LEIPZIGER NACHTE SIND LANG VON <strong>WENDL</strong>SCHLEIFEN MIT SPORTWAGEN Wenn die Brotfahrer auf ihren Touren durch das nachtschlafene Leipzig den Party-Heimkehrern begegnen, dann ist der freundliche Gruß schon die beste Einladung für das Frühstück bei Wendl. So war es in »Nachtschwärmer trifft Frühaufsteher« in der ersten Nummer des Wendl-Magazins zu lesen. Ob das auch stimmt, wussten wir freilich nicht so genau, es schien uns eine schöne Vorstellung. Nun wollten wir unsere Phantasie mit der Realität abgleichen und hofften auf eine launige Nachtfahrt. Am Ende der zweiten Morgenoder besser Nachtstunde gen Markkleeberg zu steuern, ist das reinste Vergnügen, sofern es die freien Straßen betrifft. Herrlich, weit und breit kein Gegenverkehr! Die ersten Lichter, denen wir begegnen, stammen von einem Kleintransporter namens »Wendlschleife«. Der muss sich schon kurz vor zwei auf den Weg gemacht haben. Auf dem Wendl-Gelände in Wachau herrscht Hoch betrieb. Drinnen in der großen Halle wird gebacken, geräumt, gestapelt. Draußen stehen sechs Lkw in Reih und Glied, exakt eingepasst in ihre Ladeluken. Jeder hat sein L-WE und eine markante Zahl auf dem Kennzeichen sowie den wohlbekannten Slogan an der Front: »Der Duft, den Sie schmecken können«. Sie sind fast alle vom gleichen Typ und dennoch unverwechselbar: 2:04 Uhr macht sich der »Gebäckwagen« als erster vom Hof, weniger später gefolgt vom »Rogg- Star«. Wir warten noch ein Weilchen, viertel drei sind wir mit dem Versandleiter verabredet. Pünktlich wie die Bäcker ist Dennis Herrmann da. Auch er hatte keine Probleme, schnell von Halle nach Leipzig zu kommen. Um eins hat bei ihm der Wecker geklingelt, er sieht frisch und ausgeruht aus. »Ich bin nicht der Typ, der gleich und immer einen Kaffee braucht«, sagt er, was uns wohl etwas über die karge Nachtstunde hinwegtrösten soll. Seit sechs Jahren arbeitet der 40-jährige bei Wendl, ist verantwortlich für die Logistik und die Haustechnik. Da alles wie am Schnürchen läuft, scheint er der richtige Mann am richtigen Platz zu sein. Als er anfing, waren 20 Filialen zu beliefern, mittlerweile sind es 36. Die Beladung der Lkws richtet sich nach den elektronisch übermittelten Bestellungen und dem exakt berechneten Tourenplan. Uns kommt die Befüllung der Kisten und Paletten etwas willkürlich vor, wo eben gerade Platz ist ... Doch wie uns felsenfest und sehr glaubhaft versichert wird, kommt genau das in die tausende von Behältnissen, was auch wirklich dort rein gehört. 23 Coppi, 27 Tschai, 14 KM oder 36 Gr. Ullrich, alles klar! »Dienstag Nacht ist die Hektik am größten«, erklärt uns Dennis Herrmann, weil zusätzlich zu den Bäcker- und Konditoreiprodukten auch alles andere in die Filialen muss: Wasser, Kaffee, Sahne, Servietten und manches mehr. Die Fahrer, insgesamt sind es 13, beladen ihre Wagen natürlich mit System. Nicht nur platz-, sondern auch zeitsparend, beim Einladen ans Ausladen denkend. Insofern werden unsere Offerten, mit anzupacken und schnell mal eine Palette zu schieben, dankend abgelehnt. Etwas länger dauert es schon, um den Aufgaben gewachsen zu sein. Dennis Herrmann ist ins Schwitzen geraten, 9 Grad zeigt das Thermometer, uns fröstelt ein wenig. Zum Glück geht’s jetzt endlich los: 2:50 Uhr rollt der »Sportwagen« flott vom Hof, die »Wendlschleife« ist gerade mit Leergut retour. 20 Minuten nur dauert die Fahrt bis zur Karl-Liebknecht-Straße 86. Wo sind sie denn nun, die Nachtschwärmer auf der Partymeile? Keiner, der den Brotlieferanten mit einem fröhlichen Gute-Nacht-Gruß bedenken würde, alles ruhig und menschenleer. »Wären Sie mal am Wochenende mitgefahren«, sagt Dennis Herrmann, »da sieht es ganz anders aus«. Da ist die Karli lebendig und laut bis zum frühen Morgen, und die Versuchung sei groß, sich für das erste und zweite Frühstück im Bett ein paar Brötchen zu sichern. Entweder mit der Variante, gleich im Vorbeigehen vom Lkw zu stibitzen oder dem Versuch, ein »Essensgeld« zu entrichten: Das eine ist »Am Wochenende sieht‘s hier ganz anders aus.« so wenig erlaubt wie das andere, deshalb gilt: Frische Brötchen gibt’s drin, jeden Tag ab sieben! Dennis Herrmann stehen schon wieder die Schweiß perlen auf der Stirn, uns ist noch frösteliger geworden. Er hat die frische Ware aus- und die Retouren wieder eingeladen. Was übrig bleibt vom Vortag, wird nicht weggeworfen, sondern der »Tafel« weitergegeben. Mir fällt der Spruch ein, den ich vor vielen Jahren mal bei einem Bäcker gelesen habe: »Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot ist hart.« Die Fülle und der Überfluss lassen uns das oft vergessen. Der N9-Bus biegt in die Karli und reißt mich aus den Gedanken. Weiter geht’s, aber nur ein kurzes Stück, bis zur Karl-Liebknecht-Straße 13a. Das gleiche Procedere, die Abläufe sind geübt, die Handgriffe sitzen. Es sieht nicht nur effizient aus, es ist nahezu perfekt. »Nachts sind unsere Fahrer gehalten, alles piano zu erledigen.« Bestimmte Vorgaben von Anwohnern sind zu berücksichtigen und gewisse Regeln einzuhalten: »Lautlos geht natürlich nicht, aber sensibel auf die Probleme zu reagieren, das geht schon.« Es ist 3:55 Uhr, die ersten Radfahrer strampeln dem Zentrum entgegen. Die Stadt erwacht. 4:10 Uhr erreichen wir den Moritzhof, die erste Straßenbahn der Linie 16 rumpelt heran. Wir sind etwas zu früh, erst ab halb fünf ist die Ladepassage zugänglich. Aber Dennis Herrmann kennt noch einen anderen Zugang. Er ahnt wohl, dass wir gern zurück möchten und nach einem Kaffee lechzen. 4:40 Uhr geht unsere wenig romantische Nachtfahrt zu Ende. Wir machen Pause und wärmen uns auf. Dennis Herrmann gönnt sich einen Kaffee im Stehen. Er muss gleich wieder beladen, halb sechs beginnt seine zweite Tour.