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11/06November - NotBZ

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<strong>11</strong>/06 November<br />

PVSt 43318<br />

Beiträge<br />

y Entwicklung und Zukunft des geltenden<br />

Kapitalschutzrechts<br />

Notar Dr. Oliver Vossius, München – S.373<br />

y MoMiG – Ein Überblick über den<br />

aktuellen Diskussionsstand<br />

Notar Dr. Heribert Heckschen, Dresden – S.381<br />

y www.unternehmensregister.de<br />

Notar Dr. Roland Suppliet, Rostock – S.391<br />

y Fälligkeit der Notarkosten (Gebühren und<br />

Auslagen)<br />

Kostenrevisor Leitender Notarmitarbeiter<br />

Karsten Werner, Leipzig – S.392<br />

Herausgeberbeirat: Notar Dr. Matthias Cremer, Dresden; Notar Dr. Heribert<br />

Heckschen, Dresden; Notar a. D. Christian Hertel, LL.M., Geschäftsführer<br />

des Dt. Notarinstituts, Würzburg; Notar Dr. Alfons Hueber, Chemnitz; Notar<br />

Prof. Dr. Stefan Hügel, Weimar; Notar Thomas Krause, Staßfurt; Notar Dr.<br />

Hans-Frieder Krauß, Hof; Notar Dr. Peter Limmer, Würzburg; Notar Dr.<br />

Wolfgang Reetz, Köln; Notar Hagen Stavorinus, Fürstenwalde; Notar Dr. Roland<br />

Suppliet, Rostock; Notar Dr. Oliver Vossius, München; Notar Thomas<br />

Wachter, Osterhofen; JR Notar a. D. Prof. Dr. Hans-Armin Weirich, Ingelheim<br />

Rechtsprechung<br />

Beschränkte Wirkung des gesetzlichen<br />

Löschungsanspruchs<br />

(BGH, Urteil v. 9.3.2006 – IX ZR <strong>11</strong>/05<br />

m. Anm. Krause) – S.395<br />

Beurkundung einer Kettenverschmelzung<br />

(OLG Hamm, Beschluss v. 19.12.2005 –<br />

15 W 377/05) – S.400<br />

Gesamtnichtigkeit einer Nachfolgeregelung<br />

(OLG Oldenburg, Urteil v. 16.3.2006 –<br />

1 U 12/05) – S.402<br />

Verlust der Rechtsperson eines ausländischen<br />

Vereins bei Zuzug<br />

(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 27.9.2005 –<br />

3 W 170/05) – S.405


Herausgeberbeirat: Notar Dr. Matthias Cremer, Dresden; Notar Dr. Heribert<br />

Heckschen, Dresden; Notar a.D. Christian Hertel, LL. M., Geschäftsführer des<br />

Deutschen Notarinstituts, Würzburg; Notar Dr. Alfons Hueber, Chemnitz; Notar<br />

Prof. Dr. Stefan Hügel, Weimar; Notar Thomas Krause, Staßfurt; Notar Dr.<br />

Hans-Frieder Krauß, Hof; Notar Dr. Peter Limmer, Würzburg; Notar Dr. Wolfgang<br />

Reetz, Köln; Notar Hagen Stavorinus, Fürstenwalde; Notar Dr. Roland Suppliet,<br />

Rostock; Notar Dr. Oliver Vossius, München; Notar Thomas Wachter, Osterhofen;<br />

JR Notar a.D. Prof. Dr. Hans-Armin Weirich, Ingelheim<br />

10. Jahrgang Heft <strong>11</strong> November 2006<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Beiträge<br />

Entwicklung und Zukunft des geltenden Kapitalschutzrechts<br />

Notar Dr. Oliver Vossius, München 373<br />

MoMiG – Ein Überblick über den aktuellen<br />

Diskussionsstand<br />

Notar Dr. Heribert Heckschen, Dresden 381<br />

www.unternehmensregister.de<br />

Notar Dr. Roland Suppliet, Rostock 391<br />

Fälligkeit der Notarkosten (Gebühren und<br />

Auslagen)<br />

Kostenrevisor Leitender Notarmitarbeiter<br />

Karsten Werner, Leipzig 392<br />

Kostenrecht<br />

Aus der Praxis der Ländernotarkasse<br />

Unterschriftsbeglaubigung 394<br />

Vertragsaufhebung mit Verzicht auf Schadensersatz<br />

Prof. Friedrich Lappe, Berlin 394<br />

Rechtsprechung<br />

Beschränkte Wirkung des gesetzlichen<br />

Löschungsanspruchs<br />

(BGH, Urteil v. 9.3.2006 – IX ZR <strong>11</strong>/05<br />

m. Anm. Krause) 395<br />

Beanstandung der Satzungsregelung über die<br />

Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils im<br />

Rahmen der Anmeldung einer Satzungsänderung<br />

(KG Berlin, Beschluss v. 18.10.2005 –<br />

1 W 27/05) 398<br />

Ausschluss ohne wichtigen Grund<br />

(OLG Frankfurt, Urteil v. 20.10.2005 –<br />

16 U 3/05) 399<br />

Beurkundung einer Kettenverschmelzung<br />

(OLG Hamm, Beschluss v. 19.12.2005 –<br />

15 W 377/05) 400<br />

Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses<br />

(OLG Jena, Beschluss v. 12.10.2006 –<br />

6 W 452/06) 402<br />

Gesamtnichtigkeit einer Nachfolgeregelung<br />

(OLG Oldenburg, Urteil v. 16.3.2006 –<br />

1 U 12/05) 402<br />

Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot<br />

(OLG München, Beschluss v. 4.5.2006 –<br />

31 Wx 023/06) 405<br />

Verschmelzung einer Limited<br />

(OLG München, Beschluss v. 2.5.2006 –<br />

31 Wx 009/06) 405<br />

Verlust der Rechtsperson eines ausländischen<br />

Vereins bei Zuzug<br />

(OLG Zweibrücken, Beschluss v. 27.9.2005 –<br />

3 W 170/05) 405<br />

Buchbesprechung<br />

Tim W. Dornis, Kaufpreiszahlung auf Notaranderkonto<br />

Notar a.D. Dr. Adolf Reul,Würzburg 406<br />

Dieser Ausgabe liegen die Prospekte „beck-online Die<br />

Datenbank“, Verlag C.H. Beck, München, und Streck/<br />

Rieck, St. Ivo, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln, bei.<br />

Wir bitten unsere Leser um freundliche Beachtung.<br />

III


Gesetzgebung<br />

y Die Koalition hat sich laut Mitteilung des Bundesministeriums<br />

für Wirtschaft und Technologie v.<br />

26.10.2006 zum künftigen Energieausweis für Bestandsgebäude<br />

in der zu novellierenden Energieeinsparverordnung<br />

(EnEV) auf folgendes Ergebnis geeinigt:<br />

Bis 31.12.2007 soll eine uneingeschränkte Wahlfreiheit<br />

zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweisen für alle<br />

Gebäude gelten. Alle Bedarfs- und Verbrauchsausweise,<br />

die in der Übergangszeit zwischen Inkrafttreten der novellierten<br />

Verordnung und dem Ablauf 2007 nach den<br />

Anforderungen der EnEV ausgestellt wurden, behalten<br />

zehn Jahre Gültigkeit. Ab 1.1.2008 besteht die Pflicht<br />

zum Bedarfsausweis für Gebäude mit bis zu vier Wohnungen,<br />

die vor 1978 und damit vor Wirksamwerden<br />

der ersten Wärmeschutzverordnung errichtet wurden.<br />

Ausgenommen von dieser Pflicht seien Wohngebäude,<br />

die in der Zwischenzeit saniert worden sind und mindestens<br />

den energetischen Stand der ersten Wärmeschutzverordnung<br />

erreicht haben; für diese bestehe<br />

Wahlfreiheit. Für alle Wohngebäude, die nach 1978 errichtet<br />

wurden, könne zwischen beiden Ausweisarten<br />

uneingeschränkt gewählt werden. Zum Ganzen s. Bachmayer,<br />

<strong>NotBZ</strong> 2006, 257.<br />

y Laut einer Mitteilung des Bundespresseamts vom<br />

25.10.2006 sollen die folgenden Bestimmungen des geplanten<br />

Gesetzes zur Erleichterung der Unternehmensnachfolge<br />

auf Antrag (vgl. §37 Abs.4 ErbStG-<br />

Entwurf) bereits für alle Steuerfälle ab 1.1.2007 gelten,<br />

auch wenn das Gesetz voraussichtlich erst im Lauf des<br />

Jahres 2007 in Kraft tritt und noch etwaige Schlussfolgerungen<br />

aus dem erwarteten Verfassungsgerichtsurteil<br />

zur Erbschaftsteuer einzuarbeiten sein werden:<br />

Ergänzung §13 Abs.1 ErbStG:<br />

„Steuerfrei bleiben ...<br />

19. der Erwerb von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen,<br />

Betriebsvermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften<br />

im Sinne des §28a Abs.1, wenn der Wert<br />

dieses Vermögens insgesamt 100.000 Euro nicht übersteigt;<br />

nicht begünstigtes Vermögen ist hierbei nicht abzuziehen.<br />

Die Wertgrenze kann innerhalb von zehn<br />

Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe nur<br />

einmal berücksichtigt werden.“<br />

Neufassung des §28: Stundung und Erlöschen der<br />

Steuer beim Erwerb begünstigten Vermögens<br />

„(1) Gehört zum Erwerb begünstigtes Vermögen im<br />

Sinne des §28a, ist dem Erwerber die darauf entfallende<br />

Steuer bis zum Ende des zehnten Jahres seit Entstehung<br />

der Steuer zinslos zu stunden. (...)<br />

(2) Die nach Abs.1 zu stundende Steuer erlischt vorbehaltlich<br />

Abs.4 zum Ende eines jeden Jahres, das dem<br />

Zeitpunkt der Entstehung der Steuer folgt (Erlöschenszeitpunkt),<br />

in Höhe eines Teilbetrags von einem Zehntel,<br />

wenn der Betrieb des begünstigten Vermögens, bei<br />

Beteiligungen an einer Personengesellschaft und Anteilen<br />

an einer Kapitalgesellschaft der Betrieb der jeweiligen<br />

Gesellschaft, in einem nach dem Gesamtbild der<br />

wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang<br />

fortgeführt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der<br />

Betrieb insbesondere nach dem Umsatz, dem Auftragsvolumen,<br />

dem Betriebsvermögen und der Anzahl der<br />

Arbeitnehmer vergleichbar ist. Wenn Satz1 nicht erfüllt<br />

ist, wird die gestundete Steuer zum Erlöschenszeitpunkt<br />

fällig.<br />

(3) Soweit der Erwerber begünstigtes Vermögen oder<br />

Teile davon oder Beteiligungen an begünstigtem Vermögen<br />

oder Teile davon veräußert (schädliche Verwendung),<br />

endet die Stundung mit dem Zeitpunkt der Veräußerung.<br />

Als Veräußerung gelten auch die Aufgabe<br />

des Betriebs oder eines Teilbetriebs sowie die verdeckte<br />

Einlage der Anteile an einer Kapitalgesellschaft im Sinne<br />

des §28a Abs.1 Nr.3 in eine Kapitalgesellschaft.<br />

Gleiches gilt, wenn<br />

1. Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert werden,<br />

die der Veräußerer durch eine Sacheinlage (§20<br />

Abs.1 des UmwStG) aus dem Betriebsvermögen im<br />

Sinne des §28a Abs.1 Nr.1 und 2 erworben hat,<br />

2. ein Anteil an einer Gesellschaft im Sinne des §15<br />

Abs.1 Nr.2 und Abs.3 oder §18 Abs.4 des EStG oder<br />

ein Anteil daran veräußert wird, den der Veräußerer<br />

durch eine Einbringung des Betriebsvermögens im Sinne<br />

des §28a Abs.1 Nr.1 und 2 in eine Personengesellschaft<br />

(§24 Abs.1 des UmwStG) erworben hat, oder<br />

3. wenn die Kapitalgesellschaft im Sinne des §28a<br />

Abs.1 Nr.3 innerhalb der Frist aufgelöst oder ihr Nennkapital<br />

herabgesetzt wird oder wenn Vermögen der Kapitalgesellschaft<br />

auf eine Personengesellschaft, eine natürliche<br />

Person oder eine andere Körperschaft (§§3 bis<br />

16 des UmwStG) übertragen wird.<br />

Wird im Fall des §28a Abs.1 Nr.3 Satz2 die Verfügungsbeschränkung<br />

oder die Stimmrechtsbündelung<br />

aufgehoben, endet die Stundung im Zeitpunkt der Aufhebung.<br />

(4) Ist bis zu einem Erlöschenszeitpunkt die nach Abs.1<br />

zu stundende Steuer nach Abs.3 bereits fällig geworden<br />

(...). Die verbleibende gestundete Steuer erlischt in voller<br />

Höhe, wenn das begünstigte Vermögen durch einen<br />

Erwerb von Todes wegen übergeht.<br />

(5) Der Erwerber ist verpflichtet, den nach Abs.2 Satz3<br />

und Abs.3 fälligen Steuerbetrag selbst zu berechnen<br />

(...)<br />

(6) (Säumniszuschläge/Verzinsung)<br />

(7) (nicht inländisches Vermögen)<br />

(8) (Stiftungsvermögen)“<br />

Einfügung §28a ErbStG: Begünstigtes Vermögen<br />

„(1) Begünstigtes Vermögen sind<br />

1. inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen<br />

im Sinne des §141 Abs.1 Nr.1 und 2 des BewG<br />

und selbst bewirtschaftete Grundstücke im Sinne des<br />

§69 des BewG beim Erwerb eines ganzen Betriebs der<br />

Land- und Forstwirtschaft, eines Teilbetriebs, eines Anteils<br />

an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft<br />

oder eines Anteils daran unter der Voraussetzung, dass<br />

es ertragsteuerlich zum Betriebsvermögen eines Betriebs<br />

der Land- und Forstwirtschaft gehört, und ent-<br />

IV (Fortsetzung S. IX)


sprechendes land- und forstwirtschaftliches Vermögen,<br />

das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat der Europäischen<br />

Union oder in einem Staat des Europäischen<br />

Wirtschaftsraums dient. Nicht einzubeziehen sind an<br />

Dritte zur Nutzung überlassene Flächen, die zum Betriebsteil<br />

gehören, Grundstücke, Grundstücksteile,<br />

grundstücksgleiche Rechte und Bauten, soweit es sich<br />

nicht um Betriebswohnungen handelt. Eine Nutzungsüberlassung<br />

an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der<br />

Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb<br />

als auch im nutzenden Betrieb einen einheitlichen<br />

geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte<br />

oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des<br />

§ 13 Abs.7 des EStG den Vermögensgegenstand der<br />

Gesellschaft zur Nutzung überlassen hatte, und diese<br />

Rechtsstellung auf den Erwerber übergegangen ist, soweit<br />

keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten<br />

erfolgt;<br />

2. inländisches Betriebsvermögen (§§95 bis 97 des<br />

BewG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines<br />

Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft im<br />

Sinne des §15 Abs.1 Satz1 Nr.2 und Abs.3 oder §18<br />

Abs.4 des EStG, eines Anteils eines persönlich haftenden<br />

Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf<br />

Aktien oder eines Anteils daran und entsprechendes Betriebsvermögen,<br />

das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedsstaat<br />

der Europäischen Union oder in einem Staat<br />

des Europäischen Wirtschaftsraums dient.<br />

Nicht einzubeziehen sind folgende Vermögensgegenstände:<br />

a) Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke,<br />

Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten,<br />

Seeschiffe, Flugzeuge, Konzessionen, gewerbliche<br />

Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen<br />

an solchen Rechten und Werten. Eine Nutzungsüberlassung<br />

an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn der<br />

Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb<br />

als auch im nutzenden Betrieb einen einheitlichen<br />

geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte<br />

oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des<br />

§15 Abs.1 Satz1 Nr.2 und Abs.3 oder §18 Abs.4 des<br />

EStG den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zur<br />

Nutzung überlassen hatte, und diese Rechtsstellung auf<br />

den Erwerber übergegangen ist, soweit keine Nutzungsüberlassung<br />

an einen weiteren Dritten erfolgt,<br />

b) Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare<br />

Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften<br />

25 Prozent oder weniger beträgt,<br />

c) Beteiligungen an Gesellschaften im Sinne des §15<br />

Abs.1 Satz1 Nr.2 und Abs.3 oder §18 Abs.4 des EStG<br />

und an entsprechenden Gesellschaften in einem Mitgliedsstaat<br />

der Europäischen Union oder in einem Staat<br />

des Europäischen Wirtschaftsraums sowie Anteile an<br />

Kapitalgesellschaften, die nicht unter Buchstabe b fallen,<br />

soweit zum Vermögen dieser Gesellschaften nicht<br />

begünstigtes Vermögen gehört,<br />

d) Geldbestände, Geldforderungen gegenüber Kreditinstituten<br />

sowie vergleichbare Forderungen und Wertpapiere,<br />

e) Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche<br />

Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen,<br />

Edelmetalle und Edelsteine,<br />

soweit die Summe ihrer Werte den Wert der Schulden<br />

und sonstigen Abzüge nach den §§103 und 104 des<br />

BewG übersteigt;<br />

3. Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Kapitalgesellschaft<br />

zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz<br />

oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen<br />

Union oder in einem Staat des Europäischen<br />

Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker<br />

am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 Prozent<br />

unmittelbar beteiligt war (Mindestbeteiligung). Ob<br />

der Erblasser oder Schenker die Mindestbeteiligung erfüllt,<br />

ist nach der Summe der dem Erblasser oder<br />

Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der<br />

Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn<br />

der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter<br />

unwiderruflich untereinander verpflichtet sind,<br />

über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich<br />

auf andere derselben Verpflichtung unterliegende<br />

Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht<br />

gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich<br />

auszuüben. Soweit zum Vermögen der Kapitalgesellschaft<br />

Vermögensgegenstände gehören, die nach Nummer<br />

1 Satz2 und Nummer 2 Satz2 nicht in das begünstigte<br />

Vermögen einzubeziehen sind, ist der Teil des Anteilswerts<br />

nicht begünstigt, der dem Verhältnis der Summe<br />

der Werte der nicht einzubeziehenden Vermögensgegenstände<br />

zum Wert des gesamten Vermögens der<br />

Kapitalgesellschaft entspricht.<br />

(2) Überträgt der Erwerber erworbenes begünstigtes<br />

Vermögen im Sinne des Abs.1 aufgrund einer letztwilligen<br />

Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen<br />

Verfügung des Erblassers oder Schenkers<br />

oder in Folge der Teilung des Nachlasses auf einen<br />

Dritten, erhält der Erwerber insoweit nicht die Begünstigung<br />

nach §28. Soweit der Dritte diesem Erwerber im<br />

Rahmen der Teilung des Nachlasses nicht begünstigtes<br />

Vermögen hingibt, das er vom Erblasser erworben hat,<br />

erhöht sich der Wert des begünstigten Vermögens des<br />

Dritten nach Absatz 1 um den Wert des hingegebenen<br />

Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen<br />

Vermögens.“<br />

§13a ErbStG soll entfallen.<br />

Daher weist Frau RA Thonemann, LL.M. (Söffing&Partner,<br />

Rechtsanwälte in Düsseldorf) auf folgendes<br />

hin:<br />

Solange das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, bietet<br />

es sich bei Betriebsvermögen zwischen 100.000 und<br />

225.000 (zzgl. etwaiger persönlichen Freibeträge) für<br />

Unternehmer, die in den letzten zehn Jahren keinen Gebrauch<br />

von §13a ErbStG gemacht haben, grundsätzlich<br />

an, ihr Betriebsvermögen noch in diesem Jahr bzw. bis<br />

zur Verabschiedung des Gesetzes zu übertragen, um in<br />

den Genuss des aktuellen §13a ErbStG zu kommen.<br />

Dies gilt vor allem dann, wenn Grundvermögen oder<br />

weiteres nicht produktives Vermögen enthalten ist.<br />

IX


Veranstaltungen<br />

y Der Notar im System der Rechtsberufe<br />

Fünfte Tagung Berufspolitik des Deutschen Notarvereins<br />

am 26. und 27.1.2007 in Leipzig, Renaissance Hotel.<br />

Das Tagungsprogramm finden Sie abgedruckt im<br />

nächsten Heft oder erhalten Sie mit weiteren Informationen<br />

beim Deutschen Notarverein, Berlin, Kronenstr.<br />

73/74, Tel. 0 30/20 61 57 40, Fax. 0 30/20 61 57 50,<br />

E-Mail: kontakt@dnotv.de. Bitte beachten Sie für Übernachtungswünsche<br />

die bereits am 20.12.2006 endende<br />

Reservierungsfrist des Tagungshotels (begrenztes<br />

Kontingent zu 100 EZ, <strong>11</strong>7 DZ, inkl. Frühstück u.<br />

MwSt; Buchung: Renaissance Leipzig Hotel, Großer<br />

Brockhaus 3, 04103 Leipzig, Tel.: 03 41/1 29 20; Fax:<br />

03 41/1 29 21 25).<br />

y Die Centrale für GmbH – Dr. Otto Schmidt KG<br />

veranstaltet u.a. folgende Seminare:<br />

– Kölner Tage Nonprofit-Organisationen – Zivil- und<br />

steuerrechtliche Beratung und Gestaltung am<br />

23.<strong>11</strong>.2006.<br />

– Reform des Unterhaltsrechts und neueste BGH-<br />

Rechtsprechung, am 29.<strong>11</strong>.2006 in Köln.<br />

– GmbH-Steuer-Highlights 2006/2007, am 29.<strong>11</strong>.2006<br />

in Köln.<br />

– Kölner Tage Familiengesellschaften, am 30.<strong>11</strong>.2006.<br />

Impressum<br />

<strong>NotBZ</strong> – Zeitschrift für die notarielle Beratungsund<br />

Beurkundungspraxis<br />

Herausgeber: Ländernotarkasse Leipzig i.V.m. den Notarkammern<br />

Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt<br />

und Thüringen.<br />

Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58,<br />

50968 Köln, Postfach 51 10 26, 50946 Köln, Telefon<br />

0221/9373801, Telefax 0221/93738943. Erfüllungsort und Gerichtsstand<br />

ist Köln.<br />

Schriftleitung: Notarassessor Dr. Dirk-Ulrich Otto (verantw.), Ländernotarkasse<br />

Leipzig, Springerstraße 8, 04105 Leipzig, Telefon:<br />

0341/59081-0; Telefax: 0341/5908166.<br />

Druck: rewi druckhaus, Reiner Winters GmbH,<br />

Wiesenstr. <strong>11</strong>, 57537 Wissen. E-Mail: typo@rewi.de<br />

Anzeigenleitung: Renate Becker, Telefon: (0221) 93738-421 ·<br />

Telefax: 93738-942; E-Mail: becker@otto-schmidt.de<br />

Stadtsparkasse Köln (BLZ 37050198) Konto 30602155 und Postbank<br />

Köln (BLZ 37010050) Konto 53950508<br />

Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 10/2006<br />

ISSN 1433-1780<br />

Abonnement: Die <strong>NotBZ</strong> erscheint einmal im Monat. Der Preis für<br />

das Jahresabonnement beträgt 134 ., Einzelheft 13,40.. Alle Preise<br />

zuzüglich Versandkosten (jährlich 10,90 . im Inland), die Mehrwertsteuer<br />

ist in gesetzlicher Höhe enthalten. Abbestellungen müssen<br />

6 Wochen vor Jahresende erfolgen. Erfüllungsort und Gerichtsstand:<br />

Köln<br />

X<br />

– Unternehmens- und Anteilskauf mit Umstrukturierung,<br />

am 1.12.2006 in Düsseldorf.<br />

– GmbH-Steuer-Highlights 2006/2007, am 6.12.2006 in<br />

Stuttgart.<br />

– Kölner Tage – Das neue Umwandlungssteuergesetz,<br />

am 24.1.2007 in Köln.<br />

– Reform des Unterhaltsrechts und neueste BGH-<br />

Rechtsprechung, am 7.3.2007 in Düsseldorf.<br />

Information und Anmeldung unmittelbar bei der Centrale<br />

für GmbH: www.centrale.de oder Tel: 02 21/9 37<br />

38–655.<br />

y Das DAI – Fachinstitut für Notare – bietet folgende<br />

Seminare an:<br />

– Praktikertagung: Bauträgervertragsrecht (Basty), am<br />

13.1.2007 in Wiesbaden.<br />

– GmbH-Recht in der Kautelarpraxis (Schaub), am<br />

19.1.2007 in Köln und am 20.1.2007 in Kassel.<br />

– Schnittstellen im Zivil- und Steuerrecht (Wälzholz),<br />

am 20.1.2007 in Kiel.<br />

– Intensivkurs Erbrecht (Frenz, Kössinger, Nieder), vom<br />

1.2. bis 3.2.2007 in Oldenburg.<br />

– Aktuelle Probleme der notariellen Vertragsgestaltung<br />

(Amann, Everts, Frenz, Hertel), am 9.2. in Kassel und<br />

am 10.2.2007 in Würzburg.<br />

Weitere Information und Anmeldung unmittelbar beim<br />

DAI: Tel. 02 34/9 70 64–0 oder über www.anwaltsinstut.de.<br />

Urheber- und Verlagsrechte: Die Zeitschrift und alle veröffentlichten<br />

Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Manuskripte werden nur zur Alleinveröffentlichung angenommen.<br />

Der Autor versichert, über die urheberrechtlichen Nutzungsrechte<br />

an seinem Beitrag einschließlich aller Abbildungen allein verfügen<br />

zu können und keine Rechte Dritter zu verletzen. Mit Annahme des<br />

Manuskripts geht für die Dauer von vier Jahren das ausschließliche,<br />

danach das einfache Nutzungsrecht vom Autor auf den Verlag über,<br />

jeweils auch für Übersetzungen, Nachdrucke, Nachdruckgenehmigungen<br />

und die Kombination mit anderen Werken oder Teilen daraus.<br />

Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere auch die Befugnis<br />

zur Einspeicherung in Datenbanken sowie zur weiteren Vervielfältigung<br />

und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken im Wege fotomechanischer,<br />

elektronischer und anderer Verfahren einschließlich<br />

CD-ROM und Online-Diensten.<br />

Jede vom Urheberrechtsgesetz nicht ausdrücklich zugelassene Verwertung<br />

bedarf vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlags.<br />

Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung,<br />

Mikroverfilmung und Einspeicherung, Verarbeitung bzw.<br />

Wiedergabe in Datenbanken oder anderen elektronischen Medien<br />

und Systemen. Fotokopien dürfen nur als Einzelkopien für den persönlichen<br />

Gebrauch hergestellt werden.<br />

Hinweise für Einsender: Bitte senden Sie alle Aufsatzmanuskripte,<br />

zum Ausdruck bestimmte Gerichtsentscheidungen und Rezensionen<br />

unmittelbar an die Schriftleitung. Bei der Einsendung von Entscheidungen<br />

sind wir für den Hinweis dankbar, ob sie rechtskräftig sind.<br />

Bitte geben Sie mit der Einsendung Ihre Bankverbindung an. Ihre<br />

Manuskripte senden Sie bitte per Datei oder per E-Mail. Bei der<br />

Übersendung von Disketten bitte wir zusätzlich um Überlassung eines<br />

Ausdrucks des Manuskripts und um Angabe des verwendeten<br />

Systems.


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 373<br />

GESELLSCHAFTSRECHT<br />

Entwicklung und Zukunft des geltenden Kapitalschutzrechts<br />

Das geltende Kapitalschutzrecht greift überwiegend<br />

nur bei massehaltiger Insolvenz. Es prämiert nach Ansicht<br />

des Verf. die masselose Insolvenz, nutzt damit<br />

dem Einzelgläubiger nur marginal und schädigt die<br />

Volkswirtschaft. Der Verf. zeigt anhand einer Genese<br />

des Kapitalschutzrechts, warum dessen Lösungsansätze<br />

mit seinem heutigen Ziel des Gläubigerschutzes<br />

nicht zusammenpassen. Er plädiert für eine vollständige<br />

Neukonzeption, die sich nicht auf den Transfer aus<br />

anderen Rechtsordnungen beschränkt, aber zielgerichteten<br />

Individualschutz bieten soll.<br />

1 OLG Brandenburg DB 2006, 996 ff. Gesellschafterfreundlicher<br />

das KG GmbHR 2004, 1388.<br />

2 BGH, II ZR 75/04, GmbHR 2006, 477; hierzu etwa Bayer/<br />

Lieder, GmbHR 2006, 449. S.a. OLG München, ZIP 2006,<br />

25, hierzu Pentz, ZIP 2006, 781 ff.<br />

3 BGH GmbHR 2005, 229 (230) einerseits und BGH ZIP<br />

2004, 849 = GmbHR 2004, 736 mit Anm. Heidinger andererseits,<br />

letztere wiederum in Aufgabe des mit BGH ZIP<br />

1996, 1466 = GmbHR 1996, 772 sowie BGH ZIP 1995, 28 =<br />

GmbHR 1995, <strong>11</strong>3 geschaffenen richterrechtlichen Sanierungsprivilegs.<br />

4 Zur Kasuistik der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung<br />

jüngst BGH GmbHR 2005, 234 (235) sowie BGH GmbHR<br />

2005, 538 (539) jeweils mit weiteren Nachweisen sowie<br />

OLG Frankfurt GmbHR 2005, 930 zur Inanspruchnahme des<br />

ausgeschiedenen Gesellschafters.<br />

5 Grundlegend hierzu BGH GmbHR 2002, <strong>11</strong>93 (Schütt-aushol-Zurück-Verfahren)<br />

und BGH GmbHR 2003, 1051 (letztere<br />

Entscheidung führte in zahlreichen Fällen wegen der<br />

Anwendung des Grundsatzes der Geschäftseinheit zur Notwendigkeit<br />

einer „Heilung der Heilung“). Zu Folgeproblemen<br />

etwa Lappe/Schefold, GmbHR 2005, 585ff.; Hägele,<br />

GmbHR 2005, 91; Temme/Küperkoch, GmbHR 2004, 1556.<br />

Grundlegend hierzu aus neuerer Zeit Bayer, GmbHR 2004,<br />

445ff.<br />

6 Dazu jüngst KG GmbHR 2005, 929.<br />

7 BGH GmbHR 2003, 227 und BGH GmbHR 2003, <strong>11</strong>25.<br />

8 BGH GmbHR 1999, 9<strong>11</strong>.<br />

9SoMeyer/Hermes, GmbHR 2005, 807 (809). Zur vergleichbaren<br />

Lage im Ausland einschließlich Großbritannien Haas,<br />

GmbHR 2006, 505f., bes. bei Fn.4, 5 und 9.<br />

10 Haas, Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentages Band<br />

I Teil E, 2006, S. E <strong>11</strong>-12.<br />

<strong>11</strong> Haas (Fn.10), S. E 107.<br />

12 Näher hierzu Vossius, notar 2004, 107 (<strong>11</strong>2) (Auswertung<br />

der in der GmbHR veröffentlichten Entscheidungen der Jahre<br />

1991-2003). Etwa 40% der Entscheidungen betreffen Fragen<br />

der Geschäftsführerhaftung, nur der verbleibende Rest<br />

betrifft Satzungsfragen und Anteilsabtretungen.<br />

13 Zu den sozialrechtlichen Haftungsrisiken jüngst Schröder,<br />

GmbHR 2005, 736.<br />

14 Zur ökonomischen Analyse der Stellung des Insolvenzverwalters<br />

Uriel Procaccia, ECFR 2004, 206 (212 f.).<br />

Notar Dr. Oliver Vossius, München<br />

I. Problemstellung<br />

Das in Deutschland geltende Recht der Kapitalaufbringung<br />

und -erhaltung hat zu bemerkenswerten Entwicklungen<br />

geführt.<br />

Da werden Gesellschafter nach Jahren zur nochmaligen<br />

Leistung der Stammeinlage verurteilt, nur weil sie ihre<br />

Bankbelege nicht mehr haben, wenngleich im Jahresabschluss<br />

seit Jahren unbeanstandet keine ausstehenden<br />

Einlagen mehr gebucht waren. 1 Konzerne, die, um legal<br />

Bankzinsen zu sparen, einen zentralen Cashpool eingerichtet<br />

haben, können faktisch keine frisch gegründeten<br />

Tochtergesellschaften mehr in diesen einbeziehen, ohne<br />

in die Falle einer verdeckten Sacheinlage zu tappen. 2<br />

Wehe dem, der noch vor Fassung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses<br />

den Kapitalerhöhungsbetrag einzahlt.<br />

3 Wehe auch dem, der seine Immobilie an eine<br />

Gesellschaft vermietet, an der er mit mehr als 10% beteiligt<br />

ist. 4<br />

Das ist aber noch nicht alles. Man denke an die vielfältigen<br />

Produkte juristischer Kreativität wie die verdeckte<br />

Sacheinlage, 5 die verdeckte Sachkapitalerhöhung, 6 die<br />

wirtschaftliche Neugründung, 7 Finanzplankredite, 8 kapitalersetzende<br />

Darlehen und Bürgschaften bis hin zu –<br />

und das ist eventuell Zukunftsmusik – den möglichen<br />

kapitalschutzrechtlichen Auswirkungen von financial<br />

covenants. All das soll nur einem Ziel dienen, dem<br />

Gläubigerschutz. Doch wen schützt dieses Recht wirklich?<br />

In 50% der Fälle von Zahlungsunfähigkeit kommt es<br />

mangels Masse gar nicht zur Insolvenzeröffnung. 9 An<br />

55% der Gesamtforderungsausfälle sollen GmbH<br />

schuld sein. 10 Nur 5% aller zur Offenlegung ihrer Abschlüsse<br />

verpflichteten Gesellschaften kommen dieser<br />

Pflicht tatsächlich nach. <strong>11</strong> Ist das effektiver Gläubigerschutz?<br />

Andererseits befassen sich fast 50% der Entscheidungen<br />

des Bundesgerichtshofs zum GmbH-Recht<br />

mit Fragen der Kapitalaufbringung und -erhaltung. 12<br />

Die Literatur hierzu füllt ganze Bibliotheken. Warum<br />

ist das so?<br />

Weitere ca. 40% der Entscheidungen zum GmbH-<br />

Recht, in denen es um die persönliche Haftung des Geschäftsführers<br />

geht, steuern daneben auch Kläger aus<br />

dem Bereich der Sozialversicherung oder der Finanzbehörden<br />

bei. 13 Auffallend ist, dass die einzelnen Gläubiger<br />

sonst kaum Prozesse führen. In fast allen Fällen bilden<br />

die Insolvenzverwalter mit ihrem verständlichen<br />

Bemühen, die magere Insolvenzmasse anzureichern,<br />

das Kapitalschutzrecht ständig weiter fort. Aber welchen<br />

Wirkungsgrad und welche Transaktionskosten hat<br />

das Insolvenzrecht eigentlich? 14


Vossius<br />

374 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Kapitalschutzrecht<br />

Ein Zyniker wird dem GmbH-Gesellschafter daher raten,<br />

zwei Regeln zu befolgen: Bezahle erstens immer<br />

Deine Steuern und Deine Sozialabgaben. Und wenn<br />

zweitens Dein Unternehmen in die Krise kommt, dann<br />

mache besser so lange weiter, bis keine Insolvenz mehr<br />

eröffnet werden kann, dann wird auch kein Insolvenzverwalter<br />

nach kapitalschutzrechtlichen „Leichen im<br />

Keller“ suchen. Nach wie vor gilt also der Befund Kilgers:<br />

15 „Der Könner macht nicht einfach Konkurs! –<br />

Der Könner macht masselos Konkurs!“ 16<br />

Denn der einzelne Gläubiger wird kaum gefährlich werden.<br />

Er hat gar nicht die Informationen über Interna,<br />

um eine Klage gegen den Gesellschafter halbwegs<br />

schlüssig darzustellen. Zudem wird er sich fragen, warum<br />

er denn sein gutes Geld dem schlechten hinterher<br />

werfen soll. «Les oiseaux se cachent pour mourir». 17<br />

Und was den generalpräventiven Effekt des Strafrechts<br />

betrifft: Kaum je wurde angeblich so viel gestohlen wie<br />

beim öffentlichen Hängen von Taschendieben.<br />

Dem von der Insolvenz Betroffenen, nämlich dem<br />

Gläubiger, nützt das Kapitalschutzrecht also allenfalls<br />

marginal. Belastbare Anspruchsgrundlagen gegen missbräuchliche<br />

Vermögensverschiebungen gibt es ihm<br />

nicht. Profiteure des Ist-Zustands sind nicht die Gläubiger,<br />

sondern zunächst einmal die Gesellschafter, die Geschäftsführer<br />

und – wegen der interessanten Möglichkeiten<br />

zur Auslastung ihrer Prozessabteilungen – vielleicht<br />

sogar auch die Insolvenzverwalter.<br />

Die ökonomische Prämierung der masselosen Insolvenz<br />

schadet aber der Volkswirtschaft. Rettungschancen in Krisen<br />

werden vertan, Lieferanten und Handwerker drohen<br />

in den Sog des Strudels zu geraten, Arbeitsplätze gehen<br />

verloren, die Expertise der Mitarbeiter wird vergeudet,<br />

wenn eingespielte Teams in alle Winde zerstreut werden.<br />

Angesichts dieser nicht gerade überzeugenden Leistungsbilanz<br />

sind die Nebenwirkungen unseres Kapitalschutzrechts<br />

erheblich. Zum einen bindet die Prüfung der<br />

Kapitalaufbringung im Handelsregisterverfahren gerade<br />

bei Sacheinlagen in erheblichem Maß Rechtspflegeressourcen.<br />

Zum zweiten macht es die Implementierung international<br />

gebräuchlicher Techniken der corporate finance<br />

in unser Kapitalerhaltungsrecht (z.B. up-stream Finanzierung,<br />

debt push down oder asset backed securities)<br />

außerordentlich beratungs- und daher kostenintensiv –<br />

und oft genug kaum möglich. Und drittens richten sich<br />

die harten Sanktionen des Kapitalschutzrechts nicht nur<br />

spezifisch gegen die Bösen, sondern nicht zuletzt auch<br />

gegen die ahnungslosen Guten. Auch wenn der Gesellschafter<br />

kurz nach der Gründung seiner GmbH dieser einen<br />

gebrauchten Pkw zum Schätzpreis nach Gutachten<br />

verkauft, treffen ihn die „katastrophalen“ 18 Folgen der<br />

verdeckten Sacheinlage. Wenn Recht wie asiatische Willkür<br />

empfunden wird, dann verfällt der Laie in fatalistische<br />

Abstumpfung, statt sich an Rechtsnormen zu halten.<br />

Bei diesem Befund bleibt nur Shakespeares Hamlet:<br />

„There is something rotten in the State of Denmark“.<br />

II. Zur Genese des Kapitalschutzrechts<br />

Dieser Rechtszustand war nicht zu allen Zeiten so. Ein<br />

paar Impressionen aus der Ideengeschichte des deut-<br />

schen Gesellschaftsrechts der letzten 150 Jahre können<br />

dies zeigen.<br />

1. Kapital als Aufgriffsschwelle<br />

Nach den holländischen und englischen Kolonialgesellschaften<br />

entstehen Kapitalgesellschaften im Zeitalter<br />

der Industrialisierung zur Finanzierung von Großvorhaben,<br />

vor allem des Eisenbahnbaus. 19<br />

Anfangs können juristische Personen nur durch Hoheitsakt<br />

des Souveräns geschaffen werden. Ein Beispiel hierfür<br />

ist etwa die Royal Bank of Scotland, die keinen<br />

Rechtsformzusatz in ihrer Firma führt, da sie auf einem<br />

ActofParliamentberuht. Diesen Ansatz wird man später<br />

Konzessionssystem nennen. 20 Hier taucht der Gedanke<br />

eines Mindestkapitals erstmals auf. Das Konzept stammt<br />

aus dem Stiftungsrecht und prägt dieses noch heute: die<br />

Staatsverwaltung setzt ihre knappen Ressourcen nur<br />

dann ein, wenn dies im Interesse des Gemeinwesens<br />

liegt. Voraussetzung für die Genehmigung einer Aktiengesellschaft<br />

ist ihre „Gemeinnützigkeit“, d.h. dass ihre<br />

Gründung im Interesse staatlicher Wirtschaftsförderung<br />

liegt. 21 Mit Gläubigerschutz hat das nichts zu tun. 22 Nah<br />

15 So treffend schon vor Jahren Kilger, AnwBl 1987, 424 (425).<br />

16 Zu den Schwächen der deutschen Gesellschafter- und Geschäftsführerhaftung<br />

jenseits des Kapitalschutzrechts eingehend<br />

Haas (Fn. 10), S. E 23- E 51, bes. E. 47-51.<br />

17 So die französische Übersetzung des Romans von Colleen<br />

McCullough, The Thorn Birds, von 1983 (deutsch „Dornenvögel“).<br />

18 So die berühmte Formulierung in Lutter/Hommelhoff,<br />

GmbHG, 14.Aufl. 2004, § 5 Rz. 47.<br />

19 Zum Ganzen Coing, Europäisches Privatrecht, Band II, 1989<br />

§§13-17.<br />

20 In der zeitgenössischen Literatur kommt der Begriff nicht<br />

vor (ebenso wenig wie der Begriff des Systems von Normativbestimmungen),<br />

vgl. nur etwa Windscheid, Lehrbuch des<br />

Pandektenrechts, 4. Aufl. 1875, § 60 oder Dernburg, Pandekten,<br />

1888, § 63 No. 2. In der Diskussion über die Aktienrechtsreform<br />

1884 taucht der Begriffsdualismus aber bereits<br />

auf, vgl. die Beiträge des liberalen Rechtsanwalts und<br />

Reichstagsabgeordneten Dr. Horwitz anlässlich der Beratung<br />

des Aktiengesetzes 1884 am 24.03.1884, Sitzungsprotokolle<br />

des Deutschen Reichstags Band 82, S. 200 (203). Dr. Heinrich<br />

Joseph Horwitz (1824-1899) war Rechtsanwalt und Notar<br />

in Berlin und gehörte dem Reichstag ab 1883 als Mitglied<br />

der Deutschen Fortschrittspartei an (Bernd Haunfelder, Die<br />

liberalen Abgeordneten des Deutschen Reichstags<br />

1877-1918, 2004, S. 210).<br />

21 S. Entwurf der Kommission für die Revision des Handelsrechts,<br />

mit Motiven vom 13.1.1842, Motive, S. 10-<strong>11</strong>, 21-22<br />

(abgedruckt bei Theodor Baums [Hrsg.], Gesetz über die Aktiengesellschaften<br />

für die Preußischen Staaten vom 9. November<br />

1843, Texte und Materialien, 1981, S. 54-55, 65-66<br />

sowie Protokoll der Sitzung des Kgl. Staatsministeriums<br />

vom 20.6.1841, a.a.O., S. 87, Gutachten des Staatsministers<br />

Schön vom 23.12.1841, a.a.O., S.<strong>11</strong>0, des Wirklichen Geheimen<br />

Oberregierungsrats Hoffmann vom 30.12.1841, a.a.O.,<br />

S. 129 (gemeinnützig ist „alles, was die Sicherheit, Bequemlichkeit<br />

und Annehmlichkeit des Lebens vermehrt“) und der<br />

vereinigten Abtheilungen des Königlichen Staatsraths für die<br />

Finanzen und die Justiz vom 16.3.1843, a.a.O., S.139 ff.<br />

22 Hierzu Coing (Fn.19), § 16 (S. 120ff.) und § 17 II 3 (S.128)<br />

sowie Schubert, Festschrift 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992,<br />

S. 1, 4-7.


Vossius<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 375<br />

Kapitalschutzrecht<br />

sind auch die Parallelen zum Kommanditkapital der KG,<br />

aus der sich – über die KGaA – die Aktiengesellschaft<br />

entwickelt hat. Die AG wird als KG ohne Vollhafter begriffen.<br />

23<br />

Ausgehend von England und Frankreich bahnt sich,<br />

was das Gründungsverfahren betrifft, aber ein anderer<br />

Ansatz seinen Weg, den man später System von Normativbestimmungen<br />

nennen wird. Grund für seinen Erfolg<br />

ist wohl weniger die Ideologie, sondern der enorme Bedarf<br />

wachsender industrieller Wirtschaftssysteme an juristischen<br />

Personen mit Haftungsbeschränkung. Dieser<br />

Ansatz erreicht das Deutsche Reich in Gestalt des Aktienrechts<br />

des HGB von 1870, einer Frucht der kurzen<br />

liberalen Phase um die Reichsgründung (1867-<br />

1878/79). Die freie Gründung von Aktiengesellschaften<br />

wird akzeptiert, 24 das Gesetz enthält ebenso wenig wie<br />

früher 25 ein explizites Mindestkapital. Dieses ergibt<br />

sich nur implizit als Produkt von Mindestnennwert je<br />

Aktie und Mindestzahl der Gründer. 26 In England ist<br />

damals schon das Mindestkapital abgeschafft 27 .<br />

23 Die Parallele zur KG hat schon Staatsminister Friedrich Carl<br />

von Savigny am 14.6.1843 bei den Beratungen zum Preußischen<br />

Gesetz über die Aktiengesellschaften gezogen, siehe<br />

die Protokolle der Sitzungen des königlichen Staatsrats zur<br />

Beratung des Entwurfs eines Aktiengesetzes, abgedruckt bei<br />

Baums, Gesetz über die Aktiengesellschaften für die Königlich<br />

Preußischen Staaten. Texte und Materialien, 1981,<br />

S. 170f. (Analyse von Baums, a.a.O., S. 31-35). Sichtbar<br />

wird die Parallele weiter im Vergleich von § 32 GmbHG einerseits<br />

und § 172 Abs. 5 HGB andererseits. Auch die AG hat<br />

historisch ihren Ursprung in der Kommanditgesellschaft auf<br />

Aktien, siehe etwa Coing (Fn.19), § 13 III 2 (zum Code de<br />

commerce) und das ADHGB, das die KGaA im selben Abschnitt<br />

als Sonderfall der KG regelt (vgl. Art. 150–172 zur<br />

KG und Art. 173-206 zur KGaA; Art. 207ff. zur AG folgen<br />

in Aufbau und Regelungsgegenstand den Art. 173ff.). Siehe<br />

auch den Vorschlag Levin Goldschmidts, Alte und neue Formen<br />

der Handelsgesellschaft, Vortrag vor der Juristischen<br />

Gesellschaft in Berlin, 1892, in Levin Goldschmidt, Vermischte<br />

Schriften, Band 2, 1901, S. 338 f. („Zubussegesellschaften“).<br />

Kritisch zur HGB-Systematik bereits der Abgeordnete<br />

Dr. Horwitz in der <strong>11</strong>. Sitzung des Reichstags vom<br />

24.3.1884, Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags,<br />

Band 82, S. 201.<br />

24 Siehe Art. 174, 208 HGB i.d.F. des Gesetzes des Norddeutschen<br />

Bundes vom <strong>11</strong>.6.1870 (anders dagegen noch Art. 208<br />

Abs. 1 ADHGB: „Actiengesellschaften können nur mit staatlicher<br />

Genehmigung errichtet werden“).<br />

25 Nach dem Preußischen Aktiengesetz 1843 lag die Höhe des<br />

einzuzahlenden Kapitals im Ermessen der Genehmigungsbehörde.<br />

26 Siehe Art. 173, 175 Nr.6, 207a Abs. 1, 209 Nr.6 HGB i.d.F.<br />

vom <strong>11</strong>.6.1870 (bei Inhaberaktien 100 Vereinsthaler, bei Namensaktien<br />

und der KGaA 50 Vereinsthaler Mindestnennwert,<br />

Mindestzahl der Gründer 3 wegen des aus den Aktionären<br />

zu wählenden Aufsichtsrats: damit 300 bzw. 150 Vereinsthaler,<br />

entspricht 900 bzw. 450 Mark). Damit war der Mindestnennwert<br />

gegenüber der früheren Rechtslage sogar abgesenkt,<br />

so die Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes,<br />

betreffend die KGaA und die AG (von 1884) § 4 Nr.3,<br />

abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, 100 Jahre modernes<br />

Aktienrecht, Sonderheft 4 der ZGR, 1984, S. 420. 1 Vereinsthaler<br />

wurde nach der Reichsgründung in 3 Mark getauscht.<br />

27 Davies in: Gower and Davies’ Principles of Modern Company<br />

Law, 7th ed. 2003, S. 4–5; Mayson, French & Ryan on<br />

Company Law, 20th ed. 2003, chapter 1.3.2.2.<br />

2. Kapital als Zutrittsbarriere<br />

Das neue Recht wirkt stimulierend. 28 Nach dem kurzen,<br />

aber heftigen Boom der Gründerjahre folgen aber 1873<br />

der Börsenkrach und die lange Stagnation der Jahre bis<br />

1890. Zahlreiche Fälle von Gründungsschwindel mit<br />

angeblich wertvollen Sacheinlagen, die sich bei näherer<br />

Prüfung als heiße Luft entpuppen – die Internet-Blase<br />

lässt grüßen – rufen den preußischen Obrigkeitsstaat29 auf den Plan. 30 Der Liberalismus ist um diese Zeit in<br />

die politische Defensive geraten. 31 Apodiktisch formuliert<br />

der Gesetzgeber in der Begründung zur Aktiennovelle<br />

1884 mit Blick auf das englische Recht sein Gegenmodell:<br />

„Grundkapital und Gesellschaftszweck stehen<br />

in einem unauflöslichen Zusammenhange; zeigt es<br />

sich, daß das erstere nicht aufgebracht werden kann, so<br />

ist der letztere meist unerreichbar; die Gründung war<br />

dann völlig verfehlt und die Gesellschaft selbst ohne<br />

Existenzberechtigung.“ 32 Motiv für die härtere Gangart<br />

ist der Schutz des Rechtsverkehrs und des unerfahrenen<br />

Anlegers vor der juristischen Person, 33 nicht der Gläu-<br />

28 Bis Ende 1870 waren in Preußen 203 Aktiengesellschaften<br />

errichtet, in den Jahren 1871-73 entstanden allein 843 neue<br />

(Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend<br />

die KGaA und die AG) § 2, abgedruckt bei Schubert/<br />

Hommelhoff [Fn. 26], S. 408ff.).<br />

29 Siehe etwa die Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes,<br />

betreffend die KGaA und die AG § 2 (abgedruckt bei<br />

Schubert/Hommelhoff [Fn. 26], S. 412ff.).<br />

30 Differenziert die Kritik des „Insiders“ Wilhelm (von) Oechelhäuser<br />

(1820-1902), nationalliberaler Reichstagsabgeordneter<br />

und Unternehmer in der Elektro- und Maschinenbauindustrie,<br />

in „Die Nachtheile des Aktienwesens und die Reform<br />

der Aktiengesetzgebung“, 1878, S. 1-40, bes. etwa<br />

S. 2 f.: „Allein auch für den Gesetzgeber (und hier liegt gerade<br />

dieser Fall vor, da die Aktiengesellschaft ein Geschöpf<br />

der staatlichen Gesetzgebung ist) erscheint es von allerhöchster<br />

Wichtigkeit, in diesen Fragen das wirthschaftliche<br />

Interesse der Allgemeinheit klar zu erkennen, damit die Wege,<br />

welche Kapital und Kraft nach falschen Richtungen führen,<br />

thunlichst verlegt, die richtigen Wege dagegen geebnet<br />

werden. Die Reformen zur Verhütung der enormen Missbräuche<br />

und Auswüchse des Aktienwesens müssen im Blinden<br />

tappen, wenn ihnen diese wirthschaftlichen Fundamental-Erwägungen<br />

nicht als Leitsterne vorgegeben werden.<br />

Praktisch angefasst liegt also hier zunächst die Frage vor: ob<br />

und inwieweit der Erwerbstrieb des Einzelnen, in der fortschreitenden<br />

Ausdehnung des Aktienwesens, auf wirthschaftlich<br />

richtigen Wegen wandelt, sowohl zum eignen Vortheil,<br />

als dem der Gesammtheit?“ Oechelhäusers sehr moderner<br />

(und in seiner grundlegenden Bedeutung wohl heute zu<br />

Unrecht verkannter) Ansatz setzt zum einen an der Bekämpfung<br />

der Spekulation an (a.a.O., S. 18-20, 30, 32-33), zum<br />

anderen am principal-agent-Konflikt zwischen Direktoren<br />

und Aktionären (a.a.O., S.3-6). Insbesondere aus Letzterem<br />

entwickelt er seine Reformvorschläge, a.a.O., S. 85-87.<br />

31 Ausführlich hierzu etwa Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte<br />

1866-1918, Band II, 1992, S.322 ff. (Spaltung der<br />

Nationalliberalen), S.359 ff. (zur liberalen Phase der Bismarckzeit),<br />

S. 382ff. (zur großen Wende der sog. 2. Reichsgründung)<br />

oder Lothar Gall, Bismarck. Der weiße Revolutionär,<br />

1980, S. 526ff.<br />

32 Amtliche Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend<br />

die KGaA und die AG, § 2 (abgedruckt bei Schubert/<br />

Hommelhoff [Fn. 26], S. 408 [415 f.]).<br />

33 Deutlich wird dies bei der Diskussion über den Mindestnennbetrag<br />

der Aktie in der Aktienrechtsreform 1884, s. die Re-


Vossius<br />

376 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Kapitalschutzrecht<br />

bigerschutz. 34 Die ontologisch aufgeladenen Werturteile<br />

(„unauflöslich“, „völlig verfehlt“, „ohne Existenzberechtigung“)<br />

zeigen bereits den Einfluss des konservativen<br />

Neoidealismus. 35 Die Wirklichkeit wird nicht<br />

erforscht, sondern metaphorisch bildhaft erkannt.<br />

Als Ergebnis der Reform hat die Aktiengesellschaft<br />

deutlich an Attraktivität verloren. 36 Schon damals zeigt<br />

die Wirtschaft mit dem Finger auf die englische Limited,<br />

wie unlängst Jan Thiessen in einem viel beachteten<br />

Vortrag herausgearbeitet hat. 37<br />

Mit dem GmbH-Gesetz von 1892 soll der AG eine weitere<br />

juristische Person zur Seite gestellt werden, die international<br />

ohne Beispiel ist. 38 Im Gegensatz zur AG ist<br />

sie durch weitgehende Gestaltungsfreiheit im Innenverhältnis<br />

gekennzeichnet. Irgendwelche Vorschriften für<br />

die Bewertung von Sacheinlagen existieren nicht; dies<br />

ist den Inferenten und der Geschäftsführung überlassen.<br />

39 Insofern ist das Gesetz sogar liberaler als das<br />

HGB von 1870. 40 Aber das hat seinen Preis in Gestalt<br />

des sehr hohen Mindestkapitals von 20.000 Mark, 41 von<br />

dem immerhin 5.000 Mark einbezahlt werden müssen.<br />

42 Gegenüber der AG 1884 bedeutet das eine Vervierfachung,<br />

gegenüber der AG von 1870 ist das mehr<br />

als das 22fache des Mindestkapitals. Die GmbH von<br />

1892 war also nur eine Rechtsform zur Begrenzung des<br />

Haftungsrisikos für wirtschaftlich bedeutende Unternehmen.<br />

Den kleinen Gewerbetreibenden stand sie<br />

nicht offen. Dennoch hat die neue Rechtsform Erfolg,<br />

was angesichts des Wirtschaftsaufschwungs der Zeit bis<br />

1914 und der dank niedriger Steuersätze hervorragenden<br />

Möglichkeiten zur Eigenkapitalbildung nicht verwundert.<br />

Jedoch ist angesichts des rigiden rechtspolitischen<br />

Kurses die Frage erlaubt, ob die heutige Etablie-<br />

debeiträge der Abgeordneten Dr. Horwitz, Dr. Perrot und Oechelhäuser<br />

in der <strong>11</strong>. Sitzung des Reichstags vom 24.3.1884,<br />

Band 82 der Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags,<br />

S. 202 (218, 221).<br />

34 So die zutreffende Analyse von Escher-Weingart, Reform<br />

durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht, 2001,<br />

S. 77ff. Ausgangspunkt der Reform ist das Gutachten des<br />

ROHG vom 31.3.1877 zur Preußischen Denkschrift an den<br />

Bundesrat von 1876, S. 5-6 und 39-63, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff<br />

[Fn.26], S.161 f., das den Verkehrsschutz<br />

im Blick hat. Bezeichnend etwa Art. 207a und 209 HGB:<br />

Mindestnennwert bei Inhaberaktien 1.000 Mark, Mindestzahl<br />

von fünf Gründern (Mindestkapital also 5.000 Mark, d.h.<br />

mehr als das Fünffache im Vergleich zu 1870). Näher hierzu<br />

Vossius, notar 2004, 107, <strong>11</strong>6-<strong>11</strong>9.<br />

35 Siehe auch der Redebeitrag des Staatssekretärs des Reichsjustizamts<br />

Dr. Hermann vom Schelling (1824-1908; Sohn des<br />

Philosophen Friedrich Schelling) in der <strong>11</strong>. Sitzung des<br />

Reichstags vom 24.03.1884, Sitzungsprotokolle des Deutschen<br />

Reichstags Band 82, S. 217: „Sie (= die verbündeten<br />

Regierungen) sind überzeugt, daß ihre Vorschläge nicht dazu<br />

angethan sind der Begründung legitimer (sic!) Gesellschaften,<br />

die einen praktischen (sic!) Zweck verfolgen, in den<br />

Weg zu treten ... Im Gegentheil, die verbündeten Regierungen<br />

glauben die gesunden (sic!) Erzeugnisse zu stärken,<br />

wenn sie nach Möglichkeit die glänzenden Sumpfblumen<br />

ausrotten, die den Unkundigen ins Verderben locken.“ An<br />

dieser Stelle verzeichnet das Protokoll „Bravo! rechts“.<br />

36 Sehr diplomatisch die Bewertung der Reform von 1884<br />

durch Levin Goldschmidt (Fn. 23), S. 321 (337). Erstaunlich<br />

rung der GmbH als Gesellschaft für die breite Masse<br />

nicht eher daran liegt, dass die Geldentwertung der Jahre<br />

1914 bis 1923 die GmbH faktisch für den breiten<br />

Mittelstand öffnete und der Gesetzgeber dieses Rad<br />

dann nicht mehr zurück drehen konnte. 43<br />

Die rechtspolitische Entscheidung des Reichsgesetzgebers<br />

von 1892 bleibt nicht ohne Widerspruch. So äußert<br />

der vormalige Richter am Reichsoberhandelsgerichts,<br />

liberale Reichstagsabgeordnete (1875-77) und<br />

hoch angesehene Handelsrechtler Levin Goldschmidt<br />

(1829-1897) kurz vor der Verabschiedung des GmbH-<br />

Gesetzes mit Blick auf das englische Recht deutlich seine<br />

grundsätzlichen Zweifel an der Zweckmäßigkeit dieser<br />

Regelung: „Viel gewichtiger ist ein zweites Bedenken.<br />

Es gibt in der That Unternehmungen, für welche<br />

die Vorschriften unseres Aktiengesetzes undurchführbar<br />

oder doch unzweckmässig erscheinen, obwohl diese<br />

Unternehmungen nur unter beschränkter Haftung aller<br />

Betheiligten durchgeführt werden können. ... Im Gegensatz<br />

zu dem vorhin geschilderten englischen Aktiengesetz,<br />

welches thatsächlich die Möglichkeit einer Kapitalserweiterung<br />

wie Kapitalsreduktion nach wechselndem<br />

Bedürfnis zulässt, beruht bekanntlich unser kontinentales<br />

Aktienrecht auf dem starren Grundprinzip<br />

des fixirten, in seiner statutenmässigen Höhe sogleich,<br />

noch vor der Konstituierung durch Zeichnung zu sichernden<br />

Grundkapitals ... Kurz: die mangelnde Elastizität<br />

des ursprünglichen oder erhöhten Grundkapitals<br />

verhindert die kontinentale Aktiengesellschaft, sich völlig<br />

den wechselnden Bedürfnissen des kaufmännischen<br />

Unternehmens anzupassen. Hier scheint eine Aushülfe<br />

angezeigt, indem das System der Zubussegesellschaften<br />

in geeigneter Weise anerkannt wird.“ 44<br />

deutlich aber etwa die Direktion der Deutschen Bank im 15.<br />

Geschäftsbericht für das Jahr 1884, S. 3: „Einerseits haben ...<br />

das Actiengesetz mit seinen für neue Unternehmungen erschwerenden<br />

Anordnungen sich weiter fühlbar gemacht.“<br />

Ebenso im 16. Geschäftsbericht für das Jahr 1885, S. 3: „Die<br />

Actiennovelle hat nach wie vor der Errichtung neuer Anlagen<br />

entgegengewirkt.“<br />

37 Thiessen, Transfer von GmbH-Recht im 20. Jahrhundert –<br />

Export, Import, Binnenhandel, in Duss/Linder u.a. (Hrsg),<br />

Rechtstransfer in der Geschichte, München 2006, S.<br />

S. 446-497.<br />

38 Siehe Levin Goldschmidt (Fn.23), S. 332: „es handelt sich<br />

um eine durchaus neue, noch nirgends in der Welt erprobte<br />

Gesellschaftsform.“<br />

39 § 5 Abs. 4 GmbHG-1892. Grund für diese Abweichung vom<br />

Aktiengesetz 1884 (keine Prüfung der Werthaltigkeit) ist die<br />

geringere Schutzwürdigkeit der Anleger, vgl. Staub-Hachenburg,<br />

GmbHG, 2.Aufl. 1906, § 5 Anm. 13).<br />

40 Siehe Art. 180 Abs. 1, Art. 209b HGB i.d.F. vom <strong>11</strong>.6.1870.<br />

41 § 5 Abs. 1 GmbHG-1892. Der hohe Betrag im Vergleich zum<br />

HGB 1870 zeigt, welcher Preis für die ansonsten liberale<br />

Ausgestaltung der neuen Rechtsform entrichtet werden<br />

musste, um sie mehrheitsfähig zu machen. Zur Genese der<br />

Kapitalziffer Thiessen (Fn.37), S. 454-457, bes. S. 456.<br />

42 § 7 Abs. 2 GmbHG-1892. Das entspricht dem Mindestkapital<br />

der AG nach der Reform 1884.<br />

43 Die Bedeutung der Hyperinflation 1923 für das GmbH-Recht<br />

analysiert Thiessen (Fn.37), S. 455 (461-464).<br />

44 Levin Goldschmidt (Fn.23), S. 337-339.


Vossius<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 377<br />

Kapitalschutzrecht<br />

Goldschmidt plädiert somit für eine der Personengesellschaft<br />

nachgebildete Kapitalisierung, eine Kapitalgesellschaft<br />

mit Beitragspflicht der Gesellschafter. Als alter<br />

1848er Liberaler argumentiert er mit der Empirie<br />

und verzichtet auf die neoidealistische Überhöhung politischer<br />

Positionen. Dieses Argumentationsmuster der<br />

1860er und 70er Jahre ist aber 1892 schon nicht mehr<br />

„mainstream“.<br />

3. Kapitalschutz und Staatswohl<br />

Nach der großen Wende 1878/79 und in der neoidealistischen<br />

Renaissance der Wilhelminischen Zeit wird das<br />

ideologische Umfeld für das liberale Unternehmertum<br />

rauer. Die Kritik am Kapitalismus wächst, und zwar sowohl<br />

von Links seitens der Kathedersozialisten und der<br />

Sozialdemokratie, als auch von Rechts aus dem wertkonservativen<br />

akademischen Bürgertum45 . In letztere<br />

Kritik mischen sich Zukunftsangst und romantische<br />

Rückwärtsgewandtheit mit einem kräftigen Schuss Antisemitismus46<br />

. Diese Stimmen werden tonangebend.<br />

So schreibt vor 1894 Heinrich von Treitschke<br />

(1834-1896), Nachfolger Rankes auf dem Berliner<br />

Lehrstuhl, Reichstagsabgeordneter 1871-1884, bis 1879<br />

Mitglied der nationalliberalen Fraktion, ab 1886 offizieller<br />

preußischer Hofhistoriograph, im 5. Band seiner<br />

Deutschen Geschichte im 19. Jahrhundert, 47 einem<br />

Werk, das vor 100 Jahren zum eisernen Bestand einer<br />

Bibliothek der gebildeten Stände48 gehörte, 49 über das<br />

Börsenfieber im Königreich Preußen der 40er Jahre des<br />

19. Jahrhunderts: 50 „Das Privatcapital in den mittleren<br />

45 Siehe etwa zum BGB Wieacker, Privatrechtsgeschichte der<br />

Neuzeit, 1967, § 25 (aus wertkonservativer Sicht) und Rückert<br />

in HKK, Das BGB und seine Prinzipien, Vor § 1<br />

Rz. 91-101 (grundlegende Neubewertung aus liberaler Sicht).<br />

Konkret auf die Aktiengesellschaften bezogen etwa auch der<br />

konservative Reichstagsangeordnete Franz Fürchtegott Perrot<br />

in der Sitzung des Reichstags vom 24.3.1884, Sitzungsprotokolle<br />

des Deutschen Reichstags. Band 82, S. 218 (220):<br />

„Sollte das (= Pflicht zur Volleinzahlung) die Entwickelung<br />

der Aktiengesellschaft erschweren, dann hat man sich einfach<br />

zu sagen, daß die Einführung gesunder Prinzipien in das<br />

Aktienwesen nicht zu demselben paßt.“ Perrot trat schon<br />

1875 in einer Artikelserie in der Neuen Preußischen Zeitung<br />

(Kreuzzeitung), dem Sprachrohr der preußischen Hochkonservativen,<br />

mit dem Titel „Die ¾ra Bleichröder-Delbrück-<br />

Camphausen“ als scharfer Kritiker des Liberalismus in Erscheinung,<br />

der sich hierbei und zur Verunglimpfung des politischen<br />

Gegners antisemitischer Klischees bediente (siehe<br />

auch seine Diktion gegenüber Ludwig Bamberger und Bethel<br />

Henry Strousberg in derselben Reichstagsdebatte, a.a.O.,<br />

S. 218). In derselben Debatte kennzeichnet ihn der nachfolgende<br />

Redner Wilhelm Oechelhäuser als „auf dem Isolirschemel“<br />

sitzend (a.a.O., S.220).<br />

46 Siehe etwa Andreas Biefang, Der Streit um Treitschkes<br />

„Deutsche Geschichte“ 1882/83. Zur Spaltung des Nationalliberalismus<br />

und der Etablierung eines national-konservativen<br />

Geschichtsbildes, HZ 262 (1996), S. 391-422.<br />

47 Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im neunzehnten<br />

Jahrhundert, 5. Band, Kapitel 6, 1. Aufl. 1879-1894 (zitiert<br />

nach der 4.Aufl. 1899). Man beachte, dass der Text in<br />

den Jahren nach dem Börsenkrach 1873 und der Aktienrechtsreform<br />

1884 entstanden sein muss.<br />

48 Bezeichnend auch der Hinweis des nationalliberalen Reichstagsabgeordneten<br />

Otto Büsing (1837-1916, Rechtsanwalt,<br />

und den westlichen Provinzen zeigte sich gewagten Unternehmungen<br />

nur zu sehr geneigt. Jetzt zum ersten<br />

male wurde Berlin von dem Fieber wüsten Aktienschwindels<br />

ergriffen, das seitdem noch so oft wiederkehren<br />

sollte. Das böse Beispiel gab England ... Von<br />

diesem Uebermaße des Schwindels blieb Preußen freilich<br />

bewahrt, Dank seiner Armuth und der strengeren<br />

Staatsaufsicht. Immerhin ward der Tanz um das goldene<br />

Kalb ganz schamlos. Männer aus allen Ständen, selbst<br />

Offiziere in Uniform, berühmte Künstler und Gelehrte<br />

drängten sich täglich in das winklige Börsengebäude<br />

neben dem Dom um mit den Aktien aller Länder zu<br />

schachern.“<br />

In das Unbehagen mischt sich die Sehnsucht nach der angeblich<br />

guten alten Zeit, z.B. bei Schilderung der Landflucht,<br />

51 der angeblich früher besseren Qualität der Produkte,<br />

52 des Materialismus, 53 des Rollenbildes der Geschlechter54<br />

und nicht zuletzt des Reichtums der Fabrikanten.<br />

55 Ein paar Seiten weiter heißt es: „Man bemerkte<br />

auch bereits die ersten Anfänge einer internationalen Verbindung<br />

zwischen den großen Geldmächten. ... In dieser<br />

gesunden, natürlichen Entwicklung trat nun plötzlich ein<br />

unheilvoller Rückschlag ein. Die Börsenmächte aller<br />

Culturländer begannen sich in aller Stille über das gemeinsame<br />

Geldinteresse zu verständigen, und die neue<br />

internationale Partei des Großkapitals fand ihre natürliche<br />

Stütze an dem vaterlandslosen Judenthum.“ 56<br />

Für den Antisemitismus Treitschkes gibt es leider noch<br />

schlimmere Belege – hierüber wird ihm Levin Goldschmidt<br />

vom Freund zum Antipoden. 57 Letztlich aber –<br />

Notar und Bankdirektor in Schwerin, später Vizepräsident<br />

des Reichstags und 1891-1915 Mitglied des Aufsichtsrats<br />

der Deutschen Bank) in der <strong>11</strong>. Sitzung des Reichstags vom<br />

24.3.1884: „Meine Herren, wohl in keinem anderen Lande<br />

herrscht unter den gebildeten Klassen eine so große Geschäftsunerfahrenheit<br />

und Geschäftsunkenntniß wie in<br />

Deutschland.“ (Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags,<br />

Band 82, S. 208).<br />

49 Zum Einfluss v. Treitschkes in weiten Kreisen der deutschen<br />

Bevölkerung (als wertkonservativer Gegenpol etwa zu Theodor<br />

Mommsen) siehe Frensken in Biografisch-Bibliografisches<br />

Kirchenlexikon, Artikel Treitschke, Heinrich von,<br />

1999. Allein die vier Auflagen des Werks zwischen 1894<br />

und 1899 sprechen für sich.<br />

50 Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert,<br />

4. Aufl., 1899, Band 5, S. 495.<br />

51 Treitschke (Fn.50), S. 507.<br />

52 Treitschke (Fn.50), S. 507.<br />

53 Treitschke (Fn.50), S. 507f.: „Macht der materiellen Interessen“<br />

einerseits und „Idealismus der politischen Einheitskämpfe“<br />

andererseits.<br />

54 Treitschke (Fn.50), S. 508: „Frauen drängten sich mit dilettirender<br />

Geschäftigkeit in männliche Berufe ...“<br />

55 Treitschke (Fn. 50), S. 508 f.: „Unnatürlich früh entstanden,<br />

obgleich der allgemeine Wohlstand noch recht bescheiden<br />

blieb, schon einzelne riesige Vermögen. Der Reichthum des<br />

Hauses Rothschild überbot bei Weitem Alles, was die römische<br />

Kaiserzeit an ungesunden Capitalanhäufungen gesehen<br />

hatte.“<br />

56 Treitschke (Fn.50), S. 509.<br />

57 Siehe der Brief Levin Goldschmidts an Heinrich von<br />

Treitschke vom 4. Mai 1881, abgedruckt in Hugo Sinzheimer,<br />

Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1953<br />

(verfasst in Amsterdam 1937), S. 51, 69-72.


Vossius<br />

378 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Kapitalschutzrecht<br />

und das ist das eigentlich Perfide – ist ihm der Antisemitismus<br />

nur Mittel zur politischen Bekämpfung der<br />

ehemaligen Weggefährten aus der nationalliberalen Partei,<br />

die Bismarcks Hinwendung zu einer nationalkonservativen<br />

Politik nicht mittragen wollen. 58 Das „internationale<br />

Großkapital“ ist „jüdisch“. Antisemitismus<br />

mischt sich mit wertkonservativer Kapitalismuskritik.<br />

Deren Wirkungsmacht wird mit dem rechtspolitischen<br />

Kurswechsel deutlich, den das Gesellschaftsrecht mit<br />

der Aktienrechtsreform 1884 59 und dem GmbHG 1892<br />

im Vergleich zum HGB 1870 genommen hat. Etwas<br />

mokant lässt sich sagen, dass damit auch unser heutiges<br />

Kapitalschutzrecht weniger eine Kulturleistung als eine<br />

zufällige Frucht Bismarckscher Koalitionsarithmetik ist.<br />

Gegen Ende des Kaiserreichs spitzt sich die Ablehnung<br />

der juristischen Person nochmals zu. Ein herausragender<br />

Exponent der damaligen Deutschland-AG, Walther Rathenau,<br />

Sohn des AEG-Mitbegründers, bringt als Verantwortlicher<br />

für die Kriegswirtschaft des Kaiserreichs 1917<br />

mit seiner Schrift „Vom Aktienwesen“ 60 das dumpfe Unbehagen<br />

des deutschen Bürgertums im wilhelminischen<br />

Turbokapitalismus auf den Punkt. Unternehmen haben<br />

dem Staatswohl zu dienen, 61 nicht dem Eigennutz seiner<br />

Eigentümer, der Aktionäre. Im Kontext der Zeitumstände<br />

heißt das: wir müssen und wollen den Krieg gewinnen,<br />

nicht den Profit Einzelner maximieren: 62 „Der Krieg,<br />

mehr ein weltrevolutionäres denn ein politisches Ereignis,<br />

hat den Bau der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung<br />

Europas in so viel Monaten in Trümmer gelegt, als<br />

¾onen von Friedensjahren es vermocht hätten. Aus die-<br />

58 So die Bewertung des sog. Berliner Antisemitismusstreits<br />

von Uffa Jensen in DIE ZEIT vom 13.06.2002, auch in DIE<br />

ZEIT – Das Lexikon, Band 15, S.620 ff., dort vor allem zur<br />

breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der antisemitischen<br />

Thesen.<br />

59 Siehe hierzu die Analyse des nationalliberalen Reichstagsabgeordneten<br />

Otto Büsing in der Sitzung vom 24.03.1884<br />

(Sitzungsprotokolle des Deutschen Reichstags Band 82,<br />

S. 205): „Der Wunsch, daß auf dem Gebiete des Aktienwesens<br />

gesetzgeberisch etwas geschehe, ist ein fast allgemeiner,<br />

weniger aus einer genauen Kenntniß des Aktienwesens, als<br />

aus einem unklaren Gefühle der Menge heraus, daß auf diesem<br />

Gebiete ein größerer Schutz des Publikums erforderlich<br />

sei. Dieser unzweifelhaft vorhandenen tief gehenden Strömung<br />

gegenüber kann man sich meines Erachtens nicht ablehnend<br />

verhalten.“ Der Ansatz wird bei ihm sogleich wieder<br />

relativiert durch den Hinweis, „der krankhaft entfesselte Unternehmungsgeist“<br />

sei „längst wieder in ruhigere Bahnen<br />

eingelenkt“ und daher könne man „sine ira et studio“ an die<br />

Aktiennovelle herangehen. Ideologisch profilierter hingegen<br />

der ihm als Redner folgende führende Zentrumspolitiker Peter<br />

Reichensperger (1810-1892; auch Richter am Preußischen<br />

Obertribunal) in der gleichen Sitzung, a.a.O. S. 209:<br />

„Es waren das Missbräuche, meine Herren, welche nicht<br />

bloß den Nationalwohlstand schwer geschädigt, sondern das<br />

Rechtsbewußtsein und die öffentliche Moral tief erschüttert<br />

haben.“ Im Folgenden übt er u.a. Kritik an verwandtschaftlichen<br />

Verbindungen unter Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern,<br />

überhöhten Vorstandsvergütungen und fordert weitergehende<br />

Minderheitenschutzrechte sowie härtere strafrechtliche<br />

Sanktionen. Er repliziert damit auf Otto Büsing,<br />

der (a.a.O., S. 207) vorausschauend vor den Gefahren schikanöser<br />

Ausnutzung von Minderheitsrechten warnte.<br />

60 Walther Rathenau, Vom Aktienwesen: eine geschäftliche Betrachtung,<br />

1917.<br />

sen Trümmern wird weder ein Reich des sozialen Kommunismus<br />

hervorbrechen, noch ein neues Reich frei spielender<br />

wirtschaftlicher Kräfte. Auch dem Wesen der Unternehmung<br />

wird nicht die Verstärkung des privatwirtschaftlichen<br />

Gedankens beschieden sein, sondern die bewußte<br />

Einordnung in die Wirtschaft der Gesamtheit, die<br />

Durchdringung mit dem Geiste der Gesamtverantwortlichkeit<br />

und des Staatswohls.“ 63<br />

„Staatswohl“ ist hier nicht etwa die Förderung wirtschaftlicher<br />

Prosperität, wie dies etwa noch die Väter<br />

des Preußischen Aktiengesetzes 1843 mit dem Begriff<br />

der „Gemeinnützigkeit“ 64 der Aktiengesellschaft gemeint<br />

hatten, sondern das, was der Umsetzung der Ziele<br />

staatlicher Politik dient. Bei Rathenau wird das Unbehagen<br />

des Bürgertums über die juristische Person in<br />

den Dienst der totalen Ausrichtung der deutschen Wirtschaft<br />

auf die Kriegsziele des Kaiserreichs gestellt.<br />

In den Zeitläuften haben sich diese Gedanken als eine der<br />

wirkungsmächtigsten ¾ußerungen zum Kapitalgesellschaftsrecht<br />

erwiesen 65 . Über das ganze politische Spektrum<br />

hinweg sickern sie in das kollektive Bewusstsein<br />

ein, sogar in England erscheinen (andere) wichtige<br />

Schriften Rathenaus in Übersetzung. 66 Ihre Umsetzung<br />

findet sich zum einen im „linken Lager“ im Postulat gesellschaftlicher<br />

Kontrolle des Produktivvermögens im<br />

Betriebsverfassungsrecht der Weimarer Zeit und in<br />

Art.15 Grundgesetz bis hin zur heutigen Unternehmensmitbestimmung,<br />

einem Surrogat staatlicher Intervention<br />

infolge der gründlichen Delegitimierung 67 staatlicher<br />

61 Siehe etwa Rathenau (Fn.60), S. 38f.: „... die Großunternehmung<br />

ist heute überhaupt nicht mehr lediglich ein Gebilde<br />

privatrechtlicher Interessen, sie ist vielmehr, sowohl einzeln<br />

wie in ihrer Gesamtzahl, ein nationalwirtschaftlicher, der Gesamtheit<br />

angehöriger Faktor, der zwar aus seiner Herkunft,<br />

zu Recht oder zu Unrecht, noch die privatrechtlichen Züge<br />

des reinen Erwerbsunternehmens trägt, während er längst<br />

und in steigendem Maße öffentlichen Interessen dienstbar<br />

geworden ist und hierdurch sich ein neues Daseinsrecht geschaffen<br />

hat.“<br />

62 Besonders deutlich etwa Rathenau (Fn.60), S.40 (49f.).<br />

63 Rathenau (Fn.60), S. 61 f.<br />

64 Siehe oben II. 1.<br />

65 Zur Rezeption von Rathenau bereits Flume, Allgemeiner<br />

Teil I/2 Die juristische Person, 1983, § 2 III (S. 37 f.), Escher-<br />

Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht,<br />

2001, S. 77 ff., Hans-Jörg Krämer, Das Unternehmensinteresse<br />

als Verhaltensmaxime der Leitungsorgane<br />

einer Aktiengesellschaft im Rahmen der Organhaftung, Diss.<br />

Bayreuth 2002 (www.tenea_juraweltbd18.pdf), S. 32-34.<br />

Jüngst hierzu Bähr in Bähr/Banken, Wirtschaftssteuerung<br />

durch Recht im Nationalsozialismus, Frankfurt 2006, S. 35<br />

(37f.).<br />

66 Von den Werken Rathenaus erschienen (nach dem Katalog<br />

der British Museum Library) u.a. die Schriften „Von kommenden<br />

Dingen“ und „Die Neue Gesellschaft“ in englischer<br />

Übersetzung (Walther Rathenau, In Days to Come, London<br />

1921 und ders., The New Society, London 1921). Zur Rathenau-Rezeption<br />

in Großbritannien Mayson, French & Ryan,<br />

On Company Law, 20th ed. 2003, S. 16 (chapter 0.2.4) und<br />

S. 170 (chapter 5.3.1 am Ende).<br />

67 Formulierung („general postwar deligitimazation of governmental<br />

authority“) von Hansmann/Kraakman in Kraakman/<br />

Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda, The Anatomy of Corporate<br />

Law, 2004, S. 69 Mitte.


Vossius<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 379<br />

Kapitalschutzrecht<br />

Autorität in Deutschland durch das Dritte Reich und die<br />

nachfolgende Nichtbewältigung der Vergangenheit in der<br />

Adenauerschen Restaurationszeit. Wie die „Heuschreckendebatte“<br />

68 oder die rechtspolitische Diskussion um<br />

das Übernahmerecht mit ihren diffusen Überfremdungsängsten<br />

zeigen, sind diese Gedanken auch heute noch lebendig.<br />

Auch im „rechten Lager“ wird Rathenau rezipiert. Sein<br />

Ansatz, die Großunternehmen in den Dienst des Staatswohls<br />

zu stellen, mischt sich mit der Ablehnung der juristischen<br />

Person. 69 Diese ist „liberal“, „individualistisch“<br />

und „jüdisch“. Das Gesellschaftsrecht gehört<br />

nicht von ungefähr zu den ersten Feldern, auf denen<br />

nach der Machtergreifung die neue Ideologie rechtspolitisch<br />

umgesetzt wird. Der Bogen spannt sich vom<br />

Löschungsgesetz 193470 , das der „Ausmerzung lebensunfähiger<br />

Gesellschaften“ diente71 , über das Umwandlungsgesetz<br />

1934, das dem deutschen Kaufmann den<br />

Weg (zurück) aus der anonymen Kapitalgesellschaft in<br />

die Personenhandelsgesellschaft ebnen sollte72 , bis hin<br />

zur Ersetzung der Unternehmensverfassung des HGB-<br />

Aktienrechts, das dem angelsächsischen Modell des board<br />

mit den ihm formal unterstellten officers viel ähnlicher<br />

war, als man heute meinen möchte, durch das<br />

Führerprinzip des Aktiengesetzes 193773 , einer Anleihe<br />

aus den USA, deren starker CEO Nationalsozialisten<br />

faszinieren musste.<br />

Besonders markant wirkt sich die explosive Mischung<br />

bürgerlicher Kapitalismuskritik mit nationalsozialistischer<br />

Rechtsanwendung im Bereich des Kapitalersatz-<br />

68 So der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering in einem<br />

Vortrag am 22.<strong>11</strong>.2004 („die verantwortungslosen Heuschreckenschwärme“).<br />

Hierzu etwa Robert Leicht, Die Zeit<br />

v. 18.4.2005; Anette Sydow, Berliner Morgenpost v.<br />

30.4.2005; Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 30.4.2005,<br />

Wolffsohn in Rheinische Post v. 3.5.2005.<br />

69 Hierzu ausführlich jetzt Bähr (Fn.65), S. 40 ff. und 52 ff. (zur<br />

Erhöhung des Mindestkapitals) mit dem Fazit, a.a.O., S. 56:<br />

„rigide Marktbereinigung durch Recht.“.<br />

70 Zu dessen Aufhebung Karsten Schmidt, GmbHR 1994,<br />

829ff.<br />

71 So die amtliche Begründung Reichsanzeiger Nr.243 vom<br />

17.10.1934. Ohne erkennbare Distanzierung zitiert noch in<br />

Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8.Aufl. 1995 (!), Anh. § 60<br />

Anm.1 (übernommen aus den Vorauflagen).<br />

72 Siehe die Kommentierung des Gesetzesvorspruchs von Hachenburg,<br />

HGB 3.Aufl., Band III/3 2. Lieferung, 1935 (!),<br />

Anm.1-3. der das Gesetz aus der „veränderten wirtschaftlichen<br />

Lage und der veränderten seelischen (sic !) Einstellung<br />

in Deutschland“ erklärt. Zum Umwandlungsgesetz 1934 jetzt<br />

auch Bähr (Fn. 65), S. 54 (55) mit statistischen Belegen seiner<br />

Wirksamkeit.<br />

73 Instruktiv hierzu Roth, AG 2004, 1, bes. 3 f.; von Hein, ZHR<br />

166 (2002), 464 (472 ff.) und jetzt Bähr (Fn.65), S.45-54.<br />

74 RGZ 156, 23 (32 f.). In der Literatur der Weimarer Zeit wird<br />

Gesellschafterfinanzierung als Problem des § 30 GmbHG gar<br />

nicht behandelt, vgl. etwa Brodmann, GmbHG, 2. Aufl. 1930<br />

oder Staub-Hachenburg, GmbHG 5. Aufl. 1926. Zum Auftauchen<br />

des Problems (nach Vorläufern in Belgien und Jugoslawien)<br />

und seiner intensiven Behandlung in der Akademie<br />

für Deutsches Recht um 1937 grundlegend Thiessen (Fn.37),<br />

S. 475-480. Letztlich handelt es sich beim Eigenkapitalersatz<br />

also um eine Rechtsschöpfung aus der Zeit des Nationalsozialismus.<br />

rechts aus. Hatte das Reichsgericht noch 1935 die Subordination<br />

von Gesellschafterdarlehen in der Krise der<br />

Gesellschaft abgelehnt74 , so schwenkt die höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung 1938 um. Ganz auf der Linie der<br />

Rüthersschen „unbegrenzten Auslegung“ 75 begründet<br />

das Reichsgericht die Subordination der Gesellschafterfinanzierung<br />

unter Rückgriff auf die Generalklauseln<br />

des Bürgerlichen Rechts, die im Lichte der „Rechtsauffassung<br />

des neuen Deutschland“ unter Rückgriff auf<br />

das „gesunde Volksempfinden“ 76 und den Grundsatz<br />

„Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ 77 ausgelegt werden.<br />

78 Knapp 100 Jahre später steht damit die alte „Gemeinnützigkeit“<br />

des Preußischen Aktienrechts als „Gemeinnutz“<br />

im Dienste fanatischer Ideologen. Es ist<br />

nicht ohne Tragik, dass mit der Umwertung dieses Begriffs<br />

ausgerechnet Rathenau den Nationalsozialisten in<br />

die Hände gespielt hat.<br />

Auch nach 1945 bleibt in Rechtswissenschaft und<br />

Rechtslehre das dumpfe Unbehagen über die juristische<br />

Person bestehen – es handelt sich hierbei ja auch um<br />

nichts genuin Nationalsozialistisches. Natürlich werden<br />

die bisherigen Begründungsmuster durch neue, politisch<br />

korrekte topoi ausgetauscht. 79 Anstelle des Gemeinnutzes<br />

und des gesunden Volksempfindens bietet<br />

sich nun die Formel vom Gläubigerschutz an. Man<br />

sucht also, den auf das Kollektiv bezogenen Ansatz früherer<br />

Zeiten zu individualisieren.<br />

Ohne die ideengeschichtlichen Prämissen der bisherigen<br />

Ansätze zu reflektieren, bauen Rechtsprechung und<br />

Rechtswissenschaft das Kapitalschutzrecht weiter zum<br />

75 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung. Zum Wandel der Privatrechtsordnung<br />

im Nationalsozialismus, 1968.<br />

76 Zur Umwertung der §§138, 242 BGB im Sinne einer nationalsozialistischen<br />

„Kampfklausel“ instruktiv Rüthers, a.a.O.,<br />

S. 210-270 (zitiert nach der Taschenbuchausgabe, 1973).<br />

77 Hierzu Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen<br />

Recht, 1974, bes. S. 76 ff. (Parteiprogramm der<br />

NSDAP), S. 147ff. (Umsetzung im Wirtschaftsrecht allgemein<br />

und S. 151ff. im Aktienrecht im Besonderen). Hierzu<br />

treffend Hansmann/Kraakman in Kraakman/Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda,<br />

The Anatomy of Corporate Law,<br />

2004, S. 19: „To say that the pursuit of aggregate social welfare<br />

is the appropriate goal of corporate law is not to say, of<br />

course, that the law always serves that goal ... corporate law<br />

everywhere continues to bear the imprint of the historical<br />

path through which it has evolved, and reflects as well various<br />

non-efficiency-oriented intellectual and ideological currents<br />

that have sometimes influenced its formation ...“<br />

78 RG JW 1938, 862 (864); hierzu ausführlich Thiessen<br />

(Fn.37), S. 479 Fn.179. Hervorzuheben an der Entscheidung<br />

ist außerdem der typisch nationalsozialistische Manichäismus<br />

in der Gegensatzbildung zwischen formaler Rechtsposition<br />

(= Liberalismus) und materiellem Zweck des Rechts<br />

(= nationalsozialistische Rechtsauffassung).<br />

79 Paradigmatisch etwa die Kommentierung von Ulmer in Hachenburg,<br />

GmbHG, 7. Aufl. 1979, Anh. § 30 Rz. 35-67 (Unterkapitalisierung)<br />

und Rz. 68-106. Dort wird (Rz. 50 zu<br />

RGZ 158, 302 [310] und Rz. 75 zu RG JW 1938, 862 [864] f.<br />

und zu RGZ 166, 51 [57]) die Haftung mit dem „Missbrauch<br />

der Rechtsform“ bzw. einer sittenwidrigen vorsätzlichen<br />

Schädigung begründet. Die in den zitierten Entscheidungen<br />

verwendeten klar dem Nationalsozialismus entstammenden<br />

topoi („gesundes Volksempfinden“, „Rechtsauffassung des<br />

neuen Deutschland“) werden hingegen nicht erwähnt.


Vossius<br />

380 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Kapitalschutzrecht<br />

zentralen Instrument des Gläubigerschutzes im Kapitalgesellschaftsrecht<br />

aus. Dennoch kann das Gläubigerschutzkonzept<br />

seine Herkunft aus einem objektivrechtlichen<br />

Verkehrsschutzdenken nicht verleugnen; von daher<br />

kann es dem Individualgläubiger gar keine brauchbaren<br />

Schutzmittel an die Hand geben, was seinen zentralen<br />

Konstruktionsfehler darstellt.<br />

Das Defizit an geschichtsbewusster Reflexion bleibt<br />

nicht ohne Folgen. Als wäre die deutsche Wirtschaft ein<br />

einziges Versuchslabor, werden die verschiedensten Ansätze<br />

ausprobiert.<br />

Ein paar Beispiele: 1980 versuchte der Gesetzgeber,<br />

mit der Kodifikation des Kapitalersatzrechts in §§32a<br />

und 32b GmbHG Rechtssicherheit zu schaffen. Weit gefehlt:<br />

statt des Gesetzesrechts der Novellenregeln haben<br />

wir jetzt das Neben- bzw. Durcheinander80 von Novellenregeln<br />

und BGH-Regeln. 81 Dem neuen Sanierungsprivileg<br />

in §32a Abs.3 Satz3 GmbHG wird es möglicherweise<br />

ähnlich ergehen82 . Der BGH wollte unter<br />

dem Beifall der Wissenschaft mit der Entscheidungsserie<br />

von Autokran83 über Tiefbau84 hin zu Video85 Haftung im GmbH-Konzern an objektive Kriterien anknüpfen,<br />

bis nach Video alle Beteiligten erkennen<br />

mussten, dass sie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet<br />

hatten. Es folgte dann die Patenthalse zu TBB. 86 Nach<br />

einigen versenkten Bojen der Rechtssicherheit und einem<br />

wilden Zickzackkurs mit killenden Segeln hat die<br />

dogmatische Regatta ihren vorläufigen Abschluss mit<br />

der Existenzvernichtungshaftung gefunden, 87 einem<br />

Haftungskonzept, die sich allenfalls nur über eine Gesamtanalogie<br />

zu den §§823ff., 138, 242 BGB im zivilistischen<br />

Aktionensystem verorten lässt88 .Überhaupt<br />

scheint das beginnende Jahrhundert das Zeitalter des<br />

Deliktsrechts im Kapitalgesellschaftsrecht zu werden.<br />

Wenn nun im Entwurf eines MoMiG die Subordination<br />

des Gesellschafterdarlehens rechtsformübergreifend insolvenzrechtlich<br />

geregelt werden soll, dann wird eben-<br />

80 Statt aller Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., 2004,<br />

§§32a/b Rz. 1-17, 91-<strong>11</strong>0.<br />

81 So explizit etwa BGH AG 2001, 303 (305). Aus jüngster Zeit<br />

grundlegend hierzu K. Schmidt, GmbHR 2005, 797 ff., der<br />

ausdrücklich (a.a.O., S. 801) feststellt, die Gesetzesregeln<br />

würden „unter Hintanstellung aller methodischer Bedenken“<br />

ignoriert. Zu Ende gedacht bedeutet das die Berufung auf<br />

den nicht unbedenklichen Satz „necessitas non habet legem“.<br />

Hierzu auch Haas (Fn.10), S. E 56.<br />

82 Siehe die restriktiven Tendenzen des BGH GmbHR 2005,<br />

1531 im Anschluss an BGH ZIP 2001, <strong>11</strong>5 = GmbHR 2001,<br />

106.<br />

83 BGHZ 95, 330 = AG 1986, 15.<br />

84 BGHZ 107, 7 = AG 1989, 243.<br />

85 BGHZ <strong>11</strong>5, 187 = AG 1991, 419.<br />

86 BGHZ 122, 123 = AG 1993, 371.<br />

87 BGH GmbHR 2001, 1036 = AG 2002, 43 = BGHZ 149, 10<br />

(Bremer Vulkan); BGH GmbHR 2002, 902 = ZIP 2002,<br />

1578 (KBV); BGH GmbHR 2005, 1425; BGH GmbHR<br />

2005, 1620; BGH GmbHR 2005, 299. Röhricht, ZIP 2005,<br />

506 (513 f.) sieht in der Existenzvernichtungshaftung den<br />

(derzeitigen) Grundtatbestand des Außenhaftungsrechts des<br />

GmbH-Gesellschafters. Die Halbwertszeit dieses Konzepts<br />

bleibt offen.<br />

88 Überblick über die Irrungen und Wirrungen des deutschen<br />

Konzernrechts bei Döser, AG 2003, 406ff. Bezeichnend ist,<br />

falls eine rechtspolitische Position des Dritten Reichs<br />

umgesetzt. 89 Der offenbar allgemeine Beifall des<br />

Schrifttums hierzu ist bemerkenswert. 90<br />

III. Bilanz<br />

Die Genese des Kapitalschutzrechts zeigt, warum seine<br />

Lösungsansätze und seine Ziele nicht zusammen passen.<br />

Gläubigerschutz ist nicht sein ursprünglicher<br />

Zweck. Letztlich liegt dem Kapitalschutzrecht die romantische<br />

Sehnsucht nach der guten alten Zeit der ehrbaren<br />

Kaufleute und ein tiefes Misstrauen gegen die juristische<br />

Person zugrunde. Haftungsbegrenzung wird<br />

im Grunde als etwas gegen das Gemeinwohl Gerichtetes,<br />

moralisch Verwerfliches begriffen.<br />

Daher stellt das jetzige Kapitalschutzrecht dem Individualgläubiger<br />

auch keine belastbaren subjektiven Rechte<br />

zur Verfügung. 91 Gläubigerschutz ist allenfalls sein<br />

Rechtsreflex, erkauft um den Preis erheblicher Transaktionskosten<br />

bei Gründung und laufender Beratung sowie<br />

deutlicher Senkung der Effektivität des Insolvenzrechts<br />

durch ökonomische Prämierung der masselosen<br />

Insolvenz. Genügt solch ein Recht überhaupt noch den<br />

verfassungsrechtlichen Anforderungen der Geeignetheit,<br />

Erforderlichkeit und Proportionalität eines Eingriffs<br />

in die allgemeine Handlungsfreiheit und die Freiheit<br />

der Berufsausübung? Mit dem übersteigerten Gemeinwohlbezug<br />

hat sich das Kapitalschutzrecht jedenfalls<br />

politisch-ideologisch übernommen.<br />

Unser Kapitalgesellschaftsrecht ist, das zeigt der historische<br />

Rückblick, bis tief in seine ideologischen<br />

Grundlagen hinein ein Anti-Kapitalgesellschaftsrecht.<br />

Im internationalen Vergleich befindet sich Deutschland<br />

hier auf einem Sonderweg. 92 Dass die Sozialisierung<br />

von Verlusten bei Privatisierung von Gewinnen im<br />

Grundsatz dem Gemeinwohl dient, da sie das unternehmerische<br />

Wagnis als wesentlichen Motor der Innovation<br />

dass Haas (Fn.10), S. E 83-E 86 nur die §§ 66 ff. GmbH, darunter<br />

den im Internet-Zeitalter etwas verzopften § 73 Abs. 1<br />

GmbHG als analog anzuwendende Anspruchsgrundlagen<br />

nennt.<br />

89 Siehe Thiessen (Fn.37), S. 480 unter Hinweis auf Justizstaatssekretär<br />

Schlegelberger, Die Handelsgesellschaften im<br />

Spiegel der neuen Rechtsauffassung. Soziale Praxis 1939,<br />

Sp.5.<br />

90 Siehe etwa Huber/Habersack in Lutter (Hrsg), Kapital in Europa,<br />

ZGR Sonderband 17, 2006, S. 370 (410 f.); K. Schmidt,<br />

GmbHR 2005, 797 (806); Grunewald/Noack, GmbHR 2005,<br />

189 (194); Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1460 f.);<br />

Römermann, GmbHR 2006, 673 (677 f.), Haas (Fn.10), E<br />

64-E 65, E 147.<br />

91 Dies räumt (beiläufig) auch Haas ein (Fn.10, S. E 57 f.), wonach<br />

das Kapitalersatzrecht die „Gläubigergesamtheit“<br />

schützen soll (also gerade nicht den Individualgläubiger).<br />

Die Gläubigergesamtheit aber ist eine positivrechtlich nicht<br />

existente Kategorie und damit kein tauglicher Träger subjektiver<br />

Rechte.<br />

92 Zwar gibt es im US-amerikanischen Gesellschaftsrecht die<br />

equitable subordination nach der Deep Rock Doctrine (Taylor<br />

v. Standard Gas & Elec. Co. 306 US 307 (1939), diese ist<br />

jedoch an sehr enge Voraussetzungen geknüpft (ähnlich wie<br />

piercing the corporate veil). Im Vereinigten Königreich ist<br />

die equitable subordination nicht bekannt. In Kontinental-


Heckschen<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 381<br />

MoMiG<br />

prämiert, 93 ist in Deutschland allenfalls ein Lippenbekenntnis.<br />

Ebenso wenig wird die Frage gestellt, ob die<br />

allgemeine Handlungsfreiheit nicht auch für das Wie<br />

der Gesellschaftsfinanzierung94 gilt und daher das gesamte<br />

Eigenkapitalersatzrecht unter verfassungsrechtlichem<br />

Rechtfertigungsdruck steht.<br />

Erforderlich ist daher eine Reform des Kapitalschutzrechts<br />

an Haupt und Gliedern, seine vollständige Neukonzeption.<br />

Es muss verhindert werden, dass erneut in<br />

neoidealistischem „Erkennen“ angeblicher vorgesetzlicher<br />

Grundprinzipien die lex scripta in ihrem Anwendungsbereich<br />

marginalisiert wird.<br />

Lösungsansätze für eine grundlegende Reform sind in<br />

der deutschen Rechtsordnung durchaus vorhanden. Es<br />

europa findet eine Subordinierung von Gesellschafterdarlehen<br />

statt in Österreich, Dänemark, Italien, Polen, Portugal<br />

und Slowenien, dort jeweils unter enger gefassten Voraussetzungen.<br />

Die Weiterungen auf Nutzungseinlagen etc. sind<br />

nicht bekannt (vgl. etwa §§ 1, 3, 15 des österreichischen Eigenkapitalersatz-Gesetzes).<br />

Hierzu van Hulle/Gesell, European<br />

Corporate Law, 2006, bei den jeweiligen Länderberichten.<br />

Zu Italien jetzt auch Barth, Die Reform des Rechts der<br />

italienischen GmbH, MittBayNot, 2006, 1 (5, 6). Für das<br />

Recht der kapitalersetzenden Nutzungsüberlassung konzediert<br />

dies auch Haas (Fn.10), S. E 70-E 72, der aber mit<br />

Teilen des übrigen deutschen Schrifttums neben den gänzlich<br />

anders gearteten Voraussetzungen auch den beschränkten<br />

Anwendungsbereich der equitable subordination aufgrund<br />

der geringen Zahl von Gerichtsentscheidungen („cases“)<br />

übersieht (Haas [Fn.10], S. E 65 und Fn. 316).<br />

93 Zu Recht weist auch Haas (Fn.10), S. E 13-14 auf die Grenzen<br />

sinnvollen Gläubigerschutzes hin.<br />

94 Zur statt dessen geführten Diskussion um „Finanzierungsfolgenverantwortung“<br />

des Gesellschafters Haas (Fn.10), S. E<br />

57-58 m.w.N.<br />

95 Kraakman/Hansmann in Kraakman/Davies/Hansmann/Hertig/Hopt/Kanda,<br />

The Anatomy of Corporate Law, 2004,<br />

S. 1 ff., 21 ff. und bes. 215: „By necessity, corporate law in<br />

GESELLSCHAFTSRECHT<br />

bedarf keiner legal transplants. Auf dem Boden unserer<br />

Rechtsordnung sind die potenziellen Konflikte zwischen<br />

Management und Gesellschaftern, Mehrheitsund<br />

Minderheitsgesellschaftern sowie Unternehmen<br />

und Gläubigern/Arbeitnehmern regelbar. 95 Notwendig<br />

sind zielgenauere Anspruchsgrundlagen, die auch dem<br />

Individualgläubiger eine Chance auf effektiven Rechtsschutz<br />

bieten96 und weniger Kollateralschaden anrichten.<br />

Einen entsprechenden Versuch hierzu habe ich im vergangenen<br />

Jahr zusammen mit dem bayerischen Kollegen<br />

Thomas Wachter unternommen. 97<br />

MoMiG – Ein Überblick über den aktuellen Diskussionsstand<br />

Das Bundesministerium der Justiz hat am 29.5.2006<br />

den Referentenentwurf des Gesetzes zur Modernisierung<br />

des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen<br />

(MoMiG) den Bundesressorts zur Stellungnahme<br />

zugeleitet. Mit dem Regierungsentwurf ist laut<br />

der Pressemitteilung des BMJ vom selben Tage erst<br />

Anfang 2007 zu rechnen. Das Gesetz könnte im Herbst<br />

2007/Anfang 2008 in Kraft treten. Der nachfolgende<br />

Beitrag gibt einen Überblick über den derzeitigen Diskussionsstand<br />

um den Referentenentwurf.<br />

1 Kritisch bereits zur 2005 isoliert geplanten Reduzierung i.R.d.<br />

MindestKapG Heckschen in Heckschen/Heidinger, Die GmbH<br />

in der Gestaltungspraxis, 2005, § 14 Rz. 3ff.<br />

Notar Dr. Heribert Heckschen, Dresden<br />

every jurisdiction must deal with three generic agency problems:<br />

the opportunism of managers vis-à-vis shareholders;<br />

the opportunism of controlling shareholders vis-à-vis minority<br />

shareholders; and the opportunism of the firm itself visà-vis<br />

other corporate constituencies, such as corporate creditors<br />

and employees.“<br />

96 Denkbar ist neben deliktsrechtlichen Ansätzen etwa die römisch<br />

rechtliche actio de in rem verso, deren Reste sich in<br />

§ 822 BGB wieder finden. Zur Versionsklage Windscheid,<br />

Lehrbuch des Pandektenrechts, 4.Aufl. 1875, § 483 sowie<br />

Ulp. D. 17, 3, 1, 1; Iav. D. 17, 3, 2. In ihrer ursprünglichen<br />

Form handelt es sich um die Klage des Vertragspartners, der<br />

mit dem einem Sklaven überlassenen Sondervermögen (peculium)<br />

kontrahiert hat, wenn der Sklave mit dem hieraus Erlangten<br />

seinen Herrn bereichert hat, so dass die Klage in das<br />

Sondervermögen (actio de peculio) mangels Haftungsmasse<br />

ins Leere geht. Auch die Bürgschaft mit dem peculium für<br />

den Gewalthaber (vgl. etwa heute die up-stream-Finanzierung)<br />

begründet die Versionsklage, Ulp. D. 17, 3, 10pr. Zur<br />

Entreicherung bei darlehensweiser Rückgewähr des Erlangten<br />

an das Sondervermögen (heute etwa das cash-pooling)<br />

siehe Ulp. D. 17, 3, 10, 8. Zu den weiteren Entwicklungen R.<br />

Zimmermann, The Law of Obligations, 1990, S. 878-884.<br />

97 Abrufbar unter www.gmbhr.de/volltext.htm.<br />

I. Beschleunigung von Unternehmensgründungen<br />

Ein Kernanliegen der GmbH-Novelle ist die Erleichterung<br />

und Beschleunigung von Unternehmensgründungen.<br />

1. Erleichterung der Kapitalaufbringung und der<br />

Übertragung von Geschäftsanteilen<br />

a) Herabsetzung des Mindeststammkapitals<br />

Das Mindeststammkapital der GmbH soll von bisher<br />

25.000 . auf 10.000 . herabgesetzt werden. 1 Von dem<br />

Mindeststammkapital muss die Hälfte, also nur noch<br />

ein Betrag von 5.000 ., vor der Eintragung aufgebracht<br />

werden.


Heckschen<br />

382 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

MoMiG<br />

Als Anpassung an die Praxiserfordernisse wird die beabsichtigte<br />

Senkung der Mindeststammkapitalziffer<br />

teilweise begrüßt. 2 Die Mehrzahl der Neugründungen<br />

sind nämlich nicht mehr Produktionsunternehmen, sondern<br />

Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor (über<br />

85%), die unter Umständen mit relativ geringem Startkapital<br />

gegründet werden könnten. 3<br />

Ob sich allerdings derjenige, der kein Mindestkapital<br />

braucht oder jedenfalls meint, keines zu brauchen, durch<br />

die Herabsetzung des Betrags wirklich dazu animieren<br />

lässt, nun die GmbH zu wählen statt die Ltd., ist zweifelhaft.<br />

4 Die Erfahrung des französischen Gesetzgebers mit<br />

der Ein-Euro-S.A.R.L. sollte aber gezeigt haben, dass die<br />

faktische Abschaffung des Mindestkapitals 5 auch das<br />

Ansehen einer Rechtsform weiter schwächen kann und<br />

nicht zwingend zu einem erhofften Boom an Unternehmensgründungen<br />

führen muss. 6 Es ist weiter stark zu bezweifeln,<br />

dass jedwede seriös betriebene unternehmerische<br />

Aktivität ohne einen Kapitalstock von mindestens<br />

12.500 . Aussicht auf Erfolg hat. Auch der Dienstleister<br />

braucht ein Minimum an Betriebsmitteln, die er entweder<br />

anschaffen muss oder im Fall des Leasings mit Kapital zu<br />

besichern hat. Es ist bei einer Aufgabe/Reduzierung des<br />

Mindestkapitalsystems mit einer erhöhten Zahl an unterkapitalisierten<br />

GmbHs zu rechnen. 7<br />

Im Ergebnis ist nicht nur der Forderung nach Abschaffung<br />

des Mindestkapitals, sondern sogar der Forderung<br />

nach einer Herabsetzung überhaupt, eine Absage zu erteilen.<br />

8 Ohne Aufbringung eines nennenswerten Mindestkapitals<br />

geht vielen Gesellschaften bereits in der risikoträchtigen<br />

Startphase die Liquidität aus, da es an einem<br />

Verlustpuffer fehlt. 9 Im Interesse einer gewissen Seriosi-<br />

2 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458).<br />

3 Vgl. Begr. RefE S. 38. Der Deutsche Notarverein (Schreiben<br />

v. 22.9.2006, S. 8) ist der Ansicht, dass diesem Umstand bereits<br />

durch die inflationsbedingte faktische Halbierung des<br />

Mindestkapitals von 1981 Rechnung getragen wurde. Unternehmen<br />

mit höherem Kapitalbedarf werden auch in Zukunft<br />

gut beraten sein, schon – wie bisher – bei der Gründung ein<br />

höheres Kapital zu zeichnen.<br />

4 Römermann, GmbHR 2006, 673 (675). Krit. zur Absenkung<br />

des Mindestkapitals auch Priester in Die GmbH-Reform in<br />

der Diskussion, 2006, S. 1 (5ff.). Den entscheidenden Vorteil<br />

der Ltd. sehen Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458)<br />

im gänzlichen Fehlen von Kapitalerfordernissen.<br />

5 So die Forderungen von Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322).<br />

6SoBreitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462), die zugleich<br />

den Kosten- und Zeitvorteil im Hinblick auf das Erfordernis<br />

der Errichtung einer Zweigniederlassung relativieren.<br />

7 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S. 4; auch Römermann, GmbHR 2006, 673 (675)<br />

geht davon aus, dass die Haftungsfigur „persönliche Haftung<br />

der Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt sog. materieller<br />

Unterkapitalisierung“ an Bedeutung gewinnen könnte; vgl.<br />

hierzu auch Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1023).<br />

8 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen vom<br />

20.6.2005 gegenüber dem Sächsischen Staatsministerium der<br />

Justiz, Az.: 6F07-TB32. Entscheidend stellte die Notarkammer<br />

auf eine Analyse der Creditreform ab, in deren Rahmen ca.<br />

100000 GmbHs auf ihre Zahlungsweise hin untersucht wurden;<br />

so auch Priester in Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006,<br />

S.1 (8) mit alternativen Vorschlägen. So hat sich auch der 66.<br />

Deutsche Juristentag 2006 in Stuttgart mit überwältigender<br />

Mehrheit entschieden, vgl. DB Heft 39, S.XXX und Noske,<br />

tätsschwelle sollte Gesetzgeber zumindest darauf achten,<br />

dass der Gründer bei Bargründungen die 10.000 . voll<br />

einzahlt bzw. die volle Einzahlung dieses Betrages versichert.<br />

10 Im Ergebnis wird die Herabsetzung des Stammkapitals<br />

allenfalls kontraproduktiv wirken. <strong>11</strong><br />

Die Forderung12 nach einer Abschaffung der notariellen<br />

Beurkundung der Gründung oder nach der Einführung<br />

sog. „Mustersatzungen“ 13 greift der Gesetzgeber zu<br />

Recht nicht auf. Die Kostenbelastung von maximal<br />

421 . 14 ist nicht nur geringfügig, ihr steht vielmehr ein<br />

Kostenvorteil für fast alle betroffenen Unternehmer entgegen.<br />

Die ansonsten erforderliche Beratung der weit<br />

überwiegend ohne eigene Rechtsabteilung tätigen Unternehmen<br />

zu Fragen der Firmierung, des Unternehmensgegenstandes,<br />

der Geschäftsführungsregelung etc.<br />

löst sicherlich weit höhere Belastungen aus.<br />

b) Bestimmbarkeit der Stammeinlage<br />

Jeder Geschäftsanteil muss künftig nur noch auf einen<br />

Betrag von mindestens einem Euro lauten. Überwiegend<br />

wird dies als ein Schritt in die richtige Richtung<br />

erachtet. 15 Durch die neue Regelung können die Beteiligungsverhältnisse<br />

bei der Gründung, bei der Anteilsübertragung<br />

und im Erbfall besser an die Bedürfnisse<br />

der Gesellschafter bzw. an die jeweiligen Erbteile angepasst<br />

werden. 16<br />

Zukünftig gewährt auch jeder Euro eines Geschäftsanteils<br />

eine Stimme, §47 Abs.2 GmbHG-E. Das Berechnen<br />

der Stimmanteile der einzelnen Gesellschafter<br />

wird einfacher und läuft völlig parallel zur Anteilsstückelung.<br />

17 Die Herabsenkung des für das Stimmrecht<br />

ZRP 2006, 232 (234); zu Vor- und Nachteilen der Herabsetzung<br />

vgl. auch Leuering, ZRP 2006, 201 (203).<br />

9 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S. 3; vgl. auch Fastrich, DStR 2006, 656 (657), der<br />

den Eigenkapitalmangel neben anderen Ursachen als Erklärung<br />

für die „Kindersterblichkeit“ der GmbH nennt.<br />

10 BDI, Diskussionspapier, abrufbar unter http://www.bdi-online.de/Dokumente/Anl2RV96-06_DiskPapierBDI_GmbH-<br />

Reform_90606.DOC, S. 20; in diese Richtung auch Bohrmann,<br />

GmbHR 2006, 1021 (1024).<br />

<strong>11</strong> Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1022) befürchtet, dass insbes.<br />

Kreditgeber über das bisherige Maß hinaus Sicherheiten<br />

von den Gesellschaftern verlangen werden.<br />

12 Vorschläge zur Reform des GmbH-Gesetzes, Hengeler/Mueller<br />

für den BDI, Feb. 2006, 1 (13), abzurufen unter:<br />

www.bdi-online.de; Gehb/Drange/Heckelmann, NZG 2006,<br />

88 (91), für eine UGG.<br />

13 Teichmann, NJW 2006, 2444 (2449); Vorschläge zur Reform<br />

des GmbH-Gesetzes, Hengeler/Mueller für den BDI, Feb.<br />

2006, 1 (13), abzurufen unter: www.bdi-online.de; Gehb/<br />

Drange/Heckelmann, NZG 2006, 88 (91) für eine UGG.<br />

14 Für eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 .; vgl.<br />

hierzu notar 2006, 58 (59).<br />

15 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322); so auch Seibert, ZIP<br />

2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>59) und Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer,<br />

Az.: ap – T II 32, S. 9; Flesner, NZG 2006,<br />

641 (642).<br />

16 Begr. RefE S. 38.<br />

17 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>59); Flesner, NZG 2006, 641<br />

(642) geht davon aus, dass zukünftig Fehlerquellen bei der<br />

Teilung und Übertragung von Geschäftsanteilen und die damit<br />

verbundenen Nichtigkeitsfolgen vermieden werden.


Heckschen<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 383<br />

MoMiG<br />

maßgeblichen Nennbetrages verhindert, dass Stimmen<br />

bei Teilung „verloren“ gehen. 18 Für wünschenswert<br />

wird jedoch eine terminologische Bereinigung, die mit<br />

der schwer verständlichen und künftig auch überflüssigen<br />

Unterscheidung von Stammeinlage und Geschäftsanteil<br />

aufräumt, erachtet. 19 Allerdings dürfte eine derartig<br />

aufgesplittete Anteilseignerstruktur den Beratungsbedarf<br />

eher steigern denn minimieren. 20 Die Beteiligten<br />

verlieren heute schon sehr leicht die Übersicht<br />

über die Beteiligungsverhältnisse.<br />

c) Übertragung von Geschäftsanteilen<br />

Die Übertragung von Geschäftsanteilen wird erleichtert.<br />

So soll das Verbot, bei der Errichtung der Gesellschaft<br />

mehrere Geschäftsanteile zu übernehmen, aufgehoben<br />

werden. 21 Das Erfordernis der notariellen Beurkundung<br />

nach §15 Abs.3 GmbHG bleibt. 22<br />

18 Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (207).<br />

19 Letztgenannter Begriff könnte nach Noack, DB 2006, 1475<br />

(1477) durchgängig verwendet werden; dem widersprechend<br />

Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1024).<br />

20 Durch die Beibehaltung des Formerfordernisses ist der qualifizierte<br />

Rechtsrat sichergestellt, Deutscher Notarverein, Schr.<br />

v. 22.9.2006, S. 10, der allerdings eine Nummerierung der<br />

Geschäftsanteile ähnlich wie bei § 67 Abs. 1 AktG vorschlägt.<br />

21 Was bereits bisher unmittelbar nach der Eintragung der Gesellschaft<br />

in das Handelsregister gem. § 15 Abs. 2 möglich<br />

ist, soll nun auch schon in der Gründungsphase möglich sein.<br />

22 Vgl. Begr. RefE S. 39.<br />

23 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>59); Römermann, GmbHR 2006,<br />

673 (676).<br />

24 Vgl. Ergebnis der Befragung aller deutschen Notare in<br />

Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.2006, S.24.<br />

25 Ausführlich zur Warnfunktion Zöllner in Die GmbH in der<br />

Diskussion, 2006, 175 (176 ff.); zu den Kosten vgl. notar<br />

2006, 53ff.<br />

26 BDI, Diskussionspapier, Fn. 9, S. 6 f.; Triebel/Otte, ZIP 2006,<br />

1321 (1325).<br />

27 Für eine dispositve Ausgestaltung des Formerfordernisses<br />

und der Übernahme von § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG spricht sich<br />

die Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, GmbHR 2006, 978<br />

(979) aus.<br />

28 Diese besondere Beratungs- und Warnfunktion der notariellen<br />

Beurkundung sieht der BDI, Diskussionspapier (Fn. 9),<br />

S. 7, nicht, da er offensichtlich den Ausnahmefall von Unternehmen<br />

mit eigener Rechtsabteilung vor Augen hat. Dem<br />

BDI geht es nach eigener Aussage um einen „Kleinkrieg“ gegen<br />

die Notarkammern (so dessen Rechtsausschussvorsitzender<br />

E. Sünner, FAZ v. 24.10.2006, S. 14). Der Sinn und<br />

Zweck dieses „Krieges“ bleibt und wird nicht nachvollziehbar.<br />

Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung wenden ohnehin<br />

nur 107 . für die Gründung beim Notar auf.<br />

29 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S. <strong>11</strong>.<br />

30 Zum Formerfordernis in Vergleich mit ausländischen Rechtsordnungen<br />

ausführlich Behrens in Die GmbH in der Diskussion,<br />

2006, 195ff.<br />

31 So aber Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1325).<br />

32 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S. 17.<br />

33 Zu den praktischen Folgen dieser ¾nderungen vgl. ausführlich<br />

Bohrmann, GmbHR 2006, 1021 (1023).<br />

34 Vgl. hierzu Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer,<br />

Az.: ap – T II 32, S. <strong>11</strong>.<br />

Die kleinere Stückelung und die flexiblere Übertragung<br />

werden daher keinen Einfluss auf die Fungibilisierungsdebatte<br />

haben. 23 Angesichts der ganz überwiegend sehr<br />

geringen Kosten (zumeist unter 400 .) fürdiegroße<br />

Mehrzahl der Anteilsübertragungen 24 und der durch die<br />

Beurkundung gewährleisteten Rechtssicherheit 25 und<br />

Beweissicherung für die Gesellschaft, die Gesellschafter<br />

und auch die Gläubiger ist das Bestehenbleiben des<br />

Formerfordernisses zu begrüßen, wenn auch einige 26<br />

die Streichung des Formerfordernisses fordern. 27<br />

Die Praxis zeigt, dass die überwiegende Zahl der Anteilsübertragungen<br />

von Gesellschaften vollzogen wird,<br />

die der juristischen Beratung bedürfen. 28 Insbesondere<br />

ist der Schutz des Anteilserwerbers künftig aufgrund<br />

der Erleichterungen bei der Anteilsstückelung noch<br />

mehr als bisher durch die Beurkundung des Veräußerungsvertrags<br />

und die damit verbundene Belehrung zu<br />

realisieren. 29 Davon, dass der Zweck des Gesetzgebers,<br />

den leichteren Handel mit Geschäftsanteilen zu erschweren,<br />

im internationalen Vergleich 30 historisch<br />

überholt sei 31 , kann nicht gesprochen werden. Vielmehr<br />

erhält das deutsche Recht sogar einen Wettbewerbsvorteil<br />

gegenüber anderen Rechtsordnungen. 32 So sei der<br />

gutgläubige Erwerb von Geschäftsanteilen eng verknüpft<br />

mit der Beurkundungsbedürftigkeit von GmbH-<br />

Anteilsübertragungen. Der Übertragungsvorgang werde<br />

in einer öffentlichen Urkunde klar und beweiskräftig<br />

festgehalten. Die vom Notar auf der Grundlage des<br />

Übertragungsvorgangs gefertigte Gesellschafterliste ist<br />

im Handelsregister – ab dem 1.1.2007 auch online –<br />

einsehbar. In England dagegen sind die Beteiligungsverhältnisse<br />

nur durch Nachfrage bei der Gesellschaft,<br />

die eine nicht mit einer vergleichbaren Richtigkeitsgewähr<br />

ausgestattete Liste führt, ermittelbar. Im Ergebnis<br />

würde die Streichung des Beurkundungserfordernisses<br />

zu Rechtsunsicherheit und ganz überwiegend zu erhöhten<br />

Transaktionskosten durch die Einschaltung anderweitiger<br />

Berater führen.<br />

Das Verbot, mehrere Teile von Geschäftsanteilen<br />

gleichzeitig an denselben Erwerber zu übertragen, soll<br />

fallen, §17 Abs.4 GmbHG-E. Da Stammeinlagen künftig<br />

auf einen beliebigen vollen Euro-Betrag lauten können,<br />

die Gesellschafter mehrere Stammeinlagen übernehmen<br />

können und auf die Teilbarkeit durch fünfzig<br />

verzichtet wird 33 , ist es konsequent, die Übertragung<br />

mehrerer Teile von Geschäftsanteilen an denselben Erwerber<br />

zuzulassen.<br />

Die Beibehaltung des Verbots der Vorratsteilung ist angesichts<br />

der Aufgabe des Prinzips der Einheitlichkeit<br />

der Gründungsbeteiligung nicht konsequent. Insbesondere<br />

für Alt-GmbHs, die die Stückelung ihrer Anteile<br />

ändern wollen, kann dies von Bedeutung sein. 34 Vor allem<br />

aber bei der Verpfändung des Anteils zu Sicherungszwecken<br />

an Kreditinstitute erweist sich das Verbot<br />

der Vorratsteilung als äußerst hinderlich und kostentreibend,<br />

da hier Hin- und Herübertragungen vorzunehmen<br />

sind.


Heckschen<br />

384 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

MoMiG<br />

2. Beschleunigung der Registereintragung<br />

a) Wegfall der Vorlage staatlicher Genehmigungen als<br />

Eintragungsvoraussetzung<br />

Um die Handelsregistereintragung von Gesellschaften<br />

zu erleichtern, deren Unternehmensgegenstand genehmigungspflichtig<br />

ist (z.B. Handwerks- und Restaurantbetriebe<br />

oder Bauträger), wird das Eintragungsverfahren<br />

von der verwaltungsrechtlichen Genehmigung abgekoppelt.<br />

Zukünftig soll anstelle der Genehmigung die<br />

Versicherung genügen, dass die Genehmigung bei der<br />

zuständigen Stelle beantragt worden ist. Wird die Erteilung<br />

der Genehmigung jedoch nicht innerhalb von drei<br />

Monaten bzw. einer vom Registergericht gesetzten anderweitigen<br />

Frist nach der Eintragung beim Registergericht<br />

nachgewiesen, ist die Gesellschaft nach dem insofern<br />

geänderten §60 Abs.1 Nr.7 GmbHG-E von Amts<br />

wegen zu löschen.<br />

Die Neuregelung ist zumindest insofern vorteilhaft, als<br />

zukünftig nicht mehr gewartet werden muss, bis die<br />

staatliche Genehmigung erteilt ist, so dass nunmehr<br />

nicht mehr der „Langsamste“ das Tempo für das Eintragungsverfahren<br />

bestimmt. 35<br />

Mehrheitlich besteht jedoch zu Recht die Forderung nach<br />

einer kompletten und ersatzlosen Streichung von §8<br />

Abs.1Nr.6GmbHG. 36 Die Neuregelung schafft keine<br />

echte Trennung zwischen Handels- und Gewerberecht. 37<br />

Eine Beschleunigung des Gründungsverfahrens ist keineswegs<br />

gewährleistet. Vielmehr besteht die Gefahr, dass<br />

auch bei solchen Gesellschaften, die überhaupt keine genehmigungsbedürftige<br />

Tätigkeit ausüben, Verzögerungen<br />

auftreten. Denn die Registergerichte verlangen nicht<br />

selten entsprechende Negativbescheinigungen von den<br />

zuständigen Stellen. Hinzu kommt, dass die geplante<br />

Neuregelung auch nicht zur Entlastung der Justiz beiträgt.<br />

Das Registergericht wird vielmehr mit neuen Kontroll-<br />

und Überwachungsaufgaben belastet. Die Einhaltung<br />

der gewerbe- und handwerksrechtlichen Vorschriften<br />

sollte ausschließlich durch die dafür zuständigen Verwaltungsbehörden<br />

erfolgen. Das Handelsregister sollte<br />

nicht die Funktion der Gewerbeaufsicht übernehmen.<br />

Man mag es dem Handelsregister oder dem Notar auferlegen,<br />

die Gewerbeaufsicht von Gründungen/Satzungsänderungen<br />

zu informieren, wenn genehmigungspflichtige<br />

Unternehmensgegenstände begründet wurden. 38<br />

Im Übrigen passt der Zuschnitt auf den in §60 Abs.1<br />

Nr.7 GmbHG geregelten Fall der Vermögenslosigkeit<br />

nicht. 39 Bei den GmbHs, die das Schicksal der Zwangslöschung<br />

wegen Nichtvorlage des Nachweises der Genehmigung<br />

erleiden, besteht ein Bedürfnis für die<br />

Durchführung eines Liquidationsverfahrens, da es sich<br />

durchweg um aktive Gesellschaften handeln wird.<br />

b) Verzicht auf Sicherheiten bei der Einmann-GmbH<br />

Bei Ein-Personen-GmbHs wird künftig auf die nach<br />

Auskunft der Praxis entbehrliche Stellung besonderer<br />

Sicherheiten verzichtet. Die Streichung der §§7 Abs.2<br />

S.3, 19 Abs.4 GmbHG ist vernünftig, da in der Praxis<br />

die bloße Existenz eines weiteren Gesellschafters, über<br />

dessen Solvenz das Registergericht nichts erfährt, schon<br />

bisher keine besondere Sicherheit für die Einzahlung<br />

des restlichen Stammkapitals bot. 40 Die Problematik<br />

stellt sich dann ohnehin nicht, wenn von vornherein die<br />

Volleinzahlung des Stammkapitals gefordert wird.<br />

c) Verzicht auf Kostenvorschuss<br />

Zu Recht wird gefordert, dass bei der Ersteintragung<br />

kein Kostenvorschuss mehr verlangt werden darf. Die<br />

geringfügigen Eintragungskosten rechtfertigen die erhebliche<br />

zeitliche Verzögerung des Gründungsvorgangs<br />

nicht. Zumindest sollte ausdrücklich festgelegt werden,<br />

dass ein Kostenvorschuss nur in begründeten Einzelfällen<br />

(z.B. bei offen stehenden Forderungen gegen die betroffenen<br />

Gesellschafter/Gründer) verlangt werden darf.<br />

II. Erhöhung der Attraktivität der GmbH als<br />

Rechtsform<br />

1. Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland<br />

Durch Aufhebung von §4a Abs.2 GmbHG soll es deutschen<br />

Gesellschaften zukünftig ermöglicht werden, einen<br />

Verwaltungssitz zu wählen, der nicht notwendig<br />

mit dem Satzungssitz übereinstimmt. Dieser Verwaltungssitz<br />

kann auch im Ausland liegen. 41<br />

Die Gesetzesänderung schafft damit gleiche Ausgangsbedingungen<br />

gegenüber vergleichbaren Auslandsgesellschaften42<br />

, was angesichts der EuGH-Rechtsprechung43 auch dringend geboten ist. 44 Zu bedenken ist aber, dass<br />

35 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1458).<br />

36 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />

2F07-TB32, S.3f.; Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457<br />

(1458); Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1322); Wachter,<br />

GmbHR 2006, 793 (795); vgl. auch Wachter in Die GmbH in<br />

der Diskussion, 2006, 55 (73ff.).<br />

37 Ausführlich hierzu Wachter, GmbHR 2006, 793 (795); Entwurf<br />

der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />

2F07-TB32, S. 3.<br />

38 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />

2F07-TB32, S. 4.<br />

39 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S.6; Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.<br />

2006, S. 18.<br />

40 Römermann, GmbHR 2006, 673 (675). Der Gedanke, dass<br />

zwei Gründer stets zuverlässiger für die ausstehenden Einlagen<br />

haften als einer, hält Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>64)<br />

ohnehin für eine archaisch anmutende Zählung nach Köpfen.<br />

Warum das Kapitalaufbringungsrisiko bei einer Einpersonen-<br />

Gründung größer sein soll als bei einer Mehrpersonen-Gründung,<br />

leuchtet auch der Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt,<br />

GmbHR 2006, 978 (979 f.) nicht ein.<br />

41 Im Einklang mit dem BDI, Fn. 9, S. 18 hält es Wulfetange,<br />

BB-Special 7/2006, 19 (21) für wünschenswert, auch die<br />

Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland gesetzlich zu ermöglichen;<br />

allgemein zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung<br />

nach derzeitigem Recht vgl. Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter,<br />

GmbHG, 2005, § 4a Rz. 8.<br />

42 Vgl. Begr. RefE S. 37.<br />

43 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 (Centros), v. 5.<strong>11</strong>.2002 –<br />

Rs. C-208/00 (Überseering), v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 (Inspire<br />

Art); vgl. dazu Heckschen in Heckschen/Heidinger, Die<br />

GmbH in der Gestaltungspraxis, 2005, § 12 Rz. 12ff. sowie<br />

Heckschen in Widmann/Mayer, UmwR, § 1 Rz. 163ff.<br />

44 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326).


Heckschen<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 385<br />

MoMiG<br />

die hier zu Lande registrierte GmbH zwar in den EU-/<br />

EWR- 45 Staaten aufgrund Art.43, 48 EGV Anerkennung<br />

findet. Auch in Partnerstaaten, mit denen Staatsverträge<br />

46 existieren, die die gegenseitige Anerkennung<br />

regeln, kann die inländische GmbH tätig werden. Ob<br />

die GmbH allerdings in Drittstaaten Anerkennung finden<br />

wird, ist abhängig von deren internationalem Privatrecht.<br />

Folgt der Drittsaat nicht der Gründungstheorie,<br />

sondern der Sitztheorie, so ist die Akzeptanz unserer<br />

Kapitalgesellschaft, deren Betrieb und Verwaltung in<br />

diesem Staat liegt, sehr fraglich. 47<br />

2. Mehr Transparenz und gutgläubiger Erwerb bei<br />

Gesellschaftsanteilen<br />

a) Gesellschafterliste als Anknüpfungspunkt<br />

Künftig soll – durch eine ¾nderung des §16 GmbHG48 – im Verhältnis zur GmbH nur derjenige als Gesellschafter<br />

gelten, der in der zum Handelsregister eingereichten<br />

Gesellschafterliste eingetragen ist. Dabei ist zu<br />

berücksichtigen, dass dem allgemeinen Anliegen,<br />

Transparenz über die Anteilseignerstrukturen der<br />

GmbH zu schaffen49 , schon dadurch eine Grenze ge-<br />

45 Die EuGH-Rechtsprechung gilt auch im Verhältnis zu EWR-<br />

Staaten, vgl. OLG Frankfurt/M. v. 28.5.2003 – 23 U 35/02,<br />

IPRax 2004, 56.<br />

46 Nach Art. XXXV des deutsch-amerikanischen Freundschafts-,<br />

Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.1945<br />

(BGBl. II 1956, 487f.) gelten Gesellschaften, die gemäß den<br />

Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils<br />

in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaft dieses Vertragsteils<br />

und werden im Gebiet des anderen Vertragsteils<br />

anerkannt; vgl. hierzu auch Bungert, DB 2003, 1043 ff.<br />

47 Noack, DB 2006, 1475 (1479); ein Vorschlag zur Neuformulierung<br />

statt der Aufhebung von § 4a Abs. 2 findet sich in der<br />

Stellungnahme der Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt,<br />

GmbHR 2006, 978 (979).<br />

48 Angelehnt an das Regelungsmuster des § 67 Abs. 2 AktG.<br />

49 Vgl. Begr. RefE S. 48.<br />

50 Römermann, GmbHR 2006, 673 (676).<br />

51 Die Notarkammer Sachsen (Entwurf der Stellungnahme,<br />

Az.: 2F07-TB32, S. 5) schlägt deshalb vor, in § 16 Abs. 1<br />

Satz 1 die Worte „zum Handelsregister eingereicht“ zu streichen.<br />

52 Z.B. um eine Satzungsänderung vorzunehmen oder einen<br />

Geschäftsführer neu zu bestellen oder abzuberufen, vgl.<br />

Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.2006, S.23.<br />

53 Nach Ansicht von Ziemons, BB-Special 7/2006, 9 (12) sollte<br />

der Gesetzgeber besser auf Bewährtes zurückgreifen. Ziemons<br />

schlägt zum gutgläubigen Erwerb deshalb die Verbriefung<br />

der Geschäftsanteile und Verfügungen nach (leicht modifizierten)<br />

wertpapierrechtlichen Grundsätzen vor.<br />

54 Vgl. Begr. RefE S. 50.<br />

55 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1460).<br />

56 Noack, DB 2006, 1475 (1478); Rau, DStR 2006, 1892 (1899)<br />

plädiert deshalb dafür, dass die vom Notar beim Handelsregister<br />

einzureichende Gesellschafterliste auch Angaben zu<br />

Belastungen des Geschäftsanteils enthalten soll.<br />

57 Vgl. Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer,<br />

Az.: ap – T II 32, S. 14.<br />

58 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1326); Schockenhoff/Höder,<br />

ZIP 2006, 1841 (1844f.); auch Rau, DStR 2006, 1892 (1897)<br />

übt Kritik an der Drei-Jahres-Frist.<br />

59 Müller, GmbHR 2006, 953 (957 f.) mit einem entsprechenden<br />

Formulierungsvorschlag zu § 16 Abs. 3 GmbHG.<br />

setzt wird, dass Treuhandverhältnisse weiterhin möglich<br />

sind. Derjenige, der in die Liste eingetragen ist, ist also<br />

zwar immer formeller Inhaber des Anteils, aber hinter<br />

ihm kann durchaus wirtschaftlich ein Treugeber stehen,<br />

der Weisungen erteilt. 50<br />

Die Wirksamkeit der Übertragung ist – abgesehen vom<br />

neu zu regelnden Fall des gutgläubigen Erwerbs – aber<br />

auch weiterhin unabhängig von der Eintragung in die Gesellschafterliste.<br />

Dass dem Neugesellschafter jedoch<br />

ohne die Eintragung die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte<br />

verwehrt bleibt, wird für wenig praktikabel<br />

erachtet. 51 Bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen ist<br />

nämlich vielfach gewollt, dass der in die Gesellschaft eintretende<br />

Gesellschafter ohne Mitwirkung des Veräußerers<br />

an einer direkt im Anschluss an die Veräußerung stattfindenden<br />

Gesellschafterversammlung52 mitwirkt.<br />

b) Gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen<br />

Die Gesellschafterliste dient nach dem neuen §16<br />

Abs.3 GmbHG-E als Anknüpfungspunkt für einen gutgläubigen<br />

Erwerb von Geschäftsanteilen und ermöglicht<br />

diesen damit. 53 Wer einen Geschäftsanteil erwirbt,<br />

soll künftig darauf vertrauen dürfen, dass die in der Gesellschafterliste<br />

verzeichnete Person auch wirklich Gesellschafter<br />

ist. 54<br />

Die Probleme des Erwerbers eines GmbH-Geschäftsanteils<br />

sind damit zwar minimiert, aber nicht ausgeschaltet.<br />

Schutzlos steht der Erwerber nach wie vor dann,<br />

wenn innerhalb der letzten drei Jahre eine Zwischenübertragung<br />

erfolgte, dies insbesondere dann, wenn dies vor<br />

einem ausländischen Notar protokolliert wurde, den nicht<br />

die Pflicht zur Einreichung einer aktualisierten Gesellschafterliste<br />

nach §40 Abs.2 GmbHG trifft. 55 Auch kann<br />

man sich nicht darauf verlassen, dass der Geschäftsanteil<br />

nicht belastet ist, denn die Gesellschafterliste weist keine<br />

Verpfändung, etc. aus. 56<br />

Um Auslegungsschwierigkeiten bei der Anwendung<br />

des §16 Abs.3 GmbHG-E zu verhindern, sollte auch<br />

die Gesetzesbegründung – die insoweit gegenüber dem<br />

Wortlaut verkürzt ist – verdeutlichen, dass ein gutgläubiger<br />

Erwerb auch bei nicht vorhandener, verlautbarter<br />

Existenz greift. 57<br />

Für eine noch weitergehende Ausgestaltung des gutgläubigen<br />

Erwerbs sollte die Drei-Jahres-Frist als Voraussetzung<br />

für den gutgläubigen Erwerb deutlich verkürzt<br />

werden (6 Monate/12 Monate). Eine derartige Ersetzung<br />

der Legitimationsbasis verhindert nach dieser<br />

Ansicht die schnelle Übertragbarkeit der Anteile und<br />

wird zum Schutz der wahren Berechtigten nicht für erforderlich<br />

gehalten. 58 Will man die Drei-Jahres-Frist<br />

beibehalten, so könnte der gutgläubige Erwerb nach einer<br />

weiteren Ansicht zumindest dadurch vereinfacht<br />

und klarer geregelt werden, als die Anknüpfung des<br />

Drei-Jahres-Zeitraums nicht an den Zeitpunkt der Unrichtigkeit<br />

der Eintragung, sondern an den Zeitpunkt<br />

der Eintragung erfolgen sollte. 59<br />

c) Bescheinigung des Notars<br />

Durch die vorgesehene Neufassung des §40 Abs.1<br />

Satz2 GmbH soll nun der Notar verstärkt in die Aktua-


Heckschen<br />

386 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

MoMiG<br />

lisierung der Gesellschafterliste einbezogen werden.<br />

Die nach §40 Abs.1 Satz3 GmbHG-E vorgesehene Bescheinigung<br />

des Notars60 erhöht zusätzlich die Richtigkeitsgewähr,<br />

welche neben der mehrjährigen Widerspruchsmöglichkeit<br />

den gutgläubigen Erwerb rechtfertigt.<br />

Der vom Referentenentwurf eingeschlagene Weg wird<br />

teilweise für zu kompliziert erachtet. 61 Eine Vereinfachung<br />

könnte dadurch erreicht werden, dass die Einreichung<br />

der Gesellschafterliste beim Registergericht<br />

zur Wirksamkeitsvoraussetzung für den Anteilserwerb<br />

gemacht wird. 62 Auf diese Weise wäre eine volle Transparenz<br />

des jeweiligen Gesellschafterbestandes gewährleistet.<br />

63<br />

Andererseits werden die vorgesehenen Regelungen ausdrücklich<br />

begrüßt. 64 Als Verbesserung ist zu fordern:<br />

Eine notariell erstellte Gesellschafterliste sollte auch in<br />

Fällen der Gesamtrechtsnachfolge zwingend vorgesehen<br />

werden. Die Einreichung der Gesellschafterliste<br />

sollte – etwa bei Erbfolge oder sonstiger Gesamtrechtsnachfolge65<br />

– nicht allein Aufgabe der Geschäftsführer<br />

bleiben. Eine Konzentration der Einreichung jeglicher<br />

neuer Gesellschafterlisten über den Notar sollte in Erwägung<br />

gezogen werden. Auf diese Weise würde in der<br />

Mehrzahl der Fallkonstellationen ein Nebeneinander<br />

vermieden. Soweit die ¾nderung im Gesellschafterbestand<br />

nicht aufgrund einer notariellen Urkunde erfolgt<br />

(Gesamtrechtsnachfolge, Einziehung etc.), würde<br />

nicht nur eine Konzentration auf eine Stelle für alle Einreichungen<br />

bewirkt. Auf entsprechende Nachfrage wird<br />

der Notar auch „Fehlmeldungen“ entgegenwirken.<br />

Hinzu kommen sollte zudem eine Klarstellung dahingehend<br />

erfolgen, dass eine Pflicht des Notars zur Einreichung<br />

der Gesellschafterliste unabhängig davon besteht,<br />

ob vorher eine Bestätigung hinsichtlich der Richtigkeit<br />

der Liste von den Geschäftsführern eingeholt<br />

worden ist. 66 Würde dann auch noch klargestellt werden,<br />

dass in sämtlichen Fällen der Mitwirkung des Notars<br />

der Geschäftsführer alternativ keine Liste einreichen<br />

kann67 , wäre durch eine genaue Abgrenzung der<br />

Verantwortungsbereiche die Rechtssicherheit erhöht. 68<br />

Die Einreichungspflicht sollte bereits dann bestehen,<br />

wenn die Anteilsübertragung wirksam geworden ist69 ,<br />

und zwar unbeschadet des möglichen späteren Eintritts<br />

auflösender Bedingungen oder der Auslösung von<br />

Rückübertragungsrechten. Zugleich müsse klargestellt<br />

werden, dass sein Pflichtenkreis mit Einreichung der<br />

Liste zum Handelsregister endet. 70<br />

3. Sicherung des Cash-Pooling<br />

Die Ergänzung des §30 Abs.1 GmbHG durch einen<br />

zweiten Satz soll das bei der Konzernfinanzierung international<br />

gebräuchliche Cash-Pooling71 sichern und auf<br />

eine verlässliche Rechtsgrundlage stellen. 72<br />

Dieses Vorhaben mag für den Bereich des §30<br />

GmbHG, also für die Kapitalerhaltung, im Grundsatz<br />

gewisse Sympathien auslösen. Zu bedenken73 ist jedoch,<br />

dass noch nicht viel gewonnen ist, selbst wenn<br />

Vorkehrungen getroffen wurden, um eine Bonitätsverschlechterung<br />

zuverlässig und rechtzeitig zu erkennen,<br />

und der Kredit kurzfristig kündbar ist. Gerade dann<br />

nämlich, wenn eine Bonitätsverschlechterung eintritt,<br />

wird das herrschende Unternehmen oft nicht bereit sein,<br />

den Kredit zurückzuführen, und entsprechenden Druck<br />

auf die Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder der<br />

abhängigen Gesellschaften bis hin zu deren Abberufung<br />

ausüben. 74 Auch künftig wird somit bei einem physischen<br />

Cash Pooling insbesondere darauf zu achten sein,<br />

dass eine Kreditgewährung aus dem Stammkapital entweder<br />

ausgeschlossen ist bzw. nur erfolgt, wenn entweder<br />

die jederzeitige Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft<br />

der darlehensnehmenden Gesellschaft nachweislich<br />

zweifelsfrei oder der Rückzahlungsanspruch hinreichend<br />

besichert ist.<br />

Hinsichtlich der neuen Formulierung „im Interesse der<br />

Gesellschaft“ 75 wird vor einer Fortsetzung der unergiebigen<br />

Diskussion über das Gesellschafts- bzw. über das<br />

Unternehmensinteresse gewarnt. 76 Die Prüfung, ob die<br />

60 Angelehnt an die bereits bisher übliche Bescheinigung nach<br />

§ 54 GmbHG.<br />

61 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1460); Rau, DStR<br />

2006, 1892 (1897) hält die Einführung eines Gesellschafterregisters<br />

für überzeugender und konsequenter.<br />

62 So auch Flesner, NZG 2006, 641 (643).<br />

63 Insbesondere wenn ab 2007 die Gesellschafterlisten über das<br />

Internet abgerufen werden können.<br />

64 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />

2F07-TB32, S. 6.<br />

65 Der Notar als neutrale Person, die mit hoheitlichen Befugnissen<br />

ausgestattet und juristisch auf hohem Niveau umfassend<br />

ausgebildet ist, wäre hier in der Lage, eine verbindliche Erklärung<br />

über die Eigentumssituation von Geschäftsanteilen<br />

abzugeben.<br />

66 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S. 19.<br />

67 So auch die Forderung von Flesner, NZG 2006, 641 (643),<br />

der auch auf den geringeren Verwaltungsaufwand bei Einreichung<br />

der Liste durch eine mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete<br />

Person hinweist.<br />

68 Für eine klare Regelung spricht sich auch Ziemons, BB-Special<br />

7/2006, 9 (13) aus.<br />

69 Hängt der Anteilsübergang von unternehmensinternen Bedingungen<br />

ab, so raten Schockenhoff/Höder, ZIP 2006, 1841<br />

(1846), mit einem sog. „closing-memorandum“ zu arbeiten.<br />

70 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S. 20.<br />

71 Cash-Pooling ist ein Instrument zum Liquiditätsausgleich<br />

zwischen den Unternehmensteilen im Konzern. Dazu werden<br />

Mittel von den Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft<br />

zu einem gemeinsamen Cash-Management geleitet.<br />

Im Gegenzug erhalten die Tochtergesellschaften Rückzahlungsansprüche<br />

gegen die Muttergesellschaft.<br />

72 Die Anwendung der Kapitalerhaltungsregeln auf das Cash-<br />

Pooling kann abhängig von ihrer Interpretation international<br />

tätige Konzerne vor erhebliche praktische Schwierigkeiten<br />

stellen, was u.a. in der Folge der neueren Rechtsprechung<br />

des BGH v. 24.<strong>11</strong>.2003 – II ZR 171/01 deutlich wurde.<br />

73 Burgard, AG 2006, 527 (533).<br />

74 Ein Risiko, das bei einer Kreditgewährung an konzernfremde<br />

Dritte sicherlich nicht besteht.<br />

75 Der Deutsche Notarverein, Schreiben v. 22.9.2006, S. 14,<br />

hält das Interesse der Unternehmensgruppe für maßgeblich.<br />

76 Noack, DB 2006, 1475 (1482), der allerdings andererseits<br />

auch keine brauchbare Alternative zum „Interesse der Gesellschaft“<br />

sieht. Eine Differenzierung nach den Laufzeiten<br />

der Darlehen wäre kaum sachgerecht. Die Schaffung einer


Heckschen<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 387<br />

MoMiG<br />

Vorleistung im Interesse der Gesellschaft liegt, hat sich<br />

deshalb an einem Bündel von Kriterien – wie sie die<br />

MoMiG-Begründung nennt 77 – zu orientieren. Wie die<br />

Praxis der – im Regelfall ja sehr stark am Gläubigerschutz<br />

argumentierenden – Gerichte (insbes. des BGH)<br />

dieses Merkmal anwenden wird, insbesondere, ob es<br />

tatsächlich in allen Fällen das sog. Cash Pooling bejaht,<br />

bleibt abzuwarten. 78<br />

Diejenigen, die ohnehin für eine Abschaffung des Mindeststammkapitals<br />

der GmbH plädieren, wollen auch<br />

die nach ihrer Ansicht unnötig komplexen Regelungen<br />

zur Erhaltung des eingetragenen Stammkapitals vollständig<br />

modifizieren. 79 Danach und vor dem Hintergrund<br />

der Internationalisierung der Rechnungslegung<br />

stehe das gesamte Kapitalerhaltungsrecht einschließlich<br />

der Ausschüttungsbeschränkungen nach handelsbilanziellen<br />

Größen auf dem Prüfstand. Für die Zulässigkeit<br />

von Ausschüttungen wird die Einführung einer Solvenzprüfung<br />

nach amerikanischem Vorbild vorgeschlagen.<br />

Situative Ausschüttungssperren sollten die gelten-<br />

umfänglichen Sonderregelung ausgerechnet für das Liquiditätsmanagement<br />

im Konzern vertrage sich nicht mit dem<br />

Grundsatz einfacher Gesetzesfassung. Die Verwendung des<br />

Interessen-Begriffs hält Schäfer, BB-Spezial 7/2006, 5 (8) im<br />

Ansatz nicht für verkehrt.<br />

77 Als Interessen-Indiz kann gewertet werden, dass<br />

– der Kredit einem Drittvergleich standhält, er also angemessen<br />

verzinst ist und auch hinsichtlich der sonstigen Bedingungen<br />

im üblichen Rahmen liegt,<br />

– eine Stundung im Rahmen kaufmännisch üblicher Zahlungsziele<br />

liegt,<br />

– der Anspruch auf die Gegenleistung oder die Darlehensrückzahlung<br />

bilanziell vollwertig ist (§ 253 HGB),<br />

– die Kreditgewährung kurzfristig kündbar ist,<br />

– Vorkehrungen getroffen sind, die es dem Geschäftsführer<br />

der Tochtergesellschaft möglich machen, eine wesentliche<br />

Verschlechterung der Bonität des Schuldners frühzeitig zu<br />

erkennen.<br />

78 Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (208); so auch Priester, ZIP<br />

2006, 1557 (1558 f).<br />

79 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1323), wenn sie auch davon<br />

ausgehen, dass die Neuregelung das in der Praxis verbreitete<br />

Cash-Pooling zumindest erleichtern werde.<br />

80 Vgl. bereits Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (208). Auch der<br />

Bundesnotarkammer (Entwurf der Stellungnahme, Az.: ap –<br />

T II 32, S. 23) erscheint die Annahme des Gesetzesentwurfs,<br />

die Einschränkungen der §§30 Abs. 1 Satz2 GmbHG, 57<br />

Abs. 1 Satz 2 AktG könnten ohne weiteres auch auf den Bereich<br />

der Kapitalaufbringung übertragen werden, als zu optimistisch.<br />

Zu den praktischen Vorteilen einer derartigen Übertragung<br />

vgl. ausführlich Bohrmann, GmbHR 2006, 1021<br />

(1025).<br />

81 Priester, ZIP 2006, 1557 (1559).<br />

82 Priester, ZIP 2006, 1557 (1560).<br />

83 Ausführliche Überlegungen hierzu bei K. Schmidt, ZIP 2006,<br />

1925ff.; vgl. auch Bayer/Groff, DStR 2006, 1654 (1656ff.);<br />

Schiffer, BB-Spezial 7/2006, 14ff.<br />

84 So Seibert auf dem 66. Deutschen Juristentag in Stuttgart am<br />

20.9.2006.<br />

85 Vgl. hierzu Römermann, GmbHR 2006, 673 (678).<br />

86 In der Vergangenheit war die genaue Zuordnung eigentlich<br />

belanglos, waren doch Insolvenz- wie Gesellschaftsrecht<br />

ohne weiteres auf alle in Deutschland aktiven Unternehmen<br />

anwendbar. Ob die rechtsformübergreifende Gleichbehandlung<br />

gelingen wird, erscheint dem Deutschen Notarverein<br />

(Schreiben v. 22.9.2006, S. 16) dennoch fraglich.<br />

den Vorschriften der §§30, 31 GmbHG ersetzen und<br />

künftig Grundlage für jegliche kapitalherabsetzende<br />

Maßnahme sein. Die zukunfts- und liquiditätsorientierten<br />

Solvenztests seien danach nicht nur wirtschaftlich<br />

sinnvoller, sondern auch zum Schutz der Gläubiger besser<br />

geeignet als die geltenden Kapitalerhaltungsregeln.<br />

Eine ganz andere Frage ist, inwieweit der vorgeschlagene<br />

Ansatz für die Kapitalaufbringung trägt. 80 Die abweichenden<br />

Grundsätze der Kapitalaufbringung, insbesondere<br />

die bei ihr verlangte Publizität und Wertkontrolle,<br />

lassen eine Übertragung der Interessenprüfung<br />

von der Kapitalerhaltungsvorschrift des §30 Abs.1<br />

Satz2 GmbHG auf die Kapitalaufbringungsregel, wie<br />

sie die Entwurfsbegründung vorsieht, nicht zu. Die<br />

zwingenden Erfordernisse der Kapitalaufbringung sind<br />

einem etwaigen Gesellschaftsinteresse an Einlagezahlungen<br />

in den Cash-Pool vorrangig. Erforderlich wäre<br />

vielmehr eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift. 81<br />

Die Kapitalaufbringung betrifft seltene, punktuelle<br />

Maßnahmen, so dass strengere Anforderungen nicht<br />

nur gerechtfertigt, sondern auch zumutbar erscheinen<br />

(Sonderkonto außerhalb des Cash-Pools oder offene<br />

Sacheinlage). Die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung<br />

sollte deshalb nicht für – geringfügige – technische Erleichterungen<br />

im Bereich der Konzernfinanzierung geopfert<br />

werden. Eine gesetzliche Regelung erscheint im<br />

Ergebnis nicht wünschenswert. 82<br />

4. Neues Eigenkapitalersatzrecht<br />

Die sehr komplex gewordene Materie des Eigenkapitalersatzrechts<br />

(§§30ff. GmbHG) wird erheblich vereinfacht<br />

und grundlegend dereguliert. 83 Die Rechtsfigur<br />

des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens<br />

wird aufgegeben. Die Rechtsprechungs- und Gesetzesregeln<br />

über die kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen<br />

im Insolvenzrecht werden neu geordnet. Hierzu<br />

werden §§32a, 32b GmbHG aufgehoben und §§39,<br />

135 InsO geändert. Das Recht wird hier ohne jeden<br />

Zweifel vereinfacht. Im Einzelfall können dadurch Härten<br />

entstehen. Da alle Zahlungen innerhalb eines Jahres<br />

vor Insolvenzeröffnung erfasst werden, sind auch solche<br />

betroffen, die ohne jeden Zweifel außerhalb einer Krise<br />

erfolgen. Der Vertreter des Bundesjusitzministeriums<br />

verweist darauf, dass auch einmal die Einzelfallgerechtigkeit<br />

hinter der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit<br />

zurückstehen müsse. 84 Dies erscheint der deutschen<br />

Rechtsanwendung eher fremd, ist aber ein durchaus beachtenswerter<br />

Ansatz. Konsequenzen hätte dies insbesondere<br />

für Unternehmensverkäufe. Man wird dort<br />

zukünftig darauf achten müssen, dass Gesellschafterdarlehen<br />

nicht vor oder anlässlich des Verkaufs zurückgezahlt<br />

werden, sondern stehen bleiben und vom Käufer<br />

bezahlt werden.<br />

Hintergrund der Neuregelung85 ist die Anerkennung der<br />

Ltd. im Nachgang zur „Inspire Art“-Rechtsprechung<br />

des EuGH. 86 Das Insolvenzrecht als Teil des Verfahrensrechts<br />

ist im Gegensatz zum Gesellschaftsrecht auf<br />

alle in seinem Geltungsbereich anzutreffenden Unternehmen<br />

gleich welcher Rechtsform anwendbar, auch<br />

auf die Ltd. Eine Bestimmung des GmbH-Gesetzes


Heckschen<br />

388 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

MoMiG<br />

kann nach richtiger Ansicht durchaus dem Insolvenzrecht<br />

zuzuordnen sein, wenn die dem Rechtscharakter<br />

der Vorschrift besser entspricht, und umgekehrt.<br />

Im Zusammenhang mit der gänzlichen Abschaffung des<br />

Mindestkapitals wird von einer Ansicht hier auch die<br />

gänzliche Aufhebung der Regeln über Gesellschafterdarlehen<br />

vorgeschlagen. 87 Die Einführung der Haftung<br />

der Geschäftsführer bei Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit<br />

der Gesellschaft schütze die Gläubiger bereits<br />

hinreichend gegen Vermögensverschiebungen zwischen<br />

der Gesellschaft und den Gesellschaftern.<br />

IV. Bekämpfung von Missbräuchen<br />

Die aus der Praxis übermittelten Missbrauchsfälle im<br />

Zusammenhang mit der Rechtsform der GmbH (Firmenbestattungen)<br />

sollen durch verschiedene Maßnahmen<br />

bekämpft werden:<br />

1. Erleichterung von Zustellungen<br />

Die Rechtsverfolgung gegenüber Gesellschaften soll<br />

beschleunigt werden. Das setzt voraus, dass die Gläubiger<br />

wissen, an wen sie sich wegen ihrer Ansprüche<br />

wenden können. Deshalb muss zukünftig in das Handelsregister<br />

eine zustellungsfähige Geschäftsanschrift<br />

eingetragen werden.<br />

Mehr Bürokratie sei mit dieser Regelung auch nicht<br />

verbunden. 88 Schon bisher war die Mitteilung einer Geschäftsanschrift<br />

Pflicht (§24 HRV). Die mitgeteilte Anschrift<br />

wurde aber bisher nur zu den Akten genommen<br />

und war damit auch nicht ohne weiteres online einsehbar.<br />

Sie wurde zudem selten bei späteren Anschriftenänderungen<br />

gepflegt.<br />

Zusätzlich zu der zwingenden Eintragung einer inländischen<br />

Geschäftsanschrift wird es den Gesellschaften in<br />

Zukunft gestattet sein, eine Person ins Register eintragen<br />

zu lassen, die den Gläubigern als zusätzlicher Zustellungsempfänger<br />

neben den Vertretern der Gesellschaft<br />

dient. Scheitert ein Zustellversuch aus tatsächlichen<br />

Gründen, so ist dem Gläubiger nun die Möglichkeit<br />

der öffentlichen Zustellung nach §185 Nr.2 ZPO-E<br />

eröffnet. Durch die Ergänzung des §35 Abs.1 GmbHG<br />

wird das Verfahren des Zugangs von Willenserklärungen<br />

sowie für Zustellungen an die Vertreter der Gesellschaft<br />

deutlich vereinfacht.<br />

Im Interesse des zusätzlichen Zustellungsbevollmächtigten<br />

sollte man den Empfangsbevollmächtigten in einer<br />

entsprechenden Handelsregisteranmeldung zwingend<br />

mitwirken lassen. Darüber hinaus sollte dem Zustellungsbevollmächtigten<br />

auch die Möglichkeit gegeben<br />

werden, sich durch eigene Handelsregisteranmeldung<br />

aus dem Handelsregister austragen lassen zu können.<br />

89 Das Angebot von §10 Abs.2 richte sich an seriöse<br />

Gesellschaften, die etwa ihren Rechtsanwalt als weitere<br />

ständige Empfangsperson benennen wollen. Damit<br />

kann der Gefahr einer öffentlichen Zustellung begegnet<br />

werden, die bei einer Verlegung des Geschäftslokals<br />

ohne gleichzeitige Korrektur der eingetragenen inländischen<br />

Geschäftsanschrift besteht. Hinzuweisen ist aber<br />

auch auf die Gefahr, dass die Empfangsberechtigung ei-<br />

nem redlichen Dritten gegenüber so lange als fortbestehend<br />

gilt, wie sie im Handelsregister eingetragen ist. 90<br />

Die Gesellschaft müsse in ihrem eigenen Interesse darauf<br />

achten, dass die Eintragung der Empfangsberechtigten<br />

stets richtig ist. 91<br />

Mit der Ergänzung des §35 Abs.2 GmbHG wird insbesondere<br />

dem Fall vorgebeugt, dass die Gesellschafter<br />

versuchen, durch eine Abberufung der Geschäftsführer<br />

Zustellungen und den Zugang von Erklärungen an die<br />

Gesellschaft zu vereiteln.<br />

Mit dem MoMiG-Entwurf wird das Schlupfloch für<br />

professionelle „Firmenbestatter“ 92 , die die jetzige<br />

Rechtslage ausnutzten, um ihrer Klientel das faktische<br />

Verschwinden zu ermöglichen, weitgehend geschlossen.<br />

93<br />

2. Insolvenzantragspflicht der Gesellschafter bei<br />

Führungslosigkeit der Gesellschaft<br />

Durch die ¾nderung des §64 Abs.1 GmbHG werden die<br />

Gesellschafter im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft<br />

oder bei unbekanntem Aufenthalt aller ihrer Geschäftsführer<br />

verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und<br />

Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.<br />

Die Vorschrift soll zugleich einen Anreiz für die Gesellschafter,<br />

wieder ein handlungsfähiges Vertretungsorgan<br />

zu bestellen, liefern, da sie ansonsten wie Geschäftsführer<br />

wegen Insolvenzverschleppung zivil- und strafrechtlich<br />

belangt werden können. 94 Für beachtenswert wird die<br />

Tatsache gehalten, dass der Referentenentwurf nur die tatsächliche<br />

Kenntnis des Insolvenzgrundes voraussetzt und<br />

ein Kennenmüssen grundsätzlich nicht genügen lässt. 95<br />

Wenig griffig ist allerdings die faktische Führungslosigkeit.<br />

96 Fraglich ist im Übrigen, ob die mit einer Verletzung<br />

dieser Verpflichtung verbundenen Haftungsgefahren<br />

gerechtfertigt sind, wenn es an dem Verschuldenselement<br />

der Kenntnis dieser faktischen Führungslosigkeit<br />

und damit an einem Zurechnungselement fehlt. 97<br />

3. Haftung bei „Ausplünderung“ der Gesellschaft<br />

Geschäftsführer, die Beihilfe zur Ausplünderung der<br />

Gesellschaft durch die Gesellschafter leisten und dadurch<br />

die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeiführen,<br />

sollen – durch eine Erweiterung des sog. Zah-<br />

87 Ausführlich hierzu Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324).<br />

88 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>65).<br />

89 Entwurf der Stellungnahme der Notarkammer Sachsen, Az.:<br />

2F07-TB32, S. 4 f.<br />

90 Noack, DB 2006, 1475 (1483).<br />

91 Wachter, GmbHR 2006, 793 (800).<br />

92 Ausführlich hierzu Haas, GmbHR 2006, 729 (735 f.).<br />

93 Noack, DB 2006, 1475 (1482).<br />

94 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>66).<br />

95 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1461). Dies begrüßt<br />

der Deutsche Notarverein (Schreiben v. 22.9.2006, S. 34)<br />

ausdrücklich, da fahrlässig begangene Delikte nicht notwendig<br />

Ausdruck genereller Ungeeignetheit seien.<br />

96 Eindringlich hierzu Noack, DB 2006, 1475 (1476).<br />

97 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammer, Az.: ap<br />

– T II 32, S. 25 mit einem entsprechenden Formulierungsvorschlag.


Heckschen<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 389<br />

MoMiG<br />

lungsverbots in §64 GmbHG – stärker in die Pflicht genommen<br />

werden.<br />

Die Einführung einer Haftung der Gesellschafter im<br />

Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag ist gravierend.<br />

98 Die neue Regelung kann auch als Antwort auf<br />

Missbräuche bei Unternehmenskäufen durch Investoren<br />

verstanden werden, die die Gesellschaft durch Ausplünderung<br />

oder überzogene Belastungen mit Lasten für die<br />

Kaufpreisaufbringung in die Insolvenz treiben. 99 Die<br />

Vorschrift wird die Handlungsfähigkeit der in Schwierigkeiten<br />

befindlichen Gesellschaft nicht behindern,<br />

denn Geschäfte mit Dritten sind nicht betroffen. Im Vergleich<br />

zum „existenzvernichtenden Eingriff“ 100 lässt<br />

sich die Zahlungsunfähigkeit im Gegensatz zum Fehlen<br />

einer gebotenen Rücksichtnahme nach heutigem Stand<br />

der Rspr. ziemlich präzise erfassen. 101<br />

Die Frage, ob ein Ursachenzusammenhang besteht oder<br />

ob andere externe Einflüsse diesen Insolvenzgrund<br />

(überwiegend) schufen, wird oft schwer zu bestimmen<br />

sein. 102 GmbH-Geschäftsführer werden Zahlungspläne<br />

aufstellen müssen, aus denen sich ergibt, ob man sich<br />

nach dem normalerweise zu erwartenden Lauf der Dinge<br />

eine Entnahme durch Gesellschafter leisten kann<br />

(solvency test). Als problematisch dürfte sich nach dieser<br />

Ansicht auch der Begriff „Zahlung an die Gesellschafter“<br />

erweisen.<br />

Positiv zu bewerten103 ist, dass der Entwurf nicht der<br />

Versuchung erlegen ist, eine weite „wrongful trading<br />

rule“ zu bilden, die im deutschen Rechtsystem doch ein<br />

Fremdkörper wäre, obwohl sich der Referentenentwurf<br />

mit der vorgesehenen Neuregelung dem englischen System,<br />

das den Director einer Ltd. dazu verpflichtet, das<br />

Insolvenzverfahren einzuleiten, wenn eine die Gesellschaft<br />

bedrohende Situation bei ordnungsgemäßer<br />

Amtsführung erkennbar war, durchaus annähert. 104<br />

Demzufolge wird auch die Forderung laut, die Haftung<br />

des Geschäftsführers bei Abschaffung des Mindestkapitals<br />

durch eine derartige Vorschrift als alternativen<br />

Gläubigerschutzmechanismus zu ergänzen. 105<br />

98 So Mohr, GmbH-StB 2006, 206 (207).<br />

99 Seibert, ZIP 2006 <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>67).<br />

100 Der entgegen seiner unglücklichen Bezeichnung eine Existenzvernichtung<br />

gerade nicht voraussetzt.<br />

101 Römermann, GmbHR 2006, 673 (681).<br />

102 Noack, DB 2006, 1475 (1479).<br />

103 So Noack, DB 2006, 1475 (1479).<br />

104 Breitenstein/Meyding, BB 2006, 1457 (1462).<br />

105 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1324).<br />

106 Wachter, GmbHR 2006, 793 (797); für eine Erweiterung<br />

spricht sich auch K. Schmidt in Die GmbH-Reform in der<br />

Diskussion, 2006, S. 143 (145 ff., 164, Leitsatz Nr.2a) aus.<br />

107 Vgl. nur Römermann, GmbHR 2006, 673 (681).<br />

108 Wachter, GmbHR 2006, 793 (799).<br />

109 Der Entwurf des FoSiG sieht zugunsten der Gesellschaft<br />

eine Schadensersatzhaftung derjenigen Gesellschafter vor,<br />

die eine nach § 6 Abs. 2 amtsunfähige Person die Geschäfte<br />

führen lassen.<br />

<strong>11</strong>0 Triebel/Otte, ZIP 2006, 1321 (1325).<br />

<strong>11</strong>1 So Begr. RefE S. 42.<br />

<strong>11</strong>2 Seibert, ZIP 2006, <strong>11</strong>57 (<strong>11</strong>68).<br />

<strong>11</strong>3 Entwurf der Stellungnahme der Bundesnotarkammner, Az.:<br />

ap – T II 32, S. 27.<br />

4. Erweiterung der Ausschlussgründe für<br />

Geschäftsführer<br />

Die bisherigen Ausschlussgründe für Geschäftsführer<br />

(§6 Abs.2 Satz3 GmbHG, §76 Abs.3 Satz3 AktG)<br />

werden erweitert.<br />

Grundsätzlich ist die Ausweitung des Verbotskatalogs<br />

zu begrüßen. Erstaunlich ist aber, dass der Referentenentwurf<br />

im Hinblick auf die persönliche Qualifikation<br />

der Geschäftsleiter nur sehr maßvolle Veränderungen<br />

vorschlägt. 106 Gerade das Interesse an Lauterkeit und<br />

Sicherheit des Handelsverkehrs würde eine weitergehende<br />

Verschärfung nahe legen. Selbst wenn man aus<br />

Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Disqualifizierung<br />

eines Geschäftsleiters nur dann für sachgerecht hält,<br />

wenn die Straftat mit dieser Tätigkeit in einem sachlichen<br />

Zusammenhang steht, stellt sich die berechtigte<br />

Frage, warum z.B. Straftaten nach dem Handelsgesetzbuch<br />

(§§331ff. HGB), dem Umwandlungsgesetz<br />

(§§313 bis 315 UmwG) oder dem Publizitätsgesetz<br />

(§§17ff. PublG) nicht umfasst sein sollen. Aus meiner<br />

Sicht spricht vieles dafür, auch Vermögensdelikte wie<br />

§§263ff. StGB einzubeziehen, dies jedenfalls dann,<br />

wenn dort eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr<br />

verhängt wurde. Dies knüpft an das öffentliche Recht<br />

an.<br />

Auch eine Prüfung im Hinblick auf vergleichbare ausländische<br />

Straftatbestände wäre „wünschenswert“. 107<br />

Warum sollte der Rechtsverkehr weniger schutzwürdig<br />

sein, wenn jemand wegen einer Straftat im Ausland verurteilt<br />

worden ist? Zumindest bei einer Verurteilung<br />

durch ein Gericht der Mitgliedsstaaten der EU bzw. des<br />

EWR sollte eine Disqualifizierung erfolgen. 108<br />

Wenn der Gesetzgeber eine Haftung der Gesellschafter<br />

– wie es der Entwurf des FoSiG109 vorsah – für unvereinbar<br />

mit dem Trennungsprinzip und den daraus resultierenden<br />

Grundsätzen der Haftungsbeschränkung hält,<br />

so sollte dann eine Schadensersatzhaftung der amtsunfähigen<br />

Person selbst nach dem Vorbild des englischen<br />

Company Directors Disqualification Act eingeführt<br />

werden. Eine solche Schadensersatzhaftung und<br />

ein Straftatbestand wird zur effizienten Durchsetzung<br />

der Gläubigerschutzmaßnahmen für unerlässlich gehalten.<br />

<strong>11</strong>0 Das Argument, dass sich ohnehin ein solches Tätigkeitsverbot<br />

nach Einsetzung eines Strohmanns als<br />

Geschäftsführer umgehen lasse<strong>11</strong>1 , sei danach nicht<br />

stichhaltig.<br />

5. Auswirkung auf Auslandsgesellschaften<br />

Über eine ¾nderungen im Handelsgesetzbuch (§§13ff.<br />

HGB) soll u.a. erreicht werden, dass gesetzliche Vertreter<br />

ausländischer Gesellschaften eine Zweigniederlassung<br />

im Inland insbesondere dann nicht gründen können,<br />

wenn sie eine der in den Katalogen des §76 AktG<br />

und des §6 GmbHG bezeichneten Straftaten begangen<br />

haben.<br />

Dies ist eine wichtige Klärung der Rechtslage<strong>11</strong>2 und<br />

deshalb zu begrüßen. <strong>11</strong>3 Damit wird eine missbräuchliche<br />

Ausnutzung der Unterschiede der Bestellungsvoraussetzungen<br />

in den einzelnen Mitgliedstaaten ver-


Heckschen<br />

390 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

MoMiG<br />

hindert. Da die Kontrolle der persönlichen Qualifikation<br />

der Geschäftsleiter allerdings erst bei der Eintragung einer<br />

Zweigniederlassung in Deutschland ansetzen kann,<br />

wird die Neuregelung Wirkung nur haben, wenn zukünftig<br />

mehr Ltds ihre faktisch bestehende deutsche<br />

Zweigniederlassung tatsächlich zur Eintragung im Handelsregister<br />

anmelden würden. Da das Registerrecht allerdings<br />

kaum abschreckende Sanktionen bei Nichtbeachtung<br />

der Eintragungspflicht enthalte, ist davon in<br />

absehbarer Zeit wohl nicht auszugehen. <strong>11</strong>4<br />

Ob die Einschränkung aus zwingenden Gründen des<br />

Allgemeinwohls gerechtfertigt sei und in nicht diskriminierender<br />

Weise wirke, also mit der Niederlassungsfreiheit<br />

vereinbar sein, kann letztlich dahinstehen. <strong>11</strong>5<br />

Das eigentliche Problem besteht vielmehr darin, dass<br />

die Inhabilen durchaus einen inländischen Geschäftsbetrieb<br />

errichten können<strong>11</strong>6 , es ihnen aber offenbar verwehrt<br />

sein soll, diesen Geschäftsbetrieb als Zweigniederlassung<br />

zum Handelsregister anzumelden. Besteht<br />

künftig ein solches Anmelde- bzw. ein Eintragungshindernis,<br />

läuft der mit Zwangsgeld bewehrte Anmeldungsdruck<br />

ins Leere. <strong>11</strong>7 Die Folge der vorgesehenen<br />

Regelung wäre, dass die Niederlassung nicht im Handelsregister<br />

erscheint – ohne Konsequenzen.<br />

6. Lösungen außerhalb der GmbH-Reform<br />

Vorrangig vor dem Hintergrund des – behaupteten – Erfolges<br />

ausländischer Rechtsformen in Deutschland werden<br />

neue Unternehmensformen gefordert. <strong>11</strong>8 Es wird erkannt,<br />

dass sich hier der Gläubigerschutz und das Interesse<br />

des „Jungunternehmers“ an der Gründung einer<br />

GmbH gegenüberstehen können. <strong>11</strong>9<br />

In Betracht kämen hierzu der bayerische Entwurf eines<br />

„Gesetzes zur Einführung des Kaufmannes mit beschränkter<br />

Haftung“ 120 , der Vorschlag des Bundestags-<br />

Abgeordneten Dr. Gehb für eine Unternehmensgründer-<br />

Gesellschaft (UGG) und der NRW-Entwurf eines „Gesetztes<br />

zur Vereinfachung der Gründung einer Gesellschaft<br />

mit beschränkter Haftung“. 121,122<br />

Durch die Schaffung eine „kleinen GmbH“, einer<br />

„GmbH Neu“, der man in einem eigenen Gesetz viele<br />

der Vereinfachungen zuweisen kann, die in der GmbH<br />

nicht zu verwirklichen sind, kann nach Vorstellung der<br />

Initiatoren der internationale Wettbewerb aufgenommen<br />

werden. 123 Welcher der drei benannten Wege dabei eingeschlagen<br />

werden soll, kann – insbesondere weil an<br />

der Formulierung eines UGG-Gesetzes noch gearbeitet<br />

wird – derzeit nicht gesagt werden. 124<br />

Hier sollte zunächst der Gesetzgeber sorgfältig Rechtstatsachenforschung<br />

betreiben. Es dürfte ohne weiteres<br />

möglich sein, über die Umsatzsteuerfinanzämter festzustellen,<br />

ob – der Verfasser bezweifelt dies – die Ltd.<br />

erheblichen Umsatz generiert. Die Zahl der angeblich<br />

existierenden ausländischen Rechtsträger insbesondere<br />

in Form der Ltd. sollte daraufhin untersucht werden, ob<br />

diese überhaupt nennenswerte Tätigkeiten entwickeln,<br />

überhaupt Gewerbe angemeldet haben und nicht längst<br />

ihre bis dahin minimale Geschäftstätigkeit wieder eingestellt<br />

haben. Bisher wird die Notwendigkeit für derartig<br />

neue Rechtsformen vor allem mit dem – angeblichen<br />

– Zulauf in die Rechtsform der Ltd. begründet.<br />

Der Verfasser kann in seiner Praxis diesen Bedarf nicht<br />

feststellen.<br />

V. Fazit<br />

Das MoMiG enthält in weiten Teilen eine sehr sinnvolle<br />

Modernisierung des im Wesentlichen seit über 25 Jahren<br />

nicht renovierten GmbH-Rechts. Die GmbH als<br />

Rechtsform kleinerer und mittelständischer, nicht von<br />

Rechtsabteilungen begleiteter Unternehmen wird den<br />

Bedürfnissen der Praxis angepasst und die Regeln verständlicher<br />

gestaltet. Die Tätigkeitsverbote sollten allerdings<br />

ausgeweitet und das Handelsregister nicht weiter<br />

als Gewerbeaufsicht missbraucht werden. Der Notar ist<br />

der preisgünstigste Begleiter dieser Unternehmensform,<br />

und zwar im Sinne der Gesellschaft und der Gläubiger.<br />

<strong>11</strong>4 Römermann, GmbHR 2006, 673 (681); Wachter, GmbHR<br />

2006, 793 (799).<br />

<strong>11</strong>5 Noack, DB 2006, 1475 (1483).<br />

<strong>11</strong>6 Insoweit ist die Begründung des Referentenentwurfs missverständlich.<br />

<strong>11</strong>7 Schreiben Deutscher Notarverein v. 22.9.2006, S. 34.<br />

<strong>11</strong>8 Vgl. nur die Darstellung der vorliegenden Vorschläge v.<br />

K. Schmidt, DB 2006, 1096ff.<br />

<strong>11</strong>9 Gehb/Heckelmann, GmbHR 2006, R 349.<br />

120 Abrufbar unter http://www.justiz.bayern.de/ministerium/gesetzgebung/gesetzentwurf/.<br />

121 Abrufbar unter http://www.justiz.nrw.de/JM/justizpolitik/<br />

schwerpunkte/gmbh_recht/inhalt_gesetzentwurf/gesetzentwurf.pdf.<br />

122 Ein Überblick über die Entwürfe / den Vorschlag findet sich<br />

bei Lutter in Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006,<br />

2<strong>11</strong> (219 f.).<br />

123 Lutter in Die GmbH-Reform in der Diskussion, 2006, 2<strong>11</strong><br />

(222).<br />

124 Lutter, BB-Spezial 7/2006, 2 (4) spricht sich für die Unternehmer-Gesellschaft<br />

aus.


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 391<br />

Von Beginn des nächsten Jahres an wird die Informationsbeschaffung<br />

über Unternehmen vereinfacht sein.<br />

Über das Internetportal www.unternehmensregister.de<br />

können alle publikationspflichtigen Daten der im Inland<br />

registrierten Unternehmen zentral abgerufen werden.<br />

Der Beitrag gibt einen ersten Überblick über die<br />

mit dem „Gesetz über elektronische Handelsregister<br />

und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister“<br />

(EHUG) eingeführten ¾nderungen im Informationszugang<br />

zu den Registern. Das EHUG wurde<br />

am 28.9.2006 vom Bundestag beschlossen (vgl. <strong>NotBZ</strong><br />

10/2006, S. IV) und nunmehr auch durch den Bundesrat<br />

gebilligt.<br />

Ein einheitliches Zugangsportal liefert künftig alle<br />

Daten über Unternehmen<br />

Wollte man sich bislang Informationen über ein Unternehmen<br />

beschaffen, mussten Angaben aus verschiedenen<br />

Quellen zusammengesucht werden. Um an einen<br />

Handelsregisterauszug zu gelangen, musste man zuvor<br />

das lokal zuständige Registergericht kennen, welches<br />

das Unternehmen führt. Kleine Unternehmen haben<br />

sich häufig grundsätzlich geweigert, ihre Bilanzen zu<br />

veröffentlichen.<br />

Künftig hat jeder Nutzer bei Eingabe einer gesuchten<br />

Gesellschaft oder bei Eingabe eines Kaufmanns im Internet<br />

einen einheitlichen Auftritt vor sich. Über das<br />

Unternehmensregister (§9 Abs.7 HGB) gelangt man zu<br />

den Daten der Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister,<br />

des elektronischen Bundesanzeigers<br />

(Rechnungslegung nach §325 HGB und deren Bekanntmachung),<br />

der Bekanntmachungen über Unternehmensinsolvenzen<br />

und zu weiteren Datensammlungen.<br />

Über die Internetseite des Unternehmensregisters<br />

sind ferner auch die im Aktionärsforum veröffentliche<br />

Eintragungen nach §127 a AktG zugänglich, Veröffentlichungen<br />

inländischer Kapitalanlage- und Investment-<br />

Aktiengesellschaften und kapitalmarkt-rechtliche Veröffentlichungen<br />

an die BaFin. In weiterer Zukunft soll<br />

hierüber auch die Einsicht in die Vereinsregister ermöglicht<br />

werden, was ab 1.1.2007 jedoch noch nicht verwirklicht<br />

sein wird.<br />

Ein solcher zentraler Zugriff auf alle Unternehmensdaten<br />

ist möglich, weil derzeit die Handels-, Partnerschafts-<br />

und Genossenschaftsregister bei den Amtsgerichten<br />

umgestellt werden von der Papierform auf<br />

elektronische Dateien. Eintragungen in den genannten<br />

Registern erfolgen nur noch auf Datenspeichern. Der<br />

Schutz des guten Glaubens knüpft an, an die dauerhafte<br />

Speicherung (Eintragung) im elektronischen Register.<br />

GESELLSCHAFTSRECHT<br />

www.unternehmensregister.de<br />

Notar Dr. Roland Suppliet, Rostock<br />

Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister<br />

werden weiterhin von den Amtsgerichten geführt. Deshalb<br />

erfolgt die Einsichtnahme und Auskunft grundsätzlich<br />

örtlich bei den jeweiligen registerführenden Amtsgerichten.<br />

§9 Abs.1 Satz4 HGB n.F. gestattet aber den<br />

Ländern auch, ein zentrales Einsichts- und Auskunftsmedium<br />

für ihre Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregister<br />

zu schaffen. Der Vorläufer davon ist<br />

die Auskunft über www.handelsregister.de.<br />

Der Zugang über www.handelsregister.de ist also ein<br />

Zwitter zwischen den lokalen Registern und dem Unternehmensportal.<br />

Überwunden wird hierdurch, dass zunächst<br />

ein lokales Registergericht ausfindig gemacht<br />

werden muss; es sind darüber aber weniger Daten zugänglich<br />

als über das Unternehmensregister.<br />

Das Unternehmensregister bietet einen einheitlichen<br />

Zugang (Portal) für alle unternehmensbezogenen Daten,<br />

sofern sie veröffentlich werden müssen. Es erfolgt<br />

keine Spiegelung der Daten der anderen Sammlungen.<br />

Man gelangt vielmehr über www.unternehmensregister.de<br />

zu den in verschiedenen Publikationsmedien und<br />

Speicherorten vorhandenen Daten. Das Unternehmensregister<br />

wird von einem Betreiber betreut, den das Bundesministerium<br />

der Justiz beauftragt. Der Beliehene ist<br />

eine juristische Person des Privatrechts und hat die Stellung<br />

einer Justizbehörde des Bundes; er ist siegelführend.<br />

Die gewohnten Veröffentlichungen von Eintragungen<br />

der Registergerichte in den Tageszeitungen wird es nur<br />

noch bis Ende 2008 geben, anschließend nicht mehr.<br />

Unternehmen können zwar freiwillig die von ihnen veranlassten<br />

Eintragungen in den Printmedien bekannt<br />

geben. Viele Unternehmen werden es aber begrüßen,<br />

dass sie künftig die Veröffentlichungskosten sparen<br />

können.<br />

Umstellen müssen sich auch die Geschäftsführer der<br />

Unternehmen. Sie müssen künftig zeitnah die erforderlichen<br />

Daten liefern, damit das Unternehmensportal<br />

über aktuelle und aussagekräftige Daten verfügt. Die<br />

Pflicht der Geschäftsführer, die Jahresabschlüsse ihrer<br />

Kapitalgesellschaften fristgerecht beim elektronischen<br />

Bundesanzeiger einzureichen, wird demnächst scharf<br />

geprüft. Ein neu eingerichtetes „Bundesamt für Justiz“<br />

wird von Amts wegen erfassen, ob ein Verstoß gegen<br />

die Pflicht zur Offenlegung vorliegt. Erfolgt die gebotene<br />

Veröffentlichung nicht oder nicht fristgerecht, kann<br />

sowohl gegen die Kapitalgesellschaft, als auch gegen<br />

deren gesetzliche Vertreter ein Ordnungsgeld im Rahmen<br />

von 2.500,– . bis 25.000,– . verhängt werden.<br />

Hinzu kommen Verfahrensgebühren i.H.v. 50,– .. Dafür<br />

entfällt künftig die Pflicht, Jahres- und Konzern-


Werner<br />

392 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Fälligkeit der Notarkosten<br />

abschlüsse nebst Unterlagen bei den Registergerichten<br />

einzureichen.<br />

Das bisherige Erfordernis, eine Unterschriftenprobe<br />

bei dem Registergericht zu hinterlegen, wird aufgegeben<br />

(§§29, 14 HGB, §8 Abs.5 GmbHG). Zwar könnten<br />

Unterschriften künftig auch eingescannt werden, aber<br />

eine Echtheitsprüfung könnte dann nicht mehr mit hinreichender<br />

Sicherheit stattfinden.<br />

Hat eine GmbH einen Aufsichtsrat, muss die Geschäftsführung<br />

eine Liste der Aufsichtsratsmitglieder künftig<br />

elektronisch einreichen und aktualisieren. Die Einsichtnahme<br />

in diese Dateien erfolgt grundsätzlich über das<br />

Unternehmensregister.<br />

Der Beschleunigungseffekt bei Neugründungen von<br />

Unternehmen wird dadurch erreicht, dass ab 1.1.2007<br />

alle Anmeldungen zur Eintragung in die Handelsregister<br />

in elektronisch beglaubigter Form einzureichen sind<br />

(zu dieser Püls, <strong>NotBZ</strong> 2005, 305). Dadurch entfällt bei<br />

den Registergerichten wesentliche Schreibarbeit, was<br />

wohl mit das größte Hindernis einer schnellen Eintragung<br />

ist. In vielen Bundesländern (etwa Mecklenburg-<br />

Vorpommern) wird es voraussichtlich keine Übergangsfrist<br />

geben, so dass ab Neujahr 2007 keine Anmeldungen<br />

mehr in Papierform von den Registergerichten akzeptiert<br />

werden. Die Notare werden also ab nächstem<br />

Jahr die Registeranmeldungen, die bei ihnen noch her-<br />

NOTARKOSTEN<br />

kömmlich auf Papier vorgenommen werden, in ein<br />

elektronisches Format umformen, elektronisch beglaubigen<br />

und anschließend dem Gericht mailen.<br />

Der Einblick in den Registerauszug in der Geschäftsstelle<br />

des Registergerichts eines Unternehmens ist kostenfrei.<br />

Dagegen ist die Informationsbeschaffung über<br />

das Internet kostenpflichtig. Der Abruf einer Datei<br />

kostet 4,50 .. Will man sich künftig etwa die Satzung<br />

einer GmbH als elektronisches Dokument über Internet<br />

ausdrucken, kostet das unabhängig von der Seitenzahl<br />

4,50 .. Vorab muss der Nutzer sich registrieren lassen,<br />

damit anschließend die Abrechnung der Nutzungsentgelte<br />

mit ihm erfolgen kann. Die Höhe der Gebühr wird<br />

vermutlich zahlreiche Interessenten davon abhalten, die<br />

angebotenen Informationen tatsächlich abzurufen.<br />

Der Antrag auf Abruf von Dateien kann direkt beim Registergericht<br />

über www.handelsregister.de oder über<br />

www.unternehmensregister.de gestellt werden. Wird ein<br />

Ausdruck verlangt, wird dieser grundsätzlich beglaubigt,<br />

es sei denn, man verzichtet ausdrücklich auf Beglaubigung.<br />

Wird der Antrag auf Ausdruck von Registerinhalten<br />

über das Unternehmensregister gestellt, vermittelt<br />

dieses das Ansuchen an das lokal zuständige Registergericht;<br />

es beglaubigt nicht selbst. Das Unternehmensregister<br />

beglaubigt jedoch Unterlagen der Rechnungslegung<br />

(§8b Abs.4 HGB n.F.) selbst.<br />

Fälligkeit der Notarkosten (Gebühren und Auslagen)<br />

Kostenrevisor Leitender Notarmitarbeiter Karsten Werner, Leipzig<br />

Im Zuge der anstehenden Erhöhung des Umsatzsteuersatzes<br />

(s. bereits Prüfungsabteilung, <strong>NotBZ</strong> 2006,<br />

358) gewinnt die Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts<br />

der Notarkosten besondere Bedeutung. Die Anwendung<br />

des § 7 KostO auf typische Geschäfte wird daher<br />

in einer Übersicht für die Praxis dargestellt.<br />

I. Grundsatz<br />

Als Zeitpunkt der Fälligkeit bestimmt §7 KostO die Beendigung<br />

des gebührenpflichtigen Geschäfts. Dabei ist<br />

das „Geschäft“ ein eigenständiger Rechtsbegriff der<br />

KostO. Erfasst wird damit die einzelne, eine Gebühr<br />

auslösende Tätigkeit des Notars. 1 Das Geschäft ist beendet,<br />

wenn die Leistung erbracht ist, welche die Gebühr<br />

rechtfertigt. In der Praxis muss der Notar die Fälligkeit<br />

nicht abwarten, weil regelmäßig für das beantragte<br />

Geschäft ein hinreichender Vorschuss gemäß §8<br />

KostO eingefordert bzw. der Vollzug des Geschäfts<br />

hiervon abhängig gemacht werden kann. In Sonderfällen,<br />

wie bei der bevorstehenden Erhöhung des Umsatzsteuersatzes2<br />

, kommt es auf die genaue Bestimmung<br />

des Fälligkeitszeitpunktes aber auch praktisch an.<br />

II. Fälligkeiten typischer Gebührentatbestände<br />

1. Beurkundungen und ähnliche Geschäfte<br />

Bei der Beurkundung von Willenserklärungen (§§36,<br />

37, 38 KostO) tritt die Fälligkeit mit dem Unterschreiben<br />

der Niederschrift (§13 Abs.3 BeurkG) durch den<br />

Notar ein. Sie kennzeichnet das Ende der Verhandlung<br />

mit den Beteiligten. Bei der Beglaubigung einer Unterschrift,<br />

eines Handzeichens oder der Zeichnung einer<br />

Namensunterschrift (§§39 und 39a BeurkG) wird die<br />

Gebühr mit der Unterzeichnung des Beglaubigungsvermerkes<br />

durch den Notar fällig. Gleiches gilt bei Fertigung<br />

von Abschriftsbeglaubigungen (§55 KostO).<br />

Auf die Erteilung einer Ausfertigung oder die Aushändigung<br />

der Urkunde kommt es bei den vorgenannten<br />

Tätigkeiten nicht an.<br />

Bei sonstigen Niederschriften i.S.d. §§36ff. BeurkG<br />

(insbesondere nach §130 AktG) tritt die Fälligkeit der<br />

1 Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., Einf.<br />

Rz. 44.<br />

2 Ländernotarkasse, <strong>NotBZ</strong> 2006, 358.


Werner<br />

<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 393<br />

Fälligkeit der Notarkosten<br />

Gebühr mit dem Abschluss des Tatsachenprotokolls<br />

ein. Dies ist der Fall, wenn der Notar das Tatsachenprotokoll<br />

durch Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften<br />

oder mit Einreichen beim Handelsregister<br />

nach außen in den Rechtsverkehr gegeben hat (vgl. §16<br />

FGG). 3<br />

Fertigt der Notar den Entwurf einer Urkunde, ist zwischen<br />

Entwürfen nach §145 Abs.1 KostO und §145<br />

Abs.3 KostO zu differenzieren. Bei dem Erstgenannten<br />

ist das gebührenpflichtige Geschäft mit dem Fertigstellen<br />

des Entwurfes beendet und die Gebühr fällig. Auf<br />

ein Aushändigen des Entwurfes an den Antragsteller<br />

kommt es nicht an. 4 Hingegen wird die Entwurfsgebühr<br />

nach §145 Abs.3 KostO erst fällig, wenn nach Aushändigung<br />

des geforderten Entwurfes die Beurkundung aus<br />

nicht durch den Notar zu vertretenden Gründen unterbleibt.<br />

Die Gebühr der erfolglosen Verhandlung nach §57<br />

KostO wird fällig, sobald die Nichtvornahme der Beurkundung<br />

feststeht. Zusatzgebühren wie §58 Abs.1<br />

KostO für Notartätigkeiten außerhalb der Geschäftsstelle<br />

werden nach dem Wiedereintreffen im Notariat und<br />

nach §58 Abs.3 KostO für Beurkundungen an Sonntagen<br />

und allgemeinen Feiertagen sowie Werktagen außerhalb<br />

der Zeit von acht bis achtzehn Uhr, am Sonnabend<br />

nach dreizehn Uhr, nach Beendigung der Beurkundung<br />

fällig.<br />

2. Betreuungstätigkeiten gemäß § 24 BNotO<br />

a) Vollzugstätigkeiten nach § 146 KostO<br />

Die Vollzugsgebühr des §146 KostO wird im Falle des<br />

Abs.1 und Abs.2 mit der letzten nach außen hin wirkenden<br />

Vollzugstätigkeit fällig. 5 Hierunter ist insbeson-<br />

3 Zu beurkundungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen s.<br />

Maaß, ZNotP 2005, 50; Wolfsteiner, ZNotP 2005, 376; a.A.<br />

Eylmann, ZNotP 2005, 300 (458).<br />

4 OLG Frankfurt/Main v. 20.3.1998 – 20 W 1/95, MittRhNotK<br />

1998, 142.<br />

5 Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl., § 7<br />

Rz. 16.<br />

6 Lappe, <strong>NotBZ</strong> 2003, 309.<br />

7 LG Hildesheim v. 15.9.1964 – 5 T 284/64, KostRspr., § 146<br />

Rz. 12.<br />

8 So wohl auch Filzek, Online-Kommentar zur KostO, 1. Aufl.<br />

02/2006, § 7 Rz. 5 (Stichwort: „Auflassungssperre oder Vorlagehaftung“);<br />

a.A. LG Kleve v. 7.1.2000 – 4 T 364/99, Mitt-<br />

RhNotK 2000, 301; Rohs/Wedewer, KostO, Stand: 09/2006,<br />

§ 7 Rz. 4.<br />

9 Es ist strittig, ob derartige Tätigkeiten unter § 147 Abs. 2<br />

KostO fallen (befürwortet u.a. durch OLG Celle JurBüro<br />

2005, 154). In der jüngsten bekannt gewordenen Entscheidung<br />

zu diesem Thema vertritt das OLG Düsseldorf v.<br />

1.8.2006 – I-10 W 36/06 (unveröffentlicht)) die Ansicht,<br />

dass es sich um eine Vollzugstätigkeit i.S.d. § 146 Abs. 1<br />

KostO handelt. Aufgrund der Divergenz zu anderen Gerichtsentscheidungen<br />

erfolgte die Vorlage zum BGH. Die<br />

Entscheidung stand bis zum Redaktionsschluss noch aus.<br />

10 LG Bochum v. <strong>11</strong>.6.2002 – 7 T 48/02, ZNotP 2002, 491;<br />

Lappe, <strong>NotBZ</strong> 2003, 154.<br />

<strong>11</strong> Zur Bindungswirkung s. Nieder, Würzburger Notarhandbuch,<br />

Teil 2, Kap. 1: Grundbuchrecht, Rz. 52 – 54; Schilling,<br />

ZNotP 2000, 229 (231).<br />

dere der Eingang der letzten für den Vollzug i.S.d.<br />

§146 KostO notwendigen (behördlichen) Genehmigung<br />

zu verstehen. Abschließende Tätigkeit ist die Prüfung<br />

auf Bestehen der Vorlagereife, die billigende Entgegennahme<br />

der Genehmigung durch den dazu bevollmächtigten<br />

Notar hat Wirkung nach außen. Aus der Eigenart<br />

der (Verfahrens-)Gebühr folgt wiederum, dass eine zunächst<br />

eingetretene, besser: angenommene Fälligkeit<br />

sich verschieben kann, etwa weil eine Zwischenverfügung<br />

des Grundbuchamts weitere Tätigkeiten auslöst.<br />

6 Im Falle des §146 Abs.3 KostO kommt es zur<br />

Fälligkeit der Gebühr mit der Unterzeichnung oder Aushändigung<br />

des Antrages oder der Beschwerde und nicht<br />

erst mit dem Eingang bei der zuständigen Behörde.<br />

Die Vollzugsgebühr wird auch fällig, wenn der Notar<br />

seine Vollzugstätigkeit einstellt bzw. einstellen muss. 7<br />

b) Betreuungstätigkeiten nach § 147 Abs. 2 KostO<br />

Betreuungsgebühren nach §147 Abs.2 KostO werden<br />

mit Beendigung der gebührenpflichtigen Tätigkeit fällig,<br />

wie beispielsweise:<br />

– beim Einholen rechtsgeschäftlicher Genehmigungen<br />

oder Vollmachtsbestätigungen mit dem Eingang<br />

beim Notar und positiver Prüfung der Verwendbarkeit,<br />

– bei der Mitteilung über die Fälligkeit des Kaufpreises<br />

(Überwachung der Kaufpreisfälligkeit) mit dem<br />

Absenden an den Käufer,<br />

– bei der Überwachung der Kaufpreiszahlung (auch<br />

genannt: Überwachung der Eigentumsumschreibung,<br />

Überwachung der Umschreibungsreife, Vorlagehaftung<br />

oder Auflassungssperre) mit Eingang und Prüfung<br />

der Mitteilung über den Erhalt des Kaufpreises<br />

vom Verkäufer oder der beauftragten Institution8 ,die<br />

sich anschließende grundbuchamtliche Vollzugstätigkeit<br />

ergibt sich nicht mehr aus der Treuhandtätigkeit,<br />

sondern unmittelbar aus §53 BeurkG, sofern nicht<br />

anderweitige Weisungen dem noch entgegenstehen,<br />

– bei der Einholung von Erklärungen zur Lastenfreistellung<br />

des Vertragsgegenstandes bezüglich der<br />

Rechte Dritter (Pfandfreigabeerklärungen, Löschungsbewilligungen)<br />

9 mit dem Eingang der Erklärungen<br />

beim Notar und positiver Prüfung ihrer Verwendbarkeit,<br />

– bei Treuhandauflagen (u.a. im Zusammenhang mit<br />

Erklärungen, die mit vorstehendem Anstrich benannt<br />

sind) mit der Beendigung, der Aufhebung der Treuhandtätigkeit<br />

oder der Entlassung aus dem Treuhandauftrag,<br />

– bei der Bevollmächtigung zur Herstellung der Bindung<br />

an die Einigung bei Grundschuldbestellungen<br />

gemäß §873 Abs.2, Fall 4 BGB10 mit Entgegennahme<br />

der für den Begünstigten (Gläubiger) bestimmten<br />

Ausfertigung nebst Dokumentation (= Fertigstellen<br />

des Entgegennahmevermerks). <strong>11</strong><br />

Die Gebühr aus vorgenannten Tätigkeiten kann auch<br />

aus anderem Grund beendet und damit fällig werden.<br />

Das gilt u.a. bei der Aufhebung des Vertrages und der


Werner<br />

394 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Fälligkeit der Notarkosten<br />

damit verbundenen Beendigung der Betreuungstätigkeiten<br />

oder der endgültigen Verweigerung über die Abgabe<br />

einzuholender Erklärungen. Auch dadurch wird die Betreuungstätigkeit<br />

beendet und die Gebühr fällig. 12 Das<br />

Einfordern der Gebühr setzt jedoch in jedem Fall voraus,<br />

dass der Notar im Rahmen der Betreuung bereits<br />

tätig geworden ist.<br />

c) Hinterlegungstätigkeiten nach § 149 KostO<br />

Die Fälligkeit der Hinterlegungsgebühr gemäß §149<br />

KostO tritt mit der Auszahlung oder Rückzahlung des<br />

Betrages aus dem Anderkonto ein. Bei hinterlegten<br />

Wertpapieren oder Kostbarkeiten ist der Fälligkeitszeitpunkt<br />

die Ablieferung oder Rücklieferung. Bei der Auszahlung<br />

oder Rückzahlung von Teilbeträgen ist jede<br />

Einzelauszahlung ein selbständiges Geschäft, so dass<br />

die Fälligkeit der für jeden Teilbetrag zu erhebenden<br />

Hinterlegungsgebühr unterschiedlich ausfallen kann. 13<br />

Ist ein Treuhandauftrag, der in Verbindung mit einem<br />

Notaranderkonto erteilt worden ist, noch nicht voll<br />

durchgeführt, berührt dies die Fälligkeit der Hebegebühren<br />

nicht. 14<br />

III. Fälligkeit der Auslagen<br />

Auslagen werden sofort nach ihrer Entstehung fällig.<br />

Für die Dokumentenpauschale nach §136 Abs.1 Nr.1<br />

KostO gilt dies nach der auftragsgemäßen Fertigung der<br />

Ausfertigungen und Ablichtungen. Das Aushändigen ist<br />

keine Voraussetzung. Gleiches gilt bei der Erhebung<br />

der Dokumentenpauschale für die dem Notar aufgrund<br />

besonderer Vorschriften obliegenden Mitteilungen an<br />

Behörden; §152 Abs.1 KostO.<br />

Kostenrecht<br />

Aus der Praxis der Ländernotarkasse<br />

Unterschriftsbeglaubigung<br />

I. Sachverhalt<br />

Der Notar beglaubigt die Unterschrift unter einem Text,<br />

der sowohl eine Willenserklärung als auch einen Beschluss<br />

enthält. Eine oder zwei Gebühren?<br />

II. Stellungnahme<br />

Die Unterschriftsbeglaubigung ist Tatsachenbeurkundung<br />

(§39 BeurkG), §45 Abs.1 KostO daher so zu verstehen,<br />

dass nur eine Gebühr anfallen kann, eben weil<br />

es nur eine Tatsache: die Unterschrift, gibt.<br />

Die Wertvorschrift des §45 Abs.1 Satz2 KostO „passt<br />

nicht ganz“, weil sie nämlich den Fall ungeregelt lässt,<br />

dass sich Werte ergeben, die bei der Beurkundung nicht<br />

zusammengerechnet werden. Die vernünftige Lösung<br />

Bei den Auslagen nach §152 Abs.2 Nr.1 und 2 KostO<br />

tritt die Fälligkeit nach Inanspruchnahme der entsprechenden<br />

(Post-, Telekommunikations-)Dienstleistung<br />

ein. Reisekosten i.S.d. §153 KostO werden nach Beendigung<br />

der Geschäftsreise fällig. Entstehende Auslagen<br />

gemäß §152 Abs.2 Nr.3 KostO – Vergütungen an Gebärdendolmetscher<br />

sowie an Urkundszeugen – werden<br />

mit Beendigung des zugrunde liegenden Geschäfts fällig.<br />

Auslagen nach §152 Abs.2 Nr.4 KostO – die zu erstattende<br />

Prämie, welche sich aus dem Verhältnis der<br />

60 Mio. . übersteigenden Versicherungssumme zu der<br />

Gesamtversicherungssumme ergibt – werden nach Abschluss<br />

der Haftpflichtversicherung mit dem Dienstleister<br />

(= Versicherer) fällig.<br />

IV. Regelungen zur Fälligkeit außerhalb der<br />

KostO<br />

Auch außerhalb der Kostenordung können Vorschriften<br />

die Fälligkeit abweichend von §7 KostO regeln. So bestimmt<br />

§93 Abs.3 S.1 SachenRBerG, dass der Notar<br />

die in §100 Abs.1 S.2 Nr.2 SachenRBerG bestimmte<br />

Gebühr bei der Aussetzung des Vermittlungsverfahrens<br />

in Ansatz bringen kann. Sie wird mithin vor der Beendigung<br />

des Geschäftes (= Vermittlungsverfahren) fällig.<br />

Doch hat der Notar die Gebühr nach Aufnahme des<br />

12 Zur Fälligkeitsmitteilung s. Notarkasse München, Streifzug,<br />

6. Aufl. 2006, Rz. 578; a.A. Rohs/Wedewer (Fn.8), § 7 Rz. 4<br />

und Filzek (Fn. 8), § 7 Rz. 5. Zur Auflassungssperre BGH<br />

<strong>NotBZ</strong> 2005, 289; Filzek (Fn.8), § 7 Rz. 5; Klein RNotZ<br />

1991, 228.<br />

13 OLG Naumburg v. 20.<strong>11</strong>.2003 – 6 Wx 1/03, <strong>NotBZ</strong> 2004,<br />

<strong>11</strong>2; a.A. Lappe, <strong>NotBZ</strong> 2001, 418.<br />

14 LG Frankfurt v. 26.10.1987 – 2/9 T 952/87, JurBüro 1988,<br />

642.<br />

kann nur lauten: analoge Anwendung von §44, und<br />

zwar nicht nur von Abs.2, sondern auch von Abs.1 bei<br />

wirtschaftlicher Identität.<br />

Bei Entwurfsfertigung durch den Notar fallen für Willenserklärung<br />

und Beschluss gesonderte Gebühren aus<br />

den §§145, 147 KostO an, auch wenn sie „auf demselben<br />

Papier“ niedergelegt werden. Für die einheitliche<br />

Unterschriftsbeglaubigung gibt es wiederum nur eine<br />

Gebühr, die jedoch im Regelfall nicht erhoben wird<br />

(§145 Abs.1 Satz4 KostO; bei §147 Abs.2 entsprechend<br />

anzuwenden).<br />

Prof. Friedrich Lappe, Berlin<br />

Vertragsaufhebung mit Verzicht auf<br />

Schadensersatz<br />

I. Sachverhalt<br />

Die Parteien heben einen Vertrag auf und verzichten<br />

wechselseitig auf Schadensersatzansprüche. Gebühr,<br />

Wert?


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 395<br />

Rechtsprechung<br />

II. Stellungnahme<br />

Der Schadensersatzverzicht geht über die Aufhebung<br />

hinaus, insoweit greift die Gebührensatzvergünstigung<br />

des §38 Abs.2 Nr.3 KostO nicht ein.<br />

Der Wert des Verzichts ist – im Regelfall – zu schätzen<br />

(§30 Abs.1 KostO). Weil der Verzicht aus der Aufhebung<br />

des Vertrags folgt, hat er denselben Gegenstand<br />

wie diese: also §44 Abs.1 KostO. (Zur Begründung:<br />

Die Parteien können gesondert den Aufhebungsvertrag<br />

und einen „Aufhebungsfolgenvertrag“ beurkunden las-<br />

Rechtsprechung<br />

Mit x gekennzeichnete Entscheidungen haben einen redaktionellen<br />

Leitsatz, mit / versehene Leitsätze stammen vom Einsender.<br />

Amtliche Leitsätze bleiben ohne Kennzeichnung.<br />

Beschränkte Wirkung des gesetzlichen Löschungsanspruchs<br />

InsO §§91, 106 Abs.1; BGB §§<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3, <strong>11</strong>92<br />

Abs.1<br />

1. Die allgemein für die Vormerkungsfähigkeit künftiger<br />

Ansprüche erforderlichen Voraussetzungen gelten<br />

auch für den gesetzlichen Vormerkungsschutz des<br />

nachrangigen Grundschuldgläubigers.<br />

2. Der gesetzliche Löschungsanspruch des nachrangigen<br />

Grundschuldgläubigers ist nicht insolvenzfest,<br />

wenn die vorrangige Sicherungsgrundschuld zwar<br />

zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

nicht mehr valutiert ist, das Eigentum an dem Grundstück<br />

und die Grundschuld jedoch zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht zusammengefallen sind.<br />

BGH, Urteil v. 9.3.2006 – IX ZR <strong>11</strong>/05<br />

(mit Berichtigungsbeschluss v. <strong>11</strong>.5.2006)<br />

Tatbestand<br />

Der Bekl. ist Verwalter in dem am 20.2.2002 eröffneten Insolvenzverfahren<br />

über das Vermögen des H (fortan:<br />

Schuldner). Die klagende Bank hat einer Erlöszuteilung an<br />

den Bekl. in der Zwangsversteigerung des Betriebsgrundstücks<br />

des Schuldners widersprochen. Es war in Abteilung<br />

III Nr.18 des Grundbuchs für die D-Bank mit einer Briefgrundschuld<br />

über 50.000 DM und in Abteilung III Nr.19<br />

mit einer Buchgrundschuld über 100.000 DM ebenfalls für<br />

die D-Bank belastet. Im Jahre 1989 trat die D-Bank das<br />

Recht aus Abteilung III Nr.19 an die Kl. ab. Bei Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens valutierte die Grundschuld Nr.18<br />

nicht mehr. Am 5.7.2002 erklärte die D-Bank unter gleichzeitiger<br />

Übergabe des Grundschuldbriefes die Abtretung<br />

der Grundschuld Nr.18 an den Schuldner. Durch Beschluss<br />

des Vollstreckungsgerichts vom 2.9.2003 wurde das am<br />

8.7.2002 beschlagnahmte Grundstück auf ein Bargebot<br />

von 285.000 . zugeschlagen. Keines der in Abteilung III<br />

des Grundbuchs eingetragenen Rechte blieb bestehen.<br />

Die Kl. meldete auf die in Abteilung III Nr.19 eingetragene<br />

Grundschuld einschließlich Zinsen und Kosten einen<br />

Betrag von 95.149,71 . an. Ferner meldete sie ihren „ge-<br />

sen; dann beläuft sich der Wert des zweiten nur auf die<br />

Folgen. Die Zusammenbeurkundung darf aber keinen<br />

höheren Wert auslösen als die getrennte Vornahme.)<br />

Gebührenberechnung (§44 Abs.1 Satz2 KostO): doppelte<br />

Gebühr (§36 Abs.2 KostO) aus der Aufhebung,<br />

höchstens doppelte Gebühr aus dem Schadensersatzverzicht<br />

+ halbe Gebühr (§38 Abs.2 Nr.3 KostO) aus dem<br />

restlichen Aufhebungswert.<br />

Prof. Friedrich Lappe, Berlin<br />

setzlichen Löschungsanspruch bezüglich vor- und gleichrangiger<br />

Grundpfandrechte und die Ansprüche aus eingetragenen<br />

Löschungsvormerkungen“ an. Der Kl. machte für<br />

die Insolvenzmasse unter Bezugnahme auf die Abtretungserklärung<br />

der D-Bank die Ansprüche aus dem in Abteilung<br />

III Nr.18 eingetragenen Recht über umgerechnet<br />

25.564,59 . geltend. Auf der Grundlage dieser Anmeldungen<br />

stellte das Vollstreckungsgericht einen Teilungsplan<br />

auf. Darin wurde dem Bekl. als Insolvenzverwalter auf die<br />

Briefgrundschuld der angemeldete Betrag zugeteilt. Auf<br />

die Buchgrundschuld der Kl. entfielen noch 10.898,65 .;<br />

im Übrigen fiel die Kl. in der Verteilung aus. Unter Berufung<br />

auf gesetzliche Löschungsansprüche verlangt sie die<br />

Zuteilung des auf den Bekl. entfallenen Betrages.<br />

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Hiergegen<br />

wendet sich der Bekl. mit der zugelassenen Revision.<br />

Aus den Gründen<br />

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Abweisung<br />

der Klage.<br />

II. 1. Das Berufungsgericht geht in Übereinstimmung mit<br />

der Senatsrechtsprechung davon aus, dass der subjektivdingliche<br />

Löschungsanspruch als Ausfluss einer Ranganwartschaft<br />

zum Inhalt des begünstigten Grundpfandrechts<br />

gehört und durchgesetzt werden kann, sobald das<br />

Eigentum am Grundstück und ein vor- oder gleichrangiges<br />

Grundpfandrecht in einer Person zusammenfallen.<br />

a) Dies träfe auf die in Abteilung III Nr.18 eingetragene<br />

Grundschuld und das Eigentum an dem Betriebsgrundstück<br />

allenfalls dann zu, wenn die Abtretungserklärung der<br />

D-Bank vom 5.7.2002 von dem bekl. Insolvenzverwalter,<br />

auf den das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Schuldners<br />

nach §80 Abs.1 InsO übergegangen war, vor Erteilung<br />

des Zuschlags am 2.9.2003 wirksam angenommen<br />

worden ist. Die Ranganwartschaft durch Aufrückung und<br />

der Löschungsanspruch sind nach §<strong>11</strong>92 Abs.1, §<strong>11</strong>79a<br />

Abs.1 Satz3 BGB so gesichert, als wäre gleichzeitig mit<br />

der begünstigten Grundschuld eine Löschungsvormerkung<br />

für den Grundschuldgläubiger in das Grundbuch eingetragen<br />

worden. Bleibt in der Zwangsversteigerung das begünstigte<br />

Recht – wie hier – nicht bestehen, so erlischt damit<br />

auch die in ihm liegende Ranganwartschaft. Nur wenn<br />

die Rechtsbedingung für den Löschungsanspruch zu diesem<br />

Zeitpunkt bereits eingetreten ist, kann der Gläubiger<br />

nach §91 Abs.4 ZVG, §883 Abs.2 Satz1, §888 Abs.1<br />

BGB sein Recht im Rahmen der Erlösverteilung weiterverfolgen,<br />

soweit er aus dem Grundstück nicht befriedigt wird<br />

(BGHZ 99, 363 [366f.]; 108, 237 [244 f.]; 160, 168


396 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Rechtsprechung<br />

[170f.] = DNotZ 2005, 125 = WM 2004, 1786 m. abl.<br />

Anm. Stöber, WM 2006, 607).<br />

b) Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht als gegeben<br />

angesehen, weil die D-Bank die Grundschuld Nr. 18<br />

am 5.7.2002 an den Bekl. abgetreten habe. Nach den vom<br />

LG getroffenen und von dem Berufungsgericht als bindend<br />

angesehenen Feststellungen (vgl. §529 Abs.1 ZPO) sei die<br />

Grundschuld an diesem Tage unter gleichzeitiger Übergabe<br />

des Grundschuldbriefes an den damaligen Grundstückseigentümer<br />

abgetreten worden. Deshalb sei es „weit vor<br />

Erteilung des Zuschlages“ zu einer Vereinigung von<br />

Grundstückseigentum und Grundpfandrecht gekommen.<br />

2. ... Der Senat kann unterstellen, dass der Abtretungsvertrag<br />

vor Erteilung des Zuschlags zustande gekommen ist.<br />

Denn die Kl. hat den im Verteilungsverfahren angemeldeten<br />

gesetzlichen Löschungsanspruch aus §<strong>11</strong>79a BGB<br />

selbst dann nicht insolvenzfest erworben, wenn das Eigentum<br />

an dem Grundstück und die Grundschuld Nr.18 vor<br />

Erteilung des Zuschlages am 2.9.2003 zusammengefallen<br />

sind. Dies kann der Senat selbst entscheiden, weil der<br />

Sachverhalt insoweit hinreichend geklärt ist.<br />

a) Lag einer im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung<br />

ein in notariell beurkundeter Form abgegebenes<br />

unwiderrufliches Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages<br />

über ein Grundstück zugrunde, welches der Käufer<br />

erst nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens<br />

über das Vermögen eines der Miteigentümer angenommen<br />

hat, so ist ein solcher künftiger, durch eine vor<br />

Verfahrenseröffnung eingetragene Vormerkung gesicherter<br />

Auflassungsanspruch insolvenzfest (BGHZ 149, 1ff.).<br />

aa) Dieser Rechtsprechung liegt die Wertung zugrunde,<br />

dass der vom Gesetz zugelassene Vormerkungsschutz für<br />

künftige Ansprüche (§883 Abs.1 Satz2 BGB) sinnentleert<br />

wäre, wollte man ihn erst von dem Zeitpunkt an eintreten<br />

lassen, in dem die gesicherten Ansprüche entstehen<br />

(BGHZ 149, 1 [6]). Die Vormerkung zur Sicherung eines<br />

künftigen Anspruchs schaffe keine nur künftige Sicherung,<br />

der §15 KO (§91 InsO) einen Riegel vorschiebe; es handele<br />

sich vielmehr um die gegenwärtige Sicherung eines<br />

künftigen Anspruchs, auch wenn dieser erst nach seiner<br />

Entstehung geltend gemacht werden könne (BGHZ 149, 1<br />

[8]). Der BGH hat die Insolvenzfestigkeit des vormerkungsgesicherten<br />

künftigen Anspruchs indes nicht generell<br />

anerkannt, sondern davon abhängig gemacht, dass der Anspruch<br />

nicht nur möglich, sondern der für dessen Vormerkungsfähigkeit<br />

zwingend erforderliche sichere Rechtsboden<br />

bereits gelegt ist. Nur in diesem Fall kann die für<br />

die Insolvenzfestigkeit notwendige Seriosität des künftigen<br />

Anspruchs gegeben sein (vgl. BGHZ 149, 1 [9]; ferner<br />

BGHZ 12, <strong>11</strong>5 [<strong>11</strong>7f.]; 134, 182 [185]; MünchKomm-<br />

BGB/Wacke, 4.Aufl., §883 Rz.24; Staudinger/Gursky,<br />

BGB, Neubearbeitung 2002, §883 Rz.173 bis 176; Jaeger/<br />

Henckel, KO, 9.Aufl., §24 Rz.18; Uhlenbruck/Berscheid,<br />

InsO, 12.Aufl., §106 Rz.7; Preuß, AcP 201 [2001], 580<br />

[591f,]; dies., DNotZ 2002, 283 [286]; gegen Insolvenzfestigkeit:<br />

Kübler/Prütting/Lüke, InsO, §91 Rz.38).<br />

bb) Eine feste, die Gestaltung des Anspruchs bestimmende<br />

Grundlage, die zu einer Vormerkungsfähigkeit des künftigen<br />

Anspruchs führt, ist von der höchstrichterlichen<br />

Rechtsprechung insbesondere dann angenommen worden,<br />

wenn die Entstehung des Anspruchs nur noch von dem<br />

Willen des künftigen Berechtigten abhängt (vgl. RGZ 151,<br />

75 [77]; BGHZ 12, <strong>11</strong>5 [<strong>11</strong>8]; 149, 1 [9]). Unterschiedliche<br />

Auffassungen bestehen hinsichtlich der Frage, ob wei-<br />

tere Fallgruppen anzuerkennen sind (vgl. BGHZ 134, 182<br />

[184f.]; Staudinger/Gursky, BGB,Neubearbeitung2002,<br />

§883 Rz.175f; Preuß, AcP 201 [2001], 580 [588ff.). Jedenfalls<br />

ist die Vormerkungsfähigkeit eines künftigen Anspruchs<br />

zu verneinen, wenn seine Entstehung ausschließlich<br />

vom Willen des Schuldners oder davon abhängt, dass<br />

dieser ein Rechtsgeschäft überhaupt erst vornimmt (BGHZ<br />

134, 182 [184f.]; 149, 1 [3]). Ebenso wie es nicht Sinn der<br />

Vormerkung sein kann, einen künftigen Gläubiger in der<br />

Einzelzwangsvollstreckung gegen Zwangsmaßnahmen<br />

Dritter zu schützen, solange er nicht einmal gegen die Willensentscheidung<br />

des Schuldners geschützt ist (vgl. BGHZ<br />

134, 182 [185]; MünchKomm-BGB/Wacke, 4.Aufl., §883<br />

Rz.24), zielt §106 InsO im Insolvenzfall nicht darauf ab,<br />

den mehr oder weniger aussichtsreichen tatsächlichen Erwerbsmöglichkeiten<br />

des künftigen Gläubigers Insolvenzfestigkeit<br />

zu verschaffen. In der Insolvenz des Schuldners<br />

soll diese Vorschrift – ähnlich wie §95 Abs.1 Satz1 InsO<br />

für den Fall der Aufrechnung – nur den Gläubiger schützen,<br />

dessen Anspruch in seinem rechtlichen Kern aufgrund<br />

gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen<br />

bereits gesichert ist (vgl. BGHZ 160, 1 [4]).<br />

b) Diese Grundsätze sind auf den gesetzlichen Löschungsanspruch<br />

des nachrangigen Grundschuldgläubigers zu übertragen,<br />

der nach §<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3, <strong>11</strong>92 Abs.1 BGB in<br />

gleicher Weise gesichert ist, als wenn zu seiner Sicherung<br />

gleichzeitig mit der begünstigten Grundschuld eine Vormerkung<br />

in das Grundbuch eingetragen worden wäre.<br />

aa) Aus dem Umstand, dass eine an sich nach §883 Abs.1<br />

BGB erforderliche Eintragung der Vormerkung in das<br />

Grundbuch entbehrlich ist, kann entgegen der Auffassung<br />

der Revisionserwiderung nicht geschlossen werden, der<br />

Begünstigte solle, ohne dass die Voraussetzungen der<br />

§§883, 885 BGB zu prüfen seien, im Insolvenzfall so gestellt<br />

werden, als sei mit der Entstehung des Grundpfandrechts<br />

eine Vormerkung für den Löschungsanspruch eingetragen<br />

worden. Die Vorschrift des §106 Abs.1 InsO gibt<br />

keinen Anhalt dafür, dass künftige Ansprüche insolvenzrechtlichen<br />

Schutz schon deshalb genießen sollen, weil sie<br />

in den gegenständlichen Anwendungsbereich des §<strong>11</strong>79a<br />

BGB fallen. Jedenfalls insoweit ist §<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3<br />

BGB Rechtsgrund- und nicht Rechtsfolgenverweisung.<br />

bb) Der gesetzliche Löschungsanspruch der Kl. als der begünstigten<br />

– nachrangigen – Gläubigerin gehört im Streitfall<br />

nicht zu den nach §106 InsO geschützten Ansprüchen.<br />

(1) Der Inhaber eines nachrangigen Grundpfandrechts hat<br />

keinen Anspruch gegen den Grundstückseigentümer, sich<br />

so zu verhalten, dass der Vereinigungsfall eintritt (BGHZ<br />

108, 237 [244f.]; 160, 168 [172]; vgl. auch Staudinger/<br />

Wolfsteiner, BGB, Neubearbeitung 2002, §<strong>11</strong>79a Rz.19,<br />

40, 64). Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann<br />

der Schuldner den gegen den vorrangig gesicherten Gläubiger<br />

gerichteten Rückgewähranspruch grundsätzlich auch<br />

an einen Dritten abtreten. Der nachrangige Gläubiger ist<br />

insoweit nicht gesichert. Dieser kann auch nicht widersprechen,<br />

wenn der vorrangige Gläubiger die Grundschuld vor<br />

ihrer Rückabtretung für weitere Kredite nutzt. Wenn aber<br />

der Inhaber des nachrangigen Grundpfandrechts seine Erwerbsaussicht<br />

nicht einmal gegen die Willensentscheidungen<br />

des Schuldners oder des vorrangigen Gläubigers<br />

durchsetzen kann, ist er auch nicht gegenüber den übrigen<br />

Gläubigern zu bevorzugen (vgl. Staudinger/Gursky, BGB,<br />

Neubearbeitung 2002, §883 Rz.173; Preuß, AcP 201<br />

[2001], 580 [591f.]).


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 397<br />

Rechtsprechung<br />

Dies verdeutlicht auch der Vergleich mit dem dinglichen<br />

Vorkaufsrecht, dem ebenfalls die Wirkung einer Vormerkung<br />

zukommt, welches aber grundsätzlich nicht gemäß<br />

§106 InsO geschützt ist, wenn der Vorkaufsfall bei Verfahrenseröffnung<br />

noch nicht eingetreten ist ... Die ausdrückliche<br />

Regelung des §1098 Abs.1 Satz2 BGB wäre überflüssig,<br />

wenn §24 KO (§106 InsO) auf das mittels gesetzlicher<br />

Vormerkungswirkung versehene dingliche Vorkaufsrecht<br />

anwendbar wäre.<br />

(2) Allerdings hat der Schuldner die ihm zustehenden Ansprüche<br />

auf Rückgewähr vorrangiger oder gleichrangiger<br />

Grundpfandrechte am 29.9.1998 an die Kl. abgetreten. Ob<br />

... die Abtretung vertraglich ausgeschlossen war (vgl. §399<br />

BGB), kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob die<br />

Abtretung im Verfahren der Widerspruchsklage (§878<br />

ZPO) noch Berücksichtigung finden kann, wenn die Kl. –<br />

wie hier – in dem Verteilungsverfahren keine Rechte aus<br />

der Abtretung des Rückgewähranspruchs geltend gemacht<br />

hat. Nach der Rechtsprechung des BGH ist in Verfahren<br />

der Widerspruchsklage grundsätzlich die Sach- und<br />

Rechtslage zur Zeit der Feststellung des Teilungsplans zugrunde<br />

zu legen (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.1974 – V ZR<br />

68/72, WM 1974, 371 [372]; siehe ferner BGHZ <strong>11</strong>3, 169<br />

[174ff.]; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., §878 Rz. 14; a.A.<br />

MünchKomm-InsO/Eickmann, ZPO, 2.Aufl., §878<br />

Rz.26). Unentschieden bleiben kann schließlich, ob es diese<br />

Rechtsprechung – wie der Bekl. in den Tatsacheninstanzen<br />

geltend gemacht hat – ausschließt, die Seriosität des<br />

künftigen Löschungsanspruchs erst im Klageverfahren mit<br />

der Abtretung des schuldrechtlichen Rückgewähranspruchs<br />

zu begründen.<br />

Selbst eine wirksame Abtretung der Ansprüche des<br />

Schuldners auf Rückübertragung vor- oder gleichrangiger<br />

Grundschulden kann nicht verhindern, dass der Schuldner<br />

vor der Durchsetzung des Rückgewähranspruchs erneut<br />

Darlehen aufnimmt oder der vorrangige Gläubiger die<br />

Grundschuld mit Zustimmung des Schuldners zur Absicherung<br />

anderer Ansprüche nutzt. Denn die Vorschrift des<br />

§<strong>11</strong>79a BGB soll nicht verhindern, dass einer ganz oder<br />

teilweise nicht valutierten Fremdgrundschuld andere Forderungen<br />

unterlegt werden, der Eigentümer also den durch<br />

den Rang des Grundpfandrechts mitbestimmten Sicherungsrahmen<br />

voll ausschöpft (BGHZ 108, 237 [244]). Dies<br />

muss der Zessionar des Rückgewähranspruchs hinnehmen.<br />

Deshalb ist auch die Abtretung nicht geeignet, dem künftigen<br />

gesetzlichen Löschungsanspruch die erforderliche Insolvenzbeständigkeit<br />

zu verleihen.<br />

Anmerkung<br />

1. §<strong>11</strong>79a BGB begründet einen nicht selbstständig abtretbaren<br />

Löschungsanspruch hinsichtlich der dem Eigentümer<br />

zufallenden gleich- oder vorrangigen Grundpfandrechte.<br />

Der BGH hatte sich mit diesem gesetzlichen Löschungsanspruch<br />

erneut zu beschäftigen. Während es in<br />

seinem Urteil vom 22.7.2004 (DNotZ 2005, 125; krit. dazu<br />

Stöber, WM 2006, 607; Hintzen/Böhringer, Rpfleger2004,<br />

661; Clemente, EWIR 2004, 1021; Dümig, ZfIR 2004,<br />

1031) noch um die Frage ging, ob einem gleich- oder<br />

nachrangigen Hypothekar ein Löschungsanspruch zusteht,<br />

falls ein Gläubiger einer durch den Zuschlag erloschenen<br />

vorrangigen Grundschuld erst im Verteilungsverfahren für<br />

den nicht valutierten Teil seines Rechts auf den Erlös verzichtet,<br />

musste sich der BGH in seiner vorstehenden Entscheidung<br />

mit der Insolvenzfestigkeit (§106 InsO) des Lö-<br />

schungsanspruchs auseinandersetzen (s.a. LG Hamburg<br />

ZinsO 2006, 837 m. Anm. Alff).<br />

2. Der Löschungsanspruch nach §<strong>11</strong>79a BGB, d.h. der<br />

Anspruch auf Aufhebung (§875 BGB), bezieht sich auf<br />

die Grundpfandrechte, die im Zeitpunkt der Eintragung<br />

des begünstigten Rechts mit dem Eigentum in einer Person<br />

vereinigt sind oder bei denen eine solche Vereinigung später<br />

eintritt. Die Vereinigung kann sowohl auf gesetzlicher<br />

als auch auf rechtsgeschäftlicher Grundlage beruhen. Gesichert<br />

wird bei Fremdgrundschulden insbesondere die Vereinigung<br />

bei Grundschuldablösung durch den Eigentümer,<br />

bei Rückabtretung an den Eigentümer sowie in den Fällen<br />

des §889 BGB und des §<strong>11</strong>68 BGB. Der Eigentümer ist<br />

jedoch nicht zur Herbeiführung der Vereinigung verpflichtet<br />

(BGH NJW-RR 1991, <strong>11</strong>97; Staudinger/Wolfsteiner,<br />

§<strong>11</strong>79a Rz.19, 64). Auch verbietet §<strong>11</strong>79a BGB eine<br />

Neuvalutierung der Grundschuld nicht (vgl. BGH NJW<br />

1989, 2536). Die Rückgewähransprüche des Eigentümers<br />

bei Nichtentstehung oder Tilgung der persönlichen Schuld<br />

sind ebenfalls nicht vom gesetzlichen Löschungsanspruch<br />

des §<strong>11</strong>79a BGB erfasst.<br />

3. Gesichert ist der Löschungsanspruch gem. §<strong>11</strong>79a<br />

Abs.1 Satz3 BGB in gleicher Weise, als wenn zu seiner<br />

Sicherung gleichzeitig mit dem begünstigten Grundpfandrecht<br />

eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen wäre.<br />

Die Sicherungswirkung beginnt mit Eintragung des begünstigten<br />

Rechts in das Grundbuch (vgl. AnwK-BGB/<br />

Krause, §<strong>11</strong>79a Rz.13). Ebensowenig wie die Löschungsvormerkung<br />

nach §<strong>11</strong>79 BGB führt der Löschungsanspruch<br />

aus §<strong>11</strong>79a BGB zu einer Grundbuchsperre. Ihm<br />

entgegenwirkende Verfügungen des Eigentümers sind dem<br />

Gläubiger des begünstigen Rechts gegenüber aber relativ<br />

unwirksam (§883 BGB; vgl. AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>79<br />

Rz.13f.).<br />

4. In der Zwangsversteigerung wirkt der gesetzliche Löschungsanspruch<br />

aus §<strong>11</strong>79a BGB wie die Löschungsvormerkung<br />

nach §<strong>11</strong>79 BGB (vgl. näher AnwK-BGB/Krause,<br />

§<strong>11</strong>79 Rz.17). Fällt nur das vom Löschungsanspruch<br />

betroffene Recht und nicht das begünstigte in das geringste<br />

Gebot (§44 Abs.1 ZVG), bleibt der Löschungsanspruch<br />

bestehen, sofern der Gläubiger nicht vollständig befriedigt<br />

wird (§91 Abs.4 Satz1 ZVG), anderenfalls erlischt er<br />

nach §91 Abs.4 Satz2 ZVG. Die Vormerkungswirkung<br />

des §<strong>11</strong>79a Abs.1 Satz3 BGB fällt nach §130a Abs.1<br />

ZVG weg. Um ihm gleichwohl eine dingliche Sicherung<br />

zu erhalten, ist auf Antrag des Gläubigers die Eintragung<br />

einer Vormerkung gem. §130a Abs.2 ZVG möglich. Besteht<br />

für den Gläubiger ein Anspruch aus §50 ZVG nicht,<br />

hat er die Löschung der Vormerkung auf seine Kosten zu<br />

bewilligen (§130a Abs.2 Satz3 ZVG).<br />

5. Die Löschungsvormerkung nach §<strong>11</strong>79 BGB hielt die<br />

Literatur bisher für insolvenzfest i.S.d. §106 InsO, sofern<br />

sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

bereits im Grundbuch eingetragen war oder die Bindungswirkung<br />

des §878 BGB eingetreten ist. Wann die Vereinigung<br />

des Grundpfandrechts mit dem Eigentum eintritt, vor<br />

oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wurde dagegen<br />

als unerheblich angesehen (vgl. etwa Soergel/Konzen,<br />

§<strong>11</strong>79 Rz. 14; Staudinger/Wolfsteiner, §<strong>11</strong>79 Rz.64; Mü-<br />

Ko/Eickmann, §<strong>11</strong>79 Rz.43; AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>79<br />

Rz.18; ebenso jüngst noch Alff, Rpfleger 2006, 487).<br />

6. Hinsichtlich des – vergleichbaren – Löschungsanspruchs<br />

nach §<strong>11</strong>79a BGB folgt der BGH dem nicht. Er<br />

hat zwar in seiner Entscheidung vom 14.9.2001 (BGH


398 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Rechtsprechung<br />

DNotZ 2002, 275 m. Anm. Preuß) die Insolvenzfestigkeit<br />

einer Vormerkung zur Sicherung künftiger Ansprüche<br />

grundsätzlich anerkannt. Dieser Entscheidung lag die Wertung<br />

zugrunde, dass der vom Gesetz zugelassene Vormerkungsschutz<br />

für künftige Ansprüche (§883 Abs.1 Satz2<br />

BGB) sinnentleert wäre, wollte man ihn erst von dem Zeitpunkt<br />

an eintreten lassen, in dem die gesicherten Ansprüche<br />

entstehen. Auch wenn es nahe gelegen hätte, vergleichbares<br />

für §<strong>11</strong>79a BGB anzunehmen, will der BGH<br />

für den gesetzlichen Vormerkungsschutz des nachrangigen<br />

Grundschuldgläubigers nach §<strong>11</strong>79a BGB dies jedenfalls<br />

dann nicht gelten lassen, wenn das vorrangige Grundpfandrecht<br />

zwar zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens<br />

nicht mehr valutiert ist, das Eigentum an<br />

dem Grundstück und die Grundschuld jedoch zu diesem<br />

Zeitpunkt noch nicht zusammengefallen sind. Zur Begründung<br />

weist der BGH insbesondere daraufhin, dass der<br />

nachrangige Gläubiger bis zur Entstehung des Löschungsanspruchs<br />

keine gesicherte Rechtsposition inne habe.<br />

7. Unabhängig davon, wie man zu der Entscheidung steht<br />

(ablehnend etwa Alff, Rpfleger 2006, 486), folgt aus ihr für<br />

die Praxis, dass in den Fällen, in denen eine Insolvenz des<br />

Grundstückseigentümers nicht vollständig auszuschließen<br />

ist, nachrangige Grundpfandrechtsgläubiger sich hinsichtlich<br />

der vorrangigen Grundschulden stets auch die Rückgewähransprüche<br />

des Grundstückseigentümers bei Nichtentstehung<br />

oder Tilgung der persönlichen Schuld (vgl.<br />

hierzu näher etwa AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>91 Rz.94ff.)<br />

abtreten lassen sollten. Mit der Abtretung scheidet der<br />

Rückgewähranspruch aus dem Vermögen seines bisherigen<br />

Inhabers aus. Der Rückgewähranspruch kann unabhängig<br />

von seiner Fälligkeit durch eine Vormerkung (§883 BGB)<br />

im Grundbuch gesichert werden. Dies erfordert eine Eintragungsbewilligung<br />

des Grundschuldgläubigers (vgl.<br />

OLG Hamm OLGZ 90, 3; AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>91<br />

Rz.99 m.w.N.). Einer solchen Vormerkung dürften die<br />

vom BGH gegen die Insolvenzfestigkeit des gesetzlichen<br />

Löschungsanspruchs vorgebrachten Argumente nicht entgegenstehen.<br />

Dies gilt insbesondere, da das Wahlrecht des<br />

Sicherungsgebers auf Übertragung der Grundschuld an<br />

sich selbst oder an einen Dritten (§§<strong>11</strong>92 Abs.1, <strong>11</strong>54<br />

BGB), Verzicht auf die Grundschuld (§§<strong>11</strong>92 Abs.1, <strong>11</strong>68<br />

BGB) oder Aufhebung der Grundschuld (§§875, <strong>11</strong>92<br />

Abs.1, <strong>11</strong>83 BGB) auf den Abtretungsempfänger übergeht,<br />

sofern es vom Zedenten noch nicht ausgeübt worden<br />

ist. Bei Erlöschen der Grundschuld durch Zuschlag in der<br />

Zwangsversteigerung steht diesem der anteilige Versteigerungserlös<br />

zu.<br />

Ist eine Abtretung der Rückgewähransprüche im Einzelfall<br />

nicht möglich, z.B. mangels Mitwirkung des Grundstückseigentümers<br />

oder weil sie nach §399 BGB ausgeschlossen<br />

ist, bzw. ist der vorrangige Grundschuldgläubiger zur Abgabe<br />

der für die Eintragung der Vormerkung erforderlichen<br />

Eintragungsbewilligung nicht bereit (falls keine abweichenden<br />

Vereinbarungen bestehen, ist dieser hierzu nicht<br />

verpflichtet; vgl AnwK-BGB/Krause, §<strong>11</strong>91 Rz.99), sollten<br />

die nachrangigen Grundpfandrechtsgläubiger, sofern<br />

sie über einen Titel gegen den Grundstückseigentümer verfügen,<br />

dessen Rückgewähransprüche pfänden. Die Pfändung<br />

des Rückgewähranspruchs richtet sich nach §§857<br />

Abs.1, 829ff. ZPO. Pfandobjekt ist nicht die Grundschuld.<br />

Der Grundschuldgläubiger kann diese daher weiter vertragsmäßig<br />

verwerten oder neu valutieren (vgl. Palandt/<br />

Bassenge, §<strong>11</strong>91 Rz.37). Der Pfändungsgläubiger hat jedoch<br />

ein Widerspruchsrecht nach §<strong>11</strong>5 ZVG im Zwangs-<br />

versteigerungsverfahren (vgl. BGH NJW 2002, 1578).<br />

Wird die Grundschuld in Erfüllung des Rückgewähranspruchs<br />

an den Sicherungsgeber abgetreten, erwirbt der<br />

Pfandgläubiger analog §1287 BGB, §848 Abs.2 ZPO ein<br />

Ersatzpfandrecht an der Grundschuld (vgl. MüKo/Eickmann,<br />

§<strong>11</strong>91 Rz.<strong>11</strong>9). Bei Erlöschen der Grundschuld<br />

durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung steht ihm der<br />

anteilige Versteigerungserlös zu (BGH NJW 1987, 1026).<br />

Notar Thomas Krause, Staßfurt<br />

Beanstandung der Satzungsregelung über die Zwangseinziehung<br />

eines Geschäftsanteils im Rahmen der<br />

Anmeldung einer Satzungsänderung<br />

BGB §§133, 157; GmbHG §§34, 54, 57a<br />

1. Für die Beurteilung der Frage, ob im Rahmen der<br />

Anmeldung einer Satzungsänderung eine neue Satzungsregelung<br />

als unwirksam beanstandet werden<br />

kann, ist eine Auslegung der Satzung vorzunehmen,<br />

die unter Berücksichtigung aller Regelungen vorzunehmen<br />

ist. Die Satzung einer GmbH kann dabei<br />

auch durch das Gericht der weiteren Beschwerde<br />

ohne Beschränkung ausgelegt werden.<br />

2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist eine<br />

Regelung, nach der ein von einer Zwangseinziehung<br />

betroffener Gesellschafter mit dem Zugang des Einziehungsbeschlusses<br />

aus der Gesellschaft ausscheidet,<br />

nicht dahin zu verstehen, dass die Einziehung auch<br />

ohne Zahlung der dem Gesellschafter zustehenden<br />

Abfindung wirksam sein soll, wenn zugleich in der<br />

Satzung geregelt ist, dass die Einziehung nur zulässig<br />

ist, wenn die Abfindung gezahlt wird.<br />

KG Berlin, Beschluss v. 18.10.2005 – 1 W 27/05<br />

Aus den Gründen:<br />

Im Ergebnis zu Recht ist allerdings das LG davon ausgegangen,<br />

dass aufgrund der Anmeldung der Satzungsänderung<br />

der gesamte neu gefasste Gesellschaftsvertrag –<br />

auch soweit er mit der ursprünglichen Fassung übereinstimmende<br />

Regelungen trifft (BayObLGZ 1978, 282 =<br />

GmbHR 1979, 15) – umfassend auf seine rechtliche Wirksamkeit<br />

überprüft werden kann. Die für die Erstanmeldung<br />

vorgesehenen und in §9c Abs.2 GmbHG festgehaltenen<br />

Prüfungsbeschränkungen gelten für die Anmeldung einer<br />

Satzungsänderung nicht (BayObLG v. 23.5.2001 – 3Z BR<br />

31/01, BayObLGReport 2002, 73 = GmbHR 2001, 728 =<br />

BB 2001, 1916 = Rpfleger 2001, 500).<br />

Die Vorinstanzen haben aber zu Unrecht angenommen, die<br />

Regelung in §9 Nr.3 des Gesellschaftsvertrags i.d.F. des<br />

Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom<br />

23.6.2004 sei unwirksam und stelle ein Eintragungshindernis<br />

dar. Auf die von den Vorinstanzen aufgeworfene Frage,<br />

ob in der Satzung einer GmbH wirksam eine Regelung dahin<br />

getroffen werden kann, dass eine von der Gesellschafterversammlung<br />

beschlossene Einziehung bereits vor der<br />

Auszahlung des Abfindungsbetrages an den betroffenen<br />

Gesellschafter und damit unabhängig von dieser wirksam<br />

sei, kommt es nur dann an, wenn die Neufassung des Gesellschaftsvertrages<br />

eine solche Regelung enthält. Dies ist<br />

jedoch nicht der Fall.


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 399<br />

Rechtsprechung<br />

Nach §9 Nr.3 des geänderten Gesellschaftsvertrages scheidet<br />

ein Gesellschafter mit dem Zugang des Beschlusses<br />

über die Einziehung seines Geschäftsanteils aus der Gesellschaft<br />

aus. Ob mit dieser Regelung tatsächlich eine<br />

Wirksamkeit vor der Zahlung des Abfindungsguthabens<br />

und damit unabhängig von dieser angeordnet ist – wie die<br />

Vorinstanzen angenommen haben –, ist durch Auslegung<br />

zu ermitteln, die im vorliegenden Fall ohne Bindung an die<br />

Feststellungen des LG vom Senat selbst vorgenommen<br />

werden kann, weil der Gesellschaftsvertrag einer Kapitalgesellschaft<br />

objektiv allein nach seinem Inhalt auszulegen<br />

ist (BGHZ 9, 279 [281]; KG v. 22.6.2004 – 1 W 243/02,<br />

KGReport Berlin 2004, 580 = AG 2005, 400 = GmbHR<br />

2004, 1342 = Rpfleger 2004, 705 = NZG 2004, <strong>11</strong>72; Keidel/Meyer-Holz,<br />

Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15.Aufl., §27<br />

Rz.50; Jansen, FGG, 2.Aufl., §27 Rz.50). Neben der Regelung<br />

in §9 Nr.3 findet sich dabei in §9 Nr.5 S.2 die Regelung,<br />

dass das Stimmrecht des betroffenen Gesellschafters<br />

von dem Gesellschafterbeschluss an, der die Einziehung<br />

anordnet, ruht. Weiter findet sich in §9 Nr.6 die Regelung,<br />

wonach die Einziehung durch die Gesellschaft nur<br />

zulässig ist, wenn das Entgelt gezahlt werden kann, ohne<br />

das Stammkapital anzugreifen. Unter Berücksichtigung<br />

dieser Regelung kann nicht davon ausgegangen werden,<br />

dass mit der Regelung in §9 Nr.3 eine sofortige Wirksamkeit<br />

des Einziehungsbeschlusses angeordnet werden sollte.<br />

Auch wenn die Regelung in §9 Nr.5 dahin verstanden werden<br />

könnte, dass sie nur für den Zeitraum zwischen Beschlussfassung<br />

und Zugang des Einziehungsbeschlusses<br />

gelten soll, steht die Regelung in §9 Nr.6 jedenfalls der<br />

Annahme einer sofortigen Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses<br />

entgegen. ...<br />

Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen<br />

Gründen als richtig. Teilweise wird zwar angenommen,<br />

dass eine Satzungsneuregelung auch dann beanstandet<br />

werden kann und damit ein Eintragungshindernis darstellt,<br />

wenn diese unklar ist (OLG Zweibrücken MittRhNotK<br />

1978, 142; BayObLG v. 29.10.1992 – 3Z BR 38/92, Bay-<br />

ObLGReport 1993, 23 = GmbHR 1993, 167 = DB 1993,<br />

156). Anlass zu Zweifeln könnte insoweit die in der Beschwerdebegründung<br />

vertretene Auslegung geben, die von<br />

einer unbedingten Einziehungsbefugnis ausgeht und deren<br />

Zulässigkeit geltend macht, ohne auf die in §9 Nr.6 der<br />

Satzung getroffene Bestimmung einzugehen. Die Beanstandung<br />

einer unklaren Satzungsregelung kommt aber nur<br />

dann in Betracht, wenn dies auch über die beteiligten Gesellschafter<br />

hinaus für Dritte von Bedeutung sein kann<br />

(OLG Zweibrücken MittRhNotK 1978, 142), wie dies<br />

etwa bei der Fassung des Stammkapitals oder des Unternehmensgegenstands<br />

der Fall sein kann. Eine derartige Bedeutung<br />

kommt jedenfalls der vorliegenden Einziehungsregelung<br />

nicht zu, weil die Zulässigkeit der Einziehung unabhängig<br />

von der rechtlichen Konstruktion ihrer Wirksamkeit<br />

nach §9 Nr.6 an eine wirksame Abfindungszahlung<br />

gebunden bleibt. ...<br />

Ausschluss ohne wichtigen Grund<br />

BGB §§138, 242, 737<br />

1. Eine gesellschaftsvertragliche Regelung, die einem<br />

Gesellschafter das Recht einräumt, einen Mitgesellschafter<br />

ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aus<br />

einer Personengesellschaft auszuschließen, verstößt<br />

gegen die guten Sitten.<br />

2. Dies gilt nicht, wenn ein neuer Gesellschafter in<br />

eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen<br />

aufgenommen wird und das Ausschließungsrecht allein<br />

dazu dient, binnen einer angemessenen Frist die<br />

Prüfung zu ermöglichen, ob zu dem neuen Partner<br />

das notwendige Vertrauen hergestellt werden kann<br />

und ob die Gesellschafter auf Dauer in der für die gemeinsame<br />

Berufsausübung erforderlichen Weise harmonieren<br />

können.<br />

3. Eine überlange Prüfungsfrist ist geltungserhaltend<br />

auf einen Zeitraum von 3 Jahren zu reduzieren.<br />

OLG Frankfurt, Urteil v. 20.10.2005 – 16 U 3/05<br />

Aus den Gründen<br />

Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung (zuletzt BGH v.<br />

14.3.2005 – II ZR 153/03, MDR 2005, 935 = BGHReport<br />

2005, 912 = AG 2005, 395 = GmbHR 2005, 620 m. Anm.<br />

Werner = ZIP 2005, 706ff. = DNotZ 2005, 792) entschieden,<br />

dass eine gesellschaftsvertragliche Regelung gegen<br />

§138 Abs.1 BGB verstößt, die einem einzelnen Gesellschafter<br />

das Recht einräumt, Mitgesellschafter ohne Vorliegen<br />

eines sachlichen Grundes aus einer Personengesellschaft<br />

auszuschließen. Tragende Erwägung hierfür ist, den<br />

von der Ausschließung oder Kündigung bedrohten Gesellschafter<br />

zu schützen. Das freie Kündigungsrecht des anderen<br />

Teils kann von ihm als Disziplinierungsmittel empfunden<br />

werden, so dass er aus Sorge, der Willkür des ausschließungsberechtigten<br />

Gesellschafters ausgeliefert zu<br />

sein, nicht frei von seinen Mitgliedschaftsrechten Gebrauch<br />

macht oder seinen Gesellschafterpflichten nicht<br />

nachkommt, sondern sich den Vorstellungen der anderen<br />

Seite beugt („Damoklesschwert“).<br />

Der BGH hat jedoch verschiedene Ausnahmen von diesem<br />

Grundsatz zugelassen. Die für den vorliegenden Rechtsstreit<br />

maßgebende Ausnahme wurde im Urteil v. 8.3.2004<br />

(BGH v. 8.3.2004 – II ZR 165/02, MDR 2004, 847 =<br />

BGHReport 2004, 1023 = GesR 2004, 283 = NJW 2004,<br />

2013ff. = DNotZ 2004, 865) entwickelt. In diesem Urteil<br />

hat der BGH folgenden Leitsatz aufgestellt:<br />

„Das grundsätzlich nicht anzuerkennende Recht, einen<br />

Mitgesellschafter ohne Vorhandensein eines sachlichen<br />

Grundes aus einer Gesellschaft ausschließen zu dürfen,<br />

kann ausnahmsweise dann als nicht sittenwidrig angesehen<br />

werden, wenn ein neuer Gesellschafter in eine seit langer<br />

Zeit bestehende Sozietät von Freiberuflern (hier: Gemeinschaftspraxis<br />

von Laborärzten) aufgenommen wird und<br />

das Ausschließungsrecht allein dazu dient, den Altgesellschaftern<br />

binnen einer angemessenen Frist die Prüfung zu<br />

ermöglichen, ob zu dem neuen Partner das notwendige<br />

Vertrauen hergestellt werden kann und ob die Gesellschafter<br />

auf Dauer in der für die gemeinsame Berufsausübung<br />

erforderlichen Weise harmonieren können; eine Prüfungsfrist<br />

von 10 Jahren überschreitet den anzuerkennenden<br />

Rahmen bei weitem.“<br />

Eine konkrete zeitliche Grenze für die Einarbeitung hat der<br />

BGH in diesem Urteil nicht festgelegt, jedenfalls aber einen<br />

Zeitraum von 10 Jahren als zu weitgehend betrachtet.<br />

Im vorliegenden Fall wurde ebenfalls eine Frist von gut 10<br />

Jahren (1.7.2000 bis 31.12.2010) vereinbart, was nach dieser<br />

Rechtsprechung grundsätzlich zur Nichtigkeit der Vereinbarung<br />

führt.


400 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Rechtsprechung<br />

Dieser Rechtsprechung des BGH schließt sich der Senat<br />

an. Er wendet sie auch auf den Fall an, dass der neue Gesellschafter<br />

nicht in eine Sozietät aufgenommen wird, sondern<br />

in eine Einzelpraxis einsteigt, da insoweit die Interessenlage<br />

identisch ist.<br />

Der Senat hatte ebenso wie das LG zu entscheiden, auf<br />

welchen Zeitraum die Vorschrift des Gesellschaftsvertrages<br />

geltungserhaltend zu reduzieren ist, welcher Zeitraum<br />

also maßgeblich ist für ein gegenseitiges Kennenlernen<br />

und zur Klärung der Frage, ob das notwendige Vertrauen<br />

besteht und ob beide Partner harmonieren. Henssler (LMK<br />

2005, 15 [16]) meint, ein bis zwei Jahre seien angemessen,<br />

aber auch drei Jahre sollten noch akzeptiert werden. Grunewald<br />

(DStR 2004, 1750 [1752]) sieht einen Zeitraum<br />

von zwei bis drei Jahren als angemessen an. Rieger (Lexikon<br />

des Arztrechts „Gemeinschaftspraxis“ Rz.52 und<br />

Fn.75) hält zwei Jahre für ausreichend. Dahm (MedR 2004,<br />

565 [566]) sieht als Obergrenze die öffentlichrechtliche<br />

Grenze von fünf Jahren, nach der der Juniorpartner auch in<br />

gesperrten Planungsbereichen im Falle eines weiterhin bestehenden<br />

Bedarfs eine Zulassung erhält. Als Untergrenze<br />

wird der Zeitraum von zwei Jahren genannt, der in §14<br />

Abs.2 Satz1 TzBfG enthalten ist und eine entsprechende<br />

Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne sachlichen Grund<br />

vorsieht. Er sieht in der Regel einen Zeitraum von drei Jahren,<br />

in besonders gelagerten Fällen von fünf Jahren, als angemessen<br />

an. Das LG hält sich mit seiner Reduzierung auf drei<br />

Jahre völlig in diesem Rahmen. Der Senat sieht ebenfalls<br />

keinen Anlass, von dieser Bewertung abzuweichen.<br />

Zur Abklärung der Frage, ob zwischen den Partnern einer<br />

Gemeinschaftspraxis das notwendige Vertrauen besteht<br />

und ob sie in ihren Berufsauffassungen harmonieren, hält<br />

der Senat einen Zeitraum von drei Jahren als äußerste zeitliche<br />

Grenze für die gegenseitige Prüfung, ob eine langfristige<br />

Zusammenarbeit möglich erscheint, für angemessen,<br />

aber auch ausreichend.<br />

Hinweis: Revision anhängig beim BGH unter Az. II ZR<br />

281/05.<br />

Beurkundung einer Kettenverschmelzung<br />

UmwG §§5, 7, 17, 18; HRV §26<br />

1. Ein Verschmelzungsvertrag kann unter der aufschiebenden<br />

Bedingung geschlossen werden, dass ein<br />

früherer Verschmelzungsvertrag, an dem die nunmehr<br />

übertragende Gesellschaft als aufnehmender<br />

Rechtsträger beteiligt ist, durch Eintragung im Handelsregister<br />

wirksam wird.<br />

2. In einem solchen Vertrag muss die übertragende<br />

Gesellschaft entsprechend ihrer gegenwärtigen Eintragung<br />

im Handelsregister ohne Berücksichtigung einer<br />

im Zusammenhang mit der Erstfusion vorgenommenen,<br />

erst mit deren Eintragung im Handelsregister<br />

wirksam werdenden Firmenänderung bezeichnet werden.<br />

3. §17 Abs. 2 Satz 4 UmwG steht dem Erlass einer<br />

Zwischenverfügung nicht entgegen, durch die die<br />

Möglichkeit einer Klarstellung der Bezeichnung der<br />

an der Verschmelzung beteiligten übertragenden Gesellschaft<br />

eingeräumt wird.<br />

OLG Hamm, Beschluss v. 19.12.2005 – 15 W 377/05<br />

Tatbestand<br />

I. Im Handelsregister des AG ... war eingetragen die N.<br />

und L. GmbH mit Sitz in I. Durch Vertrag nebst zustimmenden<br />

Gesellschafterbeschlüssen vom 24.4.2004 wurde<br />

diese Gesellschaft als übertragender Rechtsträger mit Verschmelzungsstichtag<br />

vom 1.1.2004 verschmolzen auf die<br />

B. GmbH mit Sitz in L2 als übernehmende Gesellschaft,<br />

die gleichzeitig ihren Sitz nach I. verlegte und ihre Firma<br />

in N. und L. GmbH änderte. Die Verschmelzung wurde am<br />

6.9.2005 im Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft<br />

eingetragen. Bereits zuvor, am 25.8.2005, wurde ein<br />

weiterer Vertrag beurkundet, der die Verschmelzung der<br />

im Handelsregister des AG eingetragenen W. mbH als<br />

übernehmender Rechtsträger mit der als „N. und L.<br />

GmbH“ bezeichneten übertragenden Gesellschaft mit Verschmelzungsstichtag<br />

zum 1.1.2005 zum Gegenstand hat.<br />

Dieselbe Urkunde enthält zustimmende Gesellschafterbeschlüsse,<br />

die auf Seiten der übernehmenden Gesellschaft<br />

eine Kapitalerhöhung zum Zweck der Durchführung der<br />

Verschmelzung sowie eine Satzungsänderung dahin umfasst,<br />

dass diese Gesellschaft mit dem Wirksamwerden der<br />

Verschmelzung ihre Firma in „N. und L. GmbH“ ändert.<br />

Der Geschäftsführer beider Gesellschaften hat die Verschmelzung<br />

in zwei notariell beglaubigten Erklärungen<br />

vom 25.8.2005 zum Handelsregister angemeldet. Gegenstand<br />

des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Anmeldung<br />

zum Register der übernehmenden Gesellschaft, die<br />

mit der Anregung verbunden ist, zunächst lediglich die Kapitalerhöhung<br />

gem. §53 UmwG, Firmen- und Satzungsänderung<br />

erst mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung<br />

einzutragen. Beigefügt ist der Anmeldung eine Bilanz<br />

nebst Lagebericht für die „N. und L. GmbH“ für das<br />

Geschäftsjahr zum Stichtag 31.12.2004. ...<br />

Aus den Gründen<br />

II. Gegenstand der Anmeldung vom 25.8.2005 ist der Verschmelzungsvorgang<br />

insgesamt. Dieser ist zwar nach den<br />

Vorschriften des UmwG in mehreren Schritten in das Register<br />

der beteiligten Rechtsträger einzutragen. Wird – wie<br />

hier – zur Durchführung der Verschmelzung bei der übernehmenden<br />

Gesellschaft eine Kapitalerhöhung durchgeführt,<br />

so muss gem. §53 UmwG in einem ersten Schritt<br />

zunächst die Erhöhung des Stammkapitals im Register dieser<br />

Gesellschaft eingetragen werden. Die am Ende der Anmeldung<br />

vom 25.8.2005 genannte Reihenfolge (Eintragung<br />

der Kapitalerhöhung vorab, Eintragung der Firmenund<br />

Satzungsänderung der übernehmenden Gesellschaft<br />

mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung) entspricht<br />

danach dem Gesetz. Dies ändert jedoch nichts daran, dass<br />

es sich um einen einheitlichen rechtlichen Vorgang, nämlich<br />

die Gewährung von Geschäftsanteilen der übernehmenden<br />

Gesellschaft als Gegenleistung für die Vermögensübertragung,<br />

handelt. Ein Eintragungshindernis, das sich<br />

aus dem Verschmelzungsvertrag selbst ergibt, muss danach<br />

bereits der Eintragung der Kapitalerhöhung zum Zweck<br />

der Durchführung der Verschmelzung entgegenstehen.<br />

Zu Recht haben die Vorinstanzen beanstandet, dass in dem<br />

Verschmelzungsvertrag vom 25.8.2005 und demzufolge<br />

auch in den Gesellschafterbeschlüssen der beteiligten Gesellschaften<br />

(§<strong>11</strong>3 UmwG) die übertragende Gesellschaft<br />

nicht hinreichend genau bezeichnet ist. Nach §5 Abs.1<br />

Nr.1 UmwG muss der Verschmelzungsvertrag den Namen<br />

oder die Firma und den Sitz der an der Verschmelzung beteiligten<br />

Rechtsträger angeben. Die Angaben müssen den


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 401<br />

Rechtsprechung<br />

gegenwärtigen Eintragungen im Handelsregister der beteiligten<br />

Gesellschaften entsprechen (Widmann/Mayer,<br />

UmwG, §5 Rz.<strong>11</strong>; Lutter/Drygala, UmwG,3.Aufl.,§5<br />

Rz.5). Diesen Anforderungen genügt die Bezeichnung der<br />

übertragenden Gesellschaft als „N. und L. GmbH“ in dem<br />

Verschmelzungsvertrag nicht. Diese Bezeichnung nimmt<br />

offenbar bewusst – im Gegensatz zu derjenigen der übernehmenden<br />

Gesellschaft – nicht auf eine bestimmte Eintragung<br />

der Gesellschaft im Handelsregister Bezug. Aus dem<br />

Lagebericht der der Anmeldung beigefügten Schlussbilanz<br />

ergibt sich mit Deutlichkeit, dass es sich bei der übertragenden<br />

Gesellschaft um eine Fusionsgesellschaft handeln<br />

soll, die aus der Verschmelzung zwischen der N. und L.<br />

GmbH mit Sitz in I. als übertragender und der B. GmbH<br />

mit Sitz in L2 als übernehmender Gesellschaft hervorgegangen<br />

ist. Diese Verschmelzung ist wirtschaftlich zum<br />

1.1.2004 als Verschmelzungsstichtag durchgeführt worden,<br />

ist jedoch erst am 6.9.2005 durch Eintragung im Handelsregister<br />

der übernehmenden Gesellschaft wirksam geworden<br />

(§20 Abs.1 UmwG). Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt<br />

der Beurkundung vom 25.8.2005 war diese Verschmelzung<br />

einschließlich der Firmenänderung der B.<br />

GmbH als der übernehmenden Gesellschaft noch nicht<br />

wirksam geworden. Der Verschmelzungsvertrag konnte für<br />

diese Gesellschaft deshalb lediglich unter ihrer damaligen<br />

Firmierung als B. GmbH geschlossen werden. B2 GmbH<br />

ist in dem Verschmelzungsvertrag indessen nicht erwähnt.<br />

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass entgegen<br />

der Auffassung des LG die Identität der B. GmbH<br />

als juristische Person im Rahmen der ersten Verschmelzung<br />

nicht berührt worden ist. Denn bei der Verschmelzung<br />

durch Aufnahme erlischt lediglich der übertragende,<br />

nicht jedoch der übernehmende Rechtsträger (§20 Abs.1<br />

UmwG). Es geht in dem vorliegenden Zusammenhang<br />

also lediglich um die korrekte Bezeichnung der Firma der<br />

betreffenden Gesellschaft. Zwar ergibt die individuelle<br />

Auslegung des Verschmelzungsvertrages vom 25.8.2005<br />

unter Berücksichtigung der Erläuterungen der Schlussbilanz,<br />

dass an dem Vertrag B2 GmbH als übertragender<br />

Rechtsträger beteiligt sein soll (s. dazu nachstehend). Den<br />

Anforderungen des §5 Abs. 1 Nr. 1 UmwG kann es jedoch<br />

nicht genügen, dass sich aus einer mühevollen Auswertung<br />

aller der Anmeldung beigefügten Unterlagen derjenige<br />

Rechtsträger feststellen lässt, der nach dem Willen der Bet.<br />

an der Verschmelzung beteiligt sein soll. Aus der gesetzlichen<br />

Vorschrift muss vielmehr schon im Hinblick auf den<br />

Gläubigerschutz abgeleitet werden, dass die beteiligten<br />

Rechtsträger in dem Verschmelzungsvertrag so klar und<br />

eindeutig bezeichnet werden müssen, dass Zweifel von<br />

vornherein ausgeschlossen sind.<br />

Das LG hat jedoch nicht erwogen, ob der Bet. durch den<br />

Erlass einer Zwischenverfügung Gelegenheit zur Behebung<br />

des Eintragungshindernisses zu geben ist ... Nachdem<br />

das LG in seiner Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt<br />

nicht eingegangen ist, steht die entsprechende Entscheidung<br />

nunmehr dem Senat zu, wobei das Rechtsbeschwerdegericht<br />

auch das Ermessen eigenständig ausüben kann<br />

(BayObLG v. 31.1.1997 – 2Z BR 7/97, MDR 1997, 596 =<br />

BayObLGReport 1997, 41 = FGPrax 1997, 89; Keidel/<br />

Meyer-Holz, FG, 15.Aufl., §27 Rz.56 m.w.N.).<br />

Bei der nicht ausreichenden Bezeichnung des übertragenden<br />

Rechtsträgers im zweiten Verschmelzungsvertrag und<br />

den Gesellschafterbeschlüssen handelt es sich um ein behebbares<br />

Eintragungshindernis. Die Auslegung des Verschmelzungsvertrages<br />

ergibt unter Heranziehung der<br />

Schlussbilanz und der Registerakten aller Gesellschaften,<br />

dass in der Sache eine Kettenverschmelzung mehrerer Gesellschaften<br />

gewollt ist: Die erste Verschmelzung mit dem<br />

Verschmelzungsstichtag 1.1.2004 unter Beteiligung der N.<br />

und L. GmbH als übertragender und der B. GmbH als<br />

übernehmender Gesellschaft ist auf die Bildung einer Fusionsgesellschaft<br />

mit einer Firmenmeldung entsprechend<br />

derjenigen der übertragenden Gesellschaft gerichtet. Mit<br />

Stichtag zum 1.1.2005 soll in einem zweiten Vorgang die<br />

zunächst gebildete Fusionsgesellschaft als übertragender<br />

Rechtsträger auf die W2 mbH als übernehmende Gesellschaft<br />

verschmolzen werden. Beide Vorgänge sind miteinander<br />

verkoppelt, weil die erste Verschmelzung mangels<br />

Eintragung im Handelsregister noch nicht wirksam<br />

geworden war, als der zweite Verschmelzungsvertrag und<br />

die dazugehörenden Gesellschafterbeschlüsse beurkundet<br />

worden sind, wobei wegen der Frist des §17 Abs.2 S.4<br />

UmwG die Beurkundung nicht länger als acht Monate<br />

nach dem Verschmelzungsstichtag (1.1.2005) hinausgeschoben<br />

werden konnte. Aus den Erläuterungen der<br />

Schlussbilanz und den aus den Registerakten ersichtlichen<br />

Zusammenhängen ist deutlich zu erkennen, dass der zweite<br />

Verschmelzungsvertrag erst wirksam werden sollte, wenn<br />

der erste Verschmelzungsvorgang durch die noch ausstehende<br />

Eintragung im Handelsregister wirksam geworden<br />

war. Denn B2 GmbH sollte mit dem im Rahmen der ersten<br />

Verschmelzung erhöhten Kapital erneut verschmolzen werden.<br />

So haben auch die Vorinstanzen den zweiten Verschmelzungsvertrag<br />

verstanden. Dem wirksamen Abschluss<br />

des zweiten Verschmelzungsvertrages steht in diesem<br />

Zusammenhang nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt<br />

seines Abschlusses die erste Verschmelzung noch nicht<br />

wirksam geworden war. Zwar konnte dieser – wie ausgeführt<br />

– für die übertragende Gesellschaft nur unter deren<br />

B. GmbH geschlossen werden. Jedoch bestanden keine<br />

Hinderungsgründe, den zweiten Verschmelzungsvertrag<br />

unter der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens<br />

der ersten Verschmelzung abzuschließen. §7 S.1 UmwG<br />

lässt vielmehr den Abschluss eines Verschmelzungsvertrages<br />

unter einer aufschiebenden Bedingung ausdrücklich<br />

zu. Für die Wahrung der Formvorschriften ist auch bei einer<br />

solchen Kettenverschmelzung auf den Zeitpunkt des<br />

Verschmelzungsvertrages und der Beschlussfassung der<br />

Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften abzustellen<br />

(Widmann/Mayer, UmwG, §5 Rz.235.4). Im Wege der<br />

Auslegung kann deshalb der notariellen Urkunde vom<br />

25.8.2005 sowohl das rechtlich gewollte Ergebnis als auch<br />

die dies ermöglichende rechtliche Gestaltung entnommen<br />

werden. Für den Vollzug im Handelsregister fehlt lediglich<br />

die erforderliche klarstellende Fassung. Eine solche Klarstellung<br />

kann auch noch nachträglich erfolgen, so dass das<br />

Eintragungshindernis behebbar ist.<br />

Die Klarstellung kann durch die Erklärung in einer Ergänzungsurkunde<br />

in der Weise vorgenommen werden, dass<br />

der Verschmelzungsvertrag vom 25.8.2005 für B2 GmbH<br />

als übertragende Gesellschaft unter der aufschiebenden<br />

Bedingung des Wirksamwerdens der Verschmelzung dieser<br />

Gesellschaft als übernehmender Rechtsträger mit der<br />

N. und L. GmbH als übertragender Gesellschaft geschlossen<br />

ist und diese Bedingung durch die zwischenzeitlich am<br />

6.9.2005 erfolgte Eintragung im Handelsregister der übernehmenden<br />

Gesellschaft eingetreten ist. Zur Abgabe einer<br />

solchen Erklärung ist die nunmehr unter N. und L. GmbH<br />

firmierende Fusionsgesellschaft ohne weiteres in der Lage,<br />

weil sie mit der übernehmenden, früher als B. GmbH firmierenden<br />

Gesellschaft identisch ist und erst mit dem


402 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Rechtsprechung<br />

Wirksamwerden der zweiten Verschmelzung erlischt. Eine<br />

entsprechende Klarstellung muss auch bei den Gesellschafterbeschlüssen<br />

der beteiligten Gesellschaften sowie<br />

den Anmeldungen zum Handelsregister erfolgen.<br />

Einer solchen nachträglichen Klarstellung steht auch nicht<br />

die Vorschrift des §17 Abs.2 S.4 UmwG entgegen. Nach<br />

dieser Vorschrift darf eine Verschmelzung nur eingetragen<br />

werden, wenn die Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers<br />

auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung<br />

liegenden Stichtag erstellt ist. Dadurch soll sichergestellt<br />

werden, dass die Bilanz die in die nächste Jahresbilanz<br />

des übernehmenden Rechtsträgers eingehenden<br />

Werte des übertragenden Rechtsträgers zeitnah wiedergibt.<br />

Dies dient auch dem Schutz der Gläubiger, die in der Lage<br />

sein sollen, sich einen zeitnahen Eindruck von der Vermögenslage<br />

des übertragenden Rechtsträgers zu verschaffen,<br />

zumal die geprüfte Schlussbilanz im Fall der Kapitalerhöhung<br />

die Sacheinlagenprüfung ersetzt. Da nach der gesetzlichen<br />

Vorschrift des §17 Abs.2 S.4 UmwG die Frist<br />

bezogen auf den Zeitpunkt der Anmeldung zum Handelsregister<br />

zu berechnen ist, wird verbreitet die Auffassung<br />

vertreten, zur Fristwahrung sei nicht erforderlich, dass die<br />

Anmeldung ohne weiteres zur Eintragung führe, das Nachreichen<br />

fehlender Unterlagen sei möglich (Lutter/Bork,<br />

UmwG, 3.Aufl., §17 Rz.6; Widmann/Mayer, UmwG, §24<br />

Rz.68). Inwieweit einzelne Fallkonstellationen eine abweichende<br />

Handhabung rechtfertigen können (KG v.<br />

22.9.1998 – 1 W 4387/97, GmbHR 1998, 1230 = KGReport<br />

Berlin 1999, 106 = FGPrax 1999, 31 = NJW-RR<br />

1999, 186 betreffend eine wegen einer fehlenden Kapitalerhöhung<br />

bei der übernehmenden Gesellschaft unvollständige<br />

Verschmelzung), bedarf keiner näheren Entscheidung.<br />

Denn hier beschränkt sich das Eintragungshindernis auf<br />

eine fehlende Klarstellung der Darstellung des Verschmelzungsvorgangs.<br />

Der Möglichkeit, diese nachzureichen,<br />

steht auch der Zweck des §17 Abs.2 S.4 UmwG nicht entgegen.<br />

Im Übrigen wird diese Frist auch dann gewahrt,<br />

wenn zum Zeitpunkt der Anmeldung eine zulässige Bedingung,<br />

von der der Eintritt der Verschmelzung abhängig ist,<br />

noch nicht eingetreten, insb. ein weiterer Umwandlungsvorgang<br />

noch nicht wirksam geworden ist (Widmann/Mayer,<br />

UmwG, §24 Rz.68).<br />

Weitere Eintragungshindernisse sind derzeit nicht ersichtlich.<br />

Die in dem Beschluss des AG vom 8.9.2005 ergänzend<br />

erhobene Beanstandung betreffend die Schlussbilanz<br />

der übertragenden Gesellschaft hält der Senat nicht für gerechtfertigt.<br />

Wie bereits ausgeführt, ist aus den Erläuterungen<br />

der Bilanz hinreichend ersichtlich, dass diese sich auf<br />

die aus der ersten Verschmelzung hervorgegangene Fusionsgesellschaft<br />

bezieht, die nach dem Wirksamwerden der<br />

Verschmelzung die Firma N. und L. GmbH führt. Dass die<br />

Bilanz wirtschaftlich die Wirkungen der Verschmelzung<br />

auf den 1.1.2004 vorwegnimmt, folgt aus der Bestimmung<br />

dieses Datums als Verschmelzungsstichtag (§5 Abs.1 Nr.6<br />

UmwG). ...<br />

Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses<br />

AktG §§155, 246, 255<br />

1. Es spricht viel dafür, auch im Falle einer einheitlichen<br />

gemischten Bar- und Sachkapitalerhöhung die<br />

Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses gem.<br />

§ 155 Abs. 2 AktG analog zu gestatten, wenn eine<br />

Überbewertung der Sacheinlage geltend gemacht<br />

wird, insbesondere dann, wenn der Erwerb der Sacheinlage<br />

vom Mehrheitsaktionär erfolgen soll.<br />

2. Die aktienrechtliche Differenzhaftung erfasst den<br />

vollen Gegenwert der dafür ausgegebenen Aktien.<br />

3. Ist die Klage gegen einen Kapitalerhöhungsbeschluss,<br />

mit dem die Überbewertung der Sacheinlage<br />

gerügt wird, nicht offensichtlich unbegründet,<br />

dann kann dennoch im Freigabeverfahren gem. §§ 255<br />

Abs. 3, 246a AktG an der Eintragung der Kapitalerhöhung<br />

in das Handelsregister gegenüber dem Aufschubinteresse<br />

der Kl. überwiegen, wenn der Erfolg<br />

der Hauptsacheklage zweifelhaft ist; bei der Abwägung<br />

ist weiterhin zu berücksichtigen, ob im Falle einer<br />

erfolgreichen Anfechtung die Durchsetzung einer<br />

möglichen Differenzhaftung realistisch ist.<br />

OLG Jena, Beschluss v. 12.10.2006 – 6 W 452/06<br />

Mitgeteilt durch RiOLG Prof. Dr. Walter Bayer, Jena<br />

Gesamtnichtigkeit einer Nachfolgeregelung<br />

AktG §136; BGB §§134, 138, 139, 2346<br />

Zur Nichtigkeit einer Schenkung und eines Pflichtteilsverzichts<br />

im Zusammenhang mit unzulässiger<br />

Stimmbindung. l<br />

OLG Oldenburg, Urteil v. 16.3.2006 – 1 U 12/05<br />

Tatbestand<br />

I. ... Mit der Gründung der IHH AG und der Anteilsübertragung<br />

auf seine Töchter wollte der Kl. seine Unternehmensbeteiligungen<br />

vollwirksam unter Lebenden und damit<br />

erbschaftssteuerneutral übertragen. Ein Übergang der Unternehmensführung<br />

sollte damit nicht verbunden sein. Im<br />

Gegenteil sollte eine fortdauernde einheitliche unternehmerische<br />

Führung der Gruppenunternehmen durch den Kl.<br />

selbst oder einen später von ihm zu bestimmenden geeigneten<br />

Unternehmensnachfolger gewährleistet werden.<br />

Dem Kl. kam es wesentlich darauf an, unter Berücksichtigung<br />

aller denkbaren Eventualitäten rechtsgestaltend sicherzustellen,<br />

dass er trotz der Anteilsübertragungen weiterhin<br />

ohne relevante Einschränkungen allein über die Geschäfte<br />

bzw. die Person eines Rechtsnachfolgers in der Unternehmensführung<br />

das letztentscheidende „Bestimmungsrecht“<br />

in der Gesellschaft behielt. Aus den seinerzeit getroffenen<br />

Vereinbarungen ergibt sich folgendes Bild:<br />

Bereits nach dem Gründungsvertrag der IHH AG war eine<br />

Übertragung der Aktien grundsätzlich nur mit mehrheitlicher<br />

Zustimmung der Gesellschafter möglich; zustimmungsfrei<br />

konnten die Gesellschafter allerdings Aktien an<br />

ihre Mitgesellschafter und deren leibliche Abkömmlinge<br />

übertragen. Im Anschluss an die Gründung der AG wurde<br />

am selben Tag von den Aktionären ein Schutzgemeinschaftvertrag<br />

geschlossen, wonach sich die Gesellschafter<br />

dem Ziel verpflichteten, die IHH AG im Eigentum der Familie<br />

zu halten und ihre Stimmrechte einheitlich in diesem<br />

Sinne auszuüben. Die Ausübung der Stimmrechte war dem<br />

Kl. als geschäftsleitendem Gesellschafter übertragen; dies<br />

sollte auch so bleiben.


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 403<br />

Rechtsprechung<br />

Zur Umsetzung seiner Pläne wählte der Kl. die Kombination<br />

verschiedener Vereinbarungen, die alle am 27.10.1993<br />

getroffen wurden. Zunächst vereinbarten die Eheleute V.<br />

mit ihren Töchtern deren Verzicht auf Pflichtteilsrechte.<br />

Danach schlossen der Kl., seine Ehefrau und seine Töchter<br />

eine privatschriftliche Stimmbindungsvereinbarung zugunsten<br />

des Kl. Weiter schlossen der Kl. und seine Töchter<br />

einen Schenkungs- und Übereignungsvertrag (später teilweise<br />

abgeändert durch Vertrag vom 3.12.1999). ...<br />

Aus den Gründen<br />

1. Dem Kl. steht sachlich ein bereicherungsrechtlicher<br />

Anspruch auf Rückübertragung der im Tenor bezeichneten<br />

Aktien zu.<br />

a) Der Senat geht ... zunächst davon aus, dass der am<br />

27.10.1993 u.a. zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits<br />

geschlossene Stimmbindungsvertrag zugunsten des Klägers<br />

wegen Verstoßes gegen §136 Abs.2 AktG nichtig ist.<br />

Die Vereinbarung enthält eine unzulässige Stimmbindung<br />

zugunsten des Vorstands der IHH AG. Sie verpflichtet die<br />

Ehefrau des Klägers und seine drei Töchter zu einer<br />

Stimmrechtsausübung „nach Weisung ... des Vorstands“.<br />

Einer Anwendung des §136 Abs.2 AktG steht nicht entgegen,<br />

dass der Kl. als weisungsbefugtes Mitglied des Vorstands<br />

namentlich benannt wurde. Dies gilt ebenso für den<br />

Umstand, dass der Kl. bei Vertragsschluss nicht nur im<br />

Vorstand der AG tätig war, sondern – für kurze Zeit bis<br />

zum Abschluss des Schenkungsvertrages – zugleich noch<br />

98,80%iger Mehrheitsaktionär der AG. Unerheblich ist<br />

schließlich auch, dass der Kl. nach Vollzug der Schenkung<br />

noch eine Aktie (Anteil 0,005%) behielt.<br />

aa) §1 des Stimmbindungsvertrags von 1993 verpflichtete<br />

die Ehefrau und die Töchter des Klägers zur Ausübung ihrer<br />

Aktionärsstimmrechte „nach den Weisungen“ des Klägers<br />

bzw. zur Beschlussfassung nur mit Zustimmung des<br />

Kl. Stimmbindungsvereinbarungen sind grundsätzlich und<br />

nur in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen verboten<br />

(BGH NJW 1987 [1890, 1892]; Schröer in MK-AktG,<br />

2.Aufl., §136 Rz.61). Das Gesetz untersagt nach dem<br />

Wortlaut des §136 Abs.2 AktG Stimmbindungsverträge<br />

zugunsten des Vorstands. Damit soll verhindert werden,<br />

dass die Verwaltung der AG einen unerwünschten Einfluss<br />

auf die Willensbildung der Hauptversammlung nimmt und<br />

die gesellschaftsverfassungsrechtlich gebotene Kontrolle<br />

des Vorstandes durch die Aktionäre erschwert wird. Verboten<br />

sind danach Vereinbarungen über eine Weisungsbefugnis<br />

des Organs „Vorstand“; Vereinbarungen mit einzelnen<br />

Vorstandsmitgliedern sollen dagegen prinzipiell zulässig<br />

sein (Hüffer, AktG, 6.Aufl., §136 Rz.26; Schröer in<br />

MK-AktG, 2.Aufl., §136, Rz.74). Die streitgegenständliche<br />

Vereinbarung erfüllt die Voraussetzung des Verbotstatbestandes,<br />

weil der Kl. sich die Weisungsbefugnisse gerade<br />

wegen und zum Zweck der weiteren Stärkung seiner beherrschenden<br />

Funktion als Leiter/Verwaltungsvorstand der<br />

IHH hat einräumen lassen. Dafür sprechen bereits die äußeren<br />

Umstände. Der Kl. hatte im Jahr 1993 den Stimmbindungsvertrag<br />

nicht als einzelnes Mitglied eines aus<br />

mehreren Personen zusammengesetzten Vorstands geschlossen,<br />

sondern als einziges Vorstandsmitglied. Dies ergibt<br />

sich aus dem Handelsregister. Nach der Gründung der<br />

AG im Dezember 1992 war allein der Kl. als Vorstand eingetragen.<br />

Das änderte sich erst im Januar 1994, als zwei<br />

weitere Vorstandsmitglieder (P. und H.) eingetragen wurden<br />

und der Kl. fortan als „Vorstands-Vorsitzender“ be-<br />

zeichnet wurde ... (E)r hatte ... durch verschiedene Regelungen<br />

in dem Stimmbindungsvertrag von 1993 dafür gesorgt,<br />

dass er die Geschicke der IHH AG nicht nur als einziger<br />

Vorstand, sondern auch in den Zeiten eines Mehrpersonenvorstandes<br />

letztentscheidend allein bestimmen und<br />

lenken konnte ...<br />

bb) Es ist allgemein anerkannt, dass das Stimmbindungsverbot<br />

des §136 Abs.2 AktG unabhängig davon gilt, ob<br />

der begünstigte Vorstand gleichzeitig Kapitalgeber ist<br />

(Schröer, a.a.O §136 Rz 71 [80] m.w.N.; tendenziell ebenso<br />

OLG Stuttgart JZ 1987, 570 betr. Stimmenpoolvereinbarungen).<br />

...<br />

cc) Gegen eine Anwendung des §136 Abs.2 AktG spricht<br />

auch nicht, dass die IHH AG keine jedermann uneingeschränkt<br />

zugängliche „offene“ AG ist. Von ihrer Konzeption<br />

her war und ist die IHH AG immer noch ein faktisch<br />

personell in sich geschlossenes Familienunternehmen, dessen<br />

Kapital ursprünglich zudem allein von dem Kl. (Familienvater)<br />

erwirtschaftet und eingebracht worden war.<br />

Der Kl. hat Zweifel daran geäußert, dass die Regelung des<br />

§136 Abs.2 AktG für solche Gesellschaften überhaupt<br />

„passt“. Gegen die Anwendbarkeit dieser Norm könnte<br />

sprechen, dass der Interessengegensatz zwischen Kapitalgebern<br />

und Vorstand, der nach dem Willen des Gesetzgebers<br />

nicht durch Stimmbindungsverträge zugunsten einer<br />

dominanten und stets durchsetzungsfähigen Bestimmungsgewalt<br />

der Verwaltung verschoben werden soll, im<br />

Fall eines Familienunternehmens eher nicht so prägend ist<br />

wie im gesetzlichen Modellfall einer AG. Gegen die Betrachtungsweise<br />

des Klägers ist jedoch vor allem einzuwenden,<br />

dass derjenige, der eine bestimmte Rechtsform<br />

wählt, sich auch den dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen<br />

unterwerfen muss. ...<br />

b) Der Anspruch des Klägers auf Rückübertragung der<br />

1993 der beklagten geschenkten Namensaktien folgt daraus,<br />

dass der Verstoß gegen §136 Abs.2 AktG zur Gesamtnichtigkeit,<br />

mindestens jedoch zur Nichtigkeit des<br />

Kernbereichs der Stimmbindungsvereinbarung 1993 führt<br />

und dies im Ergebnis auch eine Unwirksamkeit des Vertrages<br />

über die Schenkung der Aktien bewirkt.<br />

aa) Der Verstoß gegen §136 Abs.2 AktG hat die Unwirksamkeit<br />

des gesamten Stimmbindungsvertrages 1993 zur<br />

Folge.<br />

Dem steht nicht entgegen, dass die Vertragsparteien in §7<br />

Ziff.3 eine salvatorische Ersetzungsklausel vereinbart hatten.<br />

Daraus lässt sich nicht herleiten, dass die nicht unmittelbar<br />

von der Nichtigkeit nach §136 Abs.2 AktG erfassten<br />

Teile des Vertrags unabhängig von der Gültigkeit des<br />

Vertrages im Übrigen auf jeden Fall wirksam bleiben.<br />

Klauseln der hier vereinbarten Art entbinden nicht von der<br />

nach §139 BGB vorzunehmenden Prüfung, ob die Parteien<br />

das teilnichtige Geschäft als Ganzes verworfen hätten oder<br />

aber den Rest hätten gelten lassen. Sie ändern lediglich die<br />

übliche Darlegungs- und Beweislast zu Ungunsten desjenigen,<br />

der sich gegen eine Teil-Aufrechterhaltung ausspricht<br />

(BGH NJW 2003, 347).<br />

Hier ist aufgrund des unstreitigen Sachverhalts nach der<br />

Überzeugung des Senats mit hinreichender Sicherheit davon<br />

auszugehen, dass ohne die Stimmbindungsvereinbarungen<br />

in §1 der Vertrag insgesamt nicht abgeschlossen<br />

worden wäre und deshalb auch nicht teilweise aufrechtzuerhalten<br />

ist. Die nichtigen Weisungsbefugnisse und Zustimmungserfordernisse,<br />

mit denen die Mitaktionäre in


404 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Rechtsprechung<br />

den für die AG wesentlichen Entscheidungen dem Willen<br />

des Klägers unterworfen wurde, bilden den Kerngehalt der<br />

Vereinbarung. ...<br />

Schließlich ermöglicht die salvatorische Ersetzungsklausel<br />

auch keine taugliche Abhilfe im Wege einer Ersetzung der<br />

unwirksamen Regelungen durch wirksame andere Bestimmungen.<br />

Denn zum einen ist die Stimmbindung der entscheidende<br />

Regelungszweck der Vereinbarung. Und zum<br />

anderen ist nicht ersichtlich, welche andere Regelung die<br />

Stimmbildung wirksam ersetzen könnte. Die für die Anwendung<br />

des §136 Abs.2 AktG maßgebliche rechtliche<br />

Wertung, dass der Kl. in Wirklichkeit eine Bindung der<br />

Stimmen an sich als „Vorstand“ bewirken wollte, kann<br />

durch eine anderweitige Regelung nicht ersetzt werden,<br />

ohne den Vertragszweck zu konterkarieren. An der Unerheblichkeit<br />

der Aktionärsstellung für die Frage der Stimmbindung<br />

könnte eine anders formulierte Regelung nichts<br />

ändern. Auch die Möglichkeit der Ersetzung durch andere<br />

Formen der Stimmbindung ist nicht ersichtlich, weil der<br />

mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Stimmbindung „wirtschaftlich<br />

oder rechtlich“ durch eine andere wirksame Regelung<br />

nicht erreicht werden kann.<br />

bb) Die zu aa) festgestellte Nichtigkeit des Stimmbindungsvertrags<br />

1993 führt zugleich zur Unwirksamkeit der<br />

Vereinbarung der Parteien über die Schenkung der vom Kl.<br />

herausverlangten Namensaktien.<br />

Der Senat geht hilfsweise davon aus, dass unbeschadet der<br />

Aufrechterhaltung der Stimmbindungsvereinbarung im<br />

Übrigen auch schon allein der Fortfall der von §136 Abs.2<br />

AktG unmittelbar erfassten Stimmbindungsregelungen die<br />

Nichtigkeit des Schenkungsvertrags zur Folge hat.<br />

Für eine Gesamtnichtigkeit der beiden Verträge nach §139<br />

BGB spricht zunächst, dass in beiden Präambeln wechselseitig<br />

auf den jeweils anderen Vertrag Bezug genommen<br />

wird. Der Schenkung der Anteile wird in Ziff.2 der Präambel<br />

des Stimmbindungsvertrags 1993 ausdrücklich „im<br />

Anschluss an die Unterzeichnung dieses Vertrags“ versprochen.<br />

Die grundlegende Bedeutung der Stimmbindungsvereinbarung<br />

für die Schenkung wird dadurch deutlich, dass dem<br />

Kl. in §5 Ziff.3 c des Schenkungsvertrags für den Fall der<br />

Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus dem Stimmbindungsvertrag<br />

ein Recht zum Widerruf der Schenkung eingeräumt<br />

wurde. Schließlich indiziert auch der mit beiden<br />

Verträgen verfolgte Regelungszweck eine Einheit i.S.d.<br />

§139 BGB. Denn es war für alle Bet. (unstreitig) offenkundig,<br />

dass der Kl. trotz der Anteilsübertragung im Wege vorweggenommener<br />

Erbfolge für jeden denkbaren Fall noch<br />

weiterhin die alleinige Entscheidungsbefugnis im Unternehmen<br />

behalten wollte.<br />

Aus der Sicht des Senats ist danach nicht zweifelhaft, dass<br />

beide Verträge eine sich wechselseitig ergänzende Einheit<br />

bildeten und der Kl. nur entweder beide Verträge oder gar<br />

keinen geschlossen hätte. Ohne die Stimmbindung hätte<br />

der Kl. seine Aktien nicht vorzeitig auf die Bekl. übertragen<br />

und ohne die vorweggenommene Übertragung der Aktien<br />

bestand kein Grund für die Stimmbindungsvereinbarung.<br />

Auch die in §8 Ziff.3 des Schenkungsvertrags enthaltene<br />

salvatorische Ersetzungsklausel kann keine Aufrechterhaltung<br />

des Vertrages bewirken. Denn die Stimmbindung ist –<br />

wie bereits ausgeführt – nicht durch eine dem Vertragszweck<br />

entsprechende wirksame Alternativregelung ersetz-<br />

bar und ohne Stimmbindung hätte es keinen Schenkungsvertrag<br />

gegeben. Dies alles folgt – unabhängig von der<br />

auch hier grundsätzlich zu berücksichtigenden Darlegungsund<br />

Beweislastumkehr – aus den beiderseits und insoweit<br />

auch übereinstimmend vorgetragenen objektiven Umständen<br />

des Falles.<br />

cc) ... Allerdings ist die Rechtsfolge einer Gesamtnichtigkeit<br />

dann problematisch, wenn die nichtigen Bestandteile<br />

eines (einheitlichen) Rechtsgeschäfts auf Grund einer gesetzlichen<br />

Regelung weggefallen sind, die den Schutz einer<br />

Partei gewährleisten soll. §136 Abs.2 AktG ist jedoch keine<br />

Norm zum Schutz von Personen, die mit stimmbindungsbehafteten<br />

Aktien beschenkt werden. Diese Verbotsnorm<br />

soll vielmehr allein dazu dienen, die Gesellschafter<br />

(Aktionäre) vor einer übermäßig zugunsten des Vorstands<br />

verschobenen Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft<br />

zu schützen.<br />

dd) Der Rückübertragungsanspruch ergibt sich aus bereicherungssrechtlichen<br />

Gesichtspunkten.<br />

Entgegen der Ansicht der Bekl. erstreckt sich die Unwirksamkeit<br />

der schuldrechtlichen Schenkungsvereinbarung<br />

nicht auf das mitbeurkundete Erfüllungsgeschäft, also die<br />

Abtretung der Namensaktien ... Insbesondere handelt es<br />

sich nicht um ein sog. „Handgeschäft“ des täglichen Lebens,<br />

bei dem der Rechtsgrund und das Erfüllungsgeschäft<br />

typischerweise in einem Akt zusammenfallen. Es ergibt<br />

sich auch nicht aus der Verbindung der beiden Rechtsgeschäfte<br />

in einer notariellen Urkunde ein vom Regelfall<br />

abweichender (und daher nicht ohne signifikante Gründe<br />

anzunehmender) Wille der Parteien, Verpflichtungs- und<br />

Erfüllungsgeschäft als Einheit behandeln zu wollen.<br />

Der Hilfseinwand der Bekl., sie schulde eine Rückübertragung<br />

der Aktien allenfalls Zug um Zug gegen ihre Entlassung<br />

aus der Vereinbarung über den Pflichtteilsverzicht<br />

und gegen eine Befreiung von dem Leibrentenzahlungsversprechen,<br />

ist unbegründet.<br />

Der Senat ist aus den nachstehend zu 2. ausgeführten<br />

Gründen der Ansicht, dass es einer Rückgängigmachung<br />

des Pflichtteilsverzichts nicht bedarf, weil die Verzichtsvereinbarung<br />

als weitere Folge der Nichtigkeit der Verträge<br />

über die Stimmbindung und die Anteilsübertragung (§139<br />

BGB) ohne weiteres unwirksam ist. Ein gesonderter Rückabwicklungsakt<br />

hätte danach allenfalls deklaratorische Bedeutung<br />

und ist nicht geeignet, den Zug-um-Zug-Einwand<br />

zu begründen. ...<br />

... Zweifelsfrei hätte die Bekl. die Aktien nicht erhalten,<br />

wenn sie nicht einen Verzicht auf ihren (nach der Wertung<br />

des Gesetzes und Art.14 Abs.1 GG grundsätzlich unentziehbaren)<br />

Pflichtteil nach dem Tod des längstlebenden Elternteils<br />

erklärt hätte. Dann wird aber deutlich, dass die<br />

Bekl. auf der einen Seite infolge des Pflichtteilsverzichts<br />

einen unmittelbaren rechtlichen Nachteil erlitten hat und<br />

„dafür“ auf der anderen Seite im Ergebnis keine werthaltigen,<br />

weil ihre Einflussnahme auf das Unternehmen faktisch<br />

ausschließenden Rechte erlangt hatte. Wenn man<br />

weiter berücksichtigt, dass die Bekl. die Einnahmen aus<br />

den Aktien praktisch in voller Höhe für die Leibrentenzahlungen<br />

und die damals noch bestehende Vermögenssteuer<br />

aufwenden sollte, bleibt nicht viel an erhaltener „Gegenleistungssubstanz“.<br />

Aus der Sicht des Senats ist es danach<br />

gerechtfertigt, hier von einem auffälligen Missverhältnis<br />

der wechselseitig eingegangenen Verpflichtungen mit signifikanter<br />

Benachteiligung der Bekl. auszugehen, was in


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 405<br />

Rechtsprechung<br />

der Gesamtbewertung eine Anwendung des §138 Abs.1<br />

BGB zu Gunsten der Bekl. rechtfertigt.<br />

Die zulässige Widerklage der Bekl. ist begründet. Die festgestellte<br />

Nichtigkeit des Stimmbindungsvertrages 1993<br />

und die nach §139 BGB daraus zugleich abgeleitete Unwirksamkeit<br />

des Schenkungsvertrages entzieht auch dem<br />

von der Bekl. am 27.10.1993 vertraglich erklärten Pflichtteilsverzicht<br />

am Nachlass des Längstlebenden der Eltern<br />

der Bekl. gemäß §139 BGB die Grundlage.<br />

Der Pflichtteilsverzicht der Bekl. ist ein Teil der vom Kl.<br />

eingeleiteten Regelungen zur Vorbereitung eines gleitenden<br />

Unternehmensübergangs auf einen von ihm auszuwählenden<br />

Nachfolger. Es spricht schon wegen des räumlichen<br />

und zeitlichen Zusammenhangs mit den übrigen Verträgen<br />

eine Vermutung für die Eingebundenheit des Pflichtteilsverzichts<br />

in ein in sich geschlossenes Gesamtpaket und damit<br />

für eine gewollte wechselseitige Abhängigkeit.<br />

Noch überzeugender in diese Richtung weisen die persönlichen<br />

Erklärungen des Klägers in der Berufsverhandlung.<br />

Der Kl. hat nämlich deutlich gemacht, dass es ihm mit<br />

Blick auf das Schicksal „seines“ Unternehmens ganz wesentlich<br />

auf diesen Pflichtteilsverzicht ankam. Er hat dies<br />

damit begründet, dass die Pflichtteilsforderungen nach<br />

dem maßgeblichen Erbfall sofort fällig werden und dann<br />

mit einem Mal Forderungen „an den Nachlass“, also auch<br />

das Unternehmensvermögen gestellt werden könnten, die<br />

für das Unternehmen im Zweifel existenzbedrohend sein<br />

könnten. Deshalb sei ihm der Pflichtteilsverzicht so wichtig.<br />

Dass andererseits die Bekl. ohne den Erhalt der Aktien keinesfalls<br />

einem Pflichtteilsverzicht zustimmt hätte, hat sie<br />

selbst bestätigt. Die Richtigkeit dieser Erklärung kann bei<br />

sachgerechter Betrachtung ohnehin nicht zweifelhaft sein.<br />

Die Bekl. hatte keinen ersichtlichen Grund, auf ihr Pflichtteil<br />

zu verzichten, wenn sie nicht zum Ausgleich im Gegenzug<br />

die Aktien erhalten hätte. ...<br />

Mitgeteilt von Notar Thomas Wachter, Osterhofen<br />

Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot<br />

HGB §13e; BGB §181<br />

Jedenfalls bei Personenidentität zwischen dem Geschäftsführer<br />

einer Private Limited Company und<br />

dem ständigem Vertreter von deren Zweigniederlassung<br />

in Deutschland ist die Eintragungsfähigkeit einer<br />

Befreiung des ständigen Vertreters von den Beschränkungen<br />

des § 181 BGB zu verneinen.<br />

OLG München, Beschluss v. 4.5.2006 – 31 Wx 023/06<br />

Verschmelzung einer Limited<br />

HGB §§13d ff.; UmwG §16 Abs.1<br />

Die Eintragung der Verschmelzung einer Gesellschaft<br />

mit beschränkter Haftung mit Sitz in Deutschland als<br />

übertragender Gesellschaft auf eine Private Limited<br />

Company als aufnehmende Gesellschaft, die ihren statuarischen<br />

Sitz in England und eine Zweigniederlassung<br />

in Deutschland hat, kann nicht erstmalig konsti-<br />

tutiv im Register der Zweigniederlassung vorgenommen<br />

werden.<br />

OLG München, Beschluss v. 2.5.2006 – 31 Wx 009/06<br />

Mitgeteilt durch Notar Thomas Wachter, Osterhofen<br />

Verlust der Rechtsperson eines ausländischen Vereins<br />

bei Zuzug<br />

EGVArt.43, 481; BGB §60<br />

Die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43, 48 EGV begründet<br />

für die Vereine nationalen Rechts keinen<br />

Rechtsanspruch, ihren Satzungssitz unter Bewahrung<br />

ihrer Identität als Verein des Mitgliedstaats ihrer<br />

Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlagern<br />

und im Falle der Sitzverlegung nach Deutschland<br />

in das deutsche Vereinsregister eingetragen zu<br />

werden.<br />

OLGZweibrücken,Beschlussv.27.9.2005–3W170/05<br />

Aus den Gründen<br />

II. a) Das deutsche internationale Privatrecht enthält keine<br />

Regelung des internationalen Vereinsrechts (vgl. Art.37<br />

Nr.2 EGBGB). Die Rechtsfähigkeit eines ausländischen<br />

Vereins bestimmt sich nach dem Recht des Gründungsstaates.<br />

Der im Ausland gegründete Verein, der dort Rechtsfähigkeit<br />

erlangt hat, gilt (vorbehaltlich eines etwaigen<br />

ordre public-Verstoßes, Art.6 EGBGB) im Umfang der<br />

ihm im Gründungsstaat zuerkannten Rechtsfähigkeit auch<br />

in Deutschland als rechtsfähig. Eines staatlichen Anerkennungsaktes<br />

bedarf es hierfür nicht (Stöber, Handbuchzum<br />

Vereinsrecht, 9.Aufl. 2004, Rz.84).<br />

b) Verlegt ein rechtsfähiger Verein mit ausländischem Vereinsstatut<br />

und Satzungssitz im Ausland diesen nach<br />

Deutschland, trifft das deutsche Recht keine Bestimmung<br />

darüber, dass sich der Verein mit seiner in dem ausländischen<br />

Staat erworbenen Rechtspersönlichkeit hier fortsetzen<br />

würde; das deutsche Recht enthält keine Regelung<br />

über die grenzüberschreitende Verlegung des satzungsmäßigen<br />

Sitzes ins Inland.<br />

Nach deutschem Rechtsverständnis stellt sich die „Einwanderung“<br />

des ausländischen Vereins nicht als rein tatsächlicher<br />

Vorgang dar, sondern als Rechtsakt, welcher die<br />

künftige Zugehörigkeit des Vereins zur Rechtsordnung der<br />

Bundesrepublik Deutschland begründet. Deshalb verlangt<br />

die herrschende Auffassung für die Rechtsfähigkeit des<br />

Vereins in Deutschland mit Recht dessen Neugründung<br />

nach dem Recht des BGB und anschließende Eintragung<br />

in das Vereinsregister (§21 BGB) oder Konzessionierung<br />

gemäß §22 BGB (vgl. Stöber, HandbuchzumVereinsrecht,<br />

9.Aufl. 2004, Rz.85; Reichert, Handbuch Vereinsund<br />

Verbandsrecht, 10.Aufl. 2005, Rz.5<strong>11</strong> und 6333<br />

m.w.N.).<br />

c) Vor einer Neugründung unter Beachtung der §§56 bis<br />

59 BGB ist danach im Streitfall eine Eintragung des von<br />

dem Verfahren betroffenen Vereins in das deutsche Vereinsregister<br />

nicht möglich.<br />

3. Diesem Ergebnis steht entgegen der Auffassung der<br />

weiteren Beschwerde das Recht der Europäischen Gemein-


406 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Buchbesprechung<br />

schaft nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht<br />

aus den Entscheidungen des EuGH vom 9.3.1999 (NJW<br />

1999, 2027 – Centros), vom 5.<strong>11</strong>.2002 (NJW 2002, 3614 –<br />

Überseering) und vom 30.9.2003 (NJW 2003, 3331 – Inspire<br />

Art) oder aus dem Beschluss des Senats (OLG Zweibrückenv.26.3.2003–3W21/03,OLGReportZweibrücken<br />

2003, 247 = FGPrax 2003, 135).<br />

a) Zunächst fällt der hier interessierende Verein, weil er<br />

nach seinem in Frankreich angemeldeten Zweck und auch<br />

nach dem Vortrag im Anmeldungsverfahren gegenüber<br />

dem deutschen Registergericht rein karitativ tätig ist, schon<br />

nicht in den Schutzbereich der durch Art.43, 48 EGV<br />

(Amsterdamer Fassung) garantierten Niederlassungsfreiheit.<br />

...<br />

b) Unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten können<br />

die vorzitierten und von dem Antragsteller zum Teil als für<br />

ihn vermeintlich günstig in Anspruch genommenen Gerichtsentscheidungen<br />

auf die vorliegende Fallgestaltung<br />

ohnehin nicht – auch nicht sinngemäß – übertragen werden.<br />

Denn sie betreffen jeweils die Niederlassungsfreiheit<br />

von (kommerziellen) Gesellschaften, die nach dem Recht<br />

des Mitgliedstaates, in dem sie ihren statuarischen Sitz haben,<br />

gegründet worden sind und die unter Beibehaltung<br />

ihres satzungsmäßigen Sitzes (Hervorhebung durch den<br />

Senat) in einem anderen Mitgliedstaat – etwa durch eine<br />

Zweigniederlassung – geschäftlich tätig werden wollen.<br />

Darum geht es in dem hier zu entscheidenden Fall jedoch<br />

nicht, weil der von dem Verfahren betroffene (nicht erwerbsorientierte)<br />

Verein seinen statuarischen Sitz vollständig<br />

aus Frankreich nach Deutschland verlegen will, allerdings<br />

ohne dabei seine Rechtspersönlichkeit oder seine Eigenschaft<br />

als Verein französischen Rechts zu verlieren. Darauf<br />

besteht beim derzeitigen Stand des europäischen Gemeinschaftsrechts<br />

indes kein Rechtsanspruch. Eine Satzungssitzverlegung<br />

ist nach ganz herrschender Meinung –<br />

auch nach Auffassung der EU-Kommission – gerade nicht<br />

vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit umfasst<br />

(vgl. dazu mit zahlreichen Nachweisen Heckschen,<br />

<strong>NotBZ</strong> 2005, 315 [319]; Triebel/v. Hase, BB 2003, 2409<br />

[2413f.]). Im Gegensatz zu natürlichen Personen werden<br />

juristische Personen (darunter rechtsfähige Vereine) aufgrund<br />

der jeweiligen nationalen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten<br />

gegründet. Jenseits der jeweiligen nationalen<br />

Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt,<br />

haben sie keine Realität (EuGH NJW 1989, 2186<br />

[2187] – Daily Mail).<br />

Mitgeteilt durch den 3. Zivilsenat des OLG Zweibrücken<br />

Buchbesprechung<br />

Tim W. Dornis. Kaufpreiszahlung auf Notaranderkonto.<br />

Erfüllung – Pfändung – Insolvenz (Schriften der Deutschen<br />

Notarrechtlichen Vereinigung, Band 22, Köln, 159<br />

Seiten, 59,80 .)<br />

Namentlich in den westdeutschen und norddeutschen Bundesländern<br />

entsprach die Abwicklung eines Grundstückskaufvertrages<br />

über Notaranderkonto bislang gängiger Praxis.<br />

Aufgrund des geltenden Sachen- und Grundbuchrechts<br />

ist bei einem Grundstückskaufvertrag ein unmittelbarer<br />

Austausch der gegenseitigen Leistungen praktisch unmöglich.<br />

Durch die Einschaltung des Notars als Treuhänder<br />

und Abwicklung der Kaufpreiszahlung über Notaranderkonto<br />

soll das Risiko einer ungesicherten Vorleistung für<br />

die Vertragsbeteiligten vermieden werden. Der Gesetzgeber<br />

hat die im Zusammenhang mit der Kaufabwicklung<br />

über Notaranderkonto zusammenhängenden Fragen im<br />

Rahmen der Novelle des Beurkundungsgesetzes erstmals<br />

1998 in den §§54a ff. BeurkG gesetzlich kodifiziert. Bis<br />

dahin bestand lediglich eine gesetzliche Zuständigkeitsregelung<br />

in §23 BNotO für Notare. Verfahrensvorschriften<br />

waren allein in der DONot enthalten. Von besonderer Bedeutung<br />

für die notarielle Praxis ist hierbei, dass der Gesetzgeber<br />

nunmehr die Vereinbarung einer Kaufpreisabwicklung<br />

über Notaranderkonto gem. §54a BeurkG von einem berechtigten<br />

Sicherungsinteresse abhängig macht. Weiter enthalten<br />

die neuen gesetzlichen Vorschriften erstmals ausführliche<br />

Regelungen über den Widerruf einseitiger und mehrseitiger<br />

Verwahrungsanweisungen, §54c BeurkG.<br />

Die hier vorliegende Tübinger Dissertation stellt die – soweit<br />

ersichtlich – erste monographische Darstellung zur<br />

Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto unter Geltung<br />

der §§54a ff. BeurkG dar. Aus der Zeit vor Einführung<br />

dieser neuen Vorschriften liegen bereits verschiedene DissertationenzudiesemThema–jeweilsmitunterschiedlichen<br />

Schwerpunkten – vor. Zu erwähnen sind hier namentlich<br />

die Arbeiten von Bräu, Verwahrungstätigkeit des Notars,<br />

1991, Preuß, Die notarielle Hinterlegung, 1994, Kawohl,<br />

Notaranderkonto, 1995, König, Rechtsverhältnisse<br />

und Rechtsprobleme bei der Darlehensvalutierung über<br />

Notaranderkonto, 1998. Am Rande zu erwähnen ist ebenso<br />

die Arbeit von Strehle, Die Zwangsvollstreckung in das<br />

Guthaben des Notaranderkontos, 1995.<br />

Dornis hat seine Dissertation „Kaufpreiszahlung auf Notaranderkonto“<br />

mit dem Untertitel: „Erfüllung – Pfändung –<br />

Insolvenz“ versehen. Diese drei Begriffe sind zugleich die<br />

wesentlichen Kernpunkte seiner Arbeit. Die insgesamt 159<br />

Seiten umfassende Darstellung ist dabei in zwei große Teile<br />

gegliedert. In einem ersten Teil behandelt Dornis die<br />

Frage der Abwicklung des Grundstückskaufvertrags allein<br />

im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander sowie gegenüber<br />

dem Notar. Im zweiten Teil bezieht er in seine Untersuchung<br />

der Abwicklung des Grundstückskaufvertrags<br />

auch abzulösende Gläubiger und Finanzierungsgläubiger<br />

mit ein. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt nicht nur vom<br />

Umfang her (99 Seiten) auf dem ersten Teil. Das Thema<br />

der notariellen Verwahrung wird dabei unter materiellrechtlichen,<br />

zivilprozessualen und notarverfahrensrechtlichen<br />

Gesichtspunkten beleuchtet. Die privatrechtlichen<br />

Abreden der Beteiligten untereinander werden von ihren<br />

öffentlich-rechtlichen Beziehungen zum Urkundsnotar im<br />

Fortgang der Untersuchung stets getrennt.<br />

Im ersten Kapitel (S.5 bis 22) stellt Dornis die Grundlagen<br />

einer Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto dar. Das<br />

Verhältnis zwischen Verwahrungsvereinbarung zwischen<br />

den Beteiligten untereinander und ihrer Verwahrungsanweisung<br />

gegenüber dem Notar wird erläutert. Eingegangen<br />

wird dabei insbesondere auf die neuen Vorschriften<br />

der §§54a ff. BeurkG. Entsprechend dem im Untertitel<br />

skizzierten Schwerpunkt der Arbeit wird dabei die Frage,<br />

wann ein berechtigtes Sicherungsinteresse für ein Notaranderkonto<br />

besteht, nur kurz gestreift und für die weitere Arbeit<br />

unterstellt. Intensiv beschäftigt sich der Autor demgegenüber<br />

mit der Treuhandtätigkeit des Notars, und zwar<br />

einmal im Hinblick auf die Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto<br />

sowie zum anderen mit der Treuhandtätigkeit<br />

des Notars bezüglich des Grundbuchvollzugs und der


<strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006 407<br />

Buchbesprechung<br />

Koordination von Leistung und Gegenleistung. Dabei stellt<br />

er eine weitreichende Parallele zwischen den Vorschriften<br />

der §§54a ff. BeurkG für die Treuhandtätigkeit beim Notaranderkonto<br />

und der Vorschrift des §53 BeurkG bezüglich<br />

des Urkundsvollzugs durch den Notar gegenüber dem<br />

Grundbuch fest (S.<strong>11</strong>ff.). Während die Vorschriften über<br />

die notarielle Verwahrung eingehende Regelungen über<br />

den Widerruf der Verwahrungsanweisung enthalten und<br />

hier insbesondere in §54c Abs.3 BeurkG ein gerichtliches<br />

Verfahren vorschreiben, fehlen derartige Vorschriften bezüglich<br />

der Anweisungen zum Grundbuchvollzug nach<br />

§53 BeurkG. Dornis spricht sich deshalb dafür aus, §54c<br />

Abs.3 BeurkG auch im Bereich des §53 BeurkG entsprechend<br />

anzuwenden. Grundlegend beschäftigt er sich sodann<br />

mit der Frage des Prüfungsumfangs des Notars bei einem<br />

einseitigen Widerruf einer mehrseitigen Verwahrungsanweisung<br />

nach §54c Abs.3 BeurkG (S.15ff.). Er plädiert<br />

dafür, dass hier der Notar eine Schlüssigkeitsprüfung bezüglich<br />

der geltend gemachten Widerrufsgründe vorzunehmen<br />

habe. Auch vertritt er hierbei den Standpunkt, die Bet.<br />

haben aufgrund des öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis<br />

gegenüber dem Notar bei Kaufpreisabwicklung<br />

über Notaranderkonto keine Zahlungsansprüche gegen den<br />

Notar, sondern – wie sonst auch – lediglich einen Anspruch<br />

auf Erfüllung seiner Amtspflichten (S.19).<br />

Im zweiten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit der<br />

grundlegenden Frage der Erfüllung des Kaufpreisanspruches<br />

bei Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto (S.22<br />

bis 54). Dabei geht er von der Einzahlung als bloße Leistungshandlung<br />

aus. Haben die Beteiligten bezüglich der<br />

Erfüllung keine Regelungen getroffen, stellt sich seiner<br />

Ansicht nach die Zahlung auf Notaranderkonto als gestreckter<br />

Erfüllungsvorgang dar. Sodann setzt er sich eingehend<br />

mit den zur Frage der Erfüllung vertretenen Ansichten<br />

auseinander und prüft anhand der von diesen Ansichten<br />

angeführten Argumente ihre Richtigkeit. Wesentliches<br />

Kriterium ist dabei einmal die Frage, wer das Risiko<br />

in der Insolvenz des Vertragspartners trägt. Eingehend werden<br />

sodann die verschiedenen denkbaren Zeitpunkte einer<br />

Erfüllung der Leistungspflichten dargestellt, jeweils getrennt<br />

für den Fall der Insolvenz des Käufers sowie für den<br />

Fall der Insolvenz des Verkäufers. Ein Insolvenzrisiko besteht<br />

seiner Ansicht für den Käufer nur dann, wenn der<br />

Zeitpunkt der Erfüllung schon mit der Einzahlung auf Notaranderkonto<br />

angenommen wird (S.33ff.). Von daher ist<br />

also aus Sicht des Käufers der Zeitpunkt der Erfüllung<br />

möglichst nach hinten zu verlagern. Vor dem Hintergrund<br />

der neuen Rechtsprechung des BGH zum Wahlrecht des<br />

Insolvenzverwalters (ZIP 2002, 1093 = DNotZ 2002, 648<br />

= BGHZ 150, 353), wonach die gegenseitigen Ansprüche<br />

in der Insolvenz eines Beteiligten weder mit der Eröffnung<br />

des Insolvenzverfahrens noch mit der Erfüllungsablehnung<br />

durch den Insolvenzverwalter erlöschen, sondern erst dann,<br />

wenn der Vertragspartner seinen Schadensersatzanspruch<br />

nach §103 Abs.2 InsO zur Insolvenztabelle anmeldet, verneint<br />

er jedwedes Insolvenzrisiko des Verkäufers (S.37f.).<br />

Dies gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt man<br />

eine Erfüllung des Kaufpreisanspruchs bei Kaufpreisabwicklung<br />

über Notaranderkonto annimmt. Der Insolvenzverwalter<br />

könne sich nicht einseitig vom Vertrag lösen.<br />

Einseitige Weisungen des Insolvenzverwalters sind<br />

nach §54c Abs.3 BeurkG grundsätzlich unbeachtlich. Im<br />

Ergebnis ist seiner Ansicht nach das Argument des Insolvenzrisikos<br />

für die Bestimmung des Zeitpunkts der Erfüllung<br />

daher ungeeignet. Auch die übrigen Argumente, nämlich<br />

die Frage, wer die Nutzungen des Kaufgegenstandes,<br />

wer die Zinsen des Notaranderkontos erhält (S.42ff.), sind<br />

ebenso ungeeignet wie die Frage, wer das Risiko einer Insolvenz<br />

oder eines Auszahlungsfehlers des Notars bzw. der<br />

Bank, bei der Notaranderkonto unterhalten wird, trägt<br />

(S.44ff.). All diese Argumente rechtfertigen es im Ergebnis<br />

nicht, von der grundsätzlichen Regelung des §362<br />

BGB abzuweichen.<br />

Stattdessen schlägt Dornis vor, die vorgenannten Risiken allein<br />

unter dem Blickwinkel des Gefahrenübergangs in den<br />

Griff zu bekommen. Nach Auffassung von Dornis ist deshalb<br />

entgegen der herrschenden Meinung daran festzuhalten,<br />

dass Erfüllung erst mit Auszahlung des Kaufpreises<br />

vom Notaranderkonto eintritt. Der Zeitpunkt des Gefahrübergangs<br />

ist dagegen der Zeitpunkt der Auszahlungsreife.<br />

Im nächsten Kapitel wendet sich der Autor sodann der Frage<br />

der Abtretung und Pfändung des Kaufpreisanspruchs zu<br />

(S.55 bis 78). Im Kern beschäftigt er sich dabei mit dem<br />

Dogma der herrschenden Ansicht, nämlich dem Prinzip<br />

der „Doppelpfändung“ sowie mit der Frage der Beteiligung<br />

des Zessionars bzw. Pfändungsgläubigers am Verwahrungsverhältnis.<br />

Da das Verwahrungsverhältnis bis<br />

zum Eintritt der Auszahlungsvoraussetzungen mehrseitig<br />

ist, könne der Verkäufer bis dahin über seine Ansprüche<br />

aus dem notariellen Verwahrungsverfahren nur im Zusammenhang<br />

mit dem Kaufpreisanspruch verfügen. Insoweit<br />

wird der Zessionar bzw. Pfändungsgläubiger auch Beteiligter<br />

des Verwahrungsverfahrens. Ab Auszahlungsreife handele<br />

es sich seiner Ansicht dagegen nach um einen selbständigen<br />

Anspruch, den der Verkäufer auch isoliert vom<br />

Kaufpreisanspruch abtreten und verpfänden könne. Der<br />

Grundsatz der Doppelpfändung gehe ab diesem Zeitpunkt<br />

fehl (S.62ff.). Die Rechtssicherheit stehe dem nicht entgegen.<br />

Der Käufer könne sich einmal gegenüber dem Zessionar<br />

nach §404 BGB darauf berufen, die Leistungshandlung<br />

bereits erbracht zu haben. Im Übrigen habe der Zessionar<br />

die Möglichkeit einer umfassenden Information<br />

über eine vereinbarte notarielle Verwahrung, §402 BGB.<br />

Deshalb sei es angezeigt, jedenfalls ab Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen<br />

von einem selbständigen, „künftigen“<br />

Anspruch auszugehen. Dieser Anspruch könne dann<br />

auch selbständig übertragen oder gepfändet werden. Ergänzt<br />

werde der Schutz des Zessionars durch die notariellen<br />

Amtspflichten sowie der Möglichkeit einer Benachrichtigung<br />

des Schuldners nach §407 BGB.<br />

Hinsichtlich der Stellung des Notars nach einer solchen<br />

Abtretung oder Pfändung gelangt der Autor zu dem Ergebnis,<br />

dass der Notar nicht Drittschuldner i.S.d. §840 ZPO<br />

sei (S.71f.). Die entsprechenden Informationen erhalte der<br />

Pfändungsgläubiger jedoch aufgrund seiner Stellung als<br />

Beteiligter am notariellen Verwahrungsverfahren. Eine<br />

Drittschuldnerklage sei nicht erforderlich. Gleichermaßen<br />

hält Dornis den Notar nicht berechtigt, bei einem allfälligen<br />

Prätendentenstreit den hinterlegten Kaufpreis beim<br />

Amtsgericht nach §372 BGB zu hinterlegen (S.72ff.).<br />

Dies widerspreche der gesetzlichen Aufgabe des Notars,<br />

die sich gerade im Hinblick auf die Kaufpreisabwicklung<br />

mit der Verwahrung an den Notar gewandt haben. Stattdessen<br />

schlägt er vor, dass der Notar entsprechend §54c<br />

Abs.3 BeurkG eine etwaige Auszahlung zunächst aussetzt,<br />

im Rahmen einer Schlüssigkeitsprüfung der vorgetragenen<br />

Argumente sich für die Auszahlung an den einen oder den<br />

anderen entscheidet und dies mittels notariellem Vorbescheid<br />

unter Hinweis auf eine endgültige Klärung durch<br />

einen Zivilprozess anzukündigen.


408 <strong>NotBZ</strong> <strong>11</strong>/2006<br />

Buchbesprechung<br />

Im vierten Kapitel geht es um die notarielle Verwahrung<br />

bei Insolvenz einer Partei des Kaufvertrages (S.79 bis<br />

104). Eingehend setzt sich der Autor dabei mit der neuen<br />

Rechtsprechung des BGH zur Abkehr der „Erlöschungstheorie“<br />

auseinander (BGH ZIP 2002, 1093 = DNotZ<br />

2002, 648). In verschiedenen Fallgruppen wird die Insolvenz<br />

des Käufers als auch die Insolvenz des Verkäufers<br />

dargestellt und zwar unterschiedlich danach, zu welchem<br />

Zeitpunkt die Insolvenz eintritt, also etwa zwischen Vertragsschluss<br />

und Antrag auf Eintragung im Grundbuch<br />

bzw. zwischen Antragsstellung und Eintragung oder auch<br />

vor und nach Zahlung des Kaufpreises (S.85ff.). Bei den<br />

einzelnen Fallgruppen wird dabei danach differenziert, ob<br />

die Zahlung mit und ohne notarieller Verwahrung erfolgt.<br />

Eingegangen wird dabei namentlich auf die Frage des einseitigen<br />

Widerrufs durch den Insolvenzverwalter nach<br />

§54c Abs.3 BeurkG sowie auf die Frage, ob allfällige Verwahrungsanweisungen<br />

an den Notar wegen §§<strong>11</strong>5, <strong>11</strong>6<br />

InsO unwirksam werden. Nach Auffassung des Autors sei<br />

ein einseitiger Widerruf des Insolvenzverwalters grundsätzlich<br />

unbeachtlich. Auch sollen die Vorschriften der<br />

§§<strong>11</strong>5, <strong>11</strong>6 InsO wegen des öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnisses<br />

auf den Notar nicht anwendbar sein.<br />

Entscheidend sei vielmehr, dass ein einseitiger Widerruf<br />

nach §54c Abs.3 BeurkG stets nur durch den Vertragspartner<br />

des Insolvenzschuldners möglich ist. Allein die Erfüllungsablehnung<br />

durch den Insolvenzverwalter genüge<br />

nicht (S.99ff.). Etwaige Vorleistungen des Gemeinschuldners<br />

können durch die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters<br />

nicht in die Masse zurückgeholt werden (BGHZ<br />

129, 336 [340]). Im Ergebnis kommt der Autor zu dem<br />

Schluss, dass das Insolvenzrisiko beider Vertragsparteien<br />

durch Kaufpreisabwicklung über Notaranderkonto beherrschbar<br />

sei. Dabei bestehe kein Sonderrecht für die Abwicklung<br />

über Notaranderkonto. Vielmehr gelten hierbei<br />

die normalen Vorschriften des Zivilrechts.<br />

Im zweiten großen Teil der Arbeit beschäftigt sich der Autor<br />

schließlich mit der Abwicklung des Grundstückskaufs<br />

bei Beteiligung Dritter, und zwar des Finanzierungsgläubigers<br />

wie auch abzulösender Gläubiger (S.105 bis 150).<br />

Der Schwerpunkt liegt hier zunächst in einer ausführlichen<br />

Darstellung der materiell-rechtlichen Abreden der Beteiligten<br />

untereinander und deren Einfluss auf das Verfahren der<br />

notariellen Verwahrung (S.105 bis 136). Breiten Raum<br />

nimmt insbesondere die Beantwortung der Frage ein, ob es<br />

sich bei den Anweisungen der Finanzierungsgläubiger<br />

oder der ablösenden Gläubiger an den Notar um einseitige<br />

oder mehrseitige Treuhandanweisungen handelt. Ebenso<br />

nachgegangen wird der Frage, welche Rechtsfolgen sich<br />

an einen einseitigen Widerruf anknüpfen, die des §54c<br />

Abs.1 BeurkG oder die des §54c Abs.3 BeurkG<br />

(S.108ff.). Nach Auffassung des Autors gehe es sowohl<br />

im Verhältnis der Vertragsparteien zum Finanzierungsgläubiger<br />

als auch zu den abzulösenden Gläubigern letztlich<br />

um einen Austausch der dinglichen Berechtigung gegen<br />

Zahlung bzw. Sicherstellung der Kaufpreiszahlung. Von<br />

daher nimmt Dornis grundsätzlich ein mehrseitiges Treuhandverhältnis<br />

an (S.122ff.). Die Mehrseitigkeit im Verhältnis<br />

zum Finanzierungsgläubiger beginne dabei ab dem<br />

Zeitpunkt der Erbringung einer Vorleistung (Grundschuldbestellung,<br />

Vormerkung) und ende mit der Auszahlungsreife.<br />

Bezüglich der abzulösenden Gläubiger ende die Mehrseitigkeit<br />

mit der Sicherstellung der Lastenfreistellung.<br />

Im weiteren Verlauf (S.127ff.) beschäftigt sich der Autor<br />

mit der Frage der Befristung von Treuhandverhältnissen<br />

und mit den notariellen Belehrungspflichten. Auch spricht<br />

sich der Autor bei einem einseitigen Widerruf einer Treuhandanweisung<br />

durch einen Finanzierungsgläubiger oder<br />

einen abzulösenden Gläubiger stets für die Anwendung<br />

des §54c Abs.3 BeurkG aus (S.122ff.). Namentlich im<br />

Hinblick auf den Finanzierungsgläubiger sei ein solcher<br />

Widerruf zum einen dann beachtlich, wenn dieser mit der<br />

Unwirksamkeit des Kaufvertrages begründet wird. Zum<br />

anderen müsse der Notar den Widerruf auch dann beachten,<br />

wenn die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages vorgetragen<br />

wird. Bei der Frage der Darlehensvalutierung und<br />

des Gefahrübergangs wie auch im Falle der Insolvenz eines<br />

Bet. knüpft der Autor im Wesentlichen an die bereits im ersten<br />

Teil der Arbeit gemachten Ausführungen an (S.136ff.).<br />

Die Frage der Darlehensvalutierung vergleicht er mit der<br />

Frage der Kaufpreiserfüllung bei Zahlung auf Notaranderkonto.<br />

Gleiches gelte für die Frage der Gefahrtragung. Abgeschlossen<br />

werden die Ausführungen letztlich mit einer<br />

Darstellung der insolvenzrechtlichen Probleme beim finanzierten<br />

Grundstückskauf. Wie in Teil 1 wird dabei im Einzelnen<br />

unterschieden zwischen der Insolvenz der finanzierenden<br />

Bank, der Insolvenz des Käufers und Darlehensnehmers<br />

sowie der Insolvenz des Verkäufers (S.145 bis 150).<br />

Das vorliegende Buch gefällt durch seinen klaren Gedankengang<br />

und seinen strukturierten Aufbau. Die Ausführungen<br />

werden auf das Wesentliche konzentriert. Dies führt allerdings<br />

dazu, dass die Arbeit in manchen Passagen nicht<br />

immer leicht verständlich wirkt (so beispielsweise bei den<br />

Überlegungen zur Abtretung und Pfändung des Kaufpreisanspruchs<br />

sowie insbesondere zur Theorie der Doppelpfändung<br />

(S.62ff.).<br />

Mit den zum Notaranderkonto in Rechtsprechung und Literatur<br />

vertretenen Auffassungen setzt sich der Autor eingehend<br />

auseinander. Bei seinen eigenen Überlegungen<br />

kommt er zu einem ausgewogenen, in sich schlüssigen und<br />

praxistauglichen Ergebnis. Festzustellen ist allerdings, dass<br />

der Autor dabei in vielen Bereichen von der derzeit herrschenden<br />

Ansicht (z.B. bloßer Anspruch auf Amtspflichterfüllung<br />

statt Anspruch auf Auszahlung vom Notaranderkonto;<br />

Erfüllung des Kaufpreisanspruchs erst mit tatsächlicher<br />

Auszahlung statt mit Auszahlungsreife, isolierte<br />

Pfändung des Auszahlungsanspruchs statt Doppelpfändung)<br />

abweicht. Von daher sind seine Ergebnisse für den<br />

Praktiker – jedenfalls derzeit – wohl nicht unmittelbar verwertbar,<br />

da dieser sich im Zweifel eher an die gefestigte<br />

Ansicht in Rechtsprechung und Literatur halten wird. Für<br />

die rechtswissenschaftliche Diskussion enthält das Buch<br />

aber eine Fülle interessanter und diskussionswürdiger Gedankengänge,<br />

mit der sich Rechtsprechung und Literatur<br />

zum Notaranderkonto künftig auseinander setzen müssen.<br />

Besonders erwähnenswert sind die Darstellungen zu den<br />

insolvenzrechtlichen Problemen. Diese sind in den unterschiedlichsten<br />

Fallkonstellationen mit den sich für die Bet.<br />

jeweils ergebenden Konsequenzen präzise dargestellt. Gerade<br />

diese Ausführungen sind es, die dieses Buch für die<br />

notarielle Praxis besonders wertvoll erscheinen lassen. Die<br />

verschiedenen Aufgaben des Notars werden einmal im<br />

Hinblick auf seine Verwahrungstätigkeit bezüglich des Notaranderkontos<br />

sowie zum anderen im Hinblick auf seine<br />

Vollzugstätigkeit gegenüber dem Grundbuchamt vor dem<br />

Hintergrund der Insolvenz eines Vertragsbeteiligten und einer<br />

etwaigen Einflussnahme des Insolvenzverwalters überzeugend<br />

dargestellt.<br />

Notar a.D. Dr. Adolf Reul,Würzburg

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