betriebene unternehmerische<br />
Aktivität ohne einen Kapitalstock von mindestens<br />
12.500 . Aussicht auf Erfolg hat. Auch der Dienstleister<br />
braucht ein Minimum an Betriebsmitteln, die er entweder<br />
anschaffen muss oder im Fall des Leasings mit Kapital zu<br />
besichern hat. Es ist bei einer Aufgabe/Reduzierung des<br />
Mindestkapitalsystems mit einer erhöhten Zahl an unterkapitalisierten<br />
GmbHs zu rechnen. 7<br />
Im Ergebnis ist nicht nur der Forderung nach Abschaffung<br />
des Mindestkapitals, sondern sogar der Forderung<br />
nach einer Herabsetzung überhaupt, eine Absage zu erteilen.<br />
8 Ohne Aufbringung eines nennenswerten Mindestkapitals<br />
geht vielen Gesellschaften bereits in der risikoträchtigen<br />
Startphase die Liquidität aus, da es an einem<br />
Verlustpuffer fehlt. 9 Im Interesse einer gewissen Seriosi-<br />
2 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458).<br />
3 Vgl. Begr. RefE S. 38. Der Deutsche Notarverein (Schreiben<br />
v. 22.9.2006, S. 8) ist der Ansicht, dass diesem Umstand bereits<br />
durch die inflationsbedingte faktische Halbierung des<br />
Mindestkapitals von 1981 Rechnung getragen wurde. Unternehmen<br />
mit höherem Kapitalbedarf werden auch in Zukunft<br />
gut beraten sein, schon – wie bisher – bei der Gründung ein<br />
höheres Kapital zu zeichnen.<br />
4 Römermann, GmbHR 2006, 673 (675). Krit. zur Absenkung<br />
des Mindestkapitals auch Priester in Die GmbH-Reform in<br />
der Diskussion, 2006, S. 1 (5ff.). Den entscheidenden Vorteil<br />
der Ltd. sehen Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458)<br />
im gänzlichen Fehlen von Kapitalerfordernissen.<br />
5 So die Forderungen von Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322).<br />
6SoBreitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462), die zugleich<br />
den Kosten- und Zeitvorteil im Hinblick auf das Erfordernis<br />
der Errichtung einer Zweigniederlassung relativieren.<br />
7 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S. 4; auch Römermann, GmbHR 2006, 673 (675)<br />
geht davon aus, dass die Haftungsfigur „persönliche Haftung<br />
der Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt sog. materieller<br />
Unterkapitalisierung“ an Bedeutung gewinnen könnte; vgl.<br />
hierzu auch Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1023).<br />
8 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen vom<br />
20.6.2005 gegenüber dem Sächsischen Staatsministerium der<br />
Justiz, Az.: 6F07-TB32. Entscheidend stellte die Notarkammer<br />
auf eine Analyse der Creditreform ab, in deren Rahmen ca.<br />
100000 GmbHs auf ihre Zahlungsweise hin untersucht wurden;<br />
so auch Priester in Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006,<br />
S.1 (8) mit alternativen Vorschlägen. So hat sich auch der 66.<br />
Deutsche Juristentag 2006 in Stuttgart mit überwältigender<br />
Mehrheit entschieden, vgl. DB Heft 39, S.XXX und Noske,<br />
tätsschwelle sollte Gesetzgeber zumindest darauf achten,<br />
dass der Gründer bei Bargründungen die 10.000 . voll<br />
einzahlt bzw. die volle Einzahlung dieses Betrages versichert.<br />
10 Im Ergebnis wird die Herabsetzung des Stammkapitals<br />
allenfalls kontraproduktiv wirken. <strong>11</strong><br />
Die Forderung12 nach einer Abschaffung der notariellen<br />
Beurkundung der Gründung oder nach der Einführung<br />
sog. „Mustersatzungen“ 13 greift der Gesetzgeber zu<br />
Recht nicht auf. Die Kostenbelastung von maximal<br />
421 . 14 ist nicht nur geringfügig, ihr steht vielmehr ein<br />
Kostenvorteil für fast alle betroffenen Unternehmer entgegen.<br />
Die ansonsten erforderliche Beratung der weit<br />
überwiegend ohne eigene Rechtsabteilung tätigen Unternehmen<br />
zu Fragen der Firmierung, des Unternehmensgegenstandes,<br />
der Geschäftsführungsregelung etc.<br />
löst sicherlich weit höhere Belastungen aus.<br />
b) Bestimmbarkeit der Stammeinlage<br />
Jeder Geschäftsanteil muss künftig nur noch auf einen<br />
Betrag von mindestens einem Euro lauten. Überwiegend<br />
wird dies als ein Schritt in die richtige Richtung<br />
erachtet. 15 Durch die neue Regelung können die Beteiligungsverhältnisse<br />
bei der Gründung, bei der Anteilsübertragung<br />
und im Erbfall besser an die Bedürfnisse<br />
der Gesellschafter bzw. an die jeweiligen Erbteile angepasst<br />
werden. 16<br />
Zukünftig gewährt auch jeder Euro eines Geschäftsanteils<br />
eine Stimme, §47 Abs.2 GmbHG-E. Das Berechnen<br />
der Stimmanteile der einzelnen Gesellschafter<br />
wird einfacher und läuft völlig parallel zur Anteilsstückelung.<br />
17 Die Herabsenkung des für das Stimmrecht<br />
ZRP 2006, 232 (234); zu Vor- und Nachteilen der Herabsetzung<br />
vgl. auch Leuering, ZRP 2006, 201 (203).<br />
9 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S. 3; vgl. auch Fastrich, DStR 2006, 656 (657), der<br />
den Eigenkapitalmangel neben anderen Ursachen als Erklärung<br />
für die „Kindersterblichkeit“ der GmbH nennt.<br />
10 BDI, Diskussionspapier, abrufbar unter http://www.bdi-online.de/Dokumente/Anl2RV96-06_DiskPapierBDI_GmbH-<br />
Reform_90606.DOC, S. 20; in diese Richtung auch Bohrmann,<br />
GmbHR 2006, 1021 (1024).<br />
<strong>11</strong> Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1022) befürchtet, dass insbes.<br />
Kreditgeber über das bisherige Maß hinaus Sicherheiten<br />
von den Gesellschaftern verlangen werden.<br />
12 Vorschläge zur Reform des GmbH-Gesetzes, Hengeler/Mueller<br />
für den BDI, Feb. 2006, 1 (13), abzurufen unter:<br />
www.bdi-online.de; Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006,<br />
88 (91), für eine UGG.<br />
13 Teichmann, NJW 2006, 2444 (2449); Vorschläge zur Reform<br />
des GmbH-Gesetzes, Hengeler/Mueller für den BDI, Feb.<br />
2006, 1 (13), abzurufen unter: www.bdi-online.de; Gehb/<br />
Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (91) für eine UGG.<br />
14 Für eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 .; vgl.<br />
hierzu notar 2006, 58 (59).<br />
15 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322); so auch Seibert, ZIP<br />
2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>59) und Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer,<br />
Az.: ap – T II 32, S. 9; Flesner, NZG 2006,<br />
641 (642).<br />
16 Begr. RefE S. 38.<br />
17 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>59); Flesner, NZG 2006, 641<br />
(642) geht davon aus, dass zukünftig Fehlerquellen bei der<br />
Teilung und Übertragung von Geschäftsanteilen und die damit<br />
verbundenen Nichtigkeitsfolgen vermieden werden.
Heckschen<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 383<br />
MoMiG<br />
maßgeblichen Nennbetrages verhindert, dass Stimmen<br />
bei Teilung „verloren“ gehen. 18 Für wünschenswert<br />
wird jedoch eine terminologische Bereinigung, die mit<br />
der schwer verständlichen und künftig auch überflüssigen<br />
Unterscheidung von Stammeinlage und Geschäftsanteil<br />
aufräumt, erachtet. 19 Allerdings dürfte eine derartig<br />
aufgesplittete Anteilseignerstruktur den Beratungsbedarf<br />
eher steigern denn minimieren. 20 Die Beteiligten<br />
verlieren heute schon sehr leicht die Übersicht<br />
über die Beteiligungsverhältnisse.<br />
c) Übertragung von Geschäftsanteilen<br />
Die Übertragung von Geschäftsanteilen wird erleichtert.<br />
So soll das Verbot, bei der Errichtung der Gesellschaft<br />
mehrere Geschäftsanteile zu übernehmen, aufgehoben<br />
werden. 21 Das Erfordernis der notariellen Beurkundung<br />
nach §15 Abs.3 GmbHG bleibt. 22<br />
18 Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (207).<br />
19 Letztgenannter Begriff könnte nach Noack, DB 2006, 1475<br />
(1477) durchgängig verwendet werden; dem widersprechend<br />
Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1024).<br />
20 Durch die Beibehaltung des Formerfordernisses ist der qualifizierte<br />
Rechtsrat sichergestellt, Deutscher Notarverein, Schr.<br />
v. 22.9.2006, S. 10, der allerdings eine Nummerierung der<br />
Geschäftsanteile ähnlich wie bei § 67 Abs. 1 AktG vorschlägt.<br />
21 Was bereits bisher unmittelbar nach der Eintragung der Gesellschaft<br />
in das Handelsregister gem. § 15 Abs. 2 möglich<br />
ist, soll nun auch schon in der Gründungsphase möglich sein.<br />
22 Vgl. Begr. RefE S. 39.<br />
23 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>59); Römermann, GmbHR 2006,<br />
673 (676).<br />
24 Vgl. Ergebnis der Befragung aller deutschen Notare in<br />
Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.2006, S.24.<br />
25 Ausführlich zur Warnfunktion Zöllner in Die GmbH in der<br />
Diskussion, 2006, 175 (176 ff.); zu den Kosten vgl. notar<br />
2006, 53ff.<br />
26 BDI, Diskussionspapier, Fn. 9, S. 6 f.; Triebel/Otte, ZIP 2006,<br />
1321 (1325).<br />
27 Für eine dispositve Ausgestaltung des Formerfordernisses<br />
und der Übernahme von § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG spricht sich<br />
die Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 2006, 978<br />
(979) aus.<br />
28 Diese besondere Beratungs- und Warnfunktion der notariellen<br />
Beurkundung sieht der BDI, Diskussionspapier (Fn. 9),<br />
S. 7, nicht, da er offensichtlich den Ausnahmefall von Unternehmen<br />
mit eigener Rechtsabteilung vor Augen hat. Dem<br />
BDI geht es nach eigener Aussage um einen „Kleinkrieg“ gegen<br />
die Notarkammern (so dessen Rechtsausschussvorsitzender<br />
E. Sünner, FAZ v. 24.10.2006, S. 14). Der Sinn und<br />
Zweck dieses „Krieges“ bleibt und wird nicht nachvollziehbar.<br />
Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung wenden ohnehin<br />
nur 107 . für die Gründung beim Notar auf.<br />
29 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S. <strong>11</strong>.<br />
30 Zum Formerfordernis in Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen<br />
ausführlich Behrens in Die GmbH in der Diskussion,<br />
2006, 195ff.<br />
31 So aber Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1325).<br />
32 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S. 17.<br />
33 Zu den praktischen Folgen dieser ¾nderungen vgl. ausführlich<br />
Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1023).<br />
34 Vgl. hierzu Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer,<br />
Az.: ap – T II 32, S. <strong>11</strong>.<br />
Die kleinere Stückelung und die flexiblere Übertragung<br />
werden daher keinen Einfluss auf die Fungibilisierungsdebatte<br />
haben. 23 Angesichts der ganz überwiegend sehr<br />
geringen Kosten (zumeist unter 400 .) fürdiegroße<br />
Mehrzahl der Anteilsübertragungen 24 und der durch die<br />
Beurkundung gewährleisteten Rechtssicherheit 25 und<br />
Beweissicherung für die Gesellschaft, die Gesellschafter<br />
und auch die Gläubiger ist das Bestehenbleiben des<br />
Formerfordernisses zu begrüßen, wenn auch einige 26<br />
die Streichung des Formerfordernisses fordern. 27<br />
Die Praxis zeigt, dass die überwiegende Zahl der Anteilsübertragungen<br />
von Gesellschaften vollzogen wird,<br />
die der juristischen Beratung bedürfen. 28 Insbesondere<br />
ist der Schutz des Anteilserwerbers künftig aufgrund<br />
der Erleichterungen bei der Anteilsstückelung noch<br />
mehr als bisher durch die Beurkundung des Veräußerungsvertrags<br />
und die damit verbundene Belehrung zu<br />
realisieren. 29 Davon, dass der Zweck des Gesetzgebers,<br />
den leichteren Handel mit Geschäftsanteilen zu erschweren,<br />
im internationalen Vergleich 30 historisch<br />
überholt sei 31 , kann nicht gesprochen werden. Vielmehr<br />
erhält das deutsche Recht sogar einen Wettbewerbsvorteil<br />
gegenüber anderen Rechtsordnungen. 32 So sei der<br />
gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen eng verknüpft<br />
mit der Beurkundungsbedürftigkeit von GmbH-<br />
Anteilsübertragungen. Der Übertragungsvorgang werde<br />
in einer öffentlichen Urkunde klar und beweiskräftig<br />
festgehalten. Die vom Notar auf der Grundlage des<br />
Übertragungsvorgangs gefertigte Gesellschafterliste ist<br />
im Handelsregister – ab dem 1.1.2007 auch online –<br />
einsehbar. In England dagegen sind die Beteiligungsverhältnisse<br />
nur durch Nachfrage bei der Gesellschaft,<br />
die eine nicht mit einer vergleichbaren Richtigkeitsgewähr<br />
ausgestattete Liste führt, ermittelbar. Im Ergebnis<br />
würde die Streichung des Beurkundungserfordernisses<br />
zu Rechtsunsicherheit und ganz überwiegend zu erhöhten<br />
Transaktionskosten durch die Einschaltung anderweitiger<br />
Berater führen.<br />
Das Verbot, mehrere Teile von Geschäftsanteilen<br />
gleichzeitig an denselben Erwerber zu übertragen, soll<br />
fallen, §17 Abs.4 GmbHG-E. Da Stammeinlagen künftig<br />
auf einen beliebigen vollen Euro-Betrag lauten können,<br />
die Gesellschafter mehrere Stammeinlagen übernehmen<br />
können und auf die Teilbarkeit durch fünfzig<br />
verzichtet wird 33 , ist es konsequent, die Übertragung<br />
mehrerer Teile von Geschäftsanteilen an denselben Erwerber<br />
zuzulassen.<br />
Die Beibehaltung des Verbots der Vorratsteilung ist angesichts<br />
der Aufgabe des Prinzips der Einheitlichkeit<br />
der Gründungsbeteiligung nicht konsequent. Insbesondere<br />
für Alt-GmbHs, die die Stückelung ihrer Anteile<br />
ändern wollen, kann dies von Bedeutung sein. 34 Vor allem<br />
aber bei der Verpfändung des Anteils zu Sicherungszwecken<br />
an Kreditinstitute erweist sich das Verbot<br />
der Vorratsteilung als äußerst hinderlich und kostentreibend,<br />
da hier Hin- und Herübertragungen vorzunehmen<br />
sind.
Heckschen<br />
384 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
MoMiG<br />
2. Beschleunigung der Registereintragung<br />
a) Wegfall der Vorlage staatlicher Genehmigungen als<br />
Eintragungsvoraussetzung<br />
Um die Handelsregistereintragung von Gesellschaften<br />
zu erleichtern, deren Unternehmensgegenstand genehmigungspflichtig<br />
ist (z.B. Handwerks- und Restaurantbetriebe<br />
oder Bauträger), wird das Eintragungsverfahren<br />
von der verwaltungsrechtlichen Genehmigung abgekoppelt.<br />
Zukünftig soll anstelle der Genehmigung die<br />
Versicherung genügen, dass die Genehmigung bei der<br />
zuständigen Stelle beantragt worden ist. Wird die Erteilung<br />
der Genehmigung jedoch nicht innerhalb von drei<br />
Monaten bzw. einer vom Registergericht gesetzten anderweitigen<br />
Frist nach der Eintragung beim Registergericht<br />
nachgewiesen, ist die Gesellschaft nach dem insofern<br />
geänderten §60 Abs.1 Nr.7 GmbHG-E von Amts<br />
wegen zu löschen.<br />
Die Neuregelung ist zumindest insofern vorteilhaft, als<br />
zukünftig nicht mehr gewartet werden muss, bis die<br />
staatliche Genehmigung erteilt ist, so dass nunmehr<br />
nicht mehr der „Langsamste“ das Tempo für das Eintragungsverfahren<br />
bestimmt. 35<br />
Mehrheitlich besteht jedoch zu Recht die Forderung nach<br />
einer kompletten und ersatzlosen Streichung von §8<br />
Abs.1Nr.6GmbHG. 36 Die Neuregelung schafft keine<br />
echte Trennung zwischen Handels- und Gewerberecht. 37<br />
Eine Beschleunigung des Gründungsverfahrens ist keineswegs<br />
gewährleistet. Vielmehr besteht die Gefahr, dass<br />
auch bei solchen Gesellschaften, die überhaupt keine genehmigungsbedürftige<br />
Tätigkeit ausüben, Verzögerungen<br />
auftreten. Denn die Registergerichte verlangen nicht<br />
selten entsprechende Negativbescheinigungen von den<br />
zuständigen Stellen. Hinzu kommt, dass die geplante<br />
Neuregelung auch nicht zur Entlastung der Justiz beiträgt.<br />
Das Registergericht wird vielmehr mit neuen Kontroll-<br />
und Überwachungsaufgaben belastet. Die Einhaltung<br />
der gewerbe- und handwerksrechtlichen Vorschriften<br />
sollte ausschließlich durch die dafür zuständigen Verwaltungsbehörden<br />
erfolgen. Das Handelsregister sollte<br />
nicht die Funktion der Gewerbeaufsicht übernehmen.<br />
Man mag es dem Handelsregister oder dem Notar auferlegen,<br />
die Gewerbeaufsicht von Gründungen/Satzungsänderungen<br />
zu informieren, wenn genehmigungspflichtige<br />
Unternehmensgegenstände begründet wurden. 38<br />
Im Übrigen passt der Zuschnitt auf den in §60 Abs.1<br />
Nr.7 GmbHG geregelten Fall der Vermögenslosigkeit<br />
nicht. 39 Bei den GmbHs, die das Schicksal der Zwangslöschung<br />
wegen Nichtvorlage des Nachweises der Genehmigung<br />
erleiden, besteht ein Bedürfnis für die<br />
Durchführung eines Liquidationsverfahrens, da es sich<br />
durchweg um aktive Gesellschaften handeln wird.<br />
b) Verzicht auf Sicherheiten bei der Einmann-GmbH<br />
Bei Ein-Personen-GmbHs wird künftig auf die nach<br />
Auskunft der Praxis entbehrliche Stellung besonderer<br />
Sicherheiten verzichtet. Die Streichung der §§7 Abs.2<br />
S.3, 19 Abs.4 GmbHG ist vernünftig, da in der Praxis<br />
die bloße Existenz eines weiteren Gesellschafters, über<br />
dessen Solvenz das Registergericht nichts erfährt, schon<br />
bisher keine besondere Sicherheit für die Einzahlung<br />
des restlichen Stammkapitals bot. 40 Die Problematik<br />
stellt sich dann ohnehin nicht, wenn von vornherein die<br />
Volleinzahlung des Stammkapitals gefordert wird.<br />
c) Verzicht auf Kostenvorschuss<br />
Zu Recht wird gefordert, dass bei der Ersteintragung<br />
kein Kostenvorschuss mehr verlangt werden darf. Die<br />
geringfügigen Eintragungskosten rechtfertigen die erhebliche<br />
zeitliche Verzögerung des Gründungsvorgangs<br />
nicht. Zumindest sollte ausdrücklich festgelegt werden,<br />
dass ein Kostenvorschuss nur in begründeten Einzelfällen<br />
(z.B. bei offen stehenden Forderungen gegen die betroffenen<br />
Gesellschafter/Gründer) verlangt werden darf.<br />
II. Erhöhung der Attraktivität der GmbH als<br />
Rechtsform<br />
1. Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland<br />
Durch Aufhebung von §4a Abs.2 GmbHG soll es deutschen<br />
Gesellschaften zukünftig ermöglicht werden, einen<br />
Verwaltungssitz zu wählen, der nicht notwendig<br />
mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Dieser Verwaltungssitz<br />
kann auch im Ausland liegen. 41<br />
Die Gesetzesänderung schafft damit gleiche Ausgangsbedingungen<br />
gegenüber vergleichbaren Auslandsgesellschaften42<br />
, was angesichts der EuGH-Rechtsprechung43 auch dringend geboten ist. 44 Zu bedenken ist aber, dass<br />
35 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458).<br />
36 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />
2F07-TB32, S.3f.; Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457<br />
(1458); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322); Wachter,<br />
GmbHR 2006, 793 (795); vgl. auch Wachter in Die GmbH in<br />
der Diskussion, 2006, 55 (73ff.).<br />
37 Ausführlich hierzu Wachter, GmbHR 2006, 793 (795); Entwurf<br />
der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />
2F07-TB32, S. 3.<br />
38 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />
2F07-TB32, S. 4.<br />
39 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S.6; Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.<br />
2006, S. 18.<br />
40 Römermann, GmbHR 2006, 673 (675). Der Gedanke, dass<br />
zwei Gründer stets zuverlässiger für die ausstehenden Einlagen<br />
haften als einer, hält Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>64)<br />
ohnehin für eine archaisch anmutende Zählung nach Köpfen.<br />
Warum das Kapitalaufbringungsrisiko bei einer Einpersonen-<br />
Gründung größer sein soll als bei einer Mehrpersonen-Gründung,<br />
leuchtet auch der Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt,<br />
GmbHR 2006, 978 (979 f.) nicht ein.<br />
41 Im Einklang mit dem BDI, Fn. 9, S. 18 hält es Wulfetange,<br />
BB-Special 7/2006, 19 (21) für wünschenswert, auch die<br />
Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland gesetzlich zu ermöglichen;<br />
allgemein zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung<br />
nach derzeitigem Recht vgl. Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter,<br />
GmbHG, 2005, § 4a Rz. 8.<br />
42 Vgl. Begr. RefE S. 37.<br />
43 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), v. 5.<strong>11</strong>.2002 –<br />
Rs. C-208/00 (Überseering), v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire<br />
Art); vgl. dazu Heckschen in Heckschen/Heidinger, Die<br />
GmbH in der Gestaltungspraxis, 2005, § 12 Rz. 12ff. sowie<br />
Heckschen in Widmann/Mayer, UmwR, § 1 Rz. 163ff.<br />
44 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326).
Heckschen<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 385<br />
MoMiG<br />
die hier zu Lande registrierte GmbH zwar in den EU-/<br />
EWR- 45 Staaten aufgrund Art.43, 48 EGV Anerkennung<br />
findet. Auch in Partnerstaaten, mit denen Staatsverträge<br />
46 existieren, die die gegenseitige Anerkennung<br />
regeln, kann die inländische GmbH tätig werden. Ob<br />
die GmbH allerdings in Drittstaaten Anerkennung finden<br />
wird, ist abhängig von deren internationalem Privatrecht.<br />
Folgt der Drittsaat nicht der Gründungstheorie,<br />
sondern der Sitztheorie, so ist die Akzeptanz unserer<br />
Kapitalgesellschaft, deren Betrieb und Verwaltung in<br />
diesem Staat liegt, sehr fraglich. 47<br />
2. Mehr Transparenz und gutgläubiger Erwerb bei<br />
Gesellschaftsanteilen<br />
a) Gesellschafterliste als Anknüpfungspunkt<br />
Künftig soll – durch eine ¾nderung des §16 GmbHG48 – im Verhältnis zur GmbH nur derjenige als Gesellschafter<br />
gelten, der in der zum Handelsregister eingereichten<br />
Gesellschafterliste eingetragen ist. Dabei ist zu<br />
berücksichtigen, dass dem allgemeinen Anliegen,<br />
Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der<br />
GmbH zu schaffen49 , schon dadurch eine Grenze ge-<br />
45 Die EuGH-Rechtsprechung gilt auch im Verhältnis zu EWR-<br />
Staaten, vgl. OLG Frankfurt/M. v. 28.5.2003 – 23 U 35/02,<br />
IPRax 2004, 56.<br />
46 Nach Art. XXXV des deutsch-amerikanischen Freundschafts-,<br />
Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.1945<br />
(BGBl. II 1956, 487f.) gelten Gesellschaften, die gemäß den<br />
Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils<br />
in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaft dieses Vertragsteils<br />
und werden im Gebiet des anderen Vertragsteils<br />
anerkannt; vgl. hierzu auch Bungert, DB 2003, 1043 ff.<br />
47 Noack, DB 2006, 1475 (1479); ein Vorschlag zur Neuformulierung<br />
statt der Aufhebung von § 4a Abs. 2 findet sich in der<br />
Stellungnahme der Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt,<br />
GmbHR 2006, 978 (979).<br />
48 Angelehnt an das Regelungsmuster des § 67 Abs. 2 AktG.<br />
49 Vgl. Begr. RefE S. 48.<br />
50 Römermann, GmbHR 2006, 673 (676).<br />
51 Die Notarkammer Sachsen (Entwurf der Stellungnahme,<br />
Az.: 2F07-TB32, S. 5) schlägt deshalb vor, in § 16 Abs. 1<br />
Satz 1 die Worte „zum Handelsregister eingereicht“ zu streichen.<br />
52 Z.B. um eine Satzungsänderung vorzunehmen oder einen<br />
Geschäftsführer neu zu bestellen oder abzuberufen, vgl.<br />
Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.2006, S.23.<br />
53 Nach Ansicht von Ziemons, BB-Special 7/2006, 9 (12) sollte<br />
der Gesetzgeber besser auf Bewährtes zurückgreifen. Ziemons<br />
schlägt zum gutgläubigen Erwerb deshalb die Verbriefung<br />
der Geschäftsanteile und Verfügungen nach (leicht modifizierten)<br />
wertpapierrechtlichen Grundsätzen vor.<br />
54 Vgl. Begr. RefE S. 50.<br />
55 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1460).<br />
56 Noack, DB 2006, 1475 (1478); Rau, DStR 2006, 1892 (1899)<br />
plädiert deshalb dafür, dass die vom Notar beim Handelsregister<br />
einzureichende Gesellschafterliste auch Angaben zu<br />
Belastungen des Geschäftsanteils enthalten soll.<br />
57 Vgl. Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer,<br />
Az.: ap – T II 32, S. 14.<br />
58 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326); Schockenhoff/Höder,<br />
ZIP 2006, 1841 (1844f.); auch Rau, DStR 2006, 1892 (1897)<br />
übt Kritik an der Drei-Jahres-Frist.<br />
59 Müller, GmbHR 2006, 953 (957 f.) mit einem entsprechenden<br />
Formulierungsvorschlag zu § 16 Abs. 3 GmbHG.<br />
setzt wird, dass Treuhandverhältnisse weiterhin möglich<br />
sind. Derjenige, der in die Liste eingetragen ist, ist also<br />
zwar immer formeller Inhaber des Anteils, aber hinter<br />
ihm kann durchaus wirtschaftlich ein Treugeber stehen,<br />
der Weisungen erteilt. 50<br />
Die Wirksamkeit der Übertragung ist – abgesehen vom<br />
neu zu regelnden Fall des gutgläubigen Erwerbs – aber<br />
auch weiterhin unabhängig von der Eintragung in die Gesellschafterliste.<br />
Dass dem Neugesellschafter jedoch<br />
ohne die Eintragung die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte<br />
verwehrt bleibt, wird für wenig praktikabel<br />
erachtet. 51 Bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen ist<br />
nämlich vielfach gewollt, dass der in die Gesellschaft eintretende<br />
Gesellschafter ohne Mitwirkung des Veräußerers<br />
an einer direkt im Anschluss an die Veräußerung stattfindenden<br />
Gesellschafterversammlung52 mitwirkt.<br />
b) Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen<br />
Die Gesellschafterliste dient nach dem neuen §16<br />
Abs.3 GmbHG-E als Anknüpfungspunkt für einen gutgläubigen<br />
Erwerb von Geschäftsanteilen und ermöglicht<br />
diesen damit. 53 Wer einen Geschäftsanteil erwirbt,<br />
soll künftig darauf vertrauen dürfen, dass die in der Gesellschafterliste<br />
verzeichnete Person auch wirklich Gesellschafter<br />
ist. 54<br />
Die Probleme des Erwerbers eines GmbH-Geschäftsanteils<br />
sind damit zwar minimiert, aber nicht ausgeschaltet.<br />
Schutzlos steht der Erwerber nach wie vor dann,<br />
wenn innerhalb der letzten drei Jahre eine Zwischenübertragung<br />
erfolgte, dies insbesondere dann, wenn dies vor<br />
einem ausländischen Notar protokolliert wurde, den nicht<br />
die Pflicht zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste<br />
nach §40 Abs.2 GmbHG trifft. 55 Auch kann<br />
man sich nicht darauf verlassen, dass der Geschäftsanteil<br />
nicht belastet ist, denn die Gesellschafterliste weist keine<br />
Verpfändung, etc. aus. 56<br />
Um Auslegungsschwierigkeiten bei der Anwendung<br />
des §16 Abs.3 GmbHG-E zu verhindern, sollte auch<br />
die Gesetzesbegründung – die insoweit gegenüber dem<br />
Wortlaut verkürzt ist – verdeutlichen, dass ein gutgläubiger<br />
Erwerb auch bei nicht vorhandener, verlautbarter<br />
Existenz greift. 57<br />
Für eine noch weitergehende Ausgestaltung des gutgläubigen<br />
Erwerbs sollte die Drei-Jahres-Frist als Voraussetzung<br />
für den gutgläubigen Erwerb deutlich verkürzt<br />
werden (6 Monate/12 Monate). Eine derartige Ersetzung<br />
der Legitimationsbasis verhindert nach dieser<br />
Ansicht die schnelle Übertragbarkeit der Anteile und<br />
wird zum Schutz der wahren Berechtigten nicht für erforderlich<br />
gehalten. 58 Will man die Drei-Jahres-Frist<br />
beibehalten, so könnte der gutgläubige Erwerb nach einer<br />
weiteren Ansicht zumindest dadurch vereinfacht<br />
und klarer geregelt werden, als die Anknüpfung des<br />
Drei-Jahres-Zeitraums nicht an den Zeitpunkt der Unrichtigkeit<br />
der Eintragung, sondern an den Zeitpunkt<br />
der Eintragung erfolgen sollte. 59<br />
c) Bescheinigung des Notars<br />
Durch die vorgesehene Neufassung des §40 Abs.1<br />
Satz2 GmbH soll nun der Notar verstärkt in die Aktua-
Heckschen<br />
386 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
MoMiG<br />
lisierung der Gesellschafterliste einbezogen werden.<br />
Die nach §40 Abs.1 Satz3 GmbHG-E vorgesehene Bescheinigung<br />
des Notars60 erhöht zusätzlich die Richtigkeitsgewähr,<br />
welche neben der mehrjährigen Widerspruchsmöglichkeit<br />
den gutgläubigen Erwerb rechtfertigt.<br />
Der vom Referentenentwurf eingeschlagene Weg wird<br />
teilweise für zu kompliziert erachtet. 61 Eine Vereinfachung<br />
könnte dadurch erreicht werden, dass die Einreichung<br />
der Gesellschafterliste beim Registergericht<br />
zur Wirksamkeitsvoraussetzung für den Anteilserwerb<br />
gemacht wird. 62 Auf diese Weise wäre eine volle Transparenz<br />
des jeweiligen Gesellschafterbestandes gewährleistet.<br />
63<br />
Andererseits werden die vorgesehenen Regelungen ausdrücklich<br />
begrüßt. 64 Als Verbesserung ist zu fordern:<br />
Eine notariell erstellte Gesellschafterliste sollte auch in<br />
Fällen der Gesamtrechtsnachfolge zwingend vorgesehen<br />
werden. Die Einreichung der Gesellschafterliste<br />
sollte – etwa bei Erbfolge oder sonstiger Gesamtrechtsnachfolge65<br />
– nicht allein Aufgabe der Geschäftsführer<br />
bleiben. Eine Konzentration der Einreichung jeglicher<br />
neuer Gesellschafterlisten über den Notar sollte in Erwägung<br />
gezogen werden. Auf diese Weise würde in der<br />
Mehrzahl der Fallkonstellationen ein Nebeneinander<br />
vermieden. Soweit die ¾nderung im Gesellschafterbestand<br />
nicht aufgrund einer notariellen Urkunde erfolgt<br />
(Gesamtrechtsnachfolge, Einziehung etc.), würde<br />
nicht nur eine Konzentration auf eine Stelle für alle Einreichungen<br />
bewirkt. Auf entsprechende Nachfrage wird<br />
der Notar auch „Fehlmeldungen“ entgegenwirken.<br />
Hinzu kommen sollte zudem eine Klarstellung dahingehend<br />
erfolgen, dass eine Pflicht des Notars zur Einreichung<br />
der Gesellschafterliste unabhängig davon besteht,<br />
ob vorher eine Bestätigung hinsichtlich der Richtigkeit<br />
der Liste von den Geschäftsführern eingeholt<br />
worden ist. 66 Würde dann auch noch klargestellt werden,<br />
dass in sämtlichen Fällen der Mitwirkung des Notars<br />
der Geschäftsführer alternativ keine Liste einreichen<br />
kann67 , wäre durch eine genaue Abgrenzung der<br />
Verantwortungsbereiche die Rechtssicherheit erhöht. 68<br />
Die Einreichungspflicht sollte bereits dann bestehen,<br />
wenn die Anteilsübertragung wirksam geworden ist69 ,<br />
und zwar unbeschadet des möglichen späteren Eintritts<br />
auflösender Bedingungen oder der Auslösung von<br />
Rückübertragungsrechten. Zugleich müsse klargestellt<br />
werden, dass sein Pflichtenkreis mit Einreichung der<br />
Liste zum Handelsregister endet. 70<br />
3. Sicherung des Cash-Pooling<br />
Die Ergänzung des §30 Abs.1 GmbHG durch einen<br />
zweiten Satz soll das bei der Konzernfinanzierung international<br />
gebräuchliche Cash-Pooling71 sichern und auf<br />
eine verlässliche Rechtsgrundlage stellen. 72<br />
Dieses Vorhaben mag für den Bereich des §30<br />
GmbHG, also für die Kapitalerhaltung, im Grundsatz<br />
gewisse Sympathien auslösen. Zu bedenken73 ist jedoch,<br />
dass noch nicht viel gewonnen ist, selbst wenn<br />
Vorkehrungen getroffen wurden, um eine Bonitätsverschlechterung<br />
zuverlässig und rechtzeitig zu erkennen,<br />
und der Kredit kurzfristig kündbar ist. Gerade dann<br />
nämlich, wenn eine Bonitätsverschlechterung eintritt,<br />
wird das herrschende Unternehmen oft nicht bereit sein,<br />
den Kredit zurückzuführen, und entsprechenden Druck<br />
auf die Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder der<br />
abhängigen Gesellschaften bis hin zu deren Abberufung<br />
ausüben. 74 Auch künftig wird somit bei einem physischen<br />
Cash Pooling insbesondere darauf zu achten sein,<br />
dass eine Kreditgewährung aus dem Stammkapital entweder<br />
ausgeschlossen ist bzw. nur erfolgt, wenn entweder<br />
die jederzeitige Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft<br />
der darlehensnehmenden Gesellschaft nachweislich<br />
zweifelsfrei oder der Rückzahlungsanspruch hinreichend<br />
besichert ist.<br />
Hinsichtlich der neuen Formulierung „im Interesse der<br />
Gesellschaft“ 75 wird vor einer Fortsetzung der unergiebigen<br />
Diskussion über das Gesellschafts- bzw. über das<br />
Unternehmensinteresse gewarnt. 76 Die Prüfung, ob die<br />
60 Angelehnt an die bereits bisher übliche Bescheinigung nach<br />
§ 54 GmbHG.<br />
61 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1460); Rau, DStR<br />
2006, 1892 (1897) hält die Einführung eines Gesellschafterregisters<br />
für überzeugender und konsequenter.<br />
62 So auch Flesner, NZG 2006, 641 (643).<br />
63 Insbesondere wenn ab 2007 die Gesellschafterlisten über das<br />
Internet abgerufen werden können.<br />
64 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />
2F07-TB32, S. 6.<br />
65 Der Notar als neutrale Person, die mit hoheitlichen Befugnissen<br />
ausgestattet und juristisch auf hohem Niveau umfassend<br />
ausgebildet ist, wäre hier in der Lage, eine verbindliche Erklärung<br />
über die Eigentumssituation von Geschäftsanteilen<br />
abzugeben.<br />
66 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S. 19.<br />
67 So auch die Forderung von Flesner, NZG 2006, 641 (643),<br />
der auch auf den geringeren Verwaltungsaufwand bei Einreichung<br />
der Liste durch eine mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete<br />
Person hinweist.<br />
68 Für eine klare Regelung spricht sich auch Ziemons, BB-Special<br />
7/2006, 9 (13) aus.<br />
69 Hängt der Anteilsübergang von unternehmensinternen Bedingungen<br />
ab, so raten Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841<br />
(1846), mit einem sog. „closing-memorandum“ zu arbeiten.<br />
70 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S. 20.<br />
71 Cash-Pooling ist ein Instrument zum Liquiditätsausgleich<br />
zwischen den Unternehmensteilen im Konzern. Dazu werden<br />
Mittel von den Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft<br />
zu einem gemeinsamen Cash-Management geleitet.<br />
Im Gegenzug erhalten die Tochtergesellschaften Rückzahlungsansprüche<br />
gegen die Muttergesellschaft.<br />
72 Die Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln auf das Cash-<br />
Pooling kann abhängig von ihrer Interpretation international<br />
tätige Konzerne vor erhebliche praktische Schwierigkeiten<br />
stellen, was u.a. in der Folge der neueren Rechtsprechung<br />
des BGH v. 24.<strong>11</strong>.2003 – II ZR 171/01 deutlich wurde.<br />
73 Burgard, AG 2006, 527 (533).<br />
74 Ein Risiko, das bei einer Kreditgewährung an konzernfremde<br />
Dritte sicherlich nicht besteht.<br />
75 Der Deutsche Notarverein, Schreiben v. 22.9.2006, S. 14,<br />
hält das Interesse der Unternehmensgruppe für maßgeblich.<br />
76 Noack, DB 2006, 1475 (1482), der allerdings andererseits<br />
auch keine brauchbare Alternative zum „Interesse der Gesellschaft“<br />
sieht. Eine Differenzierung nach den Laufzeiten<br />
der Darlehen wäre kaum sachgerecht. Die Schaffung einer
Heckschen<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 387<br />
MoMiG<br />
Vorleistung im Interesse der Gesellschaft liegt, hat sich<br />
deshalb an einem Bündel von Kriterien – wie sie die<br />
MoMiG-Begründung nennt 77 – zu orientieren. Wie die<br />
Praxis der – im Regelfall ja sehr stark am Gläubigerschutz<br />
argumentierenden – Gerichte (insbes. des BGH)<br />
dieses Merkmal anwenden wird, insbesondere, ob es<br />
tatsächlich in allen Fällen das sog. Cash Pooling bejaht,<br />
bleibt abzuwarten. 78<br />
Diejenigen, die ohnehin für eine Abschaffung des Mindeststammkapitals<br />
der GmbH plädieren, wollen auch<br />
die nach ihrer Ansicht unnötig komplexen Regelungen<br />
zur Erhaltung des eingetragenen Stammkapitals vollständig<br />
modifizieren. 79 Danach und vor dem Hintergrund<br />
der Internationalisierung der Rechnungslegung<br />
stehe das gesamte Kapitalerhaltungsrecht einschließlich<br />
der Ausschüttungsbeschränkungen nach handelsbilanziellen<br />
Größen auf dem Prüfstand. Für die Zulässigkeit<br />
von Ausschüttungen wird die Einführung einer Solvenzprüfung<br />
nach amerikanischem Vorbild vorgeschlagen.<br />
Situative Ausschüttungssperren sollten die gelten-<br />
umfänglichen Sonderregelung ausgerechnet für das Liquiditätsmanagement<br />
im Konzern vertrage sich nicht mit dem<br />
Grundsatz einfacher Gesetzesfassung. Die Verwendung des<br />
Interessen-Begriffs hält Schäfer, BB-Spezial 7/2006, 5 (8) im<br />
Ansatz nicht für verkehrt.<br />
77 Als Interessen-Indiz kann gewertet werden, dass<br />
– der Kredit einem Drittvergleich standhält, er also angemessen<br />
verzinst ist und auch hinsichtlich der sonstigen Bedingungen<br />
im üblichen Rahmen liegt,<br />
– eine Stundung im Rahmen kaufmännisch üblicher Zahlungsziele<br />
liegt,<br />
– der Anspruch auf die Gegenleistung oder die Darlehensrückzahlung<br />
bilanziell vollwertig ist (§ 253 HGB),<br />
– die Kreditgewährung kurzfristig kündbar ist,<br />
– Vorkehrungen getroffen sind, die es dem Geschäftsführer<br />
der Tochtergesellschaft möglich machen, eine wesentliche<br />
Verschlechterung der Bonität des Schuldners frühzeitig zu<br />
erkennen.<br />
78 Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (208); so auch Priester, ZIP<br />
2006, 1557 (1558 f).<br />
79 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1323), wenn sie auch davon<br />
ausgehen, dass die Neuregelung das in der Praxis verbreitete<br />
Cash-Pooling zumindest erleichtern werde.<br />
80 Vgl. bereits Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (208). Auch der<br />
Bundesnotarkammer (Entwurf der Stellungnahme, Az.: ap –<br />
T II 32, S. 23) erscheint die Annahme des Gesetzesentwurfs,<br />
die Einschränkungen der §§30 Abs. 1 Satz2 GmbHG, 57<br />
Abs. 1 Satz 2 AktG könnten ohne weiteres auch auf den Bereich<br />
der Kapitalaufbringung übertragen werden, als zu optimistisch.<br />
Zu den praktischen Vorteilen einer derartigen Übertragung<br />
vgl. ausführlich Bohrmann, GmbHR 2006, 1021<br />
(1025).<br />
81 Priester, ZIP 2006, 1557 (1559).<br />
82 Priester, ZIP 2006, 1557 (1560).<br />
83 Ausführliche Überlegungen hierzu bei K. Schmidt, ZIP 2006,<br />
1925ff.; vgl. auch Bayer/Groff, DStR 2006, 1654 (1656ff.);<br />
Schiffer, BB-Spezial 7/2006, 14ff.<br />
84 So Seibert auf dem 66. Deutschen Juristentag in Stuttgart am<br />
20.9.2006.<br />
85 Vgl. hierzu Römermann, GmbHR 2006, 673 (678).<br />
86 In der Vergangenheit war die genaue Zuordnung eigentlich<br />
belanglos, waren doch Insolvenz- wie Gesellschaftsrecht<br />
ohne weiteres auf alle in Deutschland aktiven Unternehmen<br />
anwendbar. Ob die rechtsformübergreifende Gleichbehandlung<br />
gelingen wird, erscheint dem Deutschen Notarverein<br />
(Schreiben v. 22.9.2006, S. 16) dennoch fraglich.<br />
den Vorschriften der §§30, 31 GmbHG ersetzen und<br />
künftig Grundlage für jegliche kapitalherabsetzende<br />
Maßnahme sein. Die zukunfts- und liquiditätsorientierten<br />
Solvenztests seien danach nicht nur wirtschaftlich<br />
sinnvoller, sondern auch zum Schutz der Gläubiger besser<br />
geeignet als die geltenden Kapitalerhaltungsregeln.<br />
Eine ganz andere Frage ist, inwieweit der vorgeschlagene<br />
Ansatz für die Kapitalaufbringung trägt. 80 Die abweichenden<br />
Grundsätze der Kapitalaufbringung, insbesondere<br />
die bei ihr verlangte Publizität und Wertkontrolle,<br />
lassen eine Übertragung der Interessenprüfung<br />
von der Kapitalerhaltungsvorschrift des §30 Abs.1<br />
Satz2 GmbHG auf die Kapitalaufbringungsregel, wie<br />
sie die Entwurfsbegründung vorsieht, nicht zu. Die<br />
zwingenden Erfordernisse der Kapitalaufbringung sind<br />
einem etwaigen Gesellschaftsinteresse an Einlagezahlungen<br />
in den Cash-Pool vorrangig. Erforderlich wäre<br />
vielmehr eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift. 81<br />
Die Kapitalaufbringung betrifft seltene, punktuelle<br />
Maßnahmen, so dass strengere Anforderungen nicht<br />
nur gerechtfertigt, sondern auch zumutbar erscheinen<br />
(Sonderkonto außerhalb des Cash-Pools oder offene<br />
Sacheinlage). Die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung<br />
sollte deshalb nicht für – geringfügige – technische Erleichterungen<br />
im Bereich der Konzernfinanzierung geopfert<br />
werden. Eine gesetzliche Regelung erscheint im<br />
Ergebnis nicht wünschenswert. 82<br />
4. Neues Eigenkapitalersatzrecht<br />
Die sehr komplex gewordene Materie des Eigenkapitalersatzrechts<br />
(§§30ff. GmbHG) wird erheblich vereinfacht<br />
und grundlegend dereguliert. 83 Die Rechtsfigur<br />
des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens<br />
wird aufgegeben. Die Rechtsprechungs- und Gesetzesregeln<br />
über die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen<br />
im Insolvenzrecht werden neu geordnet. Hierzu<br />
werden §§32a, 32b GmbHG aufgehoben und §§39,<br />
135 InsO geändert. Das Recht wird hier ohne jeden<br />
Zweifel vereinfacht. Im Einzelfall können dadurch Härten<br />
entstehen. Da alle Zahlungen innerhalb eines Jahres<br />
vor Insolvenzeröffnung erfasst werden, sind auch solche<br />
betroffen, die ohne jeden Zweifel außerhalb einer Krise<br />
erfolgen. Der Vertreter des Bundesjusitzministeriums<br />
verweist darauf, dass auch einmal die Einzelfallgerechtigkeit<br />
hinter der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit<br />
zurückstehen müsse. 84 Dies erscheint der deutschen<br />
Rechtsanwendung eher fremd, ist aber ein durchaus beachtenswerter<br />
Ansatz. Konsequenzen hätte dies insbesondere<br />
für Unternehmensverkäufe. Man wird dort<br />
zukünftig darauf achten müssen, dass Gesellschafterdarlehen<br />
nicht vor oder anlässlich des Verkaufs zurückgezahlt<br />
werden, sondern stehen bleiben und vom Käufer<br />
bezahlt werden.<br />
Hintergrund der Neuregelung85 ist die Anerkennung der<br />
Ltd. im Nachgang zur „Inspire Art“-Rechtsprechung<br />
des EuGH. 86 Das Insolvenzrecht als Teil des Verfahrensrechts<br />
ist im Gegensatz zum Gesellschaftsrecht auf<br />
alle in seinem Geltungsbereich anzutreffenden Unternehmen<br />
gleich welcher Rechtsform anwendbar, auch<br />
auf die Ltd. Eine Bestimmung des GmbH-Gesetzes
Heckschen<br />
388 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
MoMiG<br />
kann nach richtiger Ansicht durchaus dem Insolvenzrecht<br />
zuzuordnen sein, wenn die dem Rechtscharakter<br />
der Vorschrift besser entspricht, und umgekehrt.<br />
Im Zusammenhang mit der gänzlichen Abschaffung des<br />
Mindestkapitals wird von einer Ansicht hier auch die<br />
gänzliche Aufhebung der Regeln über Gesellschafterdarlehen<br />
vorgeschlagen. 87 Die Einführung der Haftung<br />
der Geschäftsführer bei Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit<br />
der Gesellschaft schütze die Gläubiger bereits<br />
hinreichend gegen Vermögensverschiebungen zwischen<br />
der Gesellschaft und den Gesellschaftern.<br />
IV. Bekämpfung von Missbräuchen<br />
Die aus der Praxis übermittelten Missbrauchsfälle im<br />
Zusammenhang mit der Rechtsform der GmbH (Firmenbestattungen)<br />
sollen durch verschiedene Maßnahmen<br />
bekämpft werden:<br />
1. Erleichterung von Zustellungen<br />
Die Rechtsverfolgung gegenüber Gesellschaften soll<br />
beschleunigt werden. Das setzt voraus, dass die Gläubiger<br />
wissen, an wen sie sich wegen ihrer Ansprüche<br />
wenden können. Deshalb muss zukünftig in das Handelsregister<br />
eine zustellungsfähige Geschäftsanschrift<br />
eingetragen werden.<br />
Mehr Bürokratie sei mit dieser Regelung auch nicht<br />
verbunden. 88 Schon bisher war die Mitteilung einer Geschäftsanschrift<br />
Pflicht (§24 HRV). Die mitgeteilte Anschrift<br />
wurde aber bisher nur zu den Akten genommen<br />
und war damit auch nicht ohne weiteres online einsehbar.<br />
Sie wurde zudem selten bei späteren Anschriftenänderungen<br />
gepflegt.<br />
Zusätzlich zu der zwingenden Eintragung einer inländischen<br />
Geschäftsanschrift wird es den Gesellschaften in<br />
Zukunft gestattet sein, eine Person ins Register eintragen<br />
zu lassen, die den Gläubigern als zusätzlicher Zustellungsempfänger<br />
neben den Vertretern der Gesellschaft<br />
dient. Scheitert ein Zustellversuch aus tatsächlichen<br />
Gründen, so ist dem Gläubiger nun die Möglichkeit<br />
der öffentlichen Zustellung nach §185 Nr.2 ZPO-E<br />
eröffnet. Durch die Ergänzung des §35 Abs.1 GmbHG<br />
wird das Verfahren des Zugangs von Willenserklärungen<br />
sowie für Zustellungen an die Vertreter der Gesellschaft<br />
deutlich vereinfacht.<br />
Im Interesse des zusätzlichen Zustellungsbevollmächtigten<br />
sollte man den Empfangsbevollmächtigten in einer<br />
entsprechenden Handelsregisteranmeldung zwingend<br />
mitwirken lassen. Darüber hinaus sollte dem Zustellungsbevollmächtigten<br />
auch die Möglichkeit gegeben<br />
werden, sich durch eigene Handelsregisteranmeldung<br />
aus dem Handelsregister austragen lassen zu können.<br />
89 Das Angebot von §10 Abs.2 richte sich an seriöse<br />
Gesellschaften, die etwa ihren Rechtsanwalt als weitere<br />
ständige Empfangsperson benennen wollen. Damit<br />
kann der Gefahr einer öffentlichen Zustellung begegnet<br />
werden, die bei einer Verlegung des Geschäftslokals<br />
ohne gleichzeitige Korrektur der eingetragenen inländischen<br />
Geschäftsanschrift besteht. Hinzuweisen ist aber<br />
auch auf die Gefahr, dass die Empfangsberechtigung ei-<br />
nem redlichen Dritten gegenüber so lange als fortbestehend<br />
gilt, wie sie im Handelsregister eingetragen ist. 90<br />
Die Gesellschaft müsse in ihrem eigenen Interesse darauf<br />
achten, dass die Eintragung der Empfangsberechtigten<br />
stets richtig ist. 91<br />
Mit der Ergänzung des §35 Abs.2 GmbHG wird insbesondere<br />
dem Fall vorgebeugt, dass die Gesellschafter<br />
versuchen, durch eine Abberufung der Geschäftsführer<br />
Zustellungen und den Zugang von Erklärungen an die<br />
Gesellschaft zu vereiteln.<br />
Mit dem MoMiG-Entwurf wird das Schlupfloch für<br />
professionelle „Firmenbestatter“ 92 , die die jetzige<br />
Rechtslage ausnutzten, um ihrer Klientel das faktische<br />
Verschwinden zu ermöglichen, weitgehend geschlossen.<br />
93<br />
2. Insolvenzantragspflicht der Gesellschafter bei<br />
Führungslosigkeit der Gesellschaft<br />
Durch die ¾nderung des §64 Abs.1 GmbHG werden die<br />
Gesellschafter im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft<br />
oder bei unbekanntem Aufenthalt aller ihrer Geschäftsführer<br />
verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und<br />
Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.<br />
Die Vorschrift soll zugleich einen Anreiz für die Gesellschafter,<br />
wieder ein handlungsfähiges Vertretungsorgan<br />
zu bestellen, liefern, da sie ansonsten wie Geschäftsführer<br />
wegen Insolvenzverschleppung zivil- und strafrechtlich<br />
belangt werden können. 94 Für beachtenswert wird die<br />
Tatsache gehalten, dass der Referentenentwurf nur die tatsächliche<br />
Kenntnis des Insolvenzgrundes voraussetzt und<br />
ein Kennenmüssen grundsätzlich nicht genügen lässt. 95<br />
Wenig griffig ist allerdings die faktische Führungslosigkeit.<br />
96 Fraglich ist im Übrigen, ob die mit einer Verletzung<br />
dieser Verpflichtung verbundenen Haftungsgefahren<br />
gerechtfertigt sind, wenn es an dem Verschuldenselement<br />
der Kenntnis dieser faktischen Führungslosigkeit<br />
und damit an einem Zurechnungselement fehlt. 97<br />
3. Haftung bei „Ausplünderung“ der Gesellschaft<br />
Geschäftsführer, die Beihilfe zur Ausplünderung der<br />
Gesellschaft durch die Gesellschafter leisten und dadurch<br />
die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen,<br />
sollen – durch eine Erweiterung des sog. Zah-<br />
87 Ausführlich hierzu Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324).<br />
88 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>65).<br />
89 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />
2F07-TB32, S. 4 f.<br />
90 Noack, DB 2006, 1475 (1483).<br />
91 Wachter, GmbHR 2006, 793 (800).<br />
92 Ausführlich hierzu Haas, GmbHR 2006, 729 (735 f.).<br />
93 Noack, DB 2006, 1475 (1482).<br />
94 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>66).<br />
95 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1461). Dies begrüßt<br />
der Deutsche Notarverein (Schreiben v. 22.9.2006, S. 34)<br />
ausdrücklich, da fahrlässig begangene Delikte nicht notwendig<br />
Ausdruck genereller Ungeeignetheit seien.<br />
96 Eindringlich hierzu Noack, DB 2006, 1475 (1476).<br />
97 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />
– T II 32, S. 25 mit einem entsprechenden Formulierungsvorschlag.
Heckschen<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 389<br />
MoMiG<br />
lungsverbots in §64 GmbHG – stärker in die Pflicht genommen<br />
werden.<br />
Die Einführung einer Haftung der Gesellschafter im<br />
Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag ist gravierend.<br />
98 Die neue Regelung kann auch als Antwort auf<br />
Missbräuche bei Unternehmenskäufen durch Investoren<br />
verstanden werden, die die Gesellschaft durch Ausplünderung<br />
oder überzogene Belastungen mit Lasten für die<br />
Kaufpreisaufbringung in die Insolvenz treiben. 99 Die<br />
Vorschrift wird die Handlungsfähigkeit der in Schwierigkeiten<br />
befindlichen Gesellschaft nicht behindern,<br />
denn Geschäfte mit Dritten sind nicht betroffen. Im Vergleich<br />
zum „existenzvernichtenden Eingriff“ 100 lässt<br />
sich die Zahlungsunfähigkeit im Gegensatz zum Fehlen<br />
einer gebotenen Rücksichtnahme nach heutigem Stand<br />
der Rspr. ziemlich präzise erfassen. 101<br />
Die Frage, ob ein Ursachenzusammenhang besteht oder<br />
ob andere externe Einflüsse diesen Insolvenzgrund<br />
(überwiegend) schufen, wird oft schwer zu bestimmen<br />
sein. 102 GmbH-Geschäftsführer werden Zahlungspläne<br />
aufstellen müssen, aus denen sich ergibt, ob man sich<br />
nach dem normalerweise zu erwartenden Lauf der Dinge<br />
eine Entnahme durch Gesellschafter leisten kann<br />
(solvency test). Als problematisch dürfte sich nach dieser<br />
Ansicht auch der Begriff „Zahlung an die Gesellschafter“<br />
erweisen.<br />
Positiv zu bewerten103 ist, dass der Entwurf nicht der<br />
Versuchung erlegen ist, eine weite „wrongful trading<br />
rule“ zu bilden, die im deutschen Rechtsystem doch ein<br />
Fremdkörper wäre, obwohl sich der Referentenentwurf<br />
mit der vorgesehenen Neuregelung dem englischen System,<br />
das den Director einer Ltd. dazu verpflichtet, das<br />
Insolvenzverfahren einzuleiten, wenn eine die Gesellschaft<br />
bedrohende Situation bei ordnungsgemäßer<br />
Amtsführung erkennbar war, durchaus annähert. 104<br />
Demzufolge wird auch die Forderung laut, die Haftung<br />
des Geschäftsführers bei Abschaffung des Mindestkapitals<br />
durch eine derartige Vorschrift als alternativen<br />
Gläubigerschutzmechanismus zu ergänzen. 105<br />
98 So Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (207).<br />
99 Seibert, ZIP 2006 <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>67).<br />
100 Der entgegen seiner unglücklichen Bezeichnung eine Existenzvernichtung<br />
gerade nicht voraussetzt.<br />
101 Römermann, GmbHR 2006, 673 (681).<br />
102 Noack, DB 2006, 1475 (1479).<br />
103 So Noack, DB 2006, 1475 (1479).<br />
104 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462).<br />
105 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324).<br />
106 Wachter, GmbHR 2006, 793 (797); für eine Erweiterung<br />
spricht sich auch K. Schmidt in Die GmbH-Reform in der<br />
Diskussion, 2006, S. 143 (145 ff., 164, Leitsatz Nr.2a) aus.<br />
107 Vgl. nur Römermann, GmbHR 2006, 673 (681).<br />
108 Wachter, GmbHR 2006, 793 (799).<br />
109 Der Entwurf des FoSiG sieht zugunsten der Gesellschaft<br />
eine Schadensersatzhaftung derjenigen Gesellschafter vor,<br />
die eine nach § 6 Abs. 2 amtsunfähige Person die Geschäfte<br />
führen lassen.<br />
<strong>11</strong>0 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1325).<br />
<strong>11</strong>1 So Begr. RefE S. 42.<br />
<strong>11</strong>2 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>68).<br />
<strong>11</strong>3 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammner, Az.:<br />
ap – T II 32, S. 27.<br />
4. Erweiterung der Ausschlussgründe für<br />
Geschäftsführer<br />
Die bisherigen Ausschlussgründe für Geschäftsführer<br />
(§6 Abs.2 Satz3 GmbHG, §76 Abs.3 Satz3 AktG)<br />
werden erweitert.<br />
Grundsätzlich ist die Ausweitung des Verbotskatalogs<br />
zu begrüßen. Erstaunlich ist aber, dass der Referentenentwurf<br />
im Hinblick auf die persönliche Qualifikation<br />
der Geschäftsleiter nur sehr maßvolle Veränderungen<br />
vorschlägt. 106 Gerade das Interesse an Lauterkeit und<br />
Sicherheit des Handelsverkehrs würde eine weitergehende<br />
Verschärfung nahe legen. Selbst wenn man aus<br />
Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Disqualifizierung<br />
eines Geschäftsleiters nur dann für sachgerecht hält,<br />
wenn die Straftat mit dieser Tätigkeit in einem sachlichen<br />
Zusammenhang steht, stellt sich die berechtigte<br />
Frage, warum z.B. Straftaten nach dem Handelsgesetzbuch<br />
(§§331ff. HGB), dem Umwandlungsgesetz<br />
(§§313 bis 315 UmwG) oder dem Publizitätsgesetz<br />
(§§17ff. PublG) nicht umfasst sein sollen. Aus meiner<br />
Sicht spricht vieles dafür, auch Vermögensdelikte wie<br />
§§263ff. StGB einzubeziehen, dies jedenfalls dann,<br />
wenn dort eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr<br />
verhängt wurde. Dies knüpft an das öffentliche Recht<br />
an.<br />
Auch eine Prüfung im Hinblick auf vergleichbare ausländische<br />
Straftatbestände wäre „wünschenswert“. 107<br />
Warum sollte der Rechtsverkehr weniger schutzwürdig<br />
sein, wenn jemand wegen einer Straftat im Ausland verurteilt<br />
worden ist? Zumindest bei einer Verurteilung<br />
durch ein Gericht der Mitgliedsstaaten der EU bzw. des<br />
EWR sollte eine Disqualifizierung erfolgen. 108<br />
Wenn der Gesetzgeber eine Haftung der Gesellschafter<br />
– wie es der Entwurf des FoSiG109 vorsah – für unvereinbar<br />
mit dem Trennungsprinzip und den daraus resultierenden<br />
Grundsätzen der Haftungsbeschränkung hält,<br />
so sollte dann eine Schadensersatzhaftung der amtsunfähigen<br />
Person selbst nach dem Vorbild des englischen<br />
Company Directors Disqualification Act eingeführt<br />
werden. Eine solche Schadensersatzhaftung und<br />
ein Straftatbestand wird zur effizienten Durchsetzung<br />
der Gläubigerschutzmaßnahmen für unerlässlich gehalten.<br />
<strong>11</strong>0 Das Argument, dass sich ohnehin ein solches Tätigkeitsverbot<br />
nach Einsetzung eines Strohmanns als<br />
Geschäftsführer umgehen lasse<strong>11</strong>1 , sei danach nicht<br />
stichhaltig.<br />
5. Auswirkung auf Auslandsgesellschaften<br />
Über eine ¾nderungen im Handelsgesetzbuch (§§13ff.<br />
HGB) soll u.a. erreicht werden, dass gesetzliche Vertreter<br />
ausländischer Gesellschaften eine Zweigniederlassung<br />
im Inland insbesondere dann nicht gründen können,<br />
wenn sie eine der in den Katalogen des §76 AktG<br />
und des §6 GmbHG bezeichneten Straftaten begangen<br />
haben.<br />
Dies ist eine wichtige Klärung der Rechtslage<strong>11</strong>2 und<br />
deshalb zu begrüßen. <strong>11</strong>3 Damit wird eine missbräuchliche<br />
Ausnutzung der Unterschiede der Bestellungsvoraussetzungen<br />
in den einzelnen Mitgliedstaaten ver-
Heckschen<br />
390 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
MoMiG<br />
hindert. Da die Kontrolle der persönlichen Qualifikation<br />
der Geschäftsleiter allerdings erst bei der Eintragung einer<br />
Zweigniederlassung in Deutschland ansetzen kann,<br />
wird die Neuregelung Wirkung nur haben, wenn zukünftig<br />
mehr Ltds ihre faktisch bestehende deutsche<br />
Zweigniederlassung tatsächlich zur Eintragung im Handelsregister<br />
anmelden würden. Da das Registerrecht allerdings<br />
kaum abschreckende Sanktionen bei Nichtbeachtung<br />
der Eintragungspflicht enthalte, ist davon in<br />
absehbarer Zeit wohl nicht auszugehen. <strong>11</strong>4<br />
Ob die Einschränkung aus zwingenden Gründen des<br />
Allgemeinwohls gerechtfertigt sei und in nicht diskriminierender<br />
Weise wirke, also mit der Niederlassungsfreiheit<br />
vereinbar sein, kann letztlich dahinstehen. <strong>11</strong>5<br />
Das eigentliche Problem besteht vielmehr darin, dass<br />
die Inhabilen durchaus einen inländischen Geschäftsbetrieb<br />
errichten können<strong>11</strong>6 , es ihnen aber offenbar verwehrt<br />
sein soll, diesen Geschäftsbetrieb als Zweigniederlassung<br />
zum Handelsregister anzumelden. Besteht<br />
künftig ein solches Anmelde- bzw. ein Eintragungshindernis,<br />
läuft der mit Zwangsgeld bewehrte Anmeldungsdruck<br />
ins Leere. <strong>11</strong>7 Die Folge der vorgesehenen<br />
Regelung wäre, dass die Niederlassung nicht im Handelsregister<br />
erscheint – ohne Konsequenzen.<br />
6. Lösungen außerhalb der GmbH-Reform<br />
Vorrangig vor dem Hintergrund des – behaupteten – Erfolges<br />
ausländischer Rechtsformen in Deutschland werden<br />
neue Unternehmensformen gefordert. <strong>11</strong>8 Es wird erkannt,<br />
dass sich hier der Gläubigerschutz und das Interesse<br />
des „Jungunternehmers“ an der Gründung einer<br />
GmbH gegenüberstehen können. <strong>11</strong>9<br />
In Betracht kämen hierzu der bayerische Entwurf eines<br />
„Gesetzes zur Einführung des Kaufmannes mit beschränkter<br />
Haftung“ 120 , der Vorschlag des Bundestags-<br />
Abgeordneten Dr. Gehb für eine Unternehmensgründer-<br />
Gesellschaft (UGG) und der NRW-Entwurf eines „Gesetztes<br />
zur Vereinfachung der Gründung einer Gesellschaft<br />
mit beschränkter Haftung“. 121,122<br />
Durch die Schaffung eine „kleinen GmbH“, einer<br />
„GmbH Neu“, der man in einem eigenen Gesetz viele<br />
der Vereinfachungen zuweisen kann, die in der GmbH<br />
nicht zu verwirklichen sind, kann nach Vorstellung der<br />
Initiatoren der internationale Wettbewerb aufgenommen<br />
werden. 123 Welcher der drei benannten Wege dabei eingeschlagen<br />
werden soll, kann – insbesondere weil an<br />
der Formulierung eines UGG-Gesetzes noch gearbeitet<br />
wird – derzeit nicht gesagt werden. 124<br />
Hier sollte zunächst der Gesetzgeber sorgfältig Rechtstatsachenforschung<br />
betreiben. Es dürfte ohne weiteres<br />
möglich sein, über die Umsatzsteuerfinanzämter festzustellen,<br />
ob – der Verfasser bezweifelt dies – die Ltd.<br />
erheblichen Umsatz generiert. Die Zahl der angeblich<br />
existierenden ausländischen Rechtsträger insbesondere<br />
in Form der Ltd. sollte daraufhin untersucht werden, ob<br />
diese überhaupt nennenswerte Tätigkeiten entwickeln,<br />
überhaupt Gewerbe angemeldet haben und nicht längst<br />
ihre bis dahin minimale Geschäftstätigkeit wieder eingestellt<br />
haben. Bisher wird die Notwendigkeit für derartig<br />
neue Rechtsformen vor allem mit dem – angeblichen<br />
– Zulauf in die Rechtsform der Ltd. begründet.<br />
Der Verfasser kann in seiner Praxis diesen Bedarf nicht<br />
feststellen.<br />
V. Fazit<br />
Das MoMiG enthält in weiten Teilen eine sehr sinnvolle<br />
Modernisierung des im Wesentlichen seit über 25 Jahren<br />
nicht renovierten GmbH-Rechts. Die GmbH als<br />
Rechtsform kleinerer und mittelständischer, nicht von<br />
Rechtsabteilungen begleiteter Unternehmen wird den<br />
Bedürfnissen der Praxis angepasst und die Regeln verständlicher<br />
gestaltet. Die Tätigkeitsverbote sollten allerdings<br />
ausgeweitet und das Handelsregister nicht weiter<br />
als Gewerbeaufsicht missbraucht werden. Der Notar ist<br />
der preisgünstigste Begleiter dieser Unternehmensform,<br />
und zwar im Sinne der Gesellschaft und der Gläubiger.<br />
<strong>11</strong>4 Römermann, GmbHR 2006, 673 (681); Wachter, GmbHR<br />
2006, 793 (799).<br />
<strong>11</strong>5 Noack, DB 2006, 1475 (1483).<br />
<strong>11</strong>6 Insoweit ist die Begründung des Referentenentwurfs missverständlich.<br />
<strong>11</strong>7 Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.2006, S. 34.<br />
<strong>11</strong>8 Vgl. nur die Darstellung der vorliegenden Vorschläge v.<br />
K. Schmidt, DB 2006, 1096ff.<br />
<strong>11</strong>9 Gehb/Heckelmann, GmbHR 2006, R 349.<br />
120 Abrufbar unter http://www.justiz.bayern.de/ministerium/gesetzgebung/gesetzentwurf/.<br />
121 Abrufbar unter http://www.justiz.nrw.de/JM/justizpolitik/<br />
schwerpunkte/gmbh_recht/inhalt_gesetzentwurf/gesetzentwurf.pdf.<br />
122 Ein Überblick über die Entwürfe / den Vorschlag findet sich<br />
bei Lutter in Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006,<br />
2<strong>11</strong> (219 f.).<br />
123 Lutter in Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, 2<strong>11</strong><br />
(222).<br />
124 Lutter, BB-Spezial 7/2006, 2 (4) spricht sich für die Unternehmer-Gesellschaft<br />
aus.
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 391<br />
Von Beginn des nächsten Jahres an wird die Informationsbeschaffung<br />
über Unternehmen vereinfacht sein.<br />
Über das Internetportal www.unternehmensregister.de<br />
können alle publikationspflichtigen Daten der im Inland<br />
registrierten Unternehmen zentral abgerufen werden.<br />
Der Beitrag gibt einen ersten Überblick über die<br />
mit dem „Gesetz über elektronische Handelsregister<br />
und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister“<br />
(EHUG) eingeführten ¾nderungen im Informationszugang<br />
zu den Registern. Das EHUG wurde<br />
am 28.9.2006 vom Bundestag beschlossen (vgl. <strong>NotBZ</strong><br />
10/2006, S. IV) und nunmehr auch durch den Bundesrat<br />
gebilligt.<br />
Ein einheitliches Zugangsportal liefert künftig alle<br />
Daten über Unternehmen<br />
Wollte man sich bislang Informationen über ein Unternehmen<br />
beschaffen, mussten Angaben aus verschiedenen<br />
Quellen zusammengesucht werden. Um an einen<br />
Handelsregisterauszug zu gelangen, musste man zuvor<br />
das lokal zuständige Registergericht kennen, welches<br />
das Unternehmen führt. Kleine Unternehmen haben<br />
sich häufig grundsätzlich geweigert, ihre Bilanzen zu<br />
veröffentlichen.<br />
Künftig hat jeder Nutzer bei Eingabe einer gesuchten<br />
Gesellschaft oder bei Eingabe eines Kaufmanns im Internet<br />
einen einheitlichen Auftritt vor sich. Über das<br />
Unternehmensregister (§9 Abs.7 HGB) gelangt man zu<br />
den Daten der Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister,<br />
des elektronischen Bundesanzeigers<br />
(Rechnungslegung nach §325 HGB und deren Bekanntmachung),<br />
der Bekanntmachungen über Unternehmensinsolvenzen<br />
und zu weiteren Datensammlungen.<br />
Über die Internetseite des Unternehmensregisters<br />
sind ferner auch die im Aktionärsforum veröffentliche<br />
Eintragungen nach §127 a AktG zugänglich, Veröffentlichungen<br />
inländischer Kapitalanlage- und Investment-<br />
Aktiengesellschaften und kapitalmarkt-rechtliche Veröffentlichungen<br />
an die BaFin. In weiterer Zukunft soll<br />
hierüber auch die Einsicht in die Vereinsregister ermöglicht<br />
werden, was ab 1.1.2007 jedoch noch nicht verwirklicht<br />
sein wird.<br />
Ein solcher zentraler Zugriff auf alle Unternehmensdaten<br />
ist möglich, weil derzeit die Handels-, Partnerschafts-<br />
und Genossenschaftsregister bei den Amtsgerichten<br />
umgestellt werden von der Papierform auf<br />
elektronische Dateien. Eintragungen in den genannten<br />
Registern erfolgen nur noch auf Datenspeichern. Der<br />
Schutz des guten Glaubens knüpft an, an die dauerhafte<br />
Speicherung (Eintragung) im elektronischen Register.<br />
GESELLSCHAFTSRECHT<br />
www.unternehmensregister.de<br />
Notar Dr. Roland Suppliet, Rostock<br />
Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister<br />
werden weiterhin von den Amtsgerichten geführt. Deshalb<br />
erfolgt die Einsichtnahme und Auskunft grundsätzlich<br />
örtlich bei den jeweiligen registerführenden Amtsgerichten.<br />
§9 Abs.1 Satz4 HGB n.F. gestattet aber den<br />
Ländern auch, ein zentrales Einsichts- und Auskunftsmedium<br />
für ihre Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister<br />
zu schaffen. Der Vorläufer davon ist<br />
die Auskunft über www.handelsregister.de.<br />
Der Zugang über www.handelsregister.de ist also ein<br />
Zwitter zwischen den lokalen Registern und dem Unternehmensportal.<br />
Überwunden wird hierdurch, dass zunächst<br />
ein lokales Registergericht ausfindig gemacht<br />
werden muss; es sind darüber aber weniger Daten zugänglich<br />
als über das Unternehmensregister.<br />
Das Unternehmensregister bietet einen einheitlichen<br />
Zugang (Portal) für alle unternehmensbezogenen Daten,<br />
sofern sie veröffentlich werden müssen. Es erfolgt<br />
keine Spiegelung der Daten der anderen Sammlungen.<br />
Man gelangt vielmehr über www.unternehmensregister.de<br />
zu den in verschiedenen Publikationsmedien und<br />
Speicherorten vorhandenen Daten. Das Unternehmensregister<br />
wird von einem Betreiber betreut, den das Bundesministerium<br />
der Justiz beauftragt. Der Beliehene ist<br />
eine juristische Person des Privatrechts und hat die Stellung<br />
einer Justizbehörde des Bundes; er ist siegelführend.<br />
Die gewohnten Veröffentlichungen von Eintragungen<br />
der Registergerichte in den Tageszeitungen wird es nur<br />
noch bis Ende 2008 geben, anschließend nicht mehr.<br />
Unternehmen können zwar freiwillig die von ihnen veranlassten<br />
Eintragungen in den Printmedien bekannt<br />
geben. Viele Unternehmen werden es aber begrüßen,<br />
dass sie künftig die Veröffentlichungskosten sparen<br />
können.<br />
Umstellen müssen sich auch die Geschäftsführer der<br />
Unternehmen. Sie müssen künftig zeitnah die erforderlichen<br />
Daten liefern, damit das Unternehmensportal<br />
über aktuelle und aussagekräftige Daten verfügt. Die<br />
Pflicht der Geschäftsführer, die Jahresabschlüsse ihrer<br />
Kapitalgesellschaften fristgerecht beim elektronischen<br />
Bundesanzeiger einzureichen, wird demnächst scharf<br />
geprüft. Ein neu eingerichtetes „Bundesamt für Justiz“<br />
wird von Amts wegen erfassen, ob ein Verstoß gegen<br />
die Pflicht zur Offenlegung vorliegt. Erfolgt die gebotene<br />
Veröffentlichung nicht oder nicht fristgerecht, kann<br />
sowohl gegen die Kapitalgesellschaft, als auch gegen<br />
deren gesetzliche Vertreter ein Ordnungsgeld im Rahmen<br />
von 2.500,– . bis 25.000,– . verhängt werden.<br />
Hinzu kommen Verfahrensgebühren i.H.v. 50,– .. Dafür<br />
entfällt künftig die Pflicht, Jahres- und Konzern-
Werner<br />
392 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Fälligkeit der Notarkosten<br />
abschlüsse nebst Unterlagen bei den Registergerichten<br />
einzureichen.<br />
Das bisherige Erfordernis, eine Unterschriftenprobe<br />
bei dem Registergericht zu hinterlegen, wird aufgegeben<br />
(§§29, 14 HGB, §8 Abs.5 GmbHG). Zwar könnten<br />
Unterschriften künftig auch eingescannt werden, aber<br />
eine Echtheitsprüfung könnte dann nicht mehr mit hinreichender<br />
Sicherheit stattfinden.<br />
Hat eine GmbH einen Aufsichtsrat, muss die Geschäftsführung<br />
eine Liste der Aufsichtsratsmitglieder künftig<br />
elektronisch einreichen und aktualisieren. Die Einsichtnahme<br />
in diese Dateien erfolgt grundsätzlich über das<br />
Unternehmensregister.<br />
Der Beschleunigungseffekt bei Neugründungen von<br />
Unternehmen wird dadurch erreicht, dass ab 1.1.2007<br />
alle Anmeldungen zur Eintragung in die Handelsregister<br />
in elektronisch beglaubigter Form einzureichen sind<br />
(zu dieser Püls, <strong>NotBZ</strong> 2005, 305). Dadurch entfällt bei<br />
den Registergerichten wesentliche Schreibarbeit, was<br />
wohl mit das größte Hindernis einer schnellen Eintragung<br />
ist. In vielen Bundesländern (etwa Mecklenburg-<br />
Vorpommern) wird es voraussichtlich keine Übergangsfrist<br />
geben, so dass ab Neujahr 2007 keine Anmeldungen<br />
mehr in Papierform von den Registergerichten akzeptiert<br />
werden. Die Notare werden also ab nächstem<br />
Jahr die Registeranmeldungen, die bei ihnen noch her-<br />
NOTARKOSTEN<br />
kömmlich auf Papier vorgenommen werden, in ein<br />
elektronisches Format umformen, elektronisch beglaubigen<br />
und anschließend dem Gericht mailen.<br />
Der Einblick in den Registerauszug in der Geschäftsstelle<br />
des Registergerichts eines Unternehmens ist kostenfrei.<br />
Dagegen ist die Informationsbeschaffung über<br />
das Internet kostenpflichtig. Der Abruf einer Datei<br />
kostet 4,50 .. Will man sich künftig etwa die Satzung<br />
einer GmbH als elektronisches Dokument über Internet<br />
ausdrucken, kostet das unabhängig von der Seitenzahl<br />
4,50 .. Vorab muss der Nutzer sich registrieren lassen,<br />
damit anschließend die Abrechnung der Nutzungsentgelte<br />
mit ihm erfolgen kann. Die Höhe der Gebühr wird<br />
vermutlich zahlreiche Interessenten davon abhalten, die<br />
angebotenen Informationen tatsächlich abzurufen.<br />
Der Antrag auf Abruf von Dateien kann direkt beim Registergericht<br />
über www.handelsregister.de oder über<br />
www.unternehmensregister.de gestellt werden. Wird ein<br />
Ausdruck verlangt, wird dieser grundsätzlich beglaubigt,<br />
es sei denn, man verzichtet ausdrücklich auf Beglaubigung.<br />
Wird der Antrag auf Ausdruck von Registerinhalten<br />
über das Unternehmensregister gestellt, vermittelt<br />
dieses das Ansuchen an das lokal zuständige Registergericht;<br />
es beglaubigt nicht selbst. Das Unternehmensregister<br />
beglaubigt jedoch Unterlagen der Rechnungslegung<br />
(§8b Abs.4 HGB n.F.) selbst.<br />
Fälligkeit der Notarkosten (Gebühren und Auslagen)<br />
Kostenrevisor Leitender Notarmitarbeiter Karsten Werner, Leipzig<br />
Im Zuge der anstehenden Erhöhung des Umsatzsteuersatzes<br />
(s. bereits Prüfungsabteilung, <strong>NotBZ</strong> 2006,<br />
358) gewinnt die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts<br />
der Notarkosten besondere Bedeutung. Die Anwendung<br />
des § 7 KostO auf typische Geschäfte wird daher<br />
in einer Übersicht für die Praxis dargestellt.<br />
I. Grundsatz<br />
Als Zeitpunkt der Fälligkeit bestimmt §7 KostO die Beendigung<br />
des gebührenpflichtigen Geschäfts. Dabei ist<br />
das „Geschäft“ ein eigenständiger Rechtsbegriff der<br />
KostO. Erfasst wird damit die einzelne, eine Gebühr<br />
auslösende Tätigkeit des Notars. 1 Das Geschäft ist beendet,<br />
wenn die Leistung erbracht ist, welche die Gebühr<br />
rechtfertigt. In der Praxis muss der Notar die Fälligkeit<br />
nicht abwarten, weil regelmäßig für das beantragte<br />
Geschäft ein hinreichender Vorschuss gemäß §8<br />
KostO eingefordert bzw. der Vollzug des Geschäfts<br />
hiervon abhängig gemacht werden kann. In Sonderfällen,<br />
wie bei der bevorstehenden Erhöhung des Umsatzsteuersatzes2<br />
, kommt es auf die genaue Bestimmung<br />
des Fälligkeitszeitpunktes aber auch praktisch an.<br />
II. Fälligkeiten typischer Gebührentatbestände<br />
1. Beurkundungen und ähnliche Geschäfte<br />
Bei der Beurkundung von Willenserklärungen (§§36,<br />
37, 38 KostO) tritt die Fälligkeit mit dem Unterschreiben<br />
der Niederschrift (§13 Abs.3 BeurkG) durch den<br />
Notar ein. Sie kennzeichnet das Ende der Verhandlung<br />
mit den Beteiligten. Bei der Beglaubigung einer Unterschrift,<br />
eines Handzeichens oder der Zeichnung einer<br />
Namensunterschrift (§§39 und 39a BeurkG) wird die<br />
Gebühr mit der Unterzeichnung des Beglaubigungsvermerkes<br />
durch den Notar fällig. Gleiches gilt bei Fertigung<br />
von Abschriftsbeglaubigungen (§55 KostO).<br />
Auf die Erteilung einer Ausfertigung oder die Aushändigung<br />
der Urkunde kommt es bei den vorgenannten<br />
Tätigkeiten nicht an.<br />
Bei sonstigen Niederschriften i.S.d. §§36ff. BeurkG<br />
(insbesondere nach §130 AktG) tritt die Fälligkeit der<br />
1 Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., Einf.<br />
Rz. 44.<br />
2 Ländernotarkasse, <strong>NotBZ</strong> 2006, 358.
Werner<br />
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 393<br />
Fälligkeit der Notarkosten<br />
Gebühr mit dem Abschluss des Tatsachenprotokolls<br />
ein. Dies ist der Fall, wenn der Notar das Tatsachenprotokoll<br />
durch Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften<br />
oder mit Einreichen beim Handelsregister<br />
nach außen in den Rechtsverkehr gegeben hat (vgl. §16<br />
FGG). 3<br />
Fertigt der Notar den Entwurf einer Urkunde, ist zwischen<br />
Entwürfen nach §145 Abs.1 KostO und §145<br />
Abs.3 KostO zu differenzieren. Bei dem Erstgenannten<br />
ist das gebührenpflichtige Geschäft mit dem Fertigstellen<br />
des Entwurfes beendet und die Gebühr fällig. Auf<br />
ein Aushändigen des Entwurfes an den Antragsteller<br />
kommt es nicht an. 4 Hingegen wird die Entwurfsgebühr<br />
nach §145 Abs.3 KostO erst fällig, wenn nach Aushändigung<br />
des geforderten Entwurfes die Beurkundung aus<br />
nicht durch den Notar zu vertretenden Gründen unterbleibt.<br />
Die Gebühr der erfolglosen Verhandlung nach §57<br />
KostO wird fällig, sobald die Nichtvornahme der Beurkundung<br />
feststeht. Zusatzgebühren wie §58 Abs.1<br />
KostO für Notartätigkeiten außerhalb der Geschäftsstelle<br />
werden nach dem Wiedereintreffen im Notariat und<br />
nach §58 Abs.3 KostO für Beurkundungen an Sonntagen<br />
und allgemeinen Feiertagen sowie Werktagen außerhalb<br />
der Zeit von acht bis achtzehn Uhr, am Sonnabend<br />
nach dreizehn Uhr, nach Beendigung der Beurkundung<br />
fällig.<br />
2. Betreuungstätigkeiten gemäß § 24 BNotO<br />
a) Vollzugstätigkeiten nach § 146 KostO<br />
Die Vollzugsgebühr des §146 KostO wird im Falle des<br />
Abs.1 und Abs.2 mit der letzten nach außen hin wirkenden<br />
Vollzugstätigkeit fällig. 5 Hierunter ist insbeson-<br />
3 Zu beurkundungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen s.<br />
Maaß, ZNotP 2005, 50; Wolfsteiner, ZNotP 2005, 376; a.A.<br />
Eylmann, ZNotP 2005, 300 (458).<br />
4 OLG Frankfurt/Main v. 20.3.1998 – 20 W 1/95, MittRhNotK<br />
1998, 142.<br />
5 Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 7<br />
Rz. 16.<br />
6 Lappe, <strong>NotBZ</strong> 2003, 309.<br />
7 LG Hildesheim v. 15.9.1964 – 5 T 284/64, KostRspr., § 146<br />
Rz. 12.<br />
8 So wohl auch Filzek, Online-Kommentar zur KostO, 1. Aufl.<br />
02/2006, § 7 Rz. 5 (Stichwort: „Auflassungssperre oder Vorlagehaftung“);<br />
a.A. LG Kleve v. 7.1.2000 – 4 T 364/99, Mitt-<br />
RhNotK 2000, 301; Rohs/Wedewer, KostO, Stand: 09/2006,<br />
§ 7 Rz. 4.<br />
9 Es ist strittig, ob derartige Tätigkeiten unter § 147 Abs. 2<br />
KostO fallen (befürwortet u.a. durch OLG Celle JurBüro<br />
2005, 154). In der jüngsten bekannt gewordenen Entscheidung<br />
zu diesem Thema vertritt das OLG Düsseldorf v.<br />
1.8.2006 – I-10 W 36/06 (unveröffentlicht)) die Ansicht,<br />
dass es sich um eine Vollzugstätigkeit i.S.d. § 146 Abs. 1<br />
KostO handelt. Aufgrund der Divergenz zu anderen Gerichtsentscheidungen<br />
erfolgte die Vorlage zum BGH. Die<br />
Entscheidung stand bis zum Redaktionsschluss noch aus.<br />
10 LG Bochum v. <strong>11</strong>.6.2002 – 7 T 48/02, ZNotP 2002, 491;<br />
Lappe, <strong>NotBZ</strong> 2003, 154.<br />
<strong>11</strong> Zur Bindungswirkung s. Nieder, Würzburger Notarhandbuch,<br />
Teil 2, Kap. 1: Grundbuchrecht, Rz. 52 – 54; Schilling,<br />
ZNotP 2000, 229 (231).<br />
dere der Eingang der letzten für den Vollzug i.S.d.<br />
§146 KostO notwendigen (behördlichen) Genehmigung<br />
zu verstehen. Abschließende Tätigkeit ist die Prüfung<br />
auf Bestehen der Vorlagereife, die billigende Entgegennahme<br />
der Genehmigung durch den dazu bevollmächtigten<br />
Notar hat Wirkung nach außen. Aus der Eigenart<br />
der (Verfahrens-)Gebühr folgt wiederum, dass eine zunächst<br />
eingetretene, besser: angenommene Fälligkeit<br />
sich verschieben kann, etwa weil eine Zwischenverfügung<br />
des Grundbuchamts weitere Tätigkeiten auslöst.<br />
6 Im Falle des §146 Abs.3 KostO kommt es zur<br />
Fälligkeit der Gebühr mit der Unterzeichnung oder Aushändigung<br />
des Antrages oder der Beschwerde und nicht<br />
erst mit dem Eingang bei der zuständigen Behörde.<br />
Die Vollzugsgebühr wird auch fällig, wenn der Notar<br />
seine Vollzugstätigkeit einstellt bzw. einstellen muss. 7<br />
b) Betreuungstätigkeiten nach § 147 Abs. 2 KostO<br />
Betreuungsgebühren nach §147 Abs.2 KostO werden<br />
mit Beendigung der gebührenpflichtigen Tätigkeit fällig,<br />
wie beispielsweise:<br />
– beim Einholen rechtsgeschäftlicher Genehmigungen<br />
oder Vollmachtsbestätigungen mit dem Eingang<br />
beim Notar und positiver Prüfung der Verwendbarkeit,<br />
– bei der Mitteilung über die Fälligkeit des Kaufpreises<br />
(Überwachung der Kaufpreisfälligkeit) mit dem<br />
Absenden an den Käufer,<br />
– bei der Überwachung der Kaufpreiszahlung (auch<br />
genannt: Überwachung der Eigentumsumschreibung,<br />
Überwachung der Umschreibungsreife, Vorlagehaftung<br />
oder Auflassungssperre) mit Eingang und Prüfung<br />
der Mitteilung über den Erhalt des Kaufpreises<br />
vom Verkäufer oder der beauftragten Institution8 ,die<br />
sich anschließende grundbuchamtliche Vollzugstätigkeit<br />
ergibt sich nicht mehr aus der Treuhandtätigkeit,<br />
sondern unmittelbar aus §53 BeurkG, sofern nicht<br />
anderweitige Weisungen dem noch entgegenstehen,<br />
– bei der Einholung von Erklärungen zur Lastenfreistellung<br />
des Vertragsgegenstandes bezüglich der<br />
Rechte Dritter (Pfandfreigabeerklärungen, Löschungsbewilligungen)<br />
9 mit dem Eingang der Erklärungen<br />
beim Notar und positiver Prüfung ihrer Verwendbarkeit,<br />
– bei Treuhandauflagen (u.a. im Zusammenhang mit<br />
Erklärungen, die mit vorstehendem Anstrich benannt<br />
sind) mit der Beendigung, der Aufhebung der Treuhandtätigkeit<br />
oder der Entlassung aus dem Treuhandauftrag,<br />
– bei der Bevollmächtigung zur Herstellung der Bindung<br />
an die Einigung bei Grundschuldbestellungen<br />
gemäß §873 Abs.2, Fall 4 BGB10 mit Entgegennahme<br />
der für den Begünstigten (Gläubiger) bestimmten<br />
Ausfertigung nebst Dokumentation (= Fertigstellen<br />
des Entgegennahmevermerks). <strong>11</strong><br />
Die Gebühr aus vorgenannten Tätigkeiten kann auch<br />
aus anderem Grund beendet und damit fällig werden.<br />
Das gilt u.a. bei der Aufhebung des Vertrages und der
Werner<br />
394 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Fälligkeit der Notarkosten<br />
damit verbundenen Beendigung der Betreuungstätigkeiten<br />
oder der endgültigen Verweigerung über die Abgabe<br />
einzuholender Erklärungen. Auch dadurch wird die Betreuungstätigkeit<br />
beendet und die Gebühr fällig. 12 Das<br />
Einfordern der Gebühr setzt jedoch in jedem Fall voraus,<br />
dass der Notar im Rahmen der Betreuung bereits<br />
tätig geworden ist.<br />
c) Hinterlegungstätigkeiten nach § 149 KostO<br />
Die Fälligkeit der Hinterlegungsgebühr gemäß §149<br />
KostO tritt mit der Auszahlung oder Rückzahlung des<br />
Betrages aus dem Anderkonto ein. Bei hinterlegten<br />
Wertpapieren oder Kostbarkeiten ist der Fälligkeitszeitpunkt<br />
die Ablieferung oder Rücklieferung. Bei der Auszahlung<br />
oder Rückzahlung von Teilbeträgen ist jede<br />
Einzelauszahlung ein selbständiges Geschäft, so dass<br />
die Fälligkeit der für jeden Teilbetrag zu erhebenden<br />
Hinterlegungsgebühr unterschiedlich ausfallen kann. 13<br />
Ist ein Treuhandauftrag, der in Verbindung mit einem<br />
Notaranderkonto erteilt worden ist, noch nicht voll<br />
durchgeführt, berührt dies die Fälligkeit der Hebegebühren<br />
nicht. 14<br />
III. Fälligkeit der Auslagen<br />
Auslagen werden sofort nach ihrer Entstehung fällig.<br />
Für die Dokumentenpauschale nach §136 Abs.1 Nr.1<br />
KostO gilt dies nach der auftragsgemäßen Fertigung der<br />
Ausfertigungen und Ablichtungen. Das Aushändigen ist<br />
keine Voraussetzung. Gleiches gilt bei der Erhebung<br />
der Dokumentenpauschale für die dem Notar aufgrund<br />
besonderer Vorschriften obliegenden Mitteilungen an<br />
Behörden; §152 Abs.1 KostO.<br />
Kostenrecht<br />
Aus der Praxis der Ländernotarkasse<br />
Unterschriftsbeglaubigung<br />
I. Sachverhalt<br />
Der Notar beglaubigt die Unterschrift unter einem Text,<br />
der sowohl eine Willenserklärung als auch einen Beschluss<br />
enthält. Eine oder zwei Gebühren?<br />
II. Stellungnahme<br />
Die Unterschriftsbeglaubigung ist Tatsachenbeurkundung<br />
(§39 BeurkG), §45 Abs.1 KostO daher so zu verstehen,<br />
dass nur eine Gebühr anfallen kann, eben weil<br />
es nur eine Tatsache: die Unterschrift, gibt.<br />
Die Wertvorschrift des §45 Abs.1 Satz2 KostO „passt<br />
nicht ganz“, weil sie nämlich den Fall ungeregelt lässt,<br />
dass sich Werte ergeben, die bei der Beurkundung nicht<br />
zusammengerechnet werden. Die vernünftige Lösung<br />
Bei den Auslagen nach §152 Abs.2 Nr.1 und 2 KostO<br />
tritt die Fälligkeit nach Inanspruchnahme der entsprechenden<br />
(Post-, Telekommunikations-)Dienstleistung<br />
ein. Reisekosten i.S.d. §153 KostO werden nach Beendigung<br />
der Geschäftsreise fällig. Entstehende Auslagen<br />
gemäß §152 Abs.2 Nr.3 KostO – Vergütungen an Gebärdendolmetscher<br />
sowie an Urkundszeugen – werden<br />
mit Beendigung des zugrunde liegenden Geschäfts fällig.<br />
Auslagen nach §152 Abs.2 Nr.4 KostO – die zu erstattende<br />
Prämie, welche sich aus dem Verhältnis der<br />
60 Mio. . übersteigenden Versicherungssumme zu der<br />
Gesamtversicherungssumme ergibt – werden nach Abschluss<br />
der Haftpflichtversicherung mit dem Dienstleister<br />
(= Versicherer) fällig.<br />
IV. Regelungen zur Fälligkeit außerhalb der<br />
KostO<br />
Auch außerhalb der Kostenordung können Vorschriften<br />
die Fälligkeit abweichend von §7 KostO regeln. So bestimmt<br />
§93 Abs.3 S.1 SachenRBerG, dass der Notar<br />
die in §100 Abs.1 S.2 Nr.2 SachenRBerG bestimmte<br />
Gebühr bei der Aussetzung des Vermittlungsverfahrens<br />
in Ansatz bringen kann. Sie wird mithin vor der Beendigung<br />
des Geschäftes (= Vermittlungsverfahren) fällig.<br />
Doch hat der Notar die Gebühr nach Aufnahme des<br />
12 Zur Fälligkeitsmitteilung s. Notarkasse München, Streifzug,<br />
6. Aufl. 2006, Rz. 578; a.A. Rohs/Wedewer (Fn.8), § 7 Rz. 4<br />
und Filzek (Fn. 8), § 7 Rz. 5. Zur Auflassungssperre BGH<br />
<strong>NotBZ</strong> 2005, 289; Filzek (Fn.8), § 7 Rz. 5; Klein RNotZ<br />
1991, 228.<br />
13 OLG Naumburg v. 20.<strong>11</strong>.2003 – 6 Wx 1/03, <strong>NotBZ</strong> 2004,<br />
<strong>11</strong>2; a.A. Lappe, <strong>NotBZ</strong> 2001, 418.<br />
14 LG Frankfurt v. 26.10.1987 – 2/9 T 952/87, JurBüro 1988,<br />
642.<br />
kann nur lauten: analoge Anwendung von §44, und<br />
zwar nicht nur von Abs.2, sondern auch von Abs.1 bei<br />
wirtschaftlicher Identität.<br />
Bei Entwurfsfertigung durch den Notar fallen für Willenserklärung<br />
und Beschluss gesonderte Gebühren aus<br />
den §§145, 147 KostO an, auch wenn sie „auf demselben<br />
Papier“ niedergelegt werden. Für die einheitliche<br />
Unterschriftsbeglaubigung gibt es wiederum nur eine<br />
Gebühr, die jedoch im Regelfall nicht erhoben wird<br />
(§145 Abs.1 Satz4 KostO; bei §147 Abs.2 entsprechend<br />
anzuwenden).<br />
Prof. Friedrich Lappe, Berlin<br />
Vertragsaufhebung mit Verzicht auf<br />
Schadensersatz<br />
I. Sachverhalt<br />
Die Parteien heben einen Vertrag auf und verzichten<br />
wechselseitig auf Schadensersatzansprüche. Gebühr,<br />
Wert?
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 395<br />
Rechtsprechung<br />
II. Stellungnahme<br />
Der Schadensersatzverzicht geht über die Aufhebung<br />
hinaus, insoweit greift die Gebührensatzvergünstigung<br />
des §38 Abs.2 Nr.3 KostO nicht ein.<br />
Der Wert des Verzichts ist – im Regelfall – zu schätzen<br />
(§30 Abs.1 KostO). Weil der Verzicht aus der Aufhebung<br />
des Vertrags folgt, hat er denselben Gegenstand<br />
wie diese: also §44 Abs.1 KostO. (Zur Begründung:<br />
Die Parteien können gesondert den Aufhebungsvertrag<br />
und einen „Aufhebungsfolgenvertrag“ beurkunden las-<br />
Rechtsprechung<br />
Mit x gekennzeichnete Entscheidungen haben einen redaktionellen<br />
Leitsatz, mit / versehene Leitsätze stammen vom Einsender.<br />
Amtliche Leitsätze bleiben ohne Kennzeichnung.<br />
Beschränkte Wirkung des gesetzlichen Löschungsanspruchs<br />
InsO §§91, 106 Abs.1; BGB §§<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3, <strong>11</strong>92<br />
Abs.1<br />
1. Die allgemein für die Vormerkungsfähigkeit künftiger<br />
Ansprüche erforderlichen Voraussetzungen gelten<br />
auch für den gesetzlichen Vormerkungsschutz des<br />
nachrangigen Grundschuldgläubigers.<br />
2. Der gesetzliche Löschungsanspruch des nachrangigen<br />
Grundschuldgläubigers ist nicht insolvenzfest,<br />
wenn die vorrangige Sicherungsgrundschuld zwar<br />
zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
nicht mehr valutiert ist, das Eigentum an dem Grundstück<br />
und die Grundschuld jedoch zu diesem Zeitpunkt<br />
noch nicht zusammengefallen sind.<br />
BGH, Urteil v. 9.3.2006 – IX ZR <strong>11</strong>/05<br />
(mit Berichtigungsbeschluss v. <strong>11</strong>.5.2006)<br />
Tatbestand<br />
Der Bekl. ist Verwalter in dem am 20.2.2002 eröffneten Insolvenzverfahren<br />
über das Vermögen des H (fortan:<br />
Schuldner). Die klagende Bank hat einer Erlöszuteilung an<br />
den Bekl. in der Zwangsversteigerung des Betriebsgrundstücks<br />
des Schuldners widersprochen. Es war in Abteilung<br />
III Nr.18 des Grundbuchs für die D-Bank mit einer Briefgrundschuld<br />
über 50.000 DM und in Abteilung III Nr.19<br />
mit einer Buchgrundschuld über 100.000 DM ebenfalls für<br />
die D-Bank belastet. Im Jahre 1989 trat die D-Bank das<br />
Recht aus Abteilung III Nr.19 an die Kl. ab. Bei Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens valutierte die Grundschuld Nr.18<br />
nicht mehr. Am 5.7.2002 erklärte die D-Bank unter gleichzeitiger<br />
Übergabe des Grundschuldbriefes die Abtretung<br />
der Grundschuld Nr.18 an den Schuldner. Durch Beschluss<br />
des Vollstreckungsgerichts vom 2.9.2003 wurde das am<br />
8.7.2002 beschlagnahmte Grundstück auf ein Bargebot<br />
von 285.000 . zugeschlagen. Keines der in Abteilung III<br />
des Grundbuchs eingetragenen Rechte blieb bestehen.<br />
Die Kl. meldete auf die in Abteilung III Nr.19 eingetragene<br />
Grundschuld einschließlich Zinsen und Kosten einen<br />
Betrag von 95.149,71 . an. Ferner meldete sie ihren „ge-<br />
sen; dann beläuft sich der Wert des zweiten nur auf die<br />
Folgen. Die Zusammenbeurkundung darf aber keinen<br />
höheren Wert auslösen als die getrennte Vornahme.)<br />
Gebührenberechnung (§44 Abs.1 Satz2 KostO): doppelte<br />
Gebühr (§36 Abs.2 KostO) aus der Aufhebung,<br />
höchstens doppelte Gebühr aus dem Schadensersatzverzicht<br />
+ halbe Gebühr (§38 Abs.2 Nr.3 KostO) aus dem<br />
restlichen Aufhebungswert.<br />
Prof. Friedrich Lappe, Berlin<br />
setzlichen Löschungsanspruch bezüglich vor- und gleichrangiger<br />
Grundpfandrechte und die Ansprüche aus eingetragenen<br />
Löschungsvormerkungen“ an. Der Kl. machte für<br />
die Insolvenzmasse unter Bezugnahme auf die Abtretungserklärung<br />
der D-Bank die Ansprüche aus dem in Abteilung<br />
III Nr.18 eingetragenen Recht über umgerechnet<br />
25.564,59 . geltend. Auf der Grundlage dieser Anmeldungen<br />
stellte das Vollstreckungsgericht einen Teilungsplan<br />
auf. Darin wurde dem Bekl. als Insolvenzverwalter auf die<br />
Briefgrundschuld der angemeldete Betrag zugeteilt. Auf<br />
die Buchgrundschuld der Kl. entfielen noch 10.898,65 .;<br />
im Übrigen fiel die Kl. in der Verteilung aus. Unter Berufung<br />
auf gesetzliche Löschungsansprüche verlangt sie die<br />
Zuteilung des auf den Bekl. entfallenen Betrages.<br />
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Hiergegen<br />
wendet sich der Bekl. mit der zugelassenen Revision.<br />
Aus den Gründen<br />
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung<br />
der Klage.<br />
II. 1. Das Berufungsgericht geht in Übereinstimmung mit<br />
der Senatsrechtsprechung davon aus, dass der subjektivdingliche<br />
Löschungsanspruch als Ausfluss einer Ranganwartschaft<br />
zum Inhalt des begünstigten Grundpfandrechts<br />
gehört und durchgesetzt werden kann, sobald das<br />
Eigentum am Grundstück und ein vor- oder gleichrangiges<br />
Grundpfandrecht in einer Person zusammenfallen.<br />
a) Dies träfe auf die in Abteilung III Nr.18 eingetragene<br />
Grundschuld und das Eigentum an dem Betriebsgrundstück<br />
allenfalls dann zu, wenn die Abtretungserklärung der<br />
D-Bank vom 5.7.2002 von dem bekl. Insolvenzverwalter,<br />
auf den das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners<br />
nach §80 Abs.1 InsO übergegangen war, vor Erteilung<br />
des Zuschlags am 2.9.2003 wirksam angenommen<br />
worden ist. Die Ranganwartschaft durch Aufrückung und<br />
der Löschungsanspruch sind nach §<strong>11</strong>92 Abs.1, §<strong>11</strong>79a<br />
Abs.1 Satz3 BGB so gesichert, als wäre gleichzeitig mit<br />
der begünstigten Grundschuld eine Löschungsvormerkung<br />
für den Grundschuldgläubiger in das Grundbuch eingetragen<br />
worden. Bleibt in der Zwangsversteigerung das begünstigte<br />
Recht – wie hier – nicht bestehen, so erlischt damit<br />
auch die in ihm liegende Ranganwartschaft. Nur wenn<br />
die Rechtsbedingung für den Löschungsanspruch zu diesem<br />
Zeitpunkt bereits eingetreten ist, kann der Gläubiger<br />
nach §91 Abs.4 ZVG, §883 Abs.2 Satz1, §888 Abs.1<br />
BGB sein Recht im Rahmen der Erlösverteilung weiterverfolgen,<br />
soweit er aus dem Grundstück nicht befriedigt wird<br />
(BGHZ 99, 363 [366f.]; 108, 237 [244 f.]; 160, 168
396 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Rechtsprechung<br />
[170f.] = DNotZ 2005, 125 = WM 2004, 1786 m. abl.<br />
Anm. Stöber, WM 2006, 607).<br />
b) Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht als gegeben<br />
angesehen, weil die D-Bank die Grundschuld Nr. 18<br />
am 5.7.2002 an den Bekl. abgetreten habe. Nach den vom<br />
LG getroffenen und von dem Berufungsgericht als bindend<br />
angesehenen Feststellungen (vgl. §529 Abs.1 ZPO) sei die<br />
Grundschuld an diesem Tage unter gleichzeitiger Übergabe<br />
des Grundschuldbriefes an den damaligen Grundstückseigentümer<br />
abgetreten worden. Deshalb sei es „weit vor<br />
Erteilung des Zuschlages“ zu einer Vereinigung von<br />
Grundstückseigentum und Grundpfandrecht gekommen.<br />
2. ... Der Senat kann unterstellen, dass der Abtretungsvertrag<br />
vor Erteilung des Zuschlags zustande gekommen ist.<br />
Denn die Kl. hat den im Verteilungsverfahren angemeldeten<br />
gesetzlichen Löschungsanspruch aus §<strong>11</strong>79a BGB<br />
selbst dann nicht insolvenzfest erworben, wenn das Eigentum<br />
an dem Grundstück und die Grundschuld Nr.18 vor<br />
Erteilung des Zuschlages am 2.9.2003 zusammengefallen<br />
sind. Dies kann der Senat selbst entscheiden, weil der<br />
Sachverhalt insoweit hinreichend geklärt ist.<br />
a) Lag einer im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung<br />
ein in notariell beurkundeter Form abgegebenes<br />
unwiderrufliches Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages<br />
über ein Grundstück zugrunde, welches der Käufer<br />
erst nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens<br />
über das Vermögen eines der Miteigentümer angenommen<br />
hat, so ist ein solcher künftiger, durch eine vor<br />
Verfahrenseröffnung eingetragene Vormerkung gesicherter<br />
Auflassungsanspruch insolvenzfest (BGHZ 149, 1ff.).<br />
aa) Dieser Rechtsprechung liegt die Wertung zugrunde,<br />
dass der vom Gesetz zugelassene Vormerkungsschutz für<br />
künftige Ansprüche (§883 Abs.1 Satz2 BGB) sinnentleert<br />
wäre, wollte man ihn erst von dem Zeitpunkt an eintreten<br />
lassen, in dem die gesicherten Ansprüche entstehen<br />
(BGHZ 149, 1 [6]). Die Vormerkung zur Sicherung eines<br />
künftigen Anspruchs schaffe keine nur künftige Sicherung,<br />
der §15 KO (§91 InsO) einen Riegel vorschiebe; es handele<br />
sich vielmehr um die gegenwärtige Sicherung eines<br />
künftigen Anspruchs, auch wenn dieser erst nach seiner<br />
Entstehung geltend gemacht werden könne (BGHZ 149, 1<br />
[8]). Der BGH hat die Insolvenzfestigkeit des vormerkungsgesicherten<br />
künftigen Anspruchs indes nicht generell<br />
anerkannt, sondern davon abhängig gemacht, dass der Anspruch<br />
nicht nur möglich, sondern der für dessen Vormerkungsfähigkeit<br />
zwingend erforderliche sichere Rechtsboden<br />
bereits gelegt ist. Nur in diesem Fall kann die für<br />
die Insolvenzfestigkeit notwendige Seriosität des künftigen<br />
Anspruchs gegeben sein (vgl. BGHZ 149, 1 [9]; ferner<br />
BGHZ 12, <strong>11</strong>5 [<strong>11</strong>7f.]; 134, 182 [185]; MünchKomm-<br />
BGB/Wacke, 4.Aufl., §883 Rz.24; Staudinger/Gursky,<br />
BGB, Neubearbeitung 2002, §883 Rz.173 bis 176; Jaeger/<br />
Henckel, KO, 9.Aufl., §24 Rz.18; Uhlenbruck/Berscheid,<br />
InsO, 12.Aufl., §106 Rz.7; Preuß, AcP 201 [2001], 580<br />
[591f,]; dies., DNotZ 2002, 283 [286]; gegen Insolvenzfestigkeit:<br />
Kübler/Prütting/Lüke, InsO, §91 Rz.38).<br />
bb) Eine feste, die Gestaltung des Anspruchs bestimmende<br />
Grundlage, die zu einer Vormerkungsfähigkeit des künftigen<br />
Anspruchs führt, ist von der höchstrichterlichen<br />
Rechtsprechung insbesondere dann angenommen worden,<br />
wenn die Entstehung des Anspruchs nur noch von dem<br />
Willen des künftigen Berechtigten abhängt (vgl. RGZ 151,<br />
75 [77]; BGHZ 12, <strong>11</strong>5 [<strong>11</strong>8]; 149, 1 [9]). Unterschiedliche<br />
Auffassungen bestehen hinsichtlich der Frage, ob wei-<br />
tere Fallgruppen anzuerkennen sind (vgl. BGHZ 134, 182<br />
[184f.]; Staudinger/Gursky, BGB,Neubearbeitung2002,<br />
§883 Rz.175f; Preuß, AcP 201 [2001], 580 [588ff.). Jedenfalls<br />
ist die Vormerkungsfähigkeit eines künftigen Anspruchs<br />
zu verneinen, wenn seine Entstehung ausschließlich<br />
vom Willen des Schuldners oder davon abhängt, dass<br />
dieser ein Rechtsgeschäft überhaupt erst vornimmt (BGHZ<br />
134, 182 [184f.]; 149, 1 [3]). Ebenso wie es nicht Sinn der<br />
Vormerkung sein kann, einen künftigen Gläubiger in der<br />
Einzelzwangsvollstreckung gegen Zwangsmaßnahmen<br />
Dritter zu schützen, solange er nicht einmal gegen die Willensentscheidung<br />
des Schuldners geschützt ist (vgl. BGHZ<br />
134, 182 [185]; MünchKomm-BGB/Wacke, 4.Aufl., §883<br />
Rz.24), zielt §106 InsO im Insolvenzfall nicht darauf ab,<br />
den mehr oder weniger aussichtsreichen tatsächlichen Erwerbsmöglichkeiten<br />
des künftigen Gläubigers Insolvenzfestigkeit<br />
zu verschaffen. In der Insolvenz des Schuldners<br />
soll diese Vorschrift – ähnlich wie §95 Abs.1 Satz1 InsO<br />
für den Fall der Aufrechnung – nur den Gläubiger schützen,<br />
dessen Anspruch in seinem rechtlichen Kern aufgrund<br />
gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen<br />
bereits gesichert ist (vgl. BGHZ 160, 1 [4]).<br />
b) Diese Grundsätze sind auf den gesetzlichen Löschungsanspruch<br />
des nachrangigen Grundschuldgläubigers zu übertragen,<br />
der nach §<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3, <strong>11</strong>92 Abs.1 BGB in<br />
gleicher Weise gesichert ist, als wenn zu seiner Sicherung<br />
gleichzeitig mit der begünstigten Grundschuld eine Vormerkung<br />
in das Grundbuch eingetragen worden wäre.<br />
aa) Aus dem Umstand, dass eine an sich nach §883 Abs.1<br />
BGB erforderliche Eintragung der Vormerkung in das<br />
Grundbuch entbehrlich ist, kann entgegen der Auffassung<br />
der Revisionserwiderung nicht geschlossen werden, der<br />
Begünstigte solle, ohne dass die Voraussetzungen der<br />
§§883, 885 BGB zu prüfen seien, im Insolvenzfall so gestellt<br />
werden, als sei mit der Entstehung des Grundpfandrechts<br />
eine Vormerkung für den Löschungsanspruch eingetragen<br />
worden. Die Vorschrift des §106 Abs.1 InsO gibt<br />
keinen Anhalt dafür, dass künftige Ansprüche insolvenzrechtlichen<br />
Schutz schon deshalb genießen sollen, weil sie<br />
in den gegenständlichen Anwendungsbereich des §<strong>11</strong>79a<br />
BGB fallen. Jedenfalls insoweit ist §<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3<br />
BGB Rechtsgrund- und nicht Rechtsfolgenverweisung.<br />
bb) Der gesetzliche Löschungsanspruch der Kl. als der begünstigten<br />
– nachrangigen – Gläubigerin gehört im Streitfall<br />
nicht zu den nach §106 InsO geschützten Ansprüchen.<br />
(1) Der Inhaber eines nachrangigen Grundpfandrechts hat<br />
keinen Anspruch gegen den Grundstückseigentümer, sich<br />
so zu verhalten, dass der Vereinigungsfall eintritt (BGHZ<br />
108, 237 [244f.]; 160, 168 [172]; vgl. auch Staudinger/<br />
Wolfsteiner, BGB, Neubearbeitung 2002, §<strong>11</strong>79a Rz.19,<br />
40, 64). Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann<br />
der Schuldner den gegen den vorrangig gesicherten Gläubiger<br />
gerichteten Rückgewähranspruch grundsätzlich auch<br />
an einen Dritten abtreten. Der nachrangige Gläubiger ist<br />
insoweit nicht gesichert. Dieser kann auch nicht widersprechen,<br />
wenn der vorrangige Gläubiger die Grundschuld vor<br />
ihrer Rückabtretung für weitere Kredite nutzt. Wenn aber<br />
der Inhaber des nachrangigen Grundpfandrechts seine Erwerbsaussicht<br />
nicht einmal gegen die Willensentscheidungen<br />
des Schuldners oder des vorrangigen Gläubigers<br />
durchsetzen kann, ist er auch nicht gegenüber den übrigen<br />
Gläubigern zu bevorzugen (vgl. Staudinger/Gursky, BGB,<br />
Neubearbeitung 2002, §883 Rz.173; Preuß, AcP 201<br />
[2001], 580 [591f.]).
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 397<br />
Rechtsprechung<br />
Dies verdeutlicht auch der Vergleich mit dem dinglichen<br />
Vorkaufsrecht, dem ebenfalls die Wirkung einer Vormerkung<br />
zukommt, welches aber grundsätzlich nicht gemäß<br />
§106 InsO geschützt ist, wenn der Vorkaufsfall bei Verfahrenseröffnung<br />
noch nicht eingetreten ist ... Die ausdrückliche<br />
Regelung des §1098 Abs.1 Satz2 BGB wäre überflüssig,<br />
wenn §24 KO (§106 InsO) auf das mittels gesetzlicher<br />
Vormerkungswirkung versehene dingliche Vorkaufsrecht<br />
anwendbar wäre.<br />
(2) Allerdings hat der Schuldner die ihm zustehenden Ansprüche<br />
auf Rückgewähr vorrangiger oder gleichrangiger<br />
Grundpfandrechte am 29.9.1998 an die Kl. abgetreten. Ob<br />
... die Abtretung vertraglich ausgeschlossen war (vgl. §399<br />
BGB), kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob die<br />
Abtretung im Verfahren der Widerspruchsklage (§878<br />
ZPO) noch Berücksichtigung finden kann, wenn die Kl. –<br />
wie hier – in dem Verteilungsverfahren keine Rechte aus<br />
der Abtretung des Rückgewähranspruchs geltend gemacht<br />
hat. Nach der Rechtsprechung des BGH ist in Verfahren<br />
der Widerspruchsklage grundsätzlich die Sach- und<br />
Rechtslage zur Zeit der Feststellung des Teilungsplans zugrunde<br />
zu legen (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.1974 – V ZR<br />
68/72, WM 1974, 371 [372]; siehe ferner BGHZ <strong>11</strong>3, 169<br />
[174ff.]; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., §878 Rz. 14; a.A.<br />
MünchKomm-InsO/Eickmann, ZPO, 2.Aufl., §878<br />
Rz.26). Unentschieden bleiben kann schließlich, ob es diese<br />
Rechtsprechung – wie der Bekl. in den Tatsacheninstanzen<br />
geltend gemacht hat – ausschließt, die Seriosität des<br />
künftigen Löschungsanspruchs erst im Klageverfahren mit<br />
der Abtretung des schuldrechtlichen Rückgewähranspruchs<br />
zu begründen.<br />
Selbst eine wirksame Abtretung der Ansprüche des<br />
Schuldners auf Rückübertragung vor- oder gleichrangiger<br />
Grundschulden kann nicht verhindern, dass der Schuldner<br />
vor der Durchsetzung des Rückgewähranspruchs erneut<br />
Darlehen aufnimmt oder der vorrangige Gläubiger die<br />
Grundschuld mit Zustimmung des Schuldners zur Absicherung<br />
anderer Ansprüche nutzt. Denn die Vorschrift des<br />
§<strong>11</strong>79a BGB soll nicht verhindern, dass einer ganz oder<br />
teilweise nicht valutierten Fremdgrundschuld andere Forderungen<br />
unterlegt werden, der Eigentümer also den durch<br />
den Rang des Grundpfandrechts mitbestimmten Sicherungsrahmen<br />
voll ausschöpft (BGHZ 108, 237 [244]). Dies<br />
muss der Zessionar des Rückgewähranspruchs hinnehmen.<br />
Deshalb ist auch die Abtretung nicht geeignet, dem künftigen<br />
gesetzlichen Löschungsanspruch die erforderliche Insolvenzbeständigkeit<br />
zu verleihen.<br />
Anmerkung<br />
1. §<strong>11</strong>79a BGB begründet einen nicht selbstständig abtretbaren<br />
Löschungsanspruch hinsichtlich der dem Eigentümer<br />
zufallenden gleich- oder vorrangigen Grundpfandrechte.<br />
Der BGH hatte sich mit diesem gesetzlichen Löschungsanspruch<br />
erneut zu beschäftigen. Während es in<br />
seinem Urteil vom 22.7.2004 (DNotZ 2005, 125; krit. dazu<br />
Stöber, WM 2006, 607; Hintzen/Böhringer, Rpfleger2004,<br />
661; Clemente, EWIR 2004, 1021; Dümig, ZfIR 2004,<br />
1031) noch um die Frage ging, ob einem gleich- oder<br />
nachrangigen Hypothekar ein Löschungsanspruch zusteht,<br />
falls ein Gläubiger einer durch den Zuschlag erloschenen<br />
vorrangigen Grundschuld erst im Verteilungsverfahren für<br />
den nicht valutierten Teil seines Rechts auf den Erlös verzichtet,<br />
musste sich der BGH in seiner vorstehenden Entscheidung<br />
mit der Insolvenzfestigkeit (§106 InsO) des Lö-<br />
schungsanspruchs auseinandersetzen (s.a. LG Hamburg<br />
ZinsO 2006, 837 m. Anm. Alff).<br />
2. Der Löschungsanspruch nach §<strong>11</strong>79a BGB, d.h. der<br />
Anspruch auf Aufhebung (§875 BGB), bezieht sich auf<br />
die Grundpfandrechte, die im Zeitpunkt der Eintragung<br />
des begünstigten Rechts mit dem Eigentum in einer Person<br />
vereinigt sind oder bei denen eine solche Vereinigung später<br />
eintritt. Die Vereinigung kann sowohl auf gesetzlicher<br />
als auch auf rechtsgeschäftlicher Grundlage beruhen. Gesichert<br />
wird bei Fremdgrundschulden insbesondere die Vereinigung<br />
bei Grundschuldablösung durch den Eigentümer,<br />
bei Rückabtretung an den Eigentümer sowie in den Fällen<br />
des §889 BGB und des §<strong>11</strong>68 BGB. Der Eigentümer ist<br />
jedoch nicht zur Herbeiführung der Vereinigung verpflichtet<br />
(BGH NJW-RR 1991, <strong>11</strong>97; Staudinger/Wolfsteiner,<br />
§<strong>11</strong>79a Rz.19, 64). Auch verbietet §<strong>11</strong>79a BGB eine<br />
Neuvalutierung der Grundschuld nicht (vgl. BGH NJW<br />
1989, 2536). Die Rückgewähransprüche des Eigentümers<br />
bei Nichtentstehung oder Tilgung der persönlichen Schuld<br />
sind ebenfalls nicht vom gesetzlichen Löschungsanspruch<br />
des §<strong>11</strong>79a BGB erfasst.<br />
3. Gesichert ist der Löschungsanspruch gem. §<strong>11</strong>79a<br />
Abs.1 Satz3 BGB in gleicher Weise, als wenn zu seiner<br />
Sicherung gleichzeitig mit dem begünstigten Grundpfandrecht<br />
eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen wäre.<br />
Die Sicherungswirkung beginnt mit Eintragung des begünstigten<br />
Rechts in das Grundbuch (vgl. AnwK-BGB/<br />
Krause, §<strong>11</strong>79a Rz.13). Ebensowenig wie die Löschungsvormerkung<br />
nach §<strong>11</strong>79 BGB führt der Löschungsanspruch<br />
aus §<strong>11</strong>79a BGB zu einer Grundbuchsperre. Ihm<br />
entgegenwirkende Verfügungen des Eigentümers sind dem<br />
Gläubiger des begünstigen Rechts gegenüber aber relativ<br />
unwirksam (§883 BGB; vgl. AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>79<br />
Rz.13f.).<br />
4. In der Zwangsversteigerung wirkt der gesetzliche Löschungsanspruch<br />
aus §<strong>11</strong>79a BGB wie die Löschungsvormerkung<br />
nach §<strong>11</strong>79 BGB (vgl. näher AnwK-BGB/Krause,<br />
§<strong>11</strong>79 Rz.17). Fällt nur das vom Löschungsanspruch<br />
betroffene Recht und nicht das begünstigte in das geringste<br />
Gebot (§44 Abs.1 ZVG), bleibt der Löschungsanspruch<br />
bestehen, sofern der Gläubiger nicht vollständig befriedigt<br />
wird (§91 Abs.4 Satz1 ZVG), anderenfalls erlischt er<br />
nach §91 Abs.4 Satz2 ZVG. Die Vormerkungswirkung<br />
des §<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3 BGB fällt nach §130a Abs.1<br />
ZVG weg. Um ihm gleichwohl eine dingliche Sicherung<br />
zu erhalten, ist auf Antrag des Gläubigers die Eintragung<br />
einer Vormerkung gem. §130a Abs.2 ZVG möglich. Besteht<br />
für den Gläubiger ein Anspruch aus §50 ZVG nicht,<br />
hat er die Löschung der Vormerkung auf seine Kosten zu<br />
bewilligen (§130a Abs.2 Satz3 ZVG).<br />
5. Die Löschungsvormerkung nach §<strong>11</strong>79 BGB hielt die<br />
Literatur bisher für insolvenzfest i.S.d. §106 InsO, sofern<br />
sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
bereits im Grundbuch eingetragen war oder die Bindungswirkung<br />
des §878 BGB eingetreten ist. Wann die Vereinigung<br />
des Grundpfandrechts mit dem Eigentum eintritt, vor<br />
oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wurde dagegen<br />
als unerheblich angesehen (vgl. etwa Soergel/Konzen,<br />
§<strong>11</strong>79 Rz. 14; Staudinger/Wolfsteiner, §<strong>11</strong>79 Rz.64; Mü-<br />
Ko/Eickmann, §<strong>11</strong>79 Rz.43; AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>79<br />
Rz.18; ebenso jüngst noch Alff, Rpfleger 2006, 487).<br />
6. Hinsichtlich des – vergleichbaren – Löschungsanspruchs<br />
nach §<strong>11</strong>79a BGB folgt der BGH dem nicht. Er<br />
hat zwar in seiner Entscheidung vom 14.9.2001 (BGH
398 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Rechtsprechung<br />
DNotZ 2002, 275 m. Anm. Preuß) die Insolvenzfestigkeit<br />
einer Vormerkung zur Sicherung künftiger Ansprüche<br />
grundsätzlich anerkannt. Dieser Entscheidung lag die Wertung<br />
zugrunde, dass der vom Gesetz zugelassene Vormerkungsschutz<br />
für künftige Ansprüche (§883 Abs.1 Satz2<br />
BGB) sinnentleert wäre, wollte man ihn erst von dem Zeitpunkt<br />
an eintreten lassen, in dem die gesicherten Ansprüche<br />
entstehen. Auch wenn es nahe gelegen hätte, vergleichbares<br />
für §<strong>11</strong>79a BGB anzunehmen, will der BGH<br />
für den gesetzlichen Vormerkungsschutz des nachrangigen<br />
Grundschuldgläubigers nach §<strong>11</strong>79a BGB dies jedenfalls<br />
dann nicht gelten lassen, wenn das vorrangige Grundpfandrecht<br />
zwar zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />
nicht mehr valutiert ist, das Eigentum an<br />
dem Grundstück und die Grundschuld jedoch zu diesem<br />
Zeitpunkt noch nicht zusammengefallen sind. Zur Begründung<br />
weist der BGH insbesondere daraufhin, dass der<br />
nachrangige Gläubiger bis zur Entstehung des Löschungsanspruchs<br />
keine gesicherte Rechtsposition inne habe.<br />
7. Unabhängig davon, wie man zu der Entscheidung steht<br />
(ablehnend etwa Alff, Rpfleger 2006, 486), folgt aus ihr für<br />
die Praxis, dass in den Fällen, in denen eine Insolvenz des<br />
Grundstückseigentümers nicht vollständig auszuschließen<br />
ist, nachrangige Grundpfandrechtsgläubiger sich hinsichtlich<br />
der vorrangigen Grundschulden stets auch die Rückgewähransprüche<br />
des Grundstückseigentümers bei Nichtentstehung<br />
oder Tilgung der persönlichen Schuld (vgl.<br />
hierzu näher etwa AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>91 Rz.94ff.)<br />
abtreten lassen sollten. Mit der Abtretung scheidet der<br />
Rückgewähranspruch aus dem Vermögen seines bisherigen<br />
Inhabers aus. Der Rückgewähranspruch kann unabhängig<br />
von seiner Fälligkeit durch eine Vormerkung (§883 BGB)<br />
im Grundbuch gesichert werden. Dies erfordert eine Eintragungsbewilligung<br />
des Grundschuldgläubigers (vgl.<br />
OLG Hamm OLGZ 90, 3; AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>91<br />
Rz.99 m.w.N.). Einer solchen Vormerkung dürften die<br />
vom BGH gegen die Insolvenzfestigkeit des gesetzlichen<br />
Löschungsanspruchs vorgebrachten Argumente nicht entgegenstehen.<br />
Dies gilt insbesondere, da das Wahlrecht des<br />
Sicherungsgebers auf Übertragung der Grundschuld an<br />
sich selbst oder an einen Dritten (§§<strong>11</strong>92 Abs.1, <strong>11</strong>54<br />
BGB), Verzicht auf die Grundschuld (§§<strong>11</strong>92 Abs.1, <strong>11</strong>68<br />
BGB) oder Aufhebung der Grundschuld (§§875, <strong>11</strong>92<br />
Abs.1, <strong>11</strong>83 BGB) auf den Abtretungsempfänger übergeht,<br />
sofern es vom Zedenten noch nicht ausgeübt worden<br />
ist. Bei Erlöschen der Grundschuld durch Zuschlag in der<br />
Zwangsversteigerung steht diesem der anteilige Versteigerungserlös<br />
zu.<br />
Ist eine Abtretung der Rückgewähransprüche im Einzelfall<br />
nicht möglich, z.B. mangels Mitwirkung des Grundstückseigentümers<br />
oder weil sie nach §399 BGB ausgeschlossen<br />
ist, bzw. ist der vorrangige Grundschuldgläubiger zur Abgabe<br />
der für die Eintragung der Vormerkung erforderlichen<br />
Eintragungsbewilligung nicht bereit (falls keine abweichenden<br />
Vereinbarungen bestehen, ist dieser hierzu nicht<br />
verpflichtet; vgl AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>91 Rz.99), sollten<br />
die nachrangigen Grundpfandrechtsgläubiger, sofern<br />
sie über einen Titel gegen den Grundstückseigentümer verfügen,<br />
dessen Rückgewähransprüche pfänden. Die Pfändung<br />
des Rückgewähranspruchs richtet sich nach §§857<br />
Abs.1, 829ff. ZPO. Pfandobjekt ist nicht die Grundschuld.<br />
Der Grundschuldgläubiger kann diese daher weiter vertragsmäßig<br />
verwerten oder neu valutieren (vgl. Palandt/<br />
Bassenge, §<strong>11</strong>91 Rz.37). Der Pfändungsgläubiger hat jedoch<br />
ein Widerspruchsrecht nach §<strong>11</strong>5 ZVG im Zwangs-<br />
versteigerungsverfahren (vgl. BGH NJW 2002, 1578).<br />
Wird die Grundschuld in Erfüllung des Rückgewähranspruchs<br />
an den Sicherungsgeber abgetreten, erwirbt der<br />
Pfandgläubiger analog §1287 BGB, §848 Abs.2 ZPO ein<br />
Ersatzpfandrecht an der Grundschuld (vgl. MüKo/Eickmann,<br />
§<strong>11</strong>91 Rz.<strong>11</strong>9). Bei Erlöschen der Grundschuld<br />
durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung steht ihm der<br />
anteilige Versteigerungserlös zu (BGH NJW 1987, 1026).<br />
Notar Thomas Krause, Staßfurt<br />
Beanstandung der Satzungsregelung über die Zwangseinziehung<br />
eines Geschäftsanteils im Rahmen der<br />
Anmeldung einer Satzungsänderung<br />
BGB §§133, 157; GmbHG §§34, 54, 57a<br />
1. Für die Beurteilung der Frage, ob im Rahmen der<br />
Anmeldung einer Satzungsänderung eine neue Satzungsregelung<br />
als unwirksam beanstandet werden<br />
kann, ist eine Auslegung der Satzung vorzunehmen,<br />
die unter Berücksichtigung aller Regelungen vorzunehmen<br />
ist. Die Satzung einer GmbH kann dabei<br />
auch durch das Gericht der weiteren Beschwerde<br />
ohne Beschränkung ausgelegt werden.<br />
2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist eine<br />
Regelung, nach der ein von einer Zwangseinziehung<br />
betroffener Gesellschafter mit dem Zugang des Einziehungsbeschlusses<br />
aus der Gesellschaft ausscheidet,<br />
nicht dahin zu verstehen, dass die Einziehung auch<br />
ohne Zahlung der dem Gesellschafter zustehenden<br />
Abfindung wirksam sein soll, wenn zugleich in der<br />
Satzung geregelt ist, dass die Einziehung nur zulässig<br />
ist, wenn die Abfindung gezahlt wird.<br />
KG Berlin, Beschluss v. 18.10.2005 – 1 W 27/05<br />
Aus den Gründen:<br />
Im Ergebnis zu Recht ist allerdings das LG davon ausgegangen,<br />
dass aufgrund der Anmeldung der Satzungsänderung<br />
der gesamte neu gefasste Gesellschaftsvertrag –<br />
auch soweit er mit der ursprünglichen Fassung übereinstimmende<br />
Regelungen trifft (BayObLGZ 1978, 282 =<br />
GmbHR 1979, 15) – umfassend auf seine rechtliche Wirksamkeit<br />
überprüft werden kann. Die für die Erstanmeldung<br />
vorgesehenen und in §9c Abs.2 GmbHG festgehaltenen<br />
Prüfungsbeschränkungen gelten für die Anmeldung einer<br />
Satzungsänderung nicht (BayObLG v. 23.5.2001 – 3Z BR<br />
31/01, BayObLGReport 2002, 73 = GmbHR 2001, 728 =<br />
BB 2001, 1916 = Rpfleger 2001, 500).<br />
Die Vorinstanzen haben aber zu Unrecht angenommen, die<br />
Regelung in §9 Nr.3 des Gesellschaftsvertrags i.d.F. des<br />
Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom<br />
23.6.2004 sei unwirksam und stelle ein Eintragungshindernis<br />
dar. Auf die von den Vorinstanzen aufgeworfene Frage,<br />
ob in der Satzung einer GmbH wirksam eine Regelung dahin<br />
getroffen werden kann, dass eine von der Gesellschafterversammlung<br />
beschlossene Einziehung bereits vor der<br />
Auszahlung des Abfindungsbetrages an den betroffenen<br />
Gesellschafter und damit unabhängig von dieser wirksam<br />
sei, kommt es nur dann an, wenn die Neufassung des Gesellschaftsvertrages<br />
eine solche Regelung enthält. Dies ist<br />
jedoch nicht der Fall.
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 399<br />
Rechtsprechung<br />
Nach §9 Nr.3 des geänderten Gesellschaftsvertrages scheidet<br />
ein Gesellschafter mit dem Zugang des Beschlusses<br />
über die Einziehung seines Geschäftsanteils aus der Gesellschaft<br />
aus. Ob mit dieser Regelung tatsächlich eine<br />
Wirksamkeit vor der Zahlung des Abfindungsguthabens<br />
und damit unabhängig von dieser angeordnet ist – wie die<br />
Vorinstanzen angenommen haben –, ist durch Auslegung<br />
zu ermitteln, die im vorliegenden Fall ohne Bindung an die<br />
Feststellungen des LG vom Senat selbst vorgenommen<br />
werden kann, weil der Gesellschaftsvertrag einer Kapitalgesellschaft<br />
objektiv allein nach seinem Inhalt auszulegen<br />
ist (BGHZ 9, 279 [281]; KG v. 22.6.2004 – 1 W 243/02,<br />
KGReport Berlin 2004, 580 = AG 2005, 400 = GmbHR<br />
2004, 1342 = Rpfleger 2004, 705 = NZG 2004, <strong>11</strong>72; Keidel/Meyer-Holz,<br />
Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15.Aufl., §27<br />
Rz.50; Jansen, FGG, 2.Aufl., §27 Rz.50). Neben der Regelung<br />
in §9 Nr.3 findet sich dabei in §9 Nr.5 S.2 die Regelung,<br />
dass das Stimmrecht des betroffenen Gesellschafters<br />
von dem Gesellschafterbeschluss an, der die Einziehung<br />
anordnet, ruht. Weiter findet sich in §9 Nr.6 die Regelung,<br />
wonach die Einziehung durch die Gesellschaft nur<br />
zulässig ist, wenn das Entgelt gezahlt werden kann, ohne<br />
das Stammkapital anzugreifen. Unter Berücksichtigung<br />
dieser Regelung kann nicht davon ausgegangen werden,<br />
dass mit der Regelung in §9 Nr.3 eine sofortige Wirksamkeit<br />
des Einziehungsbeschlusses angeordnet werden sollte.<br />
Auch wenn die Regelung in §9 Nr.5 dahin verstanden werden<br />
könnte, dass sie nur für den Zeitraum zwischen Beschlussfassung<br />
und Zugang des Einziehungsbeschlusses<br />
gelten soll, steht die Regelung in §9 Nr.6 jedenfalls der<br />
Annahme einer sofortigen Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses<br />
entgegen. ...<br />
Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen<br />
Gründen als richtig. Teilweise wird zwar angenommen,<br />
dass eine Satzungsneuregelung auch dann beanstandet<br />
werden kann und damit ein Eintragungshindernis darstellt,<br />
wenn diese unklar ist (OLG Zweibrücken MittRhNotK<br />
1978, 142; BayObLG v. 29.10.1992 – 3Z BR 38/92, Bay-<br />
ObLGReport 1993, 23 = GmbHR 1993, 167 = DB 1993,<br />
156). Anlass zu Zweifeln könnte insoweit die in der Beschwerdebegründung<br />
vertretene Auslegung geben, die von<br />
einer unbedingten Einziehungsbefugnis ausgeht und deren<br />
Zulässigkeit geltend macht, ohne auf die in §9 Nr.6 der<br />
Satzung getroffene Bestimmung einzugehen. Die Beanstandung<br />
einer unklaren Satzungsregelung kommt aber nur<br />
dann in Betracht, wenn dies auch über die beteiligten Gesellschafter<br />
hinaus für Dritte von Bedeutung sein kann<br />
(OLG Zweibrücken MittRhNotK 1978, 142), wie dies<br />
etwa bei der Fassung des Stammkapitals oder des Unternehmensgegenstands<br />
der Fall sein kann. Eine derartige Bedeutung<br />
kommt jedenfalls der vorliegenden Einziehungsregelung<br />
nicht zu, weil die Zulässigkeit der Einziehung unabhängig<br />
von der rechtlichen Konstruktion ihrer Wirksamkeit<br />
nach §9 Nr.6 an eine wirksame Abfindungszahlung<br />
gebunden bleibt. ...<br />
Ausschluss ohne wichtigen Grund<br />
BGB §§138, 242, 737<br />
1. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die einem<br />
Gesellschafter das Recht einräumt, einen Mitgesellschafter<br />
ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aus<br />
einer Personengesellschaft auszuschließen, verstößt<br />
gegen die guten Sitten.<br />
2. Dies gilt nicht, wenn ein neuer Gesellschafter in<br />
eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen<br />
aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein<br />
dazu dient, binnen einer angemessenen Frist die<br />
Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner<br />
das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann<br />
und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame<br />
Berufsausübung erforderlichen Weise harmonieren<br />
können.<br />
3. Eine überlange Prüfungsfrist ist geltungserhaltend<br />
auf einen Zeitraum von 3 Jahren zu reduzieren.<br />
OLG Frankfurt, Urteil v. 20.10.2005 – 16 U 3/05<br />
Aus den Gründen<br />
Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung (zuletzt BGH v.<br />
14.3.2005 – II ZR 153/03, MDR 2005, 935 = BGHReport<br />
2005, 912 = AG 2005, 395 = GmbHR 2005, 620 m. Anm.<br />
Werner = ZIP 2005, 706ff. = DNotZ 2005, 792) entschieden,<br />
dass eine gesellschaftsvertragliche Regelung gegen<br />
§138 Abs.1 BGB verstößt, die einem einzelnen Gesellschafter<br />
das Recht einräumt, Mitgesellschafter ohne Vorliegen<br />
eines sachlichen Grundes aus einer Personengesellschaft<br />
auszuschließen. Tragende Erwägung hierfür ist, den<br />
von der Ausschließung oder Kündigung bedrohten Gesellschafter<br />
zu schützen. Das freie Kündigungsrecht des anderen<br />
Teils kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden<br />
werden, so dass er aus Sorge, der Willkür des ausschließungsberechtigten<br />
Gesellschafters ausgeliefert zu<br />
sein, nicht frei von seinen Mitgliedschaftsrechten Gebrauch<br />
macht oder seinen Gesellschafterpflichten nicht<br />
nachkommt, sondern sich den Vorstellungen der anderen<br />
Seite beugt („Damoklesschwert“).<br />
Der BGH hat jedoch verschiedene Ausnahmen von diesem<br />
Grundsatz zugelassen. Die für den vorliegenden Rechtsstreit<br />
maßgebende Ausnahme wurde im Urteil v. 8.3.2004<br />
(BGH v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, MDR 2004, 847 =<br />
BGHReport 2004, 1023 = GesR 2004, 283 = NJW 2004,<br />
2013ff. = DNotZ 2004, 865) entwickelt. In diesem Urteil<br />
hat der BGH folgenden Leitsatz aufgestellt:<br />
„Das grundsätzlich nicht anzuerkennende Recht, einen<br />
Mitgesellschafter ohne Vorhandensein eines sachlichen<br />
Grundes aus einer Gesellschaft ausschließen zu dürfen,<br />
kann ausnahmsweise dann als nicht sittenwidrig angesehen<br />
werden, wenn ein neuer Gesellschafter in eine seit langer<br />
Zeit bestehende Sozietät von Freiberuflern (hier: Gemeinschaftspraxis<br />
von Laborärzten) aufgenommen wird und<br />
das Ausschließungsrecht allein dazu dient, den Altgesellschaftern<br />
binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu<br />
ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige<br />
Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter<br />
auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung<br />
erforderlichen Weise harmonieren können; eine Prüfungsfrist<br />
von 10 Jahren überschreitet den anzuerkennenden<br />
Rahmen bei weitem.“<br />
Eine konkrete zeitliche Grenze für die Einarbeitung hat der<br />
BGH in diesem Urteil nicht festgelegt, jedenfalls aber einen<br />
Zeitraum von 10 Jahren als zu weitgehend betrachtet.<br />
Im vorliegenden Fall wurde ebenfalls eine Frist von gut 10<br />
Jahren (1.7.2000 bis 31.12.2010) vereinbart, was nach dieser<br />
Rechtsprechung grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vereinbarung<br />
führt.
400 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Rechtsprechung<br />
Dieser Rechtsprechung des BGH schließt sich der Senat<br />
an. Er wendet sie auch auf den Fall an, dass der neue Gesellschafter<br />
nicht in eine Sozietät aufgenommen wird, sondern<br />
in eine Einzelpraxis einsteigt, da insoweit die Interessenlage<br />
identisch ist.<br />
Der Senat hatte ebenso wie das LG zu entscheiden, auf<br />
welchen Zeitraum die Vorschrift des Gesellschaftsvertrages<br />
geltungserhaltend zu reduzieren ist, welcher Zeitraum<br />
also maßgeblich ist für ein gegenseitiges Kennenlernen<br />
und zur Klärung der Frage, ob das notwendige Vertrauen<br />
besteht und ob beide Partner harmonieren. Henssler (LMK<br />
2005, 15 [16]) meint, ein bis zwei Jahre seien angemessen,<br />
aber auch drei Jahre sollten noch akzeptiert werden. Grunewald<br />
(DStR 2004, 1750 [1752]) sieht einen Zeitraum<br />
von zwei bis drei Jahren als angemessen an. Rieger (Lexikon<br />
des Arztrechts „Gemeinschaftspraxis“ Rz.52 und<br />
Fn.75) hält zwei Jahre für ausreichend. Dahm (MedR 2004,<br />
565 [566]) sieht als Obergrenze die öffentlichrechtliche<br />
Grenze von fünf Jahren, nach der der Juniorpartner auch in<br />
gesperrten Planungsbereichen im Falle eines weiterhin bestehenden<br />
Bedarfs eine Zulassung erhält. Als Untergrenze<br />
wird der Zeitraum von zwei Jahren genannt, der in §14<br />
Abs.2 Satz1 TzBfG enthalten ist und eine entsprechende<br />
Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne sachlichen Grund<br />
vorsieht. Er sieht in der Regel einen Zeitraum von drei Jahren,<br />
in besonders gelagerten Fällen von fünf Jahren, als angemessen<br />
an. Das LG hält sich mit seiner Reduzierung auf drei<br />
Jahre völlig in diesem Rahmen. Der Senat sieht ebenfalls<br />
keinen Anlass, von dieser Bewertung abzuweichen.<br />
Zur Abklärung der Frage, ob zwischen den Partnern einer<br />
Gemeinschaftspraxis das notwendige Vertrauen besteht<br />
und ob sie in ihren Berufsauffassungen harmonieren, hält<br />
der Senat einen Zeitraum von drei Jahren als äußerste zeitliche<br />
Grenze für die gegenseitige Prüfung, ob eine langfristige<br />
Zusammenarbeit möglich erscheint, für angemessen,<br />
aber auch ausreichend.<br />
Hinweis: Revision anhängig beim BGH unter Az. II ZR<br />
281/05.<br />
Beurkundung einer Kettenverschmelzung<br />
UmwG §§5, 7, 17, 18; HRV §26<br />
1. Ein Verschmelzungsvertrag kann unter der aufschiebenden<br />
Bedingung geschlossen werden, dass ein<br />
früherer Verschmelzungsvertrag, an dem die nunmehr<br />
übertragende Gesellschaft als aufnehmender<br />
Rechtsträger beteiligt ist, durch Eintragung im Handelsregister<br />
wirksam wird.<br />
2. In einem solchen Vertrag muss die übertragende<br />
Gesellschaft entsprechend ihrer gegenwärtigen Eintragung<br />
im Handelsregister ohne Berücksichtigung einer<br />
im Zusammenhang mit der Erstfusion vorgenommenen,<br />
erst mit deren Eintragung im Handelsregister<br />
wirksam werdenden Firmenänderung bezeichnet werden.<br />
3. §17 Abs. 2 Satz 4 UmwG steht dem Erlass einer<br />
Zwischenverfügung nicht entgegen, durch die die<br />
Möglichkeit einer Klarstellung der Bezeichnung der<br />
an der Verschmelzung beteiligten übertragenden Gesellschaft<br />
eingeräumt wird.<br />
OLG Hamm, Beschluss v. 19.12.2005 – 15 W 377/05<br />
Tatbestand<br />
I. Im Handelsregister des AG ... war eingetragen die N.<br />
und L. GmbH mit Sitz in I. Durch Vertrag nebst zustimmenden<br />
Gesellschafterbeschlüssen vom 24.4.2004 wurde<br />
diese Gesellschaft als übertragender Rechtsträger mit Verschmelzungsstichtag<br />
vom 1.1.2004 verschmolzen auf die<br />
B. GmbH mit Sitz in L2 als übernehmende Gesellschaft,<br />
die gleichzeitig ihren Sitz nach I. verlegte und ihre Firma<br />
in N. und L. GmbH änderte. Die Verschmelzung wurde am<br />
6.9.2005 im Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft<br />
eingetragen. Bereits zuvor, am 25.8.2005, wurde ein<br />
weiterer Vertrag beurkundet, der die Verschmelzung der<br />
im Handelsregister des AG eingetragenen W. mbH als<br />
übernehmender Rechtsträger mit der als „N. und L.<br />
GmbH“ bezeichneten übertragenden Gesellschaft mit Verschmelzungsstichtag<br />
zum 1.1.2005 zum Gegenstand hat.<br />
Dieselbe Urkunde enthält zustimmende Gesellschafterbeschlüsse,<br />
die auf Seiten der übernehmenden Gesellschaft<br />
eine Kapitalerhöhung zum Zweck der Durchführung der<br />
Verschmelzung sowie eine Satzungsänderung dahin umfasst,<br />
dass diese Gesellschaft mit dem Wirksamwerden der<br />
Verschmelzung ihre Firma in „N. und L. GmbH“ ändert.<br />
Der Geschäftsführer beider Gesellschaften hat die Verschmelzung<br />
in zwei notariell beglaubigten Erklärungen<br />
vom 25.8.2005 zum Handelsregister angemeldet. Gegenstand<br />
des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Anmeldung<br />
zum Register der übernehmenden Gesellschaft, die<br />
mit der Anregung verbunden ist, zunächst lediglich die Kapitalerhöhung<br />
gem. §53 UmwG, Firmen- und Satzungsänderung<br />
erst mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung<br />
einzutragen. Beigefügt ist der Anmeldung eine Bilanz<br />
nebst Lagebericht für die „N. und L. GmbH“ für das<br />
Geschäftsjahr zum Stichtag 31.12.2004. ...<br />
Aus den Gründen<br />
II. Gegenstand der Anmeldung vom 25.8.2005 ist der Verschmelzungsvorgang<br />
insgesamt. Dieser ist zwar nach den<br />
Vorschriften des UmwG in mehreren Schritten in das Register<br />
der beteiligten Rechtsträger einzutragen. Wird – wie<br />
hier – zur Durchführung der Verschmelzung bei der übernehmenden<br />
Gesellschaft eine Kapitalerhöhung durchgeführt,<br />
so muss gem. §53 UmwG in einem ersten Schritt<br />
zunächst die Erhöhung des Stammkapitals im Register dieser<br />
Gesellschaft eingetragen werden. Die am Ende der Anmeldung<br />
vom 25.8.2005 genannte Reihenfolge (Eintragung<br />
der Kapitalerhöhung vorab, Eintragung der Firmenund<br />
Satzungsänderung der übernehmenden Gesellschaft<br />
mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung) entspricht<br />
danach dem Gesetz. Dies ändert jedoch nichts daran, dass<br />
es sich um einen einheitlichen rechtlichen Vorgang, nämlich<br />
die Gewährung von Geschäftsanteilen der übernehmenden<br />
Gesellschaft als Gegenleistung für die Vermögensübertragung,<br />
handelt. Ein Eintragungshindernis, das sich<br />
aus dem Verschmelzungsvertrag selbst ergibt, muss danach<br />
bereits der Eintragung der Kapitalerhöhung zum Zweck<br />
der Durchführung der Verschmelzung entgegenstehen.<br />
Zu Recht haben die Vorinstanzen beanstandet, dass in dem<br />
Verschmelzungsvertrag vom 25.8.2005 und demzufolge<br />
auch in den Gesellschafterbeschlüssen der beteiligten Gesellschaften<br />
(§<strong>11</strong>3 UmwG) die übertragende Gesellschaft<br />
nicht hinreichend genau bezeichnet ist. Nach §5 Abs.1<br />
Nr.1 UmwG muss der Verschmelzungsvertrag den Namen<br />
oder die Firma und den Sitz der an der Verschmelzung beteiligten<br />
Rechtsträger angeben. Die Angaben müssen den
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 401<br />
Rechtsprechung<br />
gegenwärtigen Eintragungen im Handelsregister der beteiligten<br />
Gesellschaften entsprechen (Widmann/Mayer,<br />
UmwG, §5 Rz.<strong>11</strong>; Lutter/Drygala, UmwG,3.Aufl.,§5<br />
Rz.5). Diesen Anforderungen genügt die Bezeichnung der<br />
übertragenden Gesellschaft als „N. und L. GmbH“ in dem<br />
Verschmelzungsvertrag nicht. Diese Bezeichnung nimmt<br />
offenbar bewusst – im Gegensatz zu derjenigen der übernehmenden<br />
Gesellschaft – nicht auf eine bestimmte Eintragung<br />
der Gesellschaft im Handelsregister Bezug. Aus dem<br />
Lagebericht der der Anmeldung beigefügten Schlussbilanz<br />
ergibt sich mit Deutlichkeit, dass es sich bei der übertragenden<br />
Gesellschaft um eine Fusionsgesellschaft handeln<br />
soll, die aus der Verschmelzung zwischen der N. und L.<br />
GmbH mit Sitz in I. als übertragender und der B. GmbH<br />
mit Sitz in L2 als übernehmender Gesellschaft hervorgegangen<br />
ist. Diese Verschmelzung ist wirtschaftlich zum<br />
1.1.2004 als Verschmelzungsstichtag durchgeführt worden,<br />
ist jedoch erst am 6.9.2005 durch Eintragung im Handelsregister<br />
der übernehmenden Gesellschaft wirksam geworden<br />
(§20 Abs.1 UmwG). Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt<br />
der Beurkundung vom 25.8.2005 war diese Verschmelzung<br />
einschließlich der Firmenänderung der B.<br />
GmbH als der übernehmenden Gesellschaft noch nicht<br />
wirksam geworden. Der Verschmelzungsvertrag konnte für<br />
diese Gesellschaft deshalb lediglich unter ihrer damaligen<br />
Firmierung als B. GmbH geschlossen werden. B2 GmbH<br />
ist in dem Verschmelzungsvertrag indessen nicht erwähnt.<br />
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass entgegen<br />
der Auffassung des LG die Identität der B. GmbH<br />
als juristische Person im Rahmen der ersten Verschmelzung<br />
nicht berührt worden ist. Denn bei der Verschmelzung<br />
durch Aufnahme erlischt lediglich der übertragende,<br />
nicht jedoch der übernehmende Rechtsträger (§20 Abs.1<br />
UmwG). Es geht in dem vorliegenden Zusammenhang<br />
also lediglich um die korrekte Bezeichnung der Firma der<br />
betreffenden Gesellschaft. Zwar ergibt die individuelle<br />
Auslegung des Verschmelzungsvertrages vom 25.8.2005<br />
unter Berücksichtigung der Erläuterungen der Schlussbilanz,<br />
dass an dem Vertrag B2 GmbH als übertragender<br />
Rechtsträger beteiligt sein soll (s. dazu nachstehend). Den<br />
Anforderungen des §5 Abs. 1 Nr. 1 UmwG kann es jedoch<br />
nicht genügen, dass sich aus einer mühevollen Auswertung<br />
aller der Anmeldung beigefügten Unterlagen derjenige<br />
Rechtsträger feststellen lässt, der nach dem Willen der Bet.<br />
an der Verschmelzung beteiligt sein soll. Aus der gesetzlichen<br />
Vorschrift muss vielmehr schon im Hinblick auf den<br />
Gläubigerschutz abgeleitet werden, dass die beteiligten<br />
Rechtsträger in dem Verschmelzungsvertrag so klar und<br />
eindeutig bezeichnet werden müssen, dass Zweifel von<br />
vornherein ausgeschlossen sind.<br />
Das LG hat jedoch nicht erwogen, ob der Bet. durch den<br />
Erlass einer Zwischenverfügung Gelegenheit zur Behebung<br />
des Eintragungshindernisses zu geben ist ... Nachdem<br />
das LG in seiner Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt<br />
nicht eingegangen ist, steht die entsprechende Entscheidung<br />
nunmehr dem Senat zu, wobei das Rechtsbeschwerdegericht<br />
auch das Ermessen eigenständig ausüben kann<br />
(BayObLG v. 31.1.1997 – 2Z BR 7/97, MDR 1997, 596 =<br />
BayObLGReport 1997, 41 = FGPrax 1997, 89; Keidel/<br />
Meyer-Holz, FG, 15.Aufl., §27 Rz.56 m.w.N.).<br />
Bei der nicht ausreichenden Bezeichnung des übertragenden<br />
Rechtsträgers im zweiten Verschmelzungsvertrag und<br />
den Gesellschafterbeschlüssen handelt es sich um ein behebbares<br />
Eintragungshindernis. Die Auslegung des Verschmelzungsvertrages<br />
ergibt unter Heranziehung der<br />
Schlussbilanz und der Registerakten aller Gesellschaften,<br />
dass in der Sache eine Kettenverschmelzung mehrerer Gesellschaften<br />
gewollt ist: Die erste Verschmelzung mit dem<br />
Verschmelzungsstichtag 1.1.2004 unter Beteiligung der N.<br />
und L. GmbH als übertragender und der B. GmbH als<br />
übernehmender Gesellschaft ist auf die Bildung einer Fusionsgesellschaft<br />
mit einer Firmenmeldung entsprechend<br />
derjenigen der übertragenden Gesellschaft gerichtet. Mit<br />
Stichtag zum 1.1.2005 soll in einem zweiten Vorgang die<br />
zunächst gebildete Fusionsgesellschaft als übertragender<br />
Rechtsträger auf die W2 mbH als übernehmende Gesellschaft<br />
verschmolzen werden. Beide Vorgänge sind miteinander<br />
verkoppelt, weil die erste Verschmelzung mangels<br />
Eintragung im Handelsregister noch nicht wirksam<br />
geworden war, als der zweite Verschmelzungsvertrag und<br />
die dazugehörenden Gesellschafterbeschlüsse beurkundet<br />
worden sind, wobei wegen der Frist des §17 Abs.2 S.4<br />
UmwG die Beurkundung nicht länger als acht Monate<br />
nach dem Verschmelzungsstichtag (1.1.2005) hinausgeschoben<br />
werden konnte. Aus den Erläuterungen der<br />
Schlussbilanz und den aus den Registerakten ersichtlichen<br />
Zusammenhängen ist deutlich zu erkennen, dass der zweite<br />
Verschmelzungsvertrag erst wirksam werden sollte, wenn<br />
der erste Verschmelzungsvorgang durch die noch ausstehende<br />
Eintragung im Handelsregister wirksam geworden<br />
war. Denn B2 GmbH sollte mit dem im Rahmen der ersten<br />
Verschmelzung erhöhten Kapital erneut verschmolzen werden.<br />
So haben auch die Vorinstanzen den zweiten Verschmelzungsvertrag<br />
verstanden. Dem wirksamen Abschluss<br />
des zweiten Verschmelzungsvertrages steht in diesem<br />
Zusammenhang nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt<br />
seines Abschlusses die erste Verschmelzung noch nicht<br />
wirksam geworden war. Zwar konnte dieser – wie ausgeführt<br />
– für die übertragende Gesellschaft nur unter deren<br />
B. GmbH geschlossen werden. Jedoch bestanden keine<br />
Hinderungsgründe, den zweiten Verschmelzungsvertrag<br />
unter der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens<br />
der ersten Verschmelzung abzuschließen. §7 S.1 UmwG<br />
lässt vielmehr den Abschluss eines Verschmelzungsvertrages<br />
unter einer aufschiebenden Bedingung ausdrücklich<br />
zu. Für die Wahrung der Formvorschriften ist auch bei einer<br />
solchen Kettenverschmelzung auf den Zeitpunkt des<br />
Verschmelzungsvertrages und der Beschlussfassung der<br />
Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften abzustellen<br />
(Widmann/Mayer, UmwG, §5 Rz.235.4). Im Wege der<br />
Auslegung kann deshalb der notariellen Urkunde vom<br />
25.8.2005 sowohl das rechtlich gewollte Ergebnis als auch<br />
die dies ermöglichende rechtliche Gestaltung entnommen<br />
werden. Für den Vollzug im Handelsregister fehlt lediglich<br />
die erforderliche klarstellende Fassung. Eine solche Klarstellung<br />
kann auch noch nachträglich erfolgen, so dass das<br />
Eintragungshindernis behebbar ist.<br />
Die Klarstellung kann durch die Erklärung in einer Ergänzungsurkunde<br />
in der Weise vorgenommen werden, dass<br />
der Verschmelzungsvertrag vom 25.8.2005 für B2 GmbH<br />
als übertragende Gesellschaft unter der aufschiebenden<br />
Bedingung des Wirksamwerdens der Verschmelzung dieser<br />
Gesellschaft als übernehmender Rechtsträger mit der<br />
N. und L. GmbH als übertragender Gesellschaft geschlossen<br />
ist und diese Bedingung durch die zwischenzeitlich am<br />
6.9.2005 erfolgte Eintragung im Handelsregister der übernehmenden<br />
Gesellschaft eingetreten ist. Zur Abgabe einer<br />
solchen Erklärung ist die nunmehr unter N. und L. GmbH<br />
firmierende Fusionsgesellschaft ohne weiteres in der Lage,<br />
weil sie mit der übernehmenden, früher als B. GmbH firmierenden<br />
Gesellschaft identisch ist und erst mit dem
402 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Rechtsprechung<br />
Wirksamwerden der zweiten Verschmelzung erlischt. Eine<br />
entsprechende Klarstellung muss auch bei den Gesellschafterbeschlüssen<br />
der beteiligten Gesellschaften sowie<br />
den Anmeldungen zum Handelsregister erfolgen.<br />
Einer solchen nachträglichen Klarstellung steht auch nicht<br />
die Vorschrift des §17 Abs.2 S.4 UmwG entgegen. Nach<br />
dieser Vorschrift darf eine Verschmelzung nur eingetragen<br />
werden, wenn die Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers<br />
auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung<br />
liegenden Stichtag erstellt ist. Dadurch soll sichergestellt<br />
werden, dass die Bilanz die in die nächste Jahresbilanz<br />
des übernehmenden Rechtsträgers eingehenden<br />
Werte des übertragenden Rechtsträgers zeitnah wiedergibt.<br />
Dies dient auch dem Schutz der Gläubiger, die in der Lage<br />
sein sollen, sich einen zeitnahen Eindruck von der Vermögenslage<br />
des übertragenden Rechtsträgers zu verschaffen,<br />
zumal die geprüfte Schlussbilanz im Fall der Kapitalerhöhung<br />
die Sacheinlagenprüfung ersetzt. Da nach der gesetzlichen<br />
Vorschrift des §17 Abs.2 S.4 UmwG die Frist<br />
bezogen auf den Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister<br />
zu berechnen ist, wird verbreitet die Auffassung<br />
vertreten, zur Fristwahrung sei nicht erforderlich, dass die<br />
Anmeldung ohne weiteres zur Eintragung führe, das Nachreichen<br />
fehlender Unterlagen sei möglich (Lutter/Bork,<br />
UmwG, 3.Aufl., §17 Rz.6; Widmann/Mayer, UmwG, §24<br />
Rz.68). Inwieweit einzelne Fallkonstellationen eine abweichende<br />
Handhabung rechtfertigen können (KG v.<br />
22.9.1998 – 1 W 4387/97, GmbHR 1998, 1230 = KGReport<br />
Berlin 1999, 106 = FGPrax 1999, 31 = NJW-RR<br />
1999, 186 betreffend eine wegen einer fehlenden Kapitalerhöhung<br />
bei der übernehmenden Gesellschaft unvollständige<br />
Verschmelzung), bedarf keiner näheren Entscheidung.<br />
Denn hier beschränkt sich das Eintragungshindernis auf<br />
eine fehlende Klarstellung der Darstellung des Verschmelzungsvorgangs.<br />
Der Möglichkeit, diese nachzureichen,<br />
steht auch der Zweck des §17 Abs.2 S.4 UmwG nicht entgegen.<br />
Im Übrigen wird diese Frist auch dann gewahrt,<br />
wenn zum Zeitpunkt der Anmeldung eine zulässige Bedingung,<br />
von der der Eintritt der Verschmelzung abhängig ist,<br />
noch nicht eingetreten, insb. ein weiterer Umwandlungsvorgang<br />
noch nicht wirksam geworden ist (Widmann/Mayer,<br />
UmwG, §24 Rz.68).<br />
Weitere Eintragungshindernisse sind derzeit nicht ersichtlich.<br />
Die in dem Beschluss des AG vom 8.9.2005 ergänzend<br />
erhobene Beanstandung betreffend die Schlussbilanz<br />
der übertragenden Gesellschaft hält der Senat nicht für gerechtfertigt.<br />
Wie bereits ausgeführt, ist aus den Erläuterungen<br />
der Bilanz hinreichend ersichtlich, dass diese sich auf<br />
die aus der ersten Verschmelzung hervorgegangene Fusionsgesellschaft<br />
bezieht, die nach dem Wirksamwerden der<br />
Verschmelzung die Firma N. und L. GmbH führt. Dass die<br />
Bilanz wirtschaftlich die Wirkungen der Verschmelzung<br />
auf den 1.1.2004 vorwegnimmt, folgt aus der Bestimmung<br />
dieses Datums als Verschmelzungsstichtag (§5 Abs.1 Nr.6<br />
UmwG). ...<br />
Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses<br />
AktG §§155, 246, 255<br />
1. Es spricht viel dafür, auch im Falle einer einheitlichen<br />
gemischten Bar- und Sachkapitalerhöhung die<br />
Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses gem.<br />
§ 155 Abs. 2 AktG analog zu gestatten, wenn eine<br />
Überbewertung der Sacheinlage geltend gemacht<br />
wird, insbesondere dann, wenn der Erwerb der Sacheinlage<br />
vom Mehrheitsaktionär erfolgen soll.<br />
2. Die aktienrechtliche Differenzhaftung erfasst den<br />
vollen Gegenwert der dafür ausgegebenen Aktien.<br />
3. Ist die Klage gegen einen Kapitalerhöhungsbeschluss,<br />
mit dem die Überbewertung der Sacheinlage<br />
gerügt wird, nicht offensichtlich unbegründet,<br />
dann kann dennoch im Freigabeverfahren gem. §§ 255<br />
Abs. 3, 246a AktG an der Eintragung der Kapitalerhöhung<br />
in das Handelsregister gegenüber dem Aufschubinteresse<br />
der Kl. überwiegen, wenn der Erfolg<br />
der Hauptsacheklage zweifelhaft ist; bei der Abwägung<br />
ist weiterhin zu berücksichtigen, ob im Falle einer<br />
erfolgreichen Anfechtung die Durchsetzung einer<br />
möglichen Differenzhaftung realistisch ist.<br />
OLG Jena, Beschluss v. 12.10.2006 – 6 W 452/06<br />
Mitgeteilt durch RiOLG Prof. Dr. Walter Bayer, Jena<br />
Gesamtnichtigkeit einer Nachfolgeregelung<br />
AktG §136; BGB §§134, 138, 139, 2346<br />
Zur Nichtigkeit einer Schenkung und eines Pflichtteilsverzichts<br />
im Zusammenhang mit unzulässiger<br />
Stimmbindung. l<br />
OLG Oldenburg, Urteil v. 16.3.2006 – 1 U 12/05<br />
Tatbestand<br />
I. ... Mit der Gründung der IHH AG und der Anteilsübertragung<br />
auf seine Töchter wollte der Kl. seine Unternehmensbeteiligungen<br />
vollwirksam unter Lebenden und damit<br />
erbschaftssteuerneutral übertragen. Ein Übergang der Unternehmensführung<br />
sollte damit nicht verbunden sein. Im<br />
Gegenteil sollte eine fortdauernde einheitliche unternehmerische<br />
Führung der Gruppenunternehmen durch den Kl.<br />
selbst oder einen später von ihm zu bestimmenden geeigneten<br />
Unternehmensnachfolger gewährleistet werden.<br />
Dem Kl. kam es wesentlich darauf an, unter Berücksichtigung<br />
aller denkbaren Eventualitäten rechtsgestaltend sicherzustellen,<br />
dass er trotz der Anteilsübertragungen weiterhin<br />
ohne relevante Einschränkungen allein über die Geschäfte<br />
bzw. die Person eines Rechtsnachfolgers in der Unternehmensführung<br />
das letztentscheidende „Bestimmungsrecht“<br />
in der Gesellschaft behielt. Aus den seinerzeit getroffenen<br />
Vereinbarungen ergibt sich folgendes Bild:<br />
Bereits nach dem Gründungsvertrag der IHH AG war eine<br />
Übertragung der Aktien grundsätzlich nur mit mehrheitlicher<br />
Zustimmung der Gesellschafter möglich; zustimmungsfrei<br />
konnten die Gesellschafter allerdings Aktien an<br />
ihre Mitgesellschafter und deren leibliche Abkömmlinge<br />
übertragen. Im Anschluss an die Gründung der AG wurde<br />
am selben Tag von den Aktionären ein Schutzgemeinschaftvertrag<br />
geschlossen, wonach sich die Gesellschafter<br />
dem Ziel verpflichteten, die IHH AG im Eigentum der Familie<br />
zu halten und ihre Stimmrechte einheitlich in diesem<br />
Sinne auszuüben. Die Ausübung der Stimmrechte war dem<br />
Kl. als geschäftsleitendem Gesellschafter übertragen; dies<br />
sollte auch so bleiben.
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 403<br />
Rechtsprechung<br />
Zur Umsetzung seiner Pläne wählte der Kl. die Kombination<br />
verschiedener Vereinbarungen, die alle am 27.10.1993<br />
getroffen wurden. Zunächst vereinbarten die Eheleute V.<br />
mit ihren Töchtern deren Verzicht auf Pflichtteilsrechte.<br />
Danach schlossen der Kl., seine Ehefrau und seine Töchter<br />
eine privatschriftliche Stimmbindungsvereinbarung zugunsten<br />
des Kl. Weiter schlossen der Kl. und seine Töchter<br />
einen Schenkungs- und Übereignungsvertrag (später teilweise<br />
abgeändert durch Vertrag vom 3.12.1999). ...<br />
Aus den Gründen<br />
1. Dem Kl. steht sachlich ein bereicherungsrechtlicher<br />
Anspruch auf Rückübertragung der im Tenor bezeichneten<br />
Aktien zu.<br />
a) Der Senat geht ... zunächst davon aus, dass der am<br />
27.10.1993 u.a. zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits<br />
geschlossene Stimmbindungsvertrag zugunsten des Klägers<br />
wegen Verstoßes gegen §136 Abs.2 AktG nichtig ist.<br />
Die Vereinbarung enthält eine unzulässige Stimmbindung<br />
zugunsten des Vorstands der IHH AG. Sie verpflichtet die<br />
Ehefrau des Klägers und seine drei Töchter zu einer<br />
Stimmrechtsausübung „nach Weisung ... des Vorstands“.<br />
Einer Anwendung des §136 Abs.2 AktG steht nicht entgegen,<br />
dass der Kl. als weisungsbefugtes Mitglied des Vorstands<br />
namentlich benannt wurde. Dies gilt ebenso für den<br />
Umstand, dass der Kl. bei Vertragsschluss nicht nur im<br />
Vorstand der AG tätig war, sondern – für kurze Zeit bis<br />
zum Abschluss des Schenkungsvertrages – zugleich noch<br />
98,80%iger Mehrheitsaktionär der AG. Unerheblich ist<br />
schließlich auch, dass der Kl. nach Vollzug der Schenkung<br />
noch eine Aktie (Anteil 0,005%) behielt.<br />
aa) §1 des Stimmbindungsvertrags von 1993 verpflichtete<br />
die Ehefrau und die Töchter des Klägers zur Ausübung ihrer<br />
Aktionärsstimmrechte „nach den Weisungen“ des Klägers<br />
bzw. zur Beschlussfassung nur mit Zustimmung des<br />
Kl. Stimmbindungsvereinbarungen sind grundsätzlich und<br />
nur in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen verboten<br />
(BGH NJW 1987 [1890, 1892]; Schröer in MK-AktG,<br />
2.Aufl., §136 Rz.61). Das Gesetz untersagt nach dem<br />
Wortlaut des §136 Abs.2 AktG Stimmbindungsverträge<br />
zugunsten des Vorstands. Damit soll verhindert werden,<br />
dass die Verwaltung der AG einen unerwünschten Einfluss<br />
auf die Willensbildung der Hauptversammlung nimmt und<br />
die gesellschaftsverfassungsrechtlich gebotene Kontrolle<br />
des Vorstandes durch die Aktionäre erschwert wird. Verboten<br />
sind danach Vereinbarungen über eine Weisungsbefugnis<br />
des Organs „Vorstand“; Vereinbarungen mit einzelnen<br />
Vorstandsmitgliedern sollen dagegen prinzipiell zulässig<br />
sein (Hüffer, AktG, 6.Aufl., §136 Rz.26; Schröer in<br />
MK-AktG, 2.Aufl., §136, Rz.74). Die streitgegenständliche<br />
Vereinbarung erfüllt die Voraussetzung des Verbotstatbestandes,<br />
weil der Kl. sich die Weisungsbefugnisse gerade<br />
wegen und zum Zweck der weiteren Stärkung seiner beherrschenden<br />
Funktion als Leiter/Verwaltungsvorstand der<br />
IHH hat einräumen lassen. Dafür sprechen bereits die äußeren<br />
Umstände. Der Kl. hatte im Jahr 1993 den Stimmbindungsvertrag<br />
nicht als einzelnes Mitglied eines aus<br />
mehreren Personen zusammengesetzten Vorstands geschlossen,<br />
sondern als einziges Vorstandsmitglied. Dies ergibt<br />
sich aus dem Handelsregister. Nach der Gründung der<br />
AG im Dezember 1992 war allein der Kl. als Vorstand eingetragen.<br />
Das änderte sich erst im Januar 1994, als zwei<br />
weitere Vorstandsmitglieder (P. und H.) eingetragen wurden<br />
und der Kl. fortan als „Vorstands-Vorsitzender“ be-<br />
zeichnet wurde ... (E)r hatte ... durch verschiedene Regelungen<br />
in dem Stimmbindungsvertrag von 1993 dafür gesorgt,<br />
dass er die Geschicke der IHH AG nicht nur als einziger<br />
Vorstand, sondern auch in den Zeiten eines Mehrpersonenvorstandes<br />
letztentscheidend allein bestimmen und<br />
lenken konnte ...<br />
bb) Es ist allgemein anerkannt, dass das Stimmbindungsverbot<br />
des §136 Abs.2 AktG unabhängig davon gilt, ob<br />
der begünstigte Vorstand gleichzeitig Kapitalgeber ist<br />
(Schröer, a.a.O §136 Rz 71 [80] m.w.N.; tendenziell ebenso<br />
OLG Stuttgart JZ 1987, 570 betr. Stimmenpoolvereinbarungen).<br />
...<br />
cc) Gegen eine Anwendung des §136 Abs.2 AktG spricht<br />
auch nicht, dass die IHH AG keine jedermann uneingeschränkt<br />
zugängliche „offene“ AG ist. Von ihrer Konzeption<br />
her war und ist die IHH AG immer noch ein faktisch<br />
personell in sich geschlossenes Familienunternehmen, dessen<br />
Kapital ursprünglich zudem allein von dem Kl. (Familienvater)<br />
erwirtschaftet und eingebracht worden war.<br />
Der Kl. hat Zweifel daran geäußert, dass die Regelung des<br />
§136 Abs.2 AktG für solche Gesellschaften überhaupt<br />
„passt“. Gegen die Anwendbarkeit dieser Norm könnte<br />
sprechen, dass der Interessengegensatz zwischen Kapitalgebern<br />
und Vorstand, der nach dem Willen des Gesetzgebers<br />
nicht durch Stimmbindungsverträge zugunsten einer<br />
dominanten und stets durchsetzungsfähigen Bestimmungsgewalt<br />
der Verwaltung verschoben werden soll, im<br />
Fall eines Familienunternehmens eher nicht so prägend ist<br />
wie im gesetzlichen Modellfall einer AG. Gegen die Betrachtungsweise<br />
des Klägers ist jedoch vor allem einzuwenden,<br />
dass derjenige, der eine bestimmte Rechtsform<br />
wählt, sich auch den dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen<br />
unterwerfen muss. ...<br />
b) Der Anspruch des Klägers auf Rückübertragung der<br />
1993 der beklagten geschenkten Namensaktien folgt daraus,<br />
dass der Verstoß gegen §136 Abs.2 AktG zur Gesamtnichtigkeit,<br />
mindestens jedoch zur Nichtigkeit des<br />
Kernbereichs der Stimmbindungsvereinbarung 1993 führt<br />
und dies im Ergebnis auch eine Unwirksamkeit des Vertrages<br />
über die Schenkung der Aktien bewirkt.<br />
aa) Der Verstoß gegen §136 Abs.2 AktG hat die Unwirksamkeit<br />
des gesamten Stimmbindungsvertrages 1993 zur<br />
Folge.<br />
Dem steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien in §7<br />
Ziff.3 eine salvatorische Ersetzungsklausel vereinbart hatten.<br />
Daraus lässt sich nicht herleiten, dass die nicht unmittelbar<br />
von der Nichtigkeit nach §136 Abs.2 AktG erfassten<br />
Teile des Vertrags unabhängig von der Gültigkeit des<br />
Vertrages im Übrigen auf jeden Fall wirksam bleiben.<br />
Klauseln der hier vereinbarten Art entbinden nicht von der<br />
nach §139 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien<br />
das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder<br />
aber den Rest hätten gelten lassen. Sie ändern lediglich die<br />
übliche Darlegungs- und Beweislast zu Ungunsten desjenigen,<br />
der sich gegen eine Teil-Aufrechterhaltung ausspricht<br />
(BGH NJW 2003, 347).<br />
Hier ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts nach der<br />
Überzeugung des Senats mit hinreichender Sicherheit davon<br />
auszugehen, dass ohne die Stimmbindungsvereinbarungen<br />
in §1 der Vertrag insgesamt nicht abgeschlossen<br />
worden wäre und deshalb auch nicht teilweise aufrechtzuerhalten<br />
ist. Die nichtigen Weisungsbefugnisse und Zustimmungserfordernisse,<br />
mit denen die Mitaktionäre in
404 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Rechtsprechung<br />
den für die AG wesentlichen Entscheidungen dem Willen<br />
des Klägers unterworfen wurde, bilden den Kerngehalt der<br />
Vereinbarung. ...<br />
Schließlich ermöglicht die salvatorische Ersetzungsklausel<br />
auch keine taugliche Abhilfe im Wege einer Ersetzung der<br />
unwirksamen Regelungen durch wirksame andere Bestimmungen.<br />
Denn zum einen ist die Stimmbindung der entscheidende<br />
Regelungszweck der Vereinbarung. Und zum<br />
anderen ist nicht ersichtlich, welche andere Regelung die<br />
Stimmbildung wirksam ersetzen könnte. Die für die Anwendung<br />
des §136 Abs.2 AktG maßgebliche rechtliche<br />
Wertung, dass der Kl. in Wirklichkeit eine Bindung der<br />
Stimmen an sich als „Vorstand“ bewirken wollte, kann<br />
durch eine anderweitige Regelung nicht ersetzt werden,<br />
ohne den Vertragszweck zu konterkarieren. An der Unerheblichkeit<br />
der Aktionärsstellung für die Frage der Stimmbindung<br />
könnte eine anders formulierte Regelung nichts<br />
ändern. Auch die Möglichkeit der Ersetzung durch andere<br />
Formen der Stimmbindung ist nicht ersichtlich, weil der<br />
mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Stimmbindung „wirtschaftlich<br />
oder rechtlich“ durch eine andere wirksame Regelung<br />
nicht erreicht werden kann.<br />
bb) Die zu aa) festgestellte Nichtigkeit des Stimmbindungsvertrags<br />
1993 führt zugleich zur Unwirksamkeit der<br />
Vereinbarung der Parteien über die Schenkung der vom Kl.<br />
herausverlangten Namensaktien.<br />
Der Senat geht hilfsweise davon aus, dass unbeschadet der<br />
Aufrechterhaltung der Stimmbindungsvereinbarung im<br />
Übrigen auch schon allein der Fortfall der von §136 Abs.2<br />
AktG unmittelbar erfassten Stimmbindungsregelungen die<br />
Nichtigkeit des Schenkungsvertrags zur Folge hat.<br />
Für eine Gesamtnichtigkeit der beiden Verträge nach §139<br />
BGB spricht zunächst, dass in beiden Präambeln wechselseitig<br />
auf den jeweils anderen Vertrag Bezug genommen<br />
wird. Der Schenkung der Anteile wird in Ziff.2 der Präambel<br />
des Stimmbindungsvertrags 1993 ausdrücklich „im<br />
Anschluss an die Unterzeichnung dieses Vertrags“ versprochen.<br />
Die grundlegende Bedeutung der Stimmbindungsvereinbarung<br />
für die Schenkung wird dadurch deutlich, dass dem<br />
Kl. in §5 Ziff.3 c des Schenkungsvertrags für den Fall der<br />
Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus dem Stimmbindungsvertrag<br />
ein Recht zum Widerruf der Schenkung eingeräumt<br />
wurde. Schließlich indiziert auch der mit beiden<br />
Verträgen verfolgte Regelungszweck eine Einheit i.S.d.<br />
§139 BGB. Denn es war für alle Bet. (unstreitig) offenkundig,<br />
dass der Kl. trotz der Anteilsübertragung im Wege vorweggenommener<br />
Erbfolge für jeden denkbaren Fall noch<br />
weiterhin die alleinige Entscheidungsbefugnis im Unternehmen<br />
behalten wollte.<br />
Aus der Sicht des Senats ist danach nicht zweifelhaft, dass<br />
beide Verträge eine sich wechselseitig ergänzende Einheit<br />
bildeten und der Kl. nur entweder beide Verträge oder gar<br />
keinen geschlossen hätte. Ohne die Stimmbindung hätte<br />
der Kl. seine Aktien nicht vorzeitig auf die Bekl. übertragen<br />
und ohne die vorweggenommene Übertragung der Aktien<br />
bestand kein Grund für die Stimmbindungsvereinbarung.<br />
Auch die in §8 Ziff.3 des Schenkungsvertrags enthaltene<br />
salvatorische Ersetzungsklausel kann keine Aufrechterhaltung<br />
des Vertrages bewirken. Denn die Stimmbindung ist –<br />
wie bereits ausgeführt – nicht durch eine dem Vertragszweck<br />
entsprechende wirksame Alternativregelung ersetz-<br />
bar und ohne Stimmbindung hätte es keinen Schenkungsvertrag<br />
gegeben. Dies alles folgt – unabhängig von der<br />
auch hier grundsätzlich zu berücksichtigenden Darlegungsund<br />
Beweislastumkehr – aus den beiderseits und insoweit<br />
auch übereinstimmend vorgetragenen objektiven Umständen<br />
des Falles.<br />
cc) ... Allerdings ist die Rechtsfolge einer Gesamtnichtigkeit<br />
dann problematisch, wenn die nichtigen Bestandteile<br />
eines (einheitlichen) Rechtsgeschäfts auf Grund einer gesetzlichen<br />
Regelung weggefallen sind, die den Schutz einer<br />
Partei gewährleisten soll. §136 Abs.2 AktG ist jedoch keine<br />
Norm zum Schutz von Personen, die mit stimmbindungsbehafteten<br />
Aktien beschenkt werden. Diese Verbotsnorm<br />
soll vielmehr allein dazu dienen, die Gesellschafter<br />
(Aktionäre) vor einer übermäßig zugunsten des Vorstands<br />
verschobenen Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft<br />
zu schützen.<br />
dd) Der Rückübertragungsanspruch ergibt sich aus bereicherungssrechtlichen<br />
Gesichtspunkten.<br />
Entgegen der Ansicht der Bekl. erstreckt sich die Unwirksamkeit<br />
der schuldrechtlichen Schenkungsvereinbarung<br />
nicht auf das mitbeurkundete Erfüllungsgeschäft, also die<br />
Abtretung der Namensaktien ... Insbesondere handelt es<br />
sich nicht um ein sog. „Handgeschäft“ des täglichen Lebens,<br />
bei dem der Rechtsgrund und das Erfüllungsgeschäft<br />
typischerweise in einem Akt zusammenfallen. Es ergibt<br />
sich auch nicht aus der Verbindung der beiden Rechtsgeschäfte<br />
in einer notariellen Urkunde ein vom Regelfall<br />
abweichender (und daher nicht ohne signifikante Gründe<br />
anzunehmender) Wille der Parteien, Verpflichtungs- und<br />
Erfüllungsgeschäft als Einheit behandeln zu wollen.<br />
Der Hilfseinwand der Bekl., sie schulde eine Rückübertragung<br />
der Aktien allenfalls Zug um Zug gegen ihre Entlassung<br />
aus der Vereinbarung über den Pflichtteilsverzicht<br />
und gegen eine Befreiung von dem Leibrentenzahlungsversprechen,<br />
ist unbegründet.<br />
Der Senat ist aus den nachstehend zu 2. ausgeführten<br />
Gründen der Ansicht, dass es einer Rückgängigmachung<br />
des Pflichtteilsverzichts nicht bedarf, weil die Verzichtsvereinbarung<br />
als weitere Folge der Nichtigkeit der Verträge<br />
über die Stimmbindung und die Anteilsübertragung (§139<br />
BGB) ohne weiteres unwirksam ist. Ein gesonderter Rückabwicklungsakt<br />
hätte danach allenfalls deklaratorische Bedeutung<br />
und ist nicht geeignet, den Zug-um-Zug-Einwand<br />
zu begründen. ...<br />
... Zweifelsfrei hätte die Bekl. die Aktien nicht erhalten,<br />
wenn sie nicht einen Verzicht auf ihren (nach der Wertung<br />
des Gesetzes und Art.14 Abs.1 GG grundsätzlich unentziehbaren)<br />
Pflichtteil nach dem Tod des längstlebenden Elternteils<br />
erklärt hätte. Dann wird aber deutlich, dass die<br />
Bekl. auf der einen Seite infolge des Pflichtteilsverzichts<br />
einen unmittelbaren rechtlichen Nachteil erlitten hat und<br />
„dafür“ auf der anderen Seite im Ergebnis keine werthaltigen,<br />
weil ihre Einflussnahme auf das Unternehmen faktisch<br />
ausschließenden Rechte erlangt hatte. Wenn man<br />
weiter berücksichtigt, dass die Bekl. die Einnahmen aus<br />
den Aktien praktisch in voller Höhe für die Leibrentenzahlungen<br />
und die damals noch bestehende Vermögenssteuer<br />
aufwenden sollte, bleibt nicht viel an erhaltener „Gegenleistungssubstanz“.<br />
Aus der Sicht des Senats ist es danach<br />
gerechtfertigt, hier von einem auffälligen Missverhältnis<br />
der wechselseitig eingegangenen Verpflichtungen mit signifikanter<br />
Benachteiligung der Bekl. auszugehen, was in
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 405<br />
Rechtsprechung<br />
der Gesamtbewertung eine Anwendung des §138 Abs.1<br />
BGB zu Gunsten der Bekl. rechtfertigt.<br />
Die zulässige Widerklage der Bekl. ist begründet. Die festgestellte<br />
Nichtigkeit des Stimmbindungsvertrages 1993<br />
und die nach §139 BGB daraus zugleich abgeleitete Unwirksamkeit<br />
des Schenkungsvertrages entzieht auch dem<br />
von der Bekl. am 27.10.1993 vertraglich erklärten Pflichtteilsverzicht<br />
am Nachlass des Längstlebenden der Eltern<br />
der Bekl. gemäß §139 BGB die Grundlage.<br />
Der Pflichtteilsverzicht der Bekl. ist ein Teil der vom Kl.<br />
eingeleiteten Regelungen zur Vorbereitung eines gleitenden<br />
Unternehmensübergangs auf einen von ihm auszuwählenden<br />
Nachfolger. Es spricht schon wegen des räumlichen<br />
und zeitlichen Zusammenhangs mit den übrigen Verträgen<br />
eine Vermutung für die Eingebundenheit des Pflichtteilsverzichts<br />
in ein in sich geschlossenes Gesamtpaket und damit<br />
für eine gewollte wechselseitige Abhängigkeit.<br />
Noch überzeugender in diese Richtung weisen die persönlichen<br />
Erklärungen des Klägers in der Berufsverhandlung.<br />
Der Kl. hat nämlich deutlich gemacht, dass es ihm mit<br />
Blick auf das Schicksal „seines“ Unternehmens ganz wesentlich<br />
auf diesen Pflichtteilsverzicht ankam. Er hat dies<br />
damit begründet, dass die Pflichtteilsforderungen nach<br />
dem maßgeblichen Erbfall sofort fällig werden und dann<br />
mit einem Mal Forderungen „an den Nachlass“, also auch<br />
das Unternehmensvermögen gestellt werden könnten, die<br />
für das Unternehmen im Zweifel existenzbedrohend sein<br />
könnten. Deshalb sei ihm der Pflichtteilsverzicht so wichtig.<br />
Dass andererseits die Bekl. ohne den Erhalt der Aktien keinesfalls<br />
einem Pflichtteilsverzicht zustimmt hätte, hat sie<br />
selbst bestätigt. Die Richtigkeit dieser Erklärung kann bei<br />
sachgerechter Betrachtung ohnehin nicht zweifelhaft sein.<br />
Die Bekl. hatte keinen ersichtlichen Grund, auf ihr Pflichtteil<br />
zu verzichten, wenn sie nicht zum Ausgleich im Gegenzug<br />
die Aktien erhalten hätte. ...<br />
Mitgeteilt von Notar Thomas Wachter, Osterhofen<br />
Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot<br />
HGB §13e; BGB §181<br />
Jedenfalls bei Personenidentität zwischen dem Geschäftsführer<br />
einer Private Limited Company und<br />
dem ständigem Vertreter von deren Zweigniederlassung<br />
in Deutschland ist die Eintragungsfähigkeit einer<br />
Befreiung des ständigen Vertreters von den Beschränkungen<br />
des § 181 BGB zu verneinen.<br />
OLG München, Beschluss v. 4.5.2006 – 31 Wx 023/06<br />
Verschmelzung einer Limited<br />
HGB §§13d ff.; UmwG §16 Abs.1<br />
Die Eintragung der Verschmelzung einer Gesellschaft<br />
mit beschränkter Haftung mit Sitz in Deutschland als<br />
übertragender Gesellschaft auf eine Private Limited<br />
Company als aufnehmende Gesellschaft, die ihren statuarischen<br />
Sitz in England und eine Zweigniederlassung<br />
in Deutschland hat, kann nicht erstmalig konsti-<br />
tutiv im Register der Zweigniederlassung vorgenommen<br />
werden.<br />
OLG München, Beschluss v. 2.5.2006 – 31 Wx 009/06<br />
Mitgeteilt durch Notar Thomas Wachter, Osterhofen<br />
Verlust der Rechtsperson eines ausländischen Vereins<br />
bei Zuzug<br />
EGVArt.43, 481; BGB §60<br />
Die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EGV begründet<br />
für die Vereine nationalen Rechts keinen<br />
Rechtsanspruch, ihren Satzungssitz unter Bewahrung<br />
ihrer Identität als Verein des Mitgliedstaats ihrer<br />
Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlagern<br />
und im Falle der Sitzverlegung nach Deutschland<br />
in das deutsche Vereinsregister eingetragen zu<br />
werden.<br />
OLGZweibrücken,Beschlussv.27.9.2005–3W170/05<br />
Aus den Gründen<br />
II. a) Das deutsche internationale Privatrecht enthält keine<br />
Regelung des internationalen Vereinsrechts (vgl. Art.37<br />
Nr.2 EGBGB). Die Rechtsfähigkeit eines ausländischen<br />
Vereins bestimmt sich nach dem Recht des Gründungsstaates.<br />
Der im Ausland gegründete Verein, der dort Rechtsfähigkeit<br />
erlangt hat, gilt (vorbehaltlich eines etwaigen<br />
ordre public-Verstoßes, Art.6 EGBGB) im Umfang der<br />
ihm im Gründungsstaat zuerkannten Rechtsfähigkeit auch<br />
in Deutschland als rechtsfähig. Eines staatlichen Anerkennungsaktes<br />
bedarf es hierfür nicht (Stöber, Handbuchzum<br />
Vereinsrecht, 9.Aufl. 2004, Rz.84).<br />
b) Verlegt ein rechtsfähiger Verein mit ausländischem Vereinsstatut<br />
und Satzungssitz im Ausland diesen nach<br />
Deutschland, trifft das deutsche Recht keine Bestimmung<br />
darüber, dass sich der Verein mit seiner in dem ausländischen<br />
Staat erworbenen Rechtspersönlichkeit hier fortsetzen<br />
würde; das deutsche Recht enthält keine Regelung<br />
über die grenzüberschreitende Verlegung des satzungsmäßigen<br />
Sitzes ins Inland.<br />
Nach deutschem Rechtsverständnis stellt sich die „Einwanderung“<br />
des ausländischen Vereins nicht als rein tatsächlicher<br />
Vorgang dar, sondern als Rechtsakt, welcher die<br />
künftige Zugehörigkeit des Vereins zur Rechtsordnung der<br />
Bundesrepublik Deutschland begründet. Deshalb verlangt<br />
die herrschende Auffassung für die Rechtsfähigkeit des<br />
Vereins in Deutschland mit Recht dessen Neugründung<br />
nach dem Recht des BGB und anschließende Eintragung<br />
in das Vereinsregister (§21 BGB) oder Konzessionierung<br />
gemäß §22 BGB (vgl. Stöber, HandbuchzumVereinsrecht,<br />
9.Aufl. 2004, Rz.85; Reichert, Handbuch Vereinsund<br />
Verbandsrecht, 10.Aufl. 2005, Rz.5<strong>11</strong> und 6333<br />
m.w.N.).<br />
c) Vor einer Neugründung unter Beachtung der §§56 bis<br />
59 BGB ist danach im Streitfall eine Eintragung des von<br />
dem Verfahren betroffenen Vereins in das deutsche Vereinsregister<br />
nicht möglich.<br />
3. Diesem Ergebnis steht entgegen der Auffassung der<br />
weiteren Beschwerde das Recht der Europäischen Gemein-
406 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Buchbesprechung<br />
schaft nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht<br />
aus den Entscheidungen des EuGH vom 9.3.1999 (NJW<br />
1999, 2027 – Centros), vom 5.<strong>11</strong>.2002 (NJW 2002, 3614 –<br />
Überseering) und vom 30.9.2003 (NJW 2003, 3331 – Inspire<br />
Art) oder aus dem Beschluss des Senats (OLG Zweibrückenv.26.3.2003–3W21/03,OLGReportZweibrücken<br />
2003, 247 = FGPrax 2003, 135).<br />
a) Zunächst fällt der hier interessierende Verein, weil er<br />
nach seinem in Frankreich angemeldeten Zweck und auch<br />
nach dem Vortrag im Anmeldungsverfahren gegenüber<br />
dem deutschen Registergericht rein karitativ tätig ist, schon<br />
nicht in den Schutzbereich der durch Art.43, 48 EGV<br />
(Amsterdamer Fassung) garantierten Niederlassungsfreiheit.<br />
...<br />
b) Unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten können<br />
die vorzitierten und von dem Antragsteller zum Teil als für<br />
ihn vermeintlich günstig in Anspruch genommenen Gerichtsentscheidungen<br />
auf die vorliegende Fallgestaltung<br />
ohnehin nicht – auch nicht sinngemäß – übertragen werden.<br />
Denn sie betreffen jeweils die Niederlassungsfreiheit<br />
von (kommerziellen) Gesellschaften, die nach dem Recht<br />
des Mitgliedstaates, in dem sie ihren statuarischen Sitz haben,<br />
gegründet worden sind und die unter Beibehaltung<br />
ihres satzungsmäßigen Sitzes (Hervorhebung durch den<br />
Senat) in einem anderen Mitgliedstaat – etwa durch eine<br />
Zweigniederlassung – geschäftlich tätig werden wollen.<br />
Darum geht es in dem hier zu entscheidenden Fall jedoch<br />
nicht, weil der von dem Verfahren betroffene (nicht erwerbsorientierte)<br />
Verein seinen statuarischen Sitz vollständig<br />
aus Frankreich nach Deutschland verlegen will, allerdings<br />
ohne dabei seine Rechtspersönlichkeit oder seine Eigenschaft<br />
als Verein französischen Rechts zu verlieren. Darauf<br />
besteht beim derzeitigen Stand des europäischen Gemeinschaftsrechts<br />
indes kein Rechtsanspruch. Eine Satzungssitzverlegung<br />
ist nach ganz herrschender Meinung –<br />
auch nach Auffassung der EU-Kommission – gerade nicht<br />
vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit umfasst<br />
(vgl. dazu mit zahlreichen Nachweisen Heckschen,<br />
<strong>NotBZ</strong> 2005, 315 [319]; Triebel/v. Hase, BB 2003, 2409<br />
[2413f.]). Im Gegensatz zu natürlichen Personen werden<br />
juristische Personen (darunter rechtsfähige Vereine) aufgrund<br />
der jeweiligen nationalen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten<br />
gegründet. Jenseits der jeweiligen nationalen<br />
Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt,<br />
haben sie keine Realität (EuGH NJW 1989, 2186<br />
[2187] – Daily Mail).<br />
Mitgeteilt durch den 3. Zivilsenat des OLG Zweibrücken<br />
Buchbesprechung<br />
Tim W. Dornis. Kaufpreiszahlung auf Notaranderkonto.<br />
Erfüllung – Pfändung – Insolvenz (Schriften der Deutschen<br />
Notarrechtlichen Vereinigung, Band 22, Köln, 159<br />
Seiten, 59,80 .)<br />
Namentlich in den westdeutschen und norddeutschen Bundesländern<br />
entsprach die Abwicklung eines Grundstückskaufvertrages<br />
über Notaranderkonto bislang gängiger Praxis.<br />
Aufgrund des geltenden Sachen- und Grundbuchrechts<br />
ist bei einem Grundstückskaufvertrag ein unmittelbarer<br />
Austausch der gegenseitigen Leistungen praktisch unmöglich.<br />
Durch die Einschaltung des Notars als Treuhänder<br />
und Abwicklung der Kaufpreiszahlung über Notaranderkonto<br />
soll das Risiko einer ungesicherten Vorleistung für<br />
die Vertragsbeteiligten vermieden werden. Der Gesetzgeber<br />
hat die im Zusammenhang mit der Kaufabwicklung<br />
über Notaranderkonto zusammenhängenden Fragen im<br />
Rahmen der Novelle des Beurkundungsgesetzes erstmals<br />
1998 in den §§54a ff. BeurkG gesetzlich kodifiziert. Bis<br />
dahin bestand lediglich eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung<br />
in §23 BNotO für Notare. Verfahrensvorschriften<br />
waren allein in der DONot enthalten. Von besonderer Bedeutung<br />
für die notarielle Praxis ist hierbei, dass der Gesetzgeber<br />
nunmehr die Vereinbarung einer Kaufpreisabwicklung<br />
über Notaranderkonto gem. §54a BeurkG von einem berechtigten<br />
Sicherungsinteresse abhängig macht. Weiter enthalten<br />
die neuen gesetzlichen Vorschriften erstmals ausführliche<br />
Regelungen über den Widerruf einseitiger und mehrseitiger<br />
Verwahrungsanweisungen, §54c BeurkG.<br />
Die hier vorliegende Tübinger Dissertation stellt die – soweit<br />
ersichtlich – erste monographische Darstellung zur<br />
Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto unter Geltung<br />
der §§54a ff. BeurkG dar. Aus der Zeit vor Einführung<br />
dieser neuen Vorschriften liegen bereits verschiedene DissertationenzudiesemThema–jeweilsmitunterschiedlichen<br />
Schwerpunkten – vor. Zu erwähnen sind hier namentlich<br />
die Arbeiten von Bräu, Verwahrungstätigkeit des Notars,<br />
1991, Preuß, Die notarielle Hinterlegung, 1994, Kawohl,<br />
Notaranderkonto, 1995, König, Rechtsverhältnisse<br />
und Rechtsprobleme bei der Darlehensvalutierung über<br />
Notaranderkonto, 1998. Am Rande zu erwähnen ist ebenso<br />
die Arbeit von Strehle, Die Zwangsvollstreckung in das<br />
Guthaben des Notaranderkontos, 1995.<br />
Dornis hat seine Dissertation „Kaufpreiszahlung auf Notaranderkonto“<br />
mit dem Untertitel: „Erfüllung – Pfändung –<br />
Insolvenz“ versehen. Diese drei Begriffe sind zugleich die<br />
wesentlichen Kernpunkte seiner Arbeit. Die insgesamt 159<br />
Seiten umfassende Darstellung ist dabei in zwei große Teile<br />
gegliedert. In einem ersten Teil behandelt Dornis die<br />
Frage der Abwicklung des Grundstückskaufvertrags allein<br />
im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander sowie gegenüber<br />
dem Notar. Im zweiten Teil bezieht er in seine Untersuchung<br />
der Abwicklung des Grundstückskaufvertrags<br />
auch abzulösende Gläubiger und Finanzierungsgläubiger<br />
mit ein. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt nicht nur vom<br />
Umfang her (99 Seiten) auf dem ersten Teil. Das Thema<br />
der notariellen Verwahrung wird dabei unter materiellrechtlichen,<br />
zivilprozessualen und notarverfahrensrechtlichen<br />
Gesichtspunkten beleuchtet. Die privatrechtlichen<br />
Abreden der Beteiligten untereinander werden von ihren<br />
öffentlich-rechtlichen Beziehungen zum Urkundsnotar im<br />
Fortgang der Untersuchung stets getrennt.<br />
Im ersten Kapitel (S.5 bis 22) stellt Dornis die Grundlagen<br />
einer Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto dar. Das<br />
Verhältnis zwischen Verwahrungsvereinbarung zwischen<br />
den Beteiligten untereinander und ihrer Verwahrungsanweisung<br />
gegenüber dem Notar wird erläutert. Eingegangen<br />
wird dabei insbesondere auf die neuen Vorschriften<br />
der §§54a ff. BeurkG. Entsprechend dem im Untertitel<br />
skizzierten Schwerpunkt der Arbeit wird dabei die Frage,<br />
wann ein berechtigtes Sicherungsinteresse für ein Notaranderkonto<br />
besteht, nur kurz gestreift und für die weitere Arbeit<br />
unterstellt. Intensiv beschäftigt sich der Autor demgegenüber<br />
mit der Treuhandtätigkeit des Notars, und zwar<br />
einmal im Hinblick auf die Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto<br />
sowie zum anderen mit der Treuhandtätigkeit<br />
des Notars bezüglich des Grundbuchvollzugs und der
<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 407<br />
Buchbesprechung<br />
Koordination von Leistung und Gegenleistung. Dabei stellt<br />
er eine weitreichende Parallele zwischen den Vorschriften<br />
der §§54a ff. BeurkG für die Treuhandtätigkeit beim Notaranderkonto<br />
und der Vorschrift des §53 BeurkG bezüglich<br />
des Urkundsvollzugs durch den Notar gegenüber dem<br />
Grundbuch fest (S.<strong>11</strong>ff.). Während die Vorschriften über<br />
die notarielle Verwahrung eingehende Regelungen über<br />
den Widerruf der Verwahrungsanweisung enthalten und<br />
hier insbesondere in §54c Abs.3 BeurkG ein gerichtliches<br />
Verfahren vorschreiben, fehlen derartige Vorschriften bezüglich<br />
der Anweisungen zum Grundbuchvollzug nach<br />
§53 BeurkG. Dornis spricht sich deshalb dafür aus, §54c<br />
Abs.3 BeurkG auch im Bereich des §53 BeurkG entsprechend<br />
anzuwenden. Grundlegend beschäftigt er sich sodann<br />
mit der Frage des Prüfungsumfangs des Notars bei einem<br />
einseitigen Widerruf einer mehrseitigen Verwahrungsanweisung<br />
nach §54c Abs.3 BeurkG (S.15ff.). Er plädiert<br />
dafür, dass hier der Notar eine Schlüssigkeitsprüfung bezüglich<br />
der geltend gemachten Widerrufsgründe vorzunehmen<br />
habe. Auch vertritt er hierbei den Standpunkt, die Bet.<br />
haben aufgrund des öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis<br />
gegenüber dem Notar bei Kaufpreisabwicklung<br />
über Notaranderkonto keine Zahlungsansprüche gegen den<br />
Notar, sondern – wie sonst auch – lediglich einen Anspruch<br />
auf Erfüllung seiner Amtspflichten (S.19).<br />
Im zweiten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit der<br />
grundlegenden Frage der Erfüllung des Kaufpreisanspruches<br />
bei Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto (S.22<br />
bis 54). Dabei geht er von der Einzahlung als bloße Leistungshandlung<br />
aus. Haben die Beteiligten bezüglich der<br />
Erfüllung keine Regelungen getroffen, stellt sich seiner<br />
Ansicht nach die Zahlung auf Notaranderkonto als gestreckter<br />
Erfüllungsvorgang dar. Sodann setzt er sich eingehend<br />
mit den zur Frage der Erfüllung vertretenen Ansichten<br />
auseinander und prüft anhand der von diesen Ansichten<br />
angeführten Argumente ihre Richtigkeit. Wesentliches<br />
Kriterium ist dabei einmal die Frage, wer das Risiko<br />
in der Insolvenz des Vertragspartners trägt. Eingehend werden<br />
sodann die verschiedenen denkbaren Zeitpunkte einer<br />
Erfüllung der Leistungspflichten dargestellt, jeweils getrennt<br />
für den Fall der Insolvenz des Käufers sowie für den<br />
Fall der Insolvenz des Verkäufers. Ein Insolvenzrisiko besteht<br />
seiner Ansicht für den Käufer nur dann, wenn der<br />
Zeitpunkt der Erfüllung schon mit der Einzahlung auf Notaranderkonto<br />
angenommen wird (S.33ff.). Von daher ist<br />
also aus Sicht des Käufers der Zeitpunkt der Erfüllung<br />
möglichst nach hinten zu verlagern. Vor dem Hintergrund<br />
der neuen Rechtsprechung des BGH zum Wahlrecht des<br />
Insolvenzverwalters (ZIP 2002, 1093 = DNotZ 2002, 648<br />
= BGHZ 150, 353), wonach die gegenseitigen Ansprüche<br />
in der Insolvenz eines Beteiligten weder mit der Eröffnung<br />
des Insolvenzverfahrens noch mit der Erfüllungsablehnung<br />
durch den Insolvenzverwalter erlöschen, sondern erst dann,<br />
wenn der Vertragspartner seinen Schadensersatzanspruch<br />
nach §103 Abs.2 InsO zur Insolvenztabelle anmeldet, verneint<br />
er jedwedes Insolvenzrisiko des Verkäufers (S.37f.).<br />
Dies gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt man<br />
eine Erfüllung des Kaufpreisanspruchs bei Kaufpreisabwicklung<br />
über Notaranderkonto annimmt. Der Insolvenzverwalter<br />
könne sich nicht einseitig vom Vertrag lösen.<br />
Einseitige Weisungen des Insolvenzverwalters sind<br />
nach §54c Abs.3 BeurkG grundsätzlich unbeachtlich. Im<br />
Ergebnis ist seiner Ansicht nach das Argument des Insolvenzrisikos<br />
für die Bestimmung des Zeitpunkts der Erfüllung<br />
daher ungeeignet. Auch die übrigen Argumente, nämlich<br />
die Frage, wer die Nutzungen des Kaufgegenstandes,<br />
wer die Zinsen des Notaranderkontos erhält (S.42ff.), sind<br />
ebenso ungeeignet wie die Frage, wer das Risiko einer Insolvenz<br />
oder eines Auszahlungsfehlers des Notars bzw. der<br />
Bank, bei der Notaranderkonto unterhalten wird, trägt<br />
(S.44ff.). All diese Argumente rechtfertigen es im Ergebnis<br />
nicht, von der grundsätzlichen Regelung des §362<br />
BGB abzuweichen.<br />
Stattdessen schlägt Dornis vor, die vorgenannten Risiken allein<br />
unter dem Blickwinkel des Gefahrenübergangs in den<br />
Griff zu bekommen. Nach Auffassung von Dornis ist deshalb<br />
entgegen der herrschenden Meinung daran festzuhalten,<br />
dass Erfüllung erst mit Auszahlung des Kaufpreises<br />
vom Notaranderkonto eintritt. Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs<br />
ist dagegen der Zeitpunkt der Auszahlungsreife.<br />
Im nächsten Kapitel wendet sich der Autor sodann der Frage<br />
der Abtretung und Pfändung des Kaufpreisanspruchs zu<br />
(S.55 bis 78). Im Kern beschäftigt er sich dabei mit dem<br />
Dogma der herrschenden Ansicht, nämlich dem Prinzip<br />
der „Doppelpfändung“ sowie mit der Frage der Beteiligung<br />
des Zessionars bzw. Pfändungsgläubigers am Verwahrungsverhältnis.<br />
Da das Verwahrungsverhältnis bis<br />
zum Eintritt der Auszahlungsvoraussetzungen mehrseitig<br />
ist, könne der Verkäufer bis dahin über seine Ansprüche<br />
aus dem notariellen Verwahrungsverfahren nur im Zusammenhang<br />
mit dem Kaufpreisanspruch verfügen. Insoweit<br />
wird der Zessionar bzw. Pfändungsgläubiger auch Beteiligter<br />
des Verwahrungsverfahrens. Ab Auszahlungsreife handele<br />
es sich seiner Ansicht dagegen nach um einen selbständigen<br />
Anspruch, den der Verkäufer auch isoliert vom<br />
Kaufpreisanspruch abtreten und verpfänden könne. Der<br />
Grundsatz der Doppelpfändung gehe ab diesem Zeitpunkt<br />
fehl (S.62ff.). Die Rechtssicherheit stehe dem nicht entgegen.<br />
Der Käufer könne sich einmal gegenüber dem Zessionar<br />
nach §404 BGB darauf berufen, die Leistungshandlung<br />
bereits erbracht zu haben. Im Übrigen habe der Zessionar<br />
die Möglichkeit einer umfassenden Information<br />
über eine vereinbarte notarielle Verwahrung, §402 BGB.<br />
Deshalb sei es angezeigt, jedenfalls ab Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen<br />
von einem selbständigen, „künftigen“<br />
Anspruch auszugehen. Dieser Anspruch könne dann<br />
auch selbständig übertragen oder gepfändet werden. Ergänzt<br />
werde der Schutz des Zessionars durch die notariellen<br />
Amtspflichten sowie der Möglichkeit einer Benachrichtigung<br />
des Schuldners nach §407 BGB.<br />
Hinsichtlich der Stellung des Notars nach einer solchen<br />
Abtretung oder Pfändung gelangt der Autor zu dem Ergebnis,<br />
dass der Notar nicht Drittschuldner i.S.d. §840 ZPO<br />
sei (S.71f.). Die entsprechenden Informationen erhalte der<br />
Pfändungsgläubiger jedoch aufgrund seiner Stellung als<br />
Beteiligter am notariellen Verwahrungsverfahren. Eine<br />
Drittschuldnerklage sei nicht erforderlich. Gleichermaßen<br />
hält Dornis den Notar nicht berechtigt, bei einem allfälligen<br />
Prätendentenstreit den hinterlegten Kaufpreis beim<br />
Amtsgericht nach §372 BGB zu hinterlegen (S.72ff.).<br />
Dies widerspreche der gesetzlichen Aufgabe des Notars,<br />
die sich gerade im Hinblick auf die Kaufpreisabwicklung<br />
mit der Verwahrung an den Notar gewandt haben. Stattdessen<br />
schlägt er vor, dass der Notar entsprechend §54c<br />
Abs.3 BeurkG eine etwaige Auszahlung zunächst aussetzt,<br />
im Rahmen einer Schlüssigkeitsprüfung der vorgetragenen<br />
Argumente sich für die Auszahlung an den einen oder den<br />
anderen entscheidet und dies mittels notariellem Vorbescheid<br />
unter Hinweis auf eine endgültige Klärung durch<br />
einen Zivilprozess anzukündigen.
408 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />
Buchbesprechung<br />
Im vierten Kapitel geht es um die notarielle Verwahrung<br />
bei Insolvenz einer Partei des Kaufvertrages (S.79 bis<br />
104). Eingehend setzt sich der Autor dabei mit der neuen<br />
Rechtsprechung des BGH zur Abkehr der „Erlöschungstheorie“<br />
auseinander (BGH ZIP 2002, 1093 = DNotZ<br />
2002, 648). In verschiedenen Fallgruppen wird die Insolvenz<br />
des Käufers als auch die Insolvenz des Verkäufers<br />
dargestellt und zwar unterschiedlich danach, zu welchem<br />
Zeitpunkt die Insolvenz eintritt, also etwa zwischen Vertragsschluss<br />
und Antrag auf Eintragung im Grundbuch<br />
bzw. zwischen Antragsstellung und Eintragung oder auch<br />
vor und nach Zahlung des Kaufpreises (S.85ff.). Bei den<br />
einzelnen Fallgruppen wird dabei danach differenziert, ob<br />
die Zahlung mit und ohne notarieller Verwahrung erfolgt.<br />
Eingegangen wird dabei namentlich auf die Frage des einseitigen<br />
Widerrufs durch den Insolvenzverwalter nach<br />
§54c Abs.3 BeurkG sowie auf die Frage, ob allfällige Verwahrungsanweisungen<br />
an den Notar wegen §§<strong>11</strong>5, <strong>11</strong>6<br />
InsO unwirksam werden. Nach Auffassung des Autors sei<br />
ein einseitiger Widerruf des Insolvenzverwalters grundsätzlich<br />
unbeachtlich. Auch sollen die Vorschriften der<br />
§§<strong>11</strong>5, <strong>11</strong>6 InsO wegen des öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnisses<br />
auf den Notar nicht anwendbar sein.<br />
Entscheidend sei vielmehr, dass ein einseitiger Widerruf<br />
nach §54c Abs.3 BeurkG stets nur durch den Vertragspartner<br />
des Insolvenzschuldners möglich ist. Allein die Erfüllungsablehnung<br />
durch den Insolvenzverwalter genüge<br />
nicht (S.99ff.). Etwaige Vorleistungen des Gemeinschuldners<br />
können durch die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters<br />
nicht in die Masse zurückgeholt werden (BGHZ<br />
129, 336 [340]). Im Ergebnis kommt der Autor zu dem<br />
Schluss, dass das Insolvenzrisiko beider Vertragsparteien<br />
durch Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto beherrschbar<br />
sei. Dabei bestehe kein Sonderrecht für die Abwicklung<br />
über Notaranderkonto. Vielmehr gelten hierbei<br />
die normalen Vorschriften des Zivilrechts.<br />
Im zweiten großen Teil der Arbeit beschäftigt sich der Autor<br />
schließlich mit der Abwicklung des Grundstückskaufs<br />
bei Beteiligung Dritter, und zwar des Finanzierungsgläubigers<br />
wie auch abzulösender Gläubiger (S.105 bis 150).<br />
Der Schwerpunkt liegt hier zunächst in einer ausführlichen<br />
Darstellung der materiell-rechtlichen Abreden der Beteiligten<br />
untereinander und deren Einfluss auf das Verfahren der<br />
notariellen Verwahrung (S.105 bis 136). Breiten Raum<br />
nimmt insbesondere die Beantwortung der Frage ein, ob es<br />
sich bei den Anweisungen der Finanzierungsgläubiger<br />
oder der ablösenden Gläubiger an den Notar um einseitige<br />
oder mehrseitige Treuhandanweisungen handelt. Ebenso<br />
nachgegangen wird der Frage, welche Rechtsfolgen sich<br />
an einen einseitigen Widerruf anknüpfen, die des §54c<br />
Abs.1 BeurkG oder die des §54c Abs.3 BeurkG<br />
(S.108ff.). Nach Auffassung des Autors gehe es sowohl<br />
im Verhältnis der Vertragsparteien zum Finanzierungsgläubiger<br />
als auch zu den abzulösenden Gläubigern letztlich<br />
um einen Austausch der dinglichen Berechtigung gegen<br />
Zahlung bzw. Sicherstellung der Kaufpreiszahlung. Von<br />
daher nimmt Dornis grundsätzlich ein mehrseitiges Treuhandverhältnis<br />
an (S.122ff.). Die Mehrseitigkeit im Verhältnis<br />
zum Finanzierungsgläubiger beginne dabei ab dem<br />
Zeitpunkt der Erbringung einer Vorleistung (Grundschuldbestellung,<br />
Vormerkung) und ende mit der Auszahlungsreife.<br />
Bezüglich der abzulösenden Gläubiger ende die Mehrseitigkeit<br />
mit der Sicherstellung der Lastenfreistellung.<br />
Im weiteren Verlauf (S.127ff.) beschäftigt sich der Autor<br />
mit der Frage der Befristung von Treuhandverhältnissen<br />
und mit den notariellen Belehrungspflichten. Auch spricht<br />
sich der Autor bei einem einseitigen Widerruf einer Treuhandanweisung<br />
durch einen Finanzierungsgläubiger oder<br />
einen abzulösenden Gläubiger stets für die Anwendung<br />
des §54c Abs.3 BeurkG aus (S.122ff.). Namentlich im<br />
Hinblick auf den Finanzierungsgläubiger sei ein solcher<br />
Widerruf zum einen dann beachtlich, wenn dieser mit der<br />
Unwirksamkeit des Kaufvertrages begründet wird. Zum<br />
anderen müsse der Notar den Widerruf auch dann beachten,<br />
wenn die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages vorgetragen<br />
wird. Bei der Frage der Darlehensvalutierung und<br />
des Gefahrübergangs wie auch im Falle der Insolvenz eines<br />
Bet. knüpft der Autor im Wesentlichen an die bereits im ersten<br />
Teil der Arbeit gemachten Ausführungen an (S.136ff.).<br />
Die Frage der Darlehensvalutierung vergleicht er mit der<br />
Frage der Kaufpreiserfüllung bei Zahlung auf Notaranderkonto.<br />
Gleiches gelte für die Frage der Gefahrtragung. Abgeschlossen<br />
werden die Ausführungen letztlich mit einer<br />
Darstellung der insolvenzrechtlichen Probleme beim finanzierten<br />
Grundstückskauf. Wie in Teil 1 wird dabei im Einzelnen<br />
unterschieden zwischen der Insolvenz der finanzierenden<br />
Bank, der Insolvenz des Käufers und Darlehensnehmers<br />
sowie der Insolvenz des Verkäufers (S.145 bis 150).<br />
Das vorliegende Buch gefällt durch seinen klaren Gedankengang<br />
und seinen strukturierten Aufbau. Die Ausführungen<br />
werden auf das Wesentliche konzentriert. Dies führt allerdings<br />
dazu, dass die Arbeit in manchen Passagen nicht<br />
immer leicht verständlich wirkt (so beispielsweise bei den<br />
Überlegungen zur Abtretung und Pfändung des Kaufpreisanspruchs<br />
sowie insbesondere zur Theorie der Doppelpfändung<br />
(S.62ff.).<br />
Mit den zum Notaranderkonto in Rechtsprechung und Literatur<br />
vertretenen Auffassungen setzt sich der Autor eingehend<br />
auseinander. Bei seinen eigenen Überlegungen<br />
kommt er zu einem ausgewogenen, in sich schlüssigen und<br />
praxistauglichen Ergebnis. Festzustellen ist allerdings, dass<br />
der Autor dabei in vielen Bereichen von der derzeit herrschenden<br />
Ansicht (z.B. bloßer Anspruch auf Amtspflichterfüllung<br />
statt Anspruch auf Auszahlung vom Notaranderkonto;<br />
Erfüllung des Kaufpreisanspruchs erst mit tatsächlicher<br />
Auszahlung statt mit Auszahlungsreife, isolierte<br />
Pfändung des Auszahlungsanspruchs statt Doppelpfändung)<br />
abweicht. Von daher sind seine Ergebnisse für den<br />
Praktiker – jedenfalls derzeit – wohl nicht unmittelbar verwertbar,<br />
da dieser sich im Zweifel eher an die gefestigte<br />
Ansicht in Rechtsprechung und Literatur halten wird. Für<br />
die rechtswissenschaftliche Diskussion enthält das Buch<br />
aber eine Fülle interessanter und diskussionswürdiger Gedankengänge,<br />
mit der sich Rechtsprechung und Literatur<br />
zum Notaranderkonto künftig auseinander setzen müssen.<br />
Besonders erwähnenswert sind die Darstellungen zu den<br />
insolvenzrechtlichen Problemen. Diese sind in den unterschiedlichsten<br />
Fallkonstellationen mit den sich für die Bet.<br />
jeweils ergebenden Konsequenzen präzise dargestellt. Gerade<br />
diese Ausführungen sind es, die dieses Buch für die<br />
notarielle Praxis besonders wertvoll erscheinen lassen. Die<br />
verschiedenen Aufgaben des Notars werden einmal im<br />
Hinblick auf seine Verwahrungstätigkeit bezüglich des Notaranderkontos<br />
sowie zum anderen im Hinblick auf seine<br />
Vollzugstätigkeit gegenüber dem Grundbuchamt vor dem<br />
Hintergrund der Insolvenz eines Vertragsbeteiligten und einer<br />
etwaigen Einflussnahme des Insolvenzverwalters überzeugend<br />
dargestellt.<br />
Notar a.D. Dr. Adolf Reul,Würzburg