Die Menora - Jüdisches Leben Kraichgau eV
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<strong>Jüdisches</strong> <strong>Leben</strong> <strong>Kraichgau</strong> e.V. Mitgliederzeitung<br />
Titelbild:<br />
Rabbiner Menat aus Israel beim Gebet vor der Stelle des einstigen<br />
Thorah-Schreins in der ehemaligen Synagoge Steinsfurt<br />
INHALT<br />
Ausgabe 1-2011<br />
Schalom,<br />
liebe Leserinnen und Leser!<br />
Wie Sie bereits in unserer Zeitschrift<br />
erfahren haben, wird in der Negevwüste<br />
ein <strong>Kraichgau</strong>wald entstehen.<br />
Sie haben die Möglichkeit<br />
sich an diesem Projekt zu beteiligen.<br />
Für nur 10 Euro kann in Israel ein<br />
Baum gepflanzt werden.<br />
Ein sinnvolles Geschenk für<br />
Weihnachten,Pessach, Geburtstag,<br />
Taufe, Kommunion oder Konfirmation.<br />
Ein Baum kommt immer an.<br />
Viel Freude beim Lesen unserer<br />
aktuellen Ausgabe wünscht Ihnen<br />
Armin Stier<br />
Mitglied im Vorstand<br />
<strong>Jüdisches</strong> <strong>Leben</strong> <strong>Kraichgau</strong> e.V.<br />
1. Jahresrückblick 2010<br />
2. 70 Jahre Gurs -<br />
Gedenkveranstaltung<br />
3. <strong>Kraichgau</strong>wald<br />
4. Bar Mitzwah, Bath Mitzwah<br />
5. Buchempfehlung<br />
6. Filmempfehlung<br />
7. <strong>Die</strong> <strong>Menora</strong>
Aus deM KrAichgAu<br />
Jahresrückblick 2010 –<br />
Erinnern an Vergangenes – Aktivitäten für die Zukunft<br />
Liebe Mitglieder, Partner und Freunde<br />
unseres Vereins,<br />
Im zweiten Jahr seines Bestehens ist es<br />
dem Verein <strong>Jüdisches</strong> <strong>Leben</strong> <strong>Kraichgau</strong><br />
e. V. gelungen, sich weiter in der Region<br />
zu etablieren. Es wurden wichtige Partner,<br />
Mitglieder und Freunde hinzuzugewonnen.<br />
Gleichzeitig präsentierte er sich kraichgauweit<br />
mit besonderen Veranstaltungen.<br />
Am 27. Januar 2010 veranstaltete der<br />
Verein in Sinsheim in Zusammenarbeit<br />
mit der dortigen Volkshochschule und<br />
unserem Partner, dem Spiel-Mobil im<br />
<strong>Kraichgau</strong>, den Gedenktag für die Opfer<br />
des Nationalsozialismus.<br />
Trotz schlechter Witterungsbedingungen<br />
fanden sich ca. 40 Personen ein, um den Film<br />
„Babi Jar – Das vergessene Verbrechen“ zu<br />
sehen. Der Film handelt vom Massaker an<br />
mehr als 33.000 ukrainischen Juden in<br />
einer Schlucht in der Nähe der Stadt Kiew<br />
im September 1941.<br />
Der erste externe Stammtisch des Jahres<br />
führte uns am 12. März nach Neidenstein.<br />
<strong>Die</strong> Vorstandsmitglieder Willy Beck, Werner<br />
<strong>Die</strong>fenbacher und Thomas Uhl von unserem<br />
Partnerverein, dem Heimatverein<br />
Neidenstein, führten uns durch das „jüdische<br />
Neidenstein“. In Anwesenheit des<br />
Neidensteiner Bürgermeisters Peter<br />
Reichert lernten die ca. 50 Teilnehmer die<br />
große jüdische Tradition dieses idyllischen<br />
<strong>Kraichgau</strong>dorfes kennen, deren jüdischer<br />
Bevölkerungsanteil im 19. Jahrhundert über<br />
30 % betrug.<br />
Externer Stammtisch in Neidenstein im März<br />
Am 22.März konstituierte sich in<br />
Angelbachtal-Eichtersheim unter Federführung<br />
des Heimatvereins <strong>Kraichgau</strong> und<br />
unseres Vereins eine Arbeitsgruppe zur<br />
Vorbereitung der Ausstellung „Einblicke in<br />
das Jüdische Kulturerbe des <strong>Kraichgau</strong>s“<br />
(Arbeitstitel). Dabei konnten Mitarbeiter aus<br />
nahezu allen Regionen des <strong>Kraichgau</strong>s<br />
und der angrenzenden Städte gewonnen<br />
werden. <strong>Die</strong> Redaktionsleitung hat unser<br />
Mannheimer Partner, „Altenburg & Graf<br />
- Agentur für Jüdische Kulturvermittlung“<br />
inne. <strong>Die</strong> Ausstellung soll ab Frühjahr 2011<br />
Externer Stammtisch in Angelbachtal-Eichtersheim im Juni<br />
im <strong>Kraichgau</strong> in verschiedenen Orten zu<br />
sehen sein.<br />
Dass das Vereinsziel „lernen und lehren“<br />
nicht zu kurz kommt, beweist einmal<br />
mehr unser Engagement in den Schulen.<br />
Durch das in Heidelberg beheimatete<br />
Jugend-Dialog-Projekt Likrat (hebr. für „in<br />
Begegnung“) erfuhren SchülerInnen des<br />
Eppinger Hartmanni-Gymnasiums am 25.<br />
März aus erster Hand, was es bedeutet,<br />
heute als junge Juden in Deutschland zu<br />
leben. Das Projekt möchte dazu beitragen,<br />
SchülerInnen durch Begegnung mit<br />
meist gleichaltrigen jüdischen Jugendlichen<br />
einen unbefangenen Zugang rund um das<br />
Thema Judentum zu geben. Es hilft, stereotype<br />
Wahrnehmungen zu durchbrechen,<br />
antisemitischen Ressentiments entgegen<br />
zu wirken und ein gegenwartsbezogenes<br />
Judentum zu vermitteln.<br />
Einer der Besichtigungshöhepunkte für die Delegation aus Zichron Yaakov:<br />
die ehemalige Synagoge in Sinsheim-Steinsfurt<br />
Ein Höhepunkt des Vereinsjahres<br />
stellte der Besuch einer israelischen<br />
Delegation aus Zichron<br />
Yaakov (Region Haifa, ca. 5km<br />
vom Mittelmeer entfernt) in<br />
Eppingen dar. Der Verein übernahm<br />
nicht nur die Betreuung<br />
der Gäste, sondern präsentierte<br />
ihnen auch seine bisherige Arbeit.<br />
Ziel dieses Besuches war der<br />
Aufbau einer Städtefreundschaft<br />
zwischen Zichron Yaakov und<br />
Eppingen. <strong>Die</strong> israelischen<br />
Gäste waren sehr beeindruckt<br />
von Eppingen und dem<br />
<strong>Kraichgau</strong> sowie dem überaus<br />
großen Engagement des Vereins<br />
zur Erhaltung und Dokumentation der jüdischen<br />
Traditionen unserer Region. Ein<br />
Gegenbesuch in Israel soll im Frühjahr 2011<br />
erfolgen.<br />
Weitere jüdische Spuren im <strong>Kraichgau</strong> erkundete<br />
der Verein am 11. Juni anlässlich einer<br />
Exkursion in Angelbachtal-Eichtersheim.<br />
Nach der Begrüßung durch Bürgermeister<br />
Frank Werner machte Leonhard Dörfer die<br />
ca. 60 Teilnehmer mit den ehemaligen jüdischen<br />
Wohnhäusern sowie der Synagoge<br />
und dem jüdischen Friedhof vertraut.<br />
Besonders beeindruckend in diesem über<br />
die Region hinaus bekannten Heimatortes<br />
des badischen Revolutionäres Friedrich<br />
Hecker war dabei das alte Schlachthaus. Es<br />
ist das einzige, erhalte Schlachthaus dieser<br />
Art im gesamten <strong>Kraichgau</strong>.
Mitgliederversammlung in Bretten:<br />
Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an Dr.Phoebe<br />
Frank und Werner Frank<br />
Am 24. Juni fand unsere diesjährige Mitgliederversammlung<br />
in Bretten (im Goldenen<br />
Schwanen - Schweizerhof) statt. <strong>Die</strong> über 50<br />
anwesenden Mitglieder konnten sich dabei<br />
auch über die bevorstehenden Aktivitäten<br />
informieren. Dirk Lundberg von unserer<br />
Brettener Partnerschule (Melanchton-<br />
Gymnasium) stellte den Anwesenden zuvor<br />
in einem beeindruckenden Vortag die drei<br />
Stolperstein-Projekte Bretten, Jöhlingen und<br />
Flehingen vor. Es war uns als Verein eine<br />
besondere Ehre, den aus Eppingen stam-<br />
menden (mit Brettener Wurzeln) Werner<br />
Frank und dessen Frau Dr. Phoebe Frank<br />
(Calabasas, Kalifornien) für ihre Beiträge<br />
zur Erforschung der Juden im <strong>Kraichgau</strong><br />
und Erinnerungsarbeit zu Ehrenmitgliedern<br />
unseres Vereins zu ernennen.<br />
Unser letzter externer Stammtisch in diesem<br />
Jahr führte am 24.September nach Bruchsal-<br />
Obergrombach. <strong>Die</strong>tmar Konanz, ein ausgewiesener<br />
Kenner der Ortsgeschichte<br />
und Vorsitzender unseres Partnervereins<br />
Heimatverein Untergrombach, machte nicht<br />
nur darauf aufmerksam, dass die Gründer<br />
Externer Stammtisch in Bruchsal-Obergrombach im September. <strong>Die</strong>tmar Konanz (1. Vorsitzender des<br />
Heimatvereins Untergrombach) erklärt die Fresken in der ehemaligen Obergrombacher Synagoge<br />
Rabbiner Menat aus Zichron Yaakov wird von<br />
Eppingens Oberbürgermeister Klaus Holaschke<br />
herzlich verabschiedet.<br />
der Zeitung New York Times (jüdische Familie<br />
Sulzberger) aus Obergrombach stammte,<br />
sondern erläuterte den über 70 Teilnehmern<br />
die überaus wechselhafte Geschichte der<br />
ehemaligen Synagoge. Zunächst als katholische<br />
Kirche erbaut, wurde die ehemalige<br />
Pfarrkirche St. Martin von 1846 bis<br />
1888 als Synagoge genutzt. Heute finden<br />
in diesem Gebäude (Schlosskirche) im<br />
Sommerhalbjahr Gottesdienste der evangelischen<br />
Kirchengemeinde Obergrombach<br />
statt. Ein Großteil der während der jüdischen<br />
Nutzung installierten Inneneinrichtung ist<br />
heute noch erhalten, darunter Gestühl,<br />
Leuchter und ein Teil des Thorahschreines.<br />
In den Grombachstuben wurde im<br />
Anschluss an die Führung die Partnerschaft<br />
zwischen der Stadt Bruchsal und unserem<br />
Verein unterzeichnet.<br />
70 Jahre nach der Deportation der badischen<br />
und saar-pfälzischen Juden ins<br />
südfranzösische Gurs bestand für unseren<br />
Verein Anlass, zusammen mit dem<br />
Heimatverein Hoffenheim, dem Spiel-Mobil<br />
im <strong>Kraichgau</strong> und der Stadt Sinsheim<br />
die zentrale Gedenkveranstaltung für<br />
unsere Region in Hoffenheim durchzuführen.<br />
Am 20.Oktober fanden gleich<br />
zwei Veranstaltungen statt. Unter großer<br />
Bruchsals Bürgermeister Ulli Hockenberger beim<br />
Unterzeichnen des Partnerschaftsvertrages mit<br />
unserem Verein<br />
Anteilnahme der Einwohnerschaft und<br />
Gäste wurde in Hoffenheim der Gedenkstein<br />
für die aus Hoffenheim deportierten Juden<br />
eingeweiht. Im Anschluss fand die zentrale<br />
Gedenkveranstaltung mit beeindruckenden<br />
Beiträgen von SchülerInnen unserer<br />
Partnerschulen statt.<br />
Im Rahmen von weiteren Veranstaltungen<br />
anlässlich der Deportation jüdischer<br />
Einwohner aus dem <strong>Kraichgau</strong> nach<br />
Gurs nahmen Mitglieder unseres<br />
Vereins im Oktober an verschiedenen<br />
Gedenkveranstaltungen teil, so unter anderem<br />
in Bretten, Bruchsal, Bad Rappenau,<br />
Leingarten und Neckarzimmern.<br />
Am 9. November gedachte unser Verein<br />
zusammen mit Schülern der Selma-<br />
Rosenfeld-Realschule sowie des<br />
Hartmanni-Gymnasiums am Ort der Neuen<br />
Synagoge in Eppingen deren Zerstörung.<br />
<strong>Die</strong>se Veranstaltung ist mittlerweile fester<br />
Bestandteil der Erinnerungskultur von<br />
Eppingen.<br />
Seit über einem Jahr läuft nun unser Projekt<br />
„<strong>Kraichgau</strong>wald“. In der Negevwüste soll in<br />
absehbarer Zeit im „Wald der deutschen<br />
Länder“ ein <strong>Kraichgau</strong>wald entstehen. Wir<br />
hoffen dabei auf tatkräftige Unterstützung<br />
der Mitglieder und Freunde. Bitte beachten<br />
Sie dabei auch die beiliegende<br />
Infobroschüre und das Spendenformular.<br />
Wenn Sie mehr über unsere Aktivitäten oder<br />
über Veranstaltungen zum Thema Judentum<br />
im <strong>Kraichgau</strong> und Israel erfahren möchten,<br />
können Sie sich umfassend und aktuell auf<br />
unserer Homepage www.juedisches-lebenkraichgau.de<br />
informieren.<br />
.<br />
Wir wünschen allen Lesern ein gutes,<br />
gesundes und erfolgreiches Jahr 2011.<br />
Das Redaktionsteam
Aus deM KrAichgAu<br />
70 Jahre Gurs: Gedenkveranstaltung für den<br />
<strong>Kraichgau</strong> in Hoffenheim<br />
Liebe Mitglieder, Partner und Freunde<br />
unseres Vereins,<br />
Am 20. Oktober 2010 fand in der<br />
Gemeindehalle Hoffenheim die zentrale<br />
Gedenkveranstaltung für den <strong>Kraichgau</strong><br />
„70 Jahre Gurs“ statt. Zusammen mit<br />
unseren Partnern, der Stadt Sinsheim,<br />
dem Heimatverein Hoffenheim und dem<br />
Spiel-Mobil im <strong>Kraichgau</strong>, waren wir für<br />
Planung und Realisierung dieser besonderen<br />
Veranstaltung verantwortlich.<br />
<strong>Die</strong> Schirmherrschaft hatten der Baden-<br />
Württembergische Ministerpräsident Stefan<br />
Mappus sowie die sechs großen Kreisstädte<br />
des <strong>Kraichgau</strong>s (Bad Rappenau, Bretten,<br />
Bruchsal, Eppingen, Sinsheim, Wiesloch)<br />
übernommen. Über 250 Gäste folgten<br />
der Einladung, darunter Vertreter der vier<br />
Landkreise Karlsruhe, Pforzheim, Heilbronn<br />
und Rhein-Neckar, viele Bürgermeister der<br />
Region, Schulen sowie Personen aus Politik,<br />
Wirtschaft und dem öffentlichen <strong>Leben</strong>.<br />
<strong>Die</strong> israelitische Religionsgemeinschaft<br />
Baden wurde durch Rabbiner Jona<br />
Pawelczyk-Kissin (Heidelberg) vertreten, die<br />
Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg<br />
durch Hochschulrabbiner Shaul Friberg.<br />
Eine besondere Ehre war die Teilnahme der<br />
beiden aus Hoffenheim deportierten Brüder<br />
Dr. Menachem Mayer (Jerusalem) und Fred<br />
Raymes (Sarasota, Florida). Mit Michel<br />
Oppenheimer und seiner Schwester Feo<br />
Madar (beide aus Paris) nahmen zwei weitere<br />
direkt durch die Deportationen betroffene<br />
Personen teil.<br />
Unmittelbar vor Beginn der Gedenkveranstaltung<br />
fand die feierliche Einweihung<br />
des Hoffenheimer Gedenksteins an der Ecke<br />
Silbergasse/Waibstadter Straße statt. Dort<br />
erinnern in Zukunft der Gedenkstein sowie<br />
eine Tafel an die 18 aus Hoffenheim nach<br />
Gurs deportierten jüdischen Einwohner.<br />
Der Stein wurde von SchülerInnen der<br />
Fachschule für Sozialpädagogik an der<br />
Albert-Schweitzer-Schule Sinsheim im<br />
Rahmen des ökumenischen Projektes<br />
Mahnmal erstellt und von unserem Verein<br />
mit unterstützt.<br />
In ihrer Eröffnungsrede richtete Staatssekretärin<br />
Friedlinde Gurr-Hirsch in Vertretung<br />
des Ministerpräsidenten folgende<br />
Worte an die Gäste: „Es ist unsere Aufgabe,<br />
die Erinnerung an die Ereignisse des<br />
Oktober 1940 aufrecht zu erhalten. Über<br />
6.500 jüdische Mitbürger aus Baden, der<br />
Pfalz und dem Saarland mussten damals<br />
ihre Heimat verlassen. Daraus erwächst für<br />
uns und für kommende Generationen eine<br />
Einweihung des Hoffenheimer Gedenksteins durch die Ehrengäste Fred Raymes und<br />
Dr. Menachem Mayer. Rechts Karlheinz Hess, Ortsvorsteher aus Hoffenheim.<br />
Alte Synagoge Steinsfurt: Dr. Menachem Mayer und Fred Raymes<br />
erhalten die Ehrenmitgliedschaft unseres Vereins<br />
Mahnung zum Frieden und zur Versöhnung“.<br />
In seiner Laudatio ermahnte Schuldekan<br />
i. R. Albrecht Lohrbächer (Weinheim) zur<br />
Wachsamkeit gegen jegliche Form von<br />
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.<br />
Auf die Frage, ob „wir es endlich geschafft<br />
haben, die dunkle Zeit während der<br />
NS-Diktatur aufzuarbeiten?“ antwortete er<br />
„noch lange nicht“. Parolen wie ‚Juden<br />
raus!’ sind wieder öfter zu hören. Ein Protest<br />
dagegen hält sich in Grenzen“. Er wies<br />
dabei auch auf die in letzter<br />
Zeit in einigen Medien<br />
zum Teil präsente einseitige<br />
und tendenziell israelfeindliche<br />
Berichterstattung hin.<br />
„Es darf nicht sein, dass im<br />
Hinblick auf die schrecklichen<br />
Ereignisse während der<br />
NS-Zeit im 21. Jahrhundert<br />
jüdische Menschen immer<br />
noch in ihrer Existenz bedroht<br />
sind, sei es in Israel, Europa<br />
oder anderswo.“<br />
Dr. Menachem Mayer dankte<br />
anschließend, auch im<br />
Namen seines Bruders Fred,<br />
den Veranstaltern für die<br />
Einladung und wies auf die in den vergangenen<br />
Jahren entstandenen Freundschaften,<br />
insbesondere zu den Geschwistern Hopp,<br />
hin. In seiner Ansprache sagte er: „Heute<br />
sind wir hier in Hoffenheim zum zehnten<br />
Mal. Immer noch mit gemischten Gefühlen,<br />
aber wir haben gelernt, zu differenzieren. Mit<br />
jedem Kommen wird es uns etwas leichter.<br />
Wir gewinnen neue Freunde, sehen und<br />
spüren die Änderungen, gerade bei der<br />
jungen Generation.“<br />
Damit das ehemals vitale jüdische <strong>Leben</strong><br />
im <strong>Kraichgau</strong> mit seinem vielfältigen<br />
Kulturerbe sowie das an seiner jüdischen<br />
Bevölkerung verübte unermessliche Leid<br />
nicht in Vergessenheit geraten, soll die<br />
Wanderausstellung „Einblicke in das jüdische<br />
Kulturerbe des <strong>Kraichgau</strong>s“ mit beitragen.<br />
Das Ausstellungsprojekt wird vom<br />
Heimatverein <strong>Kraichgau</strong> und unserem<br />
Verein gemeinsam mit Partnerschulen,<br />
Partnervereinen, Archivaren und Historikern<br />
getragen und soll ab nächstem Frühjahr im<br />
<strong>Kraichgau</strong> und angrenzenden Städten zu<br />
sehen sein. An diesem Abend konnte das<br />
erste Ausstellungsexponat der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt und von Dr. Menachem Mayer<br />
und Fred Raymes enthüllt werden. Hierbei<br />
handelt es sich um eine Tafel mit den<br />
Namen aller 402 aus dem <strong>Kraichgau</strong> nach<br />
Gurs deportierten Juden. Bernhard Berger<br />
vom Spiel-Mobil im <strong>Kraichgau</strong> verwies dabei<br />
auf die Wichtigkeit, dem Geschehenen<br />
angemessen zu erinnern: „<strong>Die</strong> Frage des<br />
Erinnerns hat mehrere Personen aus dem<br />
<strong>Kraichgau</strong> beschäftigt <strong>Die</strong> Initiatoren der
Ausstellung sind der festen Meinung, dass<br />
mit dem Ablauf der heutigen Veranstaltung<br />
kein Schlussstrich gezogen werden darf<br />
- die Geschehnisse während der NS-Zeit<br />
waren einfach zu schrecklich.“ Und weiter:<br />
„Einem Großteil der Deportierten wurde<br />
nicht nur das <strong>Leben</strong>, sondern auch das<br />
Recht auf eine Grabstätte genommen. Sie<br />
verschwanden in den Vernichtungslagern.<br />
<strong>Die</strong> Steine in Verbindung mit den Namen<br />
sollen uns zeigen, dass diese Menschen<br />
nicht vergessen sind.“<br />
Für das Rahmenprogramm der<br />
Gedenkveranstaltung war die katholische<br />
Schuldekanin und Lehrerin am Sinsheimer<br />
Wilhelmi-Gymnasium, Jutta Stier, verantwortlich.<br />
Sie wurde dabei von den beiden<br />
Lehrerinnen Susanne Daubmann<br />
(Hartmanni-Gymnasium Eppingen)<br />
sowie Ruth Rastetter (Selma-Rosenfeld-<br />
Realschule) unterstützt. Einige unserer<br />
Partnerschulen beteiligten sich aktiv an der<br />
Veranstaltung und stellten ihre Projekte in<br />
der Begleitschrift oder auf Stellwänden in der<br />
Gemeindehalle vor. Unser besonderer Dank<br />
gilt unseren Partnerschulen für ihr großes<br />
Engagement und den Partnerkommunen für<br />
die finanzielle Unterstützung sowie den beiden<br />
Mitarbeiterinnen Frau Heinlein und Frau<br />
Figal von der Verwaltungsstelle Hoffenheim<br />
und Ortsvorsteher Karlheinz Hess für ihre in<br />
vielerlei Hinsicht tatkräftige Mitarbeit.<br />
<strong>Die</strong> Stadt Sinsheim und unser Partnerverein<br />
Alte Synagoge Steinsfurt e.V. luden am<br />
Buchempfehlung –<br />
Geschichte der Juden in Schluchtern<br />
2010: Am 22. Oktober vor 70 Jahren endet<br />
die Geschichte der jüdischen Gemeinde<br />
von Schluchtern, jener badischen Exklave<br />
in der Nähe von Heilbronn, die heute ein<br />
Ortsteil des württembergischen Dorfes<br />
Leingarten ist. An diesem Tag wurden die<br />
letzten zwölf jüdischen Einwohner nach<br />
Südfrankreich verschleppt. Ihnen und<br />
den aus anderen Gemeinden deportierten<br />
oder ins Ausland geflohenen früheren<br />
Schluchterner Mitbürgern will die Publikation<br />
wieder ein Gesicht und einen Namen geben<br />
und sie vor dem Vergessen bewahren.<br />
Das Buch ist dabei mehr als eine<br />
Heimatgeschichte, verknüpft es doch<br />
die Geschehnisse in Schluchtern mit<br />
der von Partei und Regierung bestimmten<br />
großen Politik. Ein geschichtlicher<br />
Rückblick zeichnet jene verhängnisvolle<br />
Kette von Ausgrenzungsmaßnahmen und<br />
Verfolgungen nach, die mit Beraubung<br />
darauf folgenden Tag die jüdischen<br />
Gäste in die ehemalige Synagoge nach<br />
Steinsfurt ein. In einer kurzen Gedenkfeier<br />
erinnerten die Anwesenden an die aus<br />
Sinsheim und seinen Ortsteilen deportierten<br />
Juden. Schülerinnen und Lehrerinnen des<br />
Sinsheimer Wilhelmi-Gymnasiums beteilig-<br />
und Vertreibung einherging und oft<br />
in die Ermordung von Juden mündete.<br />
Judenverfolgung war keine Erfindung der<br />
Nationalsozialisten, aber ihr Antisemitismus<br />
wurde in einer Radikalität und Perfektion<br />
durchgesetzt, der in der Geschichte ohne<br />
Beispiel ist.<br />
Norbert Geiss:<br />
Geschichte der Juden in Schluchtern :<br />
ein Gedenkbuch für die Opfer der<br />
nationalsozialistischen Judenverfolgung,<br />
Leingarten 2010, 152 S., 56 Abbild.,<br />
ISBN: 978-3-9812485-8-6<br />
Direktbezug für 19,80 €<br />
zzgl. Versandkosten über das<br />
Evangelische Pfarramt Schluchtern,<br />
Bergstraße 3, 74211 Leingarten,<br />
Tel. (0 71 31) 40 13 02<br />
ten sich mit Lesungen und Musikstücken.<br />
Im Anschluss wurden Dr. Menachem Mayer<br />
und Fred Raymes für ihr Engagement und<br />
als Ausdruck unserer Verbundenheit zu<br />
Ehrenmitgliedern unseres Vereins ernannt.<br />
Einweihung des Hoffenheimer Gedenksteins in der Gedenkstätte Neckarzimmern mit den Brüdern Fred<br />
Raymes und Dr. Menachem Mayer sowie Schülern der Projektgruppe von der Albert Schweitzer Schule<br />
Sinsheim.
Aus deM KrAichgAu<br />
Der <strong>Kraichgau</strong>wald im<br />
Wald der deutschen Länder<br />
<strong>Die</strong> sandige und steinige Wüste Negev erstreckt sich über 12.500<br />
Quadratkilometer im Süden Israels. Das sind mehr als 60 Prozent<br />
der Gesamtfläche des Landes. Im Winter fallen im Negev nur ca.<br />
200 – 300 mm Regen pro Quadratmeter. Jahrhunderte lang wuchs<br />
daher kaum mehr als dürres Gras. Zu den ältesten Träumen in Israel<br />
zählt die Vision von neuem <strong>Leben</strong> in der Wüste, wo Bodenerosion und<br />
Wassermangel die <strong>Leben</strong>sgrundlage aller dort lebender Menschen<br />
bedrohen.<br />
Ein Beispiel dafür ist die Wüstenstadt Beer Schewa mit ihren rund<br />
200.000 Einwohnern. <strong>Die</strong> ständig wachsende Stadt, in der einst<br />
Abraham lebte [Gen. 22, 19], wird nicht<br />
umsonst „Hauptstadt der Wüste Negev“<br />
genannt. Eine karge Sand- und Steinwüste<br />
zog sich um den Ort, der einst von der<br />
Wüste bedroht war. Seit Tausenden von<br />
Jahren kämpften hier die Menschen um ihr<br />
Überleben - gegen die Wüste, gegen die<br />
Trockenheit, gegen die Hitze.<br />
Aber heute hat Beer Schewa einen umfangreichen Grüngürtel, der<br />
seit 1991 vom Jüdischen Nationalfonds Deutschland mit Hilfe seiner<br />
Spender angelegt wurde. Mit dem „Wald der deutschen Länder“<br />
wird seit nunmehr 20 Jahren ein <strong>Leben</strong> spendender Grüngürtel um<br />
die Wüstenstadt gepflanzt, der die Stadt vor Wüstenwinden und<br />
Sandstürmen schützt und erheblich zur Klimaverbessung der Region<br />
„Ich will in der Wüste wachsen lassen<br />
Zedern, Akazien, Myrten und Ölbäume;<br />
ich will in der Steppe pflanzen miteinander<br />
Zypressen, Buchsbaum und Kiefern, ...“<br />
Jesaja 41,19<br />
beiträgt. Bis heute konnten etwa 500.000 Bäume auf über 1200<br />
ha gepflanzt werden. Wo sich früher eine kahle Wüstenlandschaft<br />
präsentierte, gibt es heute Haine mit Kiefern, Akazien, Tamarisken,<br />
Ölbäumen und Zypressen<br />
Der „Wald der deutschen Länder“ ist zu einem Erholungsgebiet für<br />
die Menschen aus Beer Schewa geworden, der besonders an den<br />
Feiertagen und den Wochenenden mit Freuden genutzt wird. Der<br />
gedeihende Wald nördlich von Beer Schewa ist mittlerweile Vorbild für<br />
eine gelungene Symbiose im ökologischen System und trägt einen<br />
wichtigen Teil zur Versöhnung mit der geschädigten Natur bei. Baum<br />
für Baum wächst der Wald ein Stück weiter<br />
in die Steinwüste hinein und holt sich somit<br />
verlorenen Boden zurück. Und dies in einer<br />
Zeit, wo andernorts Wälder sterben.<br />
<strong>Die</strong> Begrünung der Wüste ist auch ein<br />
Beitrag für das friedliche Zusammenleben.<br />
<strong>Die</strong> Bäume im „Wald der deutschen Länder“<br />
stehen sinnbildlich für die Freundschaft zwischen<br />
Deutschland und Israel. Um es mit den Worten des ehemaligen<br />
Ministerpräsidenten von Thüringen, Dr. Bernhard Vogel, zu<br />
sagen: „Jeder Baum, der in der Wüste Israels gepflanzt wird, ist ein<br />
Blick in die Zukunft in Frieden und Freiheit.“<br />
So wird aus Wüste ein Wald Fotos auf dieser Doppelseite: Keren Muhs © JNF
Der gebende Baum<br />
Landschaften und besonders Bäume bereichern den ökologische<br />
Wert von Gemeinden und Städten. Bäume geben uns Schatten,<br />
wirken schalldämpfend, schaffen ein Mikroklima* und fördern<br />
Artenvielfalt. Das Wurzelwerk einer größeren Waldfläche kann<br />
sogar helfen, die Auswirkungen eines Erdbebens zu mildern.<br />
Ein ausgewachsener Baum reinigt und filtert pro Jahr 100.000<br />
Kubikmeter verschmutzter Luft. Gleichzeitig produziert er 700<br />
Kilogramm Sauerstoff und absorbiert 20 Tonnen Karbondioxid<br />
(Kohlenstoffdioxid).<br />
Ein ausgewachsener Baum absorbiert jedes Jahr 20 Kilogramm<br />
Staub und nimmt 80 Kilogramm giftiger Bodenablagerungen wie<br />
Quecksilber, Blei oder Lithium auf.<br />
Rechnet man alle oben genannten Eigenschaften zusammen,<br />
beträgt der Gegenwert eines ausgewachsenen Baumes mit einem<br />
Stammesdurchmesser von 50 cm etwa 4.000 Euro.<br />
*Mikroklima (oder Kleinklima)<br />
Mikroklima bezeichnet das Klima im Bereich der<br />
bodennahen Luftschichten bis etwa zwei Meter Höhe oder das<br />
Klima, das sich in einem kleinen, klar umrissenen Bereich (zum Beispiel<br />
zwischen Gebäuden in einer Stadt) ausbildet.<br />
Es wird entscheidend durch die Nähe der Bodenoberfläche und die dortige<br />
Bodenreibung des Windes geprägt. Hier herrschen schwächere Luftbewegungen, aber<br />
größere Temperaturunterschiede. <strong>Die</strong> Verschiedenheit des Bodens, des Geländes, der<br />
Hanglage und des Pflanzenbewuchses kann auf engem Raum große Klimagegensätze hervorrufen.<br />
Das Mikroklima ist besonders für niedrig wachsende Pflanzen von Bedeutung, da sie ihr<br />
klimaempfindlichstes <strong>Leben</strong>sstadium in der bodennahen Luftschicht durchlaufen.<br />
Aber nicht nur die Pflanzen, auch der Mensch ist dem Mikroklima direkt ausgesetzt.<br />
Insbesondere in nicht natürlichen <strong>Leben</strong>sräumen wie Städten kann das Mikroklima durch die<br />
unterschiedlichen Baumaterialien, die Architektur, die Variabilität der Sonneneinstrahlung<br />
(Beschattung) oder die Modifikation des Windfeldes erheblich von den regionaltypischen<br />
Gegebenheiten abweichen, wobei diese Abweichungen sehr labil sind<br />
und sich auch durch kleine Eingriffe, wie den Bau oder Abriss eines<br />
Hauses, empfindlich und schlagartig ändern können.<br />
(Quelle: Wikipedia)<br />
Ein einzelner Setzling im Beer Schewa<br />
Spenden Sie Bäume für den <strong>Kraichgau</strong>wald<br />
Wie bereits in unserer Zeitschrift und in der Lokalpresse zu lesen war, wird in der Negevwüste in Israel ein<br />
<strong>Kraichgau</strong>wald entstehen. Sie haben nun die Möglichkeit, sich bei diesem Vorhaben auf originelle Weise zu<br />
engagieren! Sie können sich in das Projekt einbringen, indem Sie Bäume für den <strong>Kraichgau</strong>wald spenden, sei es<br />
für sich selbst oder als Geschenk. Für nur 10 EUR kann ein Baum gepflanzt werden. Jeder Spender erhält eine<br />
persönliche Urkunde sowie eine Spendenquittung. Es handelt sich für jeden Einzelnen von uns um einen verhältnismäßig<br />
bescheidenen Betrag, der eine hohe Wirkung nach sich zieht, indem ein nachhaltiger Beitrag von<br />
hoher Symbolkraft erzielt wird. In jeder neuen Ausgabe dieser Zeitschrift befindet sich ein Zahlschein, um den<br />
Baumbestand in Israel zu vergrößern.<br />
Weitergehende Informationen erhalten Sie unter www.jnf-kkl.de<br />
Bankverbindung zur Baumspende:<br />
Jüdischer Nationalfonds e.V.<br />
SEB AG, (BLZ 500 101 11)<br />
Konto-Nr. 100 500 7080<br />
Stichwort: <strong>Kraichgau</strong><br />
Tu Bischwat im Wald der deutschen Länder<br />
Spenden für dieses Projekt sind<br />
gerade jetzt durch die verheerenden<br />
Waldbrände in Israel besonders<br />
wichtig geworden
<strong>Jüdisches</strong> <strong>Leben</strong><br />
Bar Mitzwah, Bath Mitzwah<br />
und die Feier der Religionsmündigkeit<br />
Von Dr. Michael Rosenkranz<br />
Nach jüdischer Auffassung endet die<br />
Kindheit eines Jungen mit Vollendung des<br />
13. <strong>Leben</strong>sjahres, während dies für ein<br />
Mädchen, entsprechend seiner früheren<br />
Reifung, bereits mit 12 Jahren gilt. Bis dahin<br />
waren die Eltern verantwortlich für das Tun<br />
der Kinder; an diesem Tag aber erreichen<br />
diese in religiösen Dingen die Volljährigkeit,<br />
sind von nun an für ihr Tun und Unterlassen<br />
selbst verantwortlich, - sie sind mit diesem<br />
Tag BAR MITZWAH bzw. BATH MITZWAH,<br />
d.h. Sohn oder Tochter des göttlichen<br />
Gebotes. <strong>Die</strong>ser religionsgesetzliche Schritt<br />
geschieht im Judentum automatisch mit<br />
Erreichen des betreffenden Alters, - diesbezügliche<br />
Auffassungen sind schon früh<br />
dokumentiert. So hebt in den „Sprüchen der<br />
Väter“ Yehudah Ben-Theyma hervor, dass<br />
einem Dreizehnjährigen die Erfüllung der<br />
Gebote zukommt.<br />
Erst wesentlich später entwickelte sich hierzu<br />
ein religiöses Zeremoniell: Im 14.Jh.<br />
für Jungen, seit 1922, eingeführt von<br />
der Gesellschaft für die Förderung des<br />
Judentums (Reconstructionist Movement),<br />
auch für Mädchen.<br />
Was bedeutet die Religionsmündigkeit für<br />
den Betreffenden?<br />
Für einen Jungen bedeutet sie, dass<br />
er von nun an einerseits vollwertiges<br />
Gemeindemitglied ist und zum MINYAN,<br />
der für die Durchführung eines gemeinschaftlichen<br />
Gottesdienstes erforderlichen<br />
Mindestzahl von zehn Männern, hinzugezählt<br />
wird. Andererseits wird von ihm<br />
nunmehr auch die Einhaltung der 613<br />
MITZWOTH erwartet, also der 248 Gebote<br />
und 365 Verbote, die uns die THORAH lehrt.<br />
Er ist von nun an so u.a. auch verpflichtet,<br />
beim Morgengebet die THEFILLIN (die<br />
Gebetsriemen) anzulegen und sich beim<br />
gemeinschaftlichen Gebet mit dem TALLITH<br />
(dem Gebetsschal mit den TZITZITH, den<br />
Schaufäden) zu umhüllen. Bei der nächsten<br />
THORAH-VORLESUNG nach seinem<br />
13. Geburtstag, - das ist meist in einem<br />
SCHABBATH-Vormittagsgottesdienst, kann<br />
aber auch im Morgengottesdienst an einem<br />
Montag, Donnerstag oder an einem anderen<br />
Feiertag sein -, wird der Junge mit dem<br />
Namen, den er in der Gemeinde Israels<br />
hat, erstmals zur THORAH aufgerufen<br />
und spricht erstmals die Segenssprüche<br />
über die THORAH. Wenn er es vermag,<br />
liest er singend selbst den betreffenden<br />
THORAH-Abschnitt vor. In der Regel aber<br />
hat er sich, oft schon monatelang vorher,<br />
auf die Lesung der HAFTARAH, dem zum<br />
THORAH-WOCHENABSCHNITT gehörenden<br />
Text aus den Prophetenbüchern vorbereitet,<br />
weshalb er dann auch die ALIYYAH<br />
des MAFTIR bekommt, also die Aufrufung<br />
zur THORAH für denjenigen, der hernach<br />
die HAFTARAH liest.<br />
Und es ist jedes Mal ein besonderes<br />
Erlebnis, wenn der Junge mit klarer Stimme<br />
den oft schwierigen Prophetentext vorsingt.<br />
Als besondere Leistung gilt es, wenn<br />
der Junge nach dem Morgengottesdienst<br />
noch eine Erörterung (DRASCHAH) des<br />
Wochenabschnitts oder gar eine Diskussion<br />
über ein Talmudthema vorträgt, meist verbunden<br />
mit Worten des Dankes an seine<br />
Eltern und Lehrer. Es hat sich eingebürgert,<br />
dass hernach auch der Rabbiner eine<br />
Ansprache an den BAR MITZWAH richtet<br />
und ihn auf die besondere Bedeutung dieses<br />
Tages für ihn hinweist, verbunden mit<br />
Wünschen des Segens.<br />
So wie Mann und Frau als Partner einander<br />
gleichwertig sind, jedoch unterschiedlich<br />
in ihren Aufgaben gegenüber<br />
der Gesellschaft und der Familie, so gilt<br />
die THORAH auch gleichermaßen für Mann<br />
und Frau. Ihre Erfüllung geschieht aber<br />
durch die Frau in einer anderen Weise als<br />
durch den Mann. Dem öffentlichen <strong>Leben</strong><br />
und der SYNAGOGE als dem Ort des<br />
Gottesdienstes in der Gemeinde, wo in<br />
der traditionellen jüdischen Gesellschaft<br />
der Mann die Familie vertritt, steht das<br />
Wohnhaus gegenüber, das Heiligtum der<br />
Familie, das von der Frau geführt wird<br />
und das ihr anvertraut ist. Der regelbaren<br />
Welt des äußeren Erwerbslebens steht das<br />
Improvisation erfordernde Innenleben der<br />
Familie mit den Ereignissen von Werden,<br />
<strong>Leben</strong> und Vergehen gegenüber, das nicht<br />
die Bindung an vorgegebene Zeiten erlaubt.<br />
So hat die Meisterung dieser Situationen für<br />
die Frau Vorrang gegenüber der Einhaltung<br />
zeitgebundener Gebote, denen sie daher<br />
nicht pflichtunterworfen ist wie der Mann.<br />
<strong>Die</strong> Frau dient dem <strong>Leben</strong>, der Familie,<br />
der Gesellschaft geschlechtsgebunden,<br />
dazu gehören der Rhythmus von<br />
Empfängnisbereitschaft und Menstruation,<br />
das Gebären und Stillen. <strong>Die</strong> Betreuung<br />
und Erziehung der kleinen Kinder, die<br />
Zubereitung der Nahrung und das wohnlich<br />
Machen des Hauses liegen auch in<br />
Bar Mitzwah in Jerusalem Bildnachweis: Vorndran/ SchalomNet<br />
unserer heutigen Gesellschaft, in der die<br />
Arbeitsteilung sich ändert, vorrangig in den<br />
Händen der Frau.<br />
Nach jüdischer Auffassung wurde nach<br />
der Zerstörung des Tempels das Heiligtum<br />
in die Familie verlagert. <strong>Die</strong> Bewahrung<br />
der kultischen Reinheit dieses Heiligtums<br />
ist die Sache der Frau. Und so gestaltet<br />
sich die Vorbereitung des Mädchens<br />
auf ihre Religionsmündigkeit anders als<br />
beim Jungen. Sie lernt die Reinheitsgebote<br />
für ihren Körper kennen und einzuhalten.<br />
Sie lernt die Reinheitsgebote für die
Nahrungszubereitung (KASCHRUTH) und<br />
<strong>Leben</strong>sführung, lernt das Haus vorzubereiten<br />
für die heiligen Feste und eröffnet<br />
diese im Heiligtum der Familie, indem<br />
sie die Feiertagskerzen entzündet und<br />
BENSCHT(segnet), - dies erstmals zu<br />
Beginn des Schabbaths nach ihrem 12. Ge-<br />
burtstag. In vielen Gemeinden hat es<br />
sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert,<br />
dass die BATH MITZWAH im<br />
Schabbathgottesdienst darüber hinaus<br />
das SCHMA YISRAEL vorträgt oder eine<br />
DRASCHAH hält, in Gemeinden der konservativen<br />
Richtung auch, dass sie zur<br />
THORAHLESUNG und zur HAFTARAH aufgerufen<br />
wird, worauf jeweils der Rabbiner<br />
auch an sie eine Ansprache mit Wünschen<br />
des Segens an sie richtet.<br />
Vom religiösen Teil der Religionsmündigkeitsfeier<br />
oft zeitlich abgesetzt<br />
findet dann der gesellschaftliche Teil<br />
statt, meist am Samstagabend, nach<br />
Schabbathausgang, wenn die Lichter wieder<br />
angemacht werden können und auch<br />
Musik gemacht und getanzt werden kann.<br />
Nach einem Festessen, während dem<br />
die Eltern oder Verwandte bzw. Freunde<br />
oft noch die Gelegenheit zu Ansprachen<br />
wahrnehmen, betet der BAR MITZWAH<br />
erstmals das Tischgebet vor, und es ist<br />
ein Brauch geworden, das Tischgebet in<br />
besonderer Weise drucken zu lassen, mit<br />
Namen und Festtagsdatum des bzw. der<br />
Religionsmündigen versehen, und den<br />
Gästen zum Andenken zu überreichen. <strong>Die</strong><br />
Gäste ihrerseits pflegen sich mit Festtags<br />
typischen (Tallithoth (s.o.), Gebetbüchern,<br />
Bibeln u.a.) oder anderen Geschenken zu<br />
revanchieren. Mit Sketchen, Musik und Tanz<br />
findet das Fest dann oft seinen heiteren<br />
Abschluss.<br />
Quellenangaben:<br />
Filmempfehlung –<br />
DER JUNGE IM GESTREIFTEN PYJAMA<br />
Ein Film von Mark Hermann aus dem<br />
Jahre 2008, basierend auf dem Bestseller-<br />
Roman von John Boyne. Produzent: David<br />
Heymann („Das <strong>Leben</strong> ist schön“, „Der<br />
englische Patient“)<br />
Bruno ist ein achtjähriger Junge, der Sohn<br />
eines Offiziers im Dritten Reich. Sein Vater<br />
wird versetzt und muss von Berlin aufs<br />
Land ziehen: er arbeitet nun als Aufseher<br />
eines Vernichtungslagers. Bruno fühlt sich<br />
im neuen Zuhause allein gelassen, da alle<br />
seine Freunde in Berlin sind. Deshalb unternimmt<br />
er verbotene Streifzüge durch den<br />
Wald und steht eines Tages vor dem Zaun<br />
des Arbeitslagers. Dort lernt er den gleichaltrigen<br />
Shmuel kennen und sie werden<br />
Freunde. Jeden Tag treffen die Jungen<br />
sich am Stacheldrahtzaun und reden oder<br />
spielen miteinander – jeder auf seiner Seite.<br />
Als Shmuel seinen Vater nicht mehr findet,<br />
hilft Bruno ihm suchen und schmuggelt sich<br />
ins Lager, in dem alle Leute nur Pyjamas<br />
tragen.<br />
Eine Kindergeschichte im Vernichtungslager,<br />
eine Familiengeschichte, eine Geschichte<br />
über Freundschaft, Mut und Widerstand:<br />
das alles und noch mehr ist dieser Film, aus<br />
den Augen eines Kindes erzählt.<br />
„Es ist vielleicht die einzig angemessene<br />
Sicht“, meint Regisseur Hermann in einem<br />
Interview. Denn nur ein Kind kann unbefangen<br />
die lebenswichtigen Fragen stellen,<br />
die nach Gut und Böse, nach Richtig und<br />
Falsch. Angesichts des Holocaust würden<br />
auch Erwachsene wieder zum Kind, weil<br />
sie etwas Unbegreifliches zu begreifen versuchten.<br />
Für Boyne ist diese Geschichte eine<br />
Mahnung, deren Botschaft lautet: „Wenn<br />
du dieses Buch zu lesen beginnst, wirst du<br />
früher oder später an einem Zaun ankommen.<br />
Zäune wie diese existieren überall.<br />
Wir hoffen, dass du niemals einem solchen<br />
Zaun begegnest.“<br />
Gemeinsam mit der Volkshochschule<br />
Sinsheim und unseren Partnern<br />
(Alte Synagoge Steinsfurt e.V. und dem<br />
Spiel-Mobil im <strong>Kraichgau</strong> e.V.) zeigen<br />
wir den Film am<br />
Freitag, den 28. Januar<br />
in den Räumen der<br />
Sinsheimer Volkshochschule,<br />
Muthstraße 16a (2.OG).<br />
Beginn ist um 19.00 Uhr.<br />
Der Eintritt ist frei. Wir bitten<br />
stattdessen um eine Spende für<br />
den <strong>Kraichgau</strong>wald.<br />
FiLMeMpFehLung<br />
- Pirqey Avoth: „Sprüche der Väter“,<br />
Abschnitt 5, Vers 24 (aus: Mischnah,Teil IV,<br />
Ordnung Nesiqin; Victor Goldschmidt<br />
Verlag, Basel, 1968<br />
- Georg Fohrer: „Glaube und <strong>Leben</strong> im<br />
Judentum“, Verlag Quelle & Meyer,<br />
Heidelberg, 1979<br />
- Michael Friedländer: „ <strong>Die</strong> jüdische Religion“,<br />
Victor Goldschmidt Verlag, Basel, 1936/ 1971<br />
- Monika Grübel: „Judentum“, Reihe<br />
Schnellkurs, Du Mont Buchverlag<br />
Köln, 1996<br />
- Alfred J. Kolatch: „Jüdische Welt verste-<br />
hen“, Fourier Verlag, Wiesbaden, 1997<br />
(2. Auflage)<br />
- Leo Prijs: „Begegnung mit dem Judentum /<br />
Eine Einführung in seine Religion“, Verlag<br />
Herder, Freiburg i.Br., 1985<br />
- Friedrich Thieberger (Hrsg.): “<strong>Jüdisches</strong><br />
Fest / Jüdischer Brauch“, Jüdischer Verlag<br />
Athenäum, Königstein/Ts., 1979<br />
Weitere Infos zu diesem besonderen Film<br />
unter der Website des Films: http://www.<br />
movienews.at/Filme/der_junge_im_gestreiften_pyjama/index.html
<strong>Jüdisches</strong> <strong>Leben</strong><br />
Von Elisabeth Hilbert<br />
<strong>Die</strong> <strong>Menora</strong> (gesprochen mit Betonung auf<br />
der letzten Silbe) ist das älteste Symbol des<br />
Judentums. Ihr Ursprung ist – anders als<br />
beim Magen David/ Davidstern – biblisch<br />
gesichert.<br />
<strong>Die</strong> uns als „Siebenarmiger Leuchter“<br />
bekannte <strong>Menora</strong> wird schon im 2. Buch<br />
Mose/Exodus beschrieben. Dort bekommt<br />
Mose vom Ewigen Anweisung<br />
für den Bau der Stiftshütte. In diesem<br />
Zusammenhang beschreibt ER, wie der<br />
Leuchter für diese Stiftshütte auszusehen<br />
hat: „Du sollst einen Leuchter aus feinem<br />
Golde machen, Fuß und Schaft in<br />
getriebener Arbeit, mit Kelchen, Knäufen<br />
und Blumen. Sechs Arme sollen von dem<br />
Leuchter nach beiden Seiten ausgehen,<br />
nach jeder Seite drei Arme. Jeder Arm soll<br />
drei Kelche wie Mandelblüten haben mit<br />
Knäufen und Blumen. So soll es sein bei<br />
den sechs Armen an dem Leuchter. Aber<br />
der Schaft am Leuchter soll vier Kelche<br />
wie Mandelblüten haben mit Knäufen und<br />
Blumen, und je einen Knauf unter zwei von<br />
den sechs Armen, die von dem Leuchter<br />
ausgehen. Beide, Knäufe und Arme, sollen<br />
aus einem Stück bei ihm sein, lauteres Gold<br />
<strong>Die</strong> <strong>Menora</strong><br />
in getriebener Arbeit. Und du sollst sieben<br />
Lampen machen und sie oben anbringen,<br />
so dass sie nach vorn leuchten, und<br />
Lichtscheren und Löschnäpfe aus feinem<br />
Golde. Aus einem Zentner feinen Goldes<br />
sollst du den Leuchter machen mit allen<br />
diesen Geräten. Und sieh zu, dass du alles<br />
machst nach dem Bilde, das dir auf dem<br />
Berge gezeigt ist. Exodus 25, 31-40 “, zitiert<br />
nach Martin Luther, revidierte Bibelfassung<br />
von 1984. Wiederholt wird diese Anweisung<br />
des Ewigen in Exodus 37, 17 – 24.<br />
Während dieser insgesamt 40 Jahre dauernden<br />
Wüstenwanderung führten die<br />
Israeliten also auch die erste <strong>Menora</strong> mit<br />
sich. Als König Salomo Jahrhunderte später<br />
den 1. Tempel baute (962-955 v.d.Z.),<br />
war die <strong>Menora</strong> ein wichtiger Bestandteil<br />
der Innenausstattung des Tempels.<br />
Auch im 2. Tempel stand wieder eine<br />
<strong>Menora</strong>, die nach der Zerstörung des<br />
Tempels und ganz Jerusalems 70 n.d.Z.<br />
mit vielen anderen Beutestücken (und<br />
Juden!) nach Rom verschleppt wurde.<br />
Kaiser Titus hat für sich und seine Nachwelt,<br />
um der Eroberung Jerusalems zu gedenken,<br />
einen Triumphbogen in Rom bauen<br />
lassen, uns bekannt unter dem Namen<br />
„Titusbogen“. Dort ist der Tempelleuchter<br />
<strong>Die</strong> <strong>Menora</strong> auf dem Vorplatz der Knesset<br />
(israelischer Regierungssitz) in Jerusalem.<br />
so dargestellt, wie er von jüdischen Sklaven<br />
mitgeführt wird.<br />
Nach der Zerstörung des 2. Tempels wurde<br />
die <strong>Menora</strong> eines der jüdischen Motive,<br />
die am häufigsten abgebildet wurden,<br />
auf Münzen, auf Mosaiken und auch auf<br />
Steinfragmenten, wie das oben erwähnte<br />
auf dem Titusbogen. <strong>Die</strong>se Abbildung ist<br />
für die Nachwelt der wichtigste (Stein-)<br />
Zeuge für die Jahrtausende alte Existenz<br />
der <strong>Menora</strong> geworden.<br />
Seit Gründung des Staates Israel<br />
1948 wurde die <strong>Menora</strong> zum offiziellen<br />
Staatsemblem.<br />
Das englische Parlament hat nach der<br />
Staatsgründung Israels aufgrund der<br />
Abbildung auf dem Titusbogen eine über<br />
4,50 m große <strong>Menora</strong> kunstvoll anfertigen<br />
lassen. <strong>Die</strong>ses wertvolle Geschenk<br />
ziert seitdem den öffentlichen Vorplatz der<br />
Knesset, dem israelischen Parlament in<br />
Jerusalem. In kleiner Ausgabe schmückt<br />
der Leuchter heutzutage viele jüdische und<br />
nichtjüdische Wohnungen - weltweit. <strong>Die</strong><br />
<strong>Menora</strong> als „Siebenarmiger Leuchter“ ist<br />
nicht zu verwechseln mit dem „Chanukka-<br />
Leuchter“, der neun Arme hat. Doch dies<br />
ist ein Extrathema wert.
Buchempfehlung –<br />
Konrad Görg: Wir sind, was wir erinnern<br />
Vielerorts finden am 9. November<br />
Gedenkveranstaltungen statt, in denen an<br />
die Zerstörung der Synagogen und an die<br />
Gewalttaten der NS-Zeit erinnert wird. Doch<br />
wie erinnert man? Konrad Görg, Internist<br />
an der Marburger Universitätsklinik, hat als<br />
Alternative zur Nennung der geschichtlichen<br />
Fakten und zu mahnenden Worten ein kluges<br />
Buch zusammengestellt.<br />
Der Hauptteil besteht aus Zitaten, die unter<br />
den Überschriften „<strong>Die</strong> Zeit der Großeltern“,<br />
„<strong>Die</strong> Zeit der Eltern“, „Deutungsversuche“<br />
und „Wir, die Nachgeborenen“ gruppiert<br />
und darin noch einmal thematisch untergliedert<br />
sind. Viele der einzelnen Sätze<br />
sind es an sich schon wert, bedacht zu<br />
werden. Was das Buch jedoch ausmacht,<br />
ist die kluge Zusammenstellung der Zitate.<br />
So beginnt der Abschnitt „Antisemitismus in<br />
Deutschland vor 1933“ mit dem Zitat Martin<br />
Luthers aus der Schrift Von den Juden und<br />
ihren Lügen (1543): „Ein solch verzweifeltes<br />
durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes<br />
Ding ist´s um diese Juden, so diese<br />
1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und<br />
alles Unglück gewesen sind und noch sind.<br />
Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen.“<br />
Unmittelbar folgt die Rezeption dieser und<br />
ähnlicher Luther-Worte durch Adolf Hitler,<br />
um dann unter anderem völkisches Denken<br />
und die nationalsozialistische Rassenlehre<br />
anhand verschiedener Worte zu illustrieren.<br />
Den Abschluss des Kapitels bildet die lapidare<br />
Frage von Nelly Sachs: „Was ist das<br />
Andere, auf das ihr Steine werft?“<br />
Eingeleitet wird das Buch durch ein<br />
Geleitwort von Horst-Eberhard Richter,<br />
ein Vorwort von Erhard Roy Wiehn und<br />
eine Einführung des Autors. Es folgt die<br />
Geschichte von Erwin Katz aus Huklive in<br />
der heutigen Ukraine, der 1944 in Auschwitz<br />
ermordet wurde, erzählt von seiner älteren<br />
Schwester Jolana, die Auschwitz überlebt<br />
hat. Am Schicksal des einen Jungen wird<br />
die Grausamkeit der millionenfachen Morde<br />
deutlich, die am Schluss des Buches in<br />
einer Zeittafel der geschichtlichen Fakten<br />
dargestellt ist.<br />
„Wir suchen die Wahrheit, finden wollen wir<br />
sie aber nur dort, wo es uns beliebt,“ zitiert<br />
Konrad Görg Marie von Ebner-Eschenbach.<br />
<strong>Die</strong> in dem Buch vorgestellten Stimmen von<br />
Opfern, Tätern, Vor- und Nachgeborenen<br />
bewirken jedoch, dass die Leserinnen und<br />
Leser zumindest die Vieldimensionalität des<br />
STIMMEN ZUM BUCH<br />
Antisemitismus und des Erinnerns erleben.<br />
Konrad Görg: Wir sind, was wir erinnern.<br />
Zwei Generationen nach Auschwitz.<br />
Stimmen gegen das Vergessen, Hartung-<br />
Gorre Verlag, Konstanz 2009 (2. Auflage),<br />
110 Seiten, 9,95 €,<br />
ISBN 3-86628-208-7.<br />
Rezension:<br />
Pfrin. Barbara Eberhardt<br />
(Theologische Referentin) www.bcj.de<br />
<strong>Die</strong>se Anthologie zur Schoah ist ein Lesebuch, das es in sich hat. Dahinter steht wie ein Wasserzeichen der Aufschrei des Gedenksteins von<br />
Treblinka: „Nie wieder“<br />
Erhard Roy Wiehn, 4/08<br />
<strong>Die</strong>s ist ein Buch zum Blättern und Verweilen, keines zu raschem Durchlesen. Jede Leserin, jeder Leser wird an unterschiedlichen Zitaten<br />
hängen bleiben. Aber gerade damit wird eingelöst, was der ebenfalls zitierte spanische Schriftsteller und Philosoph Manès Sperber so<br />
formuliert hat: Erinnern sei eine besondere Form der Liebe zu denen, die ihr Unglück stimmlos gemacht habe. <strong>Die</strong>se Liebe ist dem Buch<br />
anzumerken.<br />
Publik-Forum, 1/09<br />
Erstaunlich, wie ein solch schmaler Band die Augen zu öffnen vermag.<br />
Deutsches Ärzteblatt, 2/09<br />
LiterAtur<br />
Sie geht in die Tiefe, die schlichte Geschichte vom <strong>Leben</strong> und der Ermordung des kleinen fröhlichen Erwin Katz, dazu die vielen Stimmen,<br />
in denen Worte für das Erschauern gefunden werden, das uns nie verloren gehen darf, damit wir uns die Widerstandskraft unserer<br />
Menschlichkeit erhalten. Es verlangt beim Lesen immer wieder Innehalten und Beharrlichkeit, um die Zeugnisse in sich wirken zu lassen<br />
– und die Gegenüberstellung mit den Stimmen von Tätern, Handlangern und Beschwichtigern auszuhalten. Aber gerade durch seine verdichtende<br />
Gesamtschau verdient das kleine Buch eine große Verbreitung. Man kann aus ihm mehr lernen als aus manchen ausgedehnten<br />
Dokumentationen. Und es hilft, an die Notwendigkeit einer andauernden Wachsamkeit zu erinnern.<br />
Horst-Eberhard Richter, 10/09<br />
Einfach ein wunderbares Buch! Nicht nur die Auswahl der Texte, sondern auch ihre thematische Anordnung, die imposante Einleitung und<br />
die geleitenden Worte - ganz zu schweigen von der gesinnungsmäßigen Ausrichtung des gesamten Bandes - machen diese Sammlung zu<br />
einer einzigartigen Manifestation wahren Gedenkens und humanistischer Weltschau. Ganz großen Dank für dieses bedeutende Geschenk,<br />
das der Verfasser den bisherigen und künftigen Lesern seines Buches gemacht hat.<br />
Moshe Zuckermann, Tel Aviv, 12/09<br />
In einer einzigartigen Zitatsammlung zeichnet Görg in weitem Bogen die Geschichte der Judenverfolgung, ihrer geistigen Wegbereiter und<br />
ihrer Gegner nach. Durch die Auswahl der Zitate treffen Täter und Opfer, Zeitzeugen und analytische Beobachter verschiedener Zeiten<br />
aufeinander und treten in einen Dialog. Der Band macht so die Licht- und Schattenseiten deutscher Kultur lebendig und zeigt, wie groß die<br />
Bedeutung von Geschichte für die Gegenwart ist. <strong>Die</strong> Lektüre macht dem Leser ein ganz besonderes Angebot: <strong>Die</strong> innere Feigheit zu überwinden<br />
und sich einen persönlichen Zugang zu diesem dunkelsten Kapitel europäischer Geschichte zu erarbeiten.<br />
Bündnis für Demokratie und Toleranz –<br />
Gegen Extremismus und Gewalt, 1/10
VerMischtes<br />
Stammtisch<br />
Unser Stammtisch ist offen für alle<br />
Interessierte unseres Vereins.<br />
Wir treffen uns in der Regel alle drei<br />
Wochen freitags ab 19:00 Uhr im<br />
Ratskeller in Eppingen, Wilhelmstraße 2.<br />
Der Ratskeller ist das Geburtshaus<br />
der Pädagogin und Professorin Selma<br />
Rosenfeld, die auch Namensgeberin der<br />
Eppinger Realschule ist.<br />
<strong>Die</strong> nächsten Termine:<br />
7. Januar Stammtisch Ratskeller<br />
21. Januar Stammtisch Ratskeller<br />
18. Februar Stammtisch Ratskeller<br />
11. März Stammtisch Ratskeller<br />
Wir freuen uns über Ihr Kommen!<br />
Beim Stammtisch im Obergrombach<br />
Aktuelle Termine<br />
Aktuelle Termine zu Veranstaltungen<br />
rund um das jüdische <strong>Leben</strong> und zu<br />
unserem Verein finden Sie unter:<br />
www.jlk-ev.de<br />
Rezept<br />
Kartoffeln in saurem Rahm<br />
für 4 bis 6 Personen<br />
2 Pfund kleine Kartoffeln<br />
Salz<br />
3 Essl. Butter<br />
2 Teel. Mehl<br />
1 Tasse Sauerrahm<br />
Kartoffeln ähnlicher Größe aussuchen,<br />
schälen, mit Salz abreiben, in kaltem<br />
Wasser waschen, abtropfen, in einen<br />
schweren Eisenbräter geben.<br />
Salz beifügen, zudecken. Bei schwacher<br />
Hitze 10 Minuten ohne Wasserzugabe<br />
kochen, beständig den Bräter schütteln,<br />
damit nichts anbrennt. Schwitzwasser,<br />
das sich bildet, sofort wegwischen.<br />
Butter schaumig rühren, Mehl beifügen,<br />
Masse zu den Kartoffeln geben. Sauerrahm<br />
darunterziehen, gut mischen. Auf<br />
kleinem Feuer kochen lassen, bis die<br />
Karoffeln gar sind. Wenn nötig, noch<br />
mehr Rahm zufügen.<br />
Erleichterung der Neuzeit: <strong>Die</strong> Kartoffeln<br />
werden die ersten 10 Minuten in Alufolie<br />
eingepackt und halbweich „gebacken“,<br />
wie oben beschrieben.<br />
be te avon / Guten Appetit<br />
Anekdote Mini-Sprachkurs<br />
David Ben Gurion, Israels Premierminister,<br />
will in Hemdsärmeln in die<br />
Knesset gehen.<br />
Einer meint:„Das verletzt die Würde der<br />
Knesset! Ziehen Sie doch die Jacke<br />
an!“ - Ben Gurion: „Nein, ich habe<br />
Churchills Erlaubnis. Als ich nämlich in<br />
London war, wollte mir Churchill das<br />
Unterhaus zeigen, und ich wollte in<br />
Hemdsärmeln mit ihm gehen.<br />
Da sagte er: „So etwas geht hier<br />
nicht. Das können Sie in der Knesset<br />
machen.“<br />
KURZ-INFO<br />
Viele erschütterte Reaktionen erhielten<br />
wir auf unseren Artikel „Alte Synagoge<br />
in Flehingen“. Leider können wir zu<br />
diesem Thema noch keine positive<br />
Entwicklung vermelden.<br />
Wir werden Sie aber weiterhin auf dem<br />
laufenden halten. Aktuelle Infos zum<br />
Museumsprojekt können Sie unter:<br />
www.museumsverein-flehingen-sickingen.de<br />
abrufen.<br />
Impressum<br />
herausgeber:<br />
<strong>Jüdisches</strong> <strong>Leben</strong> <strong>Kraichgau</strong> e.V.<br />
Brettener Str. 51 •75031 Eppingen<br />
redaktion@jlk-ev.de • www.jlk-ev.de<br />
Redaktionsschluss für die nächste<br />
Ausgabe ist der 28. Februar 2011.<br />
Verantwortlich:<br />
Inhaltlich verantwortlich gemäß § 8 LPGBW:<br />
Michael Heitz & Thomas Wächter<br />
Namentlich gekennzeichnete Artikel und<br />
Beiträge geben nicht in jedem Fall die<br />
Meinung des Herausgebers wieder.<br />
<strong>Die</strong> Urheberrechte für Fotos, Berichte sowie<br />
der gesamten graphischen Gestaltung<br />
liegen, sofern nicht unmittelbar anders<br />
angegeben, beim Herausgeber und dürfen<br />
nur mit schriftlicher Genehmigung weiterverwendet<br />
werden.<br />
Wir danken allen, die an dieser Ausgabe<br />
mitgearbeitet haben.<br />
Fragen, Kritik, Wünsche und Anregungen<br />
richten Sie bitte an die oben genannte<br />
Adresse.<br />
Wir sind Ihnen dafür sehr dankbar.<br />
Zwei besonders schöne Wörter gehören<br />
zur Grundausstattung der Freunde der<br />
hebräischen Sprache:<br />
JAFÄ = SCHÖN<br />
gesprochen mit deutlicher Betonung<br />
der Endsilbe.<br />
oder<br />
JOFFI = TOLL/SUPER<br />
ausgesprochen mit starker Betonung der<br />
ersten Silbe.<br />
Es gibt hoffentlich täglich immer wieder<br />
Gelegenheit, diese zwei Wörter (!) voller<br />
Begeisterung auszurufen.<br />
Probieren Sie‘s am besten gleich aus.<br />
Viel Freude beim Einüben dieser beliebten<br />
Wörter.<br />
.<br />
In letzter Minute<br />
Waldbrände in Israel<br />
<strong>Die</strong> Feuer in Israel sind laut aktueller<br />
Meldungen aus Israel gelöscht. Leider<br />
steht Israel nun vor einer traurigen<br />
Bilanz. Mindestens 42 Menschen<br />
wurden Opfer der Flammen, aus dem<br />
Haifa-Vorort Deniya wurden 2500<br />
Menschen in Sicherheit gebracht.<br />
Zuvor schon mussten bereits 13.000<br />
Menschen die Siedlungen im Karmel-<br />
Gebirge verlassen, ganze Ortschaften<br />
wurden zerstört, tausende Menschen<br />
mussten flüchten, 5.000 Hektar Wald -<br />
mindestens 5 Millionen Bäume - wurden<br />
zerstört.<br />
Foto: © JNF-KKL<br />
Zahlreiche Vogelarten, Säugetiere und<br />
Reptilien sind in dem nun veränderten<br />
<strong>Leben</strong>sraum existenziell gefährdet.<br />
Den JNF-KKL erreicht seit Ausbruch des<br />
Großbrandes im Norden Israels am<br />
Donnerstag den 2. Dezember eine<br />
große Welle der Anteilnahme, Solidaritätsbekundungen<br />
und Hilfsbereitschaft.<br />
Der JNF-KKL steht jetzt vor der<br />
schweren Aufgabe, dieses ehemals<br />
lebendige Ökosystem wieder<br />
herzustellen.<br />
So dringend wie selten wird Ihre Hilfe<br />
gebraucht, um dem grünen Herz Israels<br />
eine neue Zukunft zu geben.<br />
Wir bitten deshalb um Ihre<br />
Unterstützung. Mehr Infos unter:<br />
www.jnf-kkl.de