Dedinghausen aktuell 494
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D.a. <strong>494</strong> ... <strong>aktuell</strong> * Service März 2017<br />
D.a. gibt Tipps zu Ihrem Recht .<br />
D.a. <strong>494</strong>/16<br />
Warum ist eine Patientenverfügung sinnvoll? (2)<br />
§ Eine Willensäußerung<br />
in Form einer<br />
Patientenverfügung<br />
wirkt grundsätzlich bindend.<br />
Der BGH hat klargestellt,<br />
dass sich eine solche als Ausdruck<br />
des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechtes<br />
darstellt. Die<br />
Würde des Menschen (Art. 1 GG)<br />
verlangt, dass eine von ihm eigenverantwortlich<br />
getroffene Entscheidung<br />
auch dann noch respektiert<br />
wird, wenn diese Fähigkeit<br />
inzwischen verloren gegangen<br />
ist. Der rechtsgeschäftliche<br />
Gehalt einer Patientenverfügung<br />
liegt darin, dass sie auf direkte<br />
Verbindlichkeit gerichtet ist, also<br />
für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit<br />
Einwilligungen in<br />
ärztliche und andere Eingriffe enthält<br />
oder untersagt.<br />
Eine eindeutige Patientenverfügung<br />
bindet nicht nur die darin<br />
ausdrücklich genannte Adressaten,<br />
sondern Ärzte, Pflegende,<br />
Familienangehörige, Betreuer,<br />
das Betreuungsgericht und andere<br />
Personen. Im Übrigen einen<br />
Betreuer auch dann, wenn er erst<br />
später bestellt wird. Die Betreffenden<br />
haben ohne Einschränkungen<br />
die von dem Patienten in seiner<br />
Verfügung getroffenen Anordnungen,<br />
soweit sie rechtlich zulässig<br />
sind, auszuführen bzw. zu unterlassen<br />
(BGH).<br />
Liegt keine Patientenverfügung<br />
vor oder treffen die Festlegungen<br />
einer Patientenverfügung nicht auf<br />
die <strong>aktuell</strong>e Lebens- und Behandlungssituation<br />
zu, so hat der Betreuer<br />
die Behandlungswünsche<br />
oder den mutmaßlichen Willen<br />
des Betreuten festzustellen und<br />
auf dieser Grundlage zu entscheiden,<br />
ob er in eine ärztliche<br />
Maßnahme einwilligt oder sie untersagt.<br />
Der mutmaßliche Wille<br />
wird insbesondere aufgrund früherer<br />
mündlicher oder schriftlicher<br />
Äußerungen, sowie ethischer und<br />
religiöser Überzeugungen sowie<br />
sonstiger persönlicher Wertvorstellungen<br />
des Betreuten ermittelt.<br />
Der Fall, dass keine Patientenverfügung<br />
vorliegt und auch der<br />
mutmaßliche Wille des Patienten<br />
nicht zu ermitteln ist, ist übrigens<br />
nicht geregelt. Hier gilt dann “im<br />
Zweifel für das Leben“.<br />
Eine Patientenverfügung ist im<br />
Übrigen frei widerruflich. Der Verfasser<br />
kann sie jederzeit ganz<br />
oder auch nur zum Teil widerrufen.<br />
Der Betreuer kann die Patientenverfügung<br />
allerdings nicht widerrufen,<br />
der Bevollmächtigte nur<br />
dann, wenn er entsprechend ermächtigt<br />
wurde. Der Widerruf der<br />
Patientenverfügung ist im Gegensatz<br />
zur Errichtung auch formlos,<br />
also auch mündlich oder durch<br />
konkludentes Verhalten möglich.<br />
Erforderlich ist lediglich, dass der<br />
Wille zur Änderung hinreichend<br />
deutlich zum Ausdruck kommt.<br />
Um möglichst eine Bindungswirkung<br />
der Patientenverfügung zu<br />
erzielen, muss diese sich auf die<br />
eingetretene Lebens- und Behandlungssituation<br />
beziehen. Die<br />
Patientenverfügung verlangt insoweit<br />
sehr wohl konkrete Entscheidungen<br />
des Betroffenen über<br />
Einwilligung oder Nichteinwilligung<br />
in bestimmte noch nicht unmittelbar<br />
bevorstehende ärztliche Maßnahmen.<br />
Es soll damit gesichert<br />
werden, dass sich der Betroffene<br />
nicht auf allgemeine Anweisungen<br />
an den behandelnden Arzt beschränkt,<br />
z.B. dafür zu sorgen,<br />
dass er würdevoll sterben könne<br />
oder wo und von wem er am liebsten<br />
behandelt werden würde. Das<br />
sind gerade keine Patientenverfügungen,<br />
sondern Wünsche<br />
des Betroffenen, die evtl. bei der<br />
Ermittlung des mutmaßlichen Willens<br />
(s.o.) zu berücksichtigen<br />
wären. Auch pauschale Willensäußerungen,<br />
etwa des Inhaltes,<br />
keine lebensverlängernden Maßnahmen<br />
zu wollen, sind als Patientenverfügung<br />
unwirksam. Andererseits<br />
muss eine Patientenverfügung<br />
aber auch keinen Bezug<br />
auf eine ganz konkrete Krankheit<br />
oder Behandlung nehmen, es<br />
reicht vielmehr aus, wenn ein<br />
bestimmter krankheitsbedingter<br />
Zustand bezeichnet wird, bei dessen<br />
Vorliegen keine Einwilligungsfähigkeit<br />
mehr besteht und<br />
der Betroffene festlegt, was er<br />
dann will und was nicht. Sowohl<br />
die Situation, in der die Verfügung<br />
gelten soll als auch die Zielvorstellung<br />
des Patienten müssen klar<br />
sein.<br />
Verpflichtender Inhalt einer Patientenverfügung<br />
kann darüber hinaus<br />
nur rechtlich erlaubtes Handeln<br />
sein. Aktive Sterbehilfe, also<br />
die Verkürzung des verlöschenden<br />
Lebens durch aktive<br />
Einflussnahme auf den Krankheits-<br />
und Sterbeprozess ist verboten,<br />
auch wenn es eine entsprechende<br />
Patientenverfügung<br />
geben sollte (§ 216 StGB). Anders<br />
wäre der Sachverhalt vermutlich<br />
zu beurteilen, wenn eine<br />
Schmerztherapie als unbeabsichtigte<br />
Nebenfolge eine lebensverkürzende<br />
Auswirkung hätte.<br />
Hat der Sterbevorgang bereits<br />
eingesetzt, ist dem Arzt der Verzicht<br />
auf lebensverlängernde<br />
Maßnahmen erlaubt. Man spricht<br />
dann von passiver Sterbehilfe, bei<br />
der es darum geht, einem natürlichen<br />
Krankheitsverlauf seinen<br />
Fortgang nehmen zu lassen. Bei<br />
einem unheilbar erkrankten, nicht<br />
mehr entscheidungsfähigen Patienten<br />
kann der Abbruch einer<br />
ärztlichen Behandlung oder Maßnahme<br />
ausnahmsweise auch<br />
dann zulässig sein, wenn der<br />
Sterbevorgang noch nicht eingesetzt<br />
hat, das Leiden aber einen<br />
unumkehrbaren tödlichen Verlauf<br />
angenommen hat und der Tod in<br />
kurzer Zeit eintreten wird (BGH).<br />
Liegt hier ein entsprechender<br />
Patientenwille vor, dann wäre ein<br />
solcher Behandlungsabbruch als<br />
Ausdruck der Achtung der Würde<br />
des Menschen, seiner allgemeinen<br />
Handlungsfreiheit und des<br />
Rechts auf körperliche Unversehrtheit<br />
(Art. 1, Art. 2 GG) grundsätzlich<br />
anzuerkennen.<br />
Meinhard Brink<br />
(Rechtsanwalt),<br />
Am Birkhof 50, <strong>Dedinghausen</strong>