Epaper Tiergestützte Intensivbetreuung von Kindern und Jugendlichen
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Kunterbunt GmbH –<br />
Soziale Initiativen für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche
<strong>Tiergestützte</strong> Sozialpädagogische <strong>Intensivbetreuung</strong> <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />
„Der junge Mensch braucht seinesgleichen –<br />
Tiere, überhaupt Elementares,<br />
Wasser, Dreck, Gebüsche, Spielraum.<br />
Man kann ihn auch ohne das alles aufwachsen lassen,<br />
mit Teppichen, Stofftieren<br />
oder auch auf asphaltierten Straßen <strong>und</strong> Höfen.<br />
Er überlebt es,<br />
doch man soll sich dann nicht w<strong>und</strong>ern,<br />
wenn er später bestimmte<br />
soziale Gr<strong>und</strong>leistungen nie mehr lernt“.<br />
(Alexander Mitscherlich, Psychoanalytiker, 1908-1982)
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Warum tiergestützte Sozialpädagogik? ............................................................................................................................................................ 4<br />
1.2 Rechtliche Gr<strong>und</strong>lage ........................................................................................................................................................................................................ 5<br />
2. Die Sozialpädagogische Kinder- <strong>und</strong> Jugendbetreuung (SKJB) ........................................................................................................................ 6<br />
2.2 Zielgruppe ................................................................................................................................................................................................................................................. 7<br />
2.3 Gr<strong>und</strong>voraussetzungen ........................................................................................................................................................................................................................ 8<br />
2.4 Konkrete Zielsetzungen ....................................................................................................................................................................................................................... 8<br />
2.6 Die tierischen Co-Pädagogen .......................................................................................................................................................................................................... 10<br />
3. Methodische Gr<strong>und</strong>lagen .................................................................................................................................................................................. 12<br />
3.1 Lebensweltorientierung ................................................................................................................................................................................................................... 12<br />
3.2 Erlebnispädagogik .............................................................................................................................................................................................................................. 12<br />
3.3 Naturpädagogik ................................................................................................................................................................................................................................... 13<br />
4. Angebote ............................................................................................................................................................................................................... 14<br />
4.1 Pferdegestütztes Coaching / Reitpädagogik ............................................................................................................................................................................. 14<br />
4.2 <strong>Tiergestützte</strong> Pädagogik mit H<strong>und</strong>en .......................................................................................................................................................................................... 17<br />
4.3 Hühner – federleichte Helfer im Arbeitsfeld der TGI ............................................................................................................................................................ 22<br />
4.4 Erlebnispädagogische Projekte ..................................................................................................................................................................................................... 24<br />
4.4.1 Der Garten der Villa Kunterbunt ............................................................................................................................................................... 26<br />
5. Kooperationen ....................................................................................................................................................................................................... 28<br />
6. Literatur ................................................................................................................................................................................................................. 30
1. Warum tiergestützte Sozialpädagogik?<br />
Basierend auf den Ergebnissen einer Längsschnittstudie die <strong>von</strong> 2008 bis 2015 in unserer Einrichtung unter dem Titel „<strong>Tiergestützte</strong><br />
Interventionen bei fremduntergebrachten <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong>“ im Rahmen einer Dissertation durchgeführt wurde, wurden die<br />
tiergestützte Sozialpädagogik als fixer Bestandteil in unser Konzept aufgenommen <strong>und</strong> unser tiergestütztes Angebot im Rahmen der „Hilfen<br />
zur Erziehung“ erweitert.<br />
Wie die Ergebnisse der Längsschnittstudie zeigen, hatte eine 1jährige, regelmäßig (1mal/Woche) stattfindende tiergestützte Intervention<br />
positive Auswirkungen zum Beispiel auf das Sozialverhalten, Empathiefähigkeit <strong>und</strong> dissozial- bzw. oppostional-aggressives Verhalten<br />
konnten verringert werden (vgl. Schwaiger 2016).<br />
Der Bereich der verhaltensauffälligen Kinder <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> ist demnach ein wichtiges Feld für tiergestützte Arbeit.<br />
Gerade bei schwer traumatisierten, vernachlässigten, hyperaktiven, aggressiven, delinquenten <strong>und</strong> entwicklungsverzögerten <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>Jugendlichen</strong> scheinen Tiere oftmals das Eis brechen zu können, wo Erzieher <strong>und</strong> Therapeuten nicht mehr weiter wissen, wie aus<br />
unterschiedlichen Literaturquellen ersichtlich (Kotschral, Olbrich, Otterstedt, Vernooij <strong>und</strong> Schneider).<br />
Positive, entwicklungsfördernde Impulse können den <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> durch den Umgang mit Tieren vermittelt werden, da im<br />
Besonderen unser Schulsystem keine ausreichende Hilfe darstellt. Leider geht in der heutigen schnelllebigen <strong>und</strong> hektischen Zeit auch der<br />
Bezug der Kinder zur Natur bzw. zu den Tieren immer mehr verloren.<br />
Die moderne Gesellschaft zeigt Ausprägungen <strong>von</strong> Gefühlsarmut, Leistungsdruck, Geltungsdrang, Intoleranz, Gewalt <strong>und</strong> Unterdrückung.<br />
In der Auseinandersetzung mit Tieren lernen Kinder <strong>und</strong> Jugendliche zum Beispiel Verantwortung zu übernehmen (Fütterung, Tränken,<br />
Ausführen,….). Es werden elementare Erfahrungen im Bereich der Wahrnehmung, des Körperbewusstseins <strong>und</strong> der motorischen<br />
Koordinationsfähigkeit, im Leistungs- <strong>und</strong> Sozialverhalten sowie im emotionalen Bereich.<br />
Kinder, die infolge <strong>von</strong> traumatischen Erlebnissen die Nähe <strong>von</strong> Menschen nicht mehr so leicht zulassen können. Wagen zum Bespiel im<br />
Umgang mit Tieren wieder eine Annäherung. Sie erleben Zuwendung, die sie unbelastet erwidern können <strong>und</strong> machen so Erfahrungen <strong>von</strong><br />
Geborgenheit, Liebe <strong>und</strong> Verständigung. Erfahrungen die sich positiv auf die Bewältigung der eigenen Probleme auswirken können.<br />
Hier setzt dieses Projekt an, in der tierischen Begleitung <strong>von</strong> verhaltensauffälligen <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong>.
1.2 Rechtliche Gr<strong>und</strong>lage<br />
§ 25 „Unterstützung der Erziehung“<br />
„(1) Ist das Kindeswohl gefährdet <strong>und</strong> ist zu erwarten, dass die Gefährdung bei Verbleib in der Familie oder im sonstigen bisherigen<br />
Wohnumfeld abgewendet werden kann, ist <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> Unterstützung der Erziehung zu gewähren.<br />
(2) Unterstützung der Erziehung umfasst insbesondere die Inanspruchnahme <strong>von</strong> ambulanten Hilfen, regelmäßige Haus- oder Arztbesuche <strong>und</strong><br />
die Einschränkungen des Kontakts mit Personen, die das Kindeswohl gefährden.“ (B<strong>und</strong>es Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfegesetz 2013)<br />
§ 8 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 StKJHG Präventivhilfen <strong>und</strong> Erziehungshilfen
2. Die Sozialpädagogische Kinder- <strong>und</strong> Jugendbetreuung (SKJB)<br />
Die Sozialpädagogische Kinder- <strong>und</strong> Jugendbetreuung stellt eine <strong>Intensivbetreuung</strong> für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in verschiedenen<br />
Problemsituationen oder nach einer stationären Unterbringung dar, um den Erziehungserfolg zu stabilisieren. Die Betreuung erfolgt gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
als Einzelbetreuung. Die Betreuungsarbeit bezieht das soziale Lebensumfeld – soweit es <strong>von</strong> Bedeutung ist – mit ein, jedoch steht im Fokus des<br />
sozialpädagogischen Handelns das Kind/die/der Jugendliche selbst.<br />
2.1 Allgemeine Ziele<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Besserung <strong>von</strong> psychischen <strong>und</strong> sozialen Entwicklungsstörungen durch eine individuelle <strong>Intensivbetreuung</strong><br />
Erreichung altersentsprechender <strong>und</strong> -üblicher Entwicklungsetappen<br />
Stabilisierung des Erziehungserfolgs nach einer stationären Unterbringung oder erlebnispädagogischen Projekten<br />
Erweiterung der individuellen sozialen Handlungsfähigkeit,<br />
Selbstständigkeit sowie die Befähigung, die Freizeit selbst sinnvoll zu gestalten<br />
Erweiterung der Kompetenzen zur Alltags- <strong>und</strong> Lebensbewältigung<br />
(als wesentliches Ziel einer lebensweltorientierten Sozialpädagogischen Kinder- <strong>und</strong> Jugendbetreuung)<br />
Das Ziel der pädagogischen Arbeit ist die Herstellung bzw. Wiederherstellung möglichst optimaler Entwicklungsbedingungen für Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche auf psychischer, sozialer <strong>und</strong> somatischer Ebene.
2.2 Zielgruppe<br />
Zielgruppe sind Kinder <strong>und</strong> Jugendliche zwischen 8 <strong>und</strong> 15 Jahren, insbesondere mit Problemen in ihrem Verhalten <strong>und</strong> ihrer Entwicklung.<br />
1. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit psychiatrischen Syndromen:<br />
- Expansive Symptome<br />
Störung des Sozialverhaltens<br />
Dissoziale Störungen<br />
Hyperkinetische Störungen<br />
- Introversive Symptome<br />
Emotionale Störungen<br />
2. Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit:<br />
- Entwicklungsverzögerungen<br />
Defizite in der Entwicklung des Sozialverhaltens<br />
Konzentrationsschwäche<br />
Lern- <strong>und</strong> Leistungsdefizite<br />
- Abnormen, psychosozialen Umständen, wie z.B.<br />
Mangelnde familiäre Strukturen<br />
Mangelnde Förderung<br />
Keine stabilen <strong>und</strong> verlässlichen Beziehungen<br />
Gewalterfahrungen
2.3 Gr<strong>und</strong>voraussetzungen<br />
Gr<strong>und</strong>voraussetzungen sind:<br />
Freiwillige Teilnahme<br />
Keine pathologischen Ängste gegenüber H<strong>und</strong>en<br />
Keine medizinische Indikationen (z.B. Tierhaarallergie)<br />
Generell muss im Vorfeld bereits überprüft werden, ob der Einsatz des Tieres sinnvoll <strong>und</strong> vorstellbar ist.<br />
2.4 Konkrete Zielsetzungen<br />
Mögliche Zielsetzungen sind:<br />
Steigerung der Kommunikationskompetenz<br />
Förderung der psychischen Ges<strong>und</strong>heit<br />
Entwicklung emotionaler <strong>und</strong> sozialer Kompetenzen<br />
Entwicklung <strong>von</strong> Verantwortungsbewusstsein<br />
Entwicklung <strong>von</strong> Empathie<br />
Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstregulation<br />
Abbau <strong>von</strong> aggressiven Verhaltensweisen<br />
Stärkung des Selbstbewusstseins<br />
Verbesserung des Verhältnisses der Kinder <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> untereinander <strong>und</strong> gegenüber Autoritätspersonen (vgl. Nestmann<br />
2005).<br />
Das Hauptziel der hier durchgeführten tiergestützten Interventionen ist der Aufbau <strong>von</strong> sozial kompetenten Verhaltensweisen, die<br />
Unterstützung <strong>und</strong> Anregung <strong>von</strong> Entwicklungsprozessen sowie die Initiierung <strong>von</strong> Lernprozessen mit Hilfe des Mediums Tier.
2.5 Zeitrahmen <strong>und</strong> Gruppengröße<br />
<br />
Sozialpädagogische Kinder <strong>und</strong> Jugendbetreuung<br />
o Einzelsetting<br />
o 1x/Woche für ca. 2-3 St<strong>und</strong>en<br />
o Kosten: Std. á € 57,61<br />
<br />
Erlebnispädagogische Projekte<br />
o Kleingruppe (4-5 Kinder/Jugendliche)<br />
o Nachmittag oder Wochenende<br />
o Kosten: Nachmittag € 140,00<br />
Übernachtung € 260,00
2.6 Die tierischen Co-Pädagogen<br />
Die tierische Begleitung als Co-PädagogInnen übernehmen:<br />
- Moritz <strong>und</strong> Isis (die beiden WG-H<strong>und</strong>e)<br />
- Ara, G<strong>und</strong>i, Pauli <strong>und</strong> Valentin (die WG-Noriker)<br />
- Sir Leo, Felix, Merlin <strong>und</strong> Coco (die WG-Katzen)<br />
- Sowie die 4 Hühner im Garten <strong>und</strong><br />
die „wandelnden Blätter“ im Terrarium.
1996 wurden <strong>von</strong> der „Delta Society – The Human Animal Health Connection“ Standards zur Auswahl <strong>von</strong> Tieren für die tiergestützte<br />
Intervention erstellt.<br />
Die Wahl des Tieres soll anhand folgender vier Kriterien erfolgen (vgl. Vernooij/Schneider 2008):<br />
Reliability (Verlässlichkeit in Bezug auf das Verhalten des Tieres)<br />
Predictability (Einschätzbarkeit <strong>und</strong> Vorhersehbarkeit)<br />
Controllability (Kommandosicherheit <strong>und</strong> Kontrolle)<br />
Suitability (Physische <strong>und</strong> charakterliche Eignung) (vgl. Fredrickson-MacNamara, Butler 2006)<br />
Die in der <strong>Tiergestützte</strong>n Intervention eingesetzten Tiere erfüllen diese Kriterien.<br />
Alle bei uns lebenden Tiere werden regelmäßig tierärztlich kontrolliert <strong>und</strong> tiergerecht, der THV entsprechend, gehalten.
3. Methodische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
3.1 Lebensweltorientierung<br />
Wie jede pädagogische Intervention, benötigt auch jene mit tierischer Unterstützung durchgeführte einen theoretischen Rahmen.<br />
<strong>Tiergestützte</strong> Intervention zeichnet sich durch Lebensweltorientierung aus <strong>und</strong> kann Elemente der Erlebnispädagogik, Naturpädagogik<br />
nutzen (vgl. Saumweber 2009). Ein kurzer Aufriss der theoretischen Einbettung wird nachfolgend gegeben.<br />
3.2 Erlebnispädagogik<br />
Bereits bei Rousseau galten Erlebnis, Erfahrung <strong>und</strong> Handlung als Gr<strong>und</strong>lage ganzheitlichen Lernens. Jedes Kind hat ein Recht auf Erlebnis,<br />
Abenteuer <strong>und</strong> Erfahrung. Das Kind lernt nur durch unmittelbares Erfahren über die eigenen Sinne <strong>und</strong> eigenes Handeln. „Leben heißt<br />
Erleben“ (Heckmair/Michl 2004, S. 20).<br />
So schreibt Jahn: „Die Erlebnispädagogik stellt eine wertvolle Ergänzung der Heimpädagogik dar, weil sie durch den ganzheitlichen Ansatz <strong>und</strong><br />
ihre erlebnisintensiven Arrangements den Heimalltag bereichert. Sie bietet den <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> die Möglichkeit, ursprüngliche<br />
Erlebnisse zu erfahren <strong>und</strong> somit fehlende Gr<strong>und</strong>erfahrungen des Lebens aufzuarbeiten <strong>und</strong> zu vervollständigen“ (Jahn 2005, o.S. zit.n:<br />
Lakemann 2005, S. 130).<br />
Einen handlungsorientierten Aspekt der Erlebnispädagogik betonen Heckmair <strong>und</strong> Michl. Sie verstehen unter Erlebnispädagogik „eine<br />
handlungsorientierte Methode, in der durch Gemeinschaft <strong>und</strong> Erlebnisse in naturnahen oder pädagogisch unerschlossenen Räumen neue<br />
Raum- <strong>und</strong> Zeitperspektiven erschlossen werden, die einem pädagogischen Zweck dienen. (…) Erlebnispädagogik ist eine handlungsorientierte<br />
Methode <strong>und</strong> will durch exemplarische Lernprozesse, in denen junge Menschen vor physische, psychische <strong>und</strong> soziale Herausforderung gestellt<br />
werden, diese in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern <strong>und</strong> sie dazu befähigen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten“<br />
(Heckmair/Michl, 2004, S. 102).<br />
„In der Erlebnispädagogik kann gelernt werden, dass Handlungsausgänge vom eigenen Verhalten abhängig sind <strong>und</strong> schwierige Situationen<br />
bewältigt werden können. Diese Bewältigung gelingt durch eine gute Zusammenarbeit der Gruppe. Dabei muss jedes Mitglied der Gruppe […]<br />
Selbstverantwortung übernehmen“ (Heckmair et al, 2004, S. 136).
3.3 Naturpädagogik<br />
Naturerfahrungen sind ein menschliches Gr<strong>und</strong>bedürfnis. In dem Maß, wie die Natur aus unserem Leben verdrängt wird, steigt das<br />
menschliche Bedürfnis nach ihr.<br />
Naturpädagogik fördert das direkte Erleben, Experimentieren <strong>und</strong> Beobachten in der freien Natur. „In der Naturpädagogik geht es darum,<br />
Zeit <strong>und</strong> Raum zu geben für Naturbegegnung <strong>und</strong> Naturerleben. Ziel der Naturpädagogik ist es, neue oder vergessene Facetten unserer<br />
Beziehung zur Natur wieder erlebbar zu machen <strong>und</strong> so ein „neues“ Verhältnis Mensch-Natur aufzubauen, das auf Achtung <strong>und</strong> Respekt<br />
beruht“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Naturp%C3%A4dagogik).<br />
Der Einsatz <strong>von</strong> Tieren ist ein niederschwelliger Zugang zu Naturerlebnissen, er wirkt sich erholsam <strong>und</strong> heilsam auf Menschen aus. Gerade<br />
basale Naturerfahrungen sind in der tiergestützten Pädagogik relativ leicht zu erzielen. Tieren regen dazu an, in die Natur zu gehen, sie<br />
schaffen Kontaktmöglichkeiten zu verschiedenen Habitaten, sie ermöglichen sinnlich-archaische Erlebnisse, die den Menschen innerlich<br />
anrühren. Diese Form emotionaler Beteiligung ermöglicht durch das Ansprechen evolutionärer Programme tiefgreifende Lernerfahrungen.<br />
Für die menschliche Ges<strong>und</strong>heit scheinen intensive, emotionale Erlebnisse mit Natur <strong>und</strong> Menschen einen wichtigen Stellenwert zu haben.<br />
Durch tiergestützte Interventionen kann mit einem geringen Aufwand ein geeignetes Setting geschaffen werden, das in vielen Dimensionen<br />
sinnlich anregt <strong>und</strong> erlebnisreich ist.
4. Angebote<br />
4.1 Pferdegestütztes Coaching / Reitpädagogik<br />
Der Einsatz des Pferdes als Co-Pädagoge im Rahmen der Begegnung <strong>von</strong> Menschen mit geistiger <strong>und</strong>/oder körperlicher Behinderung, bei<br />
Menschen mit psychischen Störungen, Entwicklungsverzögerungen oder Verhaltensauffälligkeiten, sowie in der Früh- <strong>und</strong><br />
Entwicklungsförderung <strong>und</strong> im Bereich der erlebnisorientierten Therapie hat stark an Bedeutung gewonnen.<br />
Diese Ganzheitlichkeit <strong>und</strong> die im Mittelpunkt stehende Interaktion zwischen Mensch <strong>und</strong> Pferd erklären die Erfolge.<br />
In der Reitpädagogik wird die positive Wirkung des Co-Pädagogen Pferd ganzheitlich für den Klienten genutzt.<br />
Der Kontakt mit Tieren wirkt sich positiv auf die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> die Lebensqualität aus.
Er kann bei<br />
o<br />
o<br />
o<br />
o<br />
körperlichen,<br />
psychischen,<br />
geistigen oder<br />
psychosozialen<br />
Störungen, Behinderungen <strong>und</strong> Erkrankungen des Menschen genutzt werden.<br />
In der Reitpädagogik wird versucht, über das Medium Pferd,<br />
eine individuelle Förderung <strong>und</strong> günstige Entwicklung <strong>von</strong> Menschen zu erreichen.<br />
Die Reitpädagogik erfasst die spielerische Begegnung mit dem Pferd<br />
in dessen natürlicher Umgebung <strong>und</strong> bietet ein breites Spektrum an Erlebnismöglichkeiten „um das Pferd“, „ mit dem Pferd“ <strong>und</strong> „auf dem<br />
Pferd“.<br />
Die Reitpädagogik nutzt (Gruppen-)Erfahrungen mit dem Pferd um die Persönlichkeit <strong>und</strong> soziale Kompetenzen zu entwickeln. Sie<br />
unterstützt eine positive Entwicklung der kindlichen Motorik <strong>und</strong> Wahrnehmung in den Bereichen Grob- <strong>und</strong> Feinmotorik, Koordination,<br />
taktiler Wahrnehmung <strong>und</strong> Tiefensensibilität. Im Gegensatz zur Reittherapie wird der Fokus nicht auf eine gezielten Förderung oder<br />
Behandlung <strong>von</strong> Schwächen <strong>und</strong> Defiziten gerichtet.<br />
Die Reitpädagogik erhebt keinen therapeutischen Anspruch. Im spielerischen Zu- <strong>und</strong> Umgang mit dem Pferd lässt die Reitpädagogik<br />
Förderung <strong>und</strong> Erweiterung <strong>von</strong> Kompetenzen einfach geschehen.<br />
Zielgruppe sind Menschen mit<br />
körperlichen Behinderungen,<br />
geistigen Behinderungen,<br />
Lernbehinderungen,<br />
Verhaltensauffälligkeiten,<br />
Sinnesbehinderungen,<br />
sozialem u. emotionalem Defizit,<br />
psychisch-psychiatrischen Auffälligkeiten.
Reitpädagogik kann:<br />
die Bildungs- <strong>und</strong> Erziehungspraxis gestalten <strong>und</strong> verbessern;<br />
vorbeugende-, lindernde-, <strong>und</strong> wiederherstellende Maßnahmen durchführen;<br />
Einfluss nehmen auf das Erleben <strong>und</strong> Verhalten des Menschen <strong>und</strong> seine Entwicklung positiv verändern.
4.2 <strong>Tiergestützte</strong> Pädagogik mit H<strong>und</strong>en<br />
H<strong>und</strong>e sind ideale „Co-Pädagogen“. Zum einen sind sie hervorragende Kommunikationsträger (der H<strong>und</strong> dient dem/der PädagogIn als<br />
Vermittler pädagogischer <strong>und</strong>/oder therapeutischer Ansätze wodurch der Pädagogen nicht immer direkt auf das Kind/den <strong>Jugendlichen</strong><br />
einwirken muss), zum anderen ist es für das Kind ein erhebendes Gefühl, ein so starkes <strong>und</strong> doch sanftmütiges Tier zum Fre<strong>und</strong> zu haben.<br />
Die H<strong>und</strong>e nehmen dabei in erstaunlicher Weise Rücksicht auf die ihnen anvertrauten Kinder. Es entsteht eine stille Kommunikation<br />
zwischen Kind <strong>und</strong> H<strong>und</strong>, da die H<strong>und</strong>e ein sehr feines Gespür für die Gefühle <strong>und</strong> Stimmungen haben.
Einerseits spiegeln sie in ihrem Verhalten of unbewusst Befindlichkeiten des Kindes direkt wieder, andererseits besitzen sie ein hohes<br />
Toleranzpotential <strong>und</strong> treten dem Kind vorurteilsfrei gegenüber.<br />
H<strong>und</strong>e sind unvoreingenommen, sie schweigen, sie bieten Schutz <strong>und</strong> Treue <strong>und</strong> lassen an Kraft <strong>und</strong> Lebensfreude teilhaben. Sie treten<br />
einem Kind in der Regel unvoreingenommen gegenüber <strong>und</strong> nehmen es so an wie es ist.<br />
Methoden<br />
Wie jede pädagogische Intervention, benötigt auch jene mit tierischer Unterstützung durchgeführte einen theoretischen Rahmen. <strong>Tiergestützte</strong><br />
Intervention zeichnet sich durch Lebensweltorientierung aus <strong>und</strong> kann Elemente der Erlebnispädagogik nutzen (vgl. Saumweber 2009).<br />
1. Präsenz der H<strong>und</strong>e im WG-Alltag:<br />
Durch die Anwesenheit der H<strong>und</strong>e im WG-Alltag kann den <strong>Kindern</strong> der artgerechte Umgang mit den H<strong>und</strong>en<br />
beigebracht werden. Als theoretisches Gr<strong>und</strong>wissen werden den <strong>Kindern</strong> die „12 Regeln im Umgang mit dem<br />
H<strong>und</strong>“ vermittelt.<br />
Auf die Kinder <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong> hat die Anwesenheit des H<strong>und</strong>es eine beruhigende Wirkung. So hat zum<br />
Beispiel die Anwesenheit des H<strong>und</strong> während der Aufgabensituation am Nachmittag eine Steigerung der<br />
Arbeitsdisziplin <strong>und</strong> der Konzentrationsfähigkeit (insbesondere bei hyperaktiven <strong>Kindern</strong> <strong>und</strong> <strong>Jugendlichen</strong>)<br />
zur Folge. Es kann des weiteren rücksichtsvolleres Sozialverhalten der Kinder untereinander beobachtet<br />
werden <strong>und</strong> schüchterne, ängstliche Kinder erfahren durch die Nähe des H<strong>und</strong>es eine Stärkung.
2. gezielte Freizeitaktivitäten mit den H<strong>und</strong>en<br />
Die Methode der pädagogisch begleiteten Freizeitgestaltung mit den <strong>Kindern</strong>/<strong>Jugendlichen</strong> <strong>und</strong> ihren Bezugsh<strong>und</strong>en gliedert sich in<br />
strukturierte (Agility, Breitensport) <strong>und</strong> weniger strukturierte (Spaziergänge, Schwimmen) Aktivitäten.<br />
Die Tabelle „Freizeitaktivitäten <strong>und</strong> ihr mögliches Wirkungsspektrum“ gibt einen Überblick über die Aktivität sowie ihr mögliches<br />
Wirkungsspektrum.
Freizeitaktivitäten <strong>und</strong> ihr mögliches Wirkungsspektrum<br />
Aktivität<br />
Wirkungsspektrum<br />
Spaziergang<br />
Befolgen <strong>von</strong> Regeln<br />
Beziehungsaufbau<br />
Übernahme <strong>von</strong> Verantwortung<br />
Agility, Breitensport, Flyball, Frisbee, Ausdenken des Parcours:<br />
Schwimmen mit H<strong>und</strong><br />
Konzentration<br />
Handlungsplanung <strong>und</strong> Problemlösung<br />
Aufbau des Parcours:<br />
Vorausschauendes Denken, soziale<br />
Fertigkeiten<br />
Räumliche Wahrnehmung<br />
Handlungsplanung<br />
Konzentration<br />
Probelauf:<br />
Konzentration<br />
Perspektivenübernahme<br />
Selbstkontrolle<br />
Training mit H<strong>und</strong>:<br />
Soziale Kompetenz<br />
Empathie<br />
Kommunikationstraining<br />
Wertschätzung<br />
Konzentration<br />
(vgl. Prothmann 2008, S.224).
4.3 Hühner – federleichte Helfer im Arbeitsfeld der TGI
Was eine Begegnung mit dem Huhn sein kann?<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Menschen bekommen durch die Hühner eine Verstärkung ihrer Sinnesorgane. Sie zeigen An- oder Entspannung früher an, als wir es<br />
bemerken können.<br />
Das Huhn ist ein sehr guter Lehrer im Fach „Sozialverhalten“; es petzt jede kleine Unhöflichkeit <strong>und</strong> ist längst nicht so tolerant wie<br />
ein H<strong>und</strong>.<br />
Mit einem Huhn auf dem Arm kann gelernt werden, wie Entspannung geht, da es als zuverlässlicher Spiegel <strong>und</strong> positiver wie<br />
negativer Verstärker fungiert.<br />
Die Hühner sind Botschafter aus der Vogelwelt, mit ihnen wird die Komplexität eines Federkleides, das Essen ohne Zähne, das Baden<br />
ohne Wasser „begreiflich“; sie machen Lernen „sinnvoll“.<br />
Hühner sind intelligente Lebewesen <strong>und</strong> sie zeigen wie lernen funktioniert, sie sind interessiert <strong>und</strong> haben Spaß an der Interaktion.
4.4 Erlebnispädagogische Projekte<br />
Durch die sehr naturnahe Lage können folgende erlebnispädagogischen Projekte realisiert werden:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Kanufahrten entlang der Feistritz <strong>von</strong> Grosswilfersdorf nach Fürstenfeld (Dauer: ca. 2 St<strong>und</strong>en)<br />
Flusswanderungen in der Rittschein<br />
Zelten<br />
Lagerbauten im Wald<br />
Erlebniswanderwege r<strong>und</strong> um Loipersdorf
(Angeln in den nahe gelegenen Fischteichen)
4.4.1 Der Garten der Villa Kunterbunt<br />
Zur Verfügung steht ein 3800m2 großer Garten. Dieser bietet neben Erholungsmöglichkeiten unter den Obstbäumen, in der Beerennaschecke oder<br />
bei den duftenden Rosen auch die Möglichkeit, sich selbst als Gärtner zu versuchen (Hochbeete vorhanden <strong>und</strong> sollen bepflanzt <strong>und</strong> gepflegt<br />
werden).
5. Kooperationen<br />
<br />
Biobauernhof Fritz in Großwilfersdorf: Möglichkeit der Tierpflegerlehre, Ziegenwanderungen
Michaelihof (Jurtenübernachtungen – eine integrierte Glaskuppel holt den Sternenhimmel ins Innere, Horsemanship, Pferdewanderungen…)
6. Literatur