stadtMAGAZIN köln-süd | Ausgabe April-Mai 2017

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SERIE Beruf aus Berufung Menschen mit außergewöhnlichen Berufen Fly like a… Mauersegler von Martina Reims Annerose Reuter ist Mauerseglerbetreuerin Unzählige Male am Tag fliegen die Mauersegler ihre Brutkästen an, um die darin wartenden Jungen mit Nahrung zu versorgen. Another brick in the wall … war ein Kultsong in den 70er Jahren. Doch das ist lange her, auch die Risse und Luken in den Häusern der Stadt gibt es kaum noch, so dass die beliebten Mauersegler nur wenige Orte für Nester finden. Die Nester liegen stets hoch in Giebeln, Türmen, Hohlräumen unter Dachziegeln und Ritzen von hohen Gebäuden. Mit lautem, schrillem, oft aneinandergereihtem „srih“ stürzt sich der Mauersegler mit Geschwindigkeiten von bis zu 180 km/h im Sommer durch die Häuserfluchten unserer Innenstädte. Beim Blick nach oben sieht man die schwarzen Vögel meist in Trupps von 5-10 auf der Nahrungsjagd. Sie verbringen fast ihr gesamtes Leben in der Luft und schlafen und paaren sich sogar hier. Zum Schlafen steigen sie aber noch viel höher in warme Luftschichten, nämlich bis auf 3600 Meter. Dort schlafen sie in einer Art Gleitflug. Schätzungen gehen davon aus, dass der Mauersegler im Jahr 190.000 km zurücklegt. Zudem ist er für einen Vogel seiner Größe erstaunlich langlebig: 21 Jahre zählte der älteste je gefundene Mauersegler. „Ich habe schon immer gerne diese Vögel durch die Luft segeln sehen“, so Annerose Reuter aus Köln Dellbrück. Als sie vor mehr als 10 Jahren von der Existenzbedrohung hörte, wurde sie aktiv. „Da musste geholfen werden.“ Sie avancierte zur „Mauerseglerbetreuerin“. 30 köln süd stadt MAGAZIN Nr. 2 / 2017 28. Jahrgang
köln lokal Annerose Reuter hat zwei Brutkästen an ihrem Haus mit Kameras ausstatten lassen, so dass das Leben der Vögel über den Computer beobachtet werden kann. „Meine Nachbarn waren nicht ganz so begeistert, als tagelang die Mauersegler-Anlock–CD lief“, nachdem Frau Reuter die zwei Brutkästen von ihrem Dachdecker an ihrer Hauswand hatte installieren lassen. Und tatsächlich, angelockt durch die Lockrufe der CD, brütet seit dem Jahr 2011 jedes Jahr ein Mauersegler-Pärchen im Brutkasten. Mittlerweile haben sich die Nachbarn auch wieder beruhigt, da die schlanken Mauersegler im Gegensatz zu den Mehlschwalben keinen Schmutz an den Wänden hinterlassen und sie sich mittlerweile ebenfalls an den Luftakrobaten erfreuen. Lebhafte Aktionen im und am Nest In diesen zwei Brutkästen sind Kameras installiert, so dass das Leben der Vögel über den Computer beobachtet werden kann. Im Abstand von zwei Tagen werden die meist zwei bis drei Eier im Nest abgelegt. Leider kullern die Eier durch die Bewegungen der abwechselnd brütenden Eltern schon mal über den Rand nach draußen. „Ich weiß nicht, wie oft ich schon die Leiter nach oben gestiegen bin, um die Eier wieder ins Nest zu befördern“, so die immer noch rüstige 75jährige Dame. „Häufig höre ich lebhaftes Gezwitscher hoch über dem Dach, auch schon mal gegen fremde Mauersegler wie „bleib bloß weg, das ist UNSER Zuhause!“ Spannend ist eine Geburt. „Da gibt es keine Hilfe oder Kaiserschnitt“, lacht Annerose Reuter. Die Eltern sitzen daneben und schauen zu, wie sich das Küken mühevoll aus dem Ei pellt. Dann geht die Versorgung los. Mauersegler füttern nur mit Insekten, die sie in der Luft fangen können. Mit seinen zu Krallen umgeformten Füßen kann er sich hervorragend an senkrechten Abstürzen festhalten. Doch einmal auf dem Boden gelandet, ist er ein hilfloser Krabbler: Laufen kann er kaum noch und das Starten vom Boden aus gelingt ihm nur mit äußerster Mühe. Im Körbchen immer dabei Manchmal, besonders bei großer Hitze, fallen die kleinen Küken aus dem Nest und können dann von ihren Eltern nicht mehr versorgt werden. Dann tritt Annerose Reuter auf den Plan. „Das wird mein Baby.“ Allerdings ist die Aufzucht sehr zeitintensiv. Alle zwei Stunden müssen die kleinen Zöglinge gefüttert werden. Das Futter dafür besorgt sie sich über das Internet. „Natürlich kann ich nicht die ganze Zeit zuhause sitzen“. Daher hat sie sich ein kleines Körbchen zugelegt, in dem sie die Küken bei Besorgungen oder Besuchen mitnimmt und füttert. Mauersegler sind für die Handaufzucht besonders schwierig und für Laien nicht geeignet, daher sollten sie immer an erfahrene Leute abgegeben werden. Der Mauersegler ist ein reiner Insektenfresser. Die Methode der Wahl - nämlich an der Natur orientiert! - ist daher, Insekten pur zu verfüttern. Falsches Futter führt nicht nur zu schwerwiegenden Verdauungsstörungen, schlimmstenfalls mit Todesfolge, sondern auch zu Skelettdeformationen, Mangelerkrankungen, Leberschäden und zu verändertem, oft schwer geschädigtem Gefiederwachstum, Federdeformationen oder zum Federverlust. Ganz wichtig ist dabei, Handschuhe überzustreifen, damit kein Eigenfett von der Hand an das Gefieder kommt. Ende Juli werden die per Hand aufgezogenen flüggen Mauersegler in die Freiheit entlassen! Gleich wird sich der Mauersegler aufmachen zum Flug in die Freiheit, nachdem er von Annerose Reuter aufgepäppelt worden ist. Medizintechnik für die Flügel Apropos Gefieder. Einmal hat sie eine Hilfsaktion gestartet. Sie wurde zu einem Mauersegler mit halb abgerissenem Flügel gerufen. Per Mitfahrgelegenheit ließ sie den armen Vogel in die Mauerseglerklinik nach Frankfurt transportieren. Leider musste er wegen seiner schweren Verletzung eingeschläfert werden, doch er hinterließ ein gutes Werk für seine Vogelnachwelt: in der Klinik wurden die intakten Schwungfedern entfernt und diese durch Shiften - einer Lasertechnik – bei einem anderen Patienten wieder angeklebt. Ein andermal hatte sich ein Mauersegler auf der Suche nach einem geeigneten Nistplatz an einem Dachziegel verfangen. Mit Hilfe einer großen Leiter und eines hilfsbereiten Nachbarn wurde er befreit. Viele Naturschutzverbände geben in Broschüren oder über das Internet praktische Tipps, wie sich der Mauersegler erfolgreich „unter dem eigenen Dach“ ansiedeln lässt. Zum Beispiel Schulen mit hohen Gebäuden bieten gute Möglichkeiten, Mauersegler-Nistkästen zu installieren. Insgesamt hat sie nur drei Monate Spaß an den kleinen gefiederten Freunden. „Sie fliegen am 25. April ein und zwitschern pünktlich am 25. Juli in ihr Winterquartier in Südafrika wieder ab.“ INFOS: www.betterplace.org | www.nabu.de www.stadtmagazin-koelnsued.de 31
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