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Zeitschrift<br />

fürdasgesamteInsolvenzrecht<br />

<strong>ZInsO</strong><br />

Herausgeber:<br />

Hans-Peter Kirchhof, Richter am BGH, Karlsruhe; Dr. Gerhart Kreft,Vors. Richter am BGH, Karlsruhe; Ernst-Dieter Berscheid,<br />

Vors. Richter am LAG, Hamm; Dr. Gerhard Pape, Richter am OLG, Celle; Dipl.-Rpfl. Udo Hintzen, St. Augustin; Professor<br />

Dr. Heribert Hirte, LL. M. (Berkeley), Hamburg; Rechtsanwalt Dr. Manfred Obermüller, Frankfurt/M.; Rechtsanwalt Wolfgang<br />

Wutzke, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Bremen; Rechtsanwalt Dr. Karsten Förster, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Bremen.<br />

Herausgeberbeirat:<br />

Michael Bretz, Creditreform, Neuss; Karlhans Fuchs, Richter am AG, Köln; Rechtsanwalt Dr. Hugo Grote,<br />

Verbraucher-Zentrale NRW, Düsseldorf; Dr. Dietmar Onusseit, Vors. Richter am OLG, Dresden; Mario Thurner,<br />

Center of Legal Competence (CLC); Staatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert.<br />

Schriftleiter:<br />

Professor Dr. iur. Hans Haarmeyer, Bonn; FHS-Koblenz, RheinAhrCampus Remagen.<br />

4. Jahrgang • Dezember Heft 23/2001 Seite I<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>ZInsO</strong>-Beihefter: Insolvenzreport 23/2001<br />

Zur Sache<br />

Rechtsbeschwerden nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt ................................................................ 1073<br />

Richter am BGH Hans-Peter Kirchhof, Karlsruhe<br />

Aufsätze<br />

Folgen der Reform des Zivilprozessrechts für das Insolvenzverfahren .......................................................................... 1074<br />

Richter am OLG Celle Dr. Gerhard Pape, Göttingen<br />

Die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO alte und neue Fassung – eine unendliche Geschichte ......................................... 1082<br />

Rechtsanwalt Dr. Thomas Kluth, Düsseldorf<br />

<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

Die Änderung der §§ 6, 7 InsO zum 1. 1. 2002 durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses .............................. 1087<br />

Richter am AG Ulrich Schmerbach, Insolvenzgericht Göttingen<br />

Die neue Bauabzugssteuer – Haftungsrisiken in der Insolvenz ....................................................................................... 1095<br />

Rechtsanwalt Dr. Herbert Heidland, Köln<br />

<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />

Vollübertragung des Insolvenzverfahrens auf den Rechtspfleger .................................................................................... 1097<br />

Schreiben des BDR (Bund Deutscher Rechtspfleger) v. 8. 4. 2001 an das BMJ<br />

<strong>ZInsO</strong>-<strong>Bücher</strong>- und Zeitschriftenreport<br />

In dieser Rubrik geben wir eine Übersicht über die wichtigsten und interessantesten Veröffentlichungen<br />

aus dem Bereich des Insolvenzrechts .............................................................................................................................................. 1099<br />

Diese Ausgabe enthält u.a. Rezensionen zu folgenden Titeln:<br />

Kai-Jochen Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete; Curt Wolfgang Hergenröder, Schulden ohne Ende oder Ende ohne Schulden?;<br />

Rolf A. Schütze, Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer, insbesondere US-amerikanischer, insolvenzrechtlicher<br />

Entscheidungen in Deutschland


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>ZInsO</strong>-Rechtsprechungsreport<br />

R Entscheidungsreport<br />

R Leitsatzreport<br />

II <strong>ZInsO</strong> 24/2001<br />

<strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell<br />

Dritter Leipziger Insolvenzantrag<br />

Der Leipziger Insolvenzantrag e.V. (ein Zusammenschluss von in Leipzig tätigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzrichtern, Rechtspflegern,<br />

Mitarbeitern von Banken undVertretern der Wissenschaft) unter wissenschaftlicher Mitarbeit des Institutes fürAnwaltsrecht der Juristenfakultät<br />

derUniversität Leipzig (Prof. Dr. Christian Berger; Prof. Dr. Ekkehard Becker-Eberhard) veranstaltet am 11.2.2002 den Dritten<br />

Leipziger Insolvenzrechtstag. Im Mittelpunkt des ganztätigen Symposiums stehen folgende Vorträge und Workshops: (1) „Aktuelle Entwicklungen<br />

des Anfechtungsrechts im Lichte höchstrichterlicher Rechtsprechung“ (Vors. RiBGH Dr. Gerhart Kreft, Karlsruhe; RA Dr.<br />

Mark Zeuner, Hamburg); (2) „Ausgewählte Probleme der Insolvenz natürlicher Personen im Regelinsolvenzverfahren“ (RiAG Dr. Andreas<br />

Schmidt, Hamburg; RA Jens-Sören Schröder, Hamburg); (3) „Grundstücke in der Insolvenz – Chance oder Risiko?“ (Prof. Dr. Dieter Eickmann,<br />

Berlin; Albert Krammer, HypoVereinsbank München; RA, FA für Insolvenzrecht Michael C. Frege, Leipzig). Der Teilnehmerbeitrag<br />

beträgt 350 e,fürAngehörige des öffentlichen Dienstes 25 e. Im Teilnehmerbetrag ist der Tagungsband enthalten. Die Teilnahme wird<br />

auf Wunsch als Fortbildungsveranstaltung gem. § 15 FAO bescheinigt. Informationen bei: Leipziger Insolvenzrechtstag e.V., c/o Prof. Dr.<br />

Christian Berger, Institut für Anwaltsrecht, PSF 100920, 04009 Leipzig; Tel.: 0341/9735310, Fax: 0341/9735319; http://www.insolvenzrechtstag.de.<br />

ZAP-Verlag für die Rechts- und<br />

Anwaltspraxis GmbH & Co.<br />

Postfach 10 19 53, 45619 Recklinghausen<br />

Internet: http://www.zap-verlag.de<br />

Abo-Hotline: (0800) 10 12 523<br />

(kostenlose Servicenummer)<br />

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Kontonummer 1525 00-703<br />

Anzeigenabteilung:<br />

Judith Repnak<br />

Telefon: (0 23 61) 91 42 43<br />

Erscheinungsweise:<br />

2 x monatlich<br />

Schriftleiter: Prof. Dr. iur. Hans Haarmeyer,<br />

Rheinstraße 50 · 53179 Bonn-Bad Godesberg<br />

Telefon: (02 28) 35 94 62<br />

E-Mail: hans.haarmeyer@t-online.de<br />

Redaktionsassistentin: Regina Dick<br />

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Telefon: (0 23 61) 91 42 19<br />

Telefax: (0 23 61) 91 42 35<br />

Bezugspreis (monatlich im Voraus):<br />

DM 45,50 / öS 332,– / sFr 42,–<br />

Preis für das Einzelheft:<br />

DM 45,– / öS 329,– / sFr 41,50<br />

Kündigungsfrist:<br />

4 Wochen zum Quartalsende<br />

Urheber- und Verlagsrechte:<br />

Annahme nur von Originalaufsätzen, die ausschließlich dem Verlag<br />

zur Alleinverwertung in allen Medien angeboten werden. Mit der Annahme<br />

des Manuskripts durch den Verlag überträgt der Autor dem<br />

Verlag für die Dauer von vier Jahren das ausschließliche, danach das<br />

einfache Nutzungsrecht. Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere<br />

auch die Befugnis zur Einspeicherung in Datenbanken sowie zur weiteren<br />

Vervielfältigung im Wege fotomechanischer oder elektronischer<br />

Verfahren, einschl. Disketten, CD-ROM, DVD und Online-Diensten.<br />

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen<br />

sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen<br />

Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages<br />

unzulässig.<br />

Druck: Rademann GmbH, 59348 Lüdinghausen<br />

ISSN 1615-8032


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1073<br />

Zur Sache<br />

Zur Sache<br />

Rechtsbeschwerden nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt<br />

von Richter am BGH Hans-Peter Kirchhof, Karlsruhe<br />

1. Bisher kein Anwaltszwang<br />

Nach § 568 Abs. 2 der z.Zt. noch gültigen Fassung der<br />

ZPO findet gegen die Entscheidung eines Beschwerdegerichts<br />

unter bestimmten Voraussetzungen die weitere<br />

Beschwerde statt. Sie wird gem. § 569 Abs. 1 und Abs. 2<br />

Satz 1 ZPO a.F. regelmäßig durch Einreichung einer<br />

Beschwerdeschrift bei demjenigen Gericht eingelegt,<br />

das die angefochtene Entscheidung erlassen hat.<br />

§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. bestimmt ergänzend, dass<br />

die Beschwerde u.a. dann auch durch Erklärung zu Protokoll<br />

der Geschäftsstelle eingelegt werden kann, wenn<br />

der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess<br />

zu führen ist.<br />

Diese Vorschrift gilt zugleich für die weitere Beschwerde.<br />

Das bedeutet, dass auch für deren Einlegung unter<br />

der bezeichneten weiteren Voraussetzung kein Anwaltszwang<br />

herrscht (§ 78 Abs. 3 ZPO a.F.).<br />

Bedeutung hatten diese Vorschriften insbesondere für<br />

die in § 7 InsO geregelte weitere Beschwerde in Insolvenzverfahren.<br />

Für diese besteht erstinstanzlich kein<br />

Anwaltszwang. Da für sie insoweit keine sonstigen Sonderregeln<br />

aufgestellt sind, gilt aufgrund des § 4InsOder<br />

§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. auch dafür. Es gibt also bisher<br />

keinen Anwaltszwang.<br />

2. Anwaltszwang für neue Rechtsbeschwerde<br />

Das wird sich voraussichtlich ab 1.1.2002 mit dem<br />

In-Kraft-Treten der Neuregelung der ZPO ändern. Eine<br />

„weitere Beschwerde“ gibt es dann nicht mehr. Sie wird<br />

durch die „Rechtsbeschwerde“ ersetzt. Diese ist nach<br />

§ 574 Abs. 1 ZPO n.F. nur statthaft, wenn dies entweder<br />

im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Nr. 1) oder wenn<br />

sie von der Vorinstanz zugelassen worden ist (Nr. 2).<br />

FürbeideFälle setzt § 574 Abs. 2 ZPO n.F. voraus, dass<br />

die Rechtssache entweder grds. Bedeutung hat (Nr. 1)<br />

oder dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung<br />

einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung<br />

des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (Nr. 2).<br />

Unter einer dieser beiden Voraussetzungen hat das Gericht<br />

der Vorinstanz die Rechtsbeschwerde zuzulassen<br />

(§ 574 Abs. 3 ZPO n.F.); ist diese kraft besonderer gesetzlicher<br />

Regelung ohnehin statthaft, so müssen jene<br />

besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen in der obligatorischen<br />

Rechtsbeschwerdebegründung dargelegt werden<br />

(§ 575Abs.3Nr.2ZPOn.F.).<br />

DieneueRechtsbeschwerdeistnachderBegründung<br />

der Bundesregierung zum Zivilprozessreformgesetz bewusst<br />

revisionsähnlich ausgestaltet. Nach § 575 Abs. 1<br />

Satz 1 ZPO n.F. ist sie durch Einreichen einer Beschwerdeschrift<br />

bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen;<br />

dies ist gem. § 133 GVG n.F. der BGH.<br />

Die für die bisherige weitere Beschwerde vorgesehene<br />

Möglichkeit der Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle<br />

entfällt für die Rechtsbeschwerde. Dies hat nach<br />

§ 78 Abs. 1 ZPO zur Folge, dass sich die Parteien durch<br />

einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten<br />

lassen müssen.<br />

Eine vergleichbare Regelung gab es bisher schon mit der<br />

Rechtsbeschwerde gem. § 18 AVAG a.F. (§ 16 AVAG<br />

n.F.), die in gleicher Weise einzulegen war. Dafürhatder<br />

BGH in st. Rspr. angenommen, dass sie nur durch einen<br />

beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt wirksam eingelegt<br />

werden konnte; 1 dies war in der amtlichen Begründung<br />

zu § 18 AVAG a.F. ausdrücklich so vorgesehen.<br />

Die Beteiligung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts<br />

entspricht auch dem alleinigen Zweck der jetzt<br />

allgemein eingeführten Rechtsbeschwerde, nämlich<br />

Rechtsfragen von grds. Bedeutung klärenzulassenoder<br />

zur Rechtsfortbildung oder -vereinheitlichung beizutragen.<br />

3. Besonderheit für Insolvenzverfahren<br />

Besondere Bedeutung erlangt diese Regelung in Insolvenzverfahren.<br />

Denn nach § 7 InsO n.F. findet die<br />

Rechtsbeschwerde allgemein gegen Beschwerdeentscheidungen<br />

in Insolvenzsachen statt. Das Rechtsmittel<br />

muss also nicht, wie in den meisten anderen Bereichen,<br />

besonders zugelassen werden. Hier stellt sich für den<br />

Rechtsanwalt, der die Rechtsbeschwerde einlegt, in jedem<br />

Einzelfall die Aufgabe, entweder die grds. Bedeutung<br />

der Rechtssache oder das Erfordernis der Rechtsfortbildung<br />

oder der Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung darzulegen.<br />

In dieser Hinsicht könnten kraft der besonderen Formalisierung<br />

strengere Anforderungen zu stellen sein als bisher<br />

auf der Grundlage des § 7Abs.1InsOa.F.Die<br />

Begründung einer Rechtsbeschwerde wird künftig mindestens<br />

eine Darstellung der als entscheidungserheblich<br />

zu klärenden insolvenzrechtlichen Frage und ihrer über<br />

den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung voraussetzen.<br />

1 BGH, NJW-RR 1994, 320.


Aufsätze<br />

Aufsätze<br />

1074 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

Folgen der Reform des Zivilprozessrechts für das Insolvenzverfahren<br />

– Bemerkungen zu den wichtigsten Änderungen für die Prozesspraxis<br />

von Richter am OLG Celle Dr. Gerhard Pape, Göttingen<br />

Die Reform der ZPO 1 tritt in ihren wesentlichen Inhalten<br />

zum 1.1.2002 in Kraft. 2 Die ungeliebte Reform, über<br />

deren Für und Wider hier nicht weiter gestritten werden<br />

soll, kann spätestens nach dem Jahreswechsel 2001/<br />

2002 nicht mehr ignoriert werden. Aus der Sicht der insolvenzrechtlichen<br />

Praxis stellt sie nach dem InsOÄndG<br />

2001 3 die wichtigste Rechtsänderung zum Jahreswechsel<br />

dar, 4 sieht man einmal von dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz<br />

ab, dessen Auswirkungen auf die insolvenzrechtliche<br />

Praxis sich allerdings erst allmählich<br />

zeigen werden und nicht abrupt zum 1.1.2002 eintreten.<br />

Die besondere Bedeutung des ZPO-Reformgesetzes für<br />

die insolvenzrechtliche Praxis ergibt sich zum einen aus<br />

der Tatsache, dass vielfach Rechtsstreitigkeiten erforderlich<br />

sind, um Gegenstände der Insolvenzmasse zu<br />

realisieren und ebenso häufig vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung<br />

begonnene Prozesse noch zu Ende geführt<br />

werden müssen. Zum anderen folgt die Bedeutung<br />

des Zivilprozessrechts aus der Anwendung der Vorschriften<br />

der ZPO auf das Beschwerdeverfahren im Insolvenzrecht,<br />

die es für die Beteiligten unerlässlich<br />

macht, sich detaillierte Kenntnisse des neuen Beschwerderechts<br />

anzueignen. 5<br />

Ziel der nachfolgenden Ausführungen soll es nicht sein,<br />

dem Leser einen Gesamtüberblick über die Vorschriften<br />

des ZPO-Reformgesetzes zu verschaffen. 6 Beabsichtigt<br />

ist vielmehr, auf Auswirkungen hinzuweisen, die sich<br />

aus den grundlegenden Änderungen des Verfahrens<br />

nach der ZPO für die Insolvenzrechtspraxis und die<br />

Führung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang<br />

mit der Abwicklung von Insolvenzverfahren ergeben.<br />

Dabei sollen insbesondere solche Punkte angesprochen<br />

werden, die für die beteiligten Verfahrensbevollmächtigten<br />

und Insolvenzverwalter zu haftungsrechtlichen<br />

Schwierigkeiten führen können und regressträchtig<br />

sind. Zugleich soll auf einige prozessuale Probleme aufmerksam<br />

gemacht werden, die auf der gesamten Praxis<br />

nach In-Kraft-Treten des ZPO-Reformgesetzes lasten<br />

werden.<br />

I. Das erstinstanzliche Verfahren nach<br />

dem ZPO-RG<br />

Soweit das Reformgesetz Änderungen der allgemeinen<br />

Vorschriften und Neuregelungen für das erstinstanzliche<br />

Verfahren enthält, sind diese zumindest auf den ersten<br />

Blick nicht so gravierend, wie man es nach der Diskussion<br />

des Gesetzes hätte erwarten können. 7 Die Änderungen<br />

im Bereich der allgemeinen Vorschriften bewegen<br />

sich im Wesentlichen im Rahmen der Anpassung des Gesetzes<br />

an die bisherige Praxis oder stellen überwiegend<br />

kleinere Eingriffe dar. 8<br />

1. Substanzielle Änderungen der allgemeinen<br />

Vorschriften mit Auswirkungen auf die<br />

Prozesspraxis<br />

Erwähnenswert im Hinblick auf Prozessführungen des<br />

Insolvenzverwalters ist in diesem Abschnitt zunächst die<br />

Änderung des § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO, mit der für das<br />

Beschwerdeverfahren in PKH-Sachen eine Notfrist von<br />

einem Monat zur Einlegung der sofortigen Beschwerde<br />

eingeführt wird. Diese Vorschrift ist Folge der Umgestaltung<br />

sämtlicher bisherigen einfachen Beschwerden in sofortige<br />

Beschwerden im Rahmen des ZPO-RG. 9 Da es eine<br />

einfache Beschwerde ohne Befristung nicht mehr gibt,<br />

muss auch die sofortige Beschwerde gegen die Versagung<br />

von PKH innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden.<br />

Abweichend von der allgemeinen Regelung des<br />

§ 569Abs.1Satz1ZPObeträgt die Notfrist bei Beschwerden<br />

in PKH-Verfahren allerdings nicht zwei Wochen,<br />

sondern einen Monat.<br />

Als weitere Regelung10 ist hier die Neufassung des § 139<br />

ZPO zu erwähnen, in der die Hinweispflichten des Gerichts<br />

präzisiert werden. Zwar stellt die Vorschrift letztlich<br />

nur eine Zusammenfassung der früher verstreut in<br />

der ZPO geregelten Hinweispflichten des Gerichtes dar.<br />

Wichtig ist aber die in § 139 Abs. 4 ZPO enthaltene<br />

Pflicht zur möglichst frühzeitigen Erteilung von Hinweisen<br />

und die dort ebenfalls niedergelegte Dokumentationspflicht<br />

sowie der nach § 139 Abs. 5 ZPO zu gewährende<br />

Schriftsatznachlass bei der fehlenden Möglichkeit, auf<br />

einen Hinweis sofort zu reagieren. Diese Vorschriften<br />

führen zwar nicht zu Änderungen, soweit Gerichte bisher<br />

1 Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 – Zivilprozessreformgesetz<br />

– ZPO-RG, BGBl. I 2001, S. 1887 ff.<br />

2 Vgl. zu den Übergangsregelungen Schneider, ZAP Fach 13, S. 1095 f.<br />

3 Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze v.<br />

26.10.2001 (BGBl. I 2001, S. 2710 ff.).<br />

4 Vgl. zu diesem Gesetz G. Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 587 ff.; Vallender, NZI 2001,<br />

561 ff.; Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, 11. Lfg. 11/2001, §§ 4a ff.;<br />

§§ 286 ff.<br />

5 Zu den Auswirkungen der Änderungen des zivilprozessualen Beschwerdeverfahrens<br />

auf insolvenzrechtliche Beschwerden bereits ausführlich I. Pape,<br />

NZI 2001, 516 ff.; hierzu ferner der Beitrag von Schmerbach, <strong>ZInsO</strong> 2001,<br />

1087 ff. (in diesem Heft).<br />

6 Insoweit wird auf die Darstellungen von Hartmann, NJW 2001, 2577 und<br />

Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff. verwiesen.<br />

7 Informativ hierzu insbesondere auch die synoptische Darstellung der Änderungen,<br />

abgedruckt in NJW-Beilage zu Heft 36/2001, S. 5 ff., aus der sich nur<br />

wenige substanzielle Änderungen für diesen Teil der InsO ergeben; vgl. zu<br />

diesem Teil des Änderungsgesetzes i.Ü. auch Schellhammer, MDR 2001,<br />

1081 ff.<br />

8 Dies mag etwa für § 45 ZPO (in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung – dies gilt<br />

gleichzeitig für sämtliche nachfolgend in dem Beitrag zitierten Vorschriften<br />

der ZPO, falls nichts anderes vermerkt ist), § 91a Abs. 2 ZPO, § 108 Abs. 1<br />

ZPO und § 127 Abs. 2 ZPO gelten.<br />

9 Dazu I. Pape, NZI 2001, 516, 517.<br />

10 Auf die in § 128a ZPO eingeführte Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung<br />

mittels Videoübertragung braucht hier nicht eingegangen zu werden,<br />

weil völlig ungeklärt ist, wann, wie und wo die technischen Voraussetzungen<br />

für solche Verhandlungen geschaffen werden sollen.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1075<br />

Aufsätze<br />

schon schriftliche Hinweise im Vorfeld der mündlichen<br />

Verhandlung erteilt und das Verfahren damit frühzeitig<br />

gefördert haben. Insoweit war auch die Dokumentationspflicht<br />

erfüllt, weil der Hinweis bereits aus der Verfügung<br />

zu entnehmen war. Massive Änderungen ergeben sich<br />

aber für die bislang relativ häufig zu beobachtende Praxis,<br />

rechtliche Hinweise erst in der abschließenden mündlichen<br />

Verhandlung zu geben, in der praktisch keine Möglichkeit<br />

mehr bestand, auf diese Hinweise zu reagieren.<br />

Eine solche Praxis wird durch die Verpflichtung zum<br />

Schriftsatznachlass ausgeschlossen. Ist eine Partei aufgrund<br />

der verspäteten Hinweiserteilung nicht in der Lage,<br />

darauf noch in der mündlichen Verhandlung zu reagieren,<br />

hat das Gericht nach der Neufassung des § 156 Abs. 2<br />

Nr. 1 InsO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung<br />

zu beschließen und das Verfahren fortzusetzen. Unterlässt<br />

das Gericht eine solche Wiedereröffnung, obwohl<br />

auf den verspätet erteilten Hinweis neues erhebliches<br />

Vorbringen gekommen ist, bestehen begründete Aussichten,<br />

dass eine Berufung nicht an § 522 Abs. 2 ZPO scheitert<br />

11 und das Vorbringen im Berufungsverfahren trotz<br />

der Beschränkungen der §§ 520, 531 ZPO zu berücksichtigen<br />

ist. Insoweit ist verstärkt darauf zu achten, dass Hinweise<br />

des Gerichts aufgenommen und dazu vorgetragen<br />

wird.<br />

Insgesamt muss im erstinstanzlichen Verfahren zukünftig<br />

beachtet werden, dass die Beschränkungen des Berufungsrechts<br />

12 reflexartig in das erstinstanzliche Verfahren<br />

zurückwirken und das Maß des Vorbringens in erster Instanz<br />

mitbestimmen. Da eine Chance, mit neuem tatsächlichen<br />

Vorbringen in zweiter Instanz durchzudringen, praktisch<br />

nur noch besteht, wenn die Partei entweder den Vortrag<br />

in erster Instanz nicht halten konnte, weil sie ihn ohne<br />

ihr Verschulden nicht kannte, oder das erstinstanzliche<br />

Gericht den Vortrag verfahrenswidrig übergangen hat,<br />

gibt es für taktische Überlegungen im Zivilprozess, die allerdings<br />

auch bisher schon fragwürdig waren, wenn man<br />

an § 97 Abs. 2 ZPO denkt, gar keinen Raum mehr. Die<br />

teilweise noch festzustellenden Sachverhaltsergänzungen<br />

und -präzisierungen in zweiter Instanz – unterstellt, es<br />

handelt sich um wahren Vortrag, der nicht nur aus der Not<br />

der Prozesslage heraus geboren ist – stellen zukünftig das<br />

größte Haftungs- und Regressrisiko für den Prozessbevollmächtigten<br />

dar. Insbesondere der Insolvenzverwalter,<br />

der auf eine sparsame Verwendung der Mittel der Masse<br />

für Prozessführungen bedacht sein muss und der den<br />

Gläubigern für eine ordnungsgemäße Prozessführung<br />

haftet, hat alles zu tun, um in erster Instanz vollständig<br />

und richtig vorzutragen, damit nicht die scharfen Präklusionsvorschriften<br />

der neuen ZPO für das zweitinstanzliche<br />

Verfahren eingreifen. Konnten die Parteien bisher<br />

noch darauf hoffen, bei Ergänzung desVortrags in zweiter<br />

Instanz mit dem neuen Vorbringen gehört zu werden,<br />

zeigt heute ein Blick auf die §§ 520, 522, 531 ZPO, dass<br />

auch ohne die Verspätungsvorschrift des § 530 ZPO die<br />

Berücksichtigung neuen Vortrags erheblich schwieriger<br />

geworden ist. Grds. hat das Berufungsgericht nur den von<br />

der ersten Instanz festgestellten Sachverhalt zu prüfen,<br />

wie sich aus § 529 ZPO ergibt. All dies führt zu einer<br />

massiven Verschärfung der Anforderungen an Qualität<br />

und Intensität des Vortrags in erster Instanz, die schon<br />

ohne Berücksichtigung der verstärkten Hinweispflicht<br />

des Gerichts eingetreten ist; werden Hinweise nach § 139<br />

ZPO erteilt, müssen die Parteien alles tun, um darauf<br />

sachgerecht und vollständigzureagieren.DasGerichtist<br />

allerdings auch verpflichtet, neuen Vortrag aufzugreifen<br />

und zum Gegenstand seiner Verhandlungen zu machen.<br />

Weitere Änderungen, die insbesondere auch für denInsolvenzverwalter<br />

bedeutsam sein können, ergeben sich<br />

aus den §§ 142, 144 ZPO bzgl. der Urkundenvorlage<br />

durch Dritte. Nach diesen Vorschriften können zukünftig<br />

am Verfahren nicht beteiligte Dritte zur Vorlage von Urkunden<br />

verpflichtet werden, deren Inhalt fürdenRechtsstreit<br />

von Bedeutung ist. Diese Möglichkeit der Beweisführung13<br />

kann gerade bei einer im Insolvenzverfahren<br />

typischerweise ungeordneten und unvollständigenAktenführung<br />

helfen, notwendige Urkunden in den Prozess einzuführen.<br />

Unklar und noch völlig offen ist allerdings, wie<br />

die Frage der „Zumutbarkeit“ beurteilt werden wird.<br />

Durch dieses Merkmal kann die Vorschrift deshalb sehr<br />

leicht entwertet werden, wenn die Vorlage durch Dritte<br />

schon bei geringfügigen Beeinträchtigungen durch die<br />

Vorlage als unzumutbar angesehen wird. Zu der Einbeziehung<br />

Dritter in den Rechtsstreit im Rahmen von Beweiserhebungen<br />

sind in diesem Zusammenhang auch die<br />

Vorschriften über die Anordnung der Urkundenvorlage<br />

und der Vorlage von Augenscheinsobjekten durch Dritte<br />

in § 371 und in § 428 InsO zu zählen.<br />

2. Änderungen des ZPO-RG betreffend das Verfahren<br />

im ersten Rechtszug<br />

Auch die Auswirkungen der ZPO-Reform auf das erstinstanzliche<br />

Verfahren, soweit sie Rechtsstreitigkeiten im<br />

Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren betreffen<br />

könnten, halten sich – abgesehen von den bereits erörterten<br />

erhöhten Anforderungen an die Darlegungen der Parteien<br />

– in Grenzen. So kann etwa nach § 269Abs. 2 Satz 3<br />

ZPO die Klagerücknahme unter vereinfachten Bedingungen<br />

erfolgen und bei Wegfall des Grundes zur Klageerhebung<br />

zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit sind<br />

nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht mehr verzwickte<br />

juristische Konstruktionen gefragt, um zu der Möglichkeit<br />

zu kommen, eine Kostenentscheidung zu treffen, die<br />

dem bisherigen Sach- und Streitstand entspricht. Die obligatorische<br />

Güteverhandlung in § 278 ZPO 14 kann nach<br />

§ 278 Abs. 2 Satz 1 3. Alt. ZPO unterbleiben, wenn sie<br />

erkennbar aussichtslos erscheint. Diese Feststellung kann<br />

etwa dann getroffen werden, wenn das Gericht schon im<br />

Vorfeld der mündlichen Verhandlung einen schriftlichen<br />

Einigungsversuch unternommen hat, der regelmäßig<br />

mehr Aussicht auf Erfolg verspricht, als ein Güteversuch<br />

in der mündlichenVerhandlung, der von den Parteien aber<br />

bereits abgelehnt worden ist. Soweit die Anordnung des<br />

persönlichen Erscheinens zwecks Durchführung eines<br />

Güteversuchs erfolgt, kommt auch eine Vertretung durch<br />

11 Dazu nachfolgend II. 1.<br />

12 Dazu unten II.<br />

13 Dazu auch Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1066.<br />

14 Dazu Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1072 f.


Aufsätze<br />

einen zum Vergleichsabschluss ermächtigten Bevollmächtigten<br />

– dies kann auch der Prozessbevollmächtigte<br />

sein – in Betracht, so dass eine übermäßige Inanspruchnahme<br />

durch Gerichtstermine, die keine Zeit für andere<br />

Aufgaben bei der Abwicklung von Insolvenzverfahren<br />

mehr lässt, nicht zu befürchten ist. Nur sehr beschränkte<br />

Auswirkungen hat auch die neue Vorschrift über die Fortsetzung<br />

des erstinstanzlichen Verfahrens bei Rüge der<br />

Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in unanfechtbaren<br />

Sachen (§ 321a ZPO). Der Anwendungsbereich<br />

dieser Vorschrift15 wird bereits durch die Senkung<br />

der Berufungsgrenze auf 600 e in § 511Abs.2Nr.1ZPO<br />

erheblich eingeschränkt. Da Prozessführungen unterhalb<br />

dieser Grenze wirtschaftlich kaum einen Sinn ergeben<br />

und die Belastung durch das Verfahren i.d.R. höher ist, als<br />

dessen materieller Gewinn, dürfte auch diese Bestimmung<br />

im Zusammenhang mit Prozessführungen des<br />

Insolvenzverwalters kaum eine nennenswerte Bedeutung<br />

erlangen.<br />

Relativ umfangreich und teilweise sehr kompliziert sind<br />

zwar die Vorschriften über die Einführung eines originären<br />

und eines obligatorischen Einzelrichters in den<br />

§§ 348, 348a ZPO. 16 Gegen die mit diesen Neuregelungen<br />

verbundene Aufgabe des Kammerprinzips können<br />

sich die Parteien aber durch den übereinstimmenden Antrag<br />

zur Wehr setzen, die Sache auf die Kammer zu übertragen,<br />

sofern sie sich als besonders schwierig und aufwändig<br />

erweist. I.Ü. kannabervomVerfasseraufgrund<br />

einer mehr als 10-jährigen Tätigkeit als Berufungsrichter<br />

am LG und OLG auch nicht ohne weiteres festgestellt<br />

werden, dass Einzelrichterentscheidungen generell<br />

schlechter sein müssen als Kammerentscheidungen.<br />

Zwar erschwert die Einzelrichtertätigkeit die Entscheidungsfindung<br />

in umfangreichen und komplizierten Sachen<br />

erheblich, weil regelmäßig Ansprechpartner fehlen,<br />

mit denen die Sache diskutiert werden kann; dass dies<br />

zwingend auf die Qualität der Entscheidungen durchschlagen<br />

muss, ist aber nicht ohne weiteres belegbar.<br />

II. Wesentliche Änderungen im Berufungsrecht<br />

Die gravierendsten Einschnitte der neuen ZPO sind im<br />

Berufungsrecht zu finden, das von seine bisherigen Funktion<br />

als zweite Tatsacheninstanz zu einer Zwitterfunktion<br />

zwischen Tatsachen- und Rechtsinstanz mutiert ist. 17<br />

Diese Schaffung einer Chimäre des Prozessrechts dürfte<br />

für alle Beteiligten die größten Probleme mit der Reform<br />

bereiten. Für die Parteien ist praktisch nicht mehr berechenbar<br />

und vorhersehbar, ob ihre Rechtsmittel überhaupt<br />

noch zulässig sind oder ob sie bereits im Zurückweisungsverfahren<br />

nach § 522 Abs. 2 ZPO scheitern. Für<br />

die Berufungsgerichte sind die Kriterien, nach denen im<br />

Berufungsverfahren geurteilt werden soll, aufgrund der<br />

Vielzahl derVorschriften, in denen dieseVoraussetzungen<br />

geregelt sind und der unbestimmten Rechtsbegriffe, die<br />

dabei verwendet werden, nur noch unter großen Schwierigkeiten<br />

herauszufinden. 18 War es bislang der klare Auftrag<br />

an die Berufungsinstanz, nicht nur die Rechtsanwendung<br />

zu überprüfen, sondern auch die Tatsachenfeststellung<br />

zu kontrollieren, liegt die zukünftigeAufgabe der<br />

1076 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

Berufungsgerichte noch im Nebel. Eine Tatsachenfeststellung<br />

soll zwar auch weiterhin stattfinden, dies aber<br />

nur, wenn die erste Instanz bei ihrer Feststellung des<br />

Sachverhalts versagt hat oder die Parteien ohne ihr Zutun<br />

gehindert waren, dem Gericht schon in erster Instanz den<br />

vollständigen Streitstoff zu unterbreiten. Dies führt zu<br />

Unsicherheiten, die voraussichtlich erst in einem langwierigen<br />

Prozess abgebaut werden können.<br />

1. Einführung der einstimmigen Beschlusszurückweisung<br />

Kritischster Punkt des neuen Berufungsrechts ist naturgemäß<br />

die in § 522Abs. 2 ZPO eingeführte Möglichkeit der<br />

Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss,<br />

wenn der Senat oder die Berufungskammer davon<br />

überzeugt sind, dass die Berufung wederAussicht auf<br />

Erfolg noch grds. Bedeutung hat und auch eine Durchführung<br />

des Berufungsverfahrens zur Fortbildung des<br />

Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

nicht erforderlich ist. Diese Regelung, bei der keine<br />

Anfechtung des Verwerfungsbeschlusses vorgesehen<br />

ist (§ 522 Abs. 3 ZPO) und auch ein § 321a ZPO entsprechendes<br />

Abhilfeverfahren nicht stattfindet, hat schon im<br />

Vorfeld des In-Kraft-Tretens des ZPO-RG erhebliches<br />

Unbehagen hervorgerufen. 19 In der Praxis ist zwar vielfach<br />

noch zu hören, dass man von dieser Vorschrift keinen<br />

Gebrauch machen wolle und auch weiterhin regelmäßig<br />

mündliche Verhandlung anberaumen werde. Bei diesen<br />

Äußerungen bleibt aber unberücksichtigt, dass es sich bei<br />

§ 522 Abs. 2 ZPO um eine zwingende Vorschrift handelt,<br />

die nicht ohne weiteres übergangen werden kann. 20 Ungeachtet<br />

der Vorbehalte, die man gegen die Regelung haben<br />

mag, sind auch die Interessen des Berufungsgegners<br />

zu beachten, der einen Anspruch auf eine unverzügliche<br />

Zurückweisung der Berufung hat, wenn diese keine Aussicht<br />

auf Erfolgt hat. Soweit den Berufungsgerichten von<br />

Anwaltsseite schon jetzt die Gefahr des Missbrauchs der<br />

Vorschrift unterstellt wird, 21 und sogar Zweifel daran laut<br />

werden, ob die Zurückweisung durch Beschluss immer<br />

auf einer einstimmigen Entscheidung des Gerichts beruht,<br />

ist dem der gegenwärtig betriebene Missbrauch mit<br />

den Verzögerungsmöglichkeiten des Berufungsverfahrens,<br />

den Parteien und Rechtsanwälte betreiben, entgegenzuhalten.<br />

So gehört es zur täglichen Praxis des Verfassers,<br />

dass auf mehrseitige, ausführlich begründete Hinweise<br />

auf die Aussichtslosigkeit der Berufung allenfalls<br />

mit der Floskel reagiert wird, dass die Partei – i.d.R. trotz<br />

Unanfechtbarkeit der Entscheidung – ein Urteil wolle,<br />

sofern überhaupt eine Reaktion auf die regelmäßig sehr<br />

15 Dazu auch Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1073 ff.<br />

16 Dazu Schellhammer, MDR 2001, 1081 ff., 1083 f.<br />

17 Dies gilt für die Berufungskammern bei den LG genauso, dort bleibt allerdings<br />

die exakte Standortbestimmung nur insoweit erhalten, als sich die<br />

Funktion der erstinstanzlichen Zivilkammern nicht ändert.<br />

18 S. dazu insbesondere Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff.<br />

19 S. Hirtz, MDR 2001, 1265 ff.; Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1147;<br />

Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1163 ff., 1084 ff., der zutreffend darauf<br />

hinweist, dass der Mandant zukünftig auch über das Risiko der Zurückweisung<br />

der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO beraten werden muss.<br />

20 So wohl auch Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1084, demzufolge<br />

die Regelung als „Muss“-Vorschrift anzusehen ist.<br />

21 S. Hirtz, MDR 2001, 1265 ff.; Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1085 f.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1077<br />

Aufsätze<br />

frühzeitig nach Eingang der Berufungserwiderung erteilten<br />

Hinweise erfolgt. Die Behauptung, offensichtlich unbegründete<br />

Berufungen könnten ohne großen Zeitaufwand<br />

dadurch erledigt werden, dass in der mündlichen<br />

Verhandlung das Rechtsmittel zurückgenommen<br />

werde, 22 entbehrt nach den Erfahrungen des Verfassers in<br />

einer fünfjährigen Tätigkeit als Berufungsrichter in Zivilsachen<br />

am OLG jeder tatsächlichen Grundlage. Rücknahmen<br />

des Rechtsmittels bei Hinweisen auf die Aussichtslosigkeit<br />

der Berufung in der mündlichen Verhandlung<br />

gibt es in der Praxis ebenso wenig, wie auf entsprechende<br />

schriftliche Hinweise auch nicht etwa durch Rücknahmen,<br />

sondern – wenn überhaupt – vielmehr durch neues<br />

oder geändertes tatsächliches Vorbringen reagiert wird,<br />

das merkwürdigerweise in erster Instanz noch nicht einmal<br />

angeklungen ist.<br />

Unbeschadet der Spekulationen über den Prozentsatz, die<br />

nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesene Berufungen zukünftig<br />

ausmachen werden, 23 sollte sich die Praxis darauf<br />

einrichten, dass es in aussichtslosen Sachen auch Zurückweisungen<br />

durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO geben<br />

wird. Dabei wird die Einstimmigkeit des Zurückweisungsbeschlusses<br />

schon durch die Unterschrift der Richter<br />

dokumentiert, so dass Spekulationen über die in<br />

Wahrheit fehlende Einstimmigkeit ebenso unangebracht<br />

sind, 24 wie auch die möglicherweise fehlende Beratung<br />

des Hinweises auf die Aussichtslosigkeit, der der Verwerfung<br />

nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorauszugehen hat,<br />

nichts weiter als eine böswillige Unterstellung ist. Dass<br />

den Parteien tatsächlich damit gedient ist, eine aussichtslose<br />

Berufung bis zum Termin durchzuschleppen und damit<br />

gleichzeitig dem Gegner des Berufungsführers die<br />

Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung zu versagen,<br />

dürfte kaum festzustellen sein. Insbesondere von Insolvenzverwaltern,<br />

die gehalten sind, Mittel der Masse<br />

nicht unnötig zu verprozessieren, muss erwartet werden,<br />

dass sie sich vor der Einlegung eines Rechtsmittels mit<br />

der Zurückweisungsmöglichkeit des § 522 Abs. 2 ZPO<br />

auseinandergesetzt und die Erfolgsaussichten auch im<br />

Hinblick auf dieseVorschrift geprüft haben.Auf der anderen<br />

Seite darf von Verwaltern auch mit Recht erwartet<br />

werden, dass bei obsiegenden erstinstanzlichen Urteilen<br />

zugunsten der Insolvenzmasse die Berufung des Gegners<br />

zurückgewiesen wird, wenn sie von vorn herein aussichtslos<br />

ist.<br />

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den Wortlaut<br />

des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, der nur fehlende<br />

Erfolgsaussicht, nicht aber „offensichtliche Aussichtslosigkeit“<br />

voraussetzt. Der bei manchen Stimmen bereits<br />

anklingenden Einschränkung der Zurückweisung der Berufung<br />

durch Beschluss auf besonders handgreifliche<br />

Formen der Aussichtslosigkeit fehlt deshalb auch die entsprechende<br />

gesetzliche Grundlage. Aussichtslos ist die<br />

Berufung dann, wenn – sieht man einmal von den Fällen<br />

des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO ab – der Berufungsführer<br />

in der Berufungsbegründung keine Gründe<br />

vorgetragen hat, die einen der Fälle des § 520 Abs. 3<br />

Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO ausfüllen. Gem. § 523 Abs. 1<br />

Satz 2 ZPO ist erst nach der Entscheidung über die Zulässigkeit<br />

der Berufung und den Zurückweisungsbeschluss<br />

die Sache zu terminieren; 25 die Vorstellung, das Berufungsgericht<br />

könne sich der Prüfung der Zurückweisung<br />

der Berufung durch Beschluss – etwa durch eine schnelle<br />

Terminierung – entziehen, ist deshalb mit dem Gesetz unvereinbar.<br />

Wenn das Berufungsgericht die Sache terminiert,<br />

müssen die Parteien daraus den Schluss ziehen können,<br />

dass in der Berufungsbegründung erhebliche Gründe<br />

i.S.d. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 – 4ZPOvorgetragenworden<br />

sind. Eine spätere Entscheidung, die nicht erkennen<br />

lässt, dass das Berufungsgericht von einer erheblichen<br />

Rechtsverletzung des erstinstanzlichen Urteils, einer unvollständigen<br />

Tatsachenfeststellung oder zulässigen neuen<br />

Angriffs- und Verteidigungsmitteln ausgegangen ist,<br />

würde mit der Neuordnung des Berufungsrechts nicht in<br />

Einklang stehen und die Parteien überraschen. Sie würde<br />

insbesondere auch unnötige weitere Kosten verursachen,<br />

die letztlich der Berufungsführer zu tragen hätte. All dies<br />

verbietet es, die neu eingeführte Möglichkeit des § 522<br />

Abs. 2 ZPO mit dem mancherorts zu hörenden: „Weiter<br />

wie bisher!“, zu quittieren. Die Möglichkeit der Zurückweisung<br />

einer aussichtslosen Berufung durch einstimmigen<br />

Beschluss ist nicht nur eine „elegante und nicht<br />

sehr anstrengende Art und Weise, kurzen Prozess“ zu machen.<br />

26 Sie ist vielmehr auch Verpflichtung des Berufungsgerichts<br />

zur Zulässigkeitsprüfung, der sich das Gericht<br />

nicht durch eine unsorgfältige Prüfung der Berufungsbegründung<br />

im Hinblick auf § 520 Abs. 3 Satz 2<br />

Nr. 2–4 ZPO entziehen darf. Andernfalls müsste man<br />

sagen, dass auch die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen,<br />

etwa der fristgemäßen Einlegung und Begründung<br />

der Berufung sekundäre Pflichten sind, die von Fall<br />

zu Fall auch vernachlässigt werden können. Dass eine<br />

solche Einstellung nur auf Unverständnis stoßen kann,<br />

liegt auf der Hand. Die Auffassung, § 522 Abs. 2 InsO<br />

nicht ernst nehmen zu müssen und die Zahl der durch Beschluss<br />

zurückzuweisenden Berufungen von einer bestimmten<br />

Quote abhängig machen zu können, ist ebenso<br />

verfehlt. Richterliche Tätigkeit kann sich nicht an quotalen<br />

Vorgaben orientieren, sondern nur an den zur Entscheidung<br />

anstehenden Sachen.<br />

2. Voraussetzungen der Berufungseinlegung nach<br />

dem ZPO-RG<br />

Die Berufung ist auch weiterhin gegen Endurteile der<br />

ersten Instanz statthaft, wobei gem. § 511 Abs. 2 ZPO die<br />

Mindestbeschwer auf 600 e abgesenkt worden ist und<br />

daneben auch noch eine nicht an einen bestimmten Wert<br />

gebundene Berufung bei Zulassung des Rechtsmittels<br />

durch die erste Instanz in Betracht kommt. 27 Die Berufungseinlegungsfrist<br />

beträgt auch weiterhin einen Monat<br />

ab Zustellung des vollständig abgefassten Urteils (§ 517<br />

ZPO). Geändert ist dagegen die Berufungsbegründungsfrist;<br />

diese beträgt zukünftig gem. § 520 Abs. 2 ZPO<br />

22 So Hirtz, MDR 2001, 1265 ff., 1267.<br />

23 Dazu Hirtz, MDR 2001, 1265 ff., 1268.<br />

24 So aber Schneider, ZAP 2001 Fach 13, S. 1063 ff., 1085.<br />

25 Auf die in § 523 Abs. 1 Satz 1 InsO geregelte Prüfung der Frage, ob die Sache<br />

dem Einzelrichter übertragen werden soll (§§ 526, 527 ZPO), soll hier nicht<br />

näher eingegangen werden.<br />

26 So Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1147.<br />

27 Zu den Einzelheiten Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1142.


Aufsätze<br />

zwei Monate ab Zustellung des vollständig abgefassten<br />

Urteils und kann ohne Einwilligung des Gegners nur<br />

noch einmal um bis zu einem Monat verlängert werden,<br />

wenn dadurch der Rechtsstreit nicht verzögert wird. Weitergehende<br />

Verlängerungen sind nach der Neufassung des<br />

§ 520Abs. 2 ZPO nur noch mit Einwilligung des Gegners<br />

möglich.<br />

Herzstück der Reform sind die in § 520 Abs. 3 Satz 2<br />

Nr. 1–4 ZPO geregelten Anforderungen an den Inhalt der<br />

Berufungsbegründung. Korrespondierend mit dem bisherigen<br />

Recht (§ 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) ist hier zunächst<br />

das Erfordernis bestimmter Berufungsanträge geregelt,<br />

durch die festgelegt wird, in welchem Umfang das Berufungsgericht<br />

die erstinstanzliche Sache zu überprüfen<br />

hat. 28 Neu sind die in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2–4ZPOgeregelten<br />

inhaltlichen Anforderungen, die bei der Einlegung<br />

von Berufungen gegen erstinstanzliche Urteile, bei denen<br />

die mündliche Verhandlung auf die das Urteil ergangen ist,<br />

nach dem 31.12.2001 stattgefunden hat, 29 peinlich genau<br />

zu beachten sind. Zukünftig kommen nur noch drei Berufungsgründe<br />

in Betracht, die in der Berufungsbegründung<br />

im Einzelnen ausgeführt werden müssten:<br />

– die Berufung wegen einer Rechtsverletzung durch das<br />

erstinstanzliche Gericht, d.h. einer Nichtanwendung<br />

oder einer Fehlanwendung einer geschriebenen oder<br />

ungeschriebenen Rechtsnorm (§ 546 ZPO);<br />

– die Berufung wegen konkreter Zweifel an der Richtigkeit<br />

und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung,<br />

die eine neue Sachverhaltsfeststellung<br />

durch das Berufungsgericht erforderlich machen;<br />

– die auf neueAngriffs- undVerteidigungsmittel gestützte<br />

Berufung, die allerdings nur zulässigist,wenndie<br />

neuen Tatsachen nach § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt<br />

noch im Verfahren berücksichtigt werden können. 30<br />

Nur wenn einer dieser Berufungsgründe vorliegt und in<br />

der Berufungsbegründung auch entsprechend ausgeführt<br />

ist, kann das Rechtsmittel noch in zulässigerArt und Weise<br />

eingelegt werden, ohne dass es zu einem Zurückweisungsbeschluss<br />

nach § 522 Abs. 2 ZPO kommt. Dabei ist insbesondere<br />

die Geltendmachung neuerAngriffs- undVerteidigungsmittel,<br />

d.h. zur Begründung der Klage oder zur Verteidigung<br />

gegen die Klage vorgebrachter tatsächlicher und<br />

rechtlicher Behauptungen, Einwendungen, Bestreiten,<br />

Einreden und Beweisanträge 31 stark eingeschränkt. Gem.<br />

§ 529 ZPO hat das Berufungsgericht grds. die im ersten<br />

Rechtszug festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen.<br />

Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind gem. § 531<br />

ZPO nur in drei Fällen zuzulassen, nämlich:<br />

– wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, den das erstinstanzliche<br />

Gericht erkennbar übersehen oder fürunerheblich<br />

gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1<br />

ZPO),<br />

– wenn sie in Folge eines Verfahrensmangels im ersten<br />

Rechtszug nicht geltend gemacht werden konnten<br />

(§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) oder<br />

– wenn ihre fehlende Geltendmachung im ersten<br />

Rechtszug nicht auf Nachlässigkeit, d.h. einfacher<br />

Fahrlässigkeit der Partei, beruht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3<br />

ZPO). 32<br />

1078 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

D.h., neuer Tatsachenvortrag in zweiter Instanz kann etwa<br />

dann zulässig sein, wenn das erstinstanzliche Gericht den<br />

Tatsachenstoff nur unvollkommen ausgeschöpft hat, seiner<br />

Hinweispflicht nicht nachgekommen ist und Vortrag<br />

deshalb unterblieben ist oder die Partei ohne ihr Verschulden<br />

gehindert war, bestimmte Behauptungen vorzutragen,<br />

Beweise anzutreten oder Einreden zu erheben. Dabei<br />

genügt es nicht, dass diese neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />

in der Berufungsbegründung lediglich genannt<br />

werden; dargelegt werden müssen vielmehr auch<br />

die Erheblichkeit der Nichtbeachtung für die erstinstanzliche<br />

Entscheidung sowie die Möglichkeit einer abweichenden<br />

Entscheidung bei Zugrundelegung der Tatsachen<br />

und ggf. die Gründe, weshalb neue Tatsachen in<br />

zweiter Instanz ausnahmsweise noch zu berücksichtigen<br />

sind. Die bisher vielfach geübte Praxis, bei fehlenden<br />

Rechtsverstößen des erstinstanzlichen Gerichts, die Berufung<br />

auf neues tatsächliches Vorbringen und neue Beweisantritte<br />

zu stützen, oder ohne greifbare Anhaltspunkte<br />

für eine fehlerhafte Beweiswürdigung in erster Instanz<br />

die Berufung mit einer abweichenden Würdigung der erhobenen<br />

Beweise zu begründen, kann nach den Einschränkungen,<br />

die die §§ 520 Abs. 3, 522 Abs. 2, 529,<br />

531 ZPO dem Berufungsgericht neben der allgemeinen<br />

Verspätungsvorschrift des § 530 ZPO auferlegen, nicht<br />

beibehalten werden. In der Berufungsbegründung muss<br />

eine sehr viel eingehendere Auseinandersetzung mit dem<br />

erstinstanzlichen Urteil stattfinden. Einer der Berufungsgründe<br />

des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2–4 ZPO ist unter<br />

Berücksichtigung der Einschränkungen, die insbesondere<br />

die Geltendmachung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />

in zweiter Instanz unterliegen, herauszuarbeiten.<br />

Bei dem Vortrag erster Instanz ist streng darauf zu<br />

achten, dass einer Partei nicht in zweiter Instanz im Hinblick<br />

auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO der Vorwurf einer<br />

nachlässigen Prozessführung gemacht werden kann. Vor<br />

allem Insolvenzverwalter, die fremdnützige Prozesse für<br />

die Masse führen, sollten sich im Berufungsverfahren<br />

nicht dem Vorwurf aussetzen, aufgrund der fehlenden Beachtung<br />

der Begründungserfordernisse des § 520 Abs. 3<br />

Satz 2 Nr. 2 – 4 ZPO eine von vornherein aussichtslose<br />

Berufung eingelegt zu haben. Eine solche Rechtsmitteleinlegung<br />

wäre als Sorgfaltsverstoß gegenüber den Insolvenzgläubigern<br />

anzusehen, wenn bedenkenlos die bisher<br />

übliche Praxis übernommen wird.<br />

3. Schwierigkeiten bei der Abfassung des<br />

zweitinstanzlichen Urteils nach neuem<br />

Berufungsrecht<br />

Ähnlich problematisch wie die Berufungsbegründung<br />

nach dem ZPO-RG ist auch die neue Vorschrift über die<br />

Abfassung des Berufungsurteils in § 540 ZPO. Nach dieser<br />

Regelung soll das zweitinstanzliche Urteil nur noch<br />

eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen<br />

28 S. dazu auch die Bindung an die Berufungsanträge in § 528 ZPO.<br />

29 Zu der Übergangsvorschrift des § 26 EGZPO s. näher Schneider, ZAP 2001,<br />

Fach 13, S. 1095 f.<br />

30 Zu den Einzelheiten s. Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1143 ff.<br />

31 S. § 146 ZPO; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 282 Rn. 2.<br />

32 Hierzu auch Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1144.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1079<br />

Aufsätze<br />

in dem erstinstanzlichen Urteil mit etwaigen Änderungen<br />

und Ergänzungen und eine kurze Begründung der zweitinstanzlichen<br />

Entscheidung enthalten. Wie diese sehr stark<br />

abgekürzte Form des Urteils mit § 559 ZPO zu vereinbaren<br />

ist, der das Berufungsurteil auch weiterhin zur<br />

Grundlage der Beurteilung des Parteivorbringens durch<br />

das Revisionsgerichts macht, das aus dem Tatbestand des<br />

Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll den festgestellten<br />

Sachverhalt entnehmen muss, ist nur sehr schwer<br />

nachzuvollziehen. Letztlich muss wohl davon ausgegangen<br />

werden, dass unter „Tatbestand“ i.S.d. § 559 ZPO der<br />

in Bezug genommene erstinstanzliche Tatbestand mit den<br />

Änderungen und Ergänzungen durch das Berufungsgericht<br />

zu verstehen ist. Schwierigkeiten hinsichtlich der<br />

Schaffung der erforderlichen Tatsachengrundlage für die<br />

Prüfung des Revisionsgerichts sind damit vorprogrammiert.<br />

Dies gilt insbesondere für das auf den geringst möglichen<br />

Inhalt reduzierte Berufungsurteil nach § 543Abs. 2<br />

InsO, das bei derVerkündung der Entscheidung im Termin<br />

in das Protokoll aufgenommen werden kann. Dass ein derart<br />

knappes Urteil Grundlage für eine Revisionsprüfung<br />

sein kann, ist derzeit nur schwer vorstellbar. Dabei ist die<br />

Möglichkeit, von der Darstellung des Tatbestandes bei<br />

nicht revisiblen Urteilen abzusehen (§ 543 Abs. 1 ZPO<br />

a.F.) zukünftig nicht mehr gegeben. Sowohl Berufungsurteile<br />

der LG als auch Berufungsurteile der OLG sind mit<br />

dem in § 540 ZPO skizzierten Tatbestand zu versehen.<br />

Zwar unterliegen Urteile der Berufungsgerichte der<br />

Nichtzulassungsbeschwerde nach der Übergangsregelung<br />

des § 26 Nr. 8 EGZPO uneingeschränkt erst nach<br />

dem 31.12.2006. 33 Möglich ist die Revision gegen landgerichtliche<br />

Berufungsurteile – ebenso wie gegen Urteile<br />

der OLG in Zivilsachen – ab dem 1.1.2002 aber auch<br />

schon dann, wenn die Revision in dem Urteil zugelassen<br />

wird (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Insofern ist es im Fall der<br />

Zulassung der Revision noch vergleichsweise einfach,<br />

das Urteil so abzufassen, dass sich ein „revisionstauglicher“<br />

Sachverhalt ergibt, weil keine Schwierigkeit besteht,<br />

sich auf die Zulässigkeit der Revision einzustellen.<br />

In den übrigen Fällen – dies gilt ab 2007 fürsämtliche Berufungsurteile<br />

der LG und OLG – muss aber der Tatbestand<br />

von vornherein so abgefasst werden, dass er einer<br />

revisionsrechtlichen Überprüfung Stand hält, da eine<br />

Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO uneingeschränkt<br />

möglich ist. Die vermeintlichen Erleichterungen<br />

des § 540 ZPO stellen deshalb in Wahrheit erhebliche Erschwerungen<br />

dar, weil künftig praktisch jeder Tatbestand<br />

so abgefasst werden muss, dass er Grundlage der Rechtsfindung<br />

im Revisionsverfahren sein kann. Die Zulässigkeit<br />

der Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil bedeutet<br />

insoweit nur eine unwesentliche Erleichterung, die<br />

nicht von der Pflicht entbinden kann, den Tatbestand inhaltlich<br />

zu überprüfen. Letztlich entfällt nur das Schreibwerk,<br />

vorausgesetzt das erstinstanzliche Urteil gibt den<br />

Sachverhalt vollständig und zutreffend wieder.<br />

III. Änderungen im Revisionsverfahren in Grundzügen<br />

Ähnlich einschneidend wie im Berufungsverfahren sind<br />

die Änderungen, die sich aus dem ZPO-RG für das<br />

Revisionsverfahren ergeben. 34 Die bisherige „Wertrevision“<br />

ist der „Zulassungsrevision“ gewichen, zu der es<br />

entweder kommen kann, wenn das Berufungsgericht die<br />

Revision in seinem Urteil mit Bindungswirkung für den<br />

BGH zulässt oder der BGH selbst das Rechtsmittel auf<br />

die Nichtzulassungsbeschwerde einer Partei zulässt<br />

(§ 543 Abs. 1 ZPO). Zulassungsgründe sind gem. § 543<br />

Abs. 2 ZPO die grds. Bedeutung der Rechtssache, die<br />

Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung. Grds. Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2<br />

Satz 1 Nr. 1 ZPO liegt dann vor, wenn eine klärungsbedürftige<br />

Rechtsfrage zu entscheiden ist, die in einer unbestimmten<br />

Vielzahl von Fällen auftreten kann; grds. Bedeutung<br />

kann ferner dann gegeben sein, wenn die Instanzgerichte<br />

in größerem Umfang der Rechtsprechung<br />

des BGH nicht folgen oder im Schrifttum ernst zu nehmende<br />

Bedenken gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />

geäußert werden. 35 Die weiteren Zulassungsgründe<br />

der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer<br />

einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2<br />

ZPO) sind ebenso zu verstehen, wie die entsprechenden<br />

Zulassungsvoraussetzungen in anderen Rechtsordnungen.<br />

36 Sie dienen zur Erweiterung des Zulassungsgrundes<br />

der „grds. Bedeutung“ und sollen in einem begrenzten<br />

Umfang die Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit<br />

durch den BGH ermöglichen, die bei der Zulassung wegen<br />

grds. Bedeutung keine Rolle spielt, sofern die<br />

Rechtsfrage nicht eine Vielzahl von Fällen betrifft. Am<br />

Deutlichsten zeigt sich diese Erweiterung bei der Zulassung<br />

zur Fortbildung des Rechts, bei der die grds. Bedeutung<br />

im engeren Sinne fehlen kann – etwa weil die Frage<br />

nicht eine Vielzahl von Fällen betrifft –, einehöchstrichterliche<br />

Entscheidung aber gleichwohl erforderlich erscheint;<br />

dabei können Gesichtspunkte der Korrektur offensichtlicher<br />

Unrichtigkeiten und der Verletzung von<br />

Verfahrensgrundrechten erheblich sein. Zur Sicherung<br />

einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Revision dann<br />

zuzulassen, wenn schwer erträgliche Unterschiede in der<br />

Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, insbesondere<br />

die Instanzurteile von der Rechtsprechung des BGH<br />

aufgrund von formellen oder materiellen Fehlern bei der<br />

Anwendung oder Auslegung des revisiblen Rechts abweichen<br />

und die Gefahr der Wiederholung dieser Abweichungen<br />

gegeben ist. 37<br />

Durch die Einführung der dem Revisionsverfahren vorgeschalteten<br />

Nichtzulassungsbeschwerde in § 544 ZPO 38<br />

wird zwar eine einheitliche Entscheidungspraxis durch<br />

33 Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Nichtzulassungsbeschwerde an eine Wertgrenze<br />

von 20.000 e gebunden, so dass gegen Berufungsurteile der LG nur<br />

äußerst selten die Nichtzulassungsbeschwerde zulässigseinwird.Dieskann<br />

etwa dann der Fall sein, wenn in einer Wohnraummietsache der Streitwert<br />

über 20.000 e liegt.<br />

34 Dazu ausführlich Büttner, MDR 2001, 1201 ff.<br />

35 S. auch Büttner, MDR 2001, 1201 ff., 1203.<br />

36 Dazu Büttner, MDR 2001, 1201 ff., 1203.<br />

37 S. zu den näheren Einzelheiten und zur Ablehnung des Verfahrensmangels<br />

als Zulassungsgrund sowie zur Problematik der Abkopplung des Revisionsverfahrens<br />

von der Korrektur offensichtlich unrichtiger Instanzentscheidungen<br />

und dem Spielraum bei der Zulassung der Revision auch Büttner, MDR<br />

2001, 1201 ff., 1203 f.<br />

38 Zum Übergang in das Revisionsverfahren bei einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde<br />

Büttner, MDR 2001, 1201 ff.; Hartmann, NJW 2001,<br />

2577 ff., 2594 f.


Aufsätze<br />

den BGH über die Nichtzulassung gewährleistet. Die<br />

Ausdehnung der Nichtzulassungsbeschwerde auf sämtliche<br />

Berufungsurteile der LG und OLG39 dürfte aber<br />

zu einer unabsehbaren Zahl von Nichtzulassungsverfahren<br />

führten, die erhebliche Kräfte binden, die nicht für<br />

die Entscheidung von grds. Rechtsfragen zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Bzgl. der Fristen entsprechen die geänderten Revisionsvorschriften<br />

den geänderten Berufungsvorschriften. Die<br />

Antrags- und Begründungserfordernisse (§ 551 ZPO)<br />

sind ähnlich strukturiert wie im Berufungsverfahren. 40<br />

Für die Insolvenzpraxis ergibt sich aus dem neuen Revisonsrecht<br />

zweierlei: Zum einen ist die Trennung zwischen<br />

der Nichtzulassungsbeschwerde und dem eigentlichen<br />

Revisionsverfahren zu beachten, wobei zunächst für<br />

die Nichtzulassungsbeschwerde eine Wertgrenze von<br />

20.000 e besteht. Zum anderen könnte es erheblich<br />

schwieriger werden, die Zulassung der Revision zu erreichen,<br />

weil die bisherige Divergenzrevision (§ 546 Abs. 1<br />

Satz 2 Nr. 2 ZPO a.F.) abgeschafft ist und bzgl. der neuen<br />

Revisionsgründe der Rechtsfortbildung und der Sicherung<br />

einer einheitlichen Rechtsprechung sehr viel Unsicherheit<br />

über die Frage besteht, in welchen Fällen der<br />

BGH eine Revision überhaupt noch zulassen wird. Sicher<br />

ist die Durchführung des Revisionsverfahrens nur dann,<br />

wenn die Sache grds. Bedeutung hat. In den übrigen Fällen<br />

kommt es darauf an, inwieweit der BGH bereit ist, das<br />

Verfahren im Einzelfall auch zur Rechtsfortbildung anzunehmen<br />

oder – insbesondere auch bei einer Divergenz –<br />

den Revisionsgrund der „Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“ zu bejahen.<br />

IV. Neuregelungen des Beschwerderechts der ZPO<br />

Die größte Bedeutung für das Insolvenzrecht haben zweifellos<br />

die neuen Vorschriften für die sofortige Beschwerde<br />

und die Rechtsbeschwerde in den §§ 567 – 577 ZPO.<br />

Diese Regelungen, die über die Verweisung des § 4InsO<br />

auf das insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren entsprechend<br />

anzuwenden sind, soweit die §§ 6, 7 InsO keine<br />

abweichenden Regelungen enthalten, führen zu einigen<br />

Änderungen im Recht der sofortigen Beschwerde<br />

und zu einer grundlegenden Neuordnung der Rechtsbeschwerde,<br />

die an die Stelle der bisherigen sofortigen weiteren<br />

Beschwerde tritt. 41 Insbesondere durch die für alle<br />

Beteiligten überraschende Verlagerung der Zuständigkeit<br />

für die Rechtsbeschwerde von den OLG auf den BGH 42<br />

kommt auf die Praxis eine neue Entwicklung zu, deren<br />

Tragweite bisher kaum abzuschätzen ist. Feststellbar ist<br />

jedenfalls schon jetzt, dass es zahlreiche Erschwerungen<br />

bei der Einlegung der Rechtsbeschwerde geben wird und<br />

die Fälle, in denen über eine Rechtsbeschwerde inhaltlich<br />

entschieden wird, wahrscheinlich erheblich abnehmen<br />

werden.<br />

1. Folgen der Neuordnung des Beschwerderechts<br />

Mit der Änderung der Beschwerdevorschriften der ZPO<br />

verbunden ist die Änderung des § 6InsO,indemkünftig<br />

keine eigenständige Regelung der Abhilfebefugnis des<br />

1080 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

Insolvenzgerichts mehr zu finden ist, weil bereits für<br />

sämtliche sofortigen Beschwerden – nach der Neuregelung<br />

der §§ 567 ff. ZPO gibt es im Anwendungsbereich<br />

dieser Vorschriften nur noch sofortige Beschwerden –<br />

gem. § 572Abs. 1 ZPO gilt, dass das Gericht, dessen Entscheidung<br />

angefochten ist, diese ändern kann, wenn es<br />

die Beschwerde für begründet erachtet. Soweit i.Ü. der<br />

Wortlaut des § 6 Abs. 3 InsO durch Art. 12 ZPO-RG geändert<br />

worden ist und es dort jetzt heißt, das Beschwerdegericht<br />

könne jederzeit die sofortige Wirksamkeit der<br />

Entscheidung anordnen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 InsO n.F.),<br />

hängt diese Änderung nur damit zusammen, dass theoretisch<br />

statt des LG nun auch das OLG als Beschwerdegericht<br />

in Betracht kommt.<br />

Im Grundsatz bleibt es auch nach der Änderung der Beschwerdevorschriften<br />

der ZPO dabei, dass gegen Entscheidungen<br />

der Insolvenzgerichte eine sofortige Beschwerde<br />

nur dann zulässig ist, wenn sie in der InsO ausdrücklich<br />

zugelassen ist. 43 I.Ü. gilt auch weiterhin, dass Entscheidungen,<br />

die ihre Rechtsgrundlage außerhalb der InsO haben,<br />

wie beispielsweise Entscheidungen über die Ablehnung<br />

eines Richters, Kostenentscheidungen nach § 91a,<br />

Entscheidungen über die Festsetzung des Streitwertes<br />

oder die Festsetzung der Gebühren von Zeugen und Sachverständigen<br />

im Instanzenzug der jeweiligen Rechtsordnung<br />

anzufechten sind und nicht im Instanzenzug der<br />

InsO. 44 Eine Ausdehnung des Instanzenzuges der InsO<br />

findet nicht statt. Wenn das Insolvenzgericht im Rahmen<br />

des Insolvenzverfahrens über einen Regelungsgegenstand<br />

entscheidet, der außerhalb der InsO geregelt ist, gibt es<br />

aber auch keine „Deckelung“ des Verfahrenszuges durch<br />

die Beschränkung der sofortigen Beschwerde in § 6InsO<br />

auf ausdrücklich zugelassene Beschwerdeverfahren.<br />

Vielmehr kann dann im Instanzenzug der jeweiligen<br />

Rechtsordnung entschieden werden; ist dies die ZPO, findet<br />

nach § 567Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde statt,<br />

sofern dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder<br />

durch die Entscheidung ein dasVerfahren betreffendes Gesuch<br />

zurückgewiesen worden ist. Dabei gilt für Entscheidungen<br />

über die Verpflichtung, Prozesskosten zu tragen,<br />

dass der Mindestwert von 100 e überschritten werden<br />

muss. I.Ü. muss der Wert wenigstens 50 e übersteigen.Als<br />

dritte Möglichkeit kommt in solchen Fällen, in denen es<br />

keine sofortige Beschwerde gibt, bei Entscheidungen des<br />

Rechtspflegers auch weiterhin die befristete Erinnerung<br />

gem. § 11 Abs. 2 RpflG in Betracht, über die das Insolvenzgericht<br />

abschließend entscheidet. 45<br />

Keine Änderungen ergeben sich für dieEinlegungder<br />

sofortigen Beschwerde, die weiterhin innerhalb einer<br />

39 Bis zum 31.12.2006 ist die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings nach § 26<br />

Nr. 8 EGZPO noch an eine Wertgrenze von 20.000 e gebunden.<br />

40 Zu den einzelnen Vorschriften auch Hartmann, NJW 2001, 2577 ff., 2594 f.<br />

41 Hierzu auch bereits I. Pape, NZI 2001, 516 ff.; ferner zu den Neuregelungen<br />

Schmerbach, <strong>ZInsO</strong> 2001, 1087 ff. (in diesem Heft).<br />

42 Zu dieser Problematik bereits Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729; G. Pape, <strong>ZInsO</strong><br />

2001, 777 ff.; Sternal, NZI 2001, Heft 9, V f.<br />

43 S. zu den zugelassenen Beschwerdemöglichkeiten der InsO Prütting, in:<br />

Kübler/Prütting, InsO, § 6 Rn. 13.<br />

44 Dazu Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 7Rn.6;<br />

Prütting (Fn. 43), § 6Rn.36.<br />

45 Dazu Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl.,<br />

§ 6Rn.9;Prütting (Fn. 43), § 6 Rn. 32 ff.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1081<br />

Aufsätze<br />

Notfrist von zwei Wochen eingelegt werden muss. Soweit<br />

diese Frist auch länger sein kann, wie etwa bei der Einlegung<br />

der sofortigen Beschwerde gegen dieVersagung von<br />

PKH, bei der die Notfrist gem. § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO<br />

einen Monat beträgt, gibt es derartige längere Fristen in<br />

der InsO nicht. 46 Eingelegt werden kann die sofortige Beschwerde<br />

auch weiterhin sowohl beim iudex a quo als<br />

auch beim iudex ad quem. Aufgrund der Zulässigkeit der<br />

Einlegung der Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle<br />

und des fehlenden Anwaltszwanges im Insolvenzverfahren<br />

gilt auch nach der Neufassung des § 569 Abs. 3<br />

ZPO, dass kein Anwaltszwang besteht und das Rechtsmittel<br />

auch von der Partei selbst eingelegt werden kann.<br />

Das Fehlen einer aufschiebenden Wirkung der sofortigen<br />

Beschwerde im Insolvenzverfahren und die Möglichkeit<br />

der Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das<br />

Gericht ist auch weiterhin in § 6Abs. 3 InsO eigenständig<br />

geregelt, 47 so dass § 570 ZPO in insolvenzrechtlichen<br />

Beschwerdeverfahren nicht anzuwenden ist.<br />

NeuundgenauzubeachtenistdieMöglichkeit einer<br />

Fristsetzung für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln48<br />

im Beschwerdeverfahren in § 571<br />

Abs. 3 Satz 1 InsO. Im Beschwerdeverfahren können<br />

zwar auch in Zukunft grds. neue Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />

geltend gemacht werden. Die Versäumung<br />

einer vom Beschwerdegericht gesetzten Frist kann aber<br />

zur Präklusion führen. Verspätetes Vorbringen ist nicht<br />

mehr zuzulassen, wenn es die Erledigung des Verfahrens<br />

verzögert oder wenn die Partei die Verspätung nicht genügend<br />

entschuldigt hat.<br />

Soweit § 572 Abs. 1 ZPO die Abhilfebefugnis des Gerichts,<br />

dessen Entscheidung angefochten wird, jetzt generell<br />

für alle sofortigen Beschwerden nach der ZPO regelt,<br />

ist das Gericht verpflichtet, sich mit neuem Vorbringen in<br />

der Beschwerdebegründung auseinander zu setzen. Floskelhafte<br />

Entscheidungen, die etwa nur aus dem Satz bestehen,<br />

der Beschwerde werde nicht abgeholfen, sind zu<br />

unterlassen. Sie werden dem Zweck der Abhilfebefugnis,<br />

die zweite Instanz nicht mit Rechtsmitteln zu belasten,<br />

die augenscheinlich begründet sind, nicht gerecht und<br />

sollten generell zur Aufhebung der Vorlageverfügung und<br />

Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht<br />

führen. 49 Das Abhilfeverfahren ist sinnlos, wenn es als<br />

bloße Formalie begriffen wird, bei der eine Auseinandersetzung<br />

mit dem Inhalt der Beschwerdebegründung nicht<br />

stattfindet. 50 Die ebenfalls neue Zuständigkeit des „originären<br />

Einzelrichters“ für Beschwerden gegen Entscheidungen,<br />

die von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger<br />

erlassen worden sind (§ 568 ZPO), dürfte fürdas<br />

insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren, in dem nunmehr<br />

stets der Einzelrichter entscheidet, vor allem insoweit<br />

von Bedeutung sein, als eine Rechtszersplitterung<br />

droht, wenn bei den Beschwerdegerichten keine Spezialisierung<br />

stattfindet und für insolvenzrechtliche Beschwerden<br />

unterschiedliche Berichterstatter zuständig sind. 51<br />

Wenn insoweit keine Konzentration erfolgt, dürfte<br />

zwangsläufig die „Qualität“ der Beschwerdeentscheidungen<br />

leiden, weil eine nur sporadische Befassung mit den<br />

Gegenständen der InsO eine Kontinuität der Beschwerderechtsprechung<br />

praktisch ausschließt.<br />

Besonders hinzuweisen ist schließlich noch auf die fortbestehende<br />

Pflicht zur Sachverhaltsdarstellung in Beschwerdeentscheidungen,<br />

deren Rechtsgrundlage in der<br />

InsO liegt. Das Problem fehlender Sachverhaltsfeststellungen,<br />

das die OLG z.Zt. der Anwendung des früheren<br />

§ 7InsOüber Gebühr beschäftigt hat, 52 sollte nicht wieder<br />

auftreten. Auch nach der Neufassung der ZPO gehört<br />

es zu den Besonderheiten des insolvenzrechtlichen Beschwerdeverfahrens,<br />

dass die Rechtsbeschwerde nach<br />

den §§ 574 ff. ZPO gem. § 7InsO 53 ausdrücklich statthaft<br />

ist. Hieraus folgt, dass gegen jede Entscheidung der<br />

Beschwerdegerichte im insolvenzrechtlichen Instanzenzug<br />

auch ohne die Zulassung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2<br />

ZPO die Rechtsbeschwerde eingelegt werden kann. 54<br />

Da auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nach den<br />

§§ 574 ff. ZPO über die Verweisung in § 577 Abs. 2 Satz<br />

4 ZPO die Vorschrift des § 559 ZPO gilt, muss der BGH<br />

als Grundlage für seine Entscheidung einen durch das<br />

Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt haben. An<br />

der Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung des Beschwerdegerichts,<br />

die in anderen Fällen außerhalb des insolvenzrechtlichen<br />

Beschwerdeverfahrens, in denen das<br />

Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zulässt<br />

und i.Ü. die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde auch<br />

nicht im Gesetz bestimmt ist, nicht besteht, ändert sich<br />

für das insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren nichts.<br />

Die bisherige Rechtsprechung der OLG 55 gilt weiter.<br />

Zwar kann auf bestimmte Bestandteile der Akten konkret<br />

Bezug genommen werden. Bzgl. des Vorbringens in<br />

der Beschwerdeinstanz darf jedoch niemals allein auf<br />

die Akten verwiesen werden. Fehlt eine Sachverhaltsdarstellung<br />

in der Beschwerdeentscheidung, muss auch<br />

nach der neuen ZPO im insolvenzrechtlichen Beschwerdeverfahren<br />

damit gerechnet werden, dass eine Aufhebung<br />

und Zurückverweisung der Sache unausweichlich<br />

ist, weil gem. § 575 Abs. 3 Nr. 3b ZPO die Beschwerde<br />

auch darauf gestützt werden kann, dass das Beschwerdegericht<br />

das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt<br />

habe und eine solche Verletzung gem. § 577 Abs. 4<br />

Satz 1 ZPO zur Zurückverweisung der Sache führen<br />

würde. Eine Lockerung der Anforderungen ist insoweit<br />

nicht eingetreten.<br />

2. Umwandlung der sofortigen weiteren Beschwerde<br />

in eine Rechtsbeschwerde<br />

Zwar entfällt nach § 574 ZPO die Erforderlichkeit einer<br />

Zulassung der Rechtsbeschwerde, die es bislang in § 7<br />

46 Darauf, dass der Insolvenzverwalter bei der Beantragung von PKH auf die<br />

Frist des § 127 Abs. 3 Satz 3 InsO zu achten hat, wurde bereits oben unter I.<br />

hingewiesen.<br />

47 Dazu Prütting (Fn. 43), § 6Rn.27ff.<br />

48 Zu diesem Begriff bereits oben unter II. 2.<br />

49 Dazu OLG Celle, NZI 2001, 599.<br />

50 Zur Abhilfe durch das Insolvenzgericht auch Ganter (Fn. 44), § 6Rn.44ff.,<br />

dessen Ausführungen zum früheren Rechtszustand auch auf das neue Beschwerderecht<br />

übertragen werden können.<br />

51 Hierzu auch I. Pape, NZI 2001, 516 ff., 517.<br />

52 Dazu OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2000, 393 ff.; BayObLG, NZI 2000, 434; Kirchhof<br />

(Fn. 45), § 6 Rn. 26; G. Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548 f.<br />

53 I.d.F. Art. 12 ZPO-RG.<br />

54 Zu weiteren Einzelheiten I. Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 516 ff., 518 f.<br />

55 S. auch noch OLG Celle, NZI 2001, 155; Ganter, § 6 Rn. 54, § 7Rn.32.


Aufsätze<br />

Abs. 1 InsO gegeben hat, so dass sich der Zugang zum<br />

neuen Rechtsbeschwerdeverfahren in Insolvenzsachen zunächst<br />

einfacher darstellt, als nach der bisherigen komplizierten<br />

Regelung des § 7Abs.1InsO. 56 Dafür sind jedoch<br />

die Begründungserfordernisse in § 575 Abs. 3 ZPO wesentlich<br />

schärfer gefasst, als dies bisher nach § 7InsOder<br />

Fall war. So muss der Beschwerdeführer auch bei einer<br />

aufgrund gesetzlicher Anordnung statthaften Rechtsbeschwerde<br />

gem. § 575Abs.3Nr.2InsOinderBeschwerdebegründung<br />

darlegen, im Hinblick auf welche Umstände<br />

die Sache grundlegende Bedeutung hat, weshalb die<br />

Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung<br />

des Rechts dient oder zur Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung erforderlich ist. 57 Dies folgt aus der<br />

Verweisung auf § 574 Abs. 2 ZPO in § 575 Abs. 3 Nr. 2<br />

ZPO. Außerdem hat die Begründung bestimmte Anträge<br />

(Rechtsbeschwerdeanträge gem. § 575Abs.3Nr.1ZPO)<br />

zu enthalten und es sind die Umstände anzugeben, aus denen<br />

sich eine Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO ergibt.<br />

Wird ein Verfahrensfehler gerügt, sind nach § 575 Abs. 3<br />

Nr. 3b ZPO auch insoweit die Tatsachen zu bezeichnen,<br />

auf denen der Mangel des Verfahrens beruhen soll. Im<br />

Hinblick auf diese strengen Begründungserfordernisse,<br />

bzgl. derer sich schon jetzt abzeichnet, dass der BGH<br />

strengereAnforderungen stellen wird, als die OLG in ihrer<br />

bisherigen Rechtsprechung58 , ist letztlich von strengeren<br />

Begründungserfordernissen auszugehen. Die bisherige<br />

Annahme der OLG, dass sich die Darlegung einer Gesetzesverletzung<br />

auch schon konkludent aus dem sonstigen<br />

Vorbringen des Beschwerdeführers ergeben kann, so wie<br />

auch der Zulassungsantrag in der Darlegung einer solchen<br />

Verletzung gesehen werden konnte, wird es nach der neuen<br />

ZPO mit einiger Sicherheit nicht mehr geben. Dies<br />

schließen bereits die strengen Begründungserfordernisse<br />

des § 575 Abs. 3 ZPO aus. Bloße Sachverhaltsdarstellungen,<br />

ohne die Darlegung konkreter Gesetzesverletzungen,<br />

wie es sie in der Beschwerdepraxis der OLG – insbesondere<br />

auch bei Beschwerden gegen vergütungsrechtliche Entscheidungen,<br />

bei denen sich selbst sachkundige Beschwerdeführer<br />

nicht die Mühe gemacht haben, Gesetzesverletzungen<br />

und Grundsatzfragen genau zu bezeichnen59 – wird es im Rechtsbeschwerdeverfahren mit Sicherheit<br />

nicht mehr geben. Derartige Rechtsmittel werden sehr<br />

wahrscheinlich ohne viel Federlesens nach § 577 Abs. 1<br />

ZPO als unzulässig verworfen werden.<br />

Neben den strengeren Begründungserfordernissen und<br />

den geänderten Zeitabläufen, die dazu führen werden, dass<br />

etwa Rechtsbeschwerden gegen Sicherungsanordnungen<br />

1082 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

im Eröffnungsverfahren 60 sich mutmaßlich i.a.R. durch<br />

die Eröffnungsentscheidung erledigt haben werden, bevor<br />

es zu einer Entscheidung über die Rechtsbeschwerde<br />

kommt, wirkt sich als drittes Element der Zwang zur Vertretung<br />

durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt<br />

im Rechtsbeschwerdeverfahren 61 für dieBeschwerdeführer<br />

sehr stark belastend aus. Zwar ist durch diese Regelung<br />

einerseits die Einhaltung der Formalien und<br />

Begründungserfordernisse des § 575 ZPO gewährleistet.<br />

Andererseits führt sie aber zu erheblichen Kostenbelastungen<br />

der Beteiligten. Es sei denn, diese können für das<br />

Rechtsbeschwerdeverfahren PKH in Anspruch nehmen.<br />

Insoweit steigen die Risiken, die sich aus der Einführung<br />

des Rechtsbeschwerdeverfahrens ergeben, deutlich fühlbar<br />

an. Ob die Vorschriften über die Rechtsbeschwerde,<br />

die gem. § 133 Abs. 1 GVG durch den BGH zu entscheiden<br />

ist, weiterhin dazu geeignet sind, schnell und effektiv<br />

grds. Fragen des neuen Insolvenzrechts zu regeln, wird<br />

sich nach dem 1.1.2002 erweisen müssen.<br />

V. Abschlussbemerkung<br />

Soweit bzgl. der Rechtsbeschwerde noch versucht worden<br />

ist, wenigstens einen Aufschub fürdenÜbergang der<br />

Zuständigkeit auf den BGH zu erreichen, sind diese Versuche<br />

gescheitert. 62 Dass in einzelnen Bundesländern<br />

von den Übertragungsmöglichkeiten des § 119 Abs. 3<br />

GVG n.F. Gebrauch gemacht werden könnte, ist ebenfalls<br />

nicht ersichtlich. Länder, in denen die sog. „Experimentierklausel“<br />

angewandt werden soll, gibt es nicht. Die<br />

Praxis muss sich deshalb darauf einstellen, dass es bei<br />

der Zulässigkeit der LG für das insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren<br />

bleibt und dass die Rechtsbeschwerde<br />

ab dem 1.1.2002 in solchen Verfahren zum BGH einzulegen<br />

ist, in denen die anzufechtende Entscheidung ab dem<br />

1.1.2002 verkündet oder – soweit eine Verkündung nicht<br />

stattgefunden hat – der Geschäftsstelle übergeben worden<br />

ist (§ 26 Nr. 10 EGZPO n. F.).<br />

56 Auf die Verzögerungen, die das Rechtsbeschwerdeverfahren nach der ZPO<br />

im Hinblick auf die wesentlich längeren Fristen mit sich bringt, soll hier nicht<br />

noch einmal eingegangen werden – zu dieser Problematik bereits I. Pape,<br />

NZI 2001, 519 ff.<br />

57 Zu diesen Merkmalen bereits oben unter III.<br />

58 Vgl. dazu Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 1073 (in diesem Heft).<br />

59 Dazu exemplarisch OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001, 948; OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001,<br />

1003.<br />

60 Insoweit ist nach der Ergänzung des § 21 Abs. 1 InsO durch das InsOÄndG<br />

2001 die sofortige Beschwerde nach § 6 InsO zulässig, so dass auch die<br />

Rechtsbeschwerde nach §§ 7 InsO, 574 ff. ZPO statthaft ist.<br />

61 Dazu ausführlich Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 1073.<br />

62 Dazu <strong>ZInsO</strong> Aktuell, Heft 21, S. II.<br />

Die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO alte und neue Fassung – eine unendliche Geschichte<br />

von Rechtsanwalt Dr. Thomas Kluth, Düsseldorf<br />

I. Auftakt<br />

1. Einleitung<br />

Das ZPO-Reformgesetz v. 27.7.20011 normiert ab<br />

1.1.2002 Änderungen (u.a.) des Beschwerderechts: 2<br />

Erstmals wird in der ZPO durch § 574 Abs. 1–3 ZPO<br />

n.F. die „Rechtsbeschwerde“ institutionalisiert. Vorher<br />

gab es sie nicht als generelles Rechtsmittel, sondern nur<br />

1 BGBl. I, S. 1887.<br />

2 Vgl. Hannich/Meyer-Seitz/Engers, Das neue Zivilprozessrecht – Synoptische<br />

Textausgabe mit einer Einführung, 1. Aufl. 2001.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1083<br />

Aufsätze<br />

als Einzelfall. Reformschwerpunkte sind auch Zuständigkeitsregelungen:<br />

3<br />

– Zuständigkeitskonzentration für Beschwerden gegen Entscheidungen<br />

des AG und des LG beim OLG, § 119 Abs. 1 und<br />

Abs. 3–6 GVG n.F. Dieses Reformanliegen soll allerdings nur<br />

schrittweise verwirklicht werden. Die Bundesländer werden für<br />

einen Versuchszeitraum bis zum 31.12.2007 ermächtigt, durch<br />

Landesgesetz die Zusammenfassung der (Berufungs- und)<br />

Beschwerdesachen beim OLG ganz oder teilweise anzuordnen.<br />

Solange von dieser Ermächtigung kein Gebrauch gemacht wird,<br />

ist auch künftig das LG für die sofortige Beschwerde gegen<br />

(z.B.) Entscheidungen des AG als Insolvenzgericht zuständig,<br />

§ 6InsOn.F.,§ 72 GVG n.F.<br />

– Zuständigkeitskonzentration für Rechtsbeschwerden beim<br />

BGH, § 133GVGn.F.DiebisherigeZuständigkeitskompetenz<br />

der OLG entfällt weitgehend.<br />

Problematisch und deshalb klärungsbedürftig sind die<br />

Folgewirkungen des ZPO-RG für die weitere Beschwerde<br />

– die Rechtsbeschwerde – des § 7InsO.<br />

Der Text dieser Bestimmung lautet in der ab Januar 2002<br />

geltenden Neufassung4 lapidar: „Gegen die Entscheidung<br />

über die sofortige Beschwerde findet die Rechtsbeschwerde<br />

statt.“ Zu prüfen ist, ob über § 4InsOderWeg<br />

zu den Rechtsbeschwerderegelungen der ZPO n.F. führt<br />

und ob etwaige Unzulänglichkeiten der neuen ZPO/<br />

GVG-Regelungen auf das Insolvenzverfahrensrecht<br />

durchschlagen.<br />

2. Die Rechtsbeschwerde der ZPO – ein<br />

institutioneller Flop?<br />

Die Frage ist, ob die Institutionalisierung der Rechtsbeschwerde<br />

in § 574 Abs. 1 – 3ZPOn.F.über ein plakatives<br />

Wortgebilde hinaus überhaupt eigenständige, konkrete<br />

Sinn- und Zweckfolgen in der ZPO selbst hat.<br />

Klarzustellen ist, auf welche ZPO-Rechtsbeschwerden<br />

das alternative Zulassungsmodell des § 574 Abs. 1 ZPO<br />

n.F. –„im Gesetz ausdrücklich bestimmt oder vom Beschwerdegericht<br />

oder Berufungsgericht im Beschluss<br />

zugelassen“ –Anwendung findet.<br />

„Im Gesetz (ZPO) ausdrücklich bestimmt“ ist die Statthaftigkeit<br />

in den atypischen Einzelfällen des § 522 Abs. 1<br />

Satz 4 ZPO n.F. 5 und des § 544 Abs. 1 Satz 1 (Abs. 2<br />

Satz 3) ZPO n.F. 6 Die Alternative „vom Beschwerdegericht<br />

(oder vom Rechtsbeschwerdegericht) zugelassen“<br />

betrifft nur den Einzelfall der Rechtsbeschwerde in den<br />

Familiensachen des § 621e Abs. 2 ZPO n.F. 7<br />

Nach allem drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die<br />

Institutionalisierung der Basisvoraussetzungen in § 574<br />

Abs. 1 ZPO n.F. überflüssig ist.<br />

Ein Kuriosum besonderer Art ist die Institutionalisierung<br />

der weiteren Zulassungsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde<br />

in § 574Abs.2und3ZPOn.F.,alsodes<br />

„Dreiklangs“ –„rechtsgrds. Bedeutung“ 8 oder „Fortbildung<br />

des Rechts“ 9 oder „Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“. 10 Keine einzige der Rechtsbeschwerden<br />

der ZPO greift diese „Fundamentalbestimmung“ auf,<br />

weder durch beredtes Schweigen noch durch ausdrückliche<br />

Bezugnahme: Die Rechtsbeschwerde des § 621e<br />

Abs. 2 ZPO n.F. schließt sich dem inhaltsgleichen „Dreiklang“<br />

des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. für die Zulassungsrevision<br />

an. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO n.F. bezieht zwingend,<br />

wenn auch nicht ausdrücklich genannt, zur Prüfung der<br />

Statthaftigkeit den inhaltsgleichen „Dreiklang“ des § 511<br />

Abs. 4 ZPO n.F. für die Zulassungsberufung zur Entscheidung<br />

über die Rechtsbeschwerde ein. Die Nichtzulassungsrechtsbeschwerde<br />

des § 544 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.<br />

Abs.2Satz3ZPOn.F.nimmtBezugaufdeninhaltsgleichen<br />

„Dreiklang“ des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. für dieZulassungsrevision.<br />

Nach allem bleibt zugespitzt nur die Feststellung, dass die<br />

Institutionalisierung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

der Rechtsbeschwerde in § 574Abs. 2 und 3 ZPO<br />

n.F. wie ein „begossener Pudel“ dasteht, den jeder sieht,<br />

aber keiner mag.<br />

Auch außerhalb der ZPO ist eine Bezugnahme auf die v.g.<br />

Pseudo-Basis-Bestimmung weitestgehend unerwünscht.<br />

Andere Gesetze verwenden eigene Formulierungen der<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen, z.B. § 17a Abs. 4 Satz 5<br />

GVG; §§ 77, 78, 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG<br />

n.F.; § 73 Abs. 2 GWB; §§ 14 Abs. 3 Satz 2, 156 Abs. 2<br />

Satz 2 KostO n.F.; § 10Abs. 3 Satz 5 BRAGO n.F. Soweit<br />

ersichtlich, kommt ernsthaft diskutabel nur eine einzige<br />

Ausnahme in Betracht: § 7InsOn.F.könnte vielleicht<br />

über § 4 InsO bereit sein, den „begossenen Pudel“ in<br />

Gnaden aufzunehmen; das ist jedoch eine „andere Geschichte“<br />

(s.u. III.1.).<br />

II. § 7InsOa.F.– Flickschusterei<br />

Bevor man sich der Neufassung des § 7 InsO zuwendet,<br />

ist ein kurzer Rückblick auf seine Altfassung angebracht.<br />

Erst derAbschied zeigt, was imVergleich zum Neubeginn<br />

verloren gegangen ist oder neu gewonnen wird. Die<br />

Rechtsbeschwerde des § 7 InsO a.F. verlangte neben<br />

der begriffsimmanenten Rechtsverletzung als weitere<br />

Zulassungsvoraussetzung lediglich die gebotene „Nachprüfung<br />

der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“. Der Gesetzgeber hatte eine<br />

Normierung der vorrangigen Fundamentalvoraussetzung<br />

3 S.o. Fn. 2, S. 21, 23.<br />

4 Vgl. Mitteilung in NZI 2001, 411.<br />

5 Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, durch den<br />

die Berufung aus Rechtsgründen als unzulässig verworfen wird.<br />

6 Rechtsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht<br />

unter Darlegung der Rechtsverletzungen infolge unrichtiger<br />

rechtlicher Wertung der Zulassungsgründe.<br />

7 Die Zulassungsalternative „in dem Beschluss zugelassen hat“ normiert keine<br />

eigenständige gerichtliche Zulassungskompetenz, ist also nicht konstitutiver<br />

Natur; sie hat vielmehr wie die andere Zulassungsalternative in § 574 Abs. 1<br />

ZPO n.F. „im Gesetz ausdrücklich bestimmt“ nur deklaratorische Bedeutung.<br />

Voraussetzung ist daher eine anderorts normierte gerichtliche Zulassungskompetenz.<br />

Andernfalls wären derartige Einzelbestimmungen überflüssig,<br />

z.B. § 621e Abs. 2 ZPO n.F., § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 77 Satz 1 ArbGG<br />

n.F., § 92 Abs. 1 Satz1 ArbGG, § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO n.F., § 156 Abs. 2<br />

KostO n.F., § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO n.F.<br />

8 Es kommen nur Rechtsfragen in Betracht, die nicht nur für den konkreten<br />

Einzelfall relevant sind, denen vielmehr in der Rechtspflege fallüberschreitende<br />

Bedeutung zukommt.<br />

9 Gefragt ist eine über die Gesetzesauslegung hinausgehende schöpferische<br />

Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung zum Schließen von Gesetzeslücken.<br />

Vgl. Kissel, GVG, 3. Aufl., Einl. Rn. 138; § 132 Rn. 37 m.w.N.<br />

10 Normzweck ist die Vermeidung divergierender Entscheidungen. Ein Sicherungsbedürfnis<br />

ist gegeben, wenn schwer erträgliche Unterschiede in der<br />

Rspr. entstehen oder fortbestehen. Vgl. Kissel (Fn. 9), § 132 Rn. 36 m.w.N.


Aufsätze<br />

„rechtsgrds. Bedeutung“ schlicht vergessen, ein grob<br />

fahrlässiges Fehlverhalten. Dass die weitere Alternative<br />

„Fortbildung des Rechts“ ebenfalls vergessen worden<br />

war, hätte man verschmerzen können, wäre nur die<br />

„rechtsgrds. Bedeutung“ genannt worden; dann hätte<br />

man immerhin die „Fortbildung des Rechts“ als speziellen<br />

Sonderfall der „rechtsgrds. Bedeutung“ interpretieren<br />

können.<br />

Das Versagen des Gesetzgebers hatte ausgesprochen negative<br />

Folgewirkungen. In und um § 7 InsO a.F. entstand<br />

eine missliche „Schizophasie“ – Sprachverwirrtheit. 11<br />

Diese verführte die OLG-Rechtsprechung zu Fehlleistungen,<br />

insbesondere zur Schaffung des „Phantoms der<br />

dritten Voraussetzung“ und zum „Identifizierungsmissgriff“.<br />

12 Nach allem müsste eine Neufassung des § 7<br />

InsO, wie auch immer gestaltet, eine Bessserung bringen;<br />

denn schlechter geht es wohl nicht.<br />

III. § 7InsOn.F.– Geniestreich oder Treppenwitz?<br />

Ob „gebranntes Kind Feuer scheut“, mag dahinstehen.<br />

Jedenfalls enthält sich die Neufassung des § 7InsOgeflissentlich<br />

einer konkreten eigenen Aussage und greift<br />

lediglich die vom ZPO-RG erstmals institutionalisierte<br />

Rechtsbeschwerde als Wortfassung auf.<br />

1. Genialer Federstrich mit Schlupfloch?<br />

Durch die Wortschrumpfung des § 7 InsO n.F. auf<br />

die ZPO-Kreation „Rechtsbeschwerde“ scheint über § 4<br />

InsO („Soweit die InsO nichts anderes bestimmt, gelten<br />

die Vorschriften der ZPO entsprechend.“) ein automatisches<br />

Hinübergleiten zu den neuen Rechtsbeschwerdebestimmungen<br />

der §§ 574 ff. ZPO n.F. möglichzusein,<br />

speziell zu einem Aufgreifen des „Dreiklangs“ der alternativen<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen „rechtsgrds. Bedeutung“<br />

–„Fortbildung des Rechts“ –„Sicherung einer<br />

einheitlichen Rechtsprechung“ in § 574 Abs. 2 ZPO n.F.<br />

Auf diese Weise würde die Flickschusterei in § 7InsO<br />

a.F. dezent stillschweigend repariert, ohne für die Notwendigkeit<br />

einer Ergänzung zum „Dreiklang“ ein offenes<br />

Schuldeingeständnis des bisherigen Versagens abgeben<br />

zu müssen.<br />

Ein Hinübergleiten über § 4InsOzu§ 574 Abs. 2 ZPO<br />

n.F. ist scheinbar kommentarlos selbstverständlich und<br />

zwingend. 13 Es bestehen jedoch durchaus Zweifel: Der<br />

Begriff „Rechtsbeschwerde“ ist, abgesehen von der begriffsimmanenten<br />

Voraussetzung einer Rechtsverletzung,<br />

nicht eindeutig. Er verlangt nicht immer und uneingeschränkt<br />

wie z.B. die „Dreiklang“-Bestimmungen des<br />

§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. oder des § 83 Abs. 2<br />

MarkenG oder des § 73 Abs. 2 GWB die „drei“ Alternativ-Voraussetzungen.<br />

Nach § 17aAbs. 4 Satz 5 GVG kommen nur zwei Zusatzvoraussetzungen<br />

in Betracht, die „rechtsgrds. Bedeutung“<br />

oder die „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“.<br />

Dasgiltauchfürdie Bestimmungen der §§ 77,<br />

78, 72 Abs. 2 ArbGG n.F. und des § 24 Abs. 1 und 2<br />

LwVG. Die Fälle des § 80 Abs. 1 OWiG und des § 116<br />

1084 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

Abs. 1 StVollzG kennen nur „Fortbildung des Rechts“<br />

oder „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“.Es<br />

gibt ferner Rechtsbeschwerden, die nur eine einzige Zusatzvoraussetzung<br />

normiert haben – die „rechtsgrds. Bedeutung“<br />

–, und zwar § 14 Abs. 3 KostO n.F., § 156<br />

Abs. 2 KostO n.F. und § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO n.F.<br />

Letztlich und vor allem ist zu beachten, dass es auch „reine“<br />

Rechtsbeschwerden gibt, die überhaupt keine Zusatzvoraussetzung<br />

normiert haben. Es handelt sich hierbei um<br />

§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG n.F., § 78 Satz 1 GBO n.F., § 99<br />

Abs.3Satz2und3AktGn.F.,§ 101 Abs. 2 PatentG n.F.<br />

Diese lassen lediglich eine beschränkte Anwendung von<br />

ZPO- Bestimmungen zu; die „Dreikklang“-Vorschrift des<br />

§ 574 Abs. 2 ZPO n.F. ist nicht in Bezug genommen.<br />

Beachtet man die konträr unterschiedliche Grundstruktur<br />

der Rechtsbeschwerde mit zusätzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

von „drei“ über „zwei“ und „eins“ bis zu<br />

„null“, so ist die Frage nicht zu ignorieren, warum die<br />

bloße Benennung„Rechtsbeschwerde“ in § 7InsOn.F.<br />

automatisch zu dem „Dreiklang“ in § 574 Abs. 2 ZPO<br />

n.F. führen soll. Abzulehnen ist die Auffassung, die InsO<br />

sei über § 4 InsO zwangsläufig den Regelungen der ZPO<br />

„unterworfen“. 14 Die InsO „bedient“ sich lediglich der<br />

ZPO, soweit es ihrer eigenen Konzeption entspricht; sie<br />

gibt ihre Eigenständigkeit nicht auf und gehorcht nicht<br />

blindlings der ZPO.<br />

Die Frage ist aber hier gerade die, ob es überhaupt der<br />

Konzeption der InsO entspricht, in freier Entscheidung<br />

über § 4InsOdenWegzu§ 574 Abs. 2 ZPO n.F. einzuschlagen.<br />

Die „Erblast“ des § 7 InsO a.F., dessen Flickschusterei<br />

immer noch nicht eingestanden, im Gegenteil nach wie<br />

vor verschleiert wird – vom Gesetzgeber und von den Befürwortern<br />

des § 7InsOa.F. 15 –,bringtdieAnhänger der<br />

Altfassung in Bedrängnis: Wenn die einseitige Beschränkung<br />

auf die Zulassungsvoraussetzung „Sicherung einer<br />

einheitlichen Rechtsprechung“ nicht zu beanstanden war<br />

und ist, dann würde sich auch diese Voraussetzung nunmehr<br />

erübrigen. IhremAnliegen trägt die neue Zuständigkeit<br />

des BGH in Rechtsbeschwerdesachen in optimaler<br />

Weise Rechnung. § 7InsOn.F.wäredann auf die „reine“<br />

Rechtsbeschwerde erleichtert. Dem entspräche die von<br />

beachtlichen Stimmen im Schrifttum betonte verwandtschaftliche<br />

Nähe des Insolvenzverfahrens mit dem Verfahren<br />

der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 16 das sich auch<br />

und von vornherein für die„reine“ Rechtsbeschwerde<br />

entschieden hat (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG); eine optimale<br />

Verfahrenskontinuität wäre gewährleistet.<br />

11 Vgl. Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446.<br />

12 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001,447 f.<br />

13 So z.B. Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729; Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777 mit dort. Fn. 7,<br />

779.<br />

14 Vgl. Gottwald/Klopp/Kluth, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 17<br />

Rn.1,2=S.307f.<br />

15 Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777, 779, hebt hervor, dass sich die Regelung des § 7InsO<br />

„in seiner ursprünglichen Fassung bewährt“ hat. Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729,<br />

bemerkt: „Inhaltlich erleichtert § 574 Abs. 2 ZPO n.F. die Rechtsbeschwerde,<br />

im Vergleich mit § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO, etwas. Denn weder die „grds.<br />

Bedeutung der Rechtssache“ noch die „Fortbildung des Rechts“ waren bisher<br />

als selbstständige Zulassungsgründe genannt.“<br />

16 Vgl. die Nachweise bei Gottwald/Klopp/Kluth (Fn. 14), § 17Rn.2=S.307.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1085<br />

Aufsätze<br />

Nimmt man diese Argumentation, die sich die Anhänger<br />

der Altfassung des § 7 InsO folgsam aufbürden lassen<br />

müssen, ernst, so käme der BGH wegen der einsetzenden<br />

Flutwelle „reiner“ Rechtsbeschwerden nicht umhin, den<br />

Notstand auszurufen.<br />

Zurück zur Realität:<br />

Die Anwendung des „Dreiklangs“ der Grundsatzbestimmung<br />

des § 574 Abs. 2 ZPO n.F. über § 4 InsO auf die<br />

Rechtsbeschwerde des § 7InsOn.F.lässt sich nur mit einem<br />

offenen Bekenntnis der Flickschusterei des bisherigen<br />

§ 7 InsO als Anknüpfungspunkt für eine sachgerechte<br />

Auslegung rechtfertigen: § 7 InsO a.F. war verfehlt.<br />

Neben der „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“<br />

hätten schon in der Altfassung die vorrangigen<br />

Voraussetzungen „rechtgrds. Bedeutung“ und „Fortbildung<br />

des Rechts“ berücksichtigt werden müssen. Nur auf<br />

diese Weise wäre eine vollständige, funktionsgerechte<br />

Gestaltung und Anwendung der Rechtsbeschwerde im<br />

Insolvenzverfahren gewährleistet worden. Diese umfassende<br />

Gestaltung der Rechtsbeschwerde hätte sich dem<br />

Gesetzgeber geradezu aufdrängen müssen, da schon z.Zt.<br />

der Entstehung der InsO andere Gesetzesbestimmungen<br />

mit der „Dreiklang“-Struktur als beispielhafte Muster<br />

zur Verfügung standen, z.B. § 73 Abs. 2 GWB und § 83<br />

Abs. 2 MarkenG.<br />

Da inzwischen durch § 574 Abs. 2 ZPO n.F. die „Dreiklang“-Struktur<br />

auch in der ZPO verankert ist, erübrigt<br />

sich die an sich unabweisbar notwendige ausdrückliche<br />

Korrektur des durch Auslassungen missgestalteten § 7<br />

InsO a.F. Über § 4 InsO besteht die Möglichkeit, sich des<br />

§ 574 Abs. 2 ZPO n.F. zu bedienen. Wegen der Bedienungsmöglichkeit<br />

kann sogar der Gesamttext des § 7<br />

InsO auf den einzigen Satz reduziert werden:„ ... findet<br />

die Rechtsbeschwerde statt.“<br />

Um dieAusgangsfrage „genialer Federstrich mit Schlupfloch<br />

?“ zu beantworten: Die Frage ist zu verneinen. Richtig<br />

ist nur, von einem „Gnadenakt“ mit Schlupfloch zu<br />

sprechen.<br />

Immerhin ist als positives Zwischenergebnis festzuhalten,<br />

dass durch die Anwendbarkeit des § 574 Abs. 2 ZPO<br />

n.F. mit seinem Struktur-„Dreiklang“ der alte „Missklang“<br />

des § 7 InsO a.F. beseitigt ist. Dieser Erfolg<br />

ist gewichtiger Natur; er lässt sich nicht als „Inhaltliche-<br />

Etwas-Erleichterung“ 17 herunterspielen. Allerdings<br />

bleibt ein fader Beigeschmack. Wie bereits ausgeführt<br />

(s.o.I.2.),steht§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. in den eigenen<br />

Reihen der ZPO wie ein „begossener Pudel“ da. Er<br />

kommt ernsthaft nur im Bereich der InsO zu Ehren, ein<br />

Kuriosum fragwürdiger Art. 18<br />

2. Viele Fragen, viele Zweifel<br />

Ist auch die Flickschusterei der Altfassung des § 7InsO<br />

inzwischen durch die Anwendbarkeit des § 574 Abs. 2<br />

ZPO n.F. beseitigt, so kommt es jedoch zu Beeinträchtigungen<br />

der InsO-Rechtsbeschwerde durch Schwächen<br />

des neuen ZPO/GVG – Systems der Rechtsbeschwerde,<br />

die mit „Domino-Effekt“über § 4 InsO auf die Rechtsbeschwerde<br />

des § 7 InsO n.F. durchschlagen:<br />

a) Der „Quantensprung“<br />

Nach In-Kraft-Treten des ZPO-RG am 1.1.2002 ist grds.<br />

der BGH für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde<br />

zuständig (§ 133 GVG n.F.), also auch über die des § 7<br />

InsO n.F. Das großangelegte Reformanliegen, das eine<br />

Zuständigkeitskonzentration u.a. für Erst-Beschwerden<br />

gegen Entscheidungen des AG und LG beim OLG herstellen<br />

will (s.o. I. 1.), ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 1a, b, c<br />

und Nr. 2 GVG n.F. vorerst nur ansatzweise in einigen<br />

Fällen verwirklicht. Für die in § 119 Abs. 1 GVG n.F.<br />

nicht aufgenommene (sofortige) Beschwerde in Insolvenzsachen<br />

(§ 6 InsO n.F.) gilt daher auch weiterhin die<br />

Entscheidungskompetenz des LG (§ 72 GVG n.F.), wenn<br />

nicht die legislative Ausnahmeregelung in § 119 Abs. 3 –<br />

6 GVG n.F. zum Zuge kommt (s.o. I. 1.). Die Rechtsbeschwerde<br />

des § 7 InsO n.F. ist also einem „Quantensprung“<br />

vom LG zum BGH ausgeliefert, der missliche<br />

Folgen hat:<br />

(1) Das OLG als „Bauernopfer“<br />

Den OLG wird in beträchtlichem Umfang die Entscheidungskompetenz<br />

in Beschwerdesachen genommen. Das<br />

gilt zunächst – allerdings nicht flächendeckend – für<br />

Rechtsbeschwerden, also auch für diedes§ 7InsOn.F.,<br />

so dass in diesem Bereich die „unübersehbare rechtsgestaltende<br />

Wirkung der OLG und der grds. Charakter der<br />

Entscheidungen der OLG“ 19 beendet sind.<br />

In einigen Sekundärfällen bleiben die OLG jedoch<br />

Rechtsbeschwerdegericht, z.B. in den Kostenfällen des<br />

§ 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO und des § 14 Abs. 3 Satz 3<br />

und Satz 4, Abs. 5 Satz 2 KostO. Dieser partielle Kompetenzerhalt<br />

wird die OLG allerdings im Hinblick auf ihre<br />

ausgeprägte Aversion gegenüber „Nebensächlichkeiten“<br />

und „Bagatellen“ 20 nicht den wesentlich gewichtigeren<br />

Kompetenzverlust verschmerzen lassen.<br />

Den OLG wird aber auch weitgehend, was die Entscheidungen<br />

derAG angeht, insbesondere auch die Entscheidungen<br />

der AG als Insolvenzgerichte, die versprochene Kompetenz<br />

als Erst-Beschwerdegericht vorenthalten; sie sind<br />

insoweit nur Beschwerdegericht im „einstweiligen Ruhestand“<br />

mit der vagen Hoffnung auf eine Reaktivierung mit<br />

Hilfe des § 119 Abs. 3 – 6 GVG n.F. (hierzu s.o. I.1.).<br />

Dass den OLG die Kompetenz in Erstbeschwerden weitgehend<br />

vorenthalten wird, speziell in Insolvenzsachen,<br />

ist nicht sachgerecht. Der „Quantensprung“ der Rechtsbeschwerde<br />

vom LG zum BGH hat schädliche Folgen,<br />

17 So Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729.<br />

18 Etwaigen Gegenargumentierern, die eine „hauseigene“ ZPO-Bedeutung des<br />

§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. mit der partiell zulässigen Rechtsbeschwerde in<br />

– sic! –“Schiedsverfahren“ nach § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. zu konstruieren<br />

versuchten, könnte mit Gelassenheit entgegengesehen werden.Das gilt<br />

auch für eine angebliche Bedeutung des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. für<br />

Rechtsbeschwerden in „hausfremden“ Verfahren, z.B. §§ 101 Abs. 2, 102<br />

ZVG n.F., § 284 Abs. 9 AO n.F. sowie in den 5 Verordnungs- und 9 Gesetzesfällen,<br />

aufgeführt im BGBl. I 2001, Art. 16 – 29, S. 1910 – 1914, z.B. Art. 28,<br />

S. 1913: „Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Vertrages v. 19.7.1966<br />

zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik<br />

über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher<br />

Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit,<br />

§ 5Abs.4Satz1,§ 9Abs.2Satz4:“ ... unterliegt<br />

der Beschwerde nach den §§ 567–577 der ZPO.“<br />

19 So Pape, FS Uhlenbruck, 2000, S. 49, 51, 63; ders., NJW 2001, 23.<br />

20 So z.B. OLG Stuttgart, DZWIR 2000, 109, 111; vgl. auch Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001,<br />

446, 447, 449.


Aufsätze<br />

die durch einen Instanzenzug vom OLG zum BGH vermieden<br />

werden könnten:<br />

(2) Die Leerformel „Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“<br />

Hat man gerade mit Müh und Not die Anwendbarkeit des<br />

§ 574Abs. 2 ZPO n.F. mit seinem Struktur-„Dreiklang“–<br />

„rechtsgrds. Bedeutung“ oder „Fortbildung des Rechts“<br />

oder „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ –<br />

auf die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO n.F. gerechtfertigt<br />

(s.o. III. 1.), so macht nunmehr der „Quantensprung“ der<br />

Rechtsbeschwerde vom LG zum BGH die alternative Zulässigkeitsbegründung<br />

„Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“ weitgehend zu einer inhaltsleeren Farce:<br />

Der Beschwerdeführer der Rechtsbeschwerde des § 7<br />

InsO n.F. und auch anderer gesetzlich statthafter Rechtsbeschwerden<br />

hat nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F. die<br />

Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO n.F.<br />

konkret darzulegen. Hierzu wird er, solange die LG für<br />

die Entscheidungen über die Erst-Beschwerde zuständig<br />

sind, i.d.R. von vornherein nicht in der Lage sein, soweit<br />

es um die Alternative „Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“ geht. Wären die OLG für dieErstbeschwerde<br />

zuständig, entständen keine ins Gewicht<br />

fallenden Schwierigkeiten für die Beschwerdeführer,<br />

da die OLG-Entscheidungen weitestgehend für die interessierte<br />

Öffentlichkeit dokumentiert werden (Entscheidungssammlungen<br />

und Fachzeitschriften). Das ist aber<br />

für Entscheidungen der LG i.d.R. gerade nicht der<br />

Fall, so dass dem Beschwerdeführer ein Aufspüren von<br />

Divergenzfällen, die er zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde<br />

verwenden könnte, kaum möglich sein<br />

wird.<br />

Nach allem ist bei realistischer Betrachtung eine Rechtsbeschwerdebegründung<br />

mit der Alternative „Sicherung<br />

einer einheitlichen Rechtsprechung“, solange das LG für<br />

die Erstbeschwerde zuständig ist, i.d.R. aussichtslos.<br />

Übrig bleibt nur eine Rechtsbeschwerde mit der „Zweiklang“-Begründung<br />

„rechtsgrds. Bedeutung“ oder<br />

„Fortbildung des Rechts“. Es entbehrt nicht einer gewissen<br />

Tragikomik, dass ausgerechnet die Variante lahmgelegt<br />

ist, die § 7 InsO a.F. versehentlich als „einzig wahre“<br />

einer Normierung für würdig befunden hatte.<br />

In der Vergangenheit stand der „Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“ nichts im Wege, da die Rechtsprechung<br />

der OLG als Rechtsbeschwerdegerichte für<br />

die Öffentlichkeit transparent war – mit indirekter Offenbarung<br />

der LG-Erstbeschwerde-Rechtsprechung –<br />

und in Divergenzfällen nach § 7 Abs. 2 InsO a.F. eine<br />

Vorlage an den BGH erfolgte.<br />

b) Die Kaiser-Franz-Sentenz: „Schau'n mer mal“<br />

Im Zeitalter des globalen „Anything goes“ grassieren<br />

auch legislative Unsitten. Eine neue, vierte Unsitte ist die<br />

„Probierküchenmentalität“, legalisiert in § 119 Abs. 3 – 6<br />

GVG n.F. (hierzu s.o. I. 1.).<br />

In jüngster Vergangenheit sind bereits drei Unsitten auf<br />

den Plan des InsO-Gesetzgebers getreten:<br />

1086 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

(1) Von der Gewaltenteilung zur Gewaltenverschiebung<br />

Mehrere im RegE-InsO vorgesehene Bestimmungen sind im Lauf<br />

des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden. Die Begründungsfloskel<br />

des Gesetzgebers lautete: „Problemlösung wird der<br />

Rechtsprechung überlassen.“ 21<br />

Hiermit wird eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verantwortungsflucht<br />

legalisiert: Kompetenzverzicht durch Kompetenzdelegierung.<br />

(2) Vom Justizgewährungsanspruch zum<br />

Schadensersatzanspruch<br />

Im InsO-Gesetzgebungsverfahren sind mehrere Normierungen unterblieben<br />

mit dem Hinweis, anderweitige Rechtspflichten sowie<br />

Schadensersatzansprüche bei Verletzung dieser Pflichten reichten<br />

zum wirksamen Rechtsschutz aus. 22 Auch hier kommt es zu einer<br />

verfassungsrechtlich bedenklichen Verantwortungsflucht: Kompetenzverzicht<br />

durch Kompetenzeliminierung.<br />

(3) Der legislative Flatterkurs<br />

Der Gesetzgeber beeilt sich geflissentlich, möglichst jeder Kritik<br />

nachzugeben, wenn und sooft der Ruf nach dem Gesetzgeber zur<br />

Abhilfe erschallt. 23 Das führt zu einem legislativen Rückgratschwund.<br />

Mit der in § 119Abs. 3–6GVGn.F.verankerten„Kaiser-<br />

Franz-Sentenz“ ist ein neuer Tiefpunkt erreicht:<br />

Die interlegislative Gewaltenverschiebung von der Bundes-<br />

auf die Landesgesetzgebung mit der völlig offenen<br />

Umsetzung in der Rechtspraxis, das Novum des legislativen<br />

Experimentierzwecks, die legislative Zeitbeschränkung<br />

für einen Versuchszeitraum bis zum Verfallsdatum<br />

31.12.2007 und die legislative zweistufige Erfahrungsund<br />

Erkenntnis-Unterrichtungserwartung bis zum<br />

1.1.2004 und 1.1.2006 haben eine Mixtur zur Folge, die<br />

als legislatives Unikum mit den altvertrauten und bewährten<br />

Vorstellungen über Sinn, Zweck und Aufgaben einer<br />

ernst zu nehmenden Gesetzgebung nicht in Einklang zu<br />

bringen ist.<br />

IV. Ergebnis<br />

Die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO a.F. war ein unzulängliches<br />

Flickwerk. DieAltfassung normierte neben der<br />

begriffsimmanenten Voraussetzung einer Rechtsverletzung<br />

als Zusatzvoraussetzung lediglich die „Sicherung<br />

einer einheitlichen Rechtsprechung“, die Vermeidung einer<br />

Entscheidungsdivergenz.<br />

Als positives Ergebnis zur Neufassung des § 7InsOist<br />

festzuhalten, dass nunmehr die missglückte Altfassung<br />

saniert ist. Über § 4InsOist,wennauchmitBegründungszwang<br />

und nicht automatisch, die Anwendbarkeit<br />

des § 574 Abs. 2 ZPO n.F. gerechtfertigt. Somit ist<br />

ein sachgerechter „Dreiklang“ der alternativen Zusatzvoraussetzungen<br />

der Rechtsbeschwerde normiert –<br />

„rechtsgrds. Bedeutung“ oder „Fortbildung des Rechts“<br />

oder „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“.<br />

Ferner ist als positiv zu werten, dass mit der Abschaffung<br />

der Altfassung des § 7 InsO auch die verfehlte, nicht<br />

21 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2000, 177 f. m.w.N.<br />

22 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2000, 178 f.<br />

23 Henckel, ZIP 2000, 2045, 2050; Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446, 452.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1087<br />

<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

nachvollziehbare Rechtsprechung der OLG zur sog.<br />

Identitätsthese –„Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“<br />

= „rechtsgrds. Bedeutung“ –erledigt ist.<br />

Schließlich ist auch die Regelung sachgerecht, dass künftig<br />

für Rechtsbeschwerden, auch fürdiedes§ 7InsOn.F.,<br />

nach § 133 GVG n.F. i.d.R. der BGH zuständig ist und<br />

nicht mehr das OLG. Dem grds. Rechtsmittelmodell, das<br />

auf eine Zuständigkeitskonzentration für (Berufungen<br />

und) Beschwerden beim OLG (§ 119 GVG n.F.) abzielt,<br />

ist ebenfalls zuzustimmen.<br />

Allerdings sind auch Mängel zu beklagen:<br />

Durch die Anwendbarkeit des § 574Abs. 2 ZPO n.F. über<br />

§ 4InsOauf§ 7 InsO n.F. entsteht der Eindruck, als ob<br />

sich der „Dreiklang“ der alternativen Zusatzvoraussetzungen<br />

einschränkungslos auf alle Rechtsfragen erstreckt<br />

(§§ 576, 546 ZPO n.F.), die eine der drei Zusatzvoraussetzungen<br />

erfüllen. Das ist aber, soweit die Rechtsbeschwerde<br />

der InsO betroffen ist, fraglich. Die gleiche<br />

Problematik gab es bereits zu § 7InsOa.F. 24<br />

Auch für § 7 InsO n.F. ist eine einschränkendeAuslegung<br />

dahingehend geboten, dass es im Hinblick auf das untrennbar<br />

verzahnte Beschwerdesystem der §§ 6, 7 InsO<br />

a.F. und n.F. übereinstimmend und uneingeschränkt nur<br />

um insolvenzrechtsspezifische Rechtsfragen geht.<br />

Einen besonders schwerwiegenden Mangel bewirkt der<br />

für noch nicht absehbare Zeit geltende „Quantensprung“<br />

der Rechtsbeschwerde des § 7 InsO n.F. vom LG zum<br />

<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

BGH, da das für die Erstbeschwerde des § 6InsOn.F.an<br />

sich auserkorene OLG noch in den „einstweiligen Ruhestand“<br />

versetzt ist. Die schädliche Folge ist die, dass die<br />

Zulässigkeitsalternative „Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung“ vorerst eine Leerformel darstellt (s.o.<br />

III. 2. a) (2)).<br />

Um in den an sich unziemlichen „Ruf nach dem Gesetzgeber“<br />

25 ausnahmsweise durch Notstand gerechtfertigt<br />

einzustimmen, sei der dringende Wunsch geäußert, § 119<br />

Abs.1Nr.1a,b,cGVGn.Fmöge zügig wie folgt ergänzt<br />

werden: „ ... d) in Insolvenzsachen;“. Dann wäre die<br />

Kompetenz des OLG als Erstbeschwerdegericht aktiviert.<br />

Andernfalls gibt es lediglich die vage Hoffnung auf die<br />

Inanspruchnahme der an sich negativ zu bewertenden<br />

„Probierküchenmentalitäts“-Kompetenz (s.o. III. 2. b) in<br />

§ 119 Abs. 3 – 6 GVG n.F. durch die Gesetzgebung der<br />

Bundesländer. 26<br />

Nach allem bleibt ein hoffnungsvoller Blick auf das „Kölner<br />

Grundgesetz“ 27 mit seiner gesunden Mischung aus<br />

Resignation und Zuversicht:<br />

„Was willst du machen? Es kommt wie es kommt! Es hat<br />

noch immer gut gegangen!“<br />

24 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446, 449 ff.<br />

25 S.o. Fn. 23.<br />

26 Wenn das praktiziert werden sollte, dann aber flächendeckend in allen Bundesländern!<br />

Sonst entstehen neue Divergenzprobleme für die als Erstbeschwerdegerichte<br />

konkurrierenden LG und OLG.<br />

27 Urtext: „Watwellstemaache?Etkütt wie't kütt! Et hätt noch emmer joot<br />

jejange!“<br />

Die Änderung der §§ 6, 7 InsO zum 1. 1. 2002 durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses *<br />

von Richter am AG Ulrich Schmerbach, Insolvenzgericht Göttingen<br />

Der Änderung der InsO zum 1.12.2001 ist eine intensive<br />

Diskussion vorausgegangen. Nahezu unbemerkt hat das<br />

Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-Novelle)<br />

zum 1.1.2002 tiefgreifende Änderungen im Rechtsmittelsystem<br />

der InsO eingeführt. 1 Die Änderungen betreffen<br />

§ 6 InsO und im Wesentlichen § 7 InsO. Das eigenständige<br />

Verfahren der Zulassungsbeschwerde beim OLG<br />

mit der Vorlagemöglichkeit an den BGH ist entfallen. § 7<br />

InsO bestimmt nur noch, dass gegen Entscheidungen<br />

über die sofortige Beschwerde die Rechtsbeschwerde<br />

stattfindet. Die Einzelheiten richten sich nach den<br />

§§ 574 – 577 ZPO, in denen einheitlich anstelle der sofortigen<br />

weiteren Beschwerde das Institut der Rechtsbeschwerde<br />

eingeführt wird. Zuständig zur Entscheidung<br />

über die Rechtsbeschwerde ist der BGH, § 133 GVG.<br />

Über die Auswirkungen haben sich jüngst Kirchhof 2 und<br />

Pape 3 in dieser Zeitschrift geäußert. Die Praxis wird sich<br />

auf die neuen Vorschriften einstellen und mit ihnen arbeiten<br />

müssen. Im Folgenden sollen die ab dem 1.1.2002<br />

geltenden Änderungen und ihre Auswirkungen in der<br />

Praxis aufgezeigt und erläutert werden. Den Schwerpunkt<br />

nimmt die Darstellung der Änderung des § 7InsO<br />

ein. 4<br />

A. Änderung des § 6InsO<br />

Weggefallen ist die Vorschrift des § 6Abs.2Satz2InsO.<br />

Danach konnte das Insolvenzgericht der sofortigen Beschwerde<br />

abhelfen. Die ZPO schloss bei sofortigen Beschwerden<br />

dieAbhilfemöglichkeit aus, § 577Abs. 3 ZPO<br />

a.F. Die einfache Beschwerde ist entfallen. Die ZPO sieht<br />

nur noch die sofortige Beschwerde vor, § 567 Abs. 1<br />

ZPO; § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO führt generell eine Abhilfemöglichkeit<br />

ein.<br />

* §§-Angaben ohne Zusatz beziehen sich auf die ZPO, das GVG i.d.F. ab dem<br />

1.1.2002 und die InsO in der ab dem 1.12.2001 geltenden Fassung.<br />

1 BGBl. I 2001, 1887; Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines<br />

Gesetzes zur Reform des Zivilprozesse v. 24.11.2000, BT-Drucks. 14/4722.<br />

2 <strong>ZInsO</strong> 2001, 729.<br />

3 <strong>ZInsO</strong> 2001, 777.<br />

4 Wegen weiterer Einzelheiten s. FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl. 2001, §§ 6, 7.


<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

Hinsichtlich Frist und Form (§ 569 ZPO) ergeben sich<br />

keine Änderungen. Ausdrücklich geregelt sind nunmehr<br />

die Beschwerdefrist für den Fall nicht ordnungsgemäßer<br />

Zustellung, z.B. unter Verstoß gegen Formvorschriften, in<br />

§ 569Abs. 1 Satz 2 ZPO und dieAnschlussbeschwerde in<br />

§ 567 Abs. 3 ZPO. Ein Begründungszwang besteht nicht,<br />

bei § 571 Abs. 1 ZPO handelt es sich um eine Sollvorschrift.<br />

Wie bisher kann die Beschwerde auf neue Angriffs-<br />

und Verteidigungsmittel gestützt werden (§ 571<br />

Abs. 2 Satz 1 ZPO), allerdings können die Parteien des<br />

Beschwerdeverfahrens mit neuen Vortrag vor dem Beschwerdegericht<br />

präkludiert sein (§ 571Abs. 3 ZPO). Ein<br />

Anwaltszwang wurde bisher nur für denFalldermündlichen<br />

Verhandlung vor dem Beschwerdegericht bejaht. 5<br />

Nunmehr besteht kein Anwaltszwang mehr. Das Beschwerdegericht<br />

entscheidet aufgrund freigestellter<br />

mündlicher Verhandlung, § 572 Abs. 4 i.V.m. § 128<br />

Abs. 4 ZPO. Anwaltszwang besteht nicht, § 78 Abs. 3<br />

i.V.m. §§ 571 Abs. 4, 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.<br />

Beschwerdegericht ist das LG (§ 72 GVG) oder – aufgrund<br />

der bis zum 31.12.2007 befristeten sog. Experimentierklausel<br />

in § 119 Abs. 3 GVG – das OLG. Ist das OLG<br />

zuständig, hat das AG gem. § 119 Abs. 4 GVG in seinem<br />

Beschluss einen entsprechenden Hinweis aufzunehmen. 6<br />

Ob und in welchem Umfang die einzelnen Bundesländer<br />

von der Übertragung auf das OLG Gebrauch machen, ist<br />

noch unklar. 7 Über die Beschwerde entscheidet grds. der<br />

Einzelrichter (§ 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO) durch Beschluss<br />

(§ 572 Abs. 4 ZPO). Geschäftsplanmäßig empfiehlt sich<br />

eine Konzentration der Beschwerden in Insolvenzsachen<br />

im Dezernat eines Kammermitgliedes.<br />

Die Abhilfebefugnis besteht auch bei Entscheidungen außerhalb<br />

der InsO. Durch die in § 572 Abs. 1 ZPO vorgesehenen<br />

Abhilfebefugnis ist auch die frühere Streitfrage<br />

zu bejahen, dass das Insolvenzgericht bei Entscheidungen<br />

gem. § 91a ZPO abhilfebefugt ist. 8 Weiter ist klargestellt,<br />

dass der Rechtspfleger im Rahmen des § 11 Abs. 1<br />

RpflG abhilfebefugt ist. 9<br />

B. Änderung des § 7InsO<br />

I. Überblick<br />

Die sofortige weitere Beschwerde war bis zum In-Kraft-<br />

Treten der InsO zulässig, sofern die Entscheidung des Beschwerdegerichts<br />

einen neuen selbstständigen Beschwerdegrund<br />

enthielt (§ 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO, sog. Difformitätsprinzip);<br />

unabhängig davon war sie weiter zulässig bei<br />

Verfahrensverstößen. 10 § 7 Abs. 1 InsO a.F. schränkte die<br />

Möglichkeit der weiteren Beschwerde dadurch ein, dass<br />

eine Zulassung durch das OLG erforderlich war, die neben<br />

einer Gesetzesverletzung zurVoraussetzung hatte, dass die<br />

Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung geboten war. Nach dem Willen<br />

des Gesetzgebers sollte durch die Verminderung der<br />

Rechtsmittel die Entlastung der Gerichte, aber auch die<br />

Straffung des Insolvenzverfahrens erfolgen. 11 Andererseits<br />

sollten durch die Regelung in § 7Abs.2InsOa.F.die<br />

bislang fehlenden Voraussetzungen für eine einheitliche<br />

Rechtsprechung in Insolvenzsachen geschaffen werden. 12<br />

1088 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

Der Forderung nach einer großzügigen Zulassung 13 kamen<br />

die OLG im Wesentlichen nach. 14 Im Zweifel<br />

erfolgte die Zulassung. 15<br />

Durch die ZPO-Änderung zum 1.1.2002 ist in § 7InsO<br />

lediglich noch geregelt, das gegen Beschwerdeentscheidungen<br />

die Rechtsbeschwerde statthaft ist. Die Einzelheiten<br />

richten sich nach den §§ 574 – 577 ZPO. Die Rechtsbeschwerde<br />

ist nunmehr statthaft, ohne dass es einer<br />

Zulassung bedarf, § 574Abs.1Nr.1ZPOi.V.m.§ 7<br />

InsO.Allerdings kann das Rechtsbeschwerdegericht gem.<br />

§ 577 Abs. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde als unzulässig<br />

verwerfen, wenn die zwingend erforderliche Begründung<br />

der Rechtsbeschwerde nicht die Angaben gem. § 575<br />

Abs. 3 ZPO enthält. Die bislang zu § 7a.F.ergangene<br />

Rechtsprechung kann (teilweise) herangezogen werden.<br />

Die Zulassungsbeschwerde zum OLG (§ 7Abs.1a.F.)<br />

und die Vorlagepflicht zum BGH (§ 7 Abs. 2 InsO a.F.) ist<br />

damit entfallen. Über die Rechtsbeschwerde entscheidet<br />

der BGH, § 133 GVG. Dies bedeutet eine erhebliche<br />

Mehrarbeit für den BGH, dem bislang nur zwei Fälle gem.<br />

§ 7 Abs. 2 InsO a.F. vorgelegt wurden. In einem Fall wurde<br />

dieVorlage als unzulässig angesehen, 16 im anderen Fall<br />

erging eine Entscheidung. 17 Andererseits entfällt die Vielzahl<br />

von häufig im Ergebnis gleich lautenden OLG-Entscheidungen,<br />

die Übersichtlichkeit wird gefördert.<br />

Bei Entscheidungen des Insolvenzgerichts außerhalb des<br />

Insolvenzverfahrens kommt eine Rechtsbeschwerde nach<br />

Maßgabe der §§ 574 ff. ZPO in Betracht. In diesen Fällen<br />

handelt es sich um eine Zulassungsbeschwerde, § 574<br />

Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde<br />

bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 574<br />

Abs. 2 ZPO zuzulassen, § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das<br />

Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden,<br />

§ 574 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Eine Verwerfung als unzulässig<br />

kann in diesen Fällen gem. § 577 Abs. 1 ZPO erfolgen,<br />

wenn die Voraussetzungen des § 575 ZPO, insbesondere<br />

des § 575 Abs. 3 ZPO, nicht vorliegen.<br />

Auf diesem Weg kann eine einheitliche Rechtsprechung<br />

z.B. bei den streitigen Fragen der Bewilligung von PKH<br />

für den Insolvenzverwalter herbeigeführt werden. 18 Differieren<br />

verschiedene BGH-Senate, sind der Grosse Senat<br />

in Zivilsachen oder die Vereinigten Senate anzurufen,<br />

§ 132 GVG.<br />

5 FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl., § 6 Rn. 25.<br />

6 Hartmann, NJW 2001, 2577, 2588.<br />

7 Einzelheiten zu den Übertragungsmöglichkeiten bei Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777,<br />

778 f.<br />

8SoLGGöttingen, ZIP 2000, 32 mit abl. Anm. Holzer EWiR 2000, 297;<br />

wohl auch OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2001, 420, 422; HK-InsO/Kirchhof, § 6 Rn. 23;<br />

a.A. LG Meiningen, ZIP 2000, 1451 mit zust. Anm. Schmerbach, EWiR 2000,<br />

1063, 1064.<br />

9 BT-Drucks. 14/4722, S. 114.<br />

10 Thomas/Putzo, ZPO, § 568 Rn. 13.<br />

11 BT-Drucks. 12/7302, S. 155.<br />

12 BT-Drucks. 12/2443, S. 110.<br />

13 FK-InsO/Schmerbach, § 7 Rn. 1; BK-Goetsch, § 7 Rn. 14.<br />

14 Ebenso Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 34 Rn. 2; Entscheidungsübersicht<br />

über die Rechtsprechung der OLG zuletzt bei Pape, <strong>ZInsO</strong>-Beilage 2/2001.<br />

15 Pape. NJW 2001, 23, 24.<br />

16 BGH, <strong>ZInsO</strong> 2000, 280: Insolvenzkostenhilfe.<br />

17 BGH, ZIP 2001, 296: Vergütung vorläufiger Insolvenzverwalter.<br />

18 S. etwa FK-InsO/Schmerbach, § 26 Rn. 27 ff.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1089<br />

<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

II. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />

1. Statthaftigkeit<br />

a) Voraussetzung für die Zulassung der sofortigen weiteren<br />

Beschwerde war gem. § 7Abs.1InsOa.F.einAntrag.<br />

Nunmehr ist die Rechtsbeschwerde ohne Antrag zulässig<br />

gem. § 574Abs.1Nr.1ZPOi.V.m.§ 7InsO.Es<br />

bestehen allerdings weitere Zulässigkeitserfordernisse<br />

insbesondere gem. § 575 Abs. 3 ZPO (s.u. 4).<br />

b) Antragsberechtigt ist nur, wer durch die Entscheidung<br />

des Beschwerdegerichts beschwert ist. 19 Weiter muss das<br />

Rechtsschutzbedürfnis vorliegen, das fehlt, wenn die<br />

nachzuprüfende Entscheidung verfahrensmäßig überholt<br />

ist. 20 In diesen Fällen bleibt die Möglichkeit einer Kostenentscheidung<br />

wegen Erledigung der Hauptsache gem.<br />

§ 91a ZPO. 21 Das Rechtsschutzinteresse besteht fort,<br />

wenn die Beschwerde von der Fortdauer des Insolvenzverfahrens<br />

unabhängig ist wie bei der Festsetzung der<br />

Vergütung. 22 Dagegen wird das Rechtsschutzinteresse<br />

gerade bei derAnordnung von Sicherungsmaßnahmen im<br />

Eröffnungsverfahren häufig im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens<br />

wegfallen. Das Rechtsschutzinteresse füreine<br />

Beschwerde gegen eine vorläufige Postsperre gem. § 21<br />

Abs.2Nr.4InsOentfällt mit der Eröffnung des Verfahrens.<br />

23 Fraglich ist, ob und inwieweit unter dem Gesichtspunkt<br />

eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffes 24<br />

der Rechtsbehelf zulässig bleiben kann, weil sich die<br />

Tragweite der Entscheidung nach dem typischen Verfahrensablauf<br />

auf eine Zeitspanne beschränkt, in der<br />

eine Überprüfung der Entscheidung regelmäßig nicht erfolgen<br />

kann. 25 Ansätze dazu finden sich in der Rechtsprechung.<br />

26<br />

c) Durch die Neuregelung sind bisherige Streitfragen<br />

geklärt worden. Streitig war zunächst die Anwendbarkeit<br />

des § 7InsOa.F.beiderÜberprüfung derVergütungsfestsetzung<br />

gem. § 64 Abs. 3 InsO. Teilweise wurde die Vorschrift<br />

des § 568Abs.3ZPOa.F.für anwendbar gehalten.<br />

27 Diese Frage ist überholt, die Vorschrift des § 568<br />

Abs. 3 ZPO a.F. ist ersatzlos gestrichen.<br />

Unter Geltung des § 7 InsO a.F. wurde weiter überwiegend<br />

weiter gefordert, dass die Erstbeschwerde gem. § 6<br />

Abs. 1 InsO statthaft war. 28 Hintergrund des Streites war<br />

die Frage, ob gegen PKH ablehnende Beschwerdeentscheidungen<br />

der LG in Verbraucherinsolvenzverfahren<br />

eine weitere Beschwerdemöglichkeit gem. § 568 Abs. 2<br />

Satz 1 ZPO a.F. nicht bestand oder § 7InsOa.F.den<br />

Rechtsweg zum OLG und ggf. zum BGH eröffnen konnte.<br />

Der BGH verneinte dies. 29 Durch die Einführung des<br />

sog. Stundungsmodelles und insbesondere der Beschwerdemöglichkeit<br />

in § 4d InsO hat die Frage an praktischer<br />

Bedeutung verloren. Gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist die<br />

Rechtsbeschwerde zum BGH gem. § 133 GVG statthaft.<br />

PKH-Anträge von Gläubigern sind weiterhin denkbar, 30<br />

ebenso von Schuldnern bei Gläubigeranträgen, 31 im eröffneten<br />

Verfahren32 und für dieDurchführung von Beschwerdeverfahren.<br />

In diesen FällenkanndasBeschwerdegericht<br />

gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde<br />

– für den BGH bindend gem. § 574 Abs. 3<br />

Satz 2 ZPO – zulassen.<br />

2. Frist<br />

Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem<br />

Monat seit Zustellung der Beschwerdeentscheidung<br />

einzulegen (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und auch zu begründen<br />

(§ 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO), und zwar bei dem<br />

Rechtsbeschwerdegericht (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die<br />

Frist zur Begründung kann gem. § 575 Abs. 2 Satz 3<br />

i.V.m. § 551Abs. 2 Satz 5, Satz 6 ZPO verlängert werden.<br />

Eine Anschlussrechtsbeschwerde ist nach Maßgabe des<br />

§ 574 Abs. 4 ZPO zulässig.<br />

3. Form<br />

a) Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten die<br />

Bezeichnung der Entscheidung, gegen die Rechtsbeschwerde<br />

eingelegt wird (§ 575 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO),<br />

und die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung<br />

Rechtsbeschwerde eingelegt wird (§ 575 Abs. 1 Satz 2<br />

Nr. 2 ZPO). Die Vorschrift entspricht §§ 519 Abs. 2, 549<br />

Abs. 1 Satz 2 ZPO. Es wird für dieErklärung genügen,<br />

das sich aus der Rechtsbehelfsschrift konkludent ergibt,<br />

dass Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Die frühere<br />

Rechtsprechung zum Zulassungsantrag gem. § 7Abs.1<br />

a.F. lässt sich ergänzend heranziehen. 33 Weiter soll eine<br />

Ausfertigung oder beglaubigte Ablichtung der angefochtenen<br />

Entscheidung vorgelegt werden (§ 575 Abs. 1<br />

Satz 3 ZPO). Das Rechtsbeschwerdegericht soll so frühzeitig<br />

bereits vor Eintreffen der Akten (s.u. 5) über den<br />

Rechtsmittelinhalt in Kenntnis gesetzt werden. 34<br />

b) Für den Zulassungsantrag beim OLG gem. § 7Abs.1<br />

InsO a.F. war anerkannt, dass kein Anwaltszwang bestand.<br />

35 Zur Begründung wurde auf § 569 Abs. 2 Satz 2<br />

ZPO a.F. verwiesen. Dessen Inhalt übernimmt § 569Abs. 3<br />

Nr. 1 ZPO. Teilweise wird angenommen, das beim AG<br />

beginnende Insolvenzverfahren sei nicht als Anwaltsprozess<br />

zu führen, ein Anwaltszwang bestehe nicht. 36<br />

19 FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 8, 8a sowie § 34 Rn. 13 ff.<br />

20 Zöller/Gummer, ZPO, § 567 Rn. 12; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 9.<br />

21 HK-InsO/Kirchhof, § 6Rn.19.<br />

22 HK-InsO/Kirchhof § 6Rn.19.<br />

23 OLG Köln, ZIP 2000, 1221, 1222 = EWiR 2000, 829 = DZWiR 2000, 203<br />

mit krit. Anm. Thiemann; HK-InsO/Kirchhof, § 6Rn.19;MünchKomm/<br />

Ganter, InsO, § 6Rn. 35;kritischKübler /Prütting/Pape, InsO, § 20 Rn. 16c.<br />

24 So Kübler /Prütting/Pape, InsO, § 20 Rn. 16c.<br />

25 So MünchKomm/Ganter, InsO, § 6Rn.36.<br />

26 Das KG, <strong>ZInsO</strong> 2001, 411, 412 bejaht die Anfechtbarkeit einer Entscheidung<br />

der Gläubigerversammlung nach § 78 InsO trotz Vollzuges der in dem Beschluss<br />

genehmigten BetriebsveräußerungimHinblickaufeinemögliche<br />

Haftung des Verwalters gem. § 60 InsO.<br />

27 Hoffmann, NZI 1999, 425 f., 430; a.A. BGH, ZIP 2001, 296, 297.<br />

28 BGH, ZIP 2000, 755 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 280 mit abl. Anm. Pape; HK-InsO/<br />

Kirchhof, § 7 Rn. 5; a.A. OLG Frankfurt, NZI 2000, 137; OLG Frankfurt,<br />

NZI 2000, 531; Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 4b; Pape, NJW 2001, 23, 26.<br />

29 BGH, ZIP 2000, 755 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 280 mit abl. Anm. Pape; a.A. OLG<br />

Karlsruhe, ZIP 2000, 465 = EWiR 2000, 343 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 280 mit zust.<br />

Anm. Pape im Vorlagebeschluss an den BGH.<br />

30 FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 77, 81 ff.<br />

31 FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 94.<br />

32 FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 78.<br />

33 Vgl. BayObLG, ZIP 2000, 320, 321 = EWiR 2000, 447; OLG Köln, NZI 2000,<br />

78 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 43; OLG Köln, NZI 2000, 80; OLG Köln, ZIP 2000, 280,<br />

281; OLG Celle, ZIP 2000, 706, 707; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 34 Rn. 3.<br />

34 BT-Drucks. 14/4772, S. 117.<br />

35 BGH, ZIP 2001, 296, 297; OLG Köln, ZIP 1999, 1929, 1930 = NZI 1999,<br />

494 = <strong>ZInsO</strong> 1999, 658; OLG Schleswig, NZI 2000, 165; OLG Celle, ZIP<br />

2000, 706, 707; HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.8:Kübler/Prütting, InsO, § 7<br />

Rn. 6, 20; a.A. BK-Goetsch, § 7 Rn. 9.<br />

36 So Sternal, NZI aktuell Heft 9, V, linke Spalte.


<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

Dafür ließesichanführen, dass gem. § 575 Abs. 4 Satz 1<br />

ZPO die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden<br />

Schriftsätze anwendbar sind und damit auch<br />

§ 129a ZPO, der Anträge und Erklärungen zu Protokoll<br />

jeden AG zulässt. § 575 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt jedoch,<br />

dass die Rechtsbeschwerde durch Einreichung einer<br />

Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht<br />

einzulegen ist. Fasst man diese Vorschrift als Spezialregelung<br />

auf und bedenkt, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren<br />

dem Revisionsverfahren nachempfunden ist, 37 so<br />

kann die Rechtsbeschwerde formwirksam nur durch<br />

einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt<br />

werden. Im Einzelnen wird verwiesen auf den Beitrag<br />

von Kirchhof. 38 I.Ü. gehen davon auch die im Anhörungsverfahren<br />

befindlichen Formulierungsvorschläge<br />

für Rechtsmittelbelehrungen in Zivilverfahren aus. 39<br />

c) I.Ü. finden die Vorschriften über die vorbereitenden<br />

Schriftsätze 40 Anwendung, § 575 7Abs. 4 Satz 1 ZPO.<br />

4. Begründung gem. § 575 Abs. 3 ZPO<br />

Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus<br />

§ 575 Abs. 3 ZPO. Die Begründung der Rechtsbeschwerde<br />

(zur Frist s.o. 2) muss enthalten:<br />

– Rechtsbeschwerdeanträge (§ 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO)<br />

– Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des<br />

§ 574 Abs. 2 ZPO (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO)<br />

– Angabe der Beschwerdegründe (§ 575 Abs. 3 Nr. 3<br />

ZPO).<br />

a) Rechtsbeschwerdeanträge (§ 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO)<br />

Die Vorschrift ist nachgebildet § 551Abs.3Nr.1ZPO.<br />

Die Anträge müssen in der Rechtsbeschwerdeschrift<br />

(§ 575 Abs. 1 ZPO) oder in der Rechtsbeschwerdebegründung<br />

(§ 575Abs. 2 ZPO) enthalten sein. Das Rechtsbeschwerdegericht<br />

prüft nur die gestellten Anträge, § 577<br />

Abs. 2 Satz 1 ZPO. Der Antrag muss erkennen lassen, ob<br />

der Beschluss im Ganzen oder z.T. angegriffen und welche<br />

Abänderung erstrebt wird. Es genügt, dass sich dies<br />

klar aus der Rechtsbeschwerdebegründung (§ 575 Abs. 2<br />

Satz 1 ZPO) ergibt. 41<br />

b) Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

des § 574 Abs. 2 ZPO (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO)<br />

aa) Allgemeines<br />

Die Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache<br />

grds. Bedeutung hat oder die Fortbildung des<br />

Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes<br />

erfordert. Die Vorschrift ist nachgebildet § 543 Abs. 2<br />

ZPO (ähnlich § 554 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.). Liegen die<br />

Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vor bzw.<br />

sind sie nicht dargelegt, wird die Beschwerde gem. § 577<br />

Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen (s.u. 5). Viele der an<br />

sich zulassungsfreien Rechtsbeschwerden werden an dieser<br />

Zulässigkeitsschranke scheitern. 42<br />

Die Rechtsfrage muss sich nicht auf das Gebiet des Insolvenzrechts<br />

beziehen. 43 Gegenstand der Entscheidung<br />

können daher z.B. auch Verfahrensverstößesein. 44 Unter<br />

Geltung von § 7 Abs. 1 InsO a.F. wurde gefordert, dass<br />

1090 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

die Rechtsfrage in dem früheren Verfahren entscheidungserheblich<br />

gewesen war und im vorliegenden Verfahren<br />

war. 45 Ein obiter dictum sollte nicht genügen. 46<br />

Diese Einschränkung entfällt in Anbetracht der ausgeweiteten<br />

Beschwerdemöglichkeiten in § 574 Abs. 2<br />

ZPO, insbesondere der grds. Bedeutung der Rechtssache<br />

und der Fortbildung des Rechtes. Die Entscheidung<br />

im konkreten Fall muss allerdings von der Rechtsfrage<br />

abhängen, also Entscheidungserheblichkeit vorliegen.<br />

bb) Verhältnis der Zulässigkeitsgründe untereinander<br />

Die Gesetzesbegründung zu § 574Abs. 2 ZPO 47 verweist<br />

auf die Parallelvorschrift des § 543 Abs. 2 ZPO. Der Begriff<br />

der grds. Bedeutung soll nicht auf die Elemente der<br />

Rechtsfortbildung und der Rechtsvereinheitlichung beschränkt<br />

werden. Es sollen die Fälle einer Entscheidung<br />

zugeführt werden, in denen über den Einzelfall hinaus ein<br />

allgemeines Interesse an einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes<br />

besteht. Dem Rechtsbeschwerdegericht<br />

sollen außerdem Leitentscheidungen zu Rechtsstreitigkeiten<br />

von allgemeiner Bedeutung möglich sein, so in<br />

Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundsätzen und offensichtlicher<br />

Unrichtigkeit der Beschwerdeentscheidung.<br />

48 Insbesondere bei § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird<br />

eine scharfe Trennung nicht möglich sein. Auf die zu § 7<br />

Abs. 1 Satz 1 a.F. zum Merkmal der Sicherung einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung ergangenen Entscheidungen<br />

kann zurückgegriffen werden.<br />

cc) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache<br />

(§ 574Abs.2Nr.1ZPO)<br />

Die wortgleiche Vorschrift des § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1<br />

ZPO a.F. diente der Wahrung der Rechtseinheit und Fortbildung<br />

des Rechtes. 49 Nach der Gesetzesbegründung zu<br />

§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss eine klärungsbedürftige<br />

Rechtsfrage vorliegen, deren Auftreten in einer unbestimmten<br />

Vielzahl von Fällen denkbar ist. Als klärungsbedürftig<br />

wird auch eine Rechtsfrage bezeichnet, wenn<br />

entweder die Instanzgerichte dem BGH weitgehend nicht<br />

folgen oder im Schrifttum ernst zu nehmende Bedenken<br />

gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung geäußert<br />

werden, um dadurch der Gefahr einer Rechtserstarrung<br />

entgegenzuwirken. 50 Auch das tatsächliche und wirtschaftliche<br />

Gewicht der Sache für die beteiligten Rechtskreise<br />

ist zu berücksichtigen. 51<br />

37 S. u. 4 c).<br />

38 In dieser Ausgabe S. 1073.<br />

39 Dort heißt esunterNr.2u.a.:„Die Rechtsbeschwerde kann nur durch einen<br />

beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden“.<br />

40 §§ 129–133 ZPO.<br />

41 Vgl. Zöller/Gummer, ZPO, § 554 Rn. 6.<br />

42 Ebenso Sternal, NZI aktuell Heft 9, V, linke Spalte.<br />

43 HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.33,35zu§ 7a.F.<br />

44 Vgl. BGH, ZIP 2000, 754, 755.<br />

45 OLG Naumburg, MDR 2000, 1131; Kübler/Prütting, InsO, § 7Rn.8.<br />

46 Kübler/Prütting, InsO, § 7Rn.8.<br />

47 BT-Drucks. 14/4722, S. 116.<br />

48 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />

49 Thomas/Putzo, ZPO, § 546 Rn. 19.<br />

50 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />

51 BT-Drucks. 14/4722, S. 105.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1091<br />

<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

dd) Fortbildung des Rechtes<br />

(§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. ZPO)<br />

Der Begriff der Fortbildung des Rechtes findet sich in<br />

§ 132 Abs. 4 GVG, § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, ferner in<br />

§ 74 Abs. 2 Nr. 2 GWB und § 116 Abs. 1 StVollzG. Nach<br />

der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift in § 543<br />

Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann ein Einzelfall Veranlassung geben,<br />

Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen<br />

des materiellen oder des Verfahrensrechtes aufzustellen<br />

oder Gesetzeslücken auszufüllen. 52 Die von der Rechtsprechung<br />

zu § 7 a.F. im Rahmen des Merkmales der Sicherung<br />

einer einheitlichen Rechtsprechung entwickelten<br />

Kriterien können verwandt werden.<br />

Aus der weiter verwertbaren Rechtsprechung zu § 7InsO<br />

a.F. ergibt sich folgendes: Bei höchstrichterlich noch<br />

nicht entschiedenen Rechtsfragen kann eine höchstrichterliche<br />

Entscheidung von vornherein verhindern, dass<br />

sich bei den unteren Gerichten eine unterschiedliche<br />

Rechtsprechung entwickelt. 53 Bei ungeklärten Rechtsfragen<br />

ist eine Nachprüfung geboten. 54 Es genügt die Abweichung<br />

zweier Entscheidungen der Beschwerdegerichte<br />

voneinander55 sowie abweichende Entscheidungen<br />

von Beschwerdegerichten und AG, ernstzunehmende<br />

abweichende Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum56<br />

oder unterschiedliche Auffassungen in der Literatur,<br />

57 solange sich noch keine gefestigte obergerichtliche<br />

Rechtsprechung entwickelt hat. 58 Es reicht sogar das Bedürfnis<br />

nach vorbeugender Klärung zur Vermeidung<br />

künftiger Differenzen. 59<br />

ee) Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

Der Begriff der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

findet sich in § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, § 74<br />

Abs. 2 Nr. 2 GWB und § 116 Abs. 1 StVollzG. Nach der<br />

Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift in § 543<br />

Abs. 2 Nr. 2 ZPO soll vermieden werden, das schwer erträgliche<br />

Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen<br />

oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche<br />

Bedeutung die Rechtsprechung im Ganzen hat. Diese<br />

Voraussetzungen liegen nicht vor bei einer Fehlentscheidung<br />

im Einzelfall selbst bei einem offensichtlichen<br />

Rechtsfehler. Dies ist erst der Fall bei einer Abweichung<br />

von der höchstrichterlichen Rechtsprechung i.d.S., dass<br />

diese nicht berücksichtigt wird und die Gefahr einer<br />

Wiederholung besteht. Weiter werden allgemeine Interessen<br />

nachhaltig berührt, wenn materielle oder formelle<br />

Fehler von erheblichen Gewicht und geeignet sind, das<br />

Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen, insbesondere<br />

bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten,<br />

namentlich auf rechtliches Gehör und objektiv willkürfreies<br />

Verfahren. 60<br />

Bei der Frage, ob ein Sicherungsbedürfnis vorliegt, sind<br />

verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden:<br />

(1) Befindet sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts<br />

im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung,<br />

so besteht kein Bedürfnis für eine Sachentscheidung<br />

des Rechtsbeschwerdegerichtes. Der Antrag ist als<br />

unzulässig gem. § 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verwerfen<br />

(s.o. 4 b aa).<br />

(2) Die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F.<br />

zum Merkmal der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />

hat folgende Grundsätze entwickelt: Geht es<br />

nicht um grds. Fragen, sondern um die Beurteilung eines<br />

Einzelfalles, ist eine Nachprüfung nicht geboten. 61<br />

Weicht das Beschwerdegericht allerdings bewusst von<br />

der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, liegt ein Sicherungsbedürfnis<br />

vor, weil auch in Zukunft mit Abweichungen<br />

zu rechnen ist. Bei unbewusster Abweichung ist<br />

zu überlegen, ob die Wiederholungsgefahr dadurch ausgeräumt<br />

wird, dass in dem die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />

gem. § 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO verneinenden<br />

Beschluss auf den Rechtsfehler hingewiesen wird. 62 In<br />

diesem Fall könnte es sich lediglich um einen Einzelfall<br />

handeln. Ein die Wiederholungsgefahr ausschließender<br />

Einzelfall liegt ferner vor, wenn die Fehlentscheidung einen<br />

Fall betrifft, der eine einmalige oder ganz ausgefallene<br />

Fallgestaltung zum Gegenstand hat. 63 In diesen Fällen<br />

bleibt die Möglichkeit einer Gegenvorstellung. 64<br />

(3) Auch bei der Gewichtung von Tatsachen handelt es<br />

sich um eine Entscheidung, für die die Rechtsbeschwerde<br />

nicht zur Verfügung steht. 65 Das Rechtsbeschwerdegerichtgehtgrds.vondemSachverhaltaus,dendasBeschwerdegericht<br />

festgestellt hat (s.u. III 2 a). Tatsächliche<br />

Würdigungen hat das Rechtsbeschwerdegericht nicht zu<br />

überprüfen. 66 Nicht genügen soll es, wenn der Beschwerdeführer<br />

lediglich einen anderen als den vom Beschwerdegericht<br />

festgestellten Sachverhalt behauptet und unter<br />

Beweis stellt. 67 Dies ist zweifelhaft, denn auch eine fehlerhafte<br />

Sachverhaltsfeststellung kann eine Gesetzesverletzung<br />

ergeben. Eine verfahrensfehlerhafte Feststellung<br />

von Tatsachen kann gem. § 575Abs.3Nr.3bZPOgerügt<br />

werden (s.u. c und III 2 a). Die Anwendung eines unbestimmten<br />

Rechtsbegriffes ist voll nachprüfbar. 68 Eine Ermessensausübung<br />

ist nur eingeschränkt nachprüfbar dahin,<br />

ob die rechtlichen Voraussetzungen für denErmessensgebrauch<br />

verkannt worden sind oder das Ermessen<br />

sonst rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. 69 Bei Zweifeln<br />

ist ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen. 70<br />

52 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />

53 Ebenso Pape, NJW 2001, 23, 25; ähnlich Nerlich/Römermann/Becker, § 7<br />

Rn. 20.<br />

54 OLG Celle, ZIP 2000, 706, 708 = EWiR 2000, 681; OLG Köln, ZIP 2000,<br />

760, 762; OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2000, 334, 335; OLG Köln, ZIP 2000, 2312,<br />

2313; HK-InsO/Kirchhof, § 7 Rn. 23; a.A. nur OLG Braunschweig, NZI<br />

2001, 259.<br />

55 OLG Zweibrücken, ZIP 2000, 1400, 1401.<br />

56 OLG Zweibrücken,NZI2000,373;OLGZweibrücken, NZI 2000, 535.<br />

57 OLG Frankfurt, NZI 2000, 531.<br />

58 OLG Jena, InVo 2000, 378, 379.<br />

59 OLG Dresden, NZI 2001, 261; KG, <strong>ZInsO</strong> 2001, 411, 412.<br />

60 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />

61 OLG Köln, ZIP 2000, 760, 762; OLG Zweibrücken, NZI 2000, 373, 374 =<br />

EWiR 2001, 169; OLG Brandenburg, <strong>ZInsO</strong> 2001, 75, 76; kritisch dazu<br />

Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446.<br />

62 So zur vergleichbaren Vorschrift des § 80 OWiG Göhler, OWiG, § 80 Rn. 8.<br />

63 HK-InsO/Kirchhof § 7Rn.24.<br />

64 OLG Celle NZI 2001, 147, 148; s. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 29.<br />

65 Vgl. OLG Zweibrücken, <strong>ZInsO</strong> 2000, 398; OLG Köln, ZIP 2000, 1900,<br />

1902; HK-InsO/Kirchhof, § 7 Rn. 24.<br />

66 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 456; OLG Zweibrücken, NZI 2000, 535.<br />

67 OLG Köln, ZIP 2000, 280, 281.<br />

68 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 456; HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.18.<br />

69 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 456; OLG Naumburg, <strong>ZInsO</strong> 2000, 562; HK-InsO/<br />

Kirchhof, § 7 Rn. 18.<br />

70 Vgl. KK-OwiG/Steindorf, § 80 Rn. 20.


<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

c) Angabe der Beschwerdegründe<br />

(§ 575Abs.3Nr.3ZPO)<br />

Die Vorschrift ist nachgebildet § 551Abs.3Nr.2ZPO<br />

(ähnlich § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO a.F.). Die Gesetzesbegründung<br />

stellt klar, dass die strengenAnforderungen den<br />

Vorgaben an eine Revisionsbegründungsschrift gem.<br />

§ 551 Abs. 3 ZPO entsprechen. 71 Das Rechtsbeschwerdegericht<br />

ist an die geltend gemachten Gründe nicht gebunden<br />

(§ 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO), allerdings greift bei<br />

Verfahrensrügen die Vorschrift des § 577 Abs. 2 Satz 3<br />

ZPO ein (s.u. bb).<br />

aa) Nr. 3a<br />

Erforderlich ist die bestimmte Bezeichnung der Umstände,<br />

aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Vorschrift<br />

ähnelt § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO a.F., der bei der<br />

Angabe der Revisionsgründe die Bezeichnung der verletzten<br />

Rechtsnorm verlangte. Nach der Gesetzesbegründung<br />

zu § 551Abs. 3 Nr. 2a ZPO werden die Darlegungsanforderungen<br />

der bisherigen Rechtsprechung konkretisiert<br />

und die Angabe der Gründe verlangt, die aus der<br />

Sicht des Beschwerdeführers den materiell-rechtlichen<br />

Rechtsfehler ausmachen. 72<br />

Zu § 554Abs. 3 Nr. 3a ZPO a.F. wurde gefordert, dass die<br />

Begründung sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen<br />

Entscheidung auseinandersetzen musste. Nicht<br />

ausreichend war die Rüge, das materielle Recht sei verletzt.<br />

Die Nennung eines Paragrafen war genügend, aber<br />

nicht notwendig. Als genügend wurde angesehen eine<br />

Bezeichnung des Rechtssatzes seinem Gegenstand nach,<br />

z.B. Auslegungsgrundsatz. Bei zulässiger Rüge muss die<br />

gesamte materielle Rechtsanwendung im Rahmen der<br />

Anträge von Amts wegen nachgeprüft werden. 73<br />

Da die Rechtsbeschwerde ein neuartiges Rechtsinstitut<br />

darstellt, dürfen jedenfalls in der Anfangszeit auch unter<br />

dem gewünschten Gesichtspunkt einer einheitlichen<br />

Rechtsprechung keine hohen Anforderungen gestellt<br />

werden. 74<br />

bb) Nr. 3b<br />

Bei Verfahrensrügen sind die Einzeltatsachen anzugeben,<br />

in denen die Gesetzesverletzung gesehen wird einschließlich<br />

der möglichen Kausalität für den Beschluss. 75 Wird<br />

eine Rechtsbeschwerde nur auf Verfahrensrügen gestützt,<br />

führt ein Verstoß zur Verwerfung als unzulässig gem.<br />

§ 577 Abs. 1 ZPO. Ansonsten werden Verfahrensrügen<br />

nur eingeschränkt nach § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO berücksichtigt.<br />

b) Gründe der Beschwerde (§ 575 ZPO)<br />

Gem. § 7 Abs. 1 InsO a.F. ließ das OLG die weitere Beschwerde<br />

u.a. nur zu, wenn sie darauf gestützt wurde, das<br />

die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des<br />

Gesetzes beruhte. Erforderlich und genügend war eine<br />

schlüssige Darlegung. 76 Eine Darlegung der Gesetzesverletzung<br />

ist nicht mehr Zulässigkeitsvoraussetzung. 77<br />

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in § 575 ZPO<br />

abschließend aufgezählt. § 576 ZPO ist erst im Rahmen<br />

der Begründetheit zu prüfen (s.u. III).<br />

1092 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

5. Verfahren bei der Zulässigkeitsprüfung<br />

Nach Eingang der Rechtsbeschwerde werden die Akten<br />

vom Beschwerdegericht angefordert, § 575 Abs. 5 i.V.m.<br />

§ 541 ZPO. EineAbhilfebefugnis des Beschwerdegerichtes<br />

besteht nicht. 78 Aufschiebende Wirkung hat die<br />

Rechtsbeschwerde nur bei Festsetzung eines Ordnungsoder<br />

Zwangsmittels, § 575 Abs. 5 i.V.m. § 570 Abs. 1<br />

ZPO. In den übrigen Fällen kommt eine einstweilige Anordnung<br />

gem. § 575 Abs. 5 i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO in<br />

Betracht.<br />

Ist der Antrag nicht fristgerecht eingelegt, so wird er als<br />

unzulässig verworfen. Über einen Antrag auf Wiedereinsetzung<br />

muss zumindest zeitgleich mit der Entscheidung<br />

über die Zulässigkeit entschieden werden. 79 Sind die<br />

Voraussetzungen der Rechtsbeschwerde gem. § 575<br />

Abs. 3 ZPO nicht dargelegt, wird sie als unzulässig verworfen<br />

gem. § 577 Abs. 1 ZPO. Ansonsten wird sowohl<br />

die Beschwerde- als auch die Begründungsschrift dem<br />

Gegner zugestellt (§ 575 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Eine förmliche<br />

Zustellung ist erforderlich, um den Lauf der Ausschließungsfrist<br />

gem. § 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO auszulösen.<br />

Sodann wird über die Rechtsbeschwerde inhaltlich<br />

entschieden.<br />

III. Begründetheit der Rechtsbeschwerde<br />

(§ 576 ZPO)<br />

1. Allgemein<br />

Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden,<br />

das die Entscheidung beruht auf einer Verletzung des<br />

Bundesrechtes (s.u. 2) oder einer Vorschrift, deren Geltungsbereich<br />

sich über den Bezirk eines OLG hinaus erstreckt<br />

(s.u. 3). Zu beachten ist der Verlust des Rügerechtes<br />

gem. § 576 Abs. 3 i.V.m. § 556 ZPO (§ 558 ZPO<br />

a.F.). Wegen der Einzelheiten s. § 295 ZPO.<br />

2. Verletzung von Bundesrecht<br />

Das praktisch bedeutsamste Erfordernis für dieBegründetheit<br />

der Rechtsbeschwerde ist, dass die Entscheidung<br />

des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung von Bundesrecht<br />

beruht (§ 576Abs.1ZPO).DieVorschriftist<br />

nachgebildet § 545 Abs. 1 ZPO. Zuständigkeitsrügen<br />

sind allerdings aus Gründen der Prozessökonomie 80 ausgeschlossen,<br />

§ 576 Abs. 2 ZPO. Für die Prüfung der Verletzung<br />

des Gesetzes gelten die §§ 546, 547, 556 und 560<br />

ZPO. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 27<br />

Abs. 1 FGG; eine ähnliche Regelung enthält § 10 Abs. 3<br />

Satz 6 BRAGO.<br />

71 BT-Drucks. 14/4722, S. 117.<br />

72 BT-Drucks. 14/4722, S. 107.<br />

73 Thomas/Putzo, ZPO, § 554 Rn. 6.<br />

74 So zu § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F. Hoffmann. NZI 1999, 425, 430; HK-InsO/<br />

Kirchhof, § 7 Rn. 9; enger Nerlich/Römermann/Becker, § 7 Rn. 15 ff.<br />

75 Vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 554 Rn. 8.<br />

76 FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl., § 7Rn.5;ähnlich OLG Köln, ZIP 2000,<br />

280, 281.<br />

77 Missverständlich Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729.<br />

78 BT-Drucks. 14/4722, S.117.<br />

79 OLG Köln, ZIP 2000, 195, 197 = EWiR 2000, 181.<br />

80 BT-Drucks. 14/4722, S. 118.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1093<br />

<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

a) Eine Verletzung des Gesetzes liegt vor, wenn eine<br />

Rechtsnorm (§ 12 EGZPO) nicht oder nicht richtig angewendet<br />

worden ist (§ 546 ZPO). Nicht erforderlich ist,<br />

dass es sich um eine Vorschrift der InsO handelt. 81 Eine<br />

Verletzung der Rechtsnorm liegt in Form eines Subsumtionsfehlers<br />

vor, wenn die abstrakten Tatbestandsmerkmale<br />

oder Rechtsnormen nicht richtig erkannt sind, das Recht<br />

also unrichtig aufgefasst oder ausgelegt wird, die Norm,<br />

der das Rechtsverhältnis untersteht, überhaupt nicht berücksichtigt<br />

ist oder der festgestellte Sachverhalt die abstrakten<br />

Tatbestandsmerkmale der Norm nicht ausfüllt.<br />

Der BGH als Rechtsbeschwerdegericht geht grds. von<br />

dem Sachverhalt aus, den das Beschwerdegericht festgestellt<br />

hat, § 577Abs.2Satz3,Satz4i.V.m.§ 559 ZPO. 82<br />

Ausnahmsweise ist der BGH in der Feststellung von Tatsachen<br />

frei, soweit diese die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen<br />

fürdieZulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />

betreffen. 83 Ansonsten ist die Tatsachenfeststellung des<br />

Beschwerdegerichtes nur eingeschränkt dahin überprüfbar,<br />

ob sie unter Verletzung des Gesetzes zustande gekommen<br />

ist. Das ist der Fall, wenn Formvorschriften für<br />

die Beweisaufnahme nicht beachtet worden sind, bei der<br />

Beweiswürdigung gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen<br />

Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen<br />

wurde oder wenn die Beweiswürdigung auf einer<br />

rechtlichen Voraussetzung beruht, die mit dem Gesetz<br />

nichtinEinklangsteht. 84 Darüber hinaus werden neue<br />

Tatsachen nur berücksichtigt, wenn sie im Falle der<br />

Rechtskraft der Entscheidung eine Wiederaufnahme<br />

rechtfertigen würden.<br />

b) Die Entscheidung beruht nur dann auf einer Gesetzesverletzung,<br />

wenn sie sich nicht aus anderen Gründen im<br />

Ergebnis als richtig darstellt, § 577Abs. 3 ZPO. 85 Der ursächliche<br />

Zusammenhang zwischen Gesetzesverletzung<br />

und Entscheidung besteht bei Verfahrensverstößen, wenn<br />

sie so schwer wiegen, dass die Möglichkeit einer anderen<br />

Entscheidung bei ordnungsgemäßer Durchführung des<br />

Verfahrens nicht ausgeschlossen werden kann. 86<br />

Die Kausalität der Gesetzesverletzung wird allerdings<br />

unwiderlegbar vermutet in den Fällen des § 547 ZPO; auf<br />

die Frage, ob sich die Entscheidung aus anderen Gründen<br />

als richtig darstellt, kommt es in diesen Fällen nicht an.<br />

§ 551Nr.4ZPOa.F.hattenurfür die internationale und<br />

die funktionelle Zuständigkeit Bedeutung. Die Prüfung<br />

der örtlichen Zuständigkeit ist nunmehr dem Rechtsbeschwerdegericht<br />

entzogen, § 576Abs. 2 ZPO. § 547 Nr. 5<br />

kommt nicht zur Anwendung, weil die Vorschriften des<br />

GVG über die Öffentlichkeit nicht anwendbar sind. 87<br />

Enthält die Entscheidung des Beschwerdegerichtes keine<br />

subsumtionsfähige Sachverhaltsdarstellung, liegt eine<br />

Verletzung des Gesetzes (§ 547 Nr. 6 ZPO) vor, die zu einer<br />

Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht<br />

(s.u. IV 2 d) führt. 88 Das gilt aber nicht, wenn<br />

schon die sofortige Beschwerde unzulässig z.B. wegen<br />

Verspätung war. 89 Zulässig ist eine Bezugnahme nur auf<br />

bestimmte Teile der Akte; in jedem Fall muss das Beschwerdegericht<br />

das Beschwerdevorbringen mitteilen. 90<br />

LiegtkeinBeschwerdevorbringenvor,wirdmanausnahmsweise<br />

eine Bezugnahme auf die Entscheidung das<br />

AG als zulässig ansehen können. 91 Die fehlende Darstellung<br />

muss nicht ausdrücklich gerügt werden, sondern ist<br />

von Amts wegen zu berücksichtigen. 92<br />

3. Verletzung sonstiger Vorschriften<br />

Auf einer Vorschrift, deren Geltungsbereich sich über den<br />

Bezirk eines OLG hinaus erstreckt, wird in Insolvenzsachen<br />

die Entscheidung nicht beruhen. Zu beachten sind<br />

gem. § 576 Abs. 3 ZPO weiter die §§ 560, 545 ZPO<br />

(§§ 562, 549 ZPO a.F.). Die Vorschrift ist im Zusammenhang<br />

mit § 576 Abs. 1 ZPO zu lesen. Danach kann eine<br />

Rechtsbeschwerde insbesondere nicht gestützt werden<br />

auf lokales, nur in einem OLG-Bezirk geltendes Recht<br />

und ausländisches Recht. 93 Aus § 560 ZPO folgt, dass<br />

das Rechtsbeschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen<br />

der Vorinstanz über das Bestehen und Inhalt<br />

lokalen (nur im Bezirk eines OLG geltenden) und ausländischen<br />

Rechtes gebunden ist. 94<br />

IV. Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht<br />

(§ 577 ZPO)<br />

1. Verfahrensablauf<br />

Das Rechtsbeschwerdegericht prüft zunächst die Zulässigkeit<br />

der Rechtsbeschwerde gem. § 577 Abs. 1 ZPO<br />

(s.o. II.). Der Prüfungsumfang ist eingeschränkt, § 577<br />

Abs. 2 ZPO. Die Vorschrift ist nachgebildet § 557 ZPO<br />

(§ 559 ZPO a.F.). Es gilt gem. § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO<br />

die Vorschrift des § 559 ZPO (§ 561 ZPO a.F.; s.o. III<br />

2 a). Die angefochtene Entscheidung wird nur in rechtlicher<br />

Hinsicht überprüft, das Rechtsbeschwerdegericht<br />

ist an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden,<br />

95 falls nicht ein Verfahrensfehler vorliegt (s.o.<br />

III 2 a). Der Prüfung unterliegen gem. § 577 Abs. 2<br />

Satz 1 ZPO nur die von den Parteien gestellten Anträge<br />

(s.o. II 4 a). Allerdings ist das Rechtsbeschwerdegericht<br />

an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe<br />

gem. § 577 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht gebunden (s.o. II<br />

4c).VonAmtswegenzuberücksichtigende Verfahrens-<br />

81 So zu § 7 Abs. 1 Satz 1 a.F. Pape, NJW 2001, 23, 25; HK-InsO/Kirchhof,<br />

§ 7 Rn. 17 und 23; Nerlich/Römermann/Becker, § 7 Rn. 14; a.A. OLG<br />

Dresden, ZIP 2000, 1303, 1306 = DZWIR 2000, 464 mit abl. Anm. Becker<br />

S. 470.<br />

82 So zu § 561 ZPO a.F. OLG Köln, NZI 2000, 317, 318 f.; OLG Köln, <strong>ZInsO</strong><br />

2000, 39; s.o. II 4 b ee (3).<br />

83 Vgl. OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 556; OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 667, 668; OLG<br />

Zweibrücken, ZIP 2000, 2260, 2262; HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.20.<br />

84 Ähnlich OLG Köln, NZI 2000, 78 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 43; OLG Naumburg, NZI<br />

2000, 263, 264; HK-InsO/Kirchhof, § 7 Rn. 19.<br />

85 OLG Naumburg, MDR 2000, 1153; OLG Schleswig, NZI 2001, 251; OLG<br />

Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001, 468; Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 27.<br />

86 Vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 563 Rn. 1 ff.; Bumiller/Winkler, FG, § 27<br />

Rn. 3a.<br />

87 FK-InsO/Schmerbach, § 4 Rn. 27.<br />

88 BayObLG, NZI 2000, 434; OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 557 = EWiR 2001,<br />

123; OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2001, 420, 421; OLG Zweibrücken, NZI 2000, 535,<br />

536; Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548.<br />

89 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 557.<br />

90 Vgl. OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 667, 668; OLG Köln, ZIP 2000, 1900, 1901;<br />

Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548, 549.<br />

91 OLG Zweibrücken, NZI 2001, 201, 210.<br />

92 Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548, 549.<br />

93 Thomas/Putzo, ZPO, § 549 Rn. 8 ff.; Zöller/Gummer, ZPO, § 549 Rn. 3 ff.<br />

94 BT-Drucks. 14/4722, S. 118.<br />

95 BT-Drucks. 14/4722, S. 118.


<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

mängel werden auch ohne – ordnungsgemäße – Rüge<br />

(s.o. II 4 c, bb) geprüft. Darunter fallen neben fehlender<br />

Sachverhaltsdarstellung (s.o. III 2 b) z.B. mangelnde<br />

Partei- oder Prozessfähigkeit. 96 Die übrigen Verfahrensmängel<br />

werden nur geprüft, wenn die Mängel nach<br />

§ 575 Abs. 3 ZPO und § 574 Abs. 4 Satz 2 ZPO gerügt<br />

worden sind (s.o. II 4 c, bb).<br />

Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, § 577 Abs. 6<br />

Satz 1 ZPO. Eine Begründungspflicht besteht gem. § 577<br />

Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 564 ZPO (§ 565a ZPO a.F.) nicht<br />

bei Rügen von Verfahrensmängeln, ausgenommen § 547<br />

ZPO (§ 551 ZPO a.F.).<br />

2. Entscheidungsmöglichkeiten<br />

Der BGH kann wie folgt entscheiden:<br />

a) Eine Verwerfung als unzulässig kommt in Betracht<br />

gem. § 577 Abs. 1 ZPO, wenn die Rechtsbeschwerde<br />

nicht in der gesetzlichen Frist und Form eingelegt und begründet<br />

(§ 575 Abs. 1 – 3ZPO)ist. 97<br />

b) Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen,<br />

wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht auf<br />

einer Verletzung des Gesetzes beruht oder sich aus anderen<br />

Gründen als richtig darstellt, § 577 Abs. 3 ZPO, der<br />

allerdings im Fall des § 547 ZPO nicht gilt (s.o. III 2 b).<br />

c) Eine sachliche Änderung der Beschwerdeentscheidung<br />

nimmt der BGH vor, wenn ein Gesetzesverstoß<br />

vorliegt und der Sachverhalt genügend geklärt ist, § 577<br />

Abs. 5 ZPO. 98 § 577 Abs. 5 Satz 2 ZPO ordnet die<br />

entsprechende Geltung des § 563 Abs. 4 ZPO (§ 565<br />

Abs. 4 ZPO a.F.) an.<br />

d) Eine Aufhebung und Zurückverweisung zur anderweitigen<br />

Verhandlung und Entscheidung ordnet der BGH<br />

an, wenn ein Gesetzesverstoß vorliegt und weitere tatsächliche<br />

Ermittlungen notwendig sind, § 577 Abs. 4<br />

ZPO. 99 Gem. § 577 Abs. 4 Satz 2 ZPO gilt § 562 Abs. 2<br />

ZPO (§ 564 Abs. 2 ZPO a.F.) entsprechend. Das ist auch<br />

der Fall, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichtes<br />

keine subsumtionsfähige Sachdarstellung enthält100 oder Tatsachenfeststellungen zur Frage des Vorliegens<br />

von Wiedereinsetzungsgründen zu treffen sind. 101 Die<br />

Zurückverweisung erfolgt an das Beschwerdegericht. 102<br />

Offenist,obaucheineZurückverweisung an das AG erfolgen<br />

kann. 103 Wie bei der Beschwerdeentscheidung des<br />

Beschwerdegerichtes104 ist das Gericht, an das zurückverwiesen<br />

wird, an die Entscheidung des BGH gebunden<br />

gem. § 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO. 105 Über die Kosten der<br />

Rechtsbeschwerde entscheidet das Gericht, an das zurückverwiesen<br />

wurde. 106<br />

e) Die Kostenentscheidung folgt allgemeinen Grundsätzen.<br />

107 Die Kostengrundentscheidung ergeht gem.<br />

§§ 97, 91, 92 ZPO. Wird die Rechtsbeschwerde verworfen<br />

oder zurückgewiesen, fallen zwei Gerichtsgebühren<br />

an, KV Nr. 5133. 108 Der Gegenstandswert für dieGerichtskosten<br />

berechnet sich nach §§ 37, 38 GKG bzw.<br />

§ 35 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Gegenstandswert fürAnwaltsgebühren<br />

richtet sich nach § 77 BRAGO, die Höhe<br />

der Gebühr ergibt sich aus § 76 BRAGO.<br />

1094 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

3. Umfang der Bindungswirkung<br />

Die Bindungswirkung einer Entscheidung des BGH gem.<br />

§ 577Abs.4Satz3ZPObeziehtsichzunächst nur auf das<br />

konkrete Verfahren (s.o. 2 d). Eine Bindung für die Insolvenz(Amts-)<br />

und Beschwerdegerichte besteht nicht. 109<br />

Hält ein AG oder Beschwerdegericht eine Entscheidung<br />

des BGH für falsch, ist es berechtigt, anders zu entscheiden.<br />

Der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung<br />

des AG kann das Beschwerdegericht stattgeben. Gegen<br />

die Entscheidung eines Beschwerdegerichtes wird der<br />

BGH auf die Rechtsbeschwerde hin die angefochtene<br />

Entscheidung ggf. abändern.<br />

C. Bewertung und Ausblick<br />

Die ZPO-Änderungen ermöglichen eine Entscheidung<br />

des BGH als Rechtsbeschwerdegericht bei Entscheidungen<br />

nach der InsO als zulassungsfreie Rechtsbeschwerde<br />

gem. § 7 InsO i.V.m. § 574Abs. 1 Nr. 1 ZPO und bei Entscheidungen<br />

außerhalb der InsO nach Zulassung der<br />

Rechtsbeschwerde gem. § 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1<br />

Nr. 2 ZPO. Bislang entschied der BGH gem. § 7Abs.2<br />

InsO a.F. erst in zwei Fällen, während die OLG gem. § 7<br />

Abs. 1 InsO a.F. eine kaum noch zählbare Anzahl von<br />

Entscheidungen trafen. Durch die Konzentration beim<br />

BGH kann die Übersichtlichkeit gefördert werden.<br />

Für die AG und Beschwerdegerichte (i.d.R. weiter die<br />

LG) werden keine weitreichenden Änderungen eintreten.<br />

Eine Bindungswirkung an die Rechtsprechung des BGH<br />

besteht nur im konkreten Fall. Die Beschwerdegerichte<br />

sind weiter gehalten, eine subsumtionsfähige Sachverhaltsdarstellung<br />

abzusetzen. Wegen der Entscheidungszuständigkeit<br />

des Einzelrichters empfiehlt sich die geschäftsplanmäßige<br />

Konzentration bei einem Kammermitglied.<br />

Auf den BGH, dem bislang nur zwei weitere sofortige<br />

Beschwerden gem. § 7 Abs. 2 InsO a.F. vorgelegt wurden,<br />

kommt allerdings eine beträchtliche Mehrarbeit zu.<br />

Es ist auch zu befürchten, dass bislang bei von den OLG<br />

einhellig entschiedenen Fragen wie die Zulässigkeit eines<br />

Nullplanes von einem Gläubiger Rechtsbeschwerde eingelegt<br />

wird. 110<br />

96 Zöller/Gummer, ZPO, § 559 Rn. 8 m.w. Beispielen.<br />

97 BT-Drucks. 14/4722, S. 118; s.o. II 5.<br />

98 Vgl. zum alten Rechtszustand OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001, 374, 377.<br />

99 So zum alten Rechtszustand OLG Schleswig, NZI 2001, 251; OLG Köln,<br />

<strong>ZInsO</strong> 2001, 378, 379.<br />

100 OLG Köln, NZI 2000, 80; s.o. III 2 b.<br />

101 OLG Köln, ZIP 2000, 195, 198 = EWiR 2000, 181.<br />

102 OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2000, 393, 395.<br />

103 So unter Geltung von § 7InsOa.F.OLGKöln, NZI 2000, 78, 79 = <strong>ZInsO</strong><br />

2000, 43, 44; OLG Köln, NZI 2000, 219, 220.<br />

104 S. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 25b.<br />

105 Zum alten Recht OLG Köln, NZI 2000, 78, 79 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 43, 44;<br />

Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 28: analog §§ 575, 565 Abs. 2 ZPO a.F.<br />

106 Vgl. OLG Köln, ZIP 2000, 195, 198; OLG Köln, NZI 2000, 78, 79 = <strong>ZInsO</strong><br />

2000, 43, 44.<br />

107 Vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 22.<br />

108 I.d.F. des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches v.<br />

17.8.2001, BGBl. 2001 I, S. 2144, 2155.<br />

109 So zu § 7 Abs. 2 InsO a.F. AG Göttingen, <strong>ZInsO</strong> 2001, 616, 617;<br />

a.A. LG Göttingen, ZIP 2001, 625.<br />

110 Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777, 778.


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1095<br />

<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

Unklar ist allerdings, wie viele Rechtsbeschwerden an<br />

den strengen formalen Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />

gem. § 575 Abs. 3 ZPO scheitern und als unzulässig gem.<br />

§ 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO verworfen werden.<br />

Insgesamt ist mit einer Verlängerung der Beschwerdeverfahren<br />

zu rechnen. 111 Berücksichtigt man die verlängerte<br />

Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, die Verlängerungsmöglichkeit<br />

für dieBegründung und die Notwendigkeit<br />

der Beauftragung eines beim BGH zugelassenen<br />

Rechtsanwaltes, besteht im Ergebnis die Gefahr einer<br />

an die Verweigerung effektiven Rechtsschutzes grenzendem<br />

Verzögerung bei den als Eilsachen zu behandelnden<br />

Insolvenzssachen.<br />

Das Problem des Wegfalles des Rechtsschutzinteresses wegen<br />

prozessualer Überholung wird sich vermehrt stellen,<br />

zumal aufgrund der zum 1.12.2001 in Kraft getretenen Änderung<br />

des § 21 Abs. 1 InsO die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen<br />

für den Schuldner nicht nur bei Anordnung<br />

der Verhaftung und vorläufiger Postsperre, sondern<br />

generell beschwerdefähig ist. Wie der BGH diese Rechtsfragen<br />

beantworten wird, lässt sich noch nicht absehen.<br />

Über Rechtsbehelfe im Eröffnungsverfahren wird der<br />

BGH voraussichtlich regelmäßig nur in Form von § 91a<br />

ZPO – Beschlüssen entscheiden.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass auftretende Zweifelsfragen<br />

schnell und eindeutig geklärt werden, damit die ohnehin<br />

zumindest an den Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit<br />

angelangte Praxis sich darauf einstellen kann.<br />

111 Ebenso Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777, 779.<br />

Die neue Bauabzugssteuer – Haftungsrisiken in der Insolvenz<br />

von Rechtsanwalt Dr. Herbert Heidland, Köln<br />

Am 30.8.2001 wurde das „Gesetz zur Eindämmung illegaler<br />

Betätigung im Baugewerbe“ verkündet (BGBl. I,<br />

S. 2267). Es enthält in Art. 4 4 Änderungen des EStG, die<br />

für den Insolvenzverwalter eines Bauunternehmens bzw.<br />

eines in vertraglichen Beziehungen zu einem Bauunternehmer<br />

stehenden Unternehmers i.S.v. § 2 UStG von<br />

erheblicher Bedeutung sind.<br />

I. Gesetzliche Neuordnung zum 1. 1. 2002<br />

Gem. § 48 EStG ist der Empfänger einer im Inland erbrachten<br />

Bauleistung, z.B. ein Hauptunternehmer oder<br />

ein sonstiger Gewerbetreibender oder auch ein Selbstständiger,<br />

der einen Bauauftrag erteilt hat – nachstehend<br />

Auftraggeber genannt –, verpflichtet, von der Gegenleistung,<br />

also dem Brutto-Werklohn, den er dem Auftragnehmer<br />

schuldet, einen Abzug von 15 % vorzunehmen,<br />

und zwar auch dann, wenn es sich um eine Abschlagszahlung<br />

handelt oder die Bauleistung noch nicht erbracht<br />

wurde und der Auftraggeber eine Vorschusszahlung leistenmuss.ErhatdiesenBetragbiszum10.TagnachAblauf<br />

des Monats, in dem die „Gegenleistung erbracht“,<br />

d.h. dieVergütung gezahlt wird auf einem „amtlich vorgeschriebenen<br />

Vordruck“ bei dem FA des Auftragnehmers<br />

anzumelden und bis zum 10. Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraumes<br />

dorthin für Rechnung des Auftragnehmers<br />

abzuführen, § 48a Abs. 1 EStG. Den Steuerabzug<br />

hat er gegenüber dem Auftragnehmer abzurechnen und<br />

ihm das FA mitzuteilen, bei welchem der Abzugsbetrag<br />

angemeldet wurde, § 48a Abs. 2 EStG.<br />

Soweit derAbzugsbetrag einbehalten und angemeldet wurde,<br />

wird er gem. § 48cAbs. 1 EStG auf die vomAuftragnehmer<br />

einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer, auf die<br />

Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Besteuerungsoder<br />

Veranlagungszeitraumes, in dem die Bauleistung erbracht<br />

wurde, oder auf die von ihm selbst nach §§ 48, 48a<br />

EStG anzumeldenden und abzuführenden Abzugsbeträge<br />

angerechnet, und zwar auch dann, wenn dieAbzugsbeträge<br />

vom Auftraggeber noch nicht an das FA abgeführt wurden.<br />

Das ergibt sich aus § 48c Abs. 3 EStG. U.U. hat der Auftragnehmer<br />

einen Anspruch auf Auszahlung des Abzugsbetrages,<br />

§ 48c Abs. 2 EStG. Die Anrechnung, d.h. die<br />

Verrechnung des Abzugsbetrages mit Steuerschulden des<br />

Auftragnehmers kann – das folgt aus der Formulierung in<br />

§ 48cAbs. 1 undAbs. 3 EStG – sowohl vonAmts wegen als<br />

auch auf Antrag des Auftragnehmers erfolgen.<br />

Einen Abzug vom Werklohn hat der Auftraggeber nicht vorzunehmen,<br />

wenn derAuftragnehmer ihm eine Freistellungsbescheinigung<br />

vorlegt oder wenn es sich um Bagatellbeträge<br />

handelt, § 48 Abs. 2 EStG. Die Freistellungsbescheinigung<br />

hat das zuständige FA dem Auftragnehmer auf dessen Antrag<br />

zu erteilen, wenn der zu sichernde Steueranspruch nicht<br />

gefährdet erscheint und ggf. ein inländischer Empfangsbevollmächtigter<br />

bestellt ist. Eine auf eine bestimmte Bauleistung<br />

ausgestellte Bescheinigung ist dem Auftraggeber<br />

im Original, andernfalls in Kopie zu übergeben.<br />

Der Auftraggeber haftet dem FA für einen nicht oder zu<br />

niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Auf eine – unrichtige<br />

– Freistellungsbescheinigung kann er sich nicht berufen,<br />

wenn diese in unlauterer Weise erwirkt wurde und ihm<br />

dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt<br />

war, § 48a Abs. 3 EStG.<br />

Diese Regelung gilt ab 1.1.2002, denn der Steuerabzug ist<br />

von Gegenleistungen vorzunehmen, die nach dem<br />

31.12.2001 erbracht werden, § 48d Abs. 3 EStG.<br />

II. Auswirkungen auf Insolvenzverfahren und<br />

Insolvenzanfechtung<br />

1. Insolvenz des Bauunternehmens<br />

Für den Insolvenzverwalter eines Bauunternehmens, das<br />

Leistungen vor Verfahrenseröffnung erbracht hatte, bedeutet<br />

dies, dass er nur 85 % des verdienten Brutto-<br />

Werklohnes zur Masse ziehen kann. Die restlichen 15 %<br />

muss der Auftraggeber des in die Insolvenz geratenen<br />

Bauunternehmers an dessen FA abführen, es sei denn, der


<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />

Insolvenzverwalter legt eine Freistellungsbescheinigung<br />

vor. Zahlt der Auftraggeber die restlichen 15 % an das FA<br />

für Rechnung des sich in der Insolvenz befindlichen Auftragnehmers,<br />

würde das FA aufgrund der ihm gegebenen<br />

Verrechnungsmöglichkeit nach Verfahrenseröffnung insoweit<br />

eine Befriedigung für eine vor Verfahrenseröffnung<br />

entstandene Steuerforderung erhalten. Das ist unzulässig.<br />

Das FA muss den erhaltenen Betrag an die Masse<br />

auszahlen, obwohl die Voraussetzungen der Erstattung<br />

nach § 48c Abs. 2 EStG nicht gegeben sind. Wäre es nicht<br />

sinnvoll, wenn in diesem Fall derAuftraggeber den vollen<br />

Werklohn oder den Steuerabzug an den Insolvenzverwalter<br />

zahlen würde, zumal das Fehlen von 15 % Liquidität,<br />

berechnet nach den offenen Forderungen, schon nach den<br />

jeweils vorliegenden Verhältnissen eine Fortführung des<br />

Unternehmens im Antrags- oder im eröffneten Verfahren<br />

gefährden oder unmöglich machen kann?<br />

Ob eine Freistellungsbescheinigung genügt, die dem<br />

Schuldner vor Verfahrenseröffnung ausgestellt worden<br />

ist, oder die Freistellungsbescheinigung auf den Insolvenzverwalter<br />

lauten muss, ist zweifelhaft. Im Eröffnungsverfahren<br />

dürfte, selbst wenn ein „starker“ vorläufiger<br />

Verwalter bestellt wurde, § 22 Abs. 1 InsO, eine auf<br />

den Schuldner lautende Freistellungsbescheinigung genügen;<br />

im eröffneten Verfahren ebenfalls, wenn der Insolvenzverwalter<br />

Vergütungsansprüche des Schuldners geltend<br />

macht, die vor Verfahrenseröffnung entstanden<br />

waren. Hat der Insolvenzverwalter den Bauvertrag mit<br />

dem Auftraggeber selbst abgeschlossen oder ist er in einen<br />

bei Verfahrenseröffnung beidseitig noch nicht vollständig<br />

erfüllten Vertrag eingetreten und hat die Masse<br />

die restliche Werkleistung erbracht, müsste die Freistellungsbescheinigung<br />

auf ihn – richtigerweise auf die von<br />

ihm verwaltete Insolvenzmasse – ausgestellt sein. Solange<br />

diese Fragen nicht entschieden sind, tut der Insolvenzverwalter,<br />

auch der „starke“ vorläufige, gut daran, eine<br />

auf sich bzw. die Masse lautende Freistellungsbescheinigung<br />

zu beantragen. Das wird zwar Zeit kosten; es sollte<br />

aber in jedem Fall vermieden werden, dass derAuftraggeber<br />

15 % des Werklohnes einbehält und an das FA abführt,<br />

mit dem dann evtl. langwierigeVerhandlungen über<br />

die Auszahlung an die Masse geführt werden müssen.<br />

2. Insolvenz des Auftraggebers<br />

Wird der Auftraggeber insolvent und handelt es sich bei<br />

ihm um ein Unternehmen i.S.v. § 2 UStG und hatte der<br />

Insolvenzverwalter bzw. der „starke“ vorläufige Verwalter<br />

einen Bauvertrag mit einem Bauunternehmer abgeschlossen,<br />

steht dem Auftragnehmer gegen die Masse zwar ein<br />

Vergütungsanspruch in voller Höhe zu; er kann aber<br />

Zahlung an sich nur i.H.v. 85 % verlangen. Der Insolvenzverwalter<br />

ist verpflichtet, 15 % einzuhalten und diesen Betrag<br />

beim FA desAuftragnehmers anzumelden und dorthin<br />

einzuzahlen, es sei denn, der Auftragnehmer legt dem<br />

Insolvenzverwalter eine gültige Freistellungsbescheinigung<br />

vor. Das gilt auch für den„starken“ vorläufigen<br />

Verwalter, der einen Bauvertrag abgeschlossen hat und<br />

deshalb verpflichtet ist, den Werklohn an den Auftragnehmer<br />

zu zahlen. Auf ihn sind die steuerrechtlichen<br />

Pflichten des Schuldners in vollem Umfang übergegangen.<br />

1096 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

Um das weitere Schicksal der einbehaltenen und an das<br />

FA abgeführten 15 % der Vergütung braucht sich der Verwalter<br />

nicht zu sorgen; es ist Sache des Auftragnehmers,<br />

die Verrechnungsansprüche – ggf. auch Erstattungsansprüche<br />

– gegenüber dem FA geltend zu machen.<br />

3. Konsequenzen im Rahmen der<br />

Forderungsanmeldung<br />

Hatte der Auftragnehmer vor Eröffnung des Verfahrens<br />

über das Vermögen seines Auftraggebers die Bauleistung<br />

erbracht und einen Zahlungsanspruch erworben, muss er<br />

diesen als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden. Legt<br />

er eine Freistellungsbescheinigung der Anmeldung bei,<br />

kann der Insolvenzverwalter die Forderung, soweit sie<br />

materiell begründet ist, in voller Höhe anerkennen. Legt<br />

er keine Freistellungsbescheinigung vor, fragt sich, wie<br />

der Insolvenzverwalter zu verfahren hat.<br />

a) Erkennt der Insolvenzverwalter die angemeldete Forderung<br />

nur i.H.v. 85 % des berechtigten Betrages an,<br />

müsste er die restlichen 15 % des angemeldeten Betrages<br />

zugunsten des FA des Auftragnehmers anerkennen. Dem<br />

steht aber entgegen, dass das FA keine Forderungsanmeldung<br />

vorgenommen hat. Außerdem ist der Steuerabzug<br />

erst am 10. Tag nach Ablauf des Monats anzumelden, in<br />

dem die Gegenleistung „erbracht“ wird. Durch die Anmeldung<br />

der Werklohnforderung zur Tabelle wird diese<br />

nicht „erbracht“. Dies geschieht vielmehr erst mit der<br />

Zahlung der darauf entfallenden Quote.<br />

b) Der Insolvenzverwalter erkennt die Forderung zu<br />

100 % an, soweit sie berechtigt ist. Sie steht nämlich nur<br />

demAuftragnehmer zu, auch wenn der Leistungsempfänger<br />

der Bauleistung verpflichtet ist, 15 % davon an das FA<br />

abzuführen. Der Abzug von 15 % erfolgt „für Rechnung<br />

des Leistenden“, und der Abzugsbetrag ist „fürRechnung<br />

des Leistenden“, also des Auftragnehmers, an dessen zuständiges<br />

FA abzuführen. Auf das FA ist der Anspruch<br />

des Auftragnehmers auch nicht i.H.v. 15 % übergegangen.<br />

Das FA besitzt insoweit keine eigene Forderung gegen<br />

den Insolvenzverwalter als „Vertreter“ oder als alleinigen<br />

Verwalter des Vermögens des Auftraggebers, wie<br />

z.B. auf Zahlung der Umsatz-, Körperschaft-oderEinkommensteuer.<br />

Das FA hat lediglich aufgrund der steuerrechtlichen<br />

Sondervorschrift des § 48 EStG einen Anspruch<br />

auf Zahlung von 15 % des demAuftragnehmer zustehenden<br />

Werklohnes an sich selbst „für Rechnung“ des<br />

Auftragnehmers.<br />

Die Situation ähnelt derjenigen, wie sie bei der Anmeldung<br />

des Lohn- oder Gehaltsanspruches eines Arbeitnehmers<br />

gegeben ist. Dieser Anspruch ist als Brutto-Betrag<br />

anzumelden. Der Insolvenzverwalter hat die Forderung,<br />

so sie berechtigt ist, als Brutto-Betrag zur Tabelle anzuerkennen.<br />

Er darf aber nur den Netto-Betrag, der auf die<br />

Quote entfällt, an den Arbeitnehmer auszahlen; der Rest<br />

ist aufgrund steuerrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher<br />

Bestimmungen an das FA bzw. an die Sozialkasse<br />

auszukehren.<br />

Der Insolvenzverwalter zahlt also 85 % der auf die anerkannte<br />

Forderung entfallenden Quote an den Auftragnehmer,<br />

den Rest meldet er dem FA „auf amtlichem Vor-


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1097<br />

<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />

druck“ und führt ihn an das FA des Auftragnehmers ab, es<br />

sei denn, der Auftragnehmer habe eine gültige Freistellungsbescheinigung<br />

vorgelegt; dann erhält der Auftragnehmer<br />

100 % der auf seine anerkannte Forderung<br />

entfallenden Quote.<br />

Da der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu wenig<br />

abgeführten Abzugsbetrag haftet, trifft die Haftung im Insolvenzfall<br />

des Auftraggebers dessen Insolvenzmasse<br />

und ggf. den Insolvenzverwalter persönlich. Die Haftung<br />

tritt nicht ein, wenn „im Zeitpunkt der Gegenleistung“,also<br />

im Zeitpunkt der Auszahlung der Quote, eine Freistellungsbescheinigung<br />

vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit<br />

er vertrauen bzw. deren Ungültigkeit er ohne grobe<br />

Fahrlässigkeit nicht erkennen konnte.<br />

4. Anfechtungsrechtliche Tatbestände<br />

Dieses Gesetz kann zu besonderen Anfechtungskonstellationen<br />

führen:<br />

Es sei folgender Fall unterstellt: Der Auftragnehmer hat<br />

eine zum 3.4. fällige Werklohnforderung; der Auftraggeber,<br />

eine GmbH, zahlt 85 % darauf am 5.6.; am 10.7. meldet<br />

er 15 % der Forderung beim FA an und zahlt den entsprechenden<br />

Betrag am 20.7. an das FA. Am 15.8. stellt<br />

der Auftraggeber Insolvenzantrag wegen Überschuldung.<br />

Aufgrund einer Veröffentlichung nach § 23 InsO erfahren<br />

davon sowohl der Auftragnehmer als auch das FA.<br />

Danach verrechnet das FA den Abzugsbetrag mit einer<br />

Steuerschuld des Auftragnehmers.<br />

Die Zahlung von 85 % an den Auftragnehmer ist nicht anfechtbar,<br />

sie erfolgte vor dem Eröffnungsantrag; § 131 InsO<br />

kommt nicht in Betracht, weil derAuftragnehmerAnspruch<br />

auf diese Zahlung hatte.Aus den gleichen Gründen ist auch<br />

die Zahlung von 15 % „für Rechnung“ desAuftragnehmers<br />

an das FA nicht anfechtbar. Auftragnehmer und FA hatten<br />

Anspruch auf diese Zahlung. Die Verrechnung der Steuerforderung<br />

des FA gegen den Auftragnehmer mit dem<br />

Steuerabzugsbetrag ist ebenfalls nicht anfechtbar, weil dadurch<br />

nicht ein Gläubiger des Auftraggebers, nämlich der<br />

<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />

Vollübertragung des Insolvenzverfahrens auf den Rechtspfleger<br />

hier: Antrag auf entsprechende Änderung des Rechtspflegergesetzes<br />

Schreiben des BDR (Bund Deutscher Rechtspfleger) v. 8. 4. 2001 an das BMJ<br />

Auftragnehmer, sondern das FA eine Befriedigung seiner<br />

gegen den Auftragnehmer gerichteten Forderung erlangt.<br />

Mit der Zahlung an den Auftragnehmer und an das FA ist<br />

die Forderung des Auftragnehmers erloschen.<br />

Etwas anderes gilt, wenn die Zahlung von 15 % des<br />

Werklohnes seitens des Auftraggebers an das FA des Auftragnehmers<br />

nach Stellung des Insolvenzantrages erfolgt<br />

ist. Hier ist eine Anfechtung berechtigt, § 130 Abs. 1 Nr. 2<br />

InsO. Die Frage ist allerdings, gegenüber wem die Anfechtung<br />

zu erfolgen hat, gegenüberdemFAodergegenüber<br />

dem Auftragnehmer.<br />

DerAuftragnehmer hat zwar keine Zahlung erhalten, aber<br />

durch die Zahlung an das FA ist seine Forderung gegen<br />

den insolventen Auftraggeber getilgt worden. Dass das<br />

FA mit seinen Forderungen gegen den Auftragnehmer<br />

den an diesen gezahlten Steuerabzug verrechnet, berührt<br />

die Insolvenzmasse des Auftraggebers nicht. Der Auftragnehmer,<br />

der durch die Zahlung von 15 % des Werklohnes<br />

an das FA wegen seiner Forderung gegen den Auftraggeber<br />

nach dem Eröffnungsantrag befriedigt worden<br />

ist, muss den entsprechenden Betrag nach Anfechtung an<br />

die Insolvenzmasse des Auftraggebers zahlen.<br />

Gegenüber dem FA dürfte eine Anfechtung ausscheiden,<br />

denn das FA hat den Betrag nur „für Rechnung“ des Auftragnehmers<br />

erhalten. Es muss, wenn es keine verrechenbaren<br />

Forderungen gegen den Auftragnehmer hat, den erhaltenen<br />

Betrag an diesen und nicht an den Auftraggeber<br />

bzw. an dessen Insolvenzmasse auszahlen.<br />

III. Ergebnis<br />

Die weitgehend unbekannt gebliebene Einführung der Bauabzugssteuer<br />

fordert bereits zum 1.1.2002 konsequentes<br />

Handeln eines jeden Insolvenzverwalters, da nur dadurch<br />

sonst absehbare Haftungsrisiken vermieden werden können.<br />

Erst in der Praxis wird sich erweisen, wie z.B. das FA die<br />

ihm neu zugekommene Rolle wahrnehmen wird, von der<br />

er selbst möglicherweise z.Zt. ebenso wenig wie mancher<br />

Insolvenzverwalter oder auch Bauunternehmer weiß.<br />

Anmerkung der Schriftleitung:<br />

Wie in <strong>ZInsO</strong>-Aktuell 22/2001 dargelegt, findet z.Zt. eine Abfrage des BMJ bei den Bundesländern zur Frage der Vollübertragung von<br />

Insolvenzverfahren auf den Rechtspfleger statt. Zum besseren Verständnis der gesamten Diskussion erscheint es der Redaktion notwendig,<br />

das diese Abfrage auslösende Schreiben des BDR im Volltext zu veröffentlichen. Es beruht, wie aus den Kreisen der Vorstandes<br />

zu hörenist,aufderimmerwiedervonRechtpflegerngegenüber dem BDR erfolgenden Schilderung der tatsächlichen Abläufe in<br />

Insolvenzverfahren. Danach finde in der großen Mehrzahl der Insolvenzgerichte die sachliche Bearbeitung auch des Insolvenzeröffnungsverfahrens<br />

faktisch allein durch den Rechtspfleger statt, während die vornehmlich jungen Insolvenzrichter sich angeblich<br />

darauf beschränken, durch Unterschriftsleistung auf vorbereiteten Verfügungen bzw. Beschlüssen präsent zu sein, i.Ü. aber, entgegen der<br />

gesetzlichen Regelung, das Eröffnungsverfahren contra legem dem Rechtspfleger überlassen. Der darin enthaltene Vorwurf erscheint<br />

der Redaktion so gewichtig, dass die <strong>ZInsO</strong> gemeinsam mit der Zeitschrift „Der Deutsche Rechtspfleger“ eine Praxisbefragung plant,<br />

über deren Verlauf und Ergebnisse die Redaktion und Schriftleitung der <strong>ZInsO</strong> berichten wird.


<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />

Sehr geehrte Frau Ministerin,<br />

sehr geehrte Damen und Herren,<br />

der z.Zt. zur Diskussion anstehende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung<br />

der Insolvenzordnung und anderer Gesetze geht davon aus, dass in<br />

Insolvenzsachen das Verfahren bis zur Eröffnungsentscheidung sowie<br />

die in § 18Abs. 1 RPflG weiter enthaltenen Entscheidungen dem Richter<br />

vorbehalten bleiben. Damit werden die bestehenden Doppelzuständigkeiten<br />

mit der Bindung einer großen Zahl von Richtern im Insolvenzverfahren<br />

beibehalten, ohne dass dies – wie nachstehend begründet<br />

– heute noch erforderlich erscheint.<br />

Der Bund Deutscher Rechtspfleger beantragt deshalb, die Verfahren<br />

nach der Insolvenzordnung in vollem Umfang auf den Rechtspfleger zu<br />

übertragen und § 3 Nr. 1 RPflG entsprechend zu ergänzen.<br />

Zur Begründung dürfen wir auf Folgendes hinweisen:<br />

Im Rechtspflegergesetz von 1969 wurde das Eröffnungsverfahren einschließlich<br />

der Eröffnungsentscheidung in Konkurs- und Vergleichsverfahren<br />

dem Richter vorbehalten. In der amtlichen Begründung zum<br />

Rechtspflegergesetz wurde ausgeführt, dass „die Eröffnung ... fürden<br />

Gemeinschuldner eine wirtschaftlich sehr schwerwiegende Maßnahme<br />

darstellt. Sehr oft bestehen bei der Entscheidung über den Eröffnungsantrag<br />

erhebliche rechtliche und tatsächliche Bedenken“.<br />

Diese Begründung vermag heute in keiner Weise mehr zu überzeugen.<br />

Zweifellos ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für den Schuldner<br />

schwerwiegend. Dies gilt aber in gleicher Weise für andere, dem<br />

Rechtspfleger bereits übertragene Aufgaben, wie z.B. die Anordnung<br />

der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung oder die Bearbeitung<br />

von Grundbuch- oder Handelsregistersachen. Auch bei diesen<br />

Tätigkeiten stellen die Entscheidungen des Rechtspflegers fürdenBetroffenen<br />

häufig einen schwerwiegenden wirtschaftlichen Eingriff dar,<br />

der sich gelegentlich sogar auf dieWirtschaftsstruktur einer ganzen Region<br />

auswirken kann. Es ist auch nicht nachzuvollziehen, dass gerade<br />

das Insolvenzeröffnungsverfahren in rechtlicher Hinsicht mehr<br />

Schwierigkeiten bereiten soll, als die erwähnten bereits übertragenen<br />

Geschäfte. Auch ist die rechtliche Problematik eines Insolvenzverfahrens<br />

nach der Eröffnung zumeist größer als im Eröffnungsverfahren<br />

selbst. In vielen Bundesländern nimmt deshalb bereits der Rechtspfleger<br />

die Prüfung der Voraussetzungen wahr und bereitet die Entscheidung<br />

des Richters vor.<br />

Auch ist dasVorliegen tatsächlicher Schwierigkeiten im Eröffnungsverfahren<br />

nicht zu bestreiten. Gleiches gilt jedoch auch für das eröffnete<br />

Verfahren, in welchem der Rechtspfleger gefordert ist. Hier mutet der<br />

Gesetzgeber seit 1969 grundsätzlich und ausnahmslos die Bewältigung<br />

tatsächlicher Schwierigkeiten dem Rechtspfleger zu, der sie seitdem<br />

problemlos meistert.<br />

Der Rechtspfleger hat sich somit seit mehr als 30 Jahren in Konkursbzw.<br />

Insolvenzverfahren bestens bewährt und dadurch unter Beweis gestellt,<br />

dass der Richtervorbehalt in diesem Verfahren nicht mehr gerechtfertigt<br />

ist. In Studium und Ausbildung des Rechtspflegers nimmt<br />

das Insolvenzrecht einen breiten Raum ein. Der Gesetzgeber hat im<br />

Hinblick auf die uneingeschränkte Bewährung des Rechtspflegers mit<br />

der Novellierung des Rechtspflegergesetzes im Jahre 1998 seine sachliche<br />

Unabhängigkeit festgeschrieben undVorlagepflichten an den Richter<br />

im Wesentlichen aufgehoben.<br />

Die in der BegründungzuArt.14Nr.5zu§ 18Abs. 1 Nr. 1 RPflG aufgestellte<br />

Behauptung in EGInsO, der Richtervorbehalt für dasEröffnungsverfahren<br />

habe sich bewährt, trifft nicht zu. Denn schon die Trennung<br />

des Eröffnungsverfahrens von dem eröffneten Verfahren ist eine<br />

verfahrensökonomisch abzulehnende Regelung, da sie dasVerfahren in<br />

einem entscheidenden Stadium verzögert und es bei der Auswahl des<br />

zu ernennenden Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders zu Unstimmigkeiten<br />

zwischen Richter und Rechtspfleger kommen kann.<br />

Der Umstand, dass sich in der Praxis bisher kaum nach außen sichtbare<br />

Schwierigkeiten ergeben haben, liegt zum einen daran, dass bei vielen<br />

Insolvenzgerichten – wie oben bereits ausgeführt – de facto der Rechtspfleger<br />

auch das Eröffnungsverfahren selbst bearbeitet. Der Richter<br />

leistet lediglich noch die Unterschrift unter die vorbereitete Ent-<br />

1098 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />

scheidung. Zum anderen werden auch in den Fällen, in denen der Richter<br />

das Eröffnungsverfahren selbst bearbeitet, Unzuträglichkeiten nur<br />

dadurch vermieden, dass die Entscheidung, dieAuswahl des Insolvenzverwalters/Treuhänders<br />

und die Bestimmung der Termine und Fristen<br />

zwischen dem Rechtspfleger und dem Richter arbeitsaufwändig abgesprochen<br />

werden.<br />

Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass sich die bisher geltende<br />

Regelung „bestens bewährt hat“, sondern lediglich davon, dass es dank<br />

derVernunft und desWillens der Entscheidungsträger gelungen ist, mit<br />

der unglücklichen gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zurechtzukommen.<br />

Erschwerend in der Praxis wirken sich auch die weiteren Zuständigkeiten<br />

des Richters aus für dasVerfahren über den Schuldenbereinigungsplan<br />

und für Entscheidungen bei einem Antrag des Schuldners auf<br />

Restschuldbefreiung, wenn ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung<br />

beantragt, sowie die Entscheidung über den Widerruf<br />

der Restschuldbefreiung. Die Doppelzuständigkeiten zwischen<br />

Rechtspfleger und Richter erschweren und verzögern den Verfahrensablauf.<br />

Außerdem führen sie zu einer unnötigen Belastung der Geschäftsstelle.<br />

Auch bei diesen Aufgaben bestehen heute keine Zweifel<br />

mehr daran, dass der Rechtspfleger dieVoraussetzungen füreineÜbernahme<br />

erfüllt.<br />

Auch verfassungsrechtliche Bedenken stehen einer Vollübertragung<br />

des Insolvenzverfahrens auf den Rechtspfleger nicht entgegen. In der<br />

amtlichen Begründung wird zum neuen Richtervorbehalt in § 18Abs. 1<br />

Nr.2RPflGu.a.ausgeführt, dass die vorbehaltenen Entscheidungen<br />

über die Restschuldbefreiung der rechtsprechenden Gewalt i.S.v.<br />

Art. 92 GG zumindest sehr nahe kommen, da sie<br />

– nach Anhörung der Beteiligten ergehen,<br />

– schwierige Abwägungen erfordern können und<br />

– tief in die materiellrechtliche Stellung des Schuldners oder der<br />

Gläubiger eingreifen.<br />

DieseArgumentation vermag aber nicht zu überzeugen. Schon aus der<br />

Formulierung „diese Entscheidungen kommen der rechtsprechenden<br />

Gewalt i.S.v. Art. 92 GG zumindest sehr nahe“,lässt sich der Schluss<br />

ziehen, dass es sich bei diesen Entscheidungen eben nicht um Rechtsprechung<br />

im Kernbereich des § 92 GG handelt, die der Richter wahrnehmen<br />

müsste.<br />

Die genannten Kriterien „Anhörung der Beteiligten, schwierigeAbwägungen,<br />

tiefer Eingriff in die materiellrechtliche Stellung von Beteiligten“<br />

untermauern zwar die Bedeutung dieser Entscheidungen, machen<br />

sie jedoch noch nicht zur Rechtsprechung im Kernbereich. Der Rechtspfleger<br />

trifft bereits heute zahlreiche Entscheidungen in der Rechtsprechung<br />

außerhalb des Kernbereichs. Die genannten Kriterien werden<br />

schon heute bei vielen Entscheidungen des Rechtspflegers erfüllt. Als<br />

Beispiel sei nur die Zuschlagsentscheidung im Zwangsversteigerungsverfahren<br />

erwähnt, die<br />

– eine Anhörung voraussetzt,<br />

– oft sehr schwierige Abwägungen erfordert und<br />

tief in die materiellrechtliche Stellung von Schuldner, Gläubiger und<br />

Ersteher eingreift<br />

(Eigentumsübergang, Räumungstitel gegen Schuldner, Zahlungstitel<br />

gegen Ersteher).<br />

Verfassungsrechtliche Gründe gebieten es demnach nicht, dem Richter<br />

das Eröffnungsverfahren oder die Entscheidung über die Restschuldbefreiung<br />

vorzubehalten.<br />

Die Vollübertragung des Insolvenzverfahrens wäre verfahrensökonomischsinnvoll.Siewürde<br />

zu einer Straffung und Beschleunigung des<br />

Insolvenzverfahrens führen, zudem würdeeineEntlastungderRichter<br />

eintreten.<br />

Für eine weitere mündliche Erörterung stehen wir gerne zurVerfügung.<br />

Den Landesjustizverwaltungen haben wir eineAbschrift dieses Schreibens<br />

zur Kenntnis übersandt.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Hinrich Clausen (Bundesvorsitzender)


<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1099<br />

<strong>ZInsO</strong>-<strong>Bücher</strong>- und Zeitschriftenreport<br />

<strong>ZInsO</strong>-<strong>Bücher</strong>- und Zeitschriftenreport<br />

R Handbuch der Geschäftsraummiete<br />

Kai-Jochen Neuhaus, 1. Aufl. 2001, 539 S., 128 DM,<br />

ZAP-Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis<br />

Spätestens mit der Reform des Mietrechts zum 1.9.2001 ist eine Neuorientierung<br />

in vielen Bereichen des zunehmend komplexer werdenden<br />

Rechts der Geschäftraummiete notwendig geworden, die gerade<br />

auch in Insolvenzverfahren genaue Beachtung erfordert. Das vorliegende<br />

Handbuch liefert dazu eine ganz vorzügliche Orientierung indem<br />

es sich auf die praxisrelevanten Problembereiche beschränkt und<br />

dieses zugleich in einer an der anwaltlichen Arbeitsweise orientierten<br />

Form leistet. Dabei überzeugt die gelungene Gesamtdarstellung durch<br />

tabellarische Übersichten und Formulierungsvorschläge ebenso wie<br />

die großeVielzahl von Checklisten, durch die verhindert werden kann,<br />

das Einzelprobleme übersehen werden und die zugleich als Arbeitsunterlage<br />

für die jeweiligen Fragen sehr hilfreich sind. Die lexikalischen<br />

Übersichten z.B. zum Recht der AGB bei der Geschäftsraummiete<br />

wie der umfassende Rechtsprechungsteil machen das Handbuch<br />

zu einem Kompendium der Vertragsgestaltung und Anspruchdurchsetzung,<br />

während die vielfältigen Praxistipps das Augenmerk<br />

auf ganz besondere Problemkreise lenken und zugleich immer Lösungsvorschläge<br />

unterbreiten, die man in anderen Werken leider vermisst.<br />

Dem Verfasser ist mit seinem Werk eine Darstellung gelungen,<br />

die denAnwalts- aber auch den Beratungsalltag wesentlich erleichtert<br />

undeinesehrguteGrundlagefür die Abfassung rechtssicherer Mietverträge<br />

bietet. Die kompakte Einführung der insolvenzrechtlichen<br />

Besonderheiten berührt die wesentlichen Probleme, wenngleich man<br />

sich hier einige weiterführende Hinweise auf die umfangreiche insolvenzrechtliche<br />

Literatur gewünscht hätte. Ein umfangreicherVertragsund<br />

Prozessformularteil runden das in jeder Hinsicht empfehlenswerte<br />

Handbuch ab, das sich schon jetzt und bei konsequenterAktualisierung<br />

auch künftig einen festen Platz imArbeitsbereich Mietrecht wird<br />

sichern können. (H.H.)<br />

R Schulden ohne Ende oder Ende ohne Schulden?<br />

Curt Wolfgang Hergenröder, DZWIR 2001, 397–412<br />

DerVerfasser des sehr umfangreichen Beitrags, bei dem es sich um eine<br />

überarbeiteteVerfassung seinerAntrittsvorlesung handelt, zeichnet<br />

die Entwicklung desVerbraucherinsolvenzverfahrens von der Diskussion<br />

um die Einführung einer Restschuldbefreiung bis zu den Änderungen<br />

des InsOÄndG 2001 nach. Er gibt zunächst einenAusblick auf<br />

die tatsächliche finanzielle Situation überschuldeter Haushalte und<br />

geht den Fragen des Ursprungs der Verbindlichkeiten und der<br />

wichtigsten Gründe für die Zahlungsunfähigkeit nach. Dabei nennt er<br />

in erster Linie die plötzliche Arbeitslosigkeit des Schuldners, das<br />

Scheitern von persönlichen Beziehungen und die Unerfahrenheit bei<br />

derAufnahme von Krediten als Gründe für die zunehmendeVerschuldung.<br />

Ungezügeltes Konsumverhalten, wie es oft polemisch alsArgument<br />

gegen die Restschuldbefreiung benutzt wird, stellt dagegen nach<br />

den Ausführungen des Verfassers, der sich auf empirische Untersuchungen<br />

stützt, keinen wesentlichen Grund für die zunehmende Verschuldung.<br />

Nach den Ausführungen zur tatsächlichen Entstehung der Verschuldung<br />

weiter Bevölkerungskreise und zu dem Umfang dieserVerschuldung<br />

folgt eine kurze Darstellung des Verfahrensablaufs der Verbraucherinsolvenz<br />

vom außergerichtlichenVerfahren über das gerichtliche<br />

Schuldenbereinigungsverfahren und das vereinfachte Insolvenzverfahren<br />

bis hin zum Restschuldbefreiungsverfahren. Sodann setzt sich<br />

Hergenröder mit der Kritik an diesem Verfahren auseinander und<br />

zeigt die wichtigsten Gründe auf, die bisher verhindert haben, dass es<br />

zu einer breiten praktischenAnwendung der InsO gekommen ist. Die<br />

Ursachen, die letztlich zur Änderung des Gesetzes schon in diesem<br />

Jahr geführt haben, werden noch einmal deutlich gemacht. Es folgen<br />

weitere Ausführungen zu den Vorschriften des InsOÄndG 2001 und<br />

deren Bewertung. Der Verfasser stellt hier fest, dass der Gesetzgeber<br />

zumindest einen Teil der Probleme angefasst hat, die bei Verabschiedung<br />

der InsO ungelöst geblieben sind und die letztlich die mangelnde<br />

Praxistauglichkeit des Verfahrens verursacht haben. Dabei weist<br />

der Autor in einer kritischen Betrachtung der verabschiedeten Neuregelungen<br />

darauf hin, dass viele Probleme, wie etwa die Durchführung<br />

des Verfahrens bei mehreren miteinander verbundenen Schuldnern<br />

und die unzureichende Ausstattung der Schuldnerberatungen nicht<br />

aufgegriffen worden sind und deshalb auch die Neuregelungen kritisch<br />

zu würdigen sind. Dies gilt nach Hergenröder vor allem auch für<br />

dieum4Jahreverlängerte Schuldenbereinigungsphase durch die<br />

Haftung des Schuldners für die gestundetenVerfahrenskosten, die ihn<br />

möglicherweise noch 48 Monate nach Aufhebung des Verfahrens belastet<br />

sowie die neu eingeführte gerichtliche Entscheidung über die<br />

Durchführung eines Schuldenbereinigungsverfahrens. Zu der gerichtlichen<br />

Entscheidung über die Schuldenbereinigung macht der Verfasser<br />

sehr deutlich, dass durch die in das Ermessen des Gerichts gestellte,<br />

nicht überprüfbare fakultative Ausgestaltung des gerichtlichen<br />

Schuldenbereinigungsverfahrens neue Unsicherheiten und Unwägbarkeiten<br />

geschaffen werden. Eine gleiche Rechtsanwendung ist dadurch<br />

wieder in Frage gestellt. Letztlich kommt der Beitrag zu dem<br />

Ergebnis, dass es dem überwiegenden Teil der Schuldner auch nach<br />

den neuen Regelungen des InsOÄndG 2001nicht gelingen werde,<br />

eine Restschuldbefreiung zu realisieren. (G.P.)<br />

R Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung<br />

ausländischer, insbesondere US-amerikanischer,<br />

insolvenzrechtlicher Entscheidungen in Deutschland<br />

Rolf A. Schütze, DZWIR 2001, 412–415<br />

Für ausländische Insolvenzverfahren gilt nach Art. 102 EGInsO<br />

das Universalitätsprinzip. Ausländische Entscheidungen in Insolvenzsachen<br />

sind deshalb unter bestimmten Voraussetzungen auch<br />

in Deutschland anzuerkennen. Unter dieser Prämisse setzt sich der<br />

Verfasser mit der Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen<br />

Entscheidungen, die im Ausland in Insolvenzsachen ergehen,<br />

auch in Deutschland wirken und eine Vollstreckbarerklärung derartiger<br />

Entscheidungen möglich ist. Der Verfasser prüft diese Frage<br />

Schritt fürSchritt,wobeiersichzunächst mit der internationalen<br />

Zuständigkeit des ausländischen Gerichts auseinander setzt<br />

und insoweit insbesondere Fragen der vielfältigen Zuständigkeit,<br />

wie sie von US-amerikanischen Gerichten angenommen wird,<br />

problematisiert. Sodann geht es um die ordnungsgemäße Zustellung<br />

der ausländischen verfahrenseinleitenden Beschlüsse, die<br />

ebenfalls Voraussetzung für die Anerkennung von Entscheidungen<br />

ist, und Fragen der Kollision mehrerer Entscheidungen, die in unterschiedlicher<br />

zeitlicher Abfolge ergehen. Weiter wird vom Verfasser<br />

problematisiert, unter welchen Voraussetzungen der ordre<br />

public der Anerkennung ausländischer Entscheidungen entgegen<br />

steht. Hier werden als Beispielsfälle, in denen dieser Grundsatz<br />

verletzt sein könnte, etwa exzessive Schadensersatzforderungen<br />

in den USA – sog. „punitive damages“ –genannt. Nach Ausführungen<br />

zur erforderlichen Verbürgung der Gegenseitigkeit der<br />

Anerkennung ausländischer Entscheidungen folgen schließlich in<br />

dem sehr informativen Beitrag noch Ausführungen zum Verfahren<br />

der Anerkennung und zur Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen.<br />

(G.P.)<br />

Die Rezensionen dieser Ausgabe wurden bearbeitet von:<br />

H.H. (Hans Haarmeyer), G.P. (Gerhard Pape).

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