Perspektiven_2016
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Erich Hertel<br />
„Das Fest der Vielfalt“ – Sprache, Kirche und Identität<br />
Warum ist die Frage<br />
nach der Sprache<br />
eigentlich so wichtig<br />
und warum wird<br />
das Gespräch darüber<br />
oft so emotional<br />
geführt?<br />
In Südafrika sagten<br />
mir die Zulu sprechenden<br />
Gemeindeglieder: „Du musst unbedingt<br />
Zulu lernen.“ Auf meine Rückfrage nach dem Grund<br />
kam die Antwort: „Weil im Himmel Zulu gesprochen<br />
wird. Zulu ist die himmlische Sprache!“ Weit hergeholt?<br />
Nun bedeutet der Name „izulu“ tatsächlich<br />
auch „Himmel“.<br />
Etwas misstrauisch wurde ich, als einige Zeit später<br />
Afrikaanssprachige mich zu überzeugen versuchten,<br />
ihre Sprache sei die im Himmel bevorzugte.<br />
Und vollends ins Schwimmen kam ich durch die<br />
Eindrücklichkeit, mit der Hereros mir versicherten,<br />
es stünde doch außerhalb jeden Zweifels, dass Otjiherero<br />
als Umgangssprache in der Ewigkeit verwendet<br />
würde.<br />
Wir schmunzeln über derartige Behauptungen, aber<br />
sie geben ja wichtige Hinweise:<br />
• Die Muttersprache ist ein ganz wesentlicher Bestandteil<br />
einer Person; sie verdeutlicht, wie man<br />
sich begreift und versteht, und darüber hinaus<br />
gehört es zu einem Grundbedürfnis des Menschen,<br />
das, was sein Innenleben ausmacht, seine<br />
Werte, seinen Glauben, seine Hoffnungen in<br />
seiner eigenen Sprache ausdrücken zu wollen.<br />
Diese Identität möchte man natürlich soweit<br />
wie möglich erhalten und am liebsten auch<br />
noch auf den Himmel übertragen.<br />
• Sprache ist ein soziales Phänomen. Sie entsteht<br />
ja niemals von alleine, sondern wir lernen zu<br />
sprechen, indem wir von anderen Personen im<br />
noch nicht sprachfähigen Alter angesprochen<br />
werden, im Regelfall durch die Mutter (deshalb<br />
„Muttersprache“). Die weitere Sprachentwicklung<br />
geschieht dann im Kontext von Familie<br />
Eine fremde Sprache lernen und gut sprechen gibt der Seele eine innere Toleranz.<br />
Man erkennt, dass alles innerste Leben sich auch noch anders fassen und darstellen<br />
lasse; man lernt, fremdes Leben zu achten.<br />
Berthold Auerbach (1812 - 1882)<br />
und Gesellschaft und übernimmt naturgemäß<br />
auch die Werte und Normen dieser jeweiligen<br />
Sprachgruppe. Kultur als soziale Ausprägung<br />
dieser Wertegemeinschaft und Sprache sind<br />
also aufs Engste miteinander verflochten –<br />
und das nicht ein-, sondern wechselseitig. Änderungen<br />
im kulturellen Verhalten führen zu<br />
neuen Sprachformulierungen, und neue Wortschöpfungen<br />
wirken sich auch in einem veränderten<br />
Bewusstsein in kultureller Hinsicht aus.<br />
Sprache und Kultur formen und bedingen sich<br />
also gegenseitig.<br />
Sprachen in der Bibel<br />
In der Bibel wird das Thema „Sprachen“ an zwei entscheidenden<br />
Stellen aufgegriffen: Einmal zu Beginn<br />
der Menschheitsgeschichte beim Turmbau in 1.<br />
Mose 11, als es aufgrund des Eingreifens Gottes gegen<br />
den Hochmut und Größenwahn der Menschen<br />
zur babylonischen Sprachverwirrung kommt, also<br />
zum Abbruch der gegenseitigen Verständigung.<br />
Zum Zweiten dann gleichsam als einer positiven<br />
Entsprechung bei der Geburtsstunde der christlichen<br />
Gemeinde/Kirche im Buch der Apostelgeschichte,<br />
Kapitel 2 (Pfingsten), als durch die Wirkung<br />
des Heiligen Geistes Menschen aus verschiedensten<br />
Völkerschaften, die nach Jerusalem gekommen waren,<br />
die Predigt der Jünger in ihrer je eigenen Muttersprache<br />
verstehen können und verwundert feststellen:<br />
„Wir hören sie in unseren Sprachen von den<br />
großen Taten Gottes reden!“<br />
Nach biblischem Verständnis bleibt die Sprachtrennung<br />
dennoch unverändert; das Pfingstereignis bedeutet<br />
nicht die Rückkehr zu der alttestamentlichen<br />
Vorstellung von einer einheitlichen Sprache, zu einer<br />
Art Esperanto (hat es sie je gegeben?), sondern<br />
belässt die Vielzahl der Sprachen. Aber es kommt<br />
zu einer neuen Lebenserfahrung: Unterschiedliche<br />
Muttersprachen – und dennoch gegenseitiges Verstehen,<br />
das ist das eigentliche Geheimnis an Pfingsten.<br />
Trotz des Fortbestehens unterschiedlicher<br />
Kulturen und Identitäten kommt es zum Wunder<br />
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