ZInsO-Bücher
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Zeitschrift<br />
fürdasgesamteInsolvenzrecht<br />
<strong>ZInsO</strong><br />
Herausgeber:<br />
Hans-Peter Kirchhof, Richter am BGH, Karlsruhe; Dr. Gerhart Kreft,Vors. Richter am BGH, Karlsruhe; Ernst-Dieter Berscheid,<br />
Vors. Richter am LAG, Hamm; Dr. Gerhard Pape, Richter am OLG, Celle; Dipl.-Rpfl. Udo Hintzen, St. Augustin; Professor<br />
Dr. Heribert Hirte, LL. M. (Berkeley), Hamburg; Rechtsanwalt Dr. Manfred Obermüller, Frankfurt/M.; Rechtsanwalt Wolfgang<br />
Wutzke, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Bremen; Rechtsanwalt Dr. Karsten Förster, Fachanwalt für Insolvenzrecht, Bremen.<br />
Herausgeberbeirat:<br />
Michael Bretz, Creditreform, Neuss; Karlhans Fuchs, Richter am AG, Köln; Rechtsanwalt Dr. Hugo Grote,<br />
Verbraucher-Zentrale NRW, Düsseldorf; Dr. Dietmar Onusseit, Vors. Richter am OLG, Dresden; Mario Thurner,<br />
Center of Legal Competence (CLC); Staatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert.<br />
Schriftleiter:<br />
Professor Dr. iur. Hans Haarmeyer, Bonn; FHS-Koblenz, RheinAhrCampus Remagen.<br />
4. Jahrgang • Dezember Heft 23/2001 Seite I<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>ZInsO</strong>-Beihefter: Insolvenzreport 23/2001<br />
Zur Sache<br />
Rechtsbeschwerden nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt ................................................................ 1073<br />
Richter am BGH Hans-Peter Kirchhof, Karlsruhe<br />
Aufsätze<br />
Folgen der Reform des Zivilprozessrechts für das Insolvenzverfahren .......................................................................... 1074<br />
Richter am OLG Celle Dr. Gerhard Pape, Göttingen<br />
Die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO alte und neue Fassung – eine unendliche Geschichte ......................................... 1082<br />
Rechtsanwalt Dr. Thomas Kluth, Düsseldorf<br />
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
Die Änderung der §§ 6, 7 InsO zum 1. 1. 2002 durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses .............................. 1087<br />
Richter am AG Ulrich Schmerbach, Insolvenzgericht Göttingen<br />
Die neue Bauabzugssteuer – Haftungsrisiken in der Insolvenz ....................................................................................... 1095<br />
Rechtsanwalt Dr. Herbert Heidland, Köln<br />
<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />
Vollübertragung des Insolvenzverfahrens auf den Rechtspfleger .................................................................................... 1097<br />
Schreiben des BDR (Bund Deutscher Rechtspfleger) v. 8. 4. 2001 an das BMJ<br />
<strong>ZInsO</strong>-<strong>Bücher</strong>- und Zeitschriftenreport<br />
In dieser Rubrik geben wir eine Übersicht über die wichtigsten und interessantesten Veröffentlichungen<br />
aus dem Bereich des Insolvenzrechts .............................................................................................................................................. 1099<br />
Diese Ausgabe enthält u.a. Rezensionen zu folgenden Titeln:<br />
Kai-Jochen Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete; Curt Wolfgang Hergenröder, Schulden ohne Ende oder Ende ohne Schulden?;<br />
Rolf A. Schütze, Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer, insbesondere US-amerikanischer, insolvenzrechtlicher<br />
Entscheidungen in Deutschland
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>ZInsO</strong>-Rechtsprechungsreport<br />
R Entscheidungsreport<br />
R Leitsatzreport<br />
II <strong>ZInsO</strong> 24/2001<br />
<strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell +++ <strong>ZInsO</strong>-Aktuell<br />
Dritter Leipziger Insolvenzantrag<br />
Der Leipziger Insolvenzantrag e.V. (ein Zusammenschluss von in Leipzig tätigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzrichtern, Rechtspflegern,<br />
Mitarbeitern von Banken undVertretern der Wissenschaft) unter wissenschaftlicher Mitarbeit des Institutes fürAnwaltsrecht der Juristenfakultät<br />
derUniversität Leipzig (Prof. Dr. Christian Berger; Prof. Dr. Ekkehard Becker-Eberhard) veranstaltet am 11.2.2002 den Dritten<br />
Leipziger Insolvenzrechtstag. Im Mittelpunkt des ganztätigen Symposiums stehen folgende Vorträge und Workshops: (1) „Aktuelle Entwicklungen<br />
des Anfechtungsrechts im Lichte höchstrichterlicher Rechtsprechung“ (Vors. RiBGH Dr. Gerhart Kreft, Karlsruhe; RA Dr.<br />
Mark Zeuner, Hamburg); (2) „Ausgewählte Probleme der Insolvenz natürlicher Personen im Regelinsolvenzverfahren“ (RiAG Dr. Andreas<br />
Schmidt, Hamburg; RA Jens-Sören Schröder, Hamburg); (3) „Grundstücke in der Insolvenz – Chance oder Risiko?“ (Prof. Dr. Dieter Eickmann,<br />
Berlin; Albert Krammer, HypoVereinsbank München; RA, FA für Insolvenzrecht Michael C. Frege, Leipzig). Der Teilnehmerbeitrag<br />
beträgt 350 e,fürAngehörige des öffentlichen Dienstes 25 e. Im Teilnehmerbetrag ist der Tagungsband enthalten. Die Teilnahme wird<br />
auf Wunsch als Fortbildungsveranstaltung gem. § 15 FAO bescheinigt. Informationen bei: Leipziger Insolvenzrechtstag e.V., c/o Prof. Dr.<br />
Christian Berger, Institut für Anwaltsrecht, PSF 100920, 04009 Leipzig; Tel.: 0341/9735310, Fax: 0341/9735319; http://www.insolvenzrechtstag.de.<br />
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2 x monatlich<br />
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Redaktionsassistentin: Regina Dick<br />
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sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen<br />
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Druck: Rademann GmbH, 59348 Lüdinghausen<br />
ISSN 1615-8032
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1073<br />
Zur Sache<br />
Zur Sache<br />
Rechtsbeschwerden nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt<br />
von Richter am BGH Hans-Peter Kirchhof, Karlsruhe<br />
1. Bisher kein Anwaltszwang<br />
Nach § 568 Abs. 2 der z.Zt. noch gültigen Fassung der<br />
ZPO findet gegen die Entscheidung eines Beschwerdegerichts<br />
unter bestimmten Voraussetzungen die weitere<br />
Beschwerde statt. Sie wird gem. § 569 Abs. 1 und Abs. 2<br />
Satz 1 ZPO a.F. regelmäßig durch Einreichung einer<br />
Beschwerdeschrift bei demjenigen Gericht eingelegt,<br />
das die angefochtene Entscheidung erlassen hat.<br />
§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. bestimmt ergänzend, dass<br />
die Beschwerde u.a. dann auch durch Erklärung zu Protokoll<br />
der Geschäftsstelle eingelegt werden kann, wenn<br />
der Rechtsstreit im ersten Rechtszug nicht als Anwaltsprozess<br />
zu führen ist.<br />
Diese Vorschrift gilt zugleich für die weitere Beschwerde.<br />
Das bedeutet, dass auch für deren Einlegung unter<br />
der bezeichneten weiteren Voraussetzung kein Anwaltszwang<br />
herrscht (§ 78 Abs. 3 ZPO a.F.).<br />
Bedeutung hatten diese Vorschriften insbesondere für<br />
die in § 7 InsO geregelte weitere Beschwerde in Insolvenzverfahren.<br />
Für diese besteht erstinstanzlich kein<br />
Anwaltszwang. Da für sie insoweit keine sonstigen Sonderregeln<br />
aufgestellt sind, gilt aufgrund des § 4InsOder<br />
§ 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. auch dafür. Es gibt also bisher<br />
keinen Anwaltszwang.<br />
2. Anwaltszwang für neue Rechtsbeschwerde<br />
Das wird sich voraussichtlich ab 1.1.2002 mit dem<br />
In-Kraft-Treten der Neuregelung der ZPO ändern. Eine<br />
„weitere Beschwerde“ gibt es dann nicht mehr. Sie wird<br />
durch die „Rechtsbeschwerde“ ersetzt. Diese ist nach<br />
§ 574 Abs. 1 ZPO n.F. nur statthaft, wenn dies entweder<br />
im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Nr. 1) oder wenn<br />
sie von der Vorinstanz zugelassen worden ist (Nr. 2).<br />
FürbeideFälle setzt § 574 Abs. 2 ZPO n.F. voraus, dass<br />
die Rechtssache entweder grds. Bedeutung hat (Nr. 1)<br />
oder dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung<br />
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung<br />
des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (Nr. 2).<br />
Unter einer dieser beiden Voraussetzungen hat das Gericht<br />
der Vorinstanz die Rechtsbeschwerde zuzulassen<br />
(§ 574 Abs. 3 ZPO n.F.); ist diese kraft besonderer gesetzlicher<br />
Regelung ohnehin statthaft, so müssen jene<br />
besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen in der obligatorischen<br />
Rechtsbeschwerdebegründung dargelegt werden<br />
(§ 575Abs.3Nr.2ZPOn.F.).<br />
DieneueRechtsbeschwerdeistnachderBegründung<br />
der Bundesregierung zum Zivilprozessreformgesetz bewusst<br />
revisionsähnlich ausgestaltet. Nach § 575 Abs. 1<br />
Satz 1 ZPO n.F. ist sie durch Einreichen einer Beschwerdeschrift<br />
bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen;<br />
dies ist gem. § 133 GVG n.F. der BGH.<br />
Die für die bisherige weitere Beschwerde vorgesehene<br />
Möglichkeit der Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle<br />
entfällt für die Rechtsbeschwerde. Dies hat nach<br />
§ 78 Abs. 1 ZPO zur Folge, dass sich die Parteien durch<br />
einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten<br />
lassen müssen.<br />
Eine vergleichbare Regelung gab es bisher schon mit der<br />
Rechtsbeschwerde gem. § 18 AVAG a.F. (§ 16 AVAG<br />
n.F.), die in gleicher Weise einzulegen war. Dafürhatder<br />
BGH in st. Rspr. angenommen, dass sie nur durch einen<br />
beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt wirksam eingelegt<br />
werden konnte; 1 dies war in der amtlichen Begründung<br />
zu § 18 AVAG a.F. ausdrücklich so vorgesehen.<br />
Die Beteiligung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts<br />
entspricht auch dem alleinigen Zweck der jetzt<br />
allgemein eingeführten Rechtsbeschwerde, nämlich<br />
Rechtsfragen von grds. Bedeutung klärenzulassenoder<br />
zur Rechtsfortbildung oder -vereinheitlichung beizutragen.<br />
3. Besonderheit für Insolvenzverfahren<br />
Besondere Bedeutung erlangt diese Regelung in Insolvenzverfahren.<br />
Denn nach § 7 InsO n.F. findet die<br />
Rechtsbeschwerde allgemein gegen Beschwerdeentscheidungen<br />
in Insolvenzsachen statt. Das Rechtsmittel<br />
muss also nicht, wie in den meisten anderen Bereichen,<br />
besonders zugelassen werden. Hier stellt sich für den<br />
Rechtsanwalt, der die Rechtsbeschwerde einlegt, in jedem<br />
Einzelfall die Aufgabe, entweder die grds. Bedeutung<br />
der Rechtssache oder das Erfordernis der Rechtsfortbildung<br />
oder der Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung darzulegen.<br />
In dieser Hinsicht könnten kraft der besonderen Formalisierung<br />
strengere Anforderungen zu stellen sein als bisher<br />
auf der Grundlage des § 7Abs.1InsOa.F.Die<br />
Begründung einer Rechtsbeschwerde wird künftig mindestens<br />
eine Darstellung der als entscheidungserheblich<br />
zu klärenden insolvenzrechtlichen Frage und ihrer über<br />
den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung voraussetzen.<br />
1 BGH, NJW-RR 1994, 320.
Aufsätze<br />
Aufsätze<br />
1074 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
Folgen der Reform des Zivilprozessrechts für das Insolvenzverfahren<br />
– Bemerkungen zu den wichtigsten Änderungen für die Prozesspraxis<br />
von Richter am OLG Celle Dr. Gerhard Pape, Göttingen<br />
Die Reform der ZPO 1 tritt in ihren wesentlichen Inhalten<br />
zum 1.1.2002 in Kraft. 2 Die ungeliebte Reform, über<br />
deren Für und Wider hier nicht weiter gestritten werden<br />
soll, kann spätestens nach dem Jahreswechsel 2001/<br />
2002 nicht mehr ignoriert werden. Aus der Sicht der insolvenzrechtlichen<br />
Praxis stellt sie nach dem InsOÄndG<br />
2001 3 die wichtigste Rechtsänderung zum Jahreswechsel<br />
dar, 4 sieht man einmal von dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz<br />
ab, dessen Auswirkungen auf die insolvenzrechtliche<br />
Praxis sich allerdings erst allmählich<br />
zeigen werden und nicht abrupt zum 1.1.2002 eintreten.<br />
Die besondere Bedeutung des ZPO-Reformgesetzes für<br />
die insolvenzrechtliche Praxis ergibt sich zum einen aus<br />
der Tatsache, dass vielfach Rechtsstreitigkeiten erforderlich<br />
sind, um Gegenstände der Insolvenzmasse zu<br />
realisieren und ebenso häufig vom Schuldner vor Verfahrenseröffnung<br />
begonnene Prozesse noch zu Ende geführt<br />
werden müssen. Zum anderen folgt die Bedeutung<br />
des Zivilprozessrechts aus der Anwendung der Vorschriften<br />
der ZPO auf das Beschwerdeverfahren im Insolvenzrecht,<br />
die es für die Beteiligten unerlässlich<br />
macht, sich detaillierte Kenntnisse des neuen Beschwerderechts<br />
anzueignen. 5<br />
Ziel der nachfolgenden Ausführungen soll es nicht sein,<br />
dem Leser einen Gesamtüberblick über die Vorschriften<br />
des ZPO-Reformgesetzes zu verschaffen. 6 Beabsichtigt<br />
ist vielmehr, auf Auswirkungen hinzuweisen, die sich<br />
aus den grundlegenden Änderungen des Verfahrens<br />
nach der ZPO für die Insolvenzrechtspraxis und die<br />
Führung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang<br />
mit der Abwicklung von Insolvenzverfahren ergeben.<br />
Dabei sollen insbesondere solche Punkte angesprochen<br />
werden, die für die beteiligten Verfahrensbevollmächtigten<br />
und Insolvenzverwalter zu haftungsrechtlichen<br />
Schwierigkeiten führen können und regressträchtig<br />
sind. Zugleich soll auf einige prozessuale Probleme aufmerksam<br />
gemacht werden, die auf der gesamten Praxis<br />
nach In-Kraft-Treten des ZPO-Reformgesetzes lasten<br />
werden.<br />
I. Das erstinstanzliche Verfahren nach<br />
dem ZPO-RG<br />
Soweit das Reformgesetz Änderungen der allgemeinen<br />
Vorschriften und Neuregelungen für das erstinstanzliche<br />
Verfahren enthält, sind diese zumindest auf den ersten<br />
Blick nicht so gravierend, wie man es nach der Diskussion<br />
des Gesetzes hätte erwarten können. 7 Die Änderungen<br />
im Bereich der allgemeinen Vorschriften bewegen<br />
sich im Wesentlichen im Rahmen der Anpassung des Gesetzes<br />
an die bisherige Praxis oder stellen überwiegend<br />
kleinere Eingriffe dar. 8<br />
1. Substanzielle Änderungen der allgemeinen<br />
Vorschriften mit Auswirkungen auf die<br />
Prozesspraxis<br />
Erwähnenswert im Hinblick auf Prozessführungen des<br />
Insolvenzverwalters ist in diesem Abschnitt zunächst die<br />
Änderung des § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO, mit der für das<br />
Beschwerdeverfahren in PKH-Sachen eine Notfrist von<br />
einem Monat zur Einlegung der sofortigen Beschwerde<br />
eingeführt wird. Diese Vorschrift ist Folge der Umgestaltung<br />
sämtlicher bisherigen einfachen Beschwerden in sofortige<br />
Beschwerden im Rahmen des ZPO-RG. 9 Da es eine<br />
einfache Beschwerde ohne Befristung nicht mehr gibt,<br />
muss auch die sofortige Beschwerde gegen die Versagung<br />
von PKH innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden.<br />
Abweichend von der allgemeinen Regelung des<br />
§ 569Abs.1Satz1ZPObeträgt die Notfrist bei Beschwerden<br />
in PKH-Verfahren allerdings nicht zwei Wochen,<br />
sondern einen Monat.<br />
Als weitere Regelung10 ist hier die Neufassung des § 139<br />
ZPO zu erwähnen, in der die Hinweispflichten des Gerichts<br />
präzisiert werden. Zwar stellt die Vorschrift letztlich<br />
nur eine Zusammenfassung der früher verstreut in<br />
der ZPO geregelten Hinweispflichten des Gerichtes dar.<br />
Wichtig ist aber die in § 139 Abs. 4 ZPO enthaltene<br />
Pflicht zur möglichst frühzeitigen Erteilung von Hinweisen<br />
und die dort ebenfalls niedergelegte Dokumentationspflicht<br />
sowie der nach § 139 Abs. 5 ZPO zu gewährende<br />
Schriftsatznachlass bei der fehlenden Möglichkeit, auf<br />
einen Hinweis sofort zu reagieren. Diese Vorschriften<br />
führen zwar nicht zu Änderungen, soweit Gerichte bisher<br />
1 Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 – Zivilprozessreformgesetz<br />
– ZPO-RG, BGBl. I 2001, S. 1887 ff.<br />
2 Vgl. zu den Übergangsregelungen Schneider, ZAP Fach 13, S. 1095 f.<br />
3 Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze v.<br />
26.10.2001 (BGBl. I 2001, S. 2710 ff.).<br />
4 Vgl. zu diesem Gesetz G. Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 587 ff.; Vallender, NZI 2001,<br />
561 ff.; Wenzel, in: Kübler/Prütting, InsO, 11. Lfg. 11/2001, §§ 4a ff.;<br />
§§ 286 ff.<br />
5 Zu den Auswirkungen der Änderungen des zivilprozessualen Beschwerdeverfahrens<br />
auf insolvenzrechtliche Beschwerden bereits ausführlich I. Pape,<br />
NZI 2001, 516 ff.; hierzu ferner der Beitrag von Schmerbach, <strong>ZInsO</strong> 2001,<br />
1087 ff. (in diesem Heft).<br />
6 Insoweit wird auf die Darstellungen von Hartmann, NJW 2001, 2577 und<br />
Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff. verwiesen.<br />
7 Informativ hierzu insbesondere auch die synoptische Darstellung der Änderungen,<br />
abgedruckt in NJW-Beilage zu Heft 36/2001, S. 5 ff., aus der sich nur<br />
wenige substanzielle Änderungen für diesen Teil der InsO ergeben; vgl. zu<br />
diesem Teil des Änderungsgesetzes i.Ü. auch Schellhammer, MDR 2001,<br />
1081 ff.<br />
8 Dies mag etwa für § 45 ZPO (in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung – dies gilt<br />
gleichzeitig für sämtliche nachfolgend in dem Beitrag zitierten Vorschriften<br />
der ZPO, falls nichts anderes vermerkt ist), § 91a Abs. 2 ZPO, § 108 Abs. 1<br />
ZPO und § 127 Abs. 2 ZPO gelten.<br />
9 Dazu I. Pape, NZI 2001, 516, 517.<br />
10 Auf die in § 128a ZPO eingeführte Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung<br />
mittels Videoübertragung braucht hier nicht eingegangen zu werden,<br />
weil völlig ungeklärt ist, wann, wie und wo die technischen Voraussetzungen<br />
für solche Verhandlungen geschaffen werden sollen.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1075<br />
Aufsätze<br />
schon schriftliche Hinweise im Vorfeld der mündlichen<br />
Verhandlung erteilt und das Verfahren damit frühzeitig<br />
gefördert haben. Insoweit war auch die Dokumentationspflicht<br />
erfüllt, weil der Hinweis bereits aus der Verfügung<br />
zu entnehmen war. Massive Änderungen ergeben sich<br />
aber für die bislang relativ häufig zu beobachtende Praxis,<br />
rechtliche Hinweise erst in der abschließenden mündlichen<br />
Verhandlung zu geben, in der praktisch keine Möglichkeit<br />
mehr bestand, auf diese Hinweise zu reagieren.<br />
Eine solche Praxis wird durch die Verpflichtung zum<br />
Schriftsatznachlass ausgeschlossen. Ist eine Partei aufgrund<br />
der verspäteten Hinweiserteilung nicht in der Lage,<br />
darauf noch in der mündlichen Verhandlung zu reagieren,<br />
hat das Gericht nach der Neufassung des § 156 Abs. 2<br />
Nr. 1 InsO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung<br />
zu beschließen und das Verfahren fortzusetzen. Unterlässt<br />
das Gericht eine solche Wiedereröffnung, obwohl<br />
auf den verspätet erteilten Hinweis neues erhebliches<br />
Vorbringen gekommen ist, bestehen begründete Aussichten,<br />
dass eine Berufung nicht an § 522 Abs. 2 ZPO scheitert<br />
11 und das Vorbringen im Berufungsverfahren trotz<br />
der Beschränkungen der §§ 520, 531 ZPO zu berücksichtigen<br />
ist. Insoweit ist verstärkt darauf zu achten, dass Hinweise<br />
des Gerichts aufgenommen und dazu vorgetragen<br />
wird.<br />
Insgesamt muss im erstinstanzlichen Verfahren zukünftig<br />
beachtet werden, dass die Beschränkungen des Berufungsrechts<br />
12 reflexartig in das erstinstanzliche Verfahren<br />
zurückwirken und das Maß des Vorbringens in erster Instanz<br />
mitbestimmen. Da eine Chance, mit neuem tatsächlichen<br />
Vorbringen in zweiter Instanz durchzudringen, praktisch<br />
nur noch besteht, wenn die Partei entweder den Vortrag<br />
in erster Instanz nicht halten konnte, weil sie ihn ohne<br />
ihr Verschulden nicht kannte, oder das erstinstanzliche<br />
Gericht den Vortrag verfahrenswidrig übergangen hat,<br />
gibt es für taktische Überlegungen im Zivilprozess, die allerdings<br />
auch bisher schon fragwürdig waren, wenn man<br />
an § 97 Abs. 2 ZPO denkt, gar keinen Raum mehr. Die<br />
teilweise noch festzustellenden Sachverhaltsergänzungen<br />
und -präzisierungen in zweiter Instanz – unterstellt, es<br />
handelt sich um wahren Vortrag, der nicht nur aus der Not<br />
der Prozesslage heraus geboren ist – stellen zukünftig das<br />
größte Haftungs- und Regressrisiko für den Prozessbevollmächtigten<br />
dar. Insbesondere der Insolvenzverwalter,<br />
der auf eine sparsame Verwendung der Mittel der Masse<br />
für Prozessführungen bedacht sein muss und der den<br />
Gläubigern für eine ordnungsgemäße Prozessführung<br />
haftet, hat alles zu tun, um in erster Instanz vollständig<br />
und richtig vorzutragen, damit nicht die scharfen Präklusionsvorschriften<br />
der neuen ZPO für das zweitinstanzliche<br />
Verfahren eingreifen. Konnten die Parteien bisher<br />
noch darauf hoffen, bei Ergänzung desVortrags in zweiter<br />
Instanz mit dem neuen Vorbringen gehört zu werden,<br />
zeigt heute ein Blick auf die §§ 520, 522, 531 ZPO, dass<br />
auch ohne die Verspätungsvorschrift des § 530 ZPO die<br />
Berücksichtigung neuen Vortrags erheblich schwieriger<br />
geworden ist. Grds. hat das Berufungsgericht nur den von<br />
der ersten Instanz festgestellten Sachverhalt zu prüfen,<br />
wie sich aus § 529 ZPO ergibt. All dies führt zu einer<br />
massiven Verschärfung der Anforderungen an Qualität<br />
und Intensität des Vortrags in erster Instanz, die schon<br />
ohne Berücksichtigung der verstärkten Hinweispflicht<br />
des Gerichts eingetreten ist; werden Hinweise nach § 139<br />
ZPO erteilt, müssen die Parteien alles tun, um darauf<br />
sachgerecht und vollständigzureagieren.DasGerichtist<br />
allerdings auch verpflichtet, neuen Vortrag aufzugreifen<br />
und zum Gegenstand seiner Verhandlungen zu machen.<br />
Weitere Änderungen, die insbesondere auch für denInsolvenzverwalter<br />
bedeutsam sein können, ergeben sich<br />
aus den §§ 142, 144 ZPO bzgl. der Urkundenvorlage<br />
durch Dritte. Nach diesen Vorschriften können zukünftig<br />
am Verfahren nicht beteiligte Dritte zur Vorlage von Urkunden<br />
verpflichtet werden, deren Inhalt fürdenRechtsstreit<br />
von Bedeutung ist. Diese Möglichkeit der Beweisführung13<br />
kann gerade bei einer im Insolvenzverfahren<br />
typischerweise ungeordneten und unvollständigenAktenführung<br />
helfen, notwendige Urkunden in den Prozess einzuführen.<br />
Unklar und noch völlig offen ist allerdings, wie<br />
die Frage der „Zumutbarkeit“ beurteilt werden wird.<br />
Durch dieses Merkmal kann die Vorschrift deshalb sehr<br />
leicht entwertet werden, wenn die Vorlage durch Dritte<br />
schon bei geringfügigen Beeinträchtigungen durch die<br />
Vorlage als unzumutbar angesehen wird. Zu der Einbeziehung<br />
Dritter in den Rechtsstreit im Rahmen von Beweiserhebungen<br />
sind in diesem Zusammenhang auch die<br />
Vorschriften über die Anordnung der Urkundenvorlage<br />
und der Vorlage von Augenscheinsobjekten durch Dritte<br />
in § 371 und in § 428 InsO zu zählen.<br />
2. Änderungen des ZPO-RG betreffend das Verfahren<br />
im ersten Rechtszug<br />
Auch die Auswirkungen der ZPO-Reform auf das erstinstanzliche<br />
Verfahren, soweit sie Rechtsstreitigkeiten im<br />
Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren betreffen<br />
könnten, halten sich – abgesehen von den bereits erörterten<br />
erhöhten Anforderungen an die Darlegungen der Parteien<br />
– in Grenzen. So kann etwa nach § 269Abs. 2 Satz 3<br />
ZPO die Klagerücknahme unter vereinfachten Bedingungen<br />
erfolgen und bei Wegfall des Grundes zur Klageerhebung<br />
zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit sind<br />
nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht mehr verzwickte<br />
juristische Konstruktionen gefragt, um zu der Möglichkeit<br />
zu kommen, eine Kostenentscheidung zu treffen, die<br />
dem bisherigen Sach- und Streitstand entspricht. Die obligatorische<br />
Güteverhandlung in § 278 ZPO 14 kann nach<br />
§ 278 Abs. 2 Satz 1 3. Alt. ZPO unterbleiben, wenn sie<br />
erkennbar aussichtslos erscheint. Diese Feststellung kann<br />
etwa dann getroffen werden, wenn das Gericht schon im<br />
Vorfeld der mündlichen Verhandlung einen schriftlichen<br />
Einigungsversuch unternommen hat, der regelmäßig<br />
mehr Aussicht auf Erfolg verspricht, als ein Güteversuch<br />
in der mündlichenVerhandlung, der von den Parteien aber<br />
bereits abgelehnt worden ist. Soweit die Anordnung des<br />
persönlichen Erscheinens zwecks Durchführung eines<br />
Güteversuchs erfolgt, kommt auch eine Vertretung durch<br />
11 Dazu nachfolgend II. 1.<br />
12 Dazu unten II.<br />
13 Dazu auch Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1066.<br />
14 Dazu Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1072 f.
Aufsätze<br />
einen zum Vergleichsabschluss ermächtigten Bevollmächtigten<br />
– dies kann auch der Prozessbevollmächtigte<br />
sein – in Betracht, so dass eine übermäßige Inanspruchnahme<br />
durch Gerichtstermine, die keine Zeit für andere<br />
Aufgaben bei der Abwicklung von Insolvenzverfahren<br />
mehr lässt, nicht zu befürchten ist. Nur sehr beschränkte<br />
Auswirkungen hat auch die neue Vorschrift über die Fortsetzung<br />
des erstinstanzlichen Verfahrens bei Rüge der<br />
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in unanfechtbaren<br />
Sachen (§ 321a ZPO). Der Anwendungsbereich<br />
dieser Vorschrift15 wird bereits durch die Senkung<br />
der Berufungsgrenze auf 600 e in § 511Abs.2Nr.1ZPO<br />
erheblich eingeschränkt. Da Prozessführungen unterhalb<br />
dieser Grenze wirtschaftlich kaum einen Sinn ergeben<br />
und die Belastung durch das Verfahren i.d.R. höher ist, als<br />
dessen materieller Gewinn, dürfte auch diese Bestimmung<br />
im Zusammenhang mit Prozessführungen des<br />
Insolvenzverwalters kaum eine nennenswerte Bedeutung<br />
erlangen.<br />
Relativ umfangreich und teilweise sehr kompliziert sind<br />
zwar die Vorschriften über die Einführung eines originären<br />
und eines obligatorischen Einzelrichters in den<br />
§§ 348, 348a ZPO. 16 Gegen die mit diesen Neuregelungen<br />
verbundene Aufgabe des Kammerprinzips können<br />
sich die Parteien aber durch den übereinstimmenden Antrag<br />
zur Wehr setzen, die Sache auf die Kammer zu übertragen,<br />
sofern sie sich als besonders schwierig und aufwändig<br />
erweist. I.Ü. kannabervomVerfasseraufgrund<br />
einer mehr als 10-jährigen Tätigkeit als Berufungsrichter<br />
am LG und OLG auch nicht ohne weiteres festgestellt<br />
werden, dass Einzelrichterentscheidungen generell<br />
schlechter sein müssen als Kammerentscheidungen.<br />
Zwar erschwert die Einzelrichtertätigkeit die Entscheidungsfindung<br />
in umfangreichen und komplizierten Sachen<br />
erheblich, weil regelmäßig Ansprechpartner fehlen,<br />
mit denen die Sache diskutiert werden kann; dass dies<br />
zwingend auf die Qualität der Entscheidungen durchschlagen<br />
muss, ist aber nicht ohne weiteres belegbar.<br />
II. Wesentliche Änderungen im Berufungsrecht<br />
Die gravierendsten Einschnitte der neuen ZPO sind im<br />
Berufungsrecht zu finden, das von seine bisherigen Funktion<br />
als zweite Tatsacheninstanz zu einer Zwitterfunktion<br />
zwischen Tatsachen- und Rechtsinstanz mutiert ist. 17<br />
Diese Schaffung einer Chimäre des Prozessrechts dürfte<br />
für alle Beteiligten die größten Probleme mit der Reform<br />
bereiten. Für die Parteien ist praktisch nicht mehr berechenbar<br />
und vorhersehbar, ob ihre Rechtsmittel überhaupt<br />
noch zulässig sind oder ob sie bereits im Zurückweisungsverfahren<br />
nach § 522 Abs. 2 ZPO scheitern. Für<br />
die Berufungsgerichte sind die Kriterien, nach denen im<br />
Berufungsverfahren geurteilt werden soll, aufgrund der<br />
Vielzahl derVorschriften, in denen dieseVoraussetzungen<br />
geregelt sind und der unbestimmten Rechtsbegriffe, die<br />
dabei verwendet werden, nur noch unter großen Schwierigkeiten<br />
herauszufinden. 18 War es bislang der klare Auftrag<br />
an die Berufungsinstanz, nicht nur die Rechtsanwendung<br />
zu überprüfen, sondern auch die Tatsachenfeststellung<br />
zu kontrollieren, liegt die zukünftigeAufgabe der<br />
1076 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
Berufungsgerichte noch im Nebel. Eine Tatsachenfeststellung<br />
soll zwar auch weiterhin stattfinden, dies aber<br />
nur, wenn die erste Instanz bei ihrer Feststellung des<br />
Sachverhalts versagt hat oder die Parteien ohne ihr Zutun<br />
gehindert waren, dem Gericht schon in erster Instanz den<br />
vollständigen Streitstoff zu unterbreiten. Dies führt zu<br />
Unsicherheiten, die voraussichtlich erst in einem langwierigen<br />
Prozess abgebaut werden können.<br />
1. Einführung der einstimmigen Beschlusszurückweisung<br />
Kritischster Punkt des neuen Berufungsrechts ist naturgemäß<br />
die in § 522Abs. 2 ZPO eingeführte Möglichkeit der<br />
Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss,<br />
wenn der Senat oder die Berufungskammer davon<br />
überzeugt sind, dass die Berufung wederAussicht auf<br />
Erfolg noch grds. Bedeutung hat und auch eine Durchführung<br />
des Berufungsverfahrens zur Fortbildung des<br />
Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />
nicht erforderlich ist. Diese Regelung, bei der keine<br />
Anfechtung des Verwerfungsbeschlusses vorgesehen<br />
ist (§ 522 Abs. 3 ZPO) und auch ein § 321a ZPO entsprechendes<br />
Abhilfeverfahren nicht stattfindet, hat schon im<br />
Vorfeld des In-Kraft-Tretens des ZPO-RG erhebliches<br />
Unbehagen hervorgerufen. 19 In der Praxis ist zwar vielfach<br />
noch zu hören, dass man von dieser Vorschrift keinen<br />
Gebrauch machen wolle und auch weiterhin regelmäßig<br />
mündliche Verhandlung anberaumen werde. Bei diesen<br />
Äußerungen bleibt aber unberücksichtigt, dass es sich bei<br />
§ 522 Abs. 2 ZPO um eine zwingende Vorschrift handelt,<br />
die nicht ohne weiteres übergangen werden kann. 20 Ungeachtet<br />
der Vorbehalte, die man gegen die Regelung haben<br />
mag, sind auch die Interessen des Berufungsgegners<br />
zu beachten, der einen Anspruch auf eine unverzügliche<br />
Zurückweisung der Berufung hat, wenn diese keine Aussicht<br />
auf Erfolgt hat. Soweit den Berufungsgerichten von<br />
Anwaltsseite schon jetzt die Gefahr des Missbrauchs der<br />
Vorschrift unterstellt wird, 21 und sogar Zweifel daran laut<br />
werden, ob die Zurückweisung durch Beschluss immer<br />
auf einer einstimmigen Entscheidung des Gerichts beruht,<br />
ist dem der gegenwärtig betriebene Missbrauch mit<br />
den Verzögerungsmöglichkeiten des Berufungsverfahrens,<br />
den Parteien und Rechtsanwälte betreiben, entgegenzuhalten.<br />
So gehört es zur täglichen Praxis des Verfassers,<br />
dass auf mehrseitige, ausführlich begründete Hinweise<br />
auf die Aussichtslosigkeit der Berufung allenfalls<br />
mit der Floskel reagiert wird, dass die Partei – i.d.R. trotz<br />
Unanfechtbarkeit der Entscheidung – ein Urteil wolle,<br />
sofern überhaupt eine Reaktion auf die regelmäßig sehr<br />
15 Dazu auch Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1073 ff.<br />
16 Dazu Schellhammer, MDR 2001, 1081 ff., 1083 f.<br />
17 Dies gilt für die Berufungskammern bei den LG genauso, dort bleibt allerdings<br />
die exakte Standortbestimmung nur insoweit erhalten, als sich die<br />
Funktion der erstinstanzlichen Zivilkammern nicht ändert.<br />
18 S. dazu insbesondere Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff.<br />
19 S. Hirtz, MDR 2001, 1265 ff.; Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1147;<br />
Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1163 ff., 1084 ff., der zutreffend darauf<br />
hinweist, dass der Mandant zukünftig auch über das Risiko der Zurückweisung<br />
der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO beraten werden muss.<br />
20 So wohl auch Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1063 ff., 1084, demzufolge<br />
die Regelung als „Muss“-Vorschrift anzusehen ist.<br />
21 S. Hirtz, MDR 2001, 1265 ff.; Schneider, ZAP 2001, Fach 13, S. 1085 f.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1077<br />
Aufsätze<br />
frühzeitig nach Eingang der Berufungserwiderung erteilten<br />
Hinweise erfolgt. Die Behauptung, offensichtlich unbegründete<br />
Berufungen könnten ohne großen Zeitaufwand<br />
dadurch erledigt werden, dass in der mündlichen<br />
Verhandlung das Rechtsmittel zurückgenommen<br />
werde, 22 entbehrt nach den Erfahrungen des Verfassers in<br />
einer fünfjährigen Tätigkeit als Berufungsrichter in Zivilsachen<br />
am OLG jeder tatsächlichen Grundlage. Rücknahmen<br />
des Rechtsmittels bei Hinweisen auf die Aussichtslosigkeit<br />
der Berufung in der mündlichen Verhandlung<br />
gibt es in der Praxis ebenso wenig, wie auf entsprechende<br />
schriftliche Hinweise auch nicht etwa durch Rücknahmen,<br />
sondern – wenn überhaupt – vielmehr durch neues<br />
oder geändertes tatsächliches Vorbringen reagiert wird,<br />
das merkwürdigerweise in erster Instanz noch nicht einmal<br />
angeklungen ist.<br />
Unbeschadet der Spekulationen über den Prozentsatz, die<br />
nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesene Berufungen zukünftig<br />
ausmachen werden, 23 sollte sich die Praxis darauf<br />
einrichten, dass es in aussichtslosen Sachen auch Zurückweisungen<br />
durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO geben<br />
wird. Dabei wird die Einstimmigkeit des Zurückweisungsbeschlusses<br />
schon durch die Unterschrift der Richter<br />
dokumentiert, so dass Spekulationen über die in<br />
Wahrheit fehlende Einstimmigkeit ebenso unangebracht<br />
sind, 24 wie auch die möglicherweise fehlende Beratung<br />
des Hinweises auf die Aussichtslosigkeit, der der Verwerfung<br />
nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorauszugehen hat,<br />
nichts weiter als eine böswillige Unterstellung ist. Dass<br />
den Parteien tatsächlich damit gedient ist, eine aussichtslose<br />
Berufung bis zum Termin durchzuschleppen und damit<br />
gleichzeitig dem Gegner des Berufungsführers die<br />
Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung zu versagen,<br />
dürfte kaum festzustellen sein. Insbesondere von Insolvenzverwaltern,<br />
die gehalten sind, Mittel der Masse<br />
nicht unnötig zu verprozessieren, muss erwartet werden,<br />
dass sie sich vor der Einlegung eines Rechtsmittels mit<br />
der Zurückweisungsmöglichkeit des § 522 Abs. 2 ZPO<br />
auseinandergesetzt und die Erfolgsaussichten auch im<br />
Hinblick auf dieseVorschrift geprüft haben.Auf der anderen<br />
Seite darf von Verwaltern auch mit Recht erwartet<br />
werden, dass bei obsiegenden erstinstanzlichen Urteilen<br />
zugunsten der Insolvenzmasse die Berufung des Gegners<br />
zurückgewiesen wird, wenn sie von vorn herein aussichtslos<br />
ist.<br />
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf den Wortlaut<br />
des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, der nur fehlende<br />
Erfolgsaussicht, nicht aber „offensichtliche Aussichtslosigkeit“<br />
voraussetzt. Der bei manchen Stimmen bereits<br />
anklingenden Einschränkung der Zurückweisung der Berufung<br />
durch Beschluss auf besonders handgreifliche<br />
Formen der Aussichtslosigkeit fehlt deshalb auch die entsprechende<br />
gesetzliche Grundlage. Aussichtslos ist die<br />
Berufung dann, wenn – sieht man einmal von den Fällen<br />
des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO ab – der Berufungsführer<br />
in der Berufungsbegründung keine Gründe<br />
vorgetragen hat, die einen der Fälle des § 520 Abs. 3<br />
Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO ausfüllen. Gem. § 523 Abs. 1<br />
Satz 2 ZPO ist erst nach der Entscheidung über die Zulässigkeit<br />
der Berufung und den Zurückweisungsbeschluss<br />
die Sache zu terminieren; 25 die Vorstellung, das Berufungsgericht<br />
könne sich der Prüfung der Zurückweisung<br />
der Berufung durch Beschluss – etwa durch eine schnelle<br />
Terminierung – entziehen, ist deshalb mit dem Gesetz unvereinbar.<br />
Wenn das Berufungsgericht die Sache terminiert,<br />
müssen die Parteien daraus den Schluss ziehen können,<br />
dass in der Berufungsbegründung erhebliche Gründe<br />
i.S.d. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 – 4ZPOvorgetragenworden<br />
sind. Eine spätere Entscheidung, die nicht erkennen<br />
lässt, dass das Berufungsgericht von einer erheblichen<br />
Rechtsverletzung des erstinstanzlichen Urteils, einer unvollständigen<br />
Tatsachenfeststellung oder zulässigen neuen<br />
Angriffs- und Verteidigungsmitteln ausgegangen ist,<br />
würde mit der Neuordnung des Berufungsrechts nicht in<br />
Einklang stehen und die Parteien überraschen. Sie würde<br />
insbesondere auch unnötige weitere Kosten verursachen,<br />
die letztlich der Berufungsführer zu tragen hätte. All dies<br />
verbietet es, die neu eingeführte Möglichkeit des § 522<br />
Abs. 2 ZPO mit dem mancherorts zu hörenden: „Weiter<br />
wie bisher!“, zu quittieren. Die Möglichkeit der Zurückweisung<br />
einer aussichtslosen Berufung durch einstimmigen<br />
Beschluss ist nicht nur eine „elegante und nicht<br />
sehr anstrengende Art und Weise, kurzen Prozess“ zu machen.<br />
26 Sie ist vielmehr auch Verpflichtung des Berufungsgerichts<br />
zur Zulässigkeitsprüfung, der sich das Gericht<br />
nicht durch eine unsorgfältige Prüfung der Berufungsbegründung<br />
im Hinblick auf § 520 Abs. 3 Satz 2<br />
Nr. 2–4 ZPO entziehen darf. Andernfalls müsste man<br />
sagen, dass auch die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen,<br />
etwa der fristgemäßen Einlegung und Begründung<br />
der Berufung sekundäre Pflichten sind, die von Fall<br />
zu Fall auch vernachlässigt werden können. Dass eine<br />
solche Einstellung nur auf Unverständnis stoßen kann,<br />
liegt auf der Hand. Die Auffassung, § 522 Abs. 2 InsO<br />
nicht ernst nehmen zu müssen und die Zahl der durch Beschluss<br />
zurückzuweisenden Berufungen von einer bestimmten<br />
Quote abhängig machen zu können, ist ebenso<br />
verfehlt. Richterliche Tätigkeit kann sich nicht an quotalen<br />
Vorgaben orientieren, sondern nur an den zur Entscheidung<br />
anstehenden Sachen.<br />
2. Voraussetzungen der Berufungseinlegung nach<br />
dem ZPO-RG<br />
Die Berufung ist auch weiterhin gegen Endurteile der<br />
ersten Instanz statthaft, wobei gem. § 511 Abs. 2 ZPO die<br />
Mindestbeschwer auf 600 e abgesenkt worden ist und<br />
daneben auch noch eine nicht an einen bestimmten Wert<br />
gebundene Berufung bei Zulassung des Rechtsmittels<br />
durch die erste Instanz in Betracht kommt. 27 Die Berufungseinlegungsfrist<br />
beträgt auch weiterhin einen Monat<br />
ab Zustellung des vollständig abgefassten Urteils (§ 517<br />
ZPO). Geändert ist dagegen die Berufungsbegründungsfrist;<br />
diese beträgt zukünftig gem. § 520 Abs. 2 ZPO<br />
22 So Hirtz, MDR 2001, 1265 ff., 1267.<br />
23 Dazu Hirtz, MDR 2001, 1265 ff., 1268.<br />
24 So aber Schneider, ZAP 2001 Fach 13, S. 1063 ff., 1085.<br />
25 Auf die in § 523 Abs. 1 Satz 1 InsO geregelte Prüfung der Frage, ob die Sache<br />
dem Einzelrichter übertragen werden soll (§§ 526, 527 ZPO), soll hier nicht<br />
näher eingegangen werden.<br />
26 So Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1147.<br />
27 Zu den Einzelheiten Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1142.
Aufsätze<br />
zwei Monate ab Zustellung des vollständig abgefassten<br />
Urteils und kann ohne Einwilligung des Gegners nur<br />
noch einmal um bis zu einem Monat verlängert werden,<br />
wenn dadurch der Rechtsstreit nicht verzögert wird. Weitergehende<br />
Verlängerungen sind nach der Neufassung des<br />
§ 520Abs. 2 ZPO nur noch mit Einwilligung des Gegners<br />
möglich.<br />
Herzstück der Reform sind die in § 520 Abs. 3 Satz 2<br />
Nr. 1–4 ZPO geregelten Anforderungen an den Inhalt der<br />
Berufungsbegründung. Korrespondierend mit dem bisherigen<br />
Recht (§ 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F.) ist hier zunächst<br />
das Erfordernis bestimmter Berufungsanträge geregelt,<br />
durch die festgelegt wird, in welchem Umfang das Berufungsgericht<br />
die erstinstanzliche Sache zu überprüfen<br />
hat. 28 Neu sind die in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2–4ZPOgeregelten<br />
inhaltlichen Anforderungen, die bei der Einlegung<br />
von Berufungen gegen erstinstanzliche Urteile, bei denen<br />
die mündliche Verhandlung auf die das Urteil ergangen ist,<br />
nach dem 31.12.2001 stattgefunden hat, 29 peinlich genau<br />
zu beachten sind. Zukünftig kommen nur noch drei Berufungsgründe<br />
in Betracht, die in der Berufungsbegründung<br />
im Einzelnen ausgeführt werden müssten:<br />
– die Berufung wegen einer Rechtsverletzung durch das<br />
erstinstanzliche Gericht, d.h. einer Nichtanwendung<br />
oder einer Fehlanwendung einer geschriebenen oder<br />
ungeschriebenen Rechtsnorm (§ 546 ZPO);<br />
– die Berufung wegen konkreter Zweifel an der Richtigkeit<br />
und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung,<br />
die eine neue Sachverhaltsfeststellung<br />
durch das Berufungsgericht erforderlich machen;<br />
– die auf neueAngriffs- undVerteidigungsmittel gestützte<br />
Berufung, die allerdings nur zulässigist,wenndie<br />
neuen Tatsachen nach § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt<br />
noch im Verfahren berücksichtigt werden können. 30<br />
Nur wenn einer dieser Berufungsgründe vorliegt und in<br />
der Berufungsbegründung auch entsprechend ausgeführt<br />
ist, kann das Rechtsmittel noch in zulässigerArt und Weise<br />
eingelegt werden, ohne dass es zu einem Zurückweisungsbeschluss<br />
nach § 522 Abs. 2 ZPO kommt. Dabei ist insbesondere<br />
die Geltendmachung neuerAngriffs- undVerteidigungsmittel,<br />
d.h. zur Begründung der Klage oder zur Verteidigung<br />
gegen die Klage vorgebrachter tatsächlicher und<br />
rechtlicher Behauptungen, Einwendungen, Bestreiten,<br />
Einreden und Beweisanträge 31 stark eingeschränkt. Gem.<br />
§ 529 ZPO hat das Berufungsgericht grds. die im ersten<br />
Rechtszug festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen.<br />
Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind gem. § 531<br />
ZPO nur in drei Fällen zuzulassen, nämlich:<br />
– wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, den das erstinstanzliche<br />
Gericht erkennbar übersehen oder fürunerheblich<br />
gehalten hat (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1<br />
ZPO),<br />
– wenn sie in Folge eines Verfahrensmangels im ersten<br />
Rechtszug nicht geltend gemacht werden konnten<br />
(§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) oder<br />
– wenn ihre fehlende Geltendmachung im ersten<br />
Rechtszug nicht auf Nachlässigkeit, d.h. einfacher<br />
Fahrlässigkeit der Partei, beruht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3<br />
ZPO). 32<br />
1078 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
D.h., neuer Tatsachenvortrag in zweiter Instanz kann etwa<br />
dann zulässig sein, wenn das erstinstanzliche Gericht den<br />
Tatsachenstoff nur unvollkommen ausgeschöpft hat, seiner<br />
Hinweispflicht nicht nachgekommen ist und Vortrag<br />
deshalb unterblieben ist oder die Partei ohne ihr Verschulden<br />
gehindert war, bestimmte Behauptungen vorzutragen,<br />
Beweise anzutreten oder Einreden zu erheben. Dabei<br />
genügt es nicht, dass diese neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />
in der Berufungsbegründung lediglich genannt<br />
werden; dargelegt werden müssen vielmehr auch<br />
die Erheblichkeit der Nichtbeachtung für die erstinstanzliche<br />
Entscheidung sowie die Möglichkeit einer abweichenden<br />
Entscheidung bei Zugrundelegung der Tatsachen<br />
und ggf. die Gründe, weshalb neue Tatsachen in<br />
zweiter Instanz ausnahmsweise noch zu berücksichtigen<br />
sind. Die bisher vielfach geübte Praxis, bei fehlenden<br />
Rechtsverstößen des erstinstanzlichen Gerichts, die Berufung<br />
auf neues tatsächliches Vorbringen und neue Beweisantritte<br />
zu stützen, oder ohne greifbare Anhaltspunkte<br />
für eine fehlerhafte Beweiswürdigung in erster Instanz<br />
die Berufung mit einer abweichenden Würdigung der erhobenen<br />
Beweise zu begründen, kann nach den Einschränkungen,<br />
die die §§ 520 Abs. 3, 522 Abs. 2, 529,<br />
531 ZPO dem Berufungsgericht neben der allgemeinen<br />
Verspätungsvorschrift des § 530 ZPO auferlegen, nicht<br />
beibehalten werden. In der Berufungsbegründung muss<br />
eine sehr viel eingehendere Auseinandersetzung mit dem<br />
erstinstanzlichen Urteil stattfinden. Einer der Berufungsgründe<br />
des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2–4 ZPO ist unter<br />
Berücksichtigung der Einschränkungen, die insbesondere<br />
die Geltendmachung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />
in zweiter Instanz unterliegen, herauszuarbeiten.<br />
Bei dem Vortrag erster Instanz ist streng darauf zu<br />
achten, dass einer Partei nicht in zweiter Instanz im Hinblick<br />
auf § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO der Vorwurf einer<br />
nachlässigen Prozessführung gemacht werden kann. Vor<br />
allem Insolvenzverwalter, die fremdnützige Prozesse für<br />
die Masse führen, sollten sich im Berufungsverfahren<br />
nicht dem Vorwurf aussetzen, aufgrund der fehlenden Beachtung<br />
der Begründungserfordernisse des § 520 Abs. 3<br />
Satz 2 Nr. 2 – 4 ZPO eine von vornherein aussichtslose<br />
Berufung eingelegt zu haben. Eine solche Rechtsmitteleinlegung<br />
wäre als Sorgfaltsverstoß gegenüber den Insolvenzgläubigern<br />
anzusehen, wenn bedenkenlos die bisher<br />
übliche Praxis übernommen wird.<br />
3. Schwierigkeiten bei der Abfassung des<br />
zweitinstanzlichen Urteils nach neuem<br />
Berufungsrecht<br />
Ähnlich problematisch wie die Berufungsbegründung<br />
nach dem ZPO-RG ist auch die neue Vorschrift über die<br />
Abfassung des Berufungsurteils in § 540 ZPO. Nach dieser<br />
Regelung soll das zweitinstanzliche Urteil nur noch<br />
eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen<br />
28 S. dazu auch die Bindung an die Berufungsanträge in § 528 ZPO.<br />
29 Zu der Übergangsvorschrift des § 26 EGZPO s. näher Schneider, ZAP 2001,<br />
Fach 13, S. 1095 f.<br />
30 Zu den Einzelheiten s. Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1143 ff.<br />
31 S. § 146 ZPO; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 282 Rn. 2.<br />
32 Hierzu auch Schellhammer, MDR 2001, 1141 ff., 1144.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1079<br />
Aufsätze<br />
in dem erstinstanzlichen Urteil mit etwaigen Änderungen<br />
und Ergänzungen und eine kurze Begründung der zweitinstanzlichen<br />
Entscheidung enthalten. Wie diese sehr stark<br />
abgekürzte Form des Urteils mit § 559 ZPO zu vereinbaren<br />
ist, der das Berufungsurteil auch weiterhin zur<br />
Grundlage der Beurteilung des Parteivorbringens durch<br />
das Revisionsgerichts macht, das aus dem Tatbestand des<br />
Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll den festgestellten<br />
Sachverhalt entnehmen muss, ist nur sehr schwer<br />
nachzuvollziehen. Letztlich muss wohl davon ausgegangen<br />
werden, dass unter „Tatbestand“ i.S.d. § 559 ZPO der<br />
in Bezug genommene erstinstanzliche Tatbestand mit den<br />
Änderungen und Ergänzungen durch das Berufungsgericht<br />
zu verstehen ist. Schwierigkeiten hinsichtlich der<br />
Schaffung der erforderlichen Tatsachengrundlage für die<br />
Prüfung des Revisionsgerichts sind damit vorprogrammiert.<br />
Dies gilt insbesondere für das auf den geringst möglichen<br />
Inhalt reduzierte Berufungsurteil nach § 543Abs. 2<br />
InsO, das bei derVerkündung der Entscheidung im Termin<br />
in das Protokoll aufgenommen werden kann. Dass ein derart<br />
knappes Urteil Grundlage für eine Revisionsprüfung<br />
sein kann, ist derzeit nur schwer vorstellbar. Dabei ist die<br />
Möglichkeit, von der Darstellung des Tatbestandes bei<br />
nicht revisiblen Urteilen abzusehen (§ 543 Abs. 1 ZPO<br />
a.F.) zukünftig nicht mehr gegeben. Sowohl Berufungsurteile<br />
der LG als auch Berufungsurteile der OLG sind mit<br />
dem in § 540 ZPO skizzierten Tatbestand zu versehen.<br />
Zwar unterliegen Urteile der Berufungsgerichte der<br />
Nichtzulassungsbeschwerde nach der Übergangsregelung<br />
des § 26 Nr. 8 EGZPO uneingeschränkt erst nach<br />
dem 31.12.2006. 33 Möglich ist die Revision gegen landgerichtliche<br />
Berufungsurteile – ebenso wie gegen Urteile<br />
der OLG in Zivilsachen – ab dem 1.1.2002 aber auch<br />
schon dann, wenn die Revision in dem Urteil zugelassen<br />
wird (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Insofern ist es im Fall der<br />
Zulassung der Revision noch vergleichsweise einfach,<br />
das Urteil so abzufassen, dass sich ein „revisionstauglicher“<br />
Sachverhalt ergibt, weil keine Schwierigkeit besteht,<br />
sich auf die Zulässigkeit der Revision einzustellen.<br />
In den übrigen Fällen – dies gilt ab 2007 fürsämtliche Berufungsurteile<br />
der LG und OLG – muss aber der Tatbestand<br />
von vornherein so abgefasst werden, dass er einer<br />
revisionsrechtlichen Überprüfung Stand hält, da eine<br />
Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO uneingeschränkt<br />
möglich ist. Die vermeintlichen Erleichterungen<br />
des § 540 ZPO stellen deshalb in Wahrheit erhebliche Erschwerungen<br />
dar, weil künftig praktisch jeder Tatbestand<br />
so abgefasst werden muss, dass er Grundlage der Rechtsfindung<br />
im Revisionsverfahren sein kann. Die Zulässigkeit<br />
der Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil bedeutet<br />
insoweit nur eine unwesentliche Erleichterung, die<br />
nicht von der Pflicht entbinden kann, den Tatbestand inhaltlich<br />
zu überprüfen. Letztlich entfällt nur das Schreibwerk,<br />
vorausgesetzt das erstinstanzliche Urteil gibt den<br />
Sachverhalt vollständig und zutreffend wieder.<br />
III. Änderungen im Revisionsverfahren in Grundzügen<br />
Ähnlich einschneidend wie im Berufungsverfahren sind<br />
die Änderungen, die sich aus dem ZPO-RG für das<br />
Revisionsverfahren ergeben. 34 Die bisherige „Wertrevision“<br />
ist der „Zulassungsrevision“ gewichen, zu der es<br />
entweder kommen kann, wenn das Berufungsgericht die<br />
Revision in seinem Urteil mit Bindungswirkung für den<br />
BGH zulässt oder der BGH selbst das Rechtsmittel auf<br />
die Nichtzulassungsbeschwerde einer Partei zulässt<br />
(§ 543 Abs. 1 ZPO). Zulassungsgründe sind gem. § 543<br />
Abs. 2 ZPO die grds. Bedeutung der Rechtssache, die<br />
Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung. Grds. Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2<br />
Satz 1 Nr. 1 ZPO liegt dann vor, wenn eine klärungsbedürftige<br />
Rechtsfrage zu entscheiden ist, die in einer unbestimmten<br />
Vielzahl von Fällen auftreten kann; grds. Bedeutung<br />
kann ferner dann gegeben sein, wenn die Instanzgerichte<br />
in größerem Umfang der Rechtsprechung<br />
des BGH nicht folgen oder im Schrifttum ernst zu nehmende<br />
Bedenken gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung<br />
geäußert werden. 35 Die weiteren Zulassungsgründe<br />
der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer<br />
einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2<br />
ZPO) sind ebenso zu verstehen, wie die entsprechenden<br />
Zulassungsvoraussetzungen in anderen Rechtsordnungen.<br />
36 Sie dienen zur Erweiterung des Zulassungsgrundes<br />
der „grds. Bedeutung“ und sollen in einem begrenzten<br />
Umfang die Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit<br />
durch den BGH ermöglichen, die bei der Zulassung wegen<br />
grds. Bedeutung keine Rolle spielt, sofern die<br />
Rechtsfrage nicht eine Vielzahl von Fällen betrifft. Am<br />
Deutlichsten zeigt sich diese Erweiterung bei der Zulassung<br />
zur Fortbildung des Rechts, bei der die grds. Bedeutung<br />
im engeren Sinne fehlen kann – etwa weil die Frage<br />
nicht eine Vielzahl von Fällen betrifft –, einehöchstrichterliche<br />
Entscheidung aber gleichwohl erforderlich erscheint;<br />
dabei können Gesichtspunkte der Korrektur offensichtlicher<br />
Unrichtigkeiten und der Verletzung von<br />
Verfahrensgrundrechten erheblich sein. Zur Sicherung<br />
einer einheitlichen Rechtsprechung ist die Revision dann<br />
zuzulassen, wenn schwer erträgliche Unterschiede in der<br />
Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen, insbesondere<br />
die Instanzurteile von der Rechtsprechung des BGH<br />
aufgrund von formellen oder materiellen Fehlern bei der<br />
Anwendung oder Auslegung des revisiblen Rechts abweichen<br />
und die Gefahr der Wiederholung dieser Abweichungen<br />
gegeben ist. 37<br />
Durch die Einführung der dem Revisionsverfahren vorgeschalteten<br />
Nichtzulassungsbeschwerde in § 544 ZPO 38<br />
wird zwar eine einheitliche Entscheidungspraxis durch<br />
33 Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Nichtzulassungsbeschwerde an eine Wertgrenze<br />
von 20.000 e gebunden, so dass gegen Berufungsurteile der LG nur<br />
äußerst selten die Nichtzulassungsbeschwerde zulässigseinwird.Dieskann<br />
etwa dann der Fall sein, wenn in einer Wohnraummietsache der Streitwert<br />
über 20.000 e liegt.<br />
34 Dazu ausführlich Büttner, MDR 2001, 1201 ff.<br />
35 S. auch Büttner, MDR 2001, 1201 ff., 1203.<br />
36 Dazu Büttner, MDR 2001, 1201 ff., 1203.<br />
37 S. zu den näheren Einzelheiten und zur Ablehnung des Verfahrensmangels<br />
als Zulassungsgrund sowie zur Problematik der Abkopplung des Revisionsverfahrens<br />
von der Korrektur offensichtlich unrichtiger Instanzentscheidungen<br />
und dem Spielraum bei der Zulassung der Revision auch Büttner, MDR<br />
2001, 1201 ff., 1203 f.<br />
38 Zum Übergang in das Revisionsverfahren bei einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde<br />
Büttner, MDR 2001, 1201 ff.; Hartmann, NJW 2001,<br />
2577 ff., 2594 f.
Aufsätze<br />
den BGH über die Nichtzulassung gewährleistet. Die<br />
Ausdehnung der Nichtzulassungsbeschwerde auf sämtliche<br />
Berufungsurteile der LG und OLG39 dürfte aber<br />
zu einer unabsehbaren Zahl von Nichtzulassungsverfahren<br />
führten, die erhebliche Kräfte binden, die nicht für<br />
die Entscheidung von grds. Rechtsfragen zur Verfügung<br />
stehen.<br />
Bzgl. der Fristen entsprechen die geänderten Revisionsvorschriften<br />
den geänderten Berufungsvorschriften. Die<br />
Antrags- und Begründungserfordernisse (§ 551 ZPO)<br />
sind ähnlich strukturiert wie im Berufungsverfahren. 40<br />
Für die Insolvenzpraxis ergibt sich aus dem neuen Revisonsrecht<br />
zweierlei: Zum einen ist die Trennung zwischen<br />
der Nichtzulassungsbeschwerde und dem eigentlichen<br />
Revisionsverfahren zu beachten, wobei zunächst für<br />
die Nichtzulassungsbeschwerde eine Wertgrenze von<br />
20.000 e besteht. Zum anderen könnte es erheblich<br />
schwieriger werden, die Zulassung der Revision zu erreichen,<br />
weil die bisherige Divergenzrevision (§ 546 Abs. 1<br />
Satz 2 Nr. 2 ZPO a.F.) abgeschafft ist und bzgl. der neuen<br />
Revisionsgründe der Rechtsfortbildung und der Sicherung<br />
einer einheitlichen Rechtsprechung sehr viel Unsicherheit<br />
über die Frage besteht, in welchen Fällen der<br />
BGH eine Revision überhaupt noch zulassen wird. Sicher<br />
ist die Durchführung des Revisionsverfahrens nur dann,<br />
wenn die Sache grds. Bedeutung hat. In den übrigen Fällen<br />
kommt es darauf an, inwieweit der BGH bereit ist, das<br />
Verfahren im Einzelfall auch zur Rechtsfortbildung anzunehmen<br />
oder – insbesondere auch bei einer Divergenz –<br />
den Revisionsgrund der „Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“ zu bejahen.<br />
IV. Neuregelungen des Beschwerderechts der ZPO<br />
Die größte Bedeutung für das Insolvenzrecht haben zweifellos<br />
die neuen Vorschriften für die sofortige Beschwerde<br />
und die Rechtsbeschwerde in den §§ 567 – 577 ZPO.<br />
Diese Regelungen, die über die Verweisung des § 4InsO<br />
auf das insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren entsprechend<br />
anzuwenden sind, soweit die §§ 6, 7 InsO keine<br />
abweichenden Regelungen enthalten, führen zu einigen<br />
Änderungen im Recht der sofortigen Beschwerde<br />
und zu einer grundlegenden Neuordnung der Rechtsbeschwerde,<br />
die an die Stelle der bisherigen sofortigen weiteren<br />
Beschwerde tritt. 41 Insbesondere durch die für alle<br />
Beteiligten überraschende Verlagerung der Zuständigkeit<br />
für die Rechtsbeschwerde von den OLG auf den BGH 42<br />
kommt auf die Praxis eine neue Entwicklung zu, deren<br />
Tragweite bisher kaum abzuschätzen ist. Feststellbar ist<br />
jedenfalls schon jetzt, dass es zahlreiche Erschwerungen<br />
bei der Einlegung der Rechtsbeschwerde geben wird und<br />
die Fälle, in denen über eine Rechtsbeschwerde inhaltlich<br />
entschieden wird, wahrscheinlich erheblich abnehmen<br />
werden.<br />
1. Folgen der Neuordnung des Beschwerderechts<br />
Mit der Änderung der Beschwerdevorschriften der ZPO<br />
verbunden ist die Änderung des § 6InsO,indemkünftig<br />
keine eigenständige Regelung der Abhilfebefugnis des<br />
1080 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
Insolvenzgerichts mehr zu finden ist, weil bereits für<br />
sämtliche sofortigen Beschwerden – nach der Neuregelung<br />
der §§ 567 ff. ZPO gibt es im Anwendungsbereich<br />
dieser Vorschriften nur noch sofortige Beschwerden –<br />
gem. § 572Abs. 1 ZPO gilt, dass das Gericht, dessen Entscheidung<br />
angefochten ist, diese ändern kann, wenn es<br />
die Beschwerde für begründet erachtet. Soweit i.Ü. der<br />
Wortlaut des § 6 Abs. 3 InsO durch Art. 12 ZPO-RG geändert<br />
worden ist und es dort jetzt heißt, das Beschwerdegericht<br />
könne jederzeit die sofortige Wirksamkeit der<br />
Entscheidung anordnen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 InsO n.F.),<br />
hängt diese Änderung nur damit zusammen, dass theoretisch<br />
statt des LG nun auch das OLG als Beschwerdegericht<br />
in Betracht kommt.<br />
Im Grundsatz bleibt es auch nach der Änderung der Beschwerdevorschriften<br />
der ZPO dabei, dass gegen Entscheidungen<br />
der Insolvenzgerichte eine sofortige Beschwerde<br />
nur dann zulässig ist, wenn sie in der InsO ausdrücklich<br />
zugelassen ist. 43 I.Ü. gilt auch weiterhin, dass Entscheidungen,<br />
die ihre Rechtsgrundlage außerhalb der InsO haben,<br />
wie beispielsweise Entscheidungen über die Ablehnung<br />
eines Richters, Kostenentscheidungen nach § 91a,<br />
Entscheidungen über die Festsetzung des Streitwertes<br />
oder die Festsetzung der Gebühren von Zeugen und Sachverständigen<br />
im Instanzenzug der jeweiligen Rechtsordnung<br />
anzufechten sind und nicht im Instanzenzug der<br />
InsO. 44 Eine Ausdehnung des Instanzenzuges der InsO<br />
findet nicht statt. Wenn das Insolvenzgericht im Rahmen<br />
des Insolvenzverfahrens über einen Regelungsgegenstand<br />
entscheidet, der außerhalb der InsO geregelt ist, gibt es<br />
aber auch keine „Deckelung“ des Verfahrenszuges durch<br />
die Beschränkung der sofortigen Beschwerde in § 6InsO<br />
auf ausdrücklich zugelassene Beschwerdeverfahren.<br />
Vielmehr kann dann im Instanzenzug der jeweiligen<br />
Rechtsordnung entschieden werden; ist dies die ZPO, findet<br />
nach § 567Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde statt,<br />
sofern dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder<br />
durch die Entscheidung ein dasVerfahren betreffendes Gesuch<br />
zurückgewiesen worden ist. Dabei gilt für Entscheidungen<br />
über die Verpflichtung, Prozesskosten zu tragen,<br />
dass der Mindestwert von 100 e überschritten werden<br />
muss. I.Ü. muss der Wert wenigstens 50 e übersteigen.Als<br />
dritte Möglichkeit kommt in solchen Fällen, in denen es<br />
keine sofortige Beschwerde gibt, bei Entscheidungen des<br />
Rechtspflegers auch weiterhin die befristete Erinnerung<br />
gem. § 11 Abs. 2 RpflG in Betracht, über die das Insolvenzgericht<br />
abschließend entscheidet. 45<br />
Keine Änderungen ergeben sich für dieEinlegungder<br />
sofortigen Beschwerde, die weiterhin innerhalb einer<br />
39 Bis zum 31.12.2006 ist die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings nach § 26<br />
Nr. 8 EGZPO noch an eine Wertgrenze von 20.000 e gebunden.<br />
40 Zu den einzelnen Vorschriften auch Hartmann, NJW 2001, 2577 ff., 2594 f.<br />
41 Hierzu auch bereits I. Pape, NZI 2001, 516 ff.; ferner zu den Neuregelungen<br />
Schmerbach, <strong>ZInsO</strong> 2001, 1087 ff. (in diesem Heft).<br />
42 Zu dieser Problematik bereits Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729; G. Pape, <strong>ZInsO</strong><br />
2001, 777 ff.; Sternal, NZI 2001, Heft 9, V f.<br />
43 S. zu den zugelassenen Beschwerdemöglichkeiten der InsO Prütting, in:<br />
Kübler/Prütting, InsO, § 6 Rn. 13.<br />
44 Dazu Ganter, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 7Rn.6;<br />
Prütting (Fn. 43), § 6Rn.36.<br />
45 Dazu Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl.,<br />
§ 6Rn.9;Prütting (Fn. 43), § 6 Rn. 32 ff.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1081<br />
Aufsätze<br />
Notfrist von zwei Wochen eingelegt werden muss. Soweit<br />
diese Frist auch länger sein kann, wie etwa bei der Einlegung<br />
der sofortigen Beschwerde gegen dieVersagung von<br />
PKH, bei der die Notfrist gem. § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO<br />
einen Monat beträgt, gibt es derartige längere Fristen in<br />
der InsO nicht. 46 Eingelegt werden kann die sofortige Beschwerde<br />
auch weiterhin sowohl beim iudex a quo als<br />
auch beim iudex ad quem. Aufgrund der Zulässigkeit der<br />
Einlegung der Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle<br />
und des fehlenden Anwaltszwanges im Insolvenzverfahren<br />
gilt auch nach der Neufassung des § 569 Abs. 3<br />
ZPO, dass kein Anwaltszwang besteht und das Rechtsmittel<br />
auch von der Partei selbst eingelegt werden kann.<br />
Das Fehlen einer aufschiebenden Wirkung der sofortigen<br />
Beschwerde im Insolvenzverfahren und die Möglichkeit<br />
der Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das<br />
Gericht ist auch weiterhin in § 6Abs. 3 InsO eigenständig<br />
geregelt, 47 so dass § 570 ZPO in insolvenzrechtlichen<br />
Beschwerdeverfahren nicht anzuwenden ist.<br />
NeuundgenauzubeachtenistdieMöglichkeit einer<br />
Fristsetzung für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln48<br />
im Beschwerdeverfahren in § 571<br />
Abs. 3 Satz 1 InsO. Im Beschwerdeverfahren können<br />
zwar auch in Zukunft grds. neue Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />
geltend gemacht werden. Die Versäumung<br />
einer vom Beschwerdegericht gesetzten Frist kann aber<br />
zur Präklusion führen. Verspätetes Vorbringen ist nicht<br />
mehr zuzulassen, wenn es die Erledigung des Verfahrens<br />
verzögert oder wenn die Partei die Verspätung nicht genügend<br />
entschuldigt hat.<br />
Soweit § 572 Abs. 1 ZPO die Abhilfebefugnis des Gerichts,<br />
dessen Entscheidung angefochten wird, jetzt generell<br />
für alle sofortigen Beschwerden nach der ZPO regelt,<br />
ist das Gericht verpflichtet, sich mit neuem Vorbringen in<br />
der Beschwerdebegründung auseinander zu setzen. Floskelhafte<br />
Entscheidungen, die etwa nur aus dem Satz bestehen,<br />
der Beschwerde werde nicht abgeholfen, sind zu<br />
unterlassen. Sie werden dem Zweck der Abhilfebefugnis,<br />
die zweite Instanz nicht mit Rechtsmitteln zu belasten,<br />
die augenscheinlich begründet sind, nicht gerecht und<br />
sollten generell zur Aufhebung der Vorlageverfügung und<br />
Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht<br />
führen. 49 Das Abhilfeverfahren ist sinnlos, wenn es als<br />
bloße Formalie begriffen wird, bei der eine Auseinandersetzung<br />
mit dem Inhalt der Beschwerdebegründung nicht<br />
stattfindet. 50 Die ebenfalls neue Zuständigkeit des „originären<br />
Einzelrichters“ für Beschwerden gegen Entscheidungen,<br />
die von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger<br />
erlassen worden sind (§ 568 ZPO), dürfte fürdas<br />
insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren, in dem nunmehr<br />
stets der Einzelrichter entscheidet, vor allem insoweit<br />
von Bedeutung sein, als eine Rechtszersplitterung<br />
droht, wenn bei den Beschwerdegerichten keine Spezialisierung<br />
stattfindet und für insolvenzrechtliche Beschwerden<br />
unterschiedliche Berichterstatter zuständig sind. 51<br />
Wenn insoweit keine Konzentration erfolgt, dürfte<br />
zwangsläufig die „Qualität“ der Beschwerdeentscheidungen<br />
leiden, weil eine nur sporadische Befassung mit den<br />
Gegenständen der InsO eine Kontinuität der Beschwerderechtsprechung<br />
praktisch ausschließt.<br />
Besonders hinzuweisen ist schließlich noch auf die fortbestehende<br />
Pflicht zur Sachverhaltsdarstellung in Beschwerdeentscheidungen,<br />
deren Rechtsgrundlage in der<br />
InsO liegt. Das Problem fehlender Sachverhaltsfeststellungen,<br />
das die OLG z.Zt. der Anwendung des früheren<br />
§ 7InsOüber Gebühr beschäftigt hat, 52 sollte nicht wieder<br />
auftreten. Auch nach der Neufassung der ZPO gehört<br />
es zu den Besonderheiten des insolvenzrechtlichen Beschwerdeverfahrens,<br />
dass die Rechtsbeschwerde nach<br />
den §§ 574 ff. ZPO gem. § 7InsO 53 ausdrücklich statthaft<br />
ist. Hieraus folgt, dass gegen jede Entscheidung der<br />
Beschwerdegerichte im insolvenzrechtlichen Instanzenzug<br />
auch ohne die Zulassung nach § 574 Abs. 1 Nr. 2<br />
ZPO die Rechtsbeschwerde eingelegt werden kann. 54<br />
Da auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nach den<br />
§§ 574 ff. ZPO über die Verweisung in § 577 Abs. 2 Satz<br />
4 ZPO die Vorschrift des § 559 ZPO gilt, muss der BGH<br />
als Grundlage für seine Entscheidung einen durch das<br />
Beschwerdegericht festgestellten Sachverhalt haben. An<br />
der Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung des Beschwerdegerichts,<br />
die in anderen Fällen außerhalb des insolvenzrechtlichen<br />
Beschwerdeverfahrens, in denen das<br />
Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zulässt<br />
und i.Ü. die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde auch<br />
nicht im Gesetz bestimmt ist, nicht besteht, ändert sich<br />
für das insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren nichts.<br />
Die bisherige Rechtsprechung der OLG 55 gilt weiter.<br />
Zwar kann auf bestimmte Bestandteile der Akten konkret<br />
Bezug genommen werden. Bzgl. des Vorbringens in<br />
der Beschwerdeinstanz darf jedoch niemals allein auf<br />
die Akten verwiesen werden. Fehlt eine Sachverhaltsdarstellung<br />
in der Beschwerdeentscheidung, muss auch<br />
nach der neuen ZPO im insolvenzrechtlichen Beschwerdeverfahren<br />
damit gerechnet werden, dass eine Aufhebung<br />
und Zurückverweisung der Sache unausweichlich<br />
ist, weil gem. § 575 Abs. 3 Nr. 3b ZPO die Beschwerde<br />
auch darauf gestützt werden kann, dass das Beschwerdegericht<br />
das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt<br />
habe und eine solche Verletzung gem. § 577 Abs. 4<br />
Satz 1 ZPO zur Zurückverweisung der Sache führen<br />
würde. Eine Lockerung der Anforderungen ist insoweit<br />
nicht eingetreten.<br />
2. Umwandlung der sofortigen weiteren Beschwerde<br />
in eine Rechtsbeschwerde<br />
Zwar entfällt nach § 574 ZPO die Erforderlichkeit einer<br />
Zulassung der Rechtsbeschwerde, die es bislang in § 7<br />
46 Darauf, dass der Insolvenzverwalter bei der Beantragung von PKH auf die<br />
Frist des § 127 Abs. 3 Satz 3 InsO zu achten hat, wurde bereits oben unter I.<br />
hingewiesen.<br />
47 Dazu Prütting (Fn. 43), § 6Rn.27ff.<br />
48 Zu diesem Begriff bereits oben unter II. 2.<br />
49 Dazu OLG Celle, NZI 2001, 599.<br />
50 Zur Abhilfe durch das Insolvenzgericht auch Ganter (Fn. 44), § 6Rn.44ff.,<br />
dessen Ausführungen zum früheren Rechtszustand auch auf das neue Beschwerderecht<br />
übertragen werden können.<br />
51 Hierzu auch I. Pape, NZI 2001, 516 ff., 517.<br />
52 Dazu OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2000, 393 ff.; BayObLG, NZI 2000, 434; Kirchhof<br />
(Fn. 45), § 6 Rn. 26; G. Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548 f.<br />
53 I.d.F. Art. 12 ZPO-RG.<br />
54 Zu weiteren Einzelheiten I. Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 516 ff., 518 f.<br />
55 S. auch noch OLG Celle, NZI 2001, 155; Ganter, § 6 Rn. 54, § 7Rn.32.
Aufsätze<br />
Abs. 1 InsO gegeben hat, so dass sich der Zugang zum<br />
neuen Rechtsbeschwerdeverfahren in Insolvenzsachen zunächst<br />
einfacher darstellt, als nach der bisherigen komplizierten<br />
Regelung des § 7Abs.1InsO. 56 Dafür sind jedoch<br />
die Begründungserfordernisse in § 575 Abs. 3 ZPO wesentlich<br />
schärfer gefasst, als dies bisher nach § 7InsOder<br />
Fall war. So muss der Beschwerdeführer auch bei einer<br />
aufgrund gesetzlicher Anordnung statthaften Rechtsbeschwerde<br />
gem. § 575Abs.3Nr.2InsOinderBeschwerdebegründung<br />
darlegen, im Hinblick auf welche Umstände<br />
die Sache grundlegende Bedeutung hat, weshalb die<br />
Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung<br />
des Rechts dient oder zur Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung erforderlich ist. 57 Dies folgt aus der<br />
Verweisung auf § 574 Abs. 2 ZPO in § 575 Abs. 3 Nr. 2<br />
ZPO. Außerdem hat die Begründung bestimmte Anträge<br />
(Rechtsbeschwerdeanträge gem. § 575Abs.3Nr.1ZPO)<br />
zu enthalten und es sind die Umstände anzugeben, aus denen<br />
sich eine Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO ergibt.<br />
Wird ein Verfahrensfehler gerügt, sind nach § 575 Abs. 3<br />
Nr. 3b ZPO auch insoweit die Tatsachen zu bezeichnen,<br />
auf denen der Mangel des Verfahrens beruhen soll. Im<br />
Hinblick auf diese strengen Begründungserfordernisse,<br />
bzgl. derer sich schon jetzt abzeichnet, dass der BGH<br />
strengereAnforderungen stellen wird, als die OLG in ihrer<br />
bisherigen Rechtsprechung58 , ist letztlich von strengeren<br />
Begründungserfordernissen auszugehen. Die bisherige<br />
Annahme der OLG, dass sich die Darlegung einer Gesetzesverletzung<br />
auch schon konkludent aus dem sonstigen<br />
Vorbringen des Beschwerdeführers ergeben kann, so wie<br />
auch der Zulassungsantrag in der Darlegung einer solchen<br />
Verletzung gesehen werden konnte, wird es nach der neuen<br />
ZPO mit einiger Sicherheit nicht mehr geben. Dies<br />
schließen bereits die strengen Begründungserfordernisse<br />
des § 575 Abs. 3 ZPO aus. Bloße Sachverhaltsdarstellungen,<br />
ohne die Darlegung konkreter Gesetzesverletzungen,<br />
wie es sie in der Beschwerdepraxis der OLG – insbesondere<br />
auch bei Beschwerden gegen vergütungsrechtliche Entscheidungen,<br />
bei denen sich selbst sachkundige Beschwerdeführer<br />
nicht die Mühe gemacht haben, Gesetzesverletzungen<br />
und Grundsatzfragen genau zu bezeichnen59 – wird es im Rechtsbeschwerdeverfahren mit Sicherheit<br />
nicht mehr geben. Derartige Rechtsmittel werden sehr<br />
wahrscheinlich ohne viel Federlesens nach § 577 Abs. 1<br />
ZPO als unzulässig verworfen werden.<br />
Neben den strengeren Begründungserfordernissen und<br />
den geänderten Zeitabläufen, die dazu führen werden, dass<br />
etwa Rechtsbeschwerden gegen Sicherungsanordnungen<br />
1082 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
im Eröffnungsverfahren 60 sich mutmaßlich i.a.R. durch<br />
die Eröffnungsentscheidung erledigt haben werden, bevor<br />
es zu einer Entscheidung über die Rechtsbeschwerde<br />
kommt, wirkt sich als drittes Element der Zwang zur Vertretung<br />
durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt<br />
im Rechtsbeschwerdeverfahren 61 für dieBeschwerdeführer<br />
sehr stark belastend aus. Zwar ist durch diese Regelung<br />
einerseits die Einhaltung der Formalien und<br />
Begründungserfordernisse des § 575 ZPO gewährleistet.<br />
Andererseits führt sie aber zu erheblichen Kostenbelastungen<br />
der Beteiligten. Es sei denn, diese können für das<br />
Rechtsbeschwerdeverfahren PKH in Anspruch nehmen.<br />
Insoweit steigen die Risiken, die sich aus der Einführung<br />
des Rechtsbeschwerdeverfahrens ergeben, deutlich fühlbar<br />
an. Ob die Vorschriften über die Rechtsbeschwerde,<br />
die gem. § 133 Abs. 1 GVG durch den BGH zu entscheiden<br />
ist, weiterhin dazu geeignet sind, schnell und effektiv<br />
grds. Fragen des neuen Insolvenzrechts zu regeln, wird<br />
sich nach dem 1.1.2002 erweisen müssen.<br />
V. Abschlussbemerkung<br />
Soweit bzgl. der Rechtsbeschwerde noch versucht worden<br />
ist, wenigstens einen Aufschub fürdenÜbergang der<br />
Zuständigkeit auf den BGH zu erreichen, sind diese Versuche<br />
gescheitert. 62 Dass in einzelnen Bundesländern<br />
von den Übertragungsmöglichkeiten des § 119 Abs. 3<br />
GVG n.F. Gebrauch gemacht werden könnte, ist ebenfalls<br />
nicht ersichtlich. Länder, in denen die sog. „Experimentierklausel“<br />
angewandt werden soll, gibt es nicht. Die<br />
Praxis muss sich deshalb darauf einstellen, dass es bei<br />
der Zulässigkeit der LG für das insolvenzrechtliche Beschwerdeverfahren<br />
bleibt und dass die Rechtsbeschwerde<br />
ab dem 1.1.2002 in solchen Verfahren zum BGH einzulegen<br />
ist, in denen die anzufechtende Entscheidung ab dem<br />
1.1.2002 verkündet oder – soweit eine Verkündung nicht<br />
stattgefunden hat – der Geschäftsstelle übergeben worden<br />
ist (§ 26 Nr. 10 EGZPO n. F.).<br />
56 Auf die Verzögerungen, die das Rechtsbeschwerdeverfahren nach der ZPO<br />
im Hinblick auf die wesentlich längeren Fristen mit sich bringt, soll hier nicht<br />
noch einmal eingegangen werden – zu dieser Problematik bereits I. Pape,<br />
NZI 2001, 519 ff.<br />
57 Zu diesen Merkmalen bereits oben unter III.<br />
58 Vgl. dazu Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 1073 (in diesem Heft).<br />
59 Dazu exemplarisch OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001, 948; OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001,<br />
1003.<br />
60 Insoweit ist nach der Ergänzung des § 21 Abs. 1 InsO durch das InsOÄndG<br />
2001 die sofortige Beschwerde nach § 6 InsO zulässig, so dass auch die<br />
Rechtsbeschwerde nach §§ 7 InsO, 574 ff. ZPO statthaft ist.<br />
61 Dazu ausführlich Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 1073.<br />
62 Dazu <strong>ZInsO</strong> Aktuell, Heft 21, S. II.<br />
Die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO alte und neue Fassung – eine unendliche Geschichte<br />
von Rechtsanwalt Dr. Thomas Kluth, Düsseldorf<br />
I. Auftakt<br />
1. Einleitung<br />
Das ZPO-Reformgesetz v. 27.7.20011 normiert ab<br />
1.1.2002 Änderungen (u.a.) des Beschwerderechts: 2<br />
Erstmals wird in der ZPO durch § 574 Abs. 1–3 ZPO<br />
n.F. die „Rechtsbeschwerde“ institutionalisiert. Vorher<br />
gab es sie nicht als generelles Rechtsmittel, sondern nur<br />
1 BGBl. I, S. 1887.<br />
2 Vgl. Hannich/Meyer-Seitz/Engers, Das neue Zivilprozessrecht – Synoptische<br />
Textausgabe mit einer Einführung, 1. Aufl. 2001.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1083<br />
Aufsätze<br />
als Einzelfall. Reformschwerpunkte sind auch Zuständigkeitsregelungen:<br />
3<br />
– Zuständigkeitskonzentration für Beschwerden gegen Entscheidungen<br />
des AG und des LG beim OLG, § 119 Abs. 1 und<br />
Abs. 3–6 GVG n.F. Dieses Reformanliegen soll allerdings nur<br />
schrittweise verwirklicht werden. Die Bundesländer werden für<br />
einen Versuchszeitraum bis zum 31.12.2007 ermächtigt, durch<br />
Landesgesetz die Zusammenfassung der (Berufungs- und)<br />
Beschwerdesachen beim OLG ganz oder teilweise anzuordnen.<br />
Solange von dieser Ermächtigung kein Gebrauch gemacht wird,<br />
ist auch künftig das LG für die sofortige Beschwerde gegen<br />
(z.B.) Entscheidungen des AG als Insolvenzgericht zuständig,<br />
§ 6InsOn.F.,§ 72 GVG n.F.<br />
– Zuständigkeitskonzentration für Rechtsbeschwerden beim<br />
BGH, § 133GVGn.F.DiebisherigeZuständigkeitskompetenz<br />
der OLG entfällt weitgehend.<br />
Problematisch und deshalb klärungsbedürftig sind die<br />
Folgewirkungen des ZPO-RG für die weitere Beschwerde<br />
– die Rechtsbeschwerde – des § 7InsO.<br />
Der Text dieser Bestimmung lautet in der ab Januar 2002<br />
geltenden Neufassung4 lapidar: „Gegen die Entscheidung<br />
über die sofortige Beschwerde findet die Rechtsbeschwerde<br />
statt.“ Zu prüfen ist, ob über § 4InsOderWeg<br />
zu den Rechtsbeschwerderegelungen der ZPO n.F. führt<br />
und ob etwaige Unzulänglichkeiten der neuen ZPO/<br />
GVG-Regelungen auf das Insolvenzverfahrensrecht<br />
durchschlagen.<br />
2. Die Rechtsbeschwerde der ZPO – ein<br />
institutioneller Flop?<br />
Die Frage ist, ob die Institutionalisierung der Rechtsbeschwerde<br />
in § 574 Abs. 1 – 3ZPOn.F.über ein plakatives<br />
Wortgebilde hinaus überhaupt eigenständige, konkrete<br />
Sinn- und Zweckfolgen in der ZPO selbst hat.<br />
Klarzustellen ist, auf welche ZPO-Rechtsbeschwerden<br />
das alternative Zulassungsmodell des § 574 Abs. 1 ZPO<br />
n.F. –„im Gesetz ausdrücklich bestimmt oder vom Beschwerdegericht<br />
oder Berufungsgericht im Beschluss<br />
zugelassen“ –Anwendung findet.<br />
„Im Gesetz (ZPO) ausdrücklich bestimmt“ ist die Statthaftigkeit<br />
in den atypischen Einzelfällen des § 522 Abs. 1<br />
Satz 4 ZPO n.F. 5 und des § 544 Abs. 1 Satz 1 (Abs. 2<br />
Satz 3) ZPO n.F. 6 Die Alternative „vom Beschwerdegericht<br />
(oder vom Rechtsbeschwerdegericht) zugelassen“<br />
betrifft nur den Einzelfall der Rechtsbeschwerde in den<br />
Familiensachen des § 621e Abs. 2 ZPO n.F. 7<br />
Nach allem drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die<br />
Institutionalisierung der Basisvoraussetzungen in § 574<br />
Abs. 1 ZPO n.F. überflüssig ist.<br />
Ein Kuriosum besonderer Art ist die Institutionalisierung<br />
der weiteren Zulassungsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde<br />
in § 574Abs.2und3ZPOn.F.,alsodes<br />
„Dreiklangs“ –„rechtsgrds. Bedeutung“ 8 oder „Fortbildung<br />
des Rechts“ 9 oder „Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“. 10 Keine einzige der Rechtsbeschwerden<br />
der ZPO greift diese „Fundamentalbestimmung“ auf,<br />
weder durch beredtes Schweigen noch durch ausdrückliche<br />
Bezugnahme: Die Rechtsbeschwerde des § 621e<br />
Abs. 2 ZPO n.F. schließt sich dem inhaltsgleichen „Dreiklang“<br />
des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. für die Zulassungsrevision<br />
an. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO n.F. bezieht zwingend,<br />
wenn auch nicht ausdrücklich genannt, zur Prüfung der<br />
Statthaftigkeit den inhaltsgleichen „Dreiklang“ des § 511<br />
Abs. 4 ZPO n.F. für die Zulassungsberufung zur Entscheidung<br />
über die Rechtsbeschwerde ein. Die Nichtzulassungsrechtsbeschwerde<br />
des § 544 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.<br />
Abs.2Satz3ZPOn.F.nimmtBezugaufdeninhaltsgleichen<br />
„Dreiklang“ des § 543 Abs. 2 ZPO n.F. für dieZulassungsrevision.<br />
Nach allem bleibt zugespitzt nur die Feststellung, dass die<br />
Institutionalisierung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />
der Rechtsbeschwerde in § 574Abs. 2 und 3 ZPO<br />
n.F. wie ein „begossener Pudel“ dasteht, den jeder sieht,<br />
aber keiner mag.<br />
Auch außerhalb der ZPO ist eine Bezugnahme auf die v.g.<br />
Pseudo-Basis-Bestimmung weitestgehend unerwünscht.<br />
Andere Gesetze verwenden eigene Formulierungen der<br />
Zulässigkeitsvoraussetzungen, z.B. § 17a Abs. 4 Satz 5<br />
GVG; §§ 77, 78, 92 Abs. 1 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG<br />
n.F.; § 73 Abs. 2 GWB; §§ 14 Abs. 3 Satz 2, 156 Abs. 2<br />
Satz 2 KostO n.F.; § 10Abs. 3 Satz 5 BRAGO n.F. Soweit<br />
ersichtlich, kommt ernsthaft diskutabel nur eine einzige<br />
Ausnahme in Betracht: § 7InsOn.F.könnte vielleicht<br />
über § 4 InsO bereit sein, den „begossenen Pudel“ in<br />
Gnaden aufzunehmen; das ist jedoch eine „andere Geschichte“<br />
(s.u. III.1.).<br />
II. § 7InsOa.F.– Flickschusterei<br />
Bevor man sich der Neufassung des § 7 InsO zuwendet,<br />
ist ein kurzer Rückblick auf seine Altfassung angebracht.<br />
Erst derAbschied zeigt, was imVergleich zum Neubeginn<br />
verloren gegangen ist oder neu gewonnen wird. Die<br />
Rechtsbeschwerde des § 7 InsO a.F. verlangte neben<br />
der begriffsimmanenten Rechtsverletzung als weitere<br />
Zulassungsvoraussetzung lediglich die gebotene „Nachprüfung<br />
der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“. Der Gesetzgeber hatte eine<br />
Normierung der vorrangigen Fundamentalvoraussetzung<br />
3 S.o. Fn. 2, S. 21, 23.<br />
4 Vgl. Mitteilung in NZI 2001, 411.<br />
5 Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, durch den<br />
die Berufung aus Rechtsgründen als unzulässig verworfen wird.<br />
6 Rechtsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht<br />
unter Darlegung der Rechtsverletzungen infolge unrichtiger<br />
rechtlicher Wertung der Zulassungsgründe.<br />
7 Die Zulassungsalternative „in dem Beschluss zugelassen hat“ normiert keine<br />
eigenständige gerichtliche Zulassungskompetenz, ist also nicht konstitutiver<br />
Natur; sie hat vielmehr wie die andere Zulassungsalternative in § 574 Abs. 1<br />
ZPO n.F. „im Gesetz ausdrücklich bestimmt“ nur deklaratorische Bedeutung.<br />
Voraussetzung ist daher eine anderorts normierte gerichtliche Zulassungskompetenz.<br />
Andernfalls wären derartige Einzelbestimmungen überflüssig,<br />
z.B. § 621e Abs. 2 ZPO n.F., § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG, § 77 Satz 1 ArbGG<br />
n.F., § 92 Abs. 1 Satz1 ArbGG, § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO n.F., § 156 Abs. 2<br />
KostO n.F., § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO n.F.<br />
8 Es kommen nur Rechtsfragen in Betracht, die nicht nur für den konkreten<br />
Einzelfall relevant sind, denen vielmehr in der Rechtspflege fallüberschreitende<br />
Bedeutung zukommt.<br />
9 Gefragt ist eine über die Gesetzesauslegung hinausgehende schöpferische<br />
Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung zum Schließen von Gesetzeslücken.<br />
Vgl. Kissel, GVG, 3. Aufl., Einl. Rn. 138; § 132 Rn. 37 m.w.N.<br />
10 Normzweck ist die Vermeidung divergierender Entscheidungen. Ein Sicherungsbedürfnis<br />
ist gegeben, wenn schwer erträgliche Unterschiede in der<br />
Rspr. entstehen oder fortbestehen. Vgl. Kissel (Fn. 9), § 132 Rn. 36 m.w.N.
Aufsätze<br />
„rechtsgrds. Bedeutung“ schlicht vergessen, ein grob<br />
fahrlässiges Fehlverhalten. Dass die weitere Alternative<br />
„Fortbildung des Rechts“ ebenfalls vergessen worden<br />
war, hätte man verschmerzen können, wäre nur die<br />
„rechtsgrds. Bedeutung“ genannt worden; dann hätte<br />
man immerhin die „Fortbildung des Rechts“ als speziellen<br />
Sonderfall der „rechtsgrds. Bedeutung“ interpretieren<br />
können.<br />
Das Versagen des Gesetzgebers hatte ausgesprochen negative<br />
Folgewirkungen. In und um § 7 InsO a.F. entstand<br />
eine missliche „Schizophasie“ – Sprachverwirrtheit. 11<br />
Diese verführte die OLG-Rechtsprechung zu Fehlleistungen,<br />
insbesondere zur Schaffung des „Phantoms der<br />
dritten Voraussetzung“ und zum „Identifizierungsmissgriff“.<br />
12 Nach allem müsste eine Neufassung des § 7<br />
InsO, wie auch immer gestaltet, eine Bessserung bringen;<br />
denn schlechter geht es wohl nicht.<br />
III. § 7InsOn.F.– Geniestreich oder Treppenwitz?<br />
Ob „gebranntes Kind Feuer scheut“, mag dahinstehen.<br />
Jedenfalls enthält sich die Neufassung des § 7InsOgeflissentlich<br />
einer konkreten eigenen Aussage und greift<br />
lediglich die vom ZPO-RG erstmals institutionalisierte<br />
Rechtsbeschwerde als Wortfassung auf.<br />
1. Genialer Federstrich mit Schlupfloch?<br />
Durch die Wortschrumpfung des § 7 InsO n.F. auf<br />
die ZPO-Kreation „Rechtsbeschwerde“ scheint über § 4<br />
InsO („Soweit die InsO nichts anderes bestimmt, gelten<br />
die Vorschriften der ZPO entsprechend.“) ein automatisches<br />
Hinübergleiten zu den neuen Rechtsbeschwerdebestimmungen<br />
der §§ 574 ff. ZPO n.F. möglichzusein,<br />
speziell zu einem Aufgreifen des „Dreiklangs“ der alternativen<br />
Zulässigkeitsvoraussetzungen „rechtsgrds. Bedeutung“<br />
–„Fortbildung des Rechts“ –„Sicherung einer<br />
einheitlichen Rechtsprechung“ in § 574 Abs. 2 ZPO n.F.<br />
Auf diese Weise würde die Flickschusterei in § 7InsO<br />
a.F. dezent stillschweigend repariert, ohne für die Notwendigkeit<br />
einer Ergänzung zum „Dreiklang“ ein offenes<br />
Schuldeingeständnis des bisherigen Versagens abgeben<br />
zu müssen.<br />
Ein Hinübergleiten über § 4InsOzu§ 574 Abs. 2 ZPO<br />
n.F. ist scheinbar kommentarlos selbstverständlich und<br />
zwingend. 13 Es bestehen jedoch durchaus Zweifel: Der<br />
Begriff „Rechtsbeschwerde“ ist, abgesehen von der begriffsimmanenten<br />
Voraussetzung einer Rechtsverletzung,<br />
nicht eindeutig. Er verlangt nicht immer und uneingeschränkt<br />
wie z.B. die „Dreiklang“-Bestimmungen des<br />
§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. oder des § 83 Abs. 2<br />
MarkenG oder des § 73 Abs. 2 GWB die „drei“ Alternativ-Voraussetzungen.<br />
Nach § 17aAbs. 4 Satz 5 GVG kommen nur zwei Zusatzvoraussetzungen<br />
in Betracht, die „rechtsgrds. Bedeutung“<br />
oder die „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“.<br />
Dasgiltauchfürdie Bestimmungen der §§ 77,<br />
78, 72 Abs. 2 ArbGG n.F. und des § 24 Abs. 1 und 2<br />
LwVG. Die Fälle des § 80 Abs. 1 OWiG und des § 116<br />
1084 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
Abs. 1 StVollzG kennen nur „Fortbildung des Rechts“<br />
oder „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“.Es<br />
gibt ferner Rechtsbeschwerden, die nur eine einzige Zusatzvoraussetzung<br />
normiert haben – die „rechtsgrds. Bedeutung“<br />
–, und zwar § 14 Abs. 3 KostO n.F., § 156<br />
Abs. 2 KostO n.F. und § 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO n.F.<br />
Letztlich und vor allem ist zu beachten, dass es auch „reine“<br />
Rechtsbeschwerden gibt, die überhaupt keine Zusatzvoraussetzung<br />
normiert haben. Es handelt sich hierbei um<br />
§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG n.F., § 78 Satz 1 GBO n.F., § 99<br />
Abs.3Satz2und3AktGn.F.,§ 101 Abs. 2 PatentG n.F.<br />
Diese lassen lediglich eine beschränkte Anwendung von<br />
ZPO- Bestimmungen zu; die „Dreikklang“-Vorschrift des<br />
§ 574 Abs. 2 ZPO n.F. ist nicht in Bezug genommen.<br />
Beachtet man die konträr unterschiedliche Grundstruktur<br />
der Rechtsbeschwerde mit zusätzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />
von „drei“ über „zwei“ und „eins“ bis zu<br />
„null“, so ist die Frage nicht zu ignorieren, warum die<br />
bloße Benennung„Rechtsbeschwerde“ in § 7InsOn.F.<br />
automatisch zu dem „Dreiklang“ in § 574 Abs. 2 ZPO<br />
n.F. führen soll. Abzulehnen ist die Auffassung, die InsO<br />
sei über § 4 InsO zwangsläufig den Regelungen der ZPO<br />
„unterworfen“. 14 Die InsO „bedient“ sich lediglich der<br />
ZPO, soweit es ihrer eigenen Konzeption entspricht; sie<br />
gibt ihre Eigenständigkeit nicht auf und gehorcht nicht<br />
blindlings der ZPO.<br />
Die Frage ist aber hier gerade die, ob es überhaupt der<br />
Konzeption der InsO entspricht, in freier Entscheidung<br />
über § 4InsOdenWegzu§ 574 Abs. 2 ZPO n.F. einzuschlagen.<br />
Die „Erblast“ des § 7 InsO a.F., dessen Flickschusterei<br />
immer noch nicht eingestanden, im Gegenteil nach wie<br />
vor verschleiert wird – vom Gesetzgeber und von den Befürwortern<br />
des § 7InsOa.F. 15 –,bringtdieAnhänger der<br />
Altfassung in Bedrängnis: Wenn die einseitige Beschränkung<br />
auf die Zulassungsvoraussetzung „Sicherung einer<br />
einheitlichen Rechtsprechung“ nicht zu beanstanden war<br />
und ist, dann würde sich auch diese Voraussetzung nunmehr<br />
erübrigen. IhremAnliegen trägt die neue Zuständigkeit<br />
des BGH in Rechtsbeschwerdesachen in optimaler<br />
Weise Rechnung. § 7InsOn.F.wäredann auf die „reine“<br />
Rechtsbeschwerde erleichtert. Dem entspräche die von<br />
beachtlichen Stimmen im Schrifttum betonte verwandtschaftliche<br />
Nähe des Insolvenzverfahrens mit dem Verfahren<br />
der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 16 das sich auch<br />
und von vornherein für die„reine“ Rechtsbeschwerde<br />
entschieden hat (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG); eine optimale<br />
Verfahrenskontinuität wäre gewährleistet.<br />
11 Vgl. Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446.<br />
12 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001,447 f.<br />
13 So z.B. Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729; Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777 mit dort. Fn. 7,<br />
779.<br />
14 Vgl. Gottwald/Klopp/Kluth, Insolvenzrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 17<br />
Rn.1,2=S.307f.<br />
15 Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777, 779, hebt hervor, dass sich die Regelung des § 7InsO<br />
„in seiner ursprünglichen Fassung bewährt“ hat. Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729,<br />
bemerkt: „Inhaltlich erleichtert § 574 Abs. 2 ZPO n.F. die Rechtsbeschwerde,<br />
im Vergleich mit § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO, etwas. Denn weder die „grds.<br />
Bedeutung der Rechtssache“ noch die „Fortbildung des Rechts“ waren bisher<br />
als selbstständige Zulassungsgründe genannt.“<br />
16 Vgl. die Nachweise bei Gottwald/Klopp/Kluth (Fn. 14), § 17Rn.2=S.307.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1085<br />
Aufsätze<br />
Nimmt man diese Argumentation, die sich die Anhänger<br />
der Altfassung des § 7 InsO folgsam aufbürden lassen<br />
müssen, ernst, so käme der BGH wegen der einsetzenden<br />
Flutwelle „reiner“ Rechtsbeschwerden nicht umhin, den<br />
Notstand auszurufen.<br />
Zurück zur Realität:<br />
Die Anwendung des „Dreiklangs“ der Grundsatzbestimmung<br />
des § 574 Abs. 2 ZPO n.F. über § 4 InsO auf die<br />
Rechtsbeschwerde des § 7InsOn.F.lässt sich nur mit einem<br />
offenen Bekenntnis der Flickschusterei des bisherigen<br />
§ 7 InsO als Anknüpfungspunkt für eine sachgerechte<br />
Auslegung rechtfertigen: § 7 InsO a.F. war verfehlt.<br />
Neben der „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“<br />
hätten schon in der Altfassung die vorrangigen<br />
Voraussetzungen „rechtgrds. Bedeutung“ und „Fortbildung<br />
des Rechts“ berücksichtigt werden müssen. Nur auf<br />
diese Weise wäre eine vollständige, funktionsgerechte<br />
Gestaltung und Anwendung der Rechtsbeschwerde im<br />
Insolvenzverfahren gewährleistet worden. Diese umfassende<br />
Gestaltung der Rechtsbeschwerde hätte sich dem<br />
Gesetzgeber geradezu aufdrängen müssen, da schon z.Zt.<br />
der Entstehung der InsO andere Gesetzesbestimmungen<br />
mit der „Dreiklang“-Struktur als beispielhafte Muster<br />
zur Verfügung standen, z.B. § 73 Abs. 2 GWB und § 83<br />
Abs. 2 MarkenG.<br />
Da inzwischen durch § 574 Abs. 2 ZPO n.F. die „Dreiklang“-Struktur<br />
auch in der ZPO verankert ist, erübrigt<br />
sich die an sich unabweisbar notwendige ausdrückliche<br />
Korrektur des durch Auslassungen missgestalteten § 7<br />
InsO a.F. Über § 4 InsO besteht die Möglichkeit, sich des<br />
§ 574 Abs. 2 ZPO n.F. zu bedienen. Wegen der Bedienungsmöglichkeit<br />
kann sogar der Gesamttext des § 7<br />
InsO auf den einzigen Satz reduziert werden:„ ... findet<br />
die Rechtsbeschwerde statt.“<br />
Um dieAusgangsfrage „genialer Federstrich mit Schlupfloch<br />
?“ zu beantworten: Die Frage ist zu verneinen. Richtig<br />
ist nur, von einem „Gnadenakt“ mit Schlupfloch zu<br />
sprechen.<br />
Immerhin ist als positives Zwischenergebnis festzuhalten,<br />
dass durch die Anwendbarkeit des § 574 Abs. 2 ZPO<br />
n.F. mit seinem Struktur-„Dreiklang“ der alte „Missklang“<br />
des § 7 InsO a.F. beseitigt ist. Dieser Erfolg<br />
ist gewichtiger Natur; er lässt sich nicht als „Inhaltliche-<br />
Etwas-Erleichterung“ 17 herunterspielen. Allerdings<br />
bleibt ein fader Beigeschmack. Wie bereits ausgeführt<br />
(s.o.I.2.),steht§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. in den eigenen<br />
Reihen der ZPO wie ein „begossener Pudel“ da. Er<br />
kommt ernsthaft nur im Bereich der InsO zu Ehren, ein<br />
Kuriosum fragwürdiger Art. 18<br />
2. Viele Fragen, viele Zweifel<br />
Ist auch die Flickschusterei der Altfassung des § 7InsO<br />
inzwischen durch die Anwendbarkeit des § 574 Abs. 2<br />
ZPO n.F. beseitigt, so kommt es jedoch zu Beeinträchtigungen<br />
der InsO-Rechtsbeschwerde durch Schwächen<br />
des neuen ZPO/GVG – Systems der Rechtsbeschwerde,<br />
die mit „Domino-Effekt“über § 4 InsO auf die Rechtsbeschwerde<br />
des § 7 InsO n.F. durchschlagen:<br />
a) Der „Quantensprung“<br />
Nach In-Kraft-Treten des ZPO-RG am 1.1.2002 ist grds.<br />
der BGH für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde<br />
zuständig (§ 133 GVG n.F.), also auch über die des § 7<br />
InsO n.F. Das großangelegte Reformanliegen, das eine<br />
Zuständigkeitskonzentration u.a. für Erst-Beschwerden<br />
gegen Entscheidungen des AG und LG beim OLG herstellen<br />
will (s.o. I. 1.), ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 1a, b, c<br />
und Nr. 2 GVG n.F. vorerst nur ansatzweise in einigen<br />
Fällen verwirklicht. Für die in § 119 Abs. 1 GVG n.F.<br />
nicht aufgenommene (sofortige) Beschwerde in Insolvenzsachen<br />
(§ 6 InsO n.F.) gilt daher auch weiterhin die<br />
Entscheidungskompetenz des LG (§ 72 GVG n.F.), wenn<br />
nicht die legislative Ausnahmeregelung in § 119 Abs. 3 –<br />
6 GVG n.F. zum Zuge kommt (s.o. I. 1.). Die Rechtsbeschwerde<br />
des § 7 InsO n.F. ist also einem „Quantensprung“<br />
vom LG zum BGH ausgeliefert, der missliche<br />
Folgen hat:<br />
(1) Das OLG als „Bauernopfer“<br />
Den OLG wird in beträchtlichem Umfang die Entscheidungskompetenz<br />
in Beschwerdesachen genommen. Das<br />
gilt zunächst – allerdings nicht flächendeckend – für<br />
Rechtsbeschwerden, also auch für diedes§ 7InsOn.F.,<br />
so dass in diesem Bereich die „unübersehbare rechtsgestaltende<br />
Wirkung der OLG und der grds. Charakter der<br />
Entscheidungen der OLG“ 19 beendet sind.<br />
In einigen Sekundärfällen bleiben die OLG jedoch<br />
Rechtsbeschwerdegericht, z.B. in den Kostenfällen des<br />
§ 10 Abs. 3 Satz 5 BRAGO und des § 14 Abs. 3 Satz 3<br />
und Satz 4, Abs. 5 Satz 2 KostO. Dieser partielle Kompetenzerhalt<br />
wird die OLG allerdings im Hinblick auf ihre<br />
ausgeprägte Aversion gegenüber „Nebensächlichkeiten“<br />
und „Bagatellen“ 20 nicht den wesentlich gewichtigeren<br />
Kompetenzverlust verschmerzen lassen.<br />
Den OLG wird aber auch weitgehend, was die Entscheidungen<br />
derAG angeht, insbesondere auch die Entscheidungen<br />
der AG als Insolvenzgerichte, die versprochene Kompetenz<br />
als Erst-Beschwerdegericht vorenthalten; sie sind<br />
insoweit nur Beschwerdegericht im „einstweiligen Ruhestand“<br />
mit der vagen Hoffnung auf eine Reaktivierung mit<br />
Hilfe des § 119 Abs. 3 – 6 GVG n.F. (hierzu s.o. I.1.).<br />
Dass den OLG die Kompetenz in Erstbeschwerden weitgehend<br />
vorenthalten wird, speziell in Insolvenzsachen,<br />
ist nicht sachgerecht. Der „Quantensprung“ der Rechtsbeschwerde<br />
vom LG zum BGH hat schädliche Folgen,<br />
17 So Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729.<br />
18 Etwaigen Gegenargumentierern, die eine „hauseigene“ ZPO-Bedeutung des<br />
§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. mit der partiell zulässigen Rechtsbeschwerde in<br />
– sic! –“Schiedsverfahren“ nach § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F. zu konstruieren<br />
versuchten, könnte mit Gelassenheit entgegengesehen werden.Das gilt<br />
auch für eine angebliche Bedeutung des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO n.F. für<br />
Rechtsbeschwerden in „hausfremden“ Verfahren, z.B. §§ 101 Abs. 2, 102<br />
ZVG n.F., § 284 Abs. 9 AO n.F. sowie in den 5 Verordnungs- und 9 Gesetzesfällen,<br />
aufgeführt im BGBl. I 2001, Art. 16 – 29, S. 1910 – 1914, z.B. Art. 28,<br />
S. 1913: „Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Vertrages v. 19.7.1966<br />
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tunesischen Republik<br />
über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher<br />
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit,<br />
§ 5Abs.4Satz1,§ 9Abs.2Satz4:“ ... unterliegt<br />
der Beschwerde nach den §§ 567–577 der ZPO.“<br />
19 So Pape, FS Uhlenbruck, 2000, S. 49, 51, 63; ders., NJW 2001, 23.<br />
20 So z.B. OLG Stuttgart, DZWIR 2000, 109, 111; vgl. auch Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001,<br />
446, 447, 449.
Aufsätze<br />
die durch einen Instanzenzug vom OLG zum BGH vermieden<br />
werden könnten:<br />
(2) Die Leerformel „Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“<br />
Hat man gerade mit Müh und Not die Anwendbarkeit des<br />
§ 574Abs. 2 ZPO n.F. mit seinem Struktur-„Dreiklang“–<br />
„rechtsgrds. Bedeutung“ oder „Fortbildung des Rechts“<br />
oder „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ –<br />
auf die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO n.F. gerechtfertigt<br />
(s.o. III. 1.), so macht nunmehr der „Quantensprung“ der<br />
Rechtsbeschwerde vom LG zum BGH die alternative Zulässigkeitsbegründung<br />
„Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“ weitgehend zu einer inhaltsleeren Farce:<br />
Der Beschwerdeführer der Rechtsbeschwerde des § 7<br />
InsO n.F. und auch anderer gesetzlich statthafter Rechtsbeschwerden<br />
hat nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F. die<br />
Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO n.F.<br />
konkret darzulegen. Hierzu wird er, solange die LG für<br />
die Entscheidungen über die Erst-Beschwerde zuständig<br />
sind, i.d.R. von vornherein nicht in der Lage sein, soweit<br />
es um die Alternative „Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“ geht. Wären die OLG für dieErstbeschwerde<br />
zuständig, entständen keine ins Gewicht<br />
fallenden Schwierigkeiten für die Beschwerdeführer,<br />
da die OLG-Entscheidungen weitestgehend für die interessierte<br />
Öffentlichkeit dokumentiert werden (Entscheidungssammlungen<br />
und Fachzeitschriften). Das ist aber<br />
für Entscheidungen der LG i.d.R. gerade nicht der<br />
Fall, so dass dem Beschwerdeführer ein Aufspüren von<br />
Divergenzfällen, die er zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde<br />
verwenden könnte, kaum möglich sein<br />
wird.<br />
Nach allem ist bei realistischer Betrachtung eine Rechtsbeschwerdebegründung<br />
mit der Alternative „Sicherung<br />
einer einheitlichen Rechtsprechung“, solange das LG für<br />
die Erstbeschwerde zuständig ist, i.d.R. aussichtslos.<br />
Übrig bleibt nur eine Rechtsbeschwerde mit der „Zweiklang“-Begründung<br />
„rechtsgrds. Bedeutung“ oder<br />
„Fortbildung des Rechts“. Es entbehrt nicht einer gewissen<br />
Tragikomik, dass ausgerechnet die Variante lahmgelegt<br />
ist, die § 7 InsO a.F. versehentlich als „einzig wahre“<br />
einer Normierung für würdig befunden hatte.<br />
In der Vergangenheit stand der „Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“ nichts im Wege, da die Rechtsprechung<br />
der OLG als Rechtsbeschwerdegerichte für<br />
die Öffentlichkeit transparent war – mit indirekter Offenbarung<br />
der LG-Erstbeschwerde-Rechtsprechung –<br />
und in Divergenzfällen nach § 7 Abs. 2 InsO a.F. eine<br />
Vorlage an den BGH erfolgte.<br />
b) Die Kaiser-Franz-Sentenz: „Schau'n mer mal“<br />
Im Zeitalter des globalen „Anything goes“ grassieren<br />
auch legislative Unsitten. Eine neue, vierte Unsitte ist die<br />
„Probierküchenmentalität“, legalisiert in § 119 Abs. 3 – 6<br />
GVG n.F. (hierzu s.o. I. 1.).<br />
In jüngster Vergangenheit sind bereits drei Unsitten auf<br />
den Plan des InsO-Gesetzgebers getreten:<br />
1086 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
(1) Von der Gewaltenteilung zur Gewaltenverschiebung<br />
Mehrere im RegE-InsO vorgesehene Bestimmungen sind im Lauf<br />
des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden. Die Begründungsfloskel<br />
des Gesetzgebers lautete: „Problemlösung wird der<br />
Rechtsprechung überlassen.“ 21<br />
Hiermit wird eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verantwortungsflucht<br />
legalisiert: Kompetenzverzicht durch Kompetenzdelegierung.<br />
(2) Vom Justizgewährungsanspruch zum<br />
Schadensersatzanspruch<br />
Im InsO-Gesetzgebungsverfahren sind mehrere Normierungen unterblieben<br />
mit dem Hinweis, anderweitige Rechtspflichten sowie<br />
Schadensersatzansprüche bei Verletzung dieser Pflichten reichten<br />
zum wirksamen Rechtsschutz aus. 22 Auch hier kommt es zu einer<br />
verfassungsrechtlich bedenklichen Verantwortungsflucht: Kompetenzverzicht<br />
durch Kompetenzeliminierung.<br />
(3) Der legislative Flatterkurs<br />
Der Gesetzgeber beeilt sich geflissentlich, möglichst jeder Kritik<br />
nachzugeben, wenn und sooft der Ruf nach dem Gesetzgeber zur<br />
Abhilfe erschallt. 23 Das führt zu einem legislativen Rückgratschwund.<br />
Mit der in § 119Abs. 3–6GVGn.F.verankerten„Kaiser-<br />
Franz-Sentenz“ ist ein neuer Tiefpunkt erreicht:<br />
Die interlegislative Gewaltenverschiebung von der Bundes-<br />
auf die Landesgesetzgebung mit der völlig offenen<br />
Umsetzung in der Rechtspraxis, das Novum des legislativen<br />
Experimentierzwecks, die legislative Zeitbeschränkung<br />
für einen Versuchszeitraum bis zum Verfallsdatum<br />
31.12.2007 und die legislative zweistufige Erfahrungsund<br />
Erkenntnis-Unterrichtungserwartung bis zum<br />
1.1.2004 und 1.1.2006 haben eine Mixtur zur Folge, die<br />
als legislatives Unikum mit den altvertrauten und bewährten<br />
Vorstellungen über Sinn, Zweck und Aufgaben einer<br />
ernst zu nehmenden Gesetzgebung nicht in Einklang zu<br />
bringen ist.<br />
IV. Ergebnis<br />
Die Rechtsbeschwerde des § 7 InsO a.F. war ein unzulängliches<br />
Flickwerk. DieAltfassung normierte neben der<br />
begriffsimmanenten Voraussetzung einer Rechtsverletzung<br />
als Zusatzvoraussetzung lediglich die „Sicherung<br />
einer einheitlichen Rechtsprechung“, die Vermeidung einer<br />
Entscheidungsdivergenz.<br />
Als positives Ergebnis zur Neufassung des § 7InsOist<br />
festzuhalten, dass nunmehr die missglückte Altfassung<br />
saniert ist. Über § 4InsOist,wennauchmitBegründungszwang<br />
und nicht automatisch, die Anwendbarkeit<br />
des § 574 Abs. 2 ZPO n.F. gerechtfertigt. Somit ist<br />
ein sachgerechter „Dreiklang“ der alternativen Zusatzvoraussetzungen<br />
der Rechtsbeschwerde normiert –<br />
„rechtsgrds. Bedeutung“ oder „Fortbildung des Rechts“<br />
oder „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“.<br />
Ferner ist als positiv zu werten, dass mit der Abschaffung<br />
der Altfassung des § 7 InsO auch die verfehlte, nicht<br />
21 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2000, 177 f. m.w.N.<br />
22 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2000, 178 f.<br />
23 Henckel, ZIP 2000, 2045, 2050; Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446, 452.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1087<br />
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
nachvollziehbare Rechtsprechung der OLG zur sog.<br />
Identitätsthese –„Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“<br />
= „rechtsgrds. Bedeutung“ –erledigt ist.<br />
Schließlich ist auch die Regelung sachgerecht, dass künftig<br />
für Rechtsbeschwerden, auch fürdiedes§ 7InsOn.F.,<br />
nach § 133 GVG n.F. i.d.R. der BGH zuständig ist und<br />
nicht mehr das OLG. Dem grds. Rechtsmittelmodell, das<br />
auf eine Zuständigkeitskonzentration für (Berufungen<br />
und) Beschwerden beim OLG (§ 119 GVG n.F.) abzielt,<br />
ist ebenfalls zuzustimmen.<br />
Allerdings sind auch Mängel zu beklagen:<br />
Durch die Anwendbarkeit des § 574Abs. 2 ZPO n.F. über<br />
§ 4InsOauf§ 7 InsO n.F. entsteht der Eindruck, als ob<br />
sich der „Dreiklang“ der alternativen Zusatzvoraussetzungen<br />
einschränkungslos auf alle Rechtsfragen erstreckt<br />
(§§ 576, 546 ZPO n.F.), die eine der drei Zusatzvoraussetzungen<br />
erfüllen. Das ist aber, soweit die Rechtsbeschwerde<br />
der InsO betroffen ist, fraglich. Die gleiche<br />
Problematik gab es bereits zu § 7InsOa.F. 24<br />
Auch für § 7 InsO n.F. ist eine einschränkendeAuslegung<br />
dahingehend geboten, dass es im Hinblick auf das untrennbar<br />
verzahnte Beschwerdesystem der §§ 6, 7 InsO<br />
a.F. und n.F. übereinstimmend und uneingeschränkt nur<br />
um insolvenzrechtsspezifische Rechtsfragen geht.<br />
Einen besonders schwerwiegenden Mangel bewirkt der<br />
für noch nicht absehbare Zeit geltende „Quantensprung“<br />
der Rechtsbeschwerde des § 7 InsO n.F. vom LG zum<br />
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
BGH, da das für die Erstbeschwerde des § 6InsOn.F.an<br />
sich auserkorene OLG noch in den „einstweiligen Ruhestand“<br />
versetzt ist. Die schädliche Folge ist die, dass die<br />
Zulässigkeitsalternative „Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung“ vorerst eine Leerformel darstellt (s.o.<br />
III. 2. a) (2)).<br />
Um in den an sich unziemlichen „Ruf nach dem Gesetzgeber“<br />
25 ausnahmsweise durch Notstand gerechtfertigt<br />
einzustimmen, sei der dringende Wunsch geäußert, § 119<br />
Abs.1Nr.1a,b,cGVGn.Fmöge zügig wie folgt ergänzt<br />
werden: „ ... d) in Insolvenzsachen;“. Dann wäre die<br />
Kompetenz des OLG als Erstbeschwerdegericht aktiviert.<br />
Andernfalls gibt es lediglich die vage Hoffnung auf die<br />
Inanspruchnahme der an sich negativ zu bewertenden<br />
„Probierküchenmentalitäts“-Kompetenz (s.o. III. 2. b) in<br />
§ 119 Abs. 3 – 6 GVG n.F. durch die Gesetzgebung der<br />
Bundesländer. 26<br />
Nach allem bleibt ein hoffnungsvoller Blick auf das „Kölner<br />
Grundgesetz“ 27 mit seiner gesunden Mischung aus<br />
Resignation und Zuversicht:<br />
„Was willst du machen? Es kommt wie es kommt! Es hat<br />
noch immer gut gegangen!“<br />
24 Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446, 449 ff.<br />
25 S.o. Fn. 23.<br />
26 Wenn das praktiziert werden sollte, dann aber flächendeckend in allen Bundesländern!<br />
Sonst entstehen neue Divergenzprobleme für die als Erstbeschwerdegerichte<br />
konkurrierenden LG und OLG.<br />
27 Urtext: „Watwellstemaache?Etkütt wie't kütt! Et hätt noch emmer joot<br />
jejange!“<br />
Die Änderung der §§ 6, 7 InsO zum 1. 1. 2002 durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses *<br />
von Richter am AG Ulrich Schmerbach, Insolvenzgericht Göttingen<br />
Der Änderung der InsO zum 1.12.2001 ist eine intensive<br />
Diskussion vorausgegangen. Nahezu unbemerkt hat das<br />
Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-Novelle)<br />
zum 1.1.2002 tiefgreifende Änderungen im Rechtsmittelsystem<br />
der InsO eingeführt. 1 Die Änderungen betreffen<br />
§ 6 InsO und im Wesentlichen § 7 InsO. Das eigenständige<br />
Verfahren der Zulassungsbeschwerde beim OLG<br />
mit der Vorlagemöglichkeit an den BGH ist entfallen. § 7<br />
InsO bestimmt nur noch, dass gegen Entscheidungen<br />
über die sofortige Beschwerde die Rechtsbeschwerde<br />
stattfindet. Die Einzelheiten richten sich nach den<br />
§§ 574 – 577 ZPO, in denen einheitlich anstelle der sofortigen<br />
weiteren Beschwerde das Institut der Rechtsbeschwerde<br />
eingeführt wird. Zuständig zur Entscheidung<br />
über die Rechtsbeschwerde ist der BGH, § 133 GVG.<br />
Über die Auswirkungen haben sich jüngst Kirchhof 2 und<br />
Pape 3 in dieser Zeitschrift geäußert. Die Praxis wird sich<br />
auf die neuen Vorschriften einstellen und mit ihnen arbeiten<br />
müssen. Im Folgenden sollen die ab dem 1.1.2002<br />
geltenden Änderungen und ihre Auswirkungen in der<br />
Praxis aufgezeigt und erläutert werden. Den Schwerpunkt<br />
nimmt die Darstellung der Änderung des § 7InsO<br />
ein. 4<br />
A. Änderung des § 6InsO<br />
Weggefallen ist die Vorschrift des § 6Abs.2Satz2InsO.<br />
Danach konnte das Insolvenzgericht der sofortigen Beschwerde<br />
abhelfen. Die ZPO schloss bei sofortigen Beschwerden<br />
dieAbhilfemöglichkeit aus, § 577Abs. 3 ZPO<br />
a.F. Die einfache Beschwerde ist entfallen. Die ZPO sieht<br />
nur noch die sofortige Beschwerde vor, § 567 Abs. 1<br />
ZPO; § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO führt generell eine Abhilfemöglichkeit<br />
ein.<br />
* §§-Angaben ohne Zusatz beziehen sich auf die ZPO, das GVG i.d.F. ab dem<br />
1.1.2002 und die InsO in der ab dem 1.12.2001 geltenden Fassung.<br />
1 BGBl. I 2001, 1887; Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines<br />
Gesetzes zur Reform des Zivilprozesse v. 24.11.2000, BT-Drucks. 14/4722.<br />
2 <strong>ZInsO</strong> 2001, 729.<br />
3 <strong>ZInsO</strong> 2001, 777.<br />
4 Wegen weiterer Einzelheiten s. FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl. 2001, §§ 6, 7.
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
Hinsichtlich Frist und Form (§ 569 ZPO) ergeben sich<br />
keine Änderungen. Ausdrücklich geregelt sind nunmehr<br />
die Beschwerdefrist für den Fall nicht ordnungsgemäßer<br />
Zustellung, z.B. unter Verstoß gegen Formvorschriften, in<br />
§ 569Abs. 1 Satz 2 ZPO und dieAnschlussbeschwerde in<br />
§ 567 Abs. 3 ZPO. Ein Begründungszwang besteht nicht,<br />
bei § 571 Abs. 1 ZPO handelt es sich um eine Sollvorschrift.<br />
Wie bisher kann die Beschwerde auf neue Angriffs-<br />
und Verteidigungsmittel gestützt werden (§ 571<br />
Abs. 2 Satz 1 ZPO), allerdings können die Parteien des<br />
Beschwerdeverfahrens mit neuen Vortrag vor dem Beschwerdegericht<br />
präkludiert sein (§ 571Abs. 3 ZPO). Ein<br />
Anwaltszwang wurde bisher nur für denFalldermündlichen<br />
Verhandlung vor dem Beschwerdegericht bejaht. 5<br />
Nunmehr besteht kein Anwaltszwang mehr. Das Beschwerdegericht<br />
entscheidet aufgrund freigestellter<br />
mündlicher Verhandlung, § 572 Abs. 4 i.V.m. § 128<br />
Abs. 4 ZPO. Anwaltszwang besteht nicht, § 78 Abs. 3<br />
i.V.m. §§ 571 Abs. 4, 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.<br />
Beschwerdegericht ist das LG (§ 72 GVG) oder – aufgrund<br />
der bis zum 31.12.2007 befristeten sog. Experimentierklausel<br />
in § 119 Abs. 3 GVG – das OLG. Ist das OLG<br />
zuständig, hat das AG gem. § 119 Abs. 4 GVG in seinem<br />
Beschluss einen entsprechenden Hinweis aufzunehmen. 6<br />
Ob und in welchem Umfang die einzelnen Bundesländer<br />
von der Übertragung auf das OLG Gebrauch machen, ist<br />
noch unklar. 7 Über die Beschwerde entscheidet grds. der<br />
Einzelrichter (§ 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO) durch Beschluss<br />
(§ 572 Abs. 4 ZPO). Geschäftsplanmäßig empfiehlt sich<br />
eine Konzentration der Beschwerden in Insolvenzsachen<br />
im Dezernat eines Kammermitgliedes.<br />
Die Abhilfebefugnis besteht auch bei Entscheidungen außerhalb<br />
der InsO. Durch die in § 572 Abs. 1 ZPO vorgesehenen<br />
Abhilfebefugnis ist auch die frühere Streitfrage<br />
zu bejahen, dass das Insolvenzgericht bei Entscheidungen<br />
gem. § 91a ZPO abhilfebefugt ist. 8 Weiter ist klargestellt,<br />
dass der Rechtspfleger im Rahmen des § 11 Abs. 1<br />
RpflG abhilfebefugt ist. 9<br />
B. Änderung des § 7InsO<br />
I. Überblick<br />
Die sofortige weitere Beschwerde war bis zum In-Kraft-<br />
Treten der InsO zulässig, sofern die Entscheidung des Beschwerdegerichts<br />
einen neuen selbstständigen Beschwerdegrund<br />
enthielt (§ 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO, sog. Difformitätsprinzip);<br />
unabhängig davon war sie weiter zulässig bei<br />
Verfahrensverstößen. 10 § 7 Abs. 1 InsO a.F. schränkte die<br />
Möglichkeit der weiteren Beschwerde dadurch ein, dass<br />
eine Zulassung durch das OLG erforderlich war, die neben<br />
einer Gesetzesverletzung zurVoraussetzung hatte, dass die<br />
Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung geboten war. Nach dem Willen<br />
des Gesetzgebers sollte durch die Verminderung der<br />
Rechtsmittel die Entlastung der Gerichte, aber auch die<br />
Straffung des Insolvenzverfahrens erfolgen. 11 Andererseits<br />
sollten durch die Regelung in § 7Abs.2InsOa.F.die<br />
bislang fehlenden Voraussetzungen für eine einheitliche<br />
Rechtsprechung in Insolvenzsachen geschaffen werden. 12<br />
1088 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
Der Forderung nach einer großzügigen Zulassung 13 kamen<br />
die OLG im Wesentlichen nach. 14 Im Zweifel<br />
erfolgte die Zulassung. 15<br />
Durch die ZPO-Änderung zum 1.1.2002 ist in § 7InsO<br />
lediglich noch geregelt, das gegen Beschwerdeentscheidungen<br />
die Rechtsbeschwerde statthaft ist. Die Einzelheiten<br />
richten sich nach den §§ 574 – 577 ZPO. Die Rechtsbeschwerde<br />
ist nunmehr statthaft, ohne dass es einer<br />
Zulassung bedarf, § 574Abs.1Nr.1ZPOi.V.m.§ 7<br />
InsO.Allerdings kann das Rechtsbeschwerdegericht gem.<br />
§ 577 Abs. 1 ZPO die Rechtsbeschwerde als unzulässig<br />
verwerfen, wenn die zwingend erforderliche Begründung<br />
der Rechtsbeschwerde nicht die Angaben gem. § 575<br />
Abs. 3 ZPO enthält. Die bislang zu § 7a.F.ergangene<br />
Rechtsprechung kann (teilweise) herangezogen werden.<br />
Die Zulassungsbeschwerde zum OLG (§ 7Abs.1a.F.)<br />
und die Vorlagepflicht zum BGH (§ 7 Abs. 2 InsO a.F.) ist<br />
damit entfallen. Über die Rechtsbeschwerde entscheidet<br />
der BGH, § 133 GVG. Dies bedeutet eine erhebliche<br />
Mehrarbeit für den BGH, dem bislang nur zwei Fälle gem.<br />
§ 7 Abs. 2 InsO a.F. vorgelegt wurden. In einem Fall wurde<br />
dieVorlage als unzulässig angesehen, 16 im anderen Fall<br />
erging eine Entscheidung. 17 Andererseits entfällt die Vielzahl<br />
von häufig im Ergebnis gleich lautenden OLG-Entscheidungen,<br />
die Übersichtlichkeit wird gefördert.<br />
Bei Entscheidungen des Insolvenzgerichts außerhalb des<br />
Insolvenzverfahrens kommt eine Rechtsbeschwerde nach<br />
Maßgabe der §§ 574 ff. ZPO in Betracht. In diesen Fällen<br />
handelt es sich um eine Zulassungsbeschwerde, § 574<br />
Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde<br />
bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 574<br />
Abs. 2 ZPO zuzulassen, § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das<br />
Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden,<br />
§ 574 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Eine Verwerfung als unzulässig<br />
kann in diesen Fällen gem. § 577 Abs. 1 ZPO erfolgen,<br />
wenn die Voraussetzungen des § 575 ZPO, insbesondere<br />
des § 575 Abs. 3 ZPO, nicht vorliegen.<br />
Auf diesem Weg kann eine einheitliche Rechtsprechung<br />
z.B. bei den streitigen Fragen der Bewilligung von PKH<br />
für den Insolvenzverwalter herbeigeführt werden. 18 Differieren<br />
verschiedene BGH-Senate, sind der Grosse Senat<br />
in Zivilsachen oder die Vereinigten Senate anzurufen,<br />
§ 132 GVG.<br />
5 FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl., § 6 Rn. 25.<br />
6 Hartmann, NJW 2001, 2577, 2588.<br />
7 Einzelheiten zu den Übertragungsmöglichkeiten bei Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777,<br />
778 f.<br />
8SoLGGöttingen, ZIP 2000, 32 mit abl. Anm. Holzer EWiR 2000, 297;<br />
wohl auch OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2001, 420, 422; HK-InsO/Kirchhof, § 6 Rn. 23;<br />
a.A. LG Meiningen, ZIP 2000, 1451 mit zust. Anm. Schmerbach, EWiR 2000,<br />
1063, 1064.<br />
9 BT-Drucks. 14/4722, S. 114.<br />
10 Thomas/Putzo, ZPO, § 568 Rn. 13.<br />
11 BT-Drucks. 12/7302, S. 155.<br />
12 BT-Drucks. 12/2443, S. 110.<br />
13 FK-InsO/Schmerbach, § 7 Rn. 1; BK-Goetsch, § 7 Rn. 14.<br />
14 Ebenso Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 34 Rn. 2; Entscheidungsübersicht<br />
über die Rechtsprechung der OLG zuletzt bei Pape, <strong>ZInsO</strong>-Beilage 2/2001.<br />
15 Pape. NJW 2001, 23, 24.<br />
16 BGH, <strong>ZInsO</strong> 2000, 280: Insolvenzkostenhilfe.<br />
17 BGH, ZIP 2001, 296: Vergütung vorläufiger Insolvenzverwalter.<br />
18 S. etwa FK-InsO/Schmerbach, § 26 Rn. 27 ff.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1089<br />
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
II. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />
1. Statthaftigkeit<br />
a) Voraussetzung für die Zulassung der sofortigen weiteren<br />
Beschwerde war gem. § 7Abs.1InsOa.F.einAntrag.<br />
Nunmehr ist die Rechtsbeschwerde ohne Antrag zulässig<br />
gem. § 574Abs.1Nr.1ZPOi.V.m.§ 7InsO.Es<br />
bestehen allerdings weitere Zulässigkeitserfordernisse<br />
insbesondere gem. § 575 Abs. 3 ZPO (s.u. 4).<br />
b) Antragsberechtigt ist nur, wer durch die Entscheidung<br />
des Beschwerdegerichts beschwert ist. 19 Weiter muss das<br />
Rechtsschutzbedürfnis vorliegen, das fehlt, wenn die<br />
nachzuprüfende Entscheidung verfahrensmäßig überholt<br />
ist. 20 In diesen Fällen bleibt die Möglichkeit einer Kostenentscheidung<br />
wegen Erledigung der Hauptsache gem.<br />
§ 91a ZPO. 21 Das Rechtsschutzinteresse besteht fort,<br />
wenn die Beschwerde von der Fortdauer des Insolvenzverfahrens<br />
unabhängig ist wie bei der Festsetzung der<br />
Vergütung. 22 Dagegen wird das Rechtsschutzinteresse<br />
gerade bei derAnordnung von Sicherungsmaßnahmen im<br />
Eröffnungsverfahren häufig im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens<br />
wegfallen. Das Rechtsschutzinteresse füreine<br />
Beschwerde gegen eine vorläufige Postsperre gem. § 21<br />
Abs.2Nr.4InsOentfällt mit der Eröffnung des Verfahrens.<br />
23 Fraglich ist, ob und inwieweit unter dem Gesichtspunkt<br />
eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffes 24<br />
der Rechtsbehelf zulässig bleiben kann, weil sich die<br />
Tragweite der Entscheidung nach dem typischen Verfahrensablauf<br />
auf eine Zeitspanne beschränkt, in der<br />
eine Überprüfung der Entscheidung regelmäßig nicht erfolgen<br />
kann. 25 Ansätze dazu finden sich in der Rechtsprechung.<br />
26<br />
c) Durch die Neuregelung sind bisherige Streitfragen<br />
geklärt worden. Streitig war zunächst die Anwendbarkeit<br />
des § 7InsOa.F.beiderÜberprüfung derVergütungsfestsetzung<br />
gem. § 64 Abs. 3 InsO. Teilweise wurde die Vorschrift<br />
des § 568Abs.3ZPOa.F.für anwendbar gehalten.<br />
27 Diese Frage ist überholt, die Vorschrift des § 568<br />
Abs. 3 ZPO a.F. ist ersatzlos gestrichen.<br />
Unter Geltung des § 7 InsO a.F. wurde weiter überwiegend<br />
weiter gefordert, dass die Erstbeschwerde gem. § 6<br />
Abs. 1 InsO statthaft war. 28 Hintergrund des Streites war<br />
die Frage, ob gegen PKH ablehnende Beschwerdeentscheidungen<br />
der LG in Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
eine weitere Beschwerdemöglichkeit gem. § 568 Abs. 2<br />
Satz 1 ZPO a.F. nicht bestand oder § 7InsOa.F.den<br />
Rechtsweg zum OLG und ggf. zum BGH eröffnen konnte.<br />
Der BGH verneinte dies. 29 Durch die Einführung des<br />
sog. Stundungsmodelles und insbesondere der Beschwerdemöglichkeit<br />
in § 4d InsO hat die Frage an praktischer<br />
Bedeutung verloren. Gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist die<br />
Rechtsbeschwerde zum BGH gem. § 133 GVG statthaft.<br />
PKH-Anträge von Gläubigern sind weiterhin denkbar, 30<br />
ebenso von Schuldnern bei Gläubigeranträgen, 31 im eröffneten<br />
Verfahren32 und für dieDurchführung von Beschwerdeverfahren.<br />
In diesen FällenkanndasBeschwerdegericht<br />
gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die Rechtsbeschwerde<br />
– für den BGH bindend gem. § 574 Abs. 3<br />
Satz 2 ZPO – zulassen.<br />
2. Frist<br />
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem<br />
Monat seit Zustellung der Beschwerdeentscheidung<br />
einzulegen (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und auch zu begründen<br />
(§ 575 Abs. 2 Satz 1 ZPO), und zwar bei dem<br />
Rechtsbeschwerdegericht (§ 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die<br />
Frist zur Begründung kann gem. § 575 Abs. 2 Satz 3<br />
i.V.m. § 551Abs. 2 Satz 5, Satz 6 ZPO verlängert werden.<br />
Eine Anschlussrechtsbeschwerde ist nach Maßgabe des<br />
§ 574 Abs. 4 ZPO zulässig.<br />
3. Form<br />
a) Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten die<br />
Bezeichnung der Entscheidung, gegen die Rechtsbeschwerde<br />
eingelegt wird (§ 575 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO),<br />
und die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung<br />
Rechtsbeschwerde eingelegt wird (§ 575 Abs. 1 Satz 2<br />
Nr. 2 ZPO). Die Vorschrift entspricht §§ 519 Abs. 2, 549<br />
Abs. 1 Satz 2 ZPO. Es wird für dieErklärung genügen,<br />
das sich aus der Rechtsbehelfsschrift konkludent ergibt,<br />
dass Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Die frühere<br />
Rechtsprechung zum Zulassungsantrag gem. § 7Abs.1<br />
a.F. lässt sich ergänzend heranziehen. 33 Weiter soll eine<br />
Ausfertigung oder beglaubigte Ablichtung der angefochtenen<br />
Entscheidung vorgelegt werden (§ 575 Abs. 1<br />
Satz 3 ZPO). Das Rechtsbeschwerdegericht soll so frühzeitig<br />
bereits vor Eintreffen der Akten (s.u. 5) über den<br />
Rechtsmittelinhalt in Kenntnis gesetzt werden. 34<br />
b) Für den Zulassungsantrag beim OLG gem. § 7Abs.1<br />
InsO a.F. war anerkannt, dass kein Anwaltszwang bestand.<br />
35 Zur Begründung wurde auf § 569 Abs. 2 Satz 2<br />
ZPO a.F. verwiesen. Dessen Inhalt übernimmt § 569Abs. 3<br />
Nr. 1 ZPO. Teilweise wird angenommen, das beim AG<br />
beginnende Insolvenzverfahren sei nicht als Anwaltsprozess<br />
zu führen, ein Anwaltszwang bestehe nicht. 36<br />
19 FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 8, 8a sowie § 34 Rn. 13 ff.<br />
20 Zöller/Gummer, ZPO, § 567 Rn. 12; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 9.<br />
21 HK-InsO/Kirchhof, § 6Rn.19.<br />
22 HK-InsO/Kirchhof § 6Rn.19.<br />
23 OLG Köln, ZIP 2000, 1221, 1222 = EWiR 2000, 829 = DZWiR 2000, 203<br />
mit krit. Anm. Thiemann; HK-InsO/Kirchhof, § 6Rn.19;MünchKomm/<br />
Ganter, InsO, § 6Rn. 35;kritischKübler /Prütting/Pape, InsO, § 20 Rn. 16c.<br />
24 So Kübler /Prütting/Pape, InsO, § 20 Rn. 16c.<br />
25 So MünchKomm/Ganter, InsO, § 6Rn.36.<br />
26 Das KG, <strong>ZInsO</strong> 2001, 411, 412 bejaht die Anfechtbarkeit einer Entscheidung<br />
der Gläubigerversammlung nach § 78 InsO trotz Vollzuges der in dem Beschluss<br />
genehmigten BetriebsveräußerungimHinblickaufeinemögliche<br />
Haftung des Verwalters gem. § 60 InsO.<br />
27 Hoffmann, NZI 1999, 425 f., 430; a.A. BGH, ZIP 2001, 296, 297.<br />
28 BGH, ZIP 2000, 755 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 280 mit abl. Anm. Pape; HK-InsO/<br />
Kirchhof, § 7 Rn. 5; a.A. OLG Frankfurt, NZI 2000, 137; OLG Frankfurt,<br />
NZI 2000, 531; Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 4b; Pape, NJW 2001, 23, 26.<br />
29 BGH, ZIP 2000, 755 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 280 mit abl. Anm. Pape; a.A. OLG<br />
Karlsruhe, ZIP 2000, 465 = EWiR 2000, 343 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 280 mit zust.<br />
Anm. Pape im Vorlagebeschluss an den BGH.<br />
30 FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 77, 81 ff.<br />
31 FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 94.<br />
32 FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 78.<br />
33 Vgl. BayObLG, ZIP 2000, 320, 321 = EWiR 2000, 447; OLG Köln, NZI 2000,<br />
78 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 43; OLG Köln, NZI 2000, 80; OLG Köln, ZIP 2000, 280,<br />
281; OLG Celle, ZIP 2000, 706, 707; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 34 Rn. 3.<br />
34 BT-Drucks. 14/4772, S. 117.<br />
35 BGH, ZIP 2001, 296, 297; OLG Köln, ZIP 1999, 1929, 1930 = NZI 1999,<br />
494 = <strong>ZInsO</strong> 1999, 658; OLG Schleswig, NZI 2000, 165; OLG Celle, ZIP<br />
2000, 706, 707; HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.8:Kübler/Prütting, InsO, § 7<br />
Rn. 6, 20; a.A. BK-Goetsch, § 7 Rn. 9.<br />
36 So Sternal, NZI aktuell Heft 9, V, linke Spalte.
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
Dafür ließesichanführen, dass gem. § 575 Abs. 4 Satz 1<br />
ZPO die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden<br />
Schriftsätze anwendbar sind und damit auch<br />
§ 129a ZPO, der Anträge und Erklärungen zu Protokoll<br />
jeden AG zulässt. § 575 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt jedoch,<br />
dass die Rechtsbeschwerde durch Einreichung einer<br />
Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht<br />
einzulegen ist. Fasst man diese Vorschrift als Spezialregelung<br />
auf und bedenkt, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren<br />
dem Revisionsverfahren nachempfunden ist, 37 so<br />
kann die Rechtsbeschwerde formwirksam nur durch<br />
einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt<br />
werden. Im Einzelnen wird verwiesen auf den Beitrag<br />
von Kirchhof. 38 I.Ü. gehen davon auch die im Anhörungsverfahren<br />
befindlichen Formulierungsvorschläge<br />
für Rechtsmittelbelehrungen in Zivilverfahren aus. 39<br />
c) I.Ü. finden die Vorschriften über die vorbereitenden<br />
Schriftsätze 40 Anwendung, § 575 7Abs. 4 Satz 1 ZPO.<br />
4. Begründung gem. § 575 Abs. 3 ZPO<br />
Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus<br />
§ 575 Abs. 3 ZPO. Die Begründung der Rechtsbeschwerde<br />
(zur Frist s.o. 2) muss enthalten:<br />
– Rechtsbeschwerdeanträge (§ 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO)<br />
– Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des<br />
§ 574 Abs. 2 ZPO (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO)<br />
– Angabe der Beschwerdegründe (§ 575 Abs. 3 Nr. 3<br />
ZPO).<br />
a) Rechtsbeschwerdeanträge (§ 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO)<br />
Die Vorschrift ist nachgebildet § 551Abs.3Nr.1ZPO.<br />
Die Anträge müssen in der Rechtsbeschwerdeschrift<br />
(§ 575 Abs. 1 ZPO) oder in der Rechtsbeschwerdebegründung<br />
(§ 575Abs. 2 ZPO) enthalten sein. Das Rechtsbeschwerdegericht<br />
prüft nur die gestellten Anträge, § 577<br />
Abs. 2 Satz 1 ZPO. Der Antrag muss erkennen lassen, ob<br />
der Beschluss im Ganzen oder z.T. angegriffen und welche<br />
Abänderung erstrebt wird. Es genügt, dass sich dies<br />
klar aus der Rechtsbeschwerdebegründung (§ 575 Abs. 2<br />
Satz 1 ZPO) ergibt. 41<br />
b) Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />
des § 574 Abs. 2 ZPO (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO)<br />
aa) Allgemeines<br />
Die Rechtsbeschwerde ist nur zulässig, wenn die Rechtssache<br />
grds. Bedeutung hat oder die Fortbildung des<br />
Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />
eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes<br />
erfordert. Die Vorschrift ist nachgebildet § 543 Abs. 2<br />
ZPO (ähnlich § 554 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F.). Liegen die<br />
Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vor bzw.<br />
sind sie nicht dargelegt, wird die Beschwerde gem. § 577<br />
Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen (s.u. 5). Viele der an<br />
sich zulassungsfreien Rechtsbeschwerden werden an dieser<br />
Zulässigkeitsschranke scheitern. 42<br />
Die Rechtsfrage muss sich nicht auf das Gebiet des Insolvenzrechts<br />
beziehen. 43 Gegenstand der Entscheidung<br />
können daher z.B. auch Verfahrensverstößesein. 44 Unter<br />
Geltung von § 7 Abs. 1 InsO a.F. wurde gefordert, dass<br />
1090 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
die Rechtsfrage in dem früheren Verfahren entscheidungserheblich<br />
gewesen war und im vorliegenden Verfahren<br />
war. 45 Ein obiter dictum sollte nicht genügen. 46<br />
Diese Einschränkung entfällt in Anbetracht der ausgeweiteten<br />
Beschwerdemöglichkeiten in § 574 Abs. 2<br />
ZPO, insbesondere der grds. Bedeutung der Rechtssache<br />
und der Fortbildung des Rechtes. Die Entscheidung<br />
im konkreten Fall muss allerdings von der Rechtsfrage<br />
abhängen, also Entscheidungserheblichkeit vorliegen.<br />
bb) Verhältnis der Zulässigkeitsgründe untereinander<br />
Die Gesetzesbegründung zu § 574Abs. 2 ZPO 47 verweist<br />
auf die Parallelvorschrift des § 543 Abs. 2 ZPO. Der Begriff<br />
der grds. Bedeutung soll nicht auf die Elemente der<br />
Rechtsfortbildung und der Rechtsvereinheitlichung beschränkt<br />
werden. Es sollen die Fälle einer Entscheidung<br />
zugeführt werden, in denen über den Einzelfall hinaus ein<br />
allgemeines Interesse an einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes<br />
besteht. Dem Rechtsbeschwerdegericht<br />
sollen außerdem Leitentscheidungen zu Rechtsstreitigkeiten<br />
von allgemeiner Bedeutung möglich sein, so in<br />
Fällen der Verletzung von Verfahrensgrundsätzen und offensichtlicher<br />
Unrichtigkeit der Beschwerdeentscheidung.<br />
48 Insbesondere bei § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird<br />
eine scharfe Trennung nicht möglich sein. Auf die zu § 7<br />
Abs. 1 Satz 1 a.F. zum Merkmal der Sicherung einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung ergangenen Entscheidungen<br />
kann zurückgegriffen werden.<br />
cc) Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache<br />
(§ 574Abs.2Nr.1ZPO)<br />
Die wortgleiche Vorschrift des § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1<br />
ZPO a.F. diente der Wahrung der Rechtseinheit und Fortbildung<br />
des Rechtes. 49 Nach der Gesetzesbegründung zu<br />
§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss eine klärungsbedürftige<br />
Rechtsfrage vorliegen, deren Auftreten in einer unbestimmten<br />
Vielzahl von Fällen denkbar ist. Als klärungsbedürftig<br />
wird auch eine Rechtsfrage bezeichnet, wenn<br />
entweder die Instanzgerichte dem BGH weitgehend nicht<br />
folgen oder im Schrifttum ernst zu nehmende Bedenken<br />
gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung geäußert<br />
werden, um dadurch der Gefahr einer Rechtserstarrung<br />
entgegenzuwirken. 50 Auch das tatsächliche und wirtschaftliche<br />
Gewicht der Sache für die beteiligten Rechtskreise<br />
ist zu berücksichtigen. 51<br />
37 S. u. 4 c).<br />
38 In dieser Ausgabe S. 1073.<br />
39 Dort heißt esunterNr.2u.a.:„Die Rechtsbeschwerde kann nur durch einen<br />
beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden“.<br />
40 §§ 129–133 ZPO.<br />
41 Vgl. Zöller/Gummer, ZPO, § 554 Rn. 6.<br />
42 Ebenso Sternal, NZI aktuell Heft 9, V, linke Spalte.<br />
43 HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.33,35zu§ 7a.F.<br />
44 Vgl. BGH, ZIP 2000, 754, 755.<br />
45 OLG Naumburg, MDR 2000, 1131; Kübler/Prütting, InsO, § 7Rn.8.<br />
46 Kübler/Prütting, InsO, § 7Rn.8.<br />
47 BT-Drucks. 14/4722, S. 116.<br />
48 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />
49 Thomas/Putzo, ZPO, § 546 Rn. 19.<br />
50 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />
51 BT-Drucks. 14/4722, S. 105.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1091<br />
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
dd) Fortbildung des Rechtes<br />
(§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. ZPO)<br />
Der Begriff der Fortbildung des Rechtes findet sich in<br />
§ 132 Abs. 4 GVG, § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, ferner in<br />
§ 74 Abs. 2 Nr. 2 GWB und § 116 Abs. 1 StVollzG. Nach<br />
der Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift in § 543<br />
Abs. 2 Nr. 2 ZPO kann ein Einzelfall Veranlassung geben,<br />
Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen<br />
des materiellen oder des Verfahrensrechtes aufzustellen<br />
oder Gesetzeslücken auszufüllen. 52 Die von der Rechtsprechung<br />
zu § 7 a.F. im Rahmen des Merkmales der Sicherung<br />
einer einheitlichen Rechtsprechung entwickelten<br />
Kriterien können verwandt werden.<br />
Aus der weiter verwertbaren Rechtsprechung zu § 7InsO<br />
a.F. ergibt sich folgendes: Bei höchstrichterlich noch<br />
nicht entschiedenen Rechtsfragen kann eine höchstrichterliche<br />
Entscheidung von vornherein verhindern, dass<br />
sich bei den unteren Gerichten eine unterschiedliche<br />
Rechtsprechung entwickelt. 53 Bei ungeklärten Rechtsfragen<br />
ist eine Nachprüfung geboten. 54 Es genügt die Abweichung<br />
zweier Entscheidungen der Beschwerdegerichte<br />
voneinander55 sowie abweichende Entscheidungen<br />
von Beschwerdegerichten und AG, ernstzunehmende<br />
abweichende Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum56<br />
oder unterschiedliche Auffassungen in der Literatur,<br />
57 solange sich noch keine gefestigte obergerichtliche<br />
Rechtsprechung entwickelt hat. 58 Es reicht sogar das Bedürfnis<br />
nach vorbeugender Klärung zur Vermeidung<br />
künftiger Differenzen. 59<br />
ee) Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />
Der Begriff der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />
findet sich in § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, § 74<br />
Abs. 2 Nr. 2 GWB und § 116 Abs. 1 StVollzG. Nach der<br />
Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift in § 543<br />
Abs. 2 Nr. 2 ZPO soll vermieden werden, das schwer erträgliche<br />
Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen<br />
oder fortbestehen, wobei es darauf ankommt, welche<br />
Bedeutung die Rechtsprechung im Ganzen hat. Diese<br />
Voraussetzungen liegen nicht vor bei einer Fehlentscheidung<br />
im Einzelfall selbst bei einem offensichtlichen<br />
Rechtsfehler. Dies ist erst der Fall bei einer Abweichung<br />
von der höchstrichterlichen Rechtsprechung i.d.S., dass<br />
diese nicht berücksichtigt wird und die Gefahr einer<br />
Wiederholung besteht. Weiter werden allgemeine Interessen<br />
nachhaltig berührt, wenn materielle oder formelle<br />
Fehler von erheblichen Gewicht und geeignet sind, das<br />
Vertrauen in die Rechtsprechung zu schädigen, insbesondere<br />
bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten,<br />
namentlich auf rechtliches Gehör und objektiv willkürfreies<br />
Verfahren. 60<br />
Bei der Frage, ob ein Sicherungsbedürfnis vorliegt, sind<br />
verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden:<br />
(1) Befindet sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts<br />
im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung,<br />
so besteht kein Bedürfnis für eine Sachentscheidung<br />
des Rechtsbeschwerdegerichtes. Der Antrag ist als<br />
unzulässig gem. § 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verwerfen<br />
(s.o. 4 b aa).<br />
(2) Die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F.<br />
zum Merkmal der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung<br />
hat folgende Grundsätze entwickelt: Geht es<br />
nicht um grds. Fragen, sondern um die Beurteilung eines<br />
Einzelfalles, ist eine Nachprüfung nicht geboten. 61<br />
Weicht das Beschwerdegericht allerdings bewusst von<br />
der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, liegt ein Sicherungsbedürfnis<br />
vor, weil auch in Zukunft mit Abweichungen<br />
zu rechnen ist. Bei unbewusster Abweichung ist<br />
zu überlegen, ob die Wiederholungsgefahr dadurch ausgeräumt<br />
wird, dass in dem die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />
gem. § 577 Abs. 1 Satz 1 ZPO verneinenden<br />
Beschluss auf den Rechtsfehler hingewiesen wird. 62 In<br />
diesem Fall könnte es sich lediglich um einen Einzelfall<br />
handeln. Ein die Wiederholungsgefahr ausschließender<br />
Einzelfall liegt ferner vor, wenn die Fehlentscheidung einen<br />
Fall betrifft, der eine einmalige oder ganz ausgefallene<br />
Fallgestaltung zum Gegenstand hat. 63 In diesen Fällen<br />
bleibt die Möglichkeit einer Gegenvorstellung. 64<br />
(3) Auch bei der Gewichtung von Tatsachen handelt es<br />
sich um eine Entscheidung, für die die Rechtsbeschwerde<br />
nicht zur Verfügung steht. 65 Das Rechtsbeschwerdegerichtgehtgrds.vondemSachverhaltaus,dendasBeschwerdegericht<br />
festgestellt hat (s.u. III 2 a). Tatsächliche<br />
Würdigungen hat das Rechtsbeschwerdegericht nicht zu<br />
überprüfen. 66 Nicht genügen soll es, wenn der Beschwerdeführer<br />
lediglich einen anderen als den vom Beschwerdegericht<br />
festgestellten Sachverhalt behauptet und unter<br />
Beweis stellt. 67 Dies ist zweifelhaft, denn auch eine fehlerhafte<br />
Sachverhaltsfeststellung kann eine Gesetzesverletzung<br />
ergeben. Eine verfahrensfehlerhafte Feststellung<br />
von Tatsachen kann gem. § 575Abs.3Nr.3bZPOgerügt<br />
werden (s.u. c und III 2 a). Die Anwendung eines unbestimmten<br />
Rechtsbegriffes ist voll nachprüfbar. 68 Eine Ermessensausübung<br />
ist nur eingeschränkt nachprüfbar dahin,<br />
ob die rechtlichen Voraussetzungen für denErmessensgebrauch<br />
verkannt worden sind oder das Ermessen<br />
sonst rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist. 69 Bei Zweifeln<br />
ist ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen. 70<br />
52 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />
53 Ebenso Pape, NJW 2001, 23, 25; ähnlich Nerlich/Römermann/Becker, § 7<br />
Rn. 20.<br />
54 OLG Celle, ZIP 2000, 706, 708 = EWiR 2000, 681; OLG Köln, ZIP 2000,<br />
760, 762; OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2000, 334, 335; OLG Köln, ZIP 2000, 2312,<br />
2313; HK-InsO/Kirchhof, § 7 Rn. 23; a.A. nur OLG Braunschweig, NZI<br />
2001, 259.<br />
55 OLG Zweibrücken, ZIP 2000, 1400, 1401.<br />
56 OLG Zweibrücken,NZI2000,373;OLGZweibrücken, NZI 2000, 535.<br />
57 OLG Frankfurt, NZI 2000, 531.<br />
58 OLG Jena, InVo 2000, 378, 379.<br />
59 OLG Dresden, NZI 2001, 261; KG, <strong>ZInsO</strong> 2001, 411, 412.<br />
60 BT-Drucks. 14/4722, S. 104.<br />
61 OLG Köln, ZIP 2000, 760, 762; OLG Zweibrücken, NZI 2000, 373, 374 =<br />
EWiR 2001, 169; OLG Brandenburg, <strong>ZInsO</strong> 2001, 75, 76; kritisch dazu<br />
Kluth, <strong>ZInsO</strong> 2001, 446.<br />
62 So zur vergleichbaren Vorschrift des § 80 OWiG Göhler, OWiG, § 80 Rn. 8.<br />
63 HK-InsO/Kirchhof § 7Rn.24.<br />
64 OLG Celle NZI 2001, 147, 148; s. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 29.<br />
65 Vgl. OLG Zweibrücken, <strong>ZInsO</strong> 2000, 398; OLG Köln, ZIP 2000, 1900,<br />
1902; HK-InsO/Kirchhof, § 7 Rn. 24.<br />
66 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 456; OLG Zweibrücken, NZI 2000, 535.<br />
67 OLG Köln, ZIP 2000, 280, 281.<br />
68 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 456; HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.18.<br />
69 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 456; OLG Naumburg, <strong>ZInsO</strong> 2000, 562; HK-InsO/<br />
Kirchhof, § 7 Rn. 18.<br />
70 Vgl. KK-OwiG/Steindorf, § 80 Rn. 20.
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
c) Angabe der Beschwerdegründe<br />
(§ 575Abs.3Nr.3ZPO)<br />
Die Vorschrift ist nachgebildet § 551Abs.3Nr.2ZPO<br />
(ähnlich § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO a.F.). Die Gesetzesbegründung<br />
stellt klar, dass die strengenAnforderungen den<br />
Vorgaben an eine Revisionsbegründungsschrift gem.<br />
§ 551 Abs. 3 ZPO entsprechen. 71 Das Rechtsbeschwerdegericht<br />
ist an die geltend gemachten Gründe nicht gebunden<br />
(§ 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO), allerdings greift bei<br />
Verfahrensrügen die Vorschrift des § 577 Abs. 2 Satz 3<br />
ZPO ein (s.u. bb).<br />
aa) Nr. 3a<br />
Erforderlich ist die bestimmte Bezeichnung der Umstände,<br />
aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Die Vorschrift<br />
ähnelt § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO a.F., der bei der<br />
Angabe der Revisionsgründe die Bezeichnung der verletzten<br />
Rechtsnorm verlangte. Nach der Gesetzesbegründung<br />
zu § 551Abs. 3 Nr. 2a ZPO werden die Darlegungsanforderungen<br />
der bisherigen Rechtsprechung konkretisiert<br />
und die Angabe der Gründe verlangt, die aus der<br />
Sicht des Beschwerdeführers den materiell-rechtlichen<br />
Rechtsfehler ausmachen. 72<br />
Zu § 554Abs. 3 Nr. 3a ZPO a.F. wurde gefordert, dass die<br />
Begründung sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen<br />
Entscheidung auseinandersetzen musste. Nicht<br />
ausreichend war die Rüge, das materielle Recht sei verletzt.<br />
Die Nennung eines Paragrafen war genügend, aber<br />
nicht notwendig. Als genügend wurde angesehen eine<br />
Bezeichnung des Rechtssatzes seinem Gegenstand nach,<br />
z.B. Auslegungsgrundsatz. Bei zulässiger Rüge muss die<br />
gesamte materielle Rechtsanwendung im Rahmen der<br />
Anträge von Amts wegen nachgeprüft werden. 73<br />
Da die Rechtsbeschwerde ein neuartiges Rechtsinstitut<br />
darstellt, dürfen jedenfalls in der Anfangszeit auch unter<br />
dem gewünschten Gesichtspunkt einer einheitlichen<br />
Rechtsprechung keine hohen Anforderungen gestellt<br />
werden. 74<br />
bb) Nr. 3b<br />
Bei Verfahrensrügen sind die Einzeltatsachen anzugeben,<br />
in denen die Gesetzesverletzung gesehen wird einschließlich<br />
der möglichen Kausalität für den Beschluss. 75 Wird<br />
eine Rechtsbeschwerde nur auf Verfahrensrügen gestützt,<br />
führt ein Verstoß zur Verwerfung als unzulässig gem.<br />
§ 577 Abs. 1 ZPO. Ansonsten werden Verfahrensrügen<br />
nur eingeschränkt nach § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO berücksichtigt.<br />
b) Gründe der Beschwerde (§ 575 ZPO)<br />
Gem. § 7 Abs. 1 InsO a.F. ließ das OLG die weitere Beschwerde<br />
u.a. nur zu, wenn sie darauf gestützt wurde, das<br />
die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des<br />
Gesetzes beruhte. Erforderlich und genügend war eine<br />
schlüssige Darlegung. 76 Eine Darlegung der Gesetzesverletzung<br />
ist nicht mehr Zulässigkeitsvoraussetzung. 77<br />
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in § 575 ZPO<br />
abschließend aufgezählt. § 576 ZPO ist erst im Rahmen<br />
der Begründetheit zu prüfen (s.u. III).<br />
1092 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
5. Verfahren bei der Zulässigkeitsprüfung<br />
Nach Eingang der Rechtsbeschwerde werden die Akten<br />
vom Beschwerdegericht angefordert, § 575 Abs. 5 i.V.m.<br />
§ 541 ZPO. EineAbhilfebefugnis des Beschwerdegerichtes<br />
besteht nicht. 78 Aufschiebende Wirkung hat die<br />
Rechtsbeschwerde nur bei Festsetzung eines Ordnungsoder<br />
Zwangsmittels, § 575 Abs. 5 i.V.m. § 570 Abs. 1<br />
ZPO. In den übrigen Fällen kommt eine einstweilige Anordnung<br />
gem. § 575 Abs. 5 i.V.m. § 570 Abs. 3 ZPO in<br />
Betracht.<br />
Ist der Antrag nicht fristgerecht eingelegt, so wird er als<br />
unzulässig verworfen. Über einen Antrag auf Wiedereinsetzung<br />
muss zumindest zeitgleich mit der Entscheidung<br />
über die Zulässigkeit entschieden werden. 79 Sind die<br />
Voraussetzungen der Rechtsbeschwerde gem. § 575<br />
Abs. 3 ZPO nicht dargelegt, wird sie als unzulässig verworfen<br />
gem. § 577 Abs. 1 ZPO. Ansonsten wird sowohl<br />
die Beschwerde- als auch die Begründungsschrift dem<br />
Gegner zugestellt (§ 575 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Eine förmliche<br />
Zustellung ist erforderlich, um den Lauf der Ausschließungsfrist<br />
gem. § 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO auszulösen.<br />
Sodann wird über die Rechtsbeschwerde inhaltlich<br />
entschieden.<br />
III. Begründetheit der Rechtsbeschwerde<br />
(§ 576 ZPO)<br />
1. Allgemein<br />
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden,<br />
das die Entscheidung beruht auf einer Verletzung des<br />
Bundesrechtes (s.u. 2) oder einer Vorschrift, deren Geltungsbereich<br />
sich über den Bezirk eines OLG hinaus erstreckt<br />
(s.u. 3). Zu beachten ist der Verlust des Rügerechtes<br />
gem. § 576 Abs. 3 i.V.m. § 556 ZPO (§ 558 ZPO<br />
a.F.). Wegen der Einzelheiten s. § 295 ZPO.<br />
2. Verletzung von Bundesrecht<br />
Das praktisch bedeutsamste Erfordernis für dieBegründetheit<br />
der Rechtsbeschwerde ist, dass die Entscheidung<br />
des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung von Bundesrecht<br />
beruht (§ 576Abs.1ZPO).DieVorschriftist<br />
nachgebildet § 545 Abs. 1 ZPO. Zuständigkeitsrügen<br />
sind allerdings aus Gründen der Prozessökonomie 80 ausgeschlossen,<br />
§ 576 Abs. 2 ZPO. Für die Prüfung der Verletzung<br />
des Gesetzes gelten die §§ 546, 547, 556 und 560<br />
ZPO. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 27<br />
Abs. 1 FGG; eine ähnliche Regelung enthält § 10 Abs. 3<br />
Satz 6 BRAGO.<br />
71 BT-Drucks. 14/4722, S. 117.<br />
72 BT-Drucks. 14/4722, S. 107.<br />
73 Thomas/Putzo, ZPO, § 554 Rn. 6.<br />
74 So zu § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO a.F. Hoffmann. NZI 1999, 425, 430; HK-InsO/<br />
Kirchhof, § 7 Rn. 9; enger Nerlich/Römermann/Becker, § 7 Rn. 15 ff.<br />
75 Vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 554 Rn. 8.<br />
76 FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl., § 7Rn.5;ähnlich OLG Köln, ZIP 2000,<br />
280, 281.<br />
77 Missverständlich Kirchhof, <strong>ZInsO</strong> 2001, 729.<br />
78 BT-Drucks. 14/4722, S.117.<br />
79 OLG Köln, ZIP 2000, 195, 197 = EWiR 2000, 181.<br />
80 BT-Drucks. 14/4722, S. 118.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1093<br />
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
a) Eine Verletzung des Gesetzes liegt vor, wenn eine<br />
Rechtsnorm (§ 12 EGZPO) nicht oder nicht richtig angewendet<br />
worden ist (§ 546 ZPO). Nicht erforderlich ist,<br />
dass es sich um eine Vorschrift der InsO handelt. 81 Eine<br />
Verletzung der Rechtsnorm liegt in Form eines Subsumtionsfehlers<br />
vor, wenn die abstrakten Tatbestandsmerkmale<br />
oder Rechtsnormen nicht richtig erkannt sind, das Recht<br />
also unrichtig aufgefasst oder ausgelegt wird, die Norm,<br />
der das Rechtsverhältnis untersteht, überhaupt nicht berücksichtigt<br />
ist oder der festgestellte Sachverhalt die abstrakten<br />
Tatbestandsmerkmale der Norm nicht ausfüllt.<br />
Der BGH als Rechtsbeschwerdegericht geht grds. von<br />
dem Sachverhalt aus, den das Beschwerdegericht festgestellt<br />
hat, § 577Abs.2Satz3,Satz4i.V.m.§ 559 ZPO. 82<br />
Ausnahmsweise ist der BGH in der Feststellung von Tatsachen<br />
frei, soweit diese die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen<br />
fürdieZulässigkeit der Rechtsbeschwerde<br />
betreffen. 83 Ansonsten ist die Tatsachenfeststellung des<br />
Beschwerdegerichtes nur eingeschränkt dahin überprüfbar,<br />
ob sie unter Verletzung des Gesetzes zustande gekommen<br />
ist. Das ist der Fall, wenn Formvorschriften für<br />
die Beweisaufnahme nicht beachtet worden sind, bei der<br />
Beweiswürdigung gegen gesetzliche Beweisregeln, gegen<br />
Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen<br />
wurde oder wenn die Beweiswürdigung auf einer<br />
rechtlichen Voraussetzung beruht, die mit dem Gesetz<br />
nichtinEinklangsteht. 84 Darüber hinaus werden neue<br />
Tatsachen nur berücksichtigt, wenn sie im Falle der<br />
Rechtskraft der Entscheidung eine Wiederaufnahme<br />
rechtfertigen würden.<br />
b) Die Entscheidung beruht nur dann auf einer Gesetzesverletzung,<br />
wenn sie sich nicht aus anderen Gründen im<br />
Ergebnis als richtig darstellt, § 577Abs. 3 ZPO. 85 Der ursächliche<br />
Zusammenhang zwischen Gesetzesverletzung<br />
und Entscheidung besteht bei Verfahrensverstößen, wenn<br />
sie so schwer wiegen, dass die Möglichkeit einer anderen<br />
Entscheidung bei ordnungsgemäßer Durchführung des<br />
Verfahrens nicht ausgeschlossen werden kann. 86<br />
Die Kausalität der Gesetzesverletzung wird allerdings<br />
unwiderlegbar vermutet in den Fällen des § 547 ZPO; auf<br />
die Frage, ob sich die Entscheidung aus anderen Gründen<br />
als richtig darstellt, kommt es in diesen Fällen nicht an.<br />
§ 551Nr.4ZPOa.F.hattenurfür die internationale und<br />
die funktionelle Zuständigkeit Bedeutung. Die Prüfung<br />
der örtlichen Zuständigkeit ist nunmehr dem Rechtsbeschwerdegericht<br />
entzogen, § 576Abs. 2 ZPO. § 547 Nr. 5<br />
kommt nicht zur Anwendung, weil die Vorschriften des<br />
GVG über die Öffentlichkeit nicht anwendbar sind. 87<br />
Enthält die Entscheidung des Beschwerdegerichtes keine<br />
subsumtionsfähige Sachverhaltsdarstellung, liegt eine<br />
Verletzung des Gesetzes (§ 547 Nr. 6 ZPO) vor, die zu einer<br />
Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht<br />
(s.u. IV 2 d) führt. 88 Das gilt aber nicht, wenn<br />
schon die sofortige Beschwerde unzulässig z.B. wegen<br />
Verspätung war. 89 Zulässig ist eine Bezugnahme nur auf<br />
bestimmte Teile der Akte; in jedem Fall muss das Beschwerdegericht<br />
das Beschwerdevorbringen mitteilen. 90<br />
LiegtkeinBeschwerdevorbringenvor,wirdmanausnahmsweise<br />
eine Bezugnahme auf die Entscheidung das<br />
AG als zulässig ansehen können. 91 Die fehlende Darstellung<br />
muss nicht ausdrücklich gerügt werden, sondern ist<br />
von Amts wegen zu berücksichtigen. 92<br />
3. Verletzung sonstiger Vorschriften<br />
Auf einer Vorschrift, deren Geltungsbereich sich über den<br />
Bezirk eines OLG hinaus erstreckt, wird in Insolvenzsachen<br />
die Entscheidung nicht beruhen. Zu beachten sind<br />
gem. § 576 Abs. 3 ZPO weiter die §§ 560, 545 ZPO<br />
(§§ 562, 549 ZPO a.F.). Die Vorschrift ist im Zusammenhang<br />
mit § 576 Abs. 1 ZPO zu lesen. Danach kann eine<br />
Rechtsbeschwerde insbesondere nicht gestützt werden<br />
auf lokales, nur in einem OLG-Bezirk geltendes Recht<br />
und ausländisches Recht. 93 Aus § 560 ZPO folgt, dass<br />
das Rechtsbeschwerdegericht an die tatsächlichen Feststellungen<br />
der Vorinstanz über das Bestehen und Inhalt<br />
lokalen (nur im Bezirk eines OLG geltenden) und ausländischen<br />
Rechtes gebunden ist. 94<br />
IV. Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht<br />
(§ 577 ZPO)<br />
1. Verfahrensablauf<br />
Das Rechtsbeschwerdegericht prüft zunächst die Zulässigkeit<br />
der Rechtsbeschwerde gem. § 577 Abs. 1 ZPO<br />
(s.o. II.). Der Prüfungsumfang ist eingeschränkt, § 577<br />
Abs. 2 ZPO. Die Vorschrift ist nachgebildet § 557 ZPO<br />
(§ 559 ZPO a.F.). Es gilt gem. § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO<br />
die Vorschrift des § 559 ZPO (§ 561 ZPO a.F.; s.o. III<br />
2 a). Die angefochtene Entscheidung wird nur in rechtlicher<br />
Hinsicht überprüft, das Rechtsbeschwerdegericht<br />
ist an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden,<br />
95 falls nicht ein Verfahrensfehler vorliegt (s.o.<br />
III 2 a). Der Prüfung unterliegen gem. § 577 Abs. 2<br />
Satz 1 ZPO nur die von den Parteien gestellten Anträge<br />
(s.o. II 4 a). Allerdings ist das Rechtsbeschwerdegericht<br />
an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe<br />
gem. § 577 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht gebunden (s.o. II<br />
4c).VonAmtswegenzuberücksichtigende Verfahrens-<br />
81 So zu § 7 Abs. 1 Satz 1 a.F. Pape, NJW 2001, 23, 25; HK-InsO/Kirchhof,<br />
§ 7 Rn. 17 und 23; Nerlich/Römermann/Becker, § 7 Rn. 14; a.A. OLG<br />
Dresden, ZIP 2000, 1303, 1306 = DZWIR 2000, 464 mit abl. Anm. Becker<br />
S. 470.<br />
82 So zu § 561 ZPO a.F. OLG Köln, NZI 2000, 317, 318 f.; OLG Köln, <strong>ZInsO</strong><br />
2000, 39; s.o. II 4 b ee (3).<br />
83 Vgl. OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 556; OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 667, 668; OLG<br />
Zweibrücken, ZIP 2000, 2260, 2262; HK-InsO/Kirchhof, § 7Rn.20.<br />
84 Ähnlich OLG Köln, NZI 2000, 78 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 43; OLG Naumburg, NZI<br />
2000, 263, 264; HK-InsO/Kirchhof, § 7 Rn. 19.<br />
85 OLG Naumburg, MDR 2000, 1153; OLG Schleswig, NZI 2001, 251; OLG<br />
Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001, 468; Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 27.<br />
86 Vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 563 Rn. 1 ff.; Bumiller/Winkler, FG, § 27<br />
Rn. 3a.<br />
87 FK-InsO/Schmerbach, § 4 Rn. 27.<br />
88 BayObLG, NZI 2000, 434; OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 557 = EWiR 2001,<br />
123; OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2001, 420, 421; OLG Zweibrücken, NZI 2000, 535,<br />
536; Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548.<br />
89 OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 557.<br />
90 Vgl. OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2000, 667, 668; OLG Köln, ZIP 2000, 1900, 1901;<br />
Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548, 549.<br />
91 OLG Zweibrücken, NZI 2001, 201, 210.<br />
92 Pape, <strong>ZInsO</strong> 2000, 548, 549.<br />
93 Thomas/Putzo, ZPO, § 549 Rn. 8 ff.; Zöller/Gummer, ZPO, § 549 Rn. 3 ff.<br />
94 BT-Drucks. 14/4722, S. 118.<br />
95 BT-Drucks. 14/4722, S. 118.
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
mängel werden auch ohne – ordnungsgemäße – Rüge<br />
(s.o. II 4 c, bb) geprüft. Darunter fallen neben fehlender<br />
Sachverhaltsdarstellung (s.o. III 2 b) z.B. mangelnde<br />
Partei- oder Prozessfähigkeit. 96 Die übrigen Verfahrensmängel<br />
werden nur geprüft, wenn die Mängel nach<br />
§ 575 Abs. 3 ZPO und § 574 Abs. 4 Satz 2 ZPO gerügt<br />
worden sind (s.o. II 4 c, bb).<br />
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, § 577 Abs. 6<br />
Satz 1 ZPO. Eine Begründungspflicht besteht gem. § 577<br />
Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 564 ZPO (§ 565a ZPO a.F.) nicht<br />
bei Rügen von Verfahrensmängeln, ausgenommen § 547<br />
ZPO (§ 551 ZPO a.F.).<br />
2. Entscheidungsmöglichkeiten<br />
Der BGH kann wie folgt entscheiden:<br />
a) Eine Verwerfung als unzulässig kommt in Betracht<br />
gem. § 577 Abs. 1 ZPO, wenn die Rechtsbeschwerde<br />
nicht in der gesetzlichen Frist und Form eingelegt und begründet<br />
(§ 575 Abs. 1 – 3ZPO)ist. 97<br />
b) Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen,<br />
wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht auf<br />
einer Verletzung des Gesetzes beruht oder sich aus anderen<br />
Gründen als richtig darstellt, § 577 Abs. 3 ZPO, der<br />
allerdings im Fall des § 547 ZPO nicht gilt (s.o. III 2 b).<br />
c) Eine sachliche Änderung der Beschwerdeentscheidung<br />
nimmt der BGH vor, wenn ein Gesetzesverstoß<br />
vorliegt und der Sachverhalt genügend geklärt ist, § 577<br />
Abs. 5 ZPO. 98 § 577 Abs. 5 Satz 2 ZPO ordnet die<br />
entsprechende Geltung des § 563 Abs. 4 ZPO (§ 565<br />
Abs. 4 ZPO a.F.) an.<br />
d) Eine Aufhebung und Zurückverweisung zur anderweitigen<br />
Verhandlung und Entscheidung ordnet der BGH<br />
an, wenn ein Gesetzesverstoß vorliegt und weitere tatsächliche<br />
Ermittlungen notwendig sind, § 577 Abs. 4<br />
ZPO. 99 Gem. § 577 Abs. 4 Satz 2 ZPO gilt § 562 Abs. 2<br />
ZPO (§ 564 Abs. 2 ZPO a.F.) entsprechend. Das ist auch<br />
der Fall, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichtes<br />
keine subsumtionsfähige Sachdarstellung enthält100 oder Tatsachenfeststellungen zur Frage des Vorliegens<br />
von Wiedereinsetzungsgründen zu treffen sind. 101 Die<br />
Zurückverweisung erfolgt an das Beschwerdegericht. 102<br />
Offenist,obaucheineZurückverweisung an das AG erfolgen<br />
kann. 103 Wie bei der Beschwerdeentscheidung des<br />
Beschwerdegerichtes104 ist das Gericht, an das zurückverwiesen<br />
wird, an die Entscheidung des BGH gebunden<br />
gem. § 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO. 105 Über die Kosten der<br />
Rechtsbeschwerde entscheidet das Gericht, an das zurückverwiesen<br />
wurde. 106<br />
e) Die Kostenentscheidung folgt allgemeinen Grundsätzen.<br />
107 Die Kostengrundentscheidung ergeht gem.<br />
§§ 97, 91, 92 ZPO. Wird die Rechtsbeschwerde verworfen<br />
oder zurückgewiesen, fallen zwei Gerichtsgebühren<br />
an, KV Nr. 5133. 108 Der Gegenstandswert für dieGerichtskosten<br />
berechnet sich nach §§ 37, 38 GKG bzw.<br />
§ 35 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Gegenstandswert fürAnwaltsgebühren<br />
richtet sich nach § 77 BRAGO, die Höhe<br />
der Gebühr ergibt sich aus § 76 BRAGO.<br />
1094 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
3. Umfang der Bindungswirkung<br />
Die Bindungswirkung einer Entscheidung des BGH gem.<br />
§ 577Abs.4Satz3ZPObeziehtsichzunächst nur auf das<br />
konkrete Verfahren (s.o. 2 d). Eine Bindung für die Insolvenz(Amts-)<br />
und Beschwerdegerichte besteht nicht. 109<br />
Hält ein AG oder Beschwerdegericht eine Entscheidung<br />
des BGH für falsch, ist es berechtigt, anders zu entscheiden.<br />
Der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung<br />
des AG kann das Beschwerdegericht stattgeben. Gegen<br />
die Entscheidung eines Beschwerdegerichtes wird der<br />
BGH auf die Rechtsbeschwerde hin die angefochtene<br />
Entscheidung ggf. abändern.<br />
C. Bewertung und Ausblick<br />
Die ZPO-Änderungen ermöglichen eine Entscheidung<br />
des BGH als Rechtsbeschwerdegericht bei Entscheidungen<br />
nach der InsO als zulassungsfreie Rechtsbeschwerde<br />
gem. § 7 InsO i.V.m. § 574Abs. 1 Nr. 1 ZPO und bei Entscheidungen<br />
außerhalb der InsO nach Zulassung der<br />
Rechtsbeschwerde gem. § 4 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1<br />
Nr. 2 ZPO. Bislang entschied der BGH gem. § 7Abs.2<br />
InsO a.F. erst in zwei Fällen, während die OLG gem. § 7<br />
Abs. 1 InsO a.F. eine kaum noch zählbare Anzahl von<br />
Entscheidungen trafen. Durch die Konzentration beim<br />
BGH kann die Übersichtlichkeit gefördert werden.<br />
Für die AG und Beschwerdegerichte (i.d.R. weiter die<br />
LG) werden keine weitreichenden Änderungen eintreten.<br />
Eine Bindungswirkung an die Rechtsprechung des BGH<br />
besteht nur im konkreten Fall. Die Beschwerdegerichte<br />
sind weiter gehalten, eine subsumtionsfähige Sachverhaltsdarstellung<br />
abzusetzen. Wegen der Entscheidungszuständigkeit<br />
des Einzelrichters empfiehlt sich die geschäftsplanmäßige<br />
Konzentration bei einem Kammermitglied.<br />
Auf den BGH, dem bislang nur zwei weitere sofortige<br />
Beschwerden gem. § 7 Abs. 2 InsO a.F. vorgelegt wurden,<br />
kommt allerdings eine beträchtliche Mehrarbeit zu.<br />
Es ist auch zu befürchten, dass bislang bei von den OLG<br />
einhellig entschiedenen Fragen wie die Zulässigkeit eines<br />
Nullplanes von einem Gläubiger Rechtsbeschwerde eingelegt<br />
wird. 110<br />
96 Zöller/Gummer, ZPO, § 559 Rn. 8 m.w. Beispielen.<br />
97 BT-Drucks. 14/4722, S. 118; s.o. II 5.<br />
98 Vgl. zum alten Rechtszustand OLG Celle, <strong>ZInsO</strong> 2001, 374, 377.<br />
99 So zum alten Rechtszustand OLG Schleswig, NZI 2001, 251; OLG Köln,<br />
<strong>ZInsO</strong> 2001, 378, 379.<br />
100 OLG Köln, NZI 2000, 80; s.o. III 2 b.<br />
101 OLG Köln, ZIP 2000, 195, 198 = EWiR 2000, 181.<br />
102 OLG Köln, <strong>ZInsO</strong> 2000, 393, 395.<br />
103 So unter Geltung von § 7InsOa.F.OLGKöln, NZI 2000, 78, 79 = <strong>ZInsO</strong><br />
2000, 43, 44; OLG Köln, NZI 2000, 219, 220.<br />
104 S. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 25b.<br />
105 Zum alten Recht OLG Köln, NZI 2000, 78, 79 = <strong>ZInsO</strong> 2000, 43, 44;<br />
Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 28: analog §§ 575, 565 Abs. 2 ZPO a.F.<br />
106 Vgl. OLG Köln, ZIP 2000, 195, 198; OLG Köln, NZI 2000, 78, 79 = <strong>ZInsO</strong><br />
2000, 43, 44.<br />
107 Vgl. FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 22.<br />
108 I.d.F. des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches v.<br />
17.8.2001, BGBl. 2001 I, S. 2144, 2155.<br />
109 So zu § 7 Abs. 2 InsO a.F. AG Göttingen, <strong>ZInsO</strong> 2001, 616, 617;<br />
a.A. LG Göttingen, ZIP 2001, 625.<br />
110 Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777, 778.
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1095<br />
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
Unklar ist allerdings, wie viele Rechtsbeschwerden an<br />
den strengen formalen Zulässigkeitsvoraussetzungen<br />
gem. § 575 Abs. 3 ZPO scheitern und als unzulässig gem.<br />
§ 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO verworfen werden.<br />
Insgesamt ist mit einer Verlängerung der Beschwerdeverfahren<br />
zu rechnen. 111 Berücksichtigt man die verlängerte<br />
Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde, die Verlängerungsmöglichkeit<br />
für dieBegründung und die Notwendigkeit<br />
der Beauftragung eines beim BGH zugelassenen<br />
Rechtsanwaltes, besteht im Ergebnis die Gefahr einer<br />
an die Verweigerung effektiven Rechtsschutzes grenzendem<br />
Verzögerung bei den als Eilsachen zu behandelnden<br />
Insolvenzssachen.<br />
Das Problem des Wegfalles des Rechtsschutzinteresses wegen<br />
prozessualer Überholung wird sich vermehrt stellen,<br />
zumal aufgrund der zum 1.12.2001 in Kraft getretenen Änderung<br />
des § 21 Abs. 1 InsO die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen<br />
für den Schuldner nicht nur bei Anordnung<br />
der Verhaftung und vorläufiger Postsperre, sondern<br />
generell beschwerdefähig ist. Wie der BGH diese Rechtsfragen<br />
beantworten wird, lässt sich noch nicht absehen.<br />
Über Rechtsbehelfe im Eröffnungsverfahren wird der<br />
BGH voraussichtlich regelmäßig nur in Form von § 91a<br />
ZPO – Beschlüssen entscheiden.<br />
Es bleibt zu hoffen, dass auftretende Zweifelsfragen<br />
schnell und eindeutig geklärt werden, damit die ohnehin<br />
zumindest an den Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit<br />
angelangte Praxis sich darauf einstellen kann.<br />
111 Ebenso Pape, <strong>ZInsO</strong> 2001, 777, 779.<br />
Die neue Bauabzugssteuer – Haftungsrisiken in der Insolvenz<br />
von Rechtsanwalt Dr. Herbert Heidland, Köln<br />
Am 30.8.2001 wurde das „Gesetz zur Eindämmung illegaler<br />
Betätigung im Baugewerbe“ verkündet (BGBl. I,<br />
S. 2267). Es enthält in Art. 4 4 Änderungen des EStG, die<br />
für den Insolvenzverwalter eines Bauunternehmens bzw.<br />
eines in vertraglichen Beziehungen zu einem Bauunternehmer<br />
stehenden Unternehmers i.S.v. § 2 UStG von<br />
erheblicher Bedeutung sind.<br />
I. Gesetzliche Neuordnung zum 1. 1. 2002<br />
Gem. § 48 EStG ist der Empfänger einer im Inland erbrachten<br />
Bauleistung, z.B. ein Hauptunternehmer oder<br />
ein sonstiger Gewerbetreibender oder auch ein Selbstständiger,<br />
der einen Bauauftrag erteilt hat – nachstehend<br />
Auftraggeber genannt –, verpflichtet, von der Gegenleistung,<br />
also dem Brutto-Werklohn, den er dem Auftragnehmer<br />
schuldet, einen Abzug von 15 % vorzunehmen,<br />
und zwar auch dann, wenn es sich um eine Abschlagszahlung<br />
handelt oder die Bauleistung noch nicht erbracht<br />
wurde und der Auftraggeber eine Vorschusszahlung leistenmuss.ErhatdiesenBetragbiszum10.TagnachAblauf<br />
des Monats, in dem die „Gegenleistung erbracht“,<br />
d.h. dieVergütung gezahlt wird auf einem „amtlich vorgeschriebenen<br />
Vordruck“ bei dem FA des Auftragnehmers<br />
anzumelden und bis zum 10. Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraumes<br />
dorthin für Rechnung des Auftragnehmers<br />
abzuführen, § 48a Abs. 1 EStG. Den Steuerabzug<br />
hat er gegenüber dem Auftragnehmer abzurechnen und<br />
ihm das FA mitzuteilen, bei welchem der Abzugsbetrag<br />
angemeldet wurde, § 48a Abs. 2 EStG.<br />
Soweit derAbzugsbetrag einbehalten und angemeldet wurde,<br />
wird er gem. § 48cAbs. 1 EStG auf die vomAuftragnehmer<br />
einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer, auf die<br />
Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Besteuerungsoder<br />
Veranlagungszeitraumes, in dem die Bauleistung erbracht<br />
wurde, oder auf die von ihm selbst nach §§ 48, 48a<br />
EStG anzumeldenden und abzuführenden Abzugsbeträge<br />
angerechnet, und zwar auch dann, wenn dieAbzugsbeträge<br />
vom Auftraggeber noch nicht an das FA abgeführt wurden.<br />
Das ergibt sich aus § 48c Abs. 3 EStG. U.U. hat der Auftragnehmer<br />
einen Anspruch auf Auszahlung des Abzugsbetrages,<br />
§ 48c Abs. 2 EStG. Die Anrechnung, d.h. die<br />
Verrechnung des Abzugsbetrages mit Steuerschulden des<br />
Auftragnehmers kann – das folgt aus der Formulierung in<br />
§ 48cAbs. 1 undAbs. 3 EStG – sowohl vonAmts wegen als<br />
auch auf Antrag des Auftragnehmers erfolgen.<br />
Einen Abzug vom Werklohn hat der Auftraggeber nicht vorzunehmen,<br />
wenn derAuftragnehmer ihm eine Freistellungsbescheinigung<br />
vorlegt oder wenn es sich um Bagatellbeträge<br />
handelt, § 48 Abs. 2 EStG. Die Freistellungsbescheinigung<br />
hat das zuständige FA dem Auftragnehmer auf dessen Antrag<br />
zu erteilen, wenn der zu sichernde Steueranspruch nicht<br />
gefährdet erscheint und ggf. ein inländischer Empfangsbevollmächtigter<br />
bestellt ist. Eine auf eine bestimmte Bauleistung<br />
ausgestellte Bescheinigung ist dem Auftraggeber<br />
im Original, andernfalls in Kopie zu übergeben.<br />
Der Auftraggeber haftet dem FA für einen nicht oder zu<br />
niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Auf eine – unrichtige<br />
– Freistellungsbescheinigung kann er sich nicht berufen,<br />
wenn diese in unlauterer Weise erwirkt wurde und ihm<br />
dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt<br />
war, § 48a Abs. 3 EStG.<br />
Diese Regelung gilt ab 1.1.2002, denn der Steuerabzug ist<br />
von Gegenleistungen vorzunehmen, die nach dem<br />
31.12.2001 erbracht werden, § 48d Abs. 3 EStG.<br />
II. Auswirkungen auf Insolvenzverfahren und<br />
Insolvenzanfechtung<br />
1. Insolvenz des Bauunternehmens<br />
Für den Insolvenzverwalter eines Bauunternehmens, das<br />
Leistungen vor Verfahrenseröffnung erbracht hatte, bedeutet<br />
dies, dass er nur 85 % des verdienten Brutto-<br />
Werklohnes zur Masse ziehen kann. Die restlichen 15 %<br />
muss der Auftraggeber des in die Insolvenz geratenen<br />
Bauunternehmers an dessen FA abführen, es sei denn, der
<strong>ZInsO</strong>-Praxis<br />
Insolvenzverwalter legt eine Freistellungsbescheinigung<br />
vor. Zahlt der Auftraggeber die restlichen 15 % an das FA<br />
für Rechnung des sich in der Insolvenz befindlichen Auftragnehmers,<br />
würde das FA aufgrund der ihm gegebenen<br />
Verrechnungsmöglichkeit nach Verfahrenseröffnung insoweit<br />
eine Befriedigung für eine vor Verfahrenseröffnung<br />
entstandene Steuerforderung erhalten. Das ist unzulässig.<br />
Das FA muss den erhaltenen Betrag an die Masse<br />
auszahlen, obwohl die Voraussetzungen der Erstattung<br />
nach § 48c Abs. 2 EStG nicht gegeben sind. Wäre es nicht<br />
sinnvoll, wenn in diesem Fall derAuftraggeber den vollen<br />
Werklohn oder den Steuerabzug an den Insolvenzverwalter<br />
zahlen würde, zumal das Fehlen von 15 % Liquidität,<br />
berechnet nach den offenen Forderungen, schon nach den<br />
jeweils vorliegenden Verhältnissen eine Fortführung des<br />
Unternehmens im Antrags- oder im eröffneten Verfahren<br />
gefährden oder unmöglich machen kann?<br />
Ob eine Freistellungsbescheinigung genügt, die dem<br />
Schuldner vor Verfahrenseröffnung ausgestellt worden<br />
ist, oder die Freistellungsbescheinigung auf den Insolvenzverwalter<br />
lauten muss, ist zweifelhaft. Im Eröffnungsverfahren<br />
dürfte, selbst wenn ein „starker“ vorläufiger<br />
Verwalter bestellt wurde, § 22 Abs. 1 InsO, eine auf<br />
den Schuldner lautende Freistellungsbescheinigung genügen;<br />
im eröffneten Verfahren ebenfalls, wenn der Insolvenzverwalter<br />
Vergütungsansprüche des Schuldners geltend<br />
macht, die vor Verfahrenseröffnung entstanden<br />
waren. Hat der Insolvenzverwalter den Bauvertrag mit<br />
dem Auftraggeber selbst abgeschlossen oder ist er in einen<br />
bei Verfahrenseröffnung beidseitig noch nicht vollständig<br />
erfüllten Vertrag eingetreten und hat die Masse<br />
die restliche Werkleistung erbracht, müsste die Freistellungsbescheinigung<br />
auf ihn – richtigerweise auf die von<br />
ihm verwaltete Insolvenzmasse – ausgestellt sein. Solange<br />
diese Fragen nicht entschieden sind, tut der Insolvenzverwalter,<br />
auch der „starke“ vorläufige, gut daran, eine<br />
auf sich bzw. die Masse lautende Freistellungsbescheinigung<br />
zu beantragen. Das wird zwar Zeit kosten; es sollte<br />
aber in jedem Fall vermieden werden, dass derAuftraggeber<br />
15 % des Werklohnes einbehält und an das FA abführt,<br />
mit dem dann evtl. langwierigeVerhandlungen über<br />
die Auszahlung an die Masse geführt werden müssen.<br />
2. Insolvenz des Auftraggebers<br />
Wird der Auftraggeber insolvent und handelt es sich bei<br />
ihm um ein Unternehmen i.S.v. § 2 UStG und hatte der<br />
Insolvenzverwalter bzw. der „starke“ vorläufige Verwalter<br />
einen Bauvertrag mit einem Bauunternehmer abgeschlossen,<br />
steht dem Auftragnehmer gegen die Masse zwar ein<br />
Vergütungsanspruch in voller Höhe zu; er kann aber<br />
Zahlung an sich nur i.H.v. 85 % verlangen. Der Insolvenzverwalter<br />
ist verpflichtet, 15 % einzuhalten und diesen Betrag<br />
beim FA desAuftragnehmers anzumelden und dorthin<br />
einzuzahlen, es sei denn, der Auftragnehmer legt dem<br />
Insolvenzverwalter eine gültige Freistellungsbescheinigung<br />
vor. Das gilt auch für den„starken“ vorläufigen<br />
Verwalter, der einen Bauvertrag abgeschlossen hat und<br />
deshalb verpflichtet ist, den Werklohn an den Auftragnehmer<br />
zu zahlen. Auf ihn sind die steuerrechtlichen<br />
Pflichten des Schuldners in vollem Umfang übergegangen.<br />
1096 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
Um das weitere Schicksal der einbehaltenen und an das<br />
FA abgeführten 15 % der Vergütung braucht sich der Verwalter<br />
nicht zu sorgen; es ist Sache des Auftragnehmers,<br />
die Verrechnungsansprüche – ggf. auch Erstattungsansprüche<br />
– gegenüber dem FA geltend zu machen.<br />
3. Konsequenzen im Rahmen der<br />
Forderungsanmeldung<br />
Hatte der Auftragnehmer vor Eröffnung des Verfahrens<br />
über das Vermögen seines Auftraggebers die Bauleistung<br />
erbracht und einen Zahlungsanspruch erworben, muss er<br />
diesen als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden. Legt<br />
er eine Freistellungsbescheinigung der Anmeldung bei,<br />
kann der Insolvenzverwalter die Forderung, soweit sie<br />
materiell begründet ist, in voller Höhe anerkennen. Legt<br />
er keine Freistellungsbescheinigung vor, fragt sich, wie<br />
der Insolvenzverwalter zu verfahren hat.<br />
a) Erkennt der Insolvenzverwalter die angemeldete Forderung<br />
nur i.H.v. 85 % des berechtigten Betrages an,<br />
müsste er die restlichen 15 % des angemeldeten Betrages<br />
zugunsten des FA des Auftragnehmers anerkennen. Dem<br />
steht aber entgegen, dass das FA keine Forderungsanmeldung<br />
vorgenommen hat. Außerdem ist der Steuerabzug<br />
erst am 10. Tag nach Ablauf des Monats anzumelden, in<br />
dem die Gegenleistung „erbracht“ wird. Durch die Anmeldung<br />
der Werklohnforderung zur Tabelle wird diese<br />
nicht „erbracht“. Dies geschieht vielmehr erst mit der<br />
Zahlung der darauf entfallenden Quote.<br />
b) Der Insolvenzverwalter erkennt die Forderung zu<br />
100 % an, soweit sie berechtigt ist. Sie steht nämlich nur<br />
demAuftragnehmer zu, auch wenn der Leistungsempfänger<br />
der Bauleistung verpflichtet ist, 15 % davon an das FA<br />
abzuführen. Der Abzug von 15 % erfolgt „für Rechnung<br />
des Leistenden“, und der Abzugsbetrag ist „fürRechnung<br />
des Leistenden“, also des Auftragnehmers, an dessen zuständiges<br />
FA abzuführen. Auf das FA ist der Anspruch<br />
des Auftragnehmers auch nicht i.H.v. 15 % übergegangen.<br />
Das FA besitzt insoweit keine eigene Forderung gegen<br />
den Insolvenzverwalter als „Vertreter“ oder als alleinigen<br />
Verwalter des Vermögens des Auftraggebers, wie<br />
z.B. auf Zahlung der Umsatz-, Körperschaft-oderEinkommensteuer.<br />
Das FA hat lediglich aufgrund der steuerrechtlichen<br />
Sondervorschrift des § 48 EStG einen Anspruch<br />
auf Zahlung von 15 % des demAuftragnehmer zustehenden<br />
Werklohnes an sich selbst „für Rechnung“ des<br />
Auftragnehmers.<br />
Die Situation ähnelt derjenigen, wie sie bei der Anmeldung<br />
des Lohn- oder Gehaltsanspruches eines Arbeitnehmers<br />
gegeben ist. Dieser Anspruch ist als Brutto-Betrag<br />
anzumelden. Der Insolvenzverwalter hat die Forderung,<br />
so sie berechtigt ist, als Brutto-Betrag zur Tabelle anzuerkennen.<br />
Er darf aber nur den Netto-Betrag, der auf die<br />
Quote entfällt, an den Arbeitnehmer auszahlen; der Rest<br />
ist aufgrund steuerrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher<br />
Bestimmungen an das FA bzw. an die Sozialkasse<br />
auszukehren.<br />
Der Insolvenzverwalter zahlt also 85 % der auf die anerkannte<br />
Forderung entfallenden Quote an den Auftragnehmer,<br />
den Rest meldet er dem FA „auf amtlichem Vor-
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1097<br />
<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />
druck“ und führt ihn an das FA des Auftragnehmers ab, es<br />
sei denn, der Auftragnehmer habe eine gültige Freistellungsbescheinigung<br />
vorgelegt; dann erhält der Auftragnehmer<br />
100 % der auf seine anerkannte Forderung<br />
entfallenden Quote.<br />
Da der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu wenig<br />
abgeführten Abzugsbetrag haftet, trifft die Haftung im Insolvenzfall<br />
des Auftraggebers dessen Insolvenzmasse<br />
und ggf. den Insolvenzverwalter persönlich. Die Haftung<br />
tritt nicht ein, wenn „im Zeitpunkt der Gegenleistung“,also<br />
im Zeitpunkt der Auszahlung der Quote, eine Freistellungsbescheinigung<br />
vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit<br />
er vertrauen bzw. deren Ungültigkeit er ohne grobe<br />
Fahrlässigkeit nicht erkennen konnte.<br />
4. Anfechtungsrechtliche Tatbestände<br />
Dieses Gesetz kann zu besonderen Anfechtungskonstellationen<br />
führen:<br />
Es sei folgender Fall unterstellt: Der Auftragnehmer hat<br />
eine zum 3.4. fällige Werklohnforderung; der Auftraggeber,<br />
eine GmbH, zahlt 85 % darauf am 5.6.; am 10.7. meldet<br />
er 15 % der Forderung beim FA an und zahlt den entsprechenden<br />
Betrag am 20.7. an das FA. Am 15.8. stellt<br />
der Auftraggeber Insolvenzantrag wegen Überschuldung.<br />
Aufgrund einer Veröffentlichung nach § 23 InsO erfahren<br />
davon sowohl der Auftragnehmer als auch das FA.<br />
Danach verrechnet das FA den Abzugsbetrag mit einer<br />
Steuerschuld des Auftragnehmers.<br />
Die Zahlung von 85 % an den Auftragnehmer ist nicht anfechtbar,<br />
sie erfolgte vor dem Eröffnungsantrag; § 131 InsO<br />
kommt nicht in Betracht, weil derAuftragnehmerAnspruch<br />
auf diese Zahlung hatte.Aus den gleichen Gründen ist auch<br />
die Zahlung von 15 % „für Rechnung“ desAuftragnehmers<br />
an das FA nicht anfechtbar. Auftragnehmer und FA hatten<br />
Anspruch auf diese Zahlung. Die Verrechnung der Steuerforderung<br />
des FA gegen den Auftragnehmer mit dem<br />
Steuerabzugsbetrag ist ebenfalls nicht anfechtbar, weil dadurch<br />
nicht ein Gläubiger des Auftraggebers, nämlich der<br />
<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />
Vollübertragung des Insolvenzverfahrens auf den Rechtspfleger<br />
hier: Antrag auf entsprechende Änderung des Rechtspflegergesetzes<br />
Schreiben des BDR (Bund Deutscher Rechtspfleger) v. 8. 4. 2001 an das BMJ<br />
Auftragnehmer, sondern das FA eine Befriedigung seiner<br />
gegen den Auftragnehmer gerichteten Forderung erlangt.<br />
Mit der Zahlung an den Auftragnehmer und an das FA ist<br />
die Forderung des Auftragnehmers erloschen.<br />
Etwas anderes gilt, wenn die Zahlung von 15 % des<br />
Werklohnes seitens des Auftraggebers an das FA des Auftragnehmers<br />
nach Stellung des Insolvenzantrages erfolgt<br />
ist. Hier ist eine Anfechtung berechtigt, § 130 Abs. 1 Nr. 2<br />
InsO. Die Frage ist allerdings, gegenüber wem die Anfechtung<br />
zu erfolgen hat, gegenüberdemFAodergegenüber<br />
dem Auftragnehmer.<br />
DerAuftragnehmer hat zwar keine Zahlung erhalten, aber<br />
durch die Zahlung an das FA ist seine Forderung gegen<br />
den insolventen Auftraggeber getilgt worden. Dass das<br />
FA mit seinen Forderungen gegen den Auftragnehmer<br />
den an diesen gezahlten Steuerabzug verrechnet, berührt<br />
die Insolvenzmasse des Auftraggebers nicht. Der Auftragnehmer,<br />
der durch die Zahlung von 15 % des Werklohnes<br />
an das FA wegen seiner Forderung gegen den Auftraggeber<br />
nach dem Eröffnungsantrag befriedigt worden<br />
ist, muss den entsprechenden Betrag nach Anfechtung an<br />
die Insolvenzmasse des Auftraggebers zahlen.<br />
Gegenüber dem FA dürfte eine Anfechtung ausscheiden,<br />
denn das FA hat den Betrag nur „für Rechnung“ des Auftragnehmers<br />
erhalten. Es muss, wenn es keine verrechenbaren<br />
Forderungen gegen den Auftragnehmer hat, den erhaltenen<br />
Betrag an diesen und nicht an den Auftraggeber<br />
bzw. an dessen Insolvenzmasse auszahlen.<br />
III. Ergebnis<br />
Die weitgehend unbekannt gebliebene Einführung der Bauabzugssteuer<br />
fordert bereits zum 1.1.2002 konsequentes<br />
Handeln eines jeden Insolvenzverwalters, da nur dadurch<br />
sonst absehbare Haftungsrisiken vermieden werden können.<br />
Erst in der Praxis wird sich erweisen, wie z.B. das FA die<br />
ihm neu zugekommene Rolle wahrnehmen wird, von der<br />
er selbst möglicherweise z.Zt. ebenso wenig wie mancher<br />
Insolvenzverwalter oder auch Bauunternehmer weiß.<br />
Anmerkung der Schriftleitung:<br />
Wie in <strong>ZInsO</strong>-Aktuell 22/2001 dargelegt, findet z.Zt. eine Abfrage des BMJ bei den Bundesländern zur Frage der Vollübertragung von<br />
Insolvenzverfahren auf den Rechtspfleger statt. Zum besseren Verständnis der gesamten Diskussion erscheint es der Redaktion notwendig,<br />
das diese Abfrage auslösende Schreiben des BDR im Volltext zu veröffentlichen. Es beruht, wie aus den Kreisen der Vorstandes<br />
zu hörenist,aufderimmerwiedervonRechtpflegerngegenüber dem BDR erfolgenden Schilderung der tatsächlichen Abläufe in<br />
Insolvenzverfahren. Danach finde in der großen Mehrzahl der Insolvenzgerichte die sachliche Bearbeitung auch des Insolvenzeröffnungsverfahrens<br />
faktisch allein durch den Rechtspfleger statt, während die vornehmlich jungen Insolvenzrichter sich angeblich<br />
darauf beschränken, durch Unterschriftsleistung auf vorbereiteten Verfügungen bzw. Beschlüssen präsent zu sein, i.Ü. aber, entgegen der<br />
gesetzlichen Regelung, das Eröffnungsverfahren contra legem dem Rechtspfleger überlassen. Der darin enthaltene Vorwurf erscheint<br />
der Redaktion so gewichtig, dass die <strong>ZInsO</strong> gemeinsam mit der Zeitschrift „Der Deutsche Rechtspfleger“ eine Praxisbefragung plant,<br />
über deren Verlauf und Ergebnisse die Redaktion und Schriftleitung der <strong>ZInsO</strong> berichten wird.
<strong>ZInsO</strong>-Dokumentation<br />
Sehr geehrte Frau Ministerin,<br />
sehr geehrte Damen und Herren,<br />
der z.Zt. zur Diskussion anstehende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung<br />
der Insolvenzordnung und anderer Gesetze geht davon aus, dass in<br />
Insolvenzsachen das Verfahren bis zur Eröffnungsentscheidung sowie<br />
die in § 18Abs. 1 RPflG weiter enthaltenen Entscheidungen dem Richter<br />
vorbehalten bleiben. Damit werden die bestehenden Doppelzuständigkeiten<br />
mit der Bindung einer großen Zahl von Richtern im Insolvenzverfahren<br />
beibehalten, ohne dass dies – wie nachstehend begründet<br />
– heute noch erforderlich erscheint.<br />
Der Bund Deutscher Rechtspfleger beantragt deshalb, die Verfahren<br />
nach der Insolvenzordnung in vollem Umfang auf den Rechtspfleger zu<br />
übertragen und § 3 Nr. 1 RPflG entsprechend zu ergänzen.<br />
Zur Begründung dürfen wir auf Folgendes hinweisen:<br />
Im Rechtspflegergesetz von 1969 wurde das Eröffnungsverfahren einschließlich<br />
der Eröffnungsentscheidung in Konkurs- und Vergleichsverfahren<br />
dem Richter vorbehalten. In der amtlichen Begründung zum<br />
Rechtspflegergesetz wurde ausgeführt, dass „die Eröffnung ... fürden<br />
Gemeinschuldner eine wirtschaftlich sehr schwerwiegende Maßnahme<br />
darstellt. Sehr oft bestehen bei der Entscheidung über den Eröffnungsantrag<br />
erhebliche rechtliche und tatsächliche Bedenken“.<br />
Diese Begründung vermag heute in keiner Weise mehr zu überzeugen.<br />
Zweifellos ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für den Schuldner<br />
schwerwiegend. Dies gilt aber in gleicher Weise für andere, dem<br />
Rechtspfleger bereits übertragene Aufgaben, wie z.B. die Anordnung<br />
der Zwangsversteigerung oder der Zwangsverwaltung oder die Bearbeitung<br />
von Grundbuch- oder Handelsregistersachen. Auch bei diesen<br />
Tätigkeiten stellen die Entscheidungen des Rechtspflegers fürdenBetroffenen<br />
häufig einen schwerwiegenden wirtschaftlichen Eingriff dar,<br />
der sich gelegentlich sogar auf dieWirtschaftsstruktur einer ganzen Region<br />
auswirken kann. Es ist auch nicht nachzuvollziehen, dass gerade<br />
das Insolvenzeröffnungsverfahren in rechtlicher Hinsicht mehr<br />
Schwierigkeiten bereiten soll, als die erwähnten bereits übertragenen<br />
Geschäfte. Auch ist die rechtliche Problematik eines Insolvenzverfahrens<br />
nach der Eröffnung zumeist größer als im Eröffnungsverfahren<br />
selbst. In vielen Bundesländern nimmt deshalb bereits der Rechtspfleger<br />
die Prüfung der Voraussetzungen wahr und bereitet die Entscheidung<br />
des Richters vor.<br />
Auch ist dasVorliegen tatsächlicher Schwierigkeiten im Eröffnungsverfahren<br />
nicht zu bestreiten. Gleiches gilt jedoch auch für das eröffnete<br />
Verfahren, in welchem der Rechtspfleger gefordert ist. Hier mutet der<br />
Gesetzgeber seit 1969 grundsätzlich und ausnahmslos die Bewältigung<br />
tatsächlicher Schwierigkeiten dem Rechtspfleger zu, der sie seitdem<br />
problemlos meistert.<br />
Der Rechtspfleger hat sich somit seit mehr als 30 Jahren in Konkursbzw.<br />
Insolvenzverfahren bestens bewährt und dadurch unter Beweis gestellt,<br />
dass der Richtervorbehalt in diesem Verfahren nicht mehr gerechtfertigt<br />
ist. In Studium und Ausbildung des Rechtspflegers nimmt<br />
das Insolvenzrecht einen breiten Raum ein. Der Gesetzgeber hat im<br />
Hinblick auf die uneingeschränkte Bewährung des Rechtspflegers mit<br />
der Novellierung des Rechtspflegergesetzes im Jahre 1998 seine sachliche<br />
Unabhängigkeit festgeschrieben undVorlagepflichten an den Richter<br />
im Wesentlichen aufgehoben.<br />
Die in der BegründungzuArt.14Nr.5zu§ 18Abs. 1 Nr. 1 RPflG aufgestellte<br />
Behauptung in EGInsO, der Richtervorbehalt für dasEröffnungsverfahren<br />
habe sich bewährt, trifft nicht zu. Denn schon die Trennung<br />
des Eröffnungsverfahrens von dem eröffneten Verfahren ist eine<br />
verfahrensökonomisch abzulehnende Regelung, da sie dasVerfahren in<br />
einem entscheidenden Stadium verzögert und es bei der Auswahl des<br />
zu ernennenden Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders zu Unstimmigkeiten<br />
zwischen Richter und Rechtspfleger kommen kann.<br />
Der Umstand, dass sich in der Praxis bisher kaum nach außen sichtbare<br />
Schwierigkeiten ergeben haben, liegt zum einen daran, dass bei vielen<br />
Insolvenzgerichten – wie oben bereits ausgeführt – de facto der Rechtspfleger<br />
auch das Eröffnungsverfahren selbst bearbeitet. Der Richter<br />
leistet lediglich noch die Unterschrift unter die vorbereitete Ent-<br />
1098 <strong>ZInsO</strong> 24/ 2001<br />
scheidung. Zum anderen werden auch in den Fällen, in denen der Richter<br />
das Eröffnungsverfahren selbst bearbeitet, Unzuträglichkeiten nur<br />
dadurch vermieden, dass die Entscheidung, dieAuswahl des Insolvenzverwalters/Treuhänders<br />
und die Bestimmung der Termine und Fristen<br />
zwischen dem Rechtspfleger und dem Richter arbeitsaufwändig abgesprochen<br />
werden.<br />
Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass sich die bisher geltende<br />
Regelung „bestens bewährt hat“, sondern lediglich davon, dass es dank<br />
derVernunft und desWillens der Entscheidungsträger gelungen ist, mit<br />
der unglücklichen gesetzlichen Zuständigkeitsregelung zurechtzukommen.<br />
Erschwerend in der Praxis wirken sich auch die weiteren Zuständigkeiten<br />
des Richters aus für dasVerfahren über den Schuldenbereinigungsplan<br />
und für Entscheidungen bei einem Antrag des Schuldners auf<br />
Restschuldbefreiung, wenn ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung<br />
beantragt, sowie die Entscheidung über den Widerruf<br />
der Restschuldbefreiung. Die Doppelzuständigkeiten zwischen<br />
Rechtspfleger und Richter erschweren und verzögern den Verfahrensablauf.<br />
Außerdem führen sie zu einer unnötigen Belastung der Geschäftsstelle.<br />
Auch bei diesen Aufgaben bestehen heute keine Zweifel<br />
mehr daran, dass der Rechtspfleger dieVoraussetzungen füreineÜbernahme<br />
erfüllt.<br />
Auch verfassungsrechtliche Bedenken stehen einer Vollübertragung<br />
des Insolvenzverfahrens auf den Rechtspfleger nicht entgegen. In der<br />
amtlichen Begründung wird zum neuen Richtervorbehalt in § 18Abs. 1<br />
Nr.2RPflGu.a.ausgeführt, dass die vorbehaltenen Entscheidungen<br />
über die Restschuldbefreiung der rechtsprechenden Gewalt i.S.v.<br />
Art. 92 GG zumindest sehr nahe kommen, da sie<br />
– nach Anhörung der Beteiligten ergehen,<br />
– schwierige Abwägungen erfordern können und<br />
– tief in die materiellrechtliche Stellung des Schuldners oder der<br />
Gläubiger eingreifen.<br />
DieseArgumentation vermag aber nicht zu überzeugen. Schon aus der<br />
Formulierung „diese Entscheidungen kommen der rechtsprechenden<br />
Gewalt i.S.v. Art. 92 GG zumindest sehr nahe“,lässt sich der Schluss<br />
ziehen, dass es sich bei diesen Entscheidungen eben nicht um Rechtsprechung<br />
im Kernbereich des § 92 GG handelt, die der Richter wahrnehmen<br />
müsste.<br />
Die genannten Kriterien „Anhörung der Beteiligten, schwierigeAbwägungen,<br />
tiefer Eingriff in die materiellrechtliche Stellung von Beteiligten“<br />
untermauern zwar die Bedeutung dieser Entscheidungen, machen<br />
sie jedoch noch nicht zur Rechtsprechung im Kernbereich. Der Rechtspfleger<br />
trifft bereits heute zahlreiche Entscheidungen in der Rechtsprechung<br />
außerhalb des Kernbereichs. Die genannten Kriterien werden<br />
schon heute bei vielen Entscheidungen des Rechtspflegers erfüllt. Als<br />
Beispiel sei nur die Zuschlagsentscheidung im Zwangsversteigerungsverfahren<br />
erwähnt, die<br />
– eine Anhörung voraussetzt,<br />
– oft sehr schwierige Abwägungen erfordert und<br />
tief in die materiellrechtliche Stellung von Schuldner, Gläubiger und<br />
Ersteher eingreift<br />
(Eigentumsübergang, Räumungstitel gegen Schuldner, Zahlungstitel<br />
gegen Ersteher).<br />
Verfassungsrechtliche Gründe gebieten es demnach nicht, dem Richter<br />
das Eröffnungsverfahren oder die Entscheidung über die Restschuldbefreiung<br />
vorzubehalten.<br />
Die Vollübertragung des Insolvenzverfahrens wäre verfahrensökonomischsinnvoll.Siewürde<br />
zu einer Straffung und Beschleunigung des<br />
Insolvenzverfahrens führen, zudem würdeeineEntlastungderRichter<br />
eintreten.<br />
Für eine weitere mündliche Erörterung stehen wir gerne zurVerfügung.<br />
Den Landesjustizverwaltungen haben wir eineAbschrift dieses Schreibens<br />
zur Kenntnis übersandt.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Hinrich Clausen (Bundesvorsitzender)
<strong>ZInsO</strong> 24/ 2001 1099<br />
<strong>ZInsO</strong>-<strong>Bücher</strong>- und Zeitschriftenreport<br />
<strong>ZInsO</strong>-<strong>Bücher</strong>- und Zeitschriftenreport<br />
R Handbuch der Geschäftsraummiete<br />
Kai-Jochen Neuhaus, 1. Aufl. 2001, 539 S., 128 DM,<br />
ZAP-Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis<br />
Spätestens mit der Reform des Mietrechts zum 1.9.2001 ist eine Neuorientierung<br />
in vielen Bereichen des zunehmend komplexer werdenden<br />
Rechts der Geschäftraummiete notwendig geworden, die gerade<br />
auch in Insolvenzverfahren genaue Beachtung erfordert. Das vorliegende<br />
Handbuch liefert dazu eine ganz vorzügliche Orientierung indem<br />
es sich auf die praxisrelevanten Problembereiche beschränkt und<br />
dieses zugleich in einer an der anwaltlichen Arbeitsweise orientierten<br />
Form leistet. Dabei überzeugt die gelungene Gesamtdarstellung durch<br />
tabellarische Übersichten und Formulierungsvorschläge ebenso wie<br />
die großeVielzahl von Checklisten, durch die verhindert werden kann,<br />
das Einzelprobleme übersehen werden und die zugleich als Arbeitsunterlage<br />
für die jeweiligen Fragen sehr hilfreich sind. Die lexikalischen<br />
Übersichten z.B. zum Recht der AGB bei der Geschäftsraummiete<br />
wie der umfassende Rechtsprechungsteil machen das Handbuch<br />
zu einem Kompendium der Vertragsgestaltung und Anspruchdurchsetzung,<br />
während die vielfältigen Praxistipps das Augenmerk<br />
auf ganz besondere Problemkreise lenken und zugleich immer Lösungsvorschläge<br />
unterbreiten, die man in anderen Werken leider vermisst.<br />
Dem Verfasser ist mit seinem Werk eine Darstellung gelungen,<br />
die denAnwalts- aber auch den Beratungsalltag wesentlich erleichtert<br />
undeinesehrguteGrundlagefür die Abfassung rechtssicherer Mietverträge<br />
bietet. Die kompakte Einführung der insolvenzrechtlichen<br />
Besonderheiten berührt die wesentlichen Probleme, wenngleich man<br />
sich hier einige weiterführende Hinweise auf die umfangreiche insolvenzrechtliche<br />
Literatur gewünscht hätte. Ein umfangreicherVertragsund<br />
Prozessformularteil runden das in jeder Hinsicht empfehlenswerte<br />
Handbuch ab, das sich schon jetzt und bei konsequenterAktualisierung<br />
auch künftig einen festen Platz imArbeitsbereich Mietrecht wird<br />
sichern können. (H.H.)<br />
R Schulden ohne Ende oder Ende ohne Schulden?<br />
Curt Wolfgang Hergenröder, DZWIR 2001, 397–412<br />
DerVerfasser des sehr umfangreichen Beitrags, bei dem es sich um eine<br />
überarbeiteteVerfassung seinerAntrittsvorlesung handelt, zeichnet<br />
die Entwicklung desVerbraucherinsolvenzverfahrens von der Diskussion<br />
um die Einführung einer Restschuldbefreiung bis zu den Änderungen<br />
des InsOÄndG 2001 nach. Er gibt zunächst einenAusblick auf<br />
die tatsächliche finanzielle Situation überschuldeter Haushalte und<br />
geht den Fragen des Ursprungs der Verbindlichkeiten und der<br />
wichtigsten Gründe für die Zahlungsunfähigkeit nach. Dabei nennt er<br />
in erster Linie die plötzliche Arbeitslosigkeit des Schuldners, das<br />
Scheitern von persönlichen Beziehungen und die Unerfahrenheit bei<br />
derAufnahme von Krediten als Gründe für die zunehmendeVerschuldung.<br />
Ungezügeltes Konsumverhalten, wie es oft polemisch alsArgument<br />
gegen die Restschuldbefreiung benutzt wird, stellt dagegen nach<br />
den Ausführungen des Verfassers, der sich auf empirische Untersuchungen<br />
stützt, keinen wesentlichen Grund für die zunehmende Verschuldung.<br />
Nach den Ausführungen zur tatsächlichen Entstehung der Verschuldung<br />
weiter Bevölkerungskreise und zu dem Umfang dieserVerschuldung<br />
folgt eine kurze Darstellung des Verfahrensablaufs der Verbraucherinsolvenz<br />
vom außergerichtlichenVerfahren über das gerichtliche<br />
Schuldenbereinigungsverfahren und das vereinfachte Insolvenzverfahren<br />
bis hin zum Restschuldbefreiungsverfahren. Sodann setzt sich<br />
Hergenröder mit der Kritik an diesem Verfahren auseinander und<br />
zeigt die wichtigsten Gründe auf, die bisher verhindert haben, dass es<br />
zu einer breiten praktischenAnwendung der InsO gekommen ist. Die<br />
Ursachen, die letztlich zur Änderung des Gesetzes schon in diesem<br />
Jahr geführt haben, werden noch einmal deutlich gemacht. Es folgen<br />
weitere Ausführungen zu den Vorschriften des InsOÄndG 2001 und<br />
deren Bewertung. Der Verfasser stellt hier fest, dass der Gesetzgeber<br />
zumindest einen Teil der Probleme angefasst hat, die bei Verabschiedung<br />
der InsO ungelöst geblieben sind und die letztlich die mangelnde<br />
Praxistauglichkeit des Verfahrens verursacht haben. Dabei weist<br />
der Autor in einer kritischen Betrachtung der verabschiedeten Neuregelungen<br />
darauf hin, dass viele Probleme, wie etwa die Durchführung<br />
des Verfahrens bei mehreren miteinander verbundenen Schuldnern<br />
und die unzureichende Ausstattung der Schuldnerberatungen nicht<br />
aufgegriffen worden sind und deshalb auch die Neuregelungen kritisch<br />
zu würdigen sind. Dies gilt nach Hergenröder vor allem auch für<br />
dieum4Jahreverlängerte Schuldenbereinigungsphase durch die<br />
Haftung des Schuldners für die gestundetenVerfahrenskosten, die ihn<br />
möglicherweise noch 48 Monate nach Aufhebung des Verfahrens belastet<br />
sowie die neu eingeführte gerichtliche Entscheidung über die<br />
Durchführung eines Schuldenbereinigungsverfahrens. Zu der gerichtlichen<br />
Entscheidung über die Schuldenbereinigung macht der Verfasser<br />
sehr deutlich, dass durch die in das Ermessen des Gerichts gestellte,<br />
nicht überprüfbare fakultative Ausgestaltung des gerichtlichen<br />
Schuldenbereinigungsverfahrens neue Unsicherheiten und Unwägbarkeiten<br />
geschaffen werden. Eine gleiche Rechtsanwendung ist dadurch<br />
wieder in Frage gestellt. Letztlich kommt der Beitrag zu dem<br />
Ergebnis, dass es dem überwiegenden Teil der Schuldner auch nach<br />
den neuen Regelungen des InsOÄndG 2001nicht gelingen werde,<br />
eine Restschuldbefreiung zu realisieren. (G.P.)<br />
R Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung<br />
ausländischer, insbesondere US-amerikanischer,<br />
insolvenzrechtlicher Entscheidungen in Deutschland<br />
Rolf A. Schütze, DZWIR 2001, 412–415<br />
Für ausländische Insolvenzverfahren gilt nach Art. 102 EGInsO<br />
das Universalitätsprinzip. Ausländische Entscheidungen in Insolvenzsachen<br />
sind deshalb unter bestimmten Voraussetzungen auch<br />
in Deutschland anzuerkennen. Unter dieser Prämisse setzt sich der<br />
Verfasser mit der Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen<br />
Entscheidungen, die im Ausland in Insolvenzsachen ergehen,<br />
auch in Deutschland wirken und eine Vollstreckbarerklärung derartiger<br />
Entscheidungen möglich ist. Der Verfasser prüft diese Frage<br />
Schritt fürSchritt,wobeiersichzunächst mit der internationalen<br />
Zuständigkeit des ausländischen Gerichts auseinander setzt<br />
und insoweit insbesondere Fragen der vielfältigen Zuständigkeit,<br />
wie sie von US-amerikanischen Gerichten angenommen wird,<br />
problematisiert. Sodann geht es um die ordnungsgemäße Zustellung<br />
der ausländischen verfahrenseinleitenden Beschlüsse, die<br />
ebenfalls Voraussetzung für die Anerkennung von Entscheidungen<br />
ist, und Fragen der Kollision mehrerer Entscheidungen, die in unterschiedlicher<br />
zeitlicher Abfolge ergehen. Weiter wird vom Verfasser<br />
problematisiert, unter welchen Voraussetzungen der ordre<br />
public der Anerkennung ausländischer Entscheidungen entgegen<br />
steht. Hier werden als Beispielsfälle, in denen dieser Grundsatz<br />
verletzt sein könnte, etwa exzessive Schadensersatzforderungen<br />
in den USA – sog. „punitive damages“ –genannt. Nach Ausführungen<br />
zur erforderlichen Verbürgung der Gegenseitigkeit der<br />
Anerkennung ausländischer Entscheidungen folgen schließlich in<br />
dem sehr informativen Beitrag noch Ausführungen zum Verfahren<br />
der Anerkennung und zur Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen.<br />
(G.P.)<br />
Die Rezensionen dieser Ausgabe wurden bearbeitet von:<br />
H.H. (Hans Haarmeyer), G.P. (Gerhard Pape).